Städtisches Wohnungswesen - Wohnen in Zeiten der Krise Freiraum & Mikroklima Wohnungsgestaltung - FH JOANNEUM

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Städtisches Wohnungswesen - Wohnen in Zeiten der Krise Freiraum & Mikroklima Wohnungsgestaltung - FH JOANNEUM
Städtisches Wohnungswesen
                     Wohnen in Zeiten der Krise

                             Freiraum & Mikroklima

Wohnungsgestaltung

                                                     Öffentlicher Raum

   Wohnungsnahe Versorgung
Städtisches Wohnungswesen - Wohnen in Zeiten der Krise Freiraum & Mikroklima Wohnungsgestaltung - FH JOANNEUM
Vorwort

                                                                       Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Städtisches Wohnungswesen“, hat
                                                                       sich der Jahrgang ARC20 des Masterstudiengangs „Architektur” an
                                                                       der FH JOANNEUM in Graz mit dem Thema Wohnen in Zeiten der
                                                                       Krise und den sich daraus für das Wohnen im urbanen Raum erge-
                                                                       benden Konsequenzen beschäftigt.

                                                                       Die zur Eindämmung der aktuellen COVID-19 Pandemie getroffenen
                                                                       Maßnahmen regen dazu an die bisherige Sicht auf die Welt zu
                                                                       überdenken, da . in Zeiten einer Pandemie ein anderes Regelwerk zur
    Impressum                                                          Geltung kommt. Neue Konzeptionierungen und Denkweisen müssen
                                                                       implementiert werden. Mithilfe einer gründlichen Recherche, der
    STÄDTISCHES WOHNUNGSWESEN                       GRAFIK
                                                                       Entwicklung neuer Lösungsansätze sowie der innovativen Wiederbe-
    Wohnen in Zeiten der Krise
                                                                       lebung alter, urbaner Konzepte haben die Studierenden des Master-
                                                    Imke Brand
                                                                       studienganges “Architektur” Problemlösungen gefunden, die leicht
    Diese Publikation ist ein Projekt der Studie-   Julia Hoffmann
    renden des Masterstudiengangs Architektur       Nadine Schneider   implementierbar sind.
    der FH JOANNEUM in Graz und ist im              Teresa Dünninger
    Rahmen der Lehrveranstaltung „Städtisches                          Die Kooperationsbereitschaft der Studierenden und die nötige fachli-
    Wohnungswesen“, im Wintersemester               ORGANISATION       che Zusammenarbeit und Hilfe von Frau DI Dr. Feuerstein ermöglichte
    2020/21, entstanden.                                               den gesamtheitlichen Erfolg dieser Arbeit.
                                                    Dana Kolasinac
    Aller Verfasserinnen und Verfasser werden       Lukas Müller
    namentlich bei Ihren Beiträgen aufgeführt.      Noah Söwester
                                                    Markus Url
    Die Arbeit wurde geleitet und betreut durch
    Architektin DI Dr. Christiane Feuerstein.       Graz, 2021

2                                                                                                                                             3
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Inhalt

         01                      02                                          03                           04
         Öffentlicher Raum       Freiraum & Mikroklima      Wohnungsnahe Versorgung           Wohnungsgestaltung

         13                      22                                                    38                           60
         Jedes Jahr ein neues    Natur im Wohnumfeld           Sockelzonen-Management            Nutzungsflexibilität in
         Eisenstadt                                                                           der Grundrisskonzeption

         14                      24                                                    40                           62
         Wegeführung             Fassadenbegrünungen                      Urban Farming                  Polyvalenz,
                                                                                                  Schwerpunkt Möbel

         16                      26                                                    42                           64
         Möbel und Beleuchtung   Urbanisierung der grünen                 Algen und Pilze       Homeoffice, hatten wir
                                 Stadtoasen im Vormarsch                                       das nicht schon einmal?
                                 der Verstädterung

                                 28                                                    44                           66
                                 Nachbegrünung im                           Mikromobilität      Private Außenbereiche
                                 Bestand                                - the future is now

                                 30                                                    46                           68
                                 Lebendige Bauwerke                   Lastenfahrräder als        Gemeinschaftsflächen
                                                                alternative Mobilitätsform

                                 32                                                    48
                                 Kleingärten - nützliche          Bildung in Krisenzeiten
                                 Grundstücke                    Lernen, Spielen, Wohnen
                                                                  Lernen, Spielen, Kultur
Städtisches Wohnungswesen - Wohnen in Zeiten der Krise Freiraum & Mikroklima Wohnungsgestaltung - FH JOANNEUM
Einleitung

Die COVID-19 Pandemie hat uns alle betroffen und auf dramatische
Weise gezeigt, dass wir in vielen Belangen des täglichen Lebens nicht
genug auf die neue Situation reagieren konnten. Unsere aktuellen
Strukturen waren - und sind in Teilen immer noch - nicht für diese
Krisensituation ausgelegt und es mussten mit Hochdruck Konzepte ent-
wickelt werden, die im Bereich Hygiene, Medizin, Arbeit und Bildung
ein wirksames Mittel gegen die Pandemie darstellen können.

Im Zuge dessen wurde auch deutlich, dass unsere bekannten Wohn-
strukturen, gerade im urbanen Bereich, die neuen, zusätzlichen
Aufgaben nur bedingt leisten können. Man sah sich nun mit Homeof-
fice, Quarantäne, Lockdown und einem deutlich verkleinerten Bewe-
gungsradius konfrontiert. Mit diesen Problemstellungen haben wir uns
auseinandergesetzt.

Die Philosophen Nikil Mukerji und Adriano Mannino beschreiben in
„Covid-19: Was in der Krise zählt“ (Reclam, 2020) das Prinzip des
Hedging, auf Basis dessen in Krisensituation Entscheidungen getrof-
fen werden kann. Das Hedging-Prinzip zeigt einen Lösungsweg auf,
indem es einen Vergleich anstellt welche Auswirkungen das Ergrei-
fen (oder Nicht-Ergreifen) praktischer Maßnahmen in Bezug auf
eine mögliche Katastrophe hat. Dabei zeigt sich, dass der Verzicht
auf praktische Maßnahmen fatale Folgen hat, sollte die erwartete
Katastrophe eintreten. Geringer wiegen dabei stets die möglichen
(ökonomische) Schäden im Falle eines Ausbleibens der möglichen
Katastrophe, sollten die praktischen Maßnahmen trotzdem ergriffen
worden sein. Dieser Grundsatz gilt sowohl für die aktuelle Krise durch
die COVID-19 Pandemie als auch andere Krisen wie beispielsweise
den Klimawandel und kann darüber hinaus in der Krisen-Prävention
angewandt werden. Es zeigt sich, dass das Ergreifen von Maßnah-
men in Bezug auf Krisenmanagement und Krisenprävention stets dem
Nicht-Ergreifen zu bevorzugen ist, selbst wenn die erwartete Katastro-
phe nicht eintritt.

Unter dieser Prämisse wurden mögliche Lösungskonzepte und Hand-
lungsoptionen entwickelt, die in den Bereichen: öffentlicher Raum,
Freiflächen und Mikroklima, Versorgung und Wohnungsgestaltung,
die Wohnqualitäten in Städten, auch in Zukunft, krisensicher machen
sollen.
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01
Öffentlicher Raum
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Brandt, Eder, Fian

                                                                                                      Einleitung

Umgang mit Nähe und       Öffentlicher Raum ist eine Grundvoraussetzung des städtischen Lebens. Durch ihn wird
                          die Stadt zur Stadt. Im zeitgemäßen Verständnis wird der öffentlicher Raum als Prozess
                          begriffen, wobei Funktionen an gesellschaftliche Prozesse gebunden sind, welche wieder-

Distanz im öffentlichen   rum Einfluss auf Wahrnehmung und Gebrauch des Raums nehmen.1)

                          Öffentliche Räume können nicht ohne Rücksichtnahme auf ihr Umfeld geplant werden.

Raum durch Zonierung      Die Bevölkerung, Nutzergruppen, Infrastruktur, Gebäude und vieles mehr wirken auf die
                          Entstehung dieser Räume ein.
                          Fehler, der beim Planen von öffentlichen Räumen begangen wird, ist, dass bei der Gestal-
                          tung zu viel Wert auf Design gelegt wird. Das schönste Design bringt keinen Mehrwert,
                          wenn die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer nicht berücksichtigt werden. Wege,
                          die nicht dort entlangführen, wo Menschen gehen möchten, ein Mangel an guten Sitzge-
                          legenheiten oder zu viel Verkehr sind nur einige der Gründe, warum öffentliche Räume
                          nicht wie gewünscht funktionieren.2)

                           „Städtische Freiräume, insbesondere Stadt- und Dorfplätze müssen multifunktional sein,
                          sind sie doch der Handlungsraum verschiedener Akteure mit unterschiedlichen Nutzungs-
                          ansprüchen. Im Tages- und Wochenablauf, in der Abfolge der Jahreszeiten bilden Stadt-
                          plätze Raum und Bühne für eine Vielzahl von auf die Gemeinde abgestimmter Aktivitä-
                          ten“3)

                          Wie gehen wir auf öffentlichen Plätzen mit dem Thema Nähe und Distanz um? Der
                          Wandel der Zeit brachte eine Entwicklung mit sich, in der die Menschen immer mehr
                          zusammengeführt worden sind und die Gemeinschaft gefestigt wurde. So entstanden
                          z.B. Co-Working-Spaces und Open Space Büros. Viele Konzepte zielten darauf ab, die
                          Kommunikation zu fördern. Durch die Pandemie haben sich die Werte und Ziele bezogen
                          auf Nähe und Distanz verändert. Wie kann man nun öffentliche Plätze gestalten, sodass
                          sie unseren momentanen Anforderungen genügen, aber eventuell in Zukunft wieder dem
                          Thema Nähe angepasst werden können? In den folgenden Artikeln werden verschiedene
                          Lösungsansätze analysiert, bezogen auf die Zonierung öffentlicher Flächen und Plätze.

                          1)
                             Vgl.: Wildner, Kathrin/Berger, Hilke Marit (09.07.2018): Das Prinzip des öffentlichen Raums. In: bpb:Bundes-
                          zentrale für politische Bildung. . (Zugriff am 12.01.2021)
                          2)
                             Vgl.: Stopfer, Eveline (03.11.2020): Die fünf Schritte zur idealen Platzgestaltung. In: stadt Marketing Austria.
                          . (Zugriff am 14.12.2020)
                          3)
                               Ebd.
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Regenwasserentsorgung mit mehr Aufwand
                                                                                                                                          verbunden ist.
                                                                                                                        Johannes Fian     Versiegelten Böden fehlt auch die Fähig-
                                                                                                                                          keit Staub zu binden, was in Städten zum
                                                                                              Jedes Jahr ein neues                        Problem wird. Feinstaubbelastung in Innen-
                                                                                                                                          städten, Luftverschmutzung und gesundheit-
                                                                                                        Eisenstadt                        liche Spätfolgen sollten hierfür Stichwörter
                                                                                                                                          genug sein.
                                                                                                                                          Der negativste Aspekt für das Leben in
                                                                                              Durch die COVID-19 Pandemie im Jahr         der Stadt ist aber wohl die Förderung der
                                                                                           2020 wurde auch der Umweltschutz wie-          städtischen Überhitzung. Die Versiegelung
                                                                                            der vermehrt in die öffentliche Wahrneh-      und die damit verbundene Beschaffenheit
                                                                                          mung gerückt. Klaren Lagunen in Venedig,        des Bodens verursachen eine negative
                                                                                           smogfreie Städte in China oder Delfine in      Auswirkung auf die mikroklimatischen
                                                                                           der Adria. Dies sind positive Aspekte und      Verhältnisse.
                                                                                            zeigen, wie schnell sich eigentlich Dinge
                                                                                                ändern können. Erkenntnisse, die erst     Aber wie kann diesen Entwicklungen
                                                                                             durch eine weltweite Krise in den Fokus      entgegengewirkt werden? Es ist eigentlich
                                                                                              rücken. Was jedoch auch bemerkt wur-        ganz einfach, auch schon die großen Meis-
                                                                                            de ist, dass das Leben in Städten schnell     ter der klassischen Moderne verfolgten
                                                                                          unangenehm werden kann. Wenn da auch            ähnliche Ziele.
                                                                                             noch die Flucht in die Urlaubsdestinatio-
                                                                                          nen verhindert wird, fühlen sich Menschen       Die Begrünung von Dächern und Fassaden
                                                                                                schnell unwohl. Neben der Lärm- und       wäre ein Ansatz, auch die Installation von
                                                                                            Verkehrsbelastung ist ein oft vergessener     ganzen Dachgärten. Weitere Bereiche
                                                                       Installation von   Aspekt die rasch voranschreitende Boden-        für eine Begrünung wären Vorzonen von
                                                                     Dachbegrünung und                                 versiegelung.1)    Gebäuden, dies hätte auch noch positive
                                                                         Dachgärten                                                       Auswirkung auf die Lebensqualität der
                                                                                              In Österreich sprechen wir hierbei von      Bewohnerinnen und Bewohner.
                                                                                          einer Fläche von jährlich rund 44 km², dies     Immer mehr Städte wagen einen Schritt in
                                                                                            entspricht ungefähr der Fläche von Eisen-     die Zukunft und vermindern die Straßen-
                                                                                               stadt.2) Europaweit liegt Österreich mit   breiten im öffentlichen Verkehrsraum.
                                                                                                         diesen Zahlen im Spitzenfeld.    Auch im stehenden Verkehr könnte man
Fassadenbegrünung                                                                                                                         Flächen überdenken. Der stehende Verkehr
                                                                                                 Leider tragen fehlendes Wissen und       nimmt nimmt eine enorme Fläche ein und
                                                                                           Information zu einem Fortschreiten dieses      eine Versiegelung dieser ist ökologisch
                    Einsatz von teilver-                                                                                 Trends bei.      nicht sehr wertvoll. Hier könnte es eine
                    siegelten Oberflä-           Verminderung der
                                                                                                                                          Idee sein, Flächen nur teilzuversiegeln, mit
                    chen im stehenden            Straßenbreite des
                                                                                               Beginnend mit dem Verlust der biologi-     beispielsweise Rasengittersteinen.
                         Verkehr                       MIV
                                                                                           schen Funktion. Ist die Oberflächen einmal     Der letzte Punkt ist der öffentliche Perso-
                                                                                            versiegelt, ist der Boden als Anbau- fläche   nenverkehr (ÖPNV) und hier im speziellen
                                                                                              verloren. Auch eine Entsieglung ist nicht   der schienengeführte ÖPNV. Begrünung
                                                                                              problemlos möglich, da die Neubildung       der Schienen hat positive Auswirkungen
                                                                                              von Humus Jahrzehnte bis Jahrhunderte       auf klimatische Verhältnisse (Reduktion von
          Begrünung von              Begrünung von                                                                        dauern kann.    Hitzeinseln), jedoch sind begrünte Schie-
            Vorzonen                  Gleiskörpern                                        Der nächste Punkt ist das stark erhöhte Ri-     nen kein nutzbarer Grünraum für Stadtbe-
                                                                                          siko von Hochwasser. Ein Hektar unversie-       wohnerinnen und -bewohner.
                                                                                          gelter Boden kann rund 2.000m³ Wasser           1)
                                                                                                                                             Vgl.: Österreichische Raumordnungskonferenz
                                                                                                                                          (ÖROK) (Hrsg.): Bodenversiegelung in Österreich. . (Zugriff am 14.12.2020)
                                                                                          tion des Bodens verursacht, wodurch die
                                                                                                                                          2)
                                                                                                                                             Vgl.: Umweltbundesamt GmbH (Hrsg.): Flä-
                                                                                                                                          cheninanspruchnahme. Entwicklung des jährlichen
                                                                                                                                          Bodenverbrauchs in Österreich. . (Zugriff am 14.12.2020)

     12                                                                                                                                                                                           13
Städtisches Wohnungswesen - Wohnen in Zeiten der Krise Freiraum & Mikroklima Wohnungsgestaltung - FH JOANNEUM
Aus diesen Kriterien lassen sich folgende
                                                      konkrete Design-Grundsätze ableiten:

                                                      •Gehsteigvorziehungen und Gehsteig-
                                                      durchziehungen
                                                      •Aufgedoppelte Autofahr- oder Schutzwe-
                                       Simon Eder
                                                      ge
                                                      •Fahrbahnteiler
                                                                                                                  Orientierung funktioniert,
                        Wegeführung                   •Optische und taktile Leitsysteme (z.B.
                                                      Blindenleitsystem)
                                                      •Breite Gehsteige
                                                                                                                             wenn sie nicht
       Das spannende an öffentlichen Räumen ist,
                                                                                                                     wahrgenommen wird.
                                                      •Bodenbeläge mit geringem Rollwider-
     dass unterschiedliche Nutzergruppen mit un-      stand (Radfahrerinnen und Radfahrer,
     terschiedlichen Anforderungen den gleichen       Menschen mit Rollator)
          Raum nutzen. Dementsprechend müssen         •Stufen mit Kontraststreifen
     öffentliche Räume nicht nur den Ansprüchen       •Fahrradabstellplätze
        von FußgängerInnen und RadfahrerInnen         •Spiegel
        dienen, sondern auch für mobilitätseinge-     •Lifte und Rampen
        schränkte Personen und Eltern mit Kinder-
         wägen problemlos passierbar sein. Dazu       Im ländlichen Raum nutzen bis zu 80 Pro-
        kommt der Konflikt mit Straßenflächen für     zent der Bevölkerung das Auto, um in die
     den öffentlichen Personen- und motorisierten     Stadt zu kommen. Daher braucht es Park-
      Individualverkehr sowie die dazugehörigen       plätze, um die Lebendigkeit und Frequen-
                                     Parkflächen.     tierung von Ortszentren zu gewährleisten.
        Öffentliche Räume, die sicher und komfor-     Gleichzeitig sollen öffentliche Räume nicht
      tabel genutzt werden können, sollten daher      von Autos zugeparkt werden.
                       folgende Kriterien erfüllen:   Um diesen Konflikt zu lösen braucht es in-
                                                      novative Parkraumlösungen. Die Schaffung
                                1. Verkehrsfreiheit   von Tiefgaragen unter öffentlichen Plätzen
      Motorisierter Individualverkehr sollte soweit   in Kombination mit günstigen Gebühren
     wie möglich von belebten Stadträumen fern-       oder gratis Shuttledienste zwischen P&R
     gehalten werden, denn dieser erzeugt Stress      Anlagen und Innenstädten können Ansätze
       und mindert somit die Aufenthaltsqualität.     sein.1)

                               2. Erreichbarkeit      Die Orientierung im öffentlichen Raum
     Gute Anbindung durch öffentliche Verkehrs-       ist eine Querschnittsaufgabe und beginnt
       mittel sowie ausreich Fuß- und Radwege.        schon in der Planungsphase. Architektur,
      Daneben werden Ortszentren durch mehr           Wegeführung, Beleuchtung und Beschil-
                             Radverkehr belebt.       derung müssen aufeinander abgestimmt
                                                      werden. Dabei funktioniert Orientierung
                                   3. Vernetzung      letztendlich dann perfekt, wenn sie nicht
          Auch die Vernetzung mit anderer Ver-        wahrgenommen wird. Städtische Räume
           kehrs-Infrastruktur muss gewährleistet     funktionieren, wenn sich Personen, ohne
     werden. Dazu zählt die Anbindung zu Fahr-        nachzudenken orientieren können. Intuitive
      radverleihsystemen, Carsharing, E-Scooter       Orientierung hat außerdem erheblichen
                                sowie Taxistände.     Einfluss auf die Zufriedenheit von Men-
                                                      schen und schafft das grundlegende Ver-
                              4. Zugänglichkeit       trauen, sich am richtigen Ort zu befinden.2)
      Öffentliche Räume müssen von allen Perso-       1)
                                                         Vgl.: Stopfer, Eveline (03.11.2020): Die fünf Schritte
       nen uneingeschränkt genutzt und wahrge-        zur idealen Platzgestaltung. In: stadt Marketing
      nommen werden können, ungeachtet ihrer          Austria. . (Zugriff am 14.12.2020)
                                                      2)
                                                         Weiß, Irina (03/2012): Intuitive Orientierung. Kom-
                                                      munikations- und Leitsysteme. In: DBZ. Bautechnik.
                                                      . (Zugriff am 14.12.2020)                                                           15
Städtisches Wohnungswesen - Wohnen in Zeiten der Krise Freiraum & Mikroklima Wohnungsgestaltung - FH JOANNEUM
Umgang mit Nähe und Distanz                                                      Sitzgelegenheiten, Fahrradständer und
                                                                                      Parkbügel, Spielgeräte sowie Pflanzkästen
       auf öffentlichen Plätzen                                                       und -kübel bieten sich dafür an. Sind die
                    -                                                                 Möbel nicht nur mobil, sondern auch noch
                                                                                      multifunktional, ist das eine optimale Lösung
           ZONIERUNG                                                  Imke Brandt     für die aktuelle Situation. In der Grafik sieht
                                                                                      man, wie ein solches Möbelstück aussehen
                                   Möbel und Beleuchtung                              kann.

                                                                                      Ein wesentlicher Bestandteil zur Aufteilung
                                      Um öffentliche Plätze zu zonieren, gibt es      von Flächen ist ein Beleuchtungskonzept.
                                       verschiedene Möglichkeiten. Dieser Arti-       Auch die Beleuchtung lässt sich in zwei
                                      kel beschäftigt sich mit Möblierungen und       Kategorien unterteilen.
                                    Beleuchtungen und wie diese einen Einfluss        Funktionale Beleuchtung:
                                   auf Nähe und Distanz nehmen können. „Co-           Zur funktionalen Beleuchtung zählt jede
                                   vid-19 zeigt den enormen Bedarf an öffentli-       Beleuchtung des Platzes, die der Sicherheit
                                   chen Plätzen“1), also müssen neue Konzepte         dient. „Die Sicherheit wird durch gleichmä-
                                                               entwickelt werden.     ßige Beleuchtung auf sämtlichen begehba-
                                                                                      ren Flächen erreicht. Erkennung von Gesich-
                                       Beide Zonierungsmöglichkeiten lassen sich      tern sollte daher aus einer Distanz von vier
                                        in jeweils zwei Unterpunkte unterteilen, in   Metern möglich sein. Insbesondere »Angs-
                                     diesem Absatz wird das Thema Möblierung          träume« wie dunkle Ecken und Nischen
                                   (nicht nur Sitzgelegenheiten und Pflanzkübel,      sind entsprechend auszuleuchten.“3)Auch
                                   sondern alle Gegenstände im Außenbereich)          die Orientierung wird durch funktionale
                                                                  näher erläutert.    Beleuchtung erhöht, z.B. durch Lichtstelen,
                                      Sie können Flächen zonieren, fungieren als      Bodenleuchten oder Mastleuchten.
                                   Abtrennungen, dienen der Ordnung oder als          Atmosphärische Beleuchtung:
                                                                     Werbeträger.     „Die atmosphärische Beleuchtung erhöht
                                    Man kann die Möblierungen in fix montierte        die Aufenthaltsqualität eines Platzes. Ener-
                                       Möbel und in mobile und multifunktionelle      giesparende Beleuchtungskonzepte bieten
                                   Möbel unterteilen. Unter fix montierte Möbel       neue Möglichkeiten für die künstlerisch-äs-
                                    fallen z.B. Freischankflächen (Gastronomie),      thetische Lichtgestaltung.“4) Den Möglich-
                                         Kunstobjekte, Denkmäler, Brunnen, Infor-     keiten sind keine Grenzen gesetzt. Wechsel
                                         mationstafeln, Hinweisschilder und Orien-    von Lichtfarben und -intensität können schon
                                     tierungszeichen, Werbetafeln, Litfaßsäulen,      eine besondere Atmosphäre schaffen,
                                          Uhren, Fahnenmasten, Mistkübel, sowie       beleuchtete Kunstobjekte und Gebäude
                                                     Überdachungen (Pergolen).2)      sowie temporäre Lichtfeste bieten eine
                                           Doch gerade momentan, zu Zeiten von        abwechslungsreiche Lichtgestaltung. Auch
                                   Corona, ist es sinnvoll manche Möblierungen        mit illuminierten Bänken und Lichtbändern
                                   mobil und multifunktionell zu planen und aus-      am Boden kann man eine bestimmte Wege-
                                       zuführen, sodass sie je nach Bedürfnis und     führung oder Platzaufteilung schaffen und
                                        aktueller Lage angepasst werden können.       somit den Nutzerinnen und Nutzern lenken.
                                       Ist es wichtig Abstand zu halten, sollen sie   Wichtig ist dabei eine unnötige Lichtver-
                                    klare Grenzen ziehen und Sitzmöglichkeiten        schmutzung zu vermeiden. Beleuchtungen
                                          sollten genügend Platz bieten, bzw. den     sind also ebenso ein Mittel, um Zonierungen
                                    Sitzplatz so zuweisen, dass man gar nicht in      zu schaffen.
                                      Kontakt treten kann. Hat sich die Lage wie-     1)
                                                                                         GDI Gottlieb Duttweilter Institute (Hrsg.)
                                       der beruhigt, können die Nutzerinnen und       (01.10.2020): Covid-19 zeigt den enormen Bedarf an
                                      Nutzer die Flächen gemeinsam nutzen und         öffentlichen Plätzen. . (Zugriff am 12.01.2021)
                                   Folgende Möbel lassen sich mobil umsetzen:         2)
                                                                                         Vgl.: Stopfer, Eveline (03.11.2020): Die fünf Schritte
                                                                                      zur idealen Platzgestaltung. In: stadt Marketing Austria.
                                                                                      .
                                                                                      (Zugriff am 12.01.2021)
                                                                                      3)
                                                                                         Ebd.
                                                                                      4)
                                                                                         Ebd.
16                                                                                                                                                17
Städtisches Wohnungswesen - Wohnen in Zeiten der Krise Freiraum & Mikroklima Wohnungsgestaltung - FH JOANNEUM
02
Freiraum & Mikroklima
Hoffmann, Hannan, Url, Müller,
                                                         Wagner, Obretenov

                                                         Einleitung

Für die überwiegende Mehrheit der globalen Gesellschaften sind Städte die neue Lebens-
form geworden.

Jedoch ist die urbane Entwicklung vor allem sehr stark von klimatischen Bedingungen be-
einträchtigt, was uns vor neue Herausforderungen stellt. Die Verstädterung in Zeiten des
Klimawandels wirft die Frage auf, wie wir zukünftig mit nicht versiegelten Oberflächen
umgehen sollten. Dichter urbaner Raum sollte nicht im Sinne der reinen wirtschaftlichen
Herangehensweise entwickelt und genutzt werden, sondern auch wichtigen Lebens- und
Sozialraum sicherstellen. Interaktive Erlebnisse, Grünoasen, Fassadenbegrünungen sowie
sozialpsychologische Herausforderungen sind Themenschwerpunkte, die in zukünftigen
Stadtentwicklungsprozessen essenziell sein werden.

In Zeiten der Pandemie wurde die Wahrnehmung der Weltbevölkerung auf Basis ihres
Lebensraums sensibler und birgt die Chance, die mikroklimatischen Phänomene in eine
neue Gedankensimulation zu manövrieren.

Notwendige politische und fachspezifische Diskurse zwischen StadtentwicklerInnen,
StadtplanerInnen, sowie diversen FachplanerInnen werden zur Veränderung unserer
zukünftigen Städte beitragen.
Die Pflege von wohnungsnahen Grün-
                                                      flächen stärkt zum einen das Gemein-
                                                      schaftsgefühl und verfolgt des weiteren
                                                      einen therapeutischen Ansatz anhand von
                                                      psychologischen oder pädagogischen Pro-
                                                      grammen für Jung und Alt. Man verspricht
                                   Julia Hoffmann
                                                      sich durch die gemeinschaftliche Pflege
                                                      viele positive Nebeneffekte: kulturelle
      Natur im Wohnumfeld
                                                                                                                  Wo Stadtgrün fehlt gibt es ein
                                                      Funktion, gemeinschaftliche Wirkungskraft
                                                      und Mitbestimmung, Lehre der Natur, kör-
                                                      perliche und seelische Gesundheit, um nur

                                                                                                                 Versorgungsdefizit, welches sich
                                                      einige zu nennen.
            Wenn unsere Städte zunehmend an
         Größe gewinnen und deren Population          Ein aktuelles Beispiel, welches zeigt,

                                                                                                                   nachteilig auf die Gesundheit
         weiter wächst, steigen im selben Maße        wie die Integration von Grünraum ge-
      die Anforderungen an stressreduzierende         meinschaftlichen Nutzen bringt und für
                                      Freiräume.      Erholung und Austausch sorgt, ist das

        Wie wir wohnen wirkt sich, wenngleich
                                                      Wohnbauprojekt „Moringa“1) in Hamburg.
                                                      Das deutschlandweit erste Wohnhochhaus                        der Bürgerinnen und Bürger
      unterbewusst, gravierend auf unsere Ge-         nach dem Cradle-2-Cradle Prinzip bietet

                                                                                                                                        auswirkt.
     sundheit aus. Sei es stetiger Lärm, verbau-      mit begrünten Flächen an und auf dem
     te Schadstoffe oder die Distanz zur Natur        Gebäude Erholungsorte für Bewohnerin-
     und anderen Menschen. Unser Wohlbefin-           nen, Bewohner und Besucherinnen und
     den und unsere Lebensqualität wird durch         Besucher, und erhöht die Luftqualität und
                unser Umfeld stark beeinflusst.       Biodiversität im gesamten Quartier. Integ-
                                                      riert sind dabei Co-Living und Co-Working
       Besonders in schwierigen Lebenssituatio-       mit gemeinschaftlich genutzten Räumen.
      nen - auf persönlicher oder gesellschaftli-
     cher Ebene - gilt unser Wohnumfeld als ein       Es sollte zukünftig die Bestrebung von Pla-
     wichtiger Baustein unserer physischen und        nerinnen und Planern sein, die Natur als
                        psychischen Gesundheit.       einen wesentlichen Faktor zu betrachten,
                                                      der von Beginn an in die Planung integriert
     Die COVID-19 Pandemie hat uns dies deut-         werden sollte.
      lich und schonungslos vor Augen geführt.
                                                      Lasst es uns nicht zum Problem unserer
           Schon längst ist klar, dass die vorherr-   nachfolgenden Generationen machen, für
            schende Lebensform der Zukunft eine       die Nachbegrünung unserer Gebäudekom-
        städtische sein wird. Deshalb gilt die ge-    plexe sorgen zu müssen. Lasst sie zukünf-
     sellschaftliche, wirtschaftliche und ökologi-    tig auf innerstädtisch gewachsene Natur
      sche Entwicklung der Welt im Sinne einer        schauen und durch urbanen Grünraum
      ganzheitlich verstandenen Nachhaltigkeit        schlendern.2)
          als urbane Aufgabe. Im Geiste unserer       1)
                                                         Vgl.: kadawittfeldarchitektur gmbh (Hrsg.): Projekte.
           Zeit gilt es unsere städtische Wohnum-     Moringa. . (Zugriff am 08.12.2020)
                                                      2)
       Schnittstelle zwischen städtischem Wohn-          Vgl.: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
                                                      Bau udn Reaktorsicherheit (Hrsg.) (01.05.2015): Grün
           raum und Natur nicht nur als möglich,      in der Stadt - Für eine lebenswerte Zukunft. Grünbuch
        sondern absolut notwendig zu erachten.        Stadtraum. . (Zugriff am 04.01.2021)
     bar ist, gibt es ein Versorgungsdefizit, das
         sich nachteilig auf die Gesundheit der
               Bürgerinnen und Bürger auswirkt.

22                                                                                                                                                  23
Fassadenbegrünungen bringen vielerlei
                                                    Vorteile mit sich. Ohne sie, wird Lärm
                                                    von schallharten Oberflächen reflektiert.
                                                    Mit begrünten Fassaden ist die Stadt
                                                    ästhetisch schöner und im Blick auf die zu
                                                    erwartende Klimaerwärmung, wird die
                              Khuzama Hannan
                                                    Kühlung von Gebäuden im Sommer unter-
                                                    stützt. Zusätzlich dazu, verringert sie auch
     Fassadenbegrünungen                            die Belastung der Luft durch Feinstaub und
                                                    CO2.

                                                    Ein gutes Beispiel im Hinblick auf eine
       Angesichts des bereits spürbaren Klima-      ökologische Zukunft ist das vierstöckige
      wandels, der in Form von Hitzewellen die      Wohnhaus Glogauer Straße, das von der
       Städte aufgrund ihrer Strukturen beson-      Architektin Sarah Rivière geplant wurde.
        ders stark trifft, haben urbane Grünflä-
         chen enorm an Bedeutung gewonnen.
                                                    Die „Living Wall“ - eine vertikal bepflanz-
         Versiegelte Flächen, verdichtete Bebau-    te Fassade, die Verkehrsbelästigungen
       ung, fehlende Verdunstung und geringer       und Lärm aus den angrenzenden Straßen
           Luftmassenaustausch führen laut Prof.    absorbiert, ist ein wichtiger Bestandteil
       Michael Bruse vom Geographischen Ins-        dieses Konzepts. Rechteckige Balkone ra-
       titut der Johannes-Gutenberg-Universität     gen direkt aus der grünen Wand heraus.
     Mainz in den Städten zu einem sogenann-        Diese sorgen dafür, dass vom ersten bis
          ten Wärmeinseleffekt, der sich bei der    zum vierten Stock der Glogauer Straße
         zunehmenden globalen Erwärmung be-         die vertikale grüne Wand bewohnbar ge-
     sonders bemerkbar macht. Er hat mit Hilfe      macht wird. Für die „Living Wall“ wurden
     einer Simulation untersucht, wie sogar mit     winterharte Pflanzen ausgewählt, die über
          kleinen Mitteln, wie beispielsweise der   ein präzis gesteuertes Bewässerungssys-
      Fassadenbegrünung, das Mikroklima der         tem mit Nährstoffen und Wasser versorgt
        Städte deutlich verbessert werden kann.     werden.

         Forschungsprojekte von Paricio1 haben      Fassadenbegrünungen sorgen dafür,
         2005 gezeigt, dass mit Fassadenbegrü-      dass das Gebäudeumfeld vielfältiger und
         nungen in Europa im Sommer ungefähr        attraktiver wird und bieten außerdem
      45% der Kosten für die Raumkühlung und        zahlreiche Möglichkeiten zur Gestaltung.
     im Winter durch eine geringere Wärmeab-
       gabe bis zu 23% der Heizkosten gespart
       werden können. Die Pflanzen bilden eine      Verwendete Quellen:
         Art „Luftpolster“, welcher die Tempera-    - Köhler M. (2011): Aktuelle Forschungsergebnisse.
                                                    Artikel aus dem Bauwerksbegrünung. Verlag Dieter A.
       turunterschiede zwischen Tag und Nacht       Kuberski – Stuttgart.
       verringert und gleichzeitig das Gebäude      - Minke G., Witter G. (1985): Häuser mit grünem Pelz.
       beschattet und durch Transpiration kühlt.    Ein Handbuch zur Hausbegrünung. Müller - Köln

      Allerdings hängt die Wirkung auch davon
          ab, wie dicht die Wand bewachsen ist,
           und ob die Pflanzen vom Boden nach
         oben wachsen („bodengebundene Fas-
        sadenbegrünung“) oder auf der ganzen
        Fläche Substrat für die Wurzeln vorhan-
       den ist („fassadengebunden Begrünungs-
                                       systeme“).

24                                                                                                          25
Durch die Bebauung der derzeitigen Frei-/
                                       Markus Url
                                                       Grünflächen wird ein irreversibler Verlust
                                                       dessen erzielt und sollte durch planerische
Urbanisierung der grünen                               Herangehensweisen der Städte wie auch
Stadtoasen im Vormarsch                                der Professionistinnen und Professionisten,
                                                       verhindert werden. Der Fokus sollte auf
       der Verstädterung                               einer transdisziplinären Arbeitsweise lie-
                                                       gen, sodass die Erhaltung und Förderung
                                                       von diversen Grünflächen durch gezielte
                                                       Planungsvorgänge nicht zerstört, sondern
          Urbane Grünflächen sind ein wichtiges        integriert werden.2)
       Instrument für wachsende Städte, um das
       Wohlbefinden ihrer Bürgerinnen und Bür-         Durch die enorme Verdichtung unserer
       ger zu gewährleisten und den Klimawan-          Städte sowie den starken Wachstum der
                             del zu bekämpfen.         Bevölkerung, kommt es vermehrt zu soge-
                                                       nannten “Hitzeinseln”, die sich negativ auf
     Urbanisierung und Klimawandel verlangen           das Leben in der Stadt auswirken können.
      nach neuen Lösungen, um die Lebensqua-           Diesem Phänomen gilt es mit nachhaltigen
     lität in unseren Städten zu erhalten und zu       Freiraumkonzepten entgegenzuwirken.
         verbessern. Öffentliche Grünflächen wir-      Grünflächen können über den Erfolg oder
         ken sich positiv auf die Biodiversität, das   Misserfolg einer Stadt entscheiden.
      Klima, das Wohlbefinden und die Luftqua-                                                            Die urbane Betriebsamkeit wird durch die       1)
                                                                                                                                                            Vgl.: ETH Zürich (Hrsg.) (04.09.2019): Städte
       lität aus. Diese Wirkung sorgt dafür, dass      Ob zum Wohle der Bürgerinnen und                   atmosphärischen Räumlichkeiten ausgehe-        natürlich kühlen. . (Zugriff am 10.01.2021)
                             und Arbeiten werden.      die Staaten in Zusammenarbeit mit den              stück zu alltäglichen immer schneller wer-     2)
                                                                                                                                                            Vgl.: Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches Geo-
                                                       jeweiligen Professionistinnen und Professio-                                                      ForschungsZentrum GFZ (Hrsg.): Metropolen unter
                                                                                                            dender Gesellschaftsstruktur dar. Zudem
           Die Veränderung unserer klimatischen                                                                                                          Druck. . (Zugriff am 09.01.2021)
          Bedingungen stellt auch die Städte und       die Natur für zukünftige Generationen in            Stadterneuerungsprozesse eine neue Bin-       3)
                                                                                                                                                            Vgl.: Randelhoff, Martin (04.07.20217): Urbane Mo-
         deren Entwicklung vor große Herausfor-        die städtische Umgebung zu integrieren.           dung der Bürgerinnen und Bürger zu ihren        bilität. Straßen als Räume für Mobilität und mensch-
         derungen. Gerade in urbanen Gebieten                                                                                                            liche Interaktion. . (Zugriff
         Zonen. Eine Studie der ETH Zürich zeigt       nen und Bürger die zukunftsweisenden                Stadtentwicklungsbehörden international
                                                                                                                                                         am 10.01.2021)
                                                                                                                                                         4)
                                                                                                                                                            Vgl.: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
            allerdings, dass nichts so effektiv den    Wege zu entwickeln, um die Natur für             geführt werden, polarisiert der Wunsch der       Bau udn Reaktorsicherheit (Hrsg.) (01.05.2015): Grün
        Klimawandel reduzieren könnte, wie das         künftige Generationen zu bewahren und              Bewohnerinnen und Bewohner den Indivi-         in der Stadt - Für eine lebenswerte Zukunft. Grünbuch
      massenhafte Pflanzen von Bäumen. Es sind         den klimatischen Bedingungen der Stadt zu         dualverkehr aus den Städten zu entfernen.
                                                                                                                                                         Stadtraum. . (Zugriff am 09.01.2021)
       besserung des Luft- und Wasserhaushaltes        Grünflächen sind Oasen der Erholung              Arealen entfernt werden. Auf Basis dessen,
                                                                                                                                                         5)
                                                                                                                                                            Vgl.: Drewes, Sabine (05.11.2019): Urbaner Raum:
                                                                                                                                                         Von der autogerechten zur lebenswerten Stadt.
      beitragen.1) Auch in Österreich gibt es des-     und versorgen die städtischen Räume mit               sollen die Größendimensionen - die der      . (Zugriff am
        wie sich anhand mehrerer beispielhafter                                                                                                          10.01.2021)
                                                       tät wird durch die Begrünung der urbanen              Konzeptionen auf die wichtigen Lebens
       Projekte zur Fassaden- und Straßenbegrü-        Räume, sowie dem Verlassen infrastruktu-           und Sozialräume der Bewohnerinnen und
                              nung in Wien zeigt.      reller Plätze um ein Wesentliches erhöht.                               Bewohner erweitern.4)
                                                                                                            Dazu benötigt es Entwurfs- sowie städte-
         Durch die starke Nachverdichtung des          Ein urbaner Freiraum bietet der städtischen      bauliche Wettbewerbe um den zukünftigen
     städtischen Raumes für diverse Wohn- und          Gesellschaft - durch ihre vielfältigen Her-           Fragestellungen gerecht zu werden. Ein
     Gewerbebauten kommen die vorhandenen              ausforderungen im 21. Jahrhundert - eine             wesentlicher Bestandteil der Ausrichtung
            Grünflächen mehr in den Fokus der          Bewegungs- und Begegnungszone, die eine           wird die urbane Begrünung der umfunktio-
                    Umwidmungsmechanismen.             verbindende Charakteristika und Erhöhung                   nierten Straßenflächen darstellen.5)
                                                       der Lebensraumqualität aufweist.

26                                                                                                                                                                                                               27
Lukas Müller    Die zwei weiteren wandgebunden Sys-
                                                       teme, das modulare System und flächige
                                                       Konstruktionen sind beides Anwendungs-
                        Nachbegrünung                  techniken, die direkt auf der Fassade an-
                                                       gebracht werden müssen. Hieraus ergibt
                                                       sich natürlich die Schwierigkeit, genau zu
       Es ist anzunehmen, dass 80% der beste-
                                                       untersuchen, ob die bestehenden Struktu-
          henden Baustrukturen in unseren Städ-
                                                       ren für diese Mehrlast ausreichend tragfä-
         ten in den nächsten 25-30 Jahren noch
                                                       hig sind.
      genutzt werden. Deshalb ist es bei diesen
                                                       Das Bürogebäude M48 aus Wien ist ein
        besonders sinnvoll, durch nachträgliche
                                                       gutes Praxisobjekt für Nachbegrünung ei-
         Begrünung, eine Qualitätssteigerung in
                                                       nes 60er Jahre Ziegelbaus mit einer wand-
       den Freiräumen eines urbanen Umfeldes
                                                       gebundenen Begrünung.3) Hier wurde das
           zu schaffen. Die Arup - Gruppe (eine
                                                       System GRÜNWAND der österreichischen
         unabhängige Firma aus Designerinnen,
                                                       Firmen TECHMETAL GmbH und DACH-
           Designern, Planerinnen und Planerin,
                                                       GRÜN GmbH, sowie der wissenschaftli-
        Ingenieurinnen udn Ingenieuren und Ar-
                                                       chen Begleitung der BOKU angebracht.
     chitektinnen und Architekten) hat im Zuge
                                                       Im Fall des M48 handelt es sich glückli-
       einer globalen Analyse, die sich mit dem
                                                       cherweise um ein Gebäude, dessen tra-
     Thema „Grüne Stadt“ beschäftigt, heraus-
                                                       gende Außenwände auch die Zusatzlast
      gefunden ,dass bereits eine Nutzung von
                                                       der GRÜNWAND tragen können.
     20 - 25% der Bestandsflächen als Grünflä-
     chen zu einer signifikanten Steigerung der
                                                       Neben der Fassaden- sind auch Dach-
              Wohnqualität in einer Stadt führt.1)
                                                       begrünungen als Qualitäts-Verbeserer
                                                       des Mirkoklimas zu betrachten. Dem
         Im Bereich Fassadenbegrünung unter-
                                                       GRÜNDACHPOTENZIALKATASTER der
        scheidet man zwischen zwei Systemen.
                                                       Stadt Wien lässt sich entnehmen, dass vor
     Den bodengebundenen und den wandge-
                                                       allem Flachdächer dafür geeignet sind,
      bundnen Begrünungen. Die Bodengebun-
                                                       da ihre schrägen Konterpart einen sehr
     denen lass sich aufteilen in die Untergrup-
                                                       hohen technischen Aufwand erfordern. 4)
      pen SELBSTKLIMMER, also den Pflanzen,
                                                       Der Nutzen, den die Begrünung erfüllt,
       die direkt auf der Fassade wachsen und
                                                       rechtfertigt den Aufwand und freie Unter-
      den GERÜSTKLERTERPFLANZEN, welche
                                                       nehmen wie GRÜNSTATTGRAU GmbH
         mittels einer Unterkonstruktion geführt
                                                       leisten Hilfestellung und geben Praxis-
                           nach oben wachsen.
                                                       tipps.5)
      Das große Problem, dass die bodengebun-
                                                       Denn eine grünerer Stadt trägt zu einer
        denen Systeme haben, ist der hohe Grad
                                                       höheren Wohn- und Lebensqualität bei.
       an Bodenversiegelung in den Städten, so-
       dass der Zugang zum Erdreich oft schwie-        1)
                                                             gl.: ARUP (Hrsg.) (2016): Cities Alive: Green
                                                            V
       rig ist. In solchen Fällen empfiehlt sich die        Building Envelope. . (Zugriff am
                                                            15.01.2021)
        Pflanzen direkt an der Wand angebracht         2 )
                                                             Vgl.: MVRDV (Hrsg.) (2018): Green Villa. . (Zugriff
       sorgt werden. Dies kann zum einen durch            am 15.01.2021)
        sogenannte „Pflanzenregale“ geschehen.
                                                       3)
                                                            Vgl.: Enzi, Vera/Scharf, Bernhard: Das Haus im
                                                             „Grünen Pelz“. Bürogebäude der MA 48, Einsied-
           Dieses ist vor der eigentlichen Fassade           lergasse 2, 1050 Wien. Hrsg. von der Universität
         als freistehendes oder montiertes System            für Bodenkultur Wien, Departement für Bautechnik
      angebracht und bietet Platz für Pflanzen in            und Naturgefahren, Institut für Ingenieurbiolo-
     Töpfen. Vergleichbar mit einem Setzkasten.              gie und Landschaftsbau. . (Zugriff am 15.01.2021)
     welches zwar ein Neubauprojekt ist, aber          4) 
                                                            Vgl.: Stadt Wien, Umweltschutz (Hrsg.): Gründach-
     als gestalterisches Beispiel genutzt werden            potenzialkataster. . (Zugriff am
     könnte.2)                                              15.01.2021)
                                                       5) 
                                                            Vgl.: GRÜNSTATTGRAU Forschungs- und Innova-
                                                            tions GmbH (Hrsg.): Technik. . (Zugriff am
                      b e g rünung
                                   “
                                                            15.01.2021)
28        „Fassa
                 de n
                            29
                                                                                                                  29
                 auf Seite
Die Skizze zeigt den baubotanischen
                                                     Turm, ein erfolgreich durchgeführtes Expe-
                                                     riment von Ludwig.
                                                     Durch die Verbindung von gewachsenen
                                                     Bäumen und einer technischen Konstruk-
                                                     tion aus Stahl, Holz oder Stein, wird der
                                 Juliane Wagner
                                                     Baum Bestandteil der Architektur, er trägt,
                                                     beschattet und kühlt. Er macht die Archi-
        Lebendige Bauwerke
                                                                                                               „Die Baubotanik nähert sich dem Baum
                                                     tektur lebendig.

                                                     Zur Planung und Pflege lässt sich sagen,

                                                                                                              technisch und der Architektur biologisch,
                                                     dass das Bau(m)werk im Voraus gut be-
     Wir kennen Bäume als Begrünung unseres          dacht und organisiert werden muss. Damit
     Lebensraums. Sie dienen als Kontrast zum        ein Baum sehr lange und hoch wächst,

                                                                                                                    dadurch können wir das Verhältnis
     Gebauten und bringen Natur in die Stadt.        werden bestimmte Nährstoffe sowie Was-
     Das Grün wirkt belebend im Vergleich zur        ser benötigt. Für die Frage, welche Pflan-
              Bebauung aus Stein und Beton.          zen- oder Baumarten am besten geeignet

      Doch kann man Bäume noch anders oder
                                                     sind, muss die Architektin, der Architekt mit
                                                     einer Botanikerin, einem Botaniker oder                  von Natur und Architektur neu ausloten“
       ergänzend nutzen? Können sie vielleicht       einer Landschaftsarchitektin oder einem
     noch andere Dinge, außer ein belebendes         Landschaftsarchitekten zusammen Abspra-
                 Grün und gute Luft schaffen?        che halten. Ferdinand Ludwig hat in einer
                                                     Parkanlage in der Stadt Nagold einen Ku-                                       Ferdinand Ludwig, Professor für Baubotanik
          Einblicke in die Tropen zeigen, dass es    bus aus Platanen geschaffen, was bislang
      dort „gewachsene“ Brücken gibt. Sie sind       sein größtes baubotanisches Werk ist.
           über Jahre durch ver- und zusammen-       1)
                                                          erst, Gertraud: Bau(m)werke von morgen. In: ubm
                                                         G
         wachsende Schlingpflanzen entstanden            Magazin. #greenbuilding. .
                         ten statischen Nachweis.        (Zugriff am 15.02.2021)
                                                        Ludwig, Ferdinand (Hrsg.): Ferdinand Ludwig. Living
                                                     2) 

       An der TU München unterrichtet der Pro-          Plant Constructions. .
       fessor Ferdinand Ludwig ein neu gegrün-          (Zugriff am 15.02.2021)
          detes Studienfach. Green Technologies
        in Landscape Architecture oder auch als
     Baubotanik bezeichnet. Ludwig hat sich in
     diesem Bereich bereits eine gute Reputati-
     on verschafft und zahlreiche Auszeichnun-
                                     gen erhalten.

     Die Skizze zeigt die Vorgehensweise die-
                                  ser Methode.
      Zeichnung a) veranschaulicht ein tragen-
     des Stahlskelett, an welchem die Pflanzen
       kultiviert werden. Nach einigen Jahren
     des Wachstums werden die kleinen Pflan-
     zen zu Bäumen und ihre Stiele werden zu
       Stämmen. Sie verwachsen miteinander,
         dies sieht man in Abbildung b). Desto
       massiger die Stämme werden und umso
      mehr sie zusammenwachsen, desto mehr
        Tragfähigkeit bieten sie und tragen die
        Etagen, wie die Abbildung c) darstellt.

30                                                                                                                                                                               31
ein Weg, der das Stadtzentrum und die
                                                   Natur am Stadtrand verbindet) können
                                                   diese sehr effektiv sein, und eine Ab-
                                                   wechslung mit sich bringen.
                             Georgi Obretenov
                                                   Neben der Temperaturregulierung, kön-
                                                   nen die Stadtgärten auch große Mengen
                Kleingärten -                      an Wasser aufnehmen und so das Hoch-
        nützliche Grünstücke                       wasserrisiko reduzieren. Feinstaubpartikel
                                                   werden auch gut aufgenommen.

                                                   Wie schon erwähnt haben Kleingärten
     Kleingärten sind vielseitig nutzbare Grün-    keine überlebenswichtige Bedeutung für
         flächen, die diverse Funktionen haben     die Gemüseproduktion. Aber trotztdem
      - wie soziale, stadtklimatische und ökolo-   werden immer noch viele Quadratmeter
                                         gische.   mit Gemüsen bepflanzt. Das angebaute
                                                   Gemüse ist nachhaltig und ökologisch und
                                                   entspricht den Wünschen der GärtnerIn-
     Kleingärten entstanden vor ein paar Jahr-     nen, welche auf Kunstdünger und Che-
      hunderten als kleines Stück Land, von Fa-    mikalien beim Anbau verzichten wollen.
     milien gepachet werden konnten, um ihren      Dies hat auch eine positive Auswirkung
     Ernährungsbedarf zumindest teilweise de-      auf die Umwelt - es werden ‚Food Miles‘‚
     cken zu können. Vor allem am Beginn des       gespart. Das heißt, dass Lebensmittel
      20. Jahrhunderts spielten die Kleingärten    nicht über tausende von Kilometern (z.B
       bei der Produktion von Nahrungsmitteln      von Spanien nach Deutschland) transpor-
      eine wichtige Rolle. Mit dem Wirtschafts-    tiert werden müssen. Kleingartenanlagen
     wachstum nach dem 2. Weltkrieg verloren       sind aufgrund von Armut und schlechten
                           sie diese Bedeutung.    Lebensbedingungen entstanden, aber
                                                   erlangten in Zeiten der Klimakrise wieder
            Die Kleingärten haben heute andere     eine zunehmende Bedeutung - vielleicht
      wichtige Funktionen, wie z.B eine soziale    die gleiche, wie früher.1)
         Funktion. Die grünen Bereiche bringen
       Leute aus verschiedenen Altersgruppen,      1)
                                                      Vgl.: Kleingärtnerverein Deutsche Scholle e. V.
     Herkünften und Arbeitsfeldern zusammen.       (Hrsg.): Wie sind Kliengärten entstanden. .
         lichkeit in einer gesunden und sicheren   (Zugriff am 15.12.2020)
      Atmosphäre zu spielen. Senioren können
      die Zeit in Ruhe verbringen und einander
      an einem entspannten Ort treffen. Durch
        die gemeinsame Arbeit kann man auch
     neue Freunde kennenlernen und Kontakte
     knüpfen. Manchmal finden auch verschie-
           dene Veranstaltungen und Feste statt.

         Grüne Bereiche in der Stadt, wie Park-
        anlagen, Seen und Kleingärten, tragen
         viel zu einem milderen Stadtklima bei.
     Kleingärten sind Grünräume, die zu einer
       Reduktion der Hitzeinseln und einer Re-
      gulierung der Temperatur in der näheren
     Umgebung beitragen. Wenn diese als Teil
       eines grünen Wegs benutzt werden (z.B

32                                                                                                      33
03
Wohnungsnahe Versorgung
Sockelzonen-Management
                                                                                            Um den Menschen eine regionale, krisensichere Grundversorgung innerhalb ihrer Nach-
                                                                                            barschaft zu ermöglichen, ist die Koordinierung dieser Grundversorgung unabdingbar.
                                                                                            Immer häufiger kommt dabei sowohl auf Quartiers-, als auch auf Straßen- und Gebäude-
   Hartl, Sewöster, Dünninger,                                                              ebene, ein Sockelzonen-Management zum Einsatz. Die Ziele des Sockelzonen-Manage-
  Feyrsinger, Genzinger, Auer                                                               ment können dabei über die Sicherstellung der Grundversorgung hinaus sehr unterschied-
                                                                                            lich sein und beispielsweise ökonomische oder nachhaltige Gesichtspunkte als Basis ihrer
                                                                                            strategischen Ausrichtung haben.
            Einleitung                                                                      Urban Farming
                                                                                            Seit Beginn der COVID-19 Pandemie wird der Wandel des Ernährungssystems in den
                                                                                            Städten beschleunigt. Durch Lieferengpässe, und den daraus resultierenden leeren Rega-
 Die COVID-19 Pandemie hat das Bewusstsein für das eigene Wohnungsumfeld geschärft.         len in Supermärkten, oder das Kochen zu Hause, aufgrund der geschlossenen Gastrono-
    Beschränkte Bewegungsradien und der ständige Hinweis auf unnötige Wege in der Öf-       mien, ist das Bewusstsein für frische, regionale und saisonale Lebensmitteln, sowie deren
fentlichkeit zu verzichten, stellten besondere Herausforderungen an das Wohnungsumfeld      Nachfrage, gestiegen. An diesem Punkt setzt das „Urban Farming“ an, welches den
     und damit die wohnungsnahe Versorgung. Die wohnungsnahe Versorgung bleibt auch         Anbau von landwirtschaftlichen Produkten beispielsweise in Containern oder Gewächs-
     über die COVID-Krise hinaus ein wichtiges Handlungsfeld. In Bezug auf die Klimakrise   häusern inmitten der Stadt, oder die eigene Zucht von Pilzen und Algen umfasst.
 werden Forderungen nach regionalen Angeboten und der damit einhergehenden Neude-
finition von Mobilität laut. Die wohnungsnahe Versorgung wurde auf die Bereiche Lebens-     Mobilität
  mittelversorgung, Bildung, Mobilität und die Sicherstellung der Grundversorgung, durch    In Bezug auf die wohnungsnahe Versorgung sind die wichtigsten Bereiche der Moblität
                                   den Einsatz eines Sockelzonen-Managements, untersucht.   vor allem die Mikromobilität und das Last-Mile-Problem. Durch die große Distanz zwi-
                                                                                            schen der letzten Haltestelle des öffentlichen Personenverkehrs (ÖPNV) und der eigenen
                                                                                            Wohnung entscheiden sich häufig die Menschen für das Auto. Mögliche Alternativen
                                                                                            diese Distanz zu überbrücken bieten mikromobile Angebote wie beispielsweise E-Scooter
                                                                                            oder Leih-Räder. In Bezug auf die COVID-19 Pandemie, und das damit verbundene In-
                                                                                            fektionsgeschehen, ist außerdem der Umstieg von Massenbeförderung auf klimaneutrale
                                                                                            Individualbeförderung in den Fokus gerückt.

                                                                                            Bildung
                                                                                            Die COVID-19 Pandemie verändert darüber hinaus den Bereich „Bildung“ maßgeblich.
                                                                                            Viele Bildungseinrichtungen sind geschlossen und es findet in weiten Teilen ein Umstieg
                                                                                            auf „Distance Learning“ statt. Dieser Umstieg funktioniert mancherorts sehr gut, anderen
                                                                                            Ortes eher weniger. Daher ist es für die Zukunft entscheidend, die Architektur der Bil-
                                                                                            dungseinrichtungen zu überdenken und neue, krisensichere Konzepte zu entwickeln.
Das Sockelzonen-Management lässt sich
                                                                                                                  Hemma Hartl, Noah Sewöster         nach den Kriterien Maßstab (Quartier,
                                                                                                                                                     Straße, Gebäude), Prozess, Akteure und
                                                                                                   Sockelzonen-Management                            Ziele des Managements gliedern.

                                                                                                                                                     Quartiersebene
                                                                                                                                                     Die Entwicklung der Sockelzonen auf
                   Seestadt Aspern - Wien         Mehr als Wohnen - Zürich                                                                           Quartiersebene bedarf eines von vornhe-
                                                                                                       Entscheidend für die erfolgreiche Entwick-
Erstellen eines Nahversorgungskonzept und zen-    Mitwirkungsprozesse, Inklusion, Nachhaltig-        lung eines Stadtquartiers ist die Nahversor-    rein festgelegten Konzepts zur Nahver-
      trale Vermarktung/Vermietung der Flächen    keit, soziale & funktionale Nachhaltigkeit             gung der Bewohnerinnen und Bewohner         sorgung innerhalb des Quartiers. Nach
                                                                                                         sowie Besucherinnen und Besucher. Vor       diesem Schlüssel findet die Vergabe der
Konzept: SES GmbH, Management durch Wien                                                                   allem die Nutzung der Sockelzonen ist     Gewerbeflächen statt. Die Grundversor-
                                                  Baugenossenschaft „mehr als wohnen“                   ein entscheidender Faktor für die Aufent-    gung kann dabei durch diverse Angebote
            3420 Aspern Development GmbH
                                                                                                        haltsqualität und die Frequentierung der     ergänzt werden. Im Rahmen der Entwick-
    frühzeitige Nahversorgung; attraktiver Nut-   Nachhaltige Versorgung; ein Stück Stadt               Einkaufsstraßen innerhalb des Quartiers.     lung der Seestadt Aspern wurde den
  zungsmix durch das Anwerben kleiner Einzel-     schaffen                                                 Immer häufiger begleitet daher die be-    Bauträgerinnen und Bauträgern die Gewer-
                                       händler                                                            wusste Entwicklung der Sockelzone die      beflächen im Erdgeschoss für einen fixen
                                                                                                      Neu- und Umplanung von Stadtquartieren,        Quadratmeterpreis abgenommen und über
                                                                                                       Einkaufsstraßen und teilweise auch einzel-    ein zentrales Management weiter vertrie-
                                                                                                      nen Gebäuden. Ziel des Sockelzonen-Ma-         ben. Dabei können die Mietpreise flexibel
                                                                                                            nagements ist die Sicherstellung einer   angepasst und das Angebot vielfältiger
                                                                                                          umfassenden Nahversorgung innerhalb        gestaltet werden, indem die Flächen auch
                                                                                                         des Quartiers und die Regelung des An-      an kleine Unternehmen vermietet werden
                                                                                                      gebotsmix, um Leerstand und die Häufung        können.
            Überseeboulevard - Hamburg            Straße der Nachhaltigkeit - Wien                              gleicher Angebote zu vermeiden.
                                                                                                                                                     Straßenebene
 Management des kompletten Quartiers inklusi-     Ausdifferenzierung, Spezialisierung &                     Maßstab, Prozess und die Ziele einer     Die Entwicklung einzelner Einkaufstraßen
        ve Außenflächen, Standortmarketing        Individualisierung                                         Sockelzonen-Entwicklung und dessen      kann ökonomischen Interessen folgen oder
                                                                                                      Management sind je nach Ausrichtung des        beispielsweise eine kleinteilige Entwicklung
  Überseequartier Quartiersmanagement durch       Nordbahnhofviertel NBV Service GmbH                 Projekts sehr verschieden. Die Entwicklung     inhabergeführter Geschäfte zum Ziel ha-
 BNP Paribas Real Estate Property Management                                                          der Sockelzonen reicht von der Sicherstel-     ben. Die Entwicklung der Bruno-Marek-Al-
                                                                                                       lung der Grundversorgung, über kommer-        lee als „Straße der Nachhaltigkeit“ im
    Angebotsmix mit Fokus auf Bewohnerinnen       Stadtpromenade als Zentrum des Quartiers,              ziell ausgerichtete Entwicklungen bis hin   Wiener Nordbahnviertel folgt dieser Idee
    und Bewohner und Tourismus, ökonomische       Nutzungsdurchmischung                                zur Verteilung der Geschäftsflächen nach      und setzt dabei auf eine Spezialisierung
                                 Ausrichtung                                                             sozialen Kriterien. Das Sockelzonen-Ma-     und Individualisierung des Stadtsockels.
                                                                                                        nagement ist darüber hinaus eng mit dem      Die Fachgeschäfte locken dabei auch Besu-
                                                                                                         Quartiers-Management verbunden (oder        cherinnen und Besucher von außerhalb des
                                                                                                       ist Teil dessen) und kann beispielsweise in   Quartiers an.
                                                                                                           Verbindung zum Mobilitätskonzept des
                                                                                                         Quartiers weitergehende Angebote, wie       Gebäudeebene
                                                                                                        die Bereitstellung von Lastenrädern oder     Im Rahmen größerer Immobilienprojekte ist
                                                                                                             Lieferungen durch den Einzelhandel,     die Entwicklung der Sockelzone und des-
                         Kalkbreite - Zürich      Salon am Park - Wien                                  innerhalb des Quartiers fördern. Oftmals     sen Nutzung zur Einbettung des Projekts in
                                                                                                         wird das Sockelzonen-Management und         die nähere Umgebung unerlässlich. Bei-
  Hausinternes Management/Vermietung durch        Raum der Kunst, Kultur & Begegnung;                      die Sockelzonen-Entwicklung auch von      spielhaft dafür steht das Projekt Kalkbreite
                           Genossenschaft         Lesungen, Diskussionen                                externen Dienstleistungsunternehmen aus      in Zürich. Ein hausinternes Management
                                                                                                         der Immobilien- und Retail-Branche über-    übernimmt die Verwaltung der Geschäfts-
                Baugenossenschaft Kalkbreite,                                                                                            nommen.     flächen und sorgt für einen für Hausbewoh-
                                                  wohnprojekt.wien
                    ArGe Flächenvermietung                                                                                                           nerinnen und Hausbewohner sowie Anwoh-
                                                                                                        Prozess                                      nerinnen udn Anwohner ansprechenden
Sicherstellung Grundversorgung und attraktiver    Salon - „Kulturinsel“ & regionaler, sorgfältig                                                     Nutzungsmix.
                                                                                                        Akteure
          Angebotsmix für Gebäude + Quartier      ausgewählter Supermarkt
                                                                                                        Ziele

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Dünninger Teresa, Feyrsinger Carmen                        Verringerung des Fleischkon-
                                                     sums, eine erhöhte Nachfrage nach biolo-
                                                     gischen und regionalen Produkten zählen,
                    Urban Farming                    zu identifizieren.2)
                                                     Projekte wie „ZFarm“ wiederum erforschen
                                                     die Rahmenbedingungen für Urban
           Überlaufene Supermärkte, in denen es      Farming bzw. gebäudegebundene Land-
            schwer fällt zwischen engen Regalen,     wirtschaft.3)
         Kühltheken und Kassenschlangen den Si-      Agrarprodukte lassen sich beispielsweise
      cherheitsabstand von 1,5 Metern einzuhal-      in Containern züchten (Bsp. Freight Farms;
      ten; Lieferengpässe von frischem Obst und      Crop-Box). Urban Farming Container
       Gemüse, zurückzuführen auf Grenzschlie-       bieten Platz für ca. 4.500 Pflanzen, kön-
      ßungen oder fehlende Saisonarbeitskräfte;      nen platzsparend gestapelt und auch auf
      geschlossene Gastronomien und ein einge-       schlechtem Baugrund aufgestellt werden.
          schränktes Angebot von Lieferdiensten.     Ein solcher Anbau sorgt für die Vermei-
          Die COVID-19 Pandemie führt auch hin-      dung langer Transportwege und spart CO2
       sichtlich unseres Ernährungs- und Kaufver-    ein.4)
       haltens zu einem Bewusstseinswandel. Un-      Eine weitere Möglichkeit urbaner Landwirt-
     ser Wunsch nach heimischer Landwirtschaft       schaft bieten Gewächshäuser auf unge-
        und gesunden, regionalen Lebensmitteln,      nutzten Freiflächen in der Stadt, beispiels-
         die uns vor Ort, ohne lange Lieferketten    weise auf Dächern. Als Vorbild können
     zur Verfügung stehen, steigt. Diese frischen    die „StadtFarm“ in Berlin Lichtenberg, die
      Zutaten werden zuhause, wo wir nun mehr        neben dem Anbau von Obst und Gemüse
       Zeit verbringen, zubereitet. Die Lebensre-    auch Fische, deren Kot als Dünger für die
        alität und damit auch die Ansprüche und      Pflanzen eingesetzt wird, züchtet oder das
           Wünsche der Stadtbewohnerinnen und        US-Startup „Bright Farms“, das mittlerweile
         Stadtbewohner haben sich grundlegend        sogar große Supermarktketten beliefert,
        verändert, wofür mitunter die zunehmen-      dienen.5)
       de Nachfrage nach Gemeinschaftsgärten         1)
                                                        Vgl.: culinariusat (04.11.2019): Food Trends 2020:
         spricht. Auch Gastronominnen und Gas-       Urban Food. . (Zugriff am 22.11.2020)
          tronomen seien an dieser Stelle explizit   2)
                                                        Vgl.: Future of Urban Food (Hrsg.): Was ist „The Urban
                                       erwähnt.1)    Future Of Urban Food“. .
                                                     (Zugriff am 22.11.2020)
                                                     3)
     Wie lassen sich nun Nahrungsmittelproduk-          Vgl.: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung
                                                     (ZALF) e. V., u.a. (Hrsg.) (08, 2013): Es wächst etwas auf
       tion und -konsum, die sich, als Folge der     dem Dach. Dachgewächshäuser. Idee. Planung. Umset-
       Globalisierung, immer stärker zu entkop-      zung. . (Zugriff am 22.11.2020)
          Mithilfe welcher Maßnahmen und Inst-       4)
                                                        Vgl.: Sharem Media GmbH (Hrsg.): Container als Ge-
        rumente lässt sich der Herausforderung       wächshaus. Container als Gewächshaus Urban Farming
        nachhaltiger Ernährungssysteme besser        Revolution. . (Zugriff am 22.11.2020)
      gene Beispiele, die auf wissenschaftlichen     5)
                                                        Vgl.: Jasch, André (19.12.2018): Urban Farming -
           Erkenntnissen aufbauen: Das Wiener        Lebensmittel aus der Stadt für die Stadt. . (Zugriff am
        sich zum Ziel gesetzt, ökologische, öko-     22.11.2020); vgl. auch: Finger, Tobias (02.05.2014):
       nomische und soziale Auswirkungen des         US-Startup baut größtes urbanes Gewächshaus der
         veränderten Ernährungsverhaltens von        Welt. . (Zugriff am 22.11.2020)

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Dünninger Teresa, Feyrsinger Carmen
                                                                                                              Der Wunsch nach heimischer
                   Algen und Pilze
                                                                                                              Landwirtschaft und gesunden
            Nicht nur Urban Farming oder Urban
     Gardening, sondern auch die eigene Zucht
                                                                          Beitrag für die Umwelt.2)
                                                     Die erste tubuläre Algenzuchtanlage
                                                                                                                      Lebensmitteln steigt.
     von Essbarem bringt Menschen zusammen           der Welt für den urbanen Raum ziert die
       und lässt uns bewusster und solidarischer     Gebäudefassade auf dem EUREF-Campus
                      mit Lebensmitteln umgehen.     in Berlin. Mit einer solchen Wandkonstruk-
         Pilze sind ein Produkt, das extrem leicht   tion (Biofassade) können Fassaden sinnvoll
          zuhause gezüchtet werden kann. Gast-       genutzt werden. In den Röhren angebaut,
        ronominnen und Gastronomen, die ihren        werden die zwei Algenarten Chlorella und
      Gästen regionale Speisen anbieten möch-        Spirulina. Derzeit wird der Algenbedarf
         ten, etablierten diesen Trend bereits vor   hauptsächlich aus asiatischen Ländern im-
     Corona. Mit einem Blumentopf, Kaffeesatz        portiert. Durch Projekte wie diese können
      und Pilzbrut kann der eigene Herstellungs-     also zusätzlich Importemissionen einge-
         prozess auch schon losgehen. Schmack-       spart werden.3)
          hafte Pilzarten – von Austernpilz, über    Um Algen zuhause anbauen zu können,
     Kräuterseitling bis Steinchampignon – sind      sind einige komplizierte Schritte zu verfol-
     je nach Pilzart bereits nach 6 Wochen ern-      gen, denn es bedarf eines eigenen Photo-
      tereif. Das Wiener Unternehmen „Hut&S-         bioreaktors. Leider gibt es noch kein sich
       tiel“ züchtet Speisepilze (Kaffeesatz wird    auf den Markt befindliches Anbau-Kit.4)
          – als wertvolle Ressource, die mit ihren
       Inhaltsstoffen perfekt als Nahrungsquelle     1)
                                                        Vgl.: Hut & Stiel GmbH (Hrsg.): Pilz aus dem Kübel.
     für die Pilze dient – weiterverarbeitet) und    . (Zugriff am 25.11.2020)
      beliefert damit Kaffeehäuser, Restaurants,     2)
                                                        Vgl.: Levecke, Bettina (30.08.2016): Wie gesund
                         Großküchen und Büros.1)     sind Algen? In: SPIEGEL. Gesundheit. . (Zugriff am 30.11.2020)
        haben sie sich schon seit Jahrzehnten als    3)
                                                        Vgl.: Wolkenstein, Rolf S. (Hrsg.): Algenanbau. In:
          Nahrungsmittel etabliert. Sie enthalten    gartennatur.com. . (Zugriff am 25.11.2020)
                                                     4)
         C, Eisen, Kalzium und Omega 3 Fettsäu-         Vgl.: Wernicke, Sven (30.07.2020): BioBombola.
                                                     Algen züchten und Spass dabei. In: GreenGadgets.
       ren. Zudem leistet der Algenanbau, dank       . (Zugriff
         me von Kohlenstoffdioxid, einen großen      am 25.11.2020)

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