Stabile Angina pectoris - Leitsymptome, Diagnostik und Therapie
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FORTBILDUNG Stabile Angina pectoris Leitsymptome, Diagnostik und Therapie Eine stabile Angina pectoris ist Ausdruck einer hoch- Dieses Krankheitsgeschehen wird stabile Angina pectoris ge- nannt. Das Beschwerdebild ist reproduzierbar und über einen gradigen Koronarstenose und muss von einer instabi- längeren Zeitraum berechenbar. Eine Plaque kann jederzeit einreissen, es entsteht unmittelbar len Angina pectoris und natürlich von einem Herz - eine Plättchenaggregation, die das verbleibende Restlumen partiell oder vollständig verlegt. Gerade cholesterinreiche Pla- infarkt abgegrenzt werden. Bei der Therapie kommt ques im frühen Stadium der Arteriosklerose zeigen diese Nei- gung zur Plaqueruptur. Dieses Phänomen mag erklären, es zum einen darauf an, die Grunderkrankung zu warum eine Angina-pectoris-Symptomatik plötzlich ohne Vor- warnung und unabhängig von Belastungen auftreten kann. behandeln (vasoprotektive Therapie), zum anderen, Dieses Szenario wird akutes Koronarsyndrom, die damit ver- die Beschwerden zu lindern. Zudem drängen neue bundenen Brustbeschwerden werden instabile Angina pectoris genannt. Bei einem kompletten Koronarverschluss sterben Medikamente auf den Markt, die die Sauerstoffver - nach etwa 30 Minuten die nicht mehr durchbluteten Herzmus- kelzellen ab, der irreversible Untergang von Herzmuskel- sorgung verbessern sollen. gewebe wird als akuter Herzinfarkt definiert. Verdächtig für das Vorliegen einer instabilen Angina pectoris sind folgende Umstände: A N D R E AS M Ü G G E ■ neu auftretende Brustbeschwerden im Sinne einer Angina pectoris Angina pectoris (Brustbeklemmung) ist das Leitsymptom der ■ plötzliche Zunahme der Intensität oder Dauer von Angina- koronaren Herzkrankheit (KHK). Diese ist Folge eines chro- pectoris-Beschwerden nischen Entzündungsprozesses, der in Abhängigkeit vom ■ in Ruhe auftretende Angina-pectoris-Beschwerden. Vorhandensein kardiovaskulärer Risikofaktoren (männliches Geschlecht, Nikotinabusus, Diabetes mellitus, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen) und familiärer Vorbelastung indi- viduell unterschiedlich rasch verläuft. Merksätze Plaquebildung und Plaqueruptur Der Erkrankungsprozess führt zu einer Plaquebildung, die ■ Bei Einengung einer Koronararterie um mehr als 50 Prozent kommt über Jahrzehnte klinisch stumm verlaufen kann. Zunächst es bei Belastung zur Angina pectoris, bei mehr als 90 Prozent stellen wird die Plaquebildung durch eine Zunahme des Gefässdurch- sich die Beschwerden bereits unter Ruhebedingungen ein. messers kompensiert («Remodeling»). Erst im Verlauf er- ■ Die antianginöse Therapie besteht aus Nitraten, Betablockern oder schöpft sich dieser Kompensationsmechanismus, und es bildet lang wirksamen Kalziumantagonisten, allein oder in Kombination. sich eine Stenose (Abbildung 1). ■ Die Wirkung der neuen Medikamente zur Therapie der stabilen An- Instabile und stabile Angina pectoris gina pectoris beruht vor allem auf einer metabolischen Steigerung Wird das Koronargefässlumen durch eine unversehrte Plaque der Belastbarkeit des Herzens. um mehr als 50 Prozent eingeengt, kommt es unter körperli- ■ Für Patienten mit refraktärer Angina pectoris steht ein neues cher Belastung zu Durchblutungsstörungen. Diese erzeugen schmerztherapeutisches Verfahren, die Spinal-Cord-Stimulation, ein «Missempfinden» – die Angina pectoris. Ist das Herzkranz- zur Verfügung. gefäss um mehr als 90 Prozent eingeengt, stellen sich Angina- pectoris-Beschwerden bereits unter Ruhebedingungen ein. ARS MEDICI 12 ■ 2009 491
FORTBILDUNG Basismassnahmen bei stabiler Angina pectoris Intima/Plaque Media Die Therapie verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: Symptom- freiheit und Verbesserung der Prognose durch Behandlung der Grunderkrankung. Uns steht ein ganzes Arsenal an Möglich- keiten zur Verfügung (Abbildung 3). Bevor dieses Arsenal aber geöffnet wird, sollten Begleiterkrankungen, die eine Angina- pectoris-Symptomatik erschweren können, erkannt und be- Lumen handelt werden. Dazu gehören in erster Linie die Anämie, der schlecht kontrollierte Blutdruck und eine Hyperthyreose. Normal «Remodeling» Stenose Antianginöse Therapie Abbildung 1: Plaques führen anfänglich nicht zu einer Einengung des Lumens, sondern es Basis der antianginösen Therapie ist eine Therapie mit Nitra- kommt zu einer Zunahme des Gefässdurchmessers («Remodeling»). Erst wenn dieser Mechanismus versagt, entsteht eine Stenose. ten, Betablockern oder lang wirksamen Kalziumantagonisten, allein oder in Kombination. Metaanalysen von über 90 rando- Bei Verdacht auf eine instabile Angina pectoris muss ohne Zeit- misierten Studien lassen keinen Vorteil der Betablocker über verlust eine Abklärung in einem Krankenhaus, am besten mit die Kalziumantagonisten erkennen, vergleichende Studien mit einer spezialisierten Einrichtung wie einer Chest-Pain-Unit Nitraten gibt es zu wenige, um gegenüber Nitraten einen (Herzschmerz-Ambulanz), erfolgen. In der Regel wird rasch Unterschied nachzuweisen. Die amerikanischen und euro- koronarangiografiert, um Hochrisikopatienten zu identifizie- päischen Fachgesellschaften favorisieren – auch ohne Evidenz – ren und gegebenenfalls einen drohenden Infarkt abzuwenden. Betablocker als First-Line-Medikamente in der Behandlung der stabilen Angina pectoris. Symptomenspektrum Die Angina pectoris kann sich sehr variabel präsentieren (Ab- bildung 2). Viele Betroffene klagen nicht über Schmerzen, son- Unterkiefer 10% dern zum Beispiel über ein Beklemmungsgefühl, Brustenge, Hals 10% Brennen, starken Druck oder einen Reif um den Brustkorb. Die Rücken 10% Beschwerden sind nicht punktuell, sondern eher «flächig», sie können nicht durch Druck auf die Rippen ausgelöst werden. linke Schulter 20% Häufig geht die Angina pectoris mit einem Angstgefühl und retrosternal 70% vagalen Begleitsymptomen wie Übelkeit, Erbrechen und Schweissausbruch einher oder mit Luftnot. links thorakal 40% Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zum Herzinfarkt ist, dass die stabile Angina pectoris unter Ruhebedingungen oder epigastrisch 20–30% nach Gabe von nitrohaltigen Medikamenten (Nitrospray oder Nitrokapseln) innerhalb von wenigen Minuten vollständig re- linker Arm 30% versibel ist. Dauern Angina-pectoris-Beschwerden länger als 20 Minuten an, muss an einen Herzinfarkt gedacht werden. Als klinisch brauchbar hat sich eine Klassifikation der Angina Abbildung 2: Mögliche Lokalisationen von Beschwerden bei Angina pectoris. pectoris in «typisch», «atypisch» und «nicht kardial» erwiesen. Typische Angina pectoris Ein Wort zur Verträglichkeit von Betablockern: Erkrankungen ■ retrosternales Druck- oder Engegefühl wie COPD oder pAVK stellen keine Kontraindikationen dar, ■ unter körperlichem oder emotionalem Stress auftretend eine antianginöse Therapie mit Betablockern wird bei diesen ■ vollständig reversibel unter Ruhe oder innerhalb von Mi- Patienten in der Regel besser vertragen als vielleicht erwartet. nuten nach Gabe von Nitrospray/-kapseln. Betablocker sollten aber mit Kalziumantagonisten vom Diltia- zem- und Verapamiltyp nicht kombiniert werden. Atypische Angina pectoris Die Nitrate unterscheiden sich im Wirkbeginn und in der Wirk- ■ nur zwei der Kriterien treffen zu. dauer (Tabelle). Der beste Weg, eine Nitrattoleranz zu verhin- dern, ist eine intermittierende Gabe von Nitraten mit nächt- Verdacht auf nicht kardialen Brustschmerz lichen Pausen. Nitrate sollten nicht gleichzeitig mit selektiven ■ nur ein oder kein Kriterium trifft zu. Phosphodiesterase-5-Hemmern wie Sildenafil (Viagra®) einge- nommen werden, der zeitliche Abstand sollte bei mindestens Eine atypische Angina pectoris ist bei einzelnen Patienten- 24 Stunden liegen. Nehmen KHK-Patienten regelmässig PDE-5- gruppen gehäuft zu beobachten, zum Beispiel bei Frauen oder Hemmer ein, sollte die antianginöse Therapie gänzlich auf bei Patienten mit diabetischer Neuropathie. Betablocker und Kalziumantagonisten umgestellt werden. 492 ARS MEDICI 12 ■ 2009
S TA B I L E A N G I N A P E C T O R I S Antiischämische Therapie Korrektur von Neue Medikamente ■ Nitrate Begleiterkrankungen ■ Ranolazin ■ Betablocker ■ Anämie (Hb > 10 g/dl) ■ Trimetazidin ■ Kalziumantagonisten ■ Hypertonie ■ Nicorandil ■ Hyperthyreose ■ Fasudil ■ Ivabradin ■ Molsidomin p li kationsfreihe PTCA1 /ACVB2 Kom it PICVA3 /PICAB4 Vasoprotektive Therapie Spezialtherapie Be s ■ ■ ASS Statine chwerdefreiheit ■ Spinal-Cord-Stimulation ■ Counterpulsation ■ ACE-Hemmer ■ Gentherapie ■ Lebensstil ■ Zelltherapie ■ Risikofaktoren ■ Endosk. Sympathektomie ■ TMR-/PMR-Laser 1 3 PTCA = perkutane, transluminale Angioplastie PICVA = percutaneous in situ coronary venous arterialisation 2 4 ACVB = aorto-koronare Venen-Bypass-Operation PICAB = percutaneous in situ coronary artery bypass Abbildung 3: Therapie der stabilen Angina pectoris Vasoprotektive Therapie nimmt. Nicht überraschend konzentriert sich daher die Vermark- Ein wesentlicher Eckpfeiler in der Behandlung der Angina tung von Ranolazin auf Diabetespatienten mit Angina pectoris. pectoris sind Massnahmen, die die Progression der Grund- Trimetazidin (nicht im CH-Kompendium) wirkt nur metabo- erkrankung verhindern (Abbildung 3). lisch, der Energiestoffwechsel des Herzens wird von einer Fett- Das LDL-Cholesterin bei KHK-Patienten mit stabiler Angina säuren- zu einer Glukosemetabolisierung verändert, dadurch pectoris sollte unter 100 mg/dl liegen, bei multiplen Risikofak- schöpft das Herz mehr ATP pro Sauerstoffeinheit. In mehr als toren unter 70 mg/dl. 23 Studien wurde gezeigt, dass diese Substanz allein oder in Zwei Studien – EUROPA und HOPE – belegen einen vaskulo- Kombination die Belastbarkeit erhöht und Angina-pectoris-An- protektiven Benefit einer ACE-Hemmertherapie. Die euro- fälle reduziert. Nebenwirkungen wie bei Ranolazin (Übelkeit päischen Leitlinien von 2006 empfehlen eine ACE-Hemmer- und Schwindel) treten weniger auf. therapie bei Zustand nach Myokardinfarkt, Hypertonie, LV- Nicorandil (Dancor®) verfügt über zwei Wirkmechanismen: Dysfunktion, Diabetes oder Nierenfunktionsstörung. Es hat Nitrateigenschaften, zusätzlich öffnet es die ATP-ab- hängigen Kaliumkanäle am Herzen. Der letztere Punkt ist Neue Medikamente interessant, denn über diese Kanäle wird das Phänomen der Zusätzlich zu diesen Basismedikamenten sind eine ganze ischämischen Präkonditionierung vermittelt, das heisst, dass Reihe von neuen Substanzen entwickelt worden, die teilweise wiederholte Episoden von kurzen Ischämien die Toleranz des auch bereits im Handel verfügbar sind. Summarisch lässt sich Herzens für folgende Ischämien erhöhen. Im IONA-Trial senkte anmerken, dass die neuen Substanzen im Wesentlichen von Nicorandil kardiovaskuläre Endpunkte wie Tod und Myokar- einer metabolischen, weniger hämodynamischen Seite her die dinfarkt. Dies ist insofern bemerkenswert, da keine andere an- Belastbarkeit des Herzens erhöhen und Angina-pectoris- tianginöse Substanz bisher diesen prognostischen Endpunkt Anfälle reduzieren. positiv beeinflussen konnte. Ranolazin (Ranexa®, nicht im CH-Kompendium) erhöht die Ivabradin (Procoralan®) hemmt If-Kaliumkanäle im Sinus- Glukosemetabolisierung des Herzens, die Hauptwirkung ist knoten und senkt darüber hinaus die Herzfrequenz. Bei über eine Hemmung von Natriumkanälen, dadurch wird eine Kal- 5000 Patienten konnte gezeigt werden, dass sich die Belastbar- ziumüberladung der Herzzelle verhindert (Zelle verarmt an keit und die Symptomatik von Patienten mit stabiler Angina Natrium, der Natrium-Kalzium-Transporter sorgt für eine Ver- pectoris bessern liessen. Die Hauptindikation wird für KHK- meidung eines Kalzium-Overloads). In der ERICA-Studie konnte Patienten gesehen, die einen Betablocker nicht oder nur ein- der zusätzliche Nutzen dieses Therapieprinzips demonstriert geschränkt tolerieren. In der im Jahr 2008 publizierten werden. Unklar ist, ob diese Substanz nur symptomatisch hilft BEAUTIFUL-Studie verbesserte eine Herzfrequenzreduktion oder auch prognostisch einen Benefit hat. Ein interessanter mit Ivabradin jedoch nicht die Prognose von Patienten mit Nebeneffekt ist, dass bei Diabetespatienten der HbA1c-Wert ab- einer KHK und reduzierter LV-Funktion. ARS MEDICI 12 ■ 2009 493
FORTBILDUNG am Herzen korrigiert und damit typische Tabelle: Am häufigsten verwendete Nitrate in der Schweiz Beschwerden gelindert werden können, aber dass mit diesem Eingriff nicht die Organische Nitrate Darreichungsform Wirkbeginn Wirkdauer Grunderkrankung beherrscht wird oder min h Komplikationen der Grunderkrankung wie Glyceroltrinitrat (GNT) Spray 1 0,5 Myokardinfarkt verhindert werden. (Nitroderm®, Nitroglycerin Streuli®, Tablette 2—5 1—2 Nitrolingual, Trinitrin Simplex Laleuf®) Koronarangiografie: Ja oder Nein? Patch 5—10 4—8 An die Frage nach einer Intervention ist Isosorbiddinitrat Tablette 1—2 1 auch die Frage nach einer diagnostischen (Isoket®, Sorbidilat®) Slow Release 10—30 8—12 Koronarangiografie gekoppelt. Die natio- nalen Leitlinien sehen eine Klasse-IA-Indi- Spray 10—20 4—6 kation, wenn eine Angina pectoris auf Isosorbid-5-Mononitrat Tablette 10—30 1—2 niedrigem Belastungsniveau unter Medi- (Corangin®) kation besteht beziehungsweise neu auf- tritt oder bei Hochrisikopatienten mit posi- tiven Stresstests, die grosse Perfusionsde- fekte vermuten lassen. Generell lässt sich Fasudil ist ein Hemmer der rho-Kinase, ein kleines Molekül, anmerken, dass es bei einer typischen Angina-pectoris-Sym- das in der Signalkaskade für die Relaxation der glatten Gefäss- ptomatik weniger darauf ankommt, die zugrunde liegende muskulatur von Bedeutung ist. Fasudil kann die Belastungs- KHK nachzuweisen, als anhand der Komorbidität, der Belast- dauer bis zum Auftreten von ST-Senkungen verlängern, es ist barkeit, des Ausmasses der Grösse der Minderperfusion, der jedoch noch nicht geklärt, ob damit auch die Angina-pectoris- linksventrikulären Pumpfunktion und des aktuellen Koronar- Symptomatik zu behandeln ist. status (Hauptstammstenose, proximal gelegene Läsionen, Molsidomin (Corvaton®) ist ein NO-Donor und benötigt keine dominante Gefässe) Hochrisikopatienten zu identifizieren. Biotransformation wie die Nitrate, um Gefässe zu relaxieren. Es wird in Deutschland anstelle von Nitraten, aber auch in Neue Techniken Kombination mit Nitraten verabreicht und ist ebenso wie Ni- Zurzeit erforscht werden weitere Interventionstechniken, bei trate in der Lage, die Belastungsdauer zu verbessern und die denen perkutan von einem Koronargefäss aus ein künstlicher Anzahl von Angina-pectoris-Anfällen zu reduzieren. Schwierig Shunt in eine Koronarvene geschaffen wird und eine Region einzuschätzen ist mit der NO-Freisetzung die gleichzeitige des Herzens sozusagen retrograd über die Koronarvenen per- Freisetzung von Sauerstoffradikalen. Ob dieses (biochemi- fundiert wird (PICVA = percutaneous in situ coronary venous sche) Phänomen von klinischer Relevanz ist, ist unklar. arterialisation). In einem anderen Ansatz wird ein Shunt vor und nach einer Koronarstenose künstlich erzeugt, sodass das Interventionen Blut an der Stenose vorbei «gebypasst» wird (PICAB = percu- Kann medikamentös keine Beschwerdefreiheit erreicht wer- taneous in situ coronary artery bypass). Diese Verfahren sind den, sind Interventionen hilfreich und auch erst dann indiziert. noch klinisch experimentell, die Komplikationsraten sind Wir verfügen über die Möglichkeit einer perkutanen trans- hoch, sodass es noch nicht absehbar ist, ob diese Techniken in luminalen Angioplastie (PTCA, Ballonkatheter) und über die den klinischen Alltag Einzug halten werden. aorto-koronare Venen-Bypass-Operation (ACVB). Patienten mit Andere Techniken haben jedoch das experimentelle Stadium einer koronaren Ein- oder Zwei-Gefäss-Krankheit (d.h. eines bereits verlassen und wurden mehr oder weniger unter klini- oder zwei der grossen Koronargefässe sind erkrankt) werden in schen Bedingungen erprobt. Diese Verfahren reichen von der der Regel mittels einer PTCA im Herzkatheterlabor behandelt, endoskopischen Sympathektomie, externen Counterpulsation solche mit einer Drei-Gefäss-Krankheit oder Läsionen am lin- bis hin zur intrakoronaren Applikation von Stammzellen oder ken Hauptstamm werden in der Regel einer ACVB-Operation Wachstumsfaktoren oder zur transmyokardialen (TMR) bezie- unterzogen. Der wichtigste diagnostische Schritt vor einer hungsweise perkutanen Laser-(PMR-)Revaskularisation. TMR geplanten Koronarintervention ist die Klärung der Frage, ob die und PMR werden inzwischen weltweit nur noch in Einzelfäl- zur Revaskularisierung (sei es PTCA oder ACVB-Op.) vorgese- len verfolgt. Andere Methoden, wie die Enhanced External henen Stenosen überhaupt das klinische Beschwerdebild ver- Counterpulsation (EECP), die über pneumatische Kompressen ursachen. Die vielerorts zu beobachtende Praxis, im Zweifels- an den Beinen einen verstärkten Rückstrom zum Herzen in der fall zunächst zu dilatieren und dann klinisch abzuwarten, ob Diastole fördert, werden derzeit weiter klinisch untersucht. dieser Eingriff auch helfen wird, ist meines Erachtens nicht mit Ein relativ neues Verfahren findet jedoch schon jetzt Anwen- einem hohen Qualitätsstandard vereinbar. dung für Patienten, bei denen eine refraktäre Angina pectoris Man muss sich darüber im Klaren sein, dass mit der PTCA be- vorliegt. Damit sind Patienten gemeint, bei denen alle bisheri- ziehungsweise ACVB-Operation die regionale Minderperfusion gen Therapien zu keiner Beschwerdefreiheit führen. In der 494 ARS MEDICI 12 ■ 2009
FORTBILDUNG eines Herzinfarkts. Diagnostisch hilfreich Platzierung Elektrode epidural in Höhe von Th1-C7 (gelber Pfeil) ist die Klassifikation in eine typische, aty- Generator links abdominal pische oder nicht kardiale Angina-pectoris- Stimulation 1 h/Tag bzw. selbst durch den Patienten Symptomatik. Atypische Formen einer An- Hübe Nitro/Tag gina pectoris sind häufiger bei Frauen und 10 10 Diabetikern. Eine neu aufgetretene Angina 9 Schmerzintensität 9 Nitrohübe pectoris oder eine Angina pectoris auf 8 8 einem niedrigen Belastungsniveau erfor- 7 Stimulation 7 6 6 dert eine rasche invasive Abklärung. Die Behandlung der stabilen Angina pecto- NRS 5 5 4 4 ris ist multimodal. Neben der Korrektur 3 3 von Begleiterkrankungen (Anämie, Hyper- 2 2 tonie und Hyperthyreose) ist die Behand- 1 1 lung der Grunderkrankung («vasoproktek- 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 tive Therapie») ein Eckpfeiler. Die Basis der Behandlungsmonate antianginösen Therapie sind Betablocker, Nitrate und/oder lang wirksame Kalzium- Abbildung 4: Spinal-Cord-Stimulation: Der Patient kann einen in der Bauchhaut implantierten Schrittmacher selbstständig antagonisten. Neue Medikamente drängen aktivieren, der Impulse an eine Elektrode im Rückenmarksraum abgibt (Pfeil). auf den Markt, die metabolisch die Sauer- stoffverwertung verbessern sollen. Regel sind dies Patienten mit einer langen KHK-Vorgeschichte, Lässt sich medikamentös keine Beschwerdefreiheit erreichen, die schon mehrfach Interventionen wie ACVB-Operation besteht die Indikation für eine Revaskularisierung. Dies gilt und/oder PTCA unterzogen wurden. Schliesslich wird ein auch für einzelne Hochrisikopatienten. Die Wahl der Revasku- Punkt erreicht, an dem keine weitere Intervention mehr sinn- larisierung (PTCA, ACVB-Op.) hängt von individuellen Fakto- voll erscheint und trotz umfangreicher Medikation der Patient ren ab, unter anderem auch von lokalen Begebenheiten, ver- hochsymptomatisch auf kleinstem Belastungsniveau leben bindliche Vorgaben existieren nicht. muss. In solchen Fällen kann ein schmerztherapeutisches Kon- Im Fall einer refraktären Angina pectoris werden neue Tech- zept mit einer Spinal-Cord-Stimulation weiterhelfen. Es wird niken klinisch erprobt. Vielversprechend ist die Spinal-Cord- eine Elektrode in den Rückenmarkskanal in Höhe C7-Th1 ein- Stimulation, ein schmerztherapeutischer Ansatz, der den Pa- geführt und an einen Schrittmacher angeschlossen, der im tienten erlaubt, über einen Spezialschrittmacher die Wahrneh- Bauchraum unter der Haut implantiert wird und selbstständig mung des Angina-pectoris-Schmerzes zu modulieren. ■ durch den Patienten aktiviert werden kann (Abbildung 4). Mit Aufnahme der täglichen Stimulation reduziert sich schlag- Literatur unter www.allgemeinarzt-online.de/downloads artig die Anzahl an therapiebedürftigen Angina-pectoris-Epi- soden, der Verbrauch an Nitrospray nimmt drastisch ab. Diese Prof. Dr. med. Andreas Mügge Technik wird in Deutschland an einzelnen Zentren angeboten, Herzzentrum der Kliniken der Ruhr-Universität Bochum, die Erfahrung ist jedoch noch begrenzt, typische Komplikatio- Direktor an den Standorten Bergmannsheil und nen sind Infektionen, die mit einer Häufigkeit von etwa 1 Pro- St. Josef-Hospital zent in der Literatur angegeben werden. D-44791 Bochum Fazit für die Praxis Der Angina pectoris liegt in der Regel eine weit fortgeschrittene Interessenkonflikte: keine KHK mit einer oder mehreren hochgradigen Koronarstenosen zugrunde. Klinisch relevant ist die Unterscheidung in eine sta- bile und eine instabile Angina pectoris. Jederzeit kann eine sta- Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 4/2009. bile in eine instabile Angina pectoris übergehen mit der Gefahr Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor. 496 ARS MEDICI 12 ■ 2009
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