Österreichischer Skulpturenpark - Universalmuseum Joanneum
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
„Der Garten ist der letzte Luxus unserer Tage, denn er fordert das, was in unserer Gesellschaft am kostbarsten geworden ist: Zeit, Zuwendung und Raum.“ Dieter Kienast, Gestalter der Landschaftsarchitektur des Österreichischen Skulpturenparks Österreichischer Skulpturenpark Thalerhofstr. 85, 8141 Unterpremstätten Büroadresse: Marienplatz 1, 8020 Graz T +43–316/8017–9704 T +43-699/1500 5794 skulpturenpark@museum-joanneum.at www.skulpturenpark.at www.museum-joanneum.at
Zur Geschichte des Österreichischen Skulpturenparks Der Österreichische Skulpturenpark geht auf die ambitionierte Haltung Emil Breisachs zurück: Der ehemalige Intendant des ORF-Landesstudios Steiermark wollte zeitgenössischer Skulptur auch außerhalb von Museen einen Platz einräumen und künstlerische Arbeiten ab 1981 auf dem ORF- Gelände platzieren. Daraus entwickelte sich die Idee, österreichisches skulpturales Schaffen im internationalen Kontext zu positionieren und ein Begegnungsfeld mit den Betrachter*innen zu eröffnen. Als im Jahr 2000 Dieter Kienast, der prominente Schweizer Land- schaftsarchitekt, sieben Kilometer südlich von Graz ein 7 Hektar großes Areal für die Internationale Gartenschau geschaffen hatte, bestätigte sich dieses in der Folge als idealer Ort für einen großzügig angelegten Skulpturenpark. Mit Gründung der Privatstiftung Österreichischer Skulpturenpark in Kooperation mit der PORR GmbH und dem Land Steiermark konnte die Basis für ein von Peter Weibel durchformuliertes Konzept für einen internationalen Skulpturenpark ausgearbeitet und im Jahr 2003 der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Um den damals 57 Skulpturen umfassenden Park abzusichern, ihn in einen fundierten wissenschaftlichen und breiten Kunst- und Kulturkon- text zu integrieren und einer noch größeren Öffentlichkeit bekannt und zugänglich zu machen, initiierte die Privatstiftung in Abstimmung mit dem Land Steiermark im Jahr 2007 die Übernahme des Betriebs durch das Landesmuseum, seit 2009 Universalmuseum Joanneum. Neben dem Ausbau der Sammlung – heute befinden sich 77 Arbeiten im Park – und einem begleitenden wissenschaftlichen Diskurs konnten umfassende Vermittlungstätigkeiten, spezielle Führungen, aber auch verschiedene Sonderveranstaltungen aufgebaut und etabliert werden. Parallel dazu wird das einzigartige Ambiente auch Kulturveranstalter*innen, kulturinteressierten Unternehmen sowie Privatpersonen für Veranstaltungen, Empfänge und Präsentationen angeboten. Elisabeth Fiedler Leiterin des Österreichischen Skulpturenparks
Zum Wesen des Die Vielfalt der Formen Österreichischen Skulpturenparks Punktuell wird im Park mit mehr als 75 permanenten und jährlich tempo- rären Arbeiten die Geschichte der Skulptur seit der klassischen Moderne Wenn Skulptur und Natur in Verbindung treten, reagieren sie aufein- gezeigt, verhandelt und weiterentwickelt. Klassische Materialien wie ander. Es entwickelt sich eine Wechselbeziehung, die im Laufe der Zeit Stein, Bronze oder Marmor finden hier ebenso Verwendung wie Beton, eine sich permanent ändernde Geschichte erzählt. Im Garten als vom Glas, Kunststoff, Styropor, Spiegel, Stahl, Schrottteile oder Watte. Von Menschen gestaltete Natur sind wir im Österreichischen Skulpturenpark der anthropomorphen Plastik über die Erweiterung zur Möbelskulptur speziell dazu eingeladen, mit in die Landschaft eingefügten Skulpturen und damit Eingliederung in die Arbeitswelt bis zu konzeptuellen und in Dialog zu treten. Wir treffen auf zeitgenössische Skulptur, von computergenerierten oder sprachlichen Arbeiten reicht die Palette. abstrakter Bildhauerei bis zu gefundenen oder verdichteten Objekten. Manche Arbeiten integrieren Licht, Schatten, Wasser oder Luft, entwi- Gleich an der ersten Rasenpyramide im Park positioniert Heimo Zobernig ckeln sich im Wachsen oder interagieren mit uns. (48) eine weithin sichtbare Skulptur. Industriell gefertigte, turmartig übereinander gereihte Betonbauringe befragen als klare Setzung das Zwei ineinander übergehende Teile des Parks Verhältnis von Kunst, Mensch und Umgebung. Im Berggarten befinden wir uns in einem Schotterabbaugebiet, aus dem Öffnet und erweitert Fritz Wotruba (6) die menschliche Figur in räumlich- Badeteiche entstanden sind und eine groß angelegte Freizeitanlage abstrakte Dimensionen, bildet Thomas Stimms Terranian Platform (47) realisiert wurde. Der Landschaftsarchitekt Dieter Kienast umrahmte den einen Sammelpunkt der Erde. Franz Wests und Otto Zitkos Who is Who Park mit einem vier Meter hohen Rasenwall, der diesen schutzgebend (23) zeigt eine imaginäre und offene Dialogebene. Dass auch Sprache einfasst. Wir betreten außergewöhnliches und einmaliges Terrain, in und Schrift Skulptur sein können, belegen Arbeiten von Heinz Gappmayr dem wir Graspyramiden, die die Landschaft konturieren, einen geome- (39), Ingeborg Strobl (17) oder Plamen Dejanoff (73). trisch angelegten Seerosenteich mit Lilienbewuchs und ein punktuell bespielbares Café, Kirschbäume, Lavendelbeete oder durch Bambus Fat House (74) und Fat Car (36) von Erwin Wurm befragen nicht nur strukturierte Rasenstücke finden. Neue Blickachsen werden ebenso unsere Gesellschaft, sie deuten ihre Umgebung auch um. So wird die eröffnet wie das Spiel zwischen Erweiterung und Zurückgezogenheit. Wiese zum privaten Garten oder zur Straße. Nancy Rubins schafft durch Besondere Pflanzen wie Frauenmantel, Hyazinthen, Narzissen, Tulpen ihre Skulptur aus Flugzeugteilen die Assoziation zu einem Flugfeld (43), oder eine Linde erweitern duftend und in ständigem Farbwechsel unsere Michael Schusters Betonboot (45) wandelt den Boden in Wasserwellen Umgebungswahrnehmung. und Hans Holleins Goldenes Kalb (66) widmet Sockelblöcke zu Gleisen um. Yoko Onos Kreuze (57) erinnern an Golgotha und Tobias Rehbergers Im Fasangarten zitiert Kienast die Geschichte der Gartenbaukunst seit Asoziale Tochter (51) befragt ihre Umgebung als ein soziales Netzwerk. der Antike und inszeniert bei gleichzeitiger Reflexion auf den Minimalis- Peter Weibel wiederum relativiert und verdeutlicht mit der Erdkugel als mus der 1960er-Jahre spezielle Gartenräume. So öffnet sich, umgeben Koffer (54) unser Verhältnis zur Welt als globales sowie analog-digitales von hohen Buchenhecken, ein in sich ruhender, einzigartiger Lotos- Problem. blütenteich mit kontemplativem Inselmittelpunkt als Referenz auf die altägyptische Gartenanlagenkunst. In deren Zentrum können wir auf der Unsere Erfahrung und die Skulptur in ihrem Selbstverständnis der einen Baum umschließenden Möbelskulptur von Peter Kogler (Ordnungs Transformation von Zeit und Raum wird in unterschiedlichen Materialien, nummer 69) verweilen und in Kontakt mit Kunst und Natur treten. Strategien und sich selbst verändernden oder interagierenden Exponaten ebenso ausgelotet und thematisiert wie soziale, wissenschaftliche oder Diesem Teil folgt eine sich verjüngend ansteigende Treppenkonstruktion, wirtschaftliche Fragen. So heben die Tanzenden Bäume von Timm Ulrichs die Himmelstreppe, als Verweis auf unsere Verbindung zu Zonen außer- (63) unsere Vorstellung von der Unverrückbarkeit bestehender Natur aus halb der Erde und die Wirkkraft der Erfindung der Zentralperspektive in den Angeln, lässt Mario Terzic (64) eine Arche aus lebenden Bäumen der Renaissance. Hier finden wir Skulpturen, die in der Auseinanderset- wachsen oder öffnen kreisförmig gesetzte Espen von Bernhard Leitner zung mit dem Körper, körperlichen Veränderlichkeiten, Verschiebungen (71) die starre Struktur des Konzertsaales. Werner Reiterer (52) destabi- und Perspektivenwechseln entstanden. Anschließend sehen wir eine lisiert das Prinzip angenommener Unveränderlichkeit der Skulptur in der geheimnisvoll verborgene Rasenneigung, in der antike Waldgottheiten spielerischen und hintergründigen Form eines riesigen magentafarbenen vorstellbar wohnen. Hier reflektiert ein Spiegel das uns umgebende Him- Ballons, der sich wie eine Sisyphosarbeit verrichtend immer wieder auf- melsbild und weist uns als Wesen im Pluriversum aus. In den beschnit- bläst, um stets unter lautem Pfeifen in sich selbst zusammenzufallen. tenen Eiben-Figuren, die den Barock zitieren, sind Wolkenformationen zu lesen. In deren Mitte präsentiert sich die älteste im Park befindliche Dass Wasser, Wind, Schatten oder Licht ebenso skulpturale Elemente Skulptur, Atlantis von Herbert Boeckl aus den Jahren 1940/44 (1). darstellen, zeigen eine interaktive Fontäne von Jeppe Hein mit dem selbstironischen Titel Did I miss something? (37), Oswald Oberhubers Im auf den französischen Garten referierenden Rosen- und Stauden- Korb (15) oder Giuseppe Uncinis Unità Cellulare (61). Garten versetzt uns ein bronzener Wasserfall von Bryan Hunt (8) gleichermaßen in Stillstand und Dynamik, während eine überdimensi- Mit Zellen, deren Strukturen und Wachstum setzt sich Fritz Hartlauer onale Metallrosenblüte von Rudi Molacek (35) Transformation in und (9), mit der Entdeckung des Genoms Jörg Schlick (44), mit der Struktur zwischen Natur und Technologie thematisiert. Einer groß angelegten unserer Welt Hartmut Skerbisch (46, 58) und mit Bedingungen des Rasenlandschaft mit außergewöhnlichen Magnolien folgt abschließend Zufalls Hans Kupelwieser (38) auseinander. Wolfgang Becksteiner (65) ein Irrgarten als eines der ältesten kulturgeschichtlichen Motive. reflektiert wirtschaftliche Mechanismen, Matt Mullican (41) architekto- nisch-logistische und symbolische.
Ein dynamischer Dialog zwischen Kunst und Natur 01 Herbert Boeckl 1894 Klagenfurt – 1966 Wien Jährlich werden in Projekten von Artists in Residence auch performative, sich selbst auflösende, in die Natur einschreibende oder vernetzende Strategien und Erweiterungen des Skulpturenbegriffs temporär sicht- und erlebbar. Atlantis, 1940–1944 Inhaltliche Überlegungen gelten dem Interesse an der Entwicklung von Kunst als Skulptur, ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen, demokratiepolitischen Überlegungen und deren Bedeutung. Der Dialog zwischen Standort, Betrachter*in und Skulptur soll all diese Boeckl war in erster Linie Maler und gilt als einer der wichtigsten Ver- Überlegungen auf vielfältige Weise sichtbar machen sowie Aussagen treter des österreichischen Expressionismus. Die Bronzeplastik Atlantis, über Kunst, aber auch über uns selbst und die Gesellschaft, ihre Kon- die ursprünglich in Wachs modelliert wurde, ist eine der zwei einzigen flikte und Träume treffen und Begegnungsräume schaffen. Plastiken des Künstlers. Sie erinnert an eine seiner Skizzen, in welcher sich eine Figur entspannt an Kissen lehnt, während bei der Plastik diese So wird der Österreichische Skulpturenpark als Plattform genutzt, um stützenden Elemente fehlen. Durch die zurückgelehnte Haltung gerät den Dialogprozess zwischen Kunst, Mensch und Natur sowie den Kom- sie in ein labiles Gleichgewicht, wodurch Spannung und Unsicherheit munikationshorizont zeitgenössischer Skulptur zu erweitern, um deren entstehen. Vergleicht man diese Skulptur mit den gleichzeitig entstan- Sprache besser verstehen zu können. denen Figuren der NS-Kunst, wird Boeckls Distanz zu dieser Art der Elisabeth Fiedler Idealisierung bewusst. 02 Hans Aeschbacher 1906 Zürich – 1980 Russikon, Schweiz Figur II, 1955 Mitte der 1950er-Jahre begann für den Schweizer Bildhauer Aeschbacher eine Ära von rund drei Meter hohen Granitsäulen, die er Figuren nannte. Dabei waren für ihn vor allem das Material sowie der menschliche, insbesondere der weibliche Körper wesentlich. Charakteristisch an den Figuren sind ihre schlanken, symmetrischen, entlang vertikaler Achsen aufwärtsstrebenden Teile, die sich aneinander zu reiben scheinen. Dabei entsteht ein spannendes Spiel mit Dynamik und Statik, das der Autodi- dakt mit dem harten Material souverän meistert. 03 Gerhardt Moswitzer 1940 Maria Lankowitz – 2013 Wien Skulptur, 1961 Diese Skulptur zählt zu den ältesten Figurenbildern von Moswitzer, die um 1960 erstmals in seinem Werk auftauchten und ihn etwa zwei Jahrzehnte lang beschäftigten. In gewisser Weise erinnern diese frühen Arbeiten aus verschiedenartigen Eisenteilen an Idole, an magische Objekte kultisch-religiöser Verehrung. Die Umrisse des vorliegenden Werks lassen beispielsweise die Form einer menschenähnlichen Gestalt erahnen, welche sich in Rumpf und Kopf zu gliedern scheint. Die Montage des Objekts auf einem unverhältnismäßig überdimensionierten Steinsockel soll die Unverzichtbarkeit eines Sockels für die klassische Bildhauerkunst verdeutlichen.
04 Joannis Avramidis 07 Josef Pillhofer 1922 Batumi, Georgien – 1921 Wien – 2010 Wien 2016 Wien Große Figur III, 1963 Hammurabi, 1970 Avramidis sucht, orientiert an der Proportionslehre des antiken Die aus unregelmäßigen geometrischen Elementen aufgebaute, Griechenlands, nach einer objektiven Form des menschlichen Körpers. abstrakte Figur aus Bronze – ein Abguss einer Sandsteinskulptur – ragt Dazu entwarf der Künstler die Figur, schnitt aus Aluminiumblech die über einem querliegenden Quader hoch auf. Die einzelnen Formen sind Längs- und Querprofile aus und baute aus diesen das Gerüst für den kompliziert ineinander verschränkt, wodurch sich ein lebendiges Wech- Guss. Hoch und schlank ragt die Große Figur III über der kreisrunden selspiel von Licht und Schatten ergibt. Bei seinen Arbeiten geht Pillhofer Steinplatte auf. Sie nähert sich der Form der Säule an – der grundle- nicht von einem vorgefassten Thema aus; dieses entsteht vielmehr wäh- genden Maßeinheit im antiken Tempel und dem klassischen Symbol für rend des Gestaltungsprozesses. Hier referiert der Titel auf das berühmte das menschliche Maß. Alles Zufällige, Individuelle und jede Vorstellung altbabylonische Relief des Kodex Hammurabi mit der Darstellung des von Bewegung sind eliminiert, während die einzelnen Körperabschnitte Königs vor dem thronenden Sonnengott. deutlich erkennbar bleiben. 05 Heinz Leinfellner 08 Bryan Hunt 1911 Zidani Most, Slowenien – 1947 Terre Haute, Indiania, 1974 Wien lebt und arbeitet in New York Die große Ruhende, 1964/65 Charioteer, 1982 Ab den 1940er-Jahren beschäftigte sich Leinfellner mit dem Motiv Diese Bronzeskulptur zählt zu Hunts Reihe der Wasserfälle. Sie zeigt liegender bzw. ruhender Figuren, einem geradezu klassischen Thema die Struktur herabstürzender Wassermassen, die aus ihrem natürlichen der Kunst seit der Antike. Die große Ruhende setzt sich aus grob behau- Terrain vollständig herausgelöst wurden. Die Kühle und Massivität des enen, vereinfachten Einzelformen zusammen, welche sich jedoch in der Materials machen die Monumentalität des Naturschauspiels fühlbar. präzisen Erfassung der gelösten Körperhaltung wie selbstverständlich Die abstrakte Darstellung verschmilzt mit stürzenden, aufschäumenden zu einem natürlichen Ganzen verbinden. Arme, Beine, Rumpf und Wassermassen aus der Erinnerung zu einem emotionalen Kunsterlebnis. Kopf weisen in verschiedene Richtungen und sind dadurch Teil einer Hunt verweist mit dieser Skulptur auf die Ursehnsucht des Menschen ausgewogenen Komposition, womit Kunst- und Naturform eine perfekte nach einer Verbindung von Natur und Kultur. Synthese ergeben. 06 Fritz Wotruba 09 Fritz Hartlauer 1907 Wien – 1975 Wien 1919 Kumberg – 1985 Graz Große Figur für Luzern, 1966/67 Senkrechter Auszug aus der Urzelle, 1982–1984 Wotruba, einer der wichtigsten österreichischen Bildhauer des 20. Jahr- Hartlauer interessierte sich für die Sichtbarmachung der Grundprinzipien hunderts, setzte sich in seinem Schaffen vor allem mit der menschlichen organischer und unbelebter Natur. Zu diesem Zweck analysierte er den Figur auseinander. Dabei geht es ihm nicht um ästhetische Schönheit, Menschen in seinem Gesamtzusammenhang und entwickelte das von sondern um die Suche nach einem Ursprung. Daraus entstehen seine ihm so genannte Urzellensystem. Das Grundelement dieser Urzelle statischen, schweren, tektonischen Skulpturen. Er sieht den Menschen ist das Quadrat, dessen Form auf dieser Stele deutlich erkennbar ist. als Architekten und in seinen Arbeiten wird der Körper als Behausung Zusätzlich entstehen vielfältige geometrische Einzelformen durch und Schutz, aber auch als Gefängnis, Verlies und Schwere lesbar. Auch Verdoppelung und Ineinanderschieben. Das glatte, glänzende Material bei der Großen Figur für Luzern sind menschliche Formen erkennbar, der Aluminiumgussplatten unterstreicht das Gesetzmäßige und während gleichzeitig die Perspektive auf etwas Größeres, Allgemeingül- Mathematische dieser Arbeit, was sie zur umgebenden Natur in starken tigeres geöffnet wird. Kontrast stellt.
10 Marianne Maderna 13 Erwin Wurm 1944 Wien, lebt und arbeitet 1954 Bruck/Mur, lebt und arbeitet in Wien und Aggsbach-Dorf in Wien und Limberg Zukommender, 1984 Bunker, 1987 Im Zentrum von Madernas Werk steht die Auseinandersetzung mit dem Zwei Metalleimer, die mit der Hohlseite auf einer rot lackierten Metall- Menschen. Es geht ihr dabei vor allem um die Verbildlichung des Inneren, platte fixiert wurden, sind die Grundelemente dieser Skulptur. Es sind von Gefühlen, Emotionen und menschlichen Grundstimmungen. Dies grundsätzlich benutzbare Alltagsgegenstände, die jedoch – herausgelöst erreicht sie durch das Weglassen aller Elemente, die für den erstrebten aus ihrem ursprünglichen Kontext – unbrauchbar gemacht wurden. Ausdruck nicht unmittelbar von Bedeutung sind. Auch wenn sich die Normalerweise stehen Eimer auch auf dem Boden, während sie in dieser Künstlerin vor allem auf eigene Eindrücke und Erlebnisse beruft, finden Skulptur von der Schwerkraft gelöst und in einen Schwebezustand ver- sich in ihren Arbeiten stets allgemein bekannte Situationen und mensch- setzt erscheinen. Der Boden wird zur Wand, der Gegenstand zur Skulptur. liche Grundstimmungen. So widerspiegelt auch diese Arbeit aus Bronze mindestens eine menschliche Situation. 11 Oskar Höfinger 14 Christoph Lissy 1935 Golling/Erlauf, 1957 Hörbranz/Bodensee, lebt lebt und arbeitet in Wien und arbeitet in Wien und Hörbranz Jetzt, 1986 Figur mit eingeschlossenen Steinstücken, 1988 Jetzt ist zunächst eine zweifach abgewinkelte Stahlschiene. Darüber Diese Skulptur visualisiert die Kunstentwicklung der späten 1980er- hinaus aber ist sie als Diagramm einer (persönlichen) Entwicklung zu Jahre, da sowohl ein neuer Bezug zum Gegenstand als auch zum Raum lesen – eine Zeitachse gewissermaßen, welche zum aufstrebenden Teil gefunden wird. Das Zentrum bilden die beiden vertikalen und horizonta- hin der Gegenwart, dem Augenblick zusteuert. An ihren Seiten sind len Träger, auf die sich die Konstruktion stützt. Die Formen scheinen sich Punkte eingetragen, die einzelne Zeit- oder vielleicht auch Lebensab- in einem fein ausbalancierten Gleichgewicht zu befinden und strahlen schnitte markieren. Der Weg verläuft hier nicht geradlinig, sondern in trotz der Schwere des Materials eine gewisse Leichtigkeit aus. Ihre kon- plötzlichen, heftigen Richtungsänderungen – eine Metapher für das krete Bedeutung gewinnt die Arbeit aus den von den Betrachter*innen Unerwartete, Unvorhersehbare, die Um- und Irrwege im Leben. angestellten Vergleichen der einzelnen Bestandteile der Skulptur mit allgemein bekannten Objekten. 12 Tony Long 15 Oswald Oberhuber 1942 Brockton, Massachusetts – 1931 Meran, Italien – 2020 Wien 2001 Paris Natalexos, 1987 Korb, 1989 Longs oft viele Tonnen schwere Stahlplastiken sind unübersehbar und Oberhubers Skulpturen haben stets einen Bezug zu Raum, Architektur zugleich äußerst subtil. Der vielreisende und umfassend gebildete oder Möbel. Auch seine Arbeit Korb reagiert je nach Lichtsituation Künstler schuf zahlreiche Werke im öffentlichen Raum und blieb dabei und Perspektive auf den sie umgebenden Raum. Die einfache, aus stets ein „klassischer“ Metallgestalter, der seine Materialien schnitt, Eisenstangen zusammengeschweißte und an einer Wand angebrachte schweißte und bog und dadurch verwandelte. Seine auf den ersten Konstruktion wirkt aus der Ferne aufgrund des Schattenwurfes wie ein Blick kühlen Konstruktionen ermöglichen weitreichende Assoziationen, komplizierter, mehrdimensionaler Quader. Der gegenständliche Bezug zu die unter anderem durch die Werktitel beeinflusst werden. Natalexos einem Korb bleibt vorhanden, wird aber durch die künstlerische Bearbei- kann beispielsweise als Relikt einer alten Kultur sowie als Fundstück tung gleichzeitig zu einem abstrakten geometrischen Körper. des Industriezeitalters gelesen werden. Damit regt die Struktur zu einer Reise durch Zeiten und Kulturen an.
16 Ilija Šoškić 19 Tom Carr 1935 Deçan, Kosovo, 1956 Tarragona, Spanien, lebt und arbeitet in Rom lebt und arbeitet in Spanien Sole d’acciaio, 1989 Open, 1991 Sonne aus Stahl nennt der Poet und Künstler Šoškić sein skulpturales Die Bedeutung dieser Arbeit ändert sich mit dem Blickwinkel und der Kraftzentrum, das aus der Anordnung von 30 geschwungenen Stahl- Distanz: Von vorne gesehen streckt das Werk seine Flügel aus und lädt strahlen rund um eine Feuersteinkuppel besteht. Die sich ergebenden zum Aufstieg ein; im Profil gesehen vermittelt es jedoch den Eindruck, Formen wirken wie schwere Blütenblätter in warmem Rostrot, die je als ob es sich in sich selbst zurückziehen möchte. Es behandelt das Hin nach Lichteinfall ihre Erscheinung ändern. Obwohl Šoškić Geschichte und Her des Lebens. Je nach Licht oder Jahreszeit verschwimmen ganze und Mythos mit dem Blick auf die jeweilige Gegenwart verknüpft, ist die Abschnitte mit der Umgebung oder heben sich klar von der Arbeit ab. Beschwörung von Symbolen letztlich zweitrangig für ihn. Das Wichtigste Durch den Schnee werden die weißen Teile unsichtbar, durch das Laub ist eine „Politik des Sinnlichen“, das unmittelbare Empfinden und die dunklen Linien, sodass sich das Werk ständig neu erfindet. Erleben des Werks. 17 Ingeborg Strobl 20 Christa Sommerer 1949 Schladming – 2017 Wien 1964 Gmunden, lebt und arbeitet in Linz o. T., 1989/90 Phyllologia, 1991 Scheingräber wurden zum Andenken an Tote, deren Gebeine nicht auf- Für diese Skulptur orientiert sich Sommerer an den natürlichen Formen gefunden werden konnten, errichtet und seit der Antike auch als garten- von Blättern und hinterfragt, inwiefern sich ihre Realität durch das künstlerische Akzente eingesetzt. Sie erinnern an die Vergänglichkeit Stilisieren der Formen verändert. Das Objekt – eine Art Paravent mit drei des Lebens und stellen eine besondere Art der Outdoor Sculpture dar. großen, ausgestanzten Blattumrissen – steht mit seinen stark farbigen Strobl nimmt mit diesen beiden „Grabsteinen“, die bezeichnenderweise Flächen im Kontrast zur natürlichen Umgebung. Zugleich verweist es unbetitelt bleiben, auch Bezug auf den Toten- und Gedächtniskult. Die durch die verwendeten Formen auf ebendiese. Durch die Ausschnitte, Griechen verstanden ihre Toten beispielsweise als Schatten. So kann sich die prinzipiell dieselbe Form aufweisen wie die Tausenden, im Einzelnen die Inschrift („Sei geduldig mit deinem eigenen Schatten“) sowohl auf kaum wahrnehmbaren Figuren im Blätterwald des Hintergrunds, nimmt den Tod als auch auf den Schatten als Abspaltung des Selbst beziehen. Phyllologia eindeutig Bezug auf den Park. 18 Carmen Perrin 21 Franz Pichler 1953 La Paz, Bolivien, 1960 Seckau, lebt und arbeitet in Frankreich lebt und arbeitet in Wien und der Schweiz o. T., 1990 o. T., 1991/92 Perrins Skulptur aus Baustahlgitter tastet durch die emporragenden Diese Arbeit löst die Eigenschaften von Architektur und Skulptur Stifte den offenen Raum ab und deutet an, dass der Bau sich auch weiter aus ihren starren Definitionen. Die einzelnen Elemente basieren auf fortsetzen hätte können. Das Flechten, Verbinden und Verweben von L-Profilen, die in ihrer Zusammensetzung nur auf den ersten Blick iden- Halt gebenden Linien verweist darauf, dass sich dreidimensionale Körper tisch sind: In einem künstlerischen Vorgang des Umschichtens wurden auch durch ihre stützende und strukturierende Textur definieren. Der die Module wiederholt neu zusammengestellt und laden zum Entdecken Körper entsteht gewissermaßen durch die Vorstellung, die Löcher zwi- des Unregelmäßigen im Regelmäßigen ein. Die Skulptur wird durch die schen den Linien zu füllen – ähnlich dem Zustandekommen eines Textils als Eingänge wahrgenommenen Leerstellen begehbar. Zugleich stellt durch Weben, Filzen oder Walken. der Skelettbau eine Art Transparenz her, durch die sich gleichzeitig ein Außen- und ein Innenraum erfahren lässt.
22 Lois Weinberger 25 Manfred Erjautz 1947 Stams – 2020 Wien 1966 Graz, lebt und arbeitet in Wien Mauer, 1992 The Silent Cell, 1992/94 Zuerst gab es die Steinmandln in den Alpen oder die stupaförmigen Logos, Strichcodes, Werbetexte oder Gegenstände mit festgeschriebener Steintürmchen auf der tibetischen Hochebene: Die Mauer ist das Umfas- Bedeutung sind Erjautz’ hauptsächliches Material. Damit führt er uns sende und zugleich Trennende und deshalb das den Raum Ordnende. Die eindringlich vor Augen, dass wir in Textstrukturen eingebunden sind – in Mauer von Weinberger umschließt die Landschaft nicht, vielmehr wirkt der Kunst sowie im Alltag. Die konstruierenden Elemente dieser Skulptur die kompakte Anhäufung der Steine wie ein Memorial, das die Umge- sind Metall gewordene Linien, abgeleitet von Computerstrichcodes. Das bung teilt. Die unterschiedlich großen Steine sind wie Bauklötzchen abstrakte Konstrukt auf einer Kunstrasenfläche erinnert an eine Zelle. nummeriert, was dazu führt, dass die natürliche Anhäufung von einer Betritt man diese, ist man vom Strichcode umgeben und damit auch vom menschengemachten Ordnung überschrieben wird. Text, für den dieser Code steht. Strichcodes beinhalten auch die Preise von Waren, sodass diese Skulptur aus einem angenommenen, aber unausgesprochenem Wertsystem geschaffen zu sein scheint. 23 Franz West, Otto Zitko 26 Michael Kienzer 1947 Wien – 2012 Wien 1962 Steyr, 1959 Linz, lebt und arbeitet in Wien lebt und arbeitet in Wien Who is Who, 1992 o. T., 1992/94 In der scheinbar willkürlichen Form zweier Hocker erscheint diese Skulp- Kienzers Skulptur aus gewundenem Kupferrohr ragt über der Hügelkuppe tur vorerst provisorisch und gebrauchsgegenständlich, jedoch wird ihre auf, als würde sie aus der Landschaft wie ein spiraliges Gestrüpp hervor- Bedeutung als unantastbares Kunstwerk durch den Betonsockel unter- wachsen oder wie ein riesiges Vogelnest über dem Gelände thronen. Das strichen. Das Grundbedürfnis des Menschen nach Kommunikation mit Objekt wirkt dadurch wie eine spiegelbildliche oder umgekehrte Fortset- seiner Umwelt und mit anderen Menschen ist ein elementarer Bestand- zung des Hügels. Damit verweist es auf seine eigene Künstlichkeit und teil dieser skulpturalen Hocker: Die Beziehung zwischen Kunstwerk und skulpturalen Eigenschaften. Das Material bezieht sich außerdem auf alltäglichem Objekt wird ebenso thematisiert wie jene zwischen dem den ewigen Kreislauf der Veränderung in der Natur, indem es sich durch Selbst und dem Fremden. Oxidation selbst verändert und ein Teil der Natur wird. 24 Erwin Bohatsch 27 Karin Hazelwander 1951 Mürzzuschlag, lebt und 1953 Zams, arbeitet in Wien und Beistein lebt und arbeitet in Wien Wand, 1992 Perambulator, 1993 Die Wand ist die einzige realisierte Skulptur des Malers und Grafikers Diese Skulptur ist starr und doch in Bewegung: Das Loch verschiebt sich Bohatsch, in der er die malerische Erfahrung in eine skulpturale über- vom oberen Rand der ersten Kurve bis zum unteren der fünften und letz- führt. Die quellende Form über der Betonwand simuliert das langsame ten und deutet so eine imaginäre Bewegung an. Darauf könnte auch der Rinnen der Farbe über eine Leinwand. So wie der Maler die Farbpaste aus Titel Bezug nehmen, heißt doch „to perambulate“ (engl.) im Deutschen der Tube auf die Leinwand quetscht, so wälzt sich zähflüssig die Beton- auch „durch etwas reisen/gehen“. Es wird eine Rotation dargestellt, die masse über die Wand, bis die weiche, flüssige Form zu einer harten, fes- das als Maschine anmutende Objekt optisch nach vorne rollen lässt. ten Gestalt erstarrt. Werden und Vergehen wird her ebenso thematisiert Durch die projizierte Bewegungsübertragung von einem „Maschinenteil“ wie das Ineinander-Übergehen von Idee, Malerei und Skulptur. auf den nächsten wird diese Vorstellung zusätzlich angetrieben.
28 Sabina Hörtner 31 Othmar Krenn 1967 Bruck/Mur, 1952 Gratwein – lebt und arbeitet in Wien 1998 Judendorf-Straßengel o. T., 1993 Teilummantelung, 1995 Liniengeflechte und -gerüste sind die Grundmotive in Hörtners Arbeiten. Für diese Skulptur wurde ein Findling – ein großer Bruchstein aus einem Hier errichtet sie die Strukturen des Raumes und der Verräumlichung in Steinbruch – durch einen technisch aufwendigen Prozess in einen Stahl- Gestalt einer einerseits in sich geschlossenen, andererseits sich durch mantel eingeschweißt. Der Mantel schmiegt sich an die Höhen und Tiefen unser Vorbeigehen ständig verändernden und in Bewegung befindlichen des Steins, sodass das Objekt als Gesamtes beinahe an ein Schmuck- Skulptur. Die Arbeit pendelt zwischen räumlicher und flächenhafter stück erinnert. Krenn ist sich des schönen Scheins bewusst, mit dessen Erscheinung und macht die Entstehung von Raum selbst wahrnehmbar. Hilfe er die Gegensätze von gefundener (natürlicher) und geschaffener Zusätzlich wird die Veränderung der Wahrnehmung vermittelt: Die vier (kultureller) Form aufeinanderprallen lässt. Fragen nach dem Verhältnis farbigen Module überlagern und vernetzen sich je nach Blickwinkel immer zwischen Natur und Zivilisation werden aufgeworfen und der beherr- anders. Ferner erinnert die Arbeit auch an elektronische Medien, mit schende Eingriff des Menschen in das „Natürliche“ wird thematisiert. deren Hilfe sich Raum in der Fläche programmieren und simulieren lässt. 29 Franz Xaver Ölzant 32 Martin Schnur 1934 Oberzeiring, 1964 Vorau, lebt und arbeitet in Pfaffenschlag lebt und arbeitet in Wien Fu mit dem schönen Mandarin, o. T., 1995 1993 Mit oft nur wenigen Eingriffen in die natürliche Form des Steins versucht Diese Arbeit hinterfragt das Verständnis von Bildern, Skulpturen und Ölzant dessen individuelle Struktur aufzudecken. Er verbildlicht Ein- Objekten. Ein Ausschnitt der Wirklichkeit wird eingerahmt, wodurch wirkungen der Witterung oder erinnert an den vorzeitlichen kultischen diese selbst zu einem Bild wird. Gleichzeitig thematisiert Schnur Gebrauch der Steine. Diese Skulptur greift weit in den Raum und durch damit eine Problematik des Bildes – nämlich die Abbildung der Natur. die Spannung beider Körper wird der Gegensatz zwischen Lasten und Das umrahmte Bild ist von der Position der Betrachter*innen und der Schweben thematisiert, während gleichzeitig Balance und Dynamik ent Erscheinung der Natur abhängig, was die Skulptur als Ganzes verändert. stehen. Die unterschiedliche Oberflächenbehandlung bringt die Charakte- So entsteht aus dem Gemälde ein dreidimensionales Objekt – nicht ristik des Steins zum Ausdruck – seine Maserungen, seine Struktur, sein zuletzt, weil die vorhandenen Figuren sowie der Rahmen essenzielle Leben. Sie weist aber auch auf die Bearbeitung durch den Künstler hin. Bestandteile des Bildes sind. 30 Richard Fleissner 33 Susana Solano 1960 München, 1946 Barcelona, lebt und arbeitet in Wien lebt und arbeitet in Barcelona Körperteil-Hürden, 1994 A juste en el Vacio, 1995/96 Die große, halbkreisförmige Figur wirkt wie ein Schaufelrad mit Taschen Diese scheinbar auf der Erde schwebenden oder sich ausruhenden oder Fächern und einem leicht durchhängenden Boden. Schon Leonardo Zylinder wirken ebenso leicht wie schwer. Das Material und die wuch- da Vinci verwendete ein ähnliches Konzept für einen Schwimmbagger, tigen Einfassungen stehen im Gegensatz zur Leere, die ein wichtiger wie eine seiner Zeichnungen in der Sammlung Codex Atlanticus zeigt. Bestandteil dieser dreiteiligen Skulptur ist: Leerer Raum wird durch Wie eine unbequeme Leiter stellt sich uns Körperteil-Hürden als Hin- die transparenten Gitterstrukturen, die Hohlräume der Zylinder selbst dernis entgegen und wird zu einem „Gegen-Stand“ im wahrsten Sinne und die Räume zwischen den Objekten erfahrbar. Durch ihre einander des Wortes. Die Kompaktheit des Werks wird durch Farbe und Material zugewandten Positionen werden die Einzelteile zu einem großen Ganzen, besonders stark zur Geltung gebracht. das sich, je nach Perspektive der betrachtenden Person, stets neu zusammensetzt, verdichtet und wieder ausdünnt.
34 Bruno Gironcoli 37 Jeppe Hein 1936 Villach – 2010 Wien 1974 Kopenhagen, lebt und arbeitet in Berlin o. T., 1995/96 Did I miss something, Exemplar 1/3, 2002 Gironcoli begreift seine monumentalen Arbeiten als Organismen, die Heins Skulpturen sind immer unmittelbar mit Körperlichkeit und Bewegung Prozesse wie Werden und Vergehen oder Leben und Tod widerspiegeln. In verbunden. Nimmt man auf der als Auslöser ausgewählten Bank Platz, der Gegenüberstellung von Elementen des Lebens mit maschinenartigen, entwickelt sich inmitten des Seerosenteichs eine die Baumkronen überra- technoiden Strukturen verweist diese Skulptur auf die starre Unerbitt- gende Wasserfontäne. Die betrachtende Person wird damit ein essenzieller lichkeit sozialer und wirtschaftlicher Vorgänge. Scheinbar natürlich Bestandteil der Skulptur, der notwendig ist, um das Kunstwerk überhaupt Gewachsenes trifft auf strenge Struktur, Menschliches auf Maschinelles, erst sichtbar und etwas zeitverzögert auch hörbar zu machen. Der Strahl sodass eine Spannung entsteht, die diesem Objekt etwas Lebendiges ist ein Verweis auf männliche Formen politischer Macht und einer damit verleiht. Es scheint, als ob es sich im nächsten Augenblick in Bewegung verbundenen unterschwelligen Aggressivität. Die Möglichkeit, den Strahl setzen könnte. durch Aufstehen wieder zu unterbrechen, verleiht diesem Aspekt der Arbeit jedoch gleichzeitig einen ironisch-humorvollen Ansatz. 35 Rudi Molacek 38 Hans Kupelwieser 1948 Kindberg, lebt und arbeitet 1948 Lunz, in Wien und Berlin lebt und arbeitet in Graz und Wien Rose, 1999 Gonflable 6, 2002 In seinen überdimensionalen Aluminiumskulpturen behandelt Molacek Seit den 1990er-Jahren beschäftigt sich Kupelwieser mit Skulpturen, die Blüte der Rose elitär. Die Skulpturen sind in vier unterschiedlichen die mittels Druckluft entstehen. Er nennt diese Arbeiten Gonflables Farben an öffentlichen Orten, in Parks und Gärten platziert. Die im (frz. gonflable, aufblasbar). Sie bestehen jedoch nicht aus einer leicht Bauerngarten befindliche schwarze Rose entfaltet ihre Wirkung im verformbaren Kunststofffolie, sondern aus Metall. Dadurch unterläuft Wechselspiel mit der sie umgebenden Natur, die sich ständig verändert. er unsere Erwartungshaltung. Die Skulpturen erhalten ihre Form, wenn Es geht Molacek nicht darum, die natürliche Schönheit einer Blume unter höchstem Luftdruck speziell verschweißte, dünne Alubleche auf- als Landschaftsmaler abzubilden. Stattdessen soll etwas Fragiles und geblasen werden. Das verleiht dem schweren Material eine dynamische Feines mit übertriebener Deutlichkeit und Überdimensionalität, ähnlich Leichtigkeit. Das Resultat ist immer ein anderes und die gebildeten einem Superstar in der Medienwelt, hervorgehoben werden. Oberflächenstrukturen unterliegen zu einem großen Teil dem Zufall. 36 Erwin Wurm 39 Heinz Gappmayr 1954 Bruck/Mur, lebt und arbeitet 1925 Innsbruck – 2010 Innsbruck in Wien und Limberg Fat Car, 2000/01 NOCH NICHT SICHTBAR – NICHT MEHR SICHTBAR, 2003 Wurm versieht ein echtes Auto mit einem Kunststoffüberzug unter Die Gegenwart ist genau betrachtet zu kurz, um sie tatsächlich wahrneh- Zusatz von Polyester und verändert damit eine uns sehr vertraute Form men zu können. Letztendlich ist nahezu alles „noch nicht“ oder „nicht durch übertriebenes Volumen. Das Auto als Aushängeschild von Mobili- mehr“. So gesehen bietet der Künstler gar kein Kunstwerk an, sondern tät und bedeutendes Statussymbol verliert seine natürlichen Proportio- stellt nur eine Mutmaßung darüber an, dass eines da war oder erst da nen, seine Form und auch seine Funktionalität. Es wird nicht nur „fett“, sein wird. Auch in der Realität haben wir ständig mit Unvollständigkeit sondern wandelt sich von einem metallenen, harten Gebrauchsgegen- und Abwesenheit zu tun: Wir erfassen sie stets nur als Teil einer Tat- stand zu einem optisch weichen, surrealen Objekt. Das nun nicht mehr sächlichkeit und müssen immer wieder erkennen, dass ein Stück fehlt. bewegliche Fortbewegungsmittel scheint gewissermaßen zu zerfließen Um auf diesen Aspekt hinzuweisen, bedient sich Gappmayr der Sprache, und begegnet uns als groteskes und doch liebenswürdiges Monstrum. die „schon sichtbar“ ist.
40 Hans Kupelwieser 43 Nancy Rubins 1948 Lunz, 1952 Naples, Texas, lebt und lebt und arbeitet in Graz und Wien arbeitet in Topanga, Kalifornien Badezimmer, 1995–2003 Airplane Parts & Hills, 2003 Die Ausschnitte der Stahlplatte sind standardisierte Symbole für Rubins verdichtet in ihren Arbeiten elektrische Geräte, Schrott- oder wie Elemente in Nassräumen. Auch eine menschliche Silhouette ist in hier Flugzeugteile zu monumentalen Skulpturen. Diese Teile verweisen Kupelwiesers Badezimmer erkennbar. Dabei scheint es sich um ein einerseits auf deren ursprünglichen Verwendungszweck und andererseits systematisches Verzeichnis von alltäglichen Badezimmer-Gegenständen auf die Auswirkungen des Konsums und der industriellen Fertigungs- zu handeln, das wie der Code einer Sprache funktionieren kann. Der maschinerie. Rubins beschäftigt sich bereits seit dem Ende der 1980er- Unterschied zwischen natürlich Gewachsenem (das weiche Gras in den Jahre mit Flugzeugschrottteilen, also lange vor 09/11. Als 2003 diese Leerstellen) und kulturell Geformtem (die vom harten Stahl begrenzten Skulptur geschaffen wurde, war die Assoziation mit den Anschlägen auf Formen) wird sichtbar. die Zwillingstürme in New York unumgänglich. Airplane Parts & Hills wirkt wie ein erstarrtes Desaster und zeigt gleichzeitig eine einzigartige Schönheit in der Neuordnung der Teile. 41 Matt Mullican 44 Jörg Schlick 1951 Santa Monica, Kalifornien, 1951 Graz – 2005 Graz lebt und arbeitet in Berlin und New York o. T., 2003 Made in Italy, 2003 Diese Arbeit entstand durch Mullicans Beschäftigung mit dem urbanen 7 m hoch und 4 m breit wächst die Skulptur aus einem Hügel und Raum und der Erschaffung von virtuellen Städten bzw. Welten. Mullican scheint damit eine ähnliche Verbindung mit dem Park einzugehen wie die arbeitet mit Symbolen und alten Begriffen der Welterklärung. Die fünf umliegenden Bäume. Wissenschaftlicher Ausgangspunkt der Skulptur ist Teile dieser Arbeit ähneln Archivboxen bzw. Setzkästen, die den redu- der Abschluss des Humangenomprojektes 2001, bei dem die 3,2 Milli- zierten Charakter von virtuellen Modellen thematisieren. Die Behälter arden Basenpaare der menschlichen DNS entschlüsselt wurden. Die vier können aber auch an industrielle Komplexe erinnern. Sie thematisieren Bausteine des Erbgutes ersetzt Schlick durch billigst produzierte Fliesen den Verlust alter Weltvorstellungen und bauen auf die Schöpfung utopi- aus Italien in vier unterschiedlichen Farben. Durch zufällige und doch scher Ideale, die für alle Zeiten ihre Gültigkeit behalten. systematische Anordnung der vier Farben manifestiert sich in dieser Arbeit der Code zu einem Ausschnitt der Welt, des Lebens, der Natur. 42 Michael Pinter 45 Michael Schuster 1969 Graz, lebt und arbeitet 1956 Graz, in Graz, Zeist, Niederlande, lebt und arbeitet in Graz und Berlin SUB/DC, 2003 Betonboot, 2003 Ein ehemaliger stählerner Wassersilo (11 m Länge, 4 m Durchmesser) Das Boot ist ein funktionsfähiges, am slowenischen Straßenrand ent- wurde vom Medienkünstler und Musiker Pinter neu interpretiert. Er bildet decktes Objet trouvé. Es handelt sich also nicht um einen ursprünglich die Grundstruktur dieser Skulptur. Acht integrierte Basslautsprecher als Kunstwerk geschaffenen, sondern um einen gefundenen Gegenstand, verwandeln den Silo in ein Musikinstrument. Die tiefen Frequenzbe- der erst durch die Inszenierung auf einem Sockel – in diesem Fall die reiche erzeugen Druckwellen, die den Sound nicht nur hörbar, sondern Landschaftsarchitektur Dieter Kienasts – zu einem Kunstwerk wird. Die auch körperlich spürbar machen. Auf einem externen Monitor sind die besondere Wirkung der Skulptur entsteht durch die Positionierung im Kompositionsdaten sichtbar. Als umgebautes Readymade verweist die Park selbst, die zu einem Gespräch zwischen dem Objekt und der Land- Arbeit aufgrund ihrer spezifischen physikalischen Gegebenheiten auf die schaft führt: Einerseits bezieht sich das Boot auf den dahinterliegenden funktionelle Vielseitigkeit eines Objekts. Badesee, andererseits scheint es, als wäre es in einer künstlichen Wellenlandschaft gestrandet.
46 Hartmut Skerbisch 49 Tobias Pils 1945 Ramsau/Dachstein – 1971 Linz, 2009 Kalsdorf bei Ilz lebt und arbeitet in Wien 3D Fraktal 03/H/dd, 2003 Zog den Helfer unterm Teppich hervor, 2004 Die Skulptur ist eine raffinierte Konstruktion, bei der aus jeweils einem Auf einem Hügel zwischen zwei Wegen stehen zwei Spiegel auf Stangen. Würfel fünf weitere Würfel wachsen. In Summe sind es 156 Stück, deren Durch ihre ständige Drehung im Wind geben sie stetig anderes wieder. Generationen in einer diagonalen Verdrehung der Achsen für Dynamik Das sich in ihnen Spiegelnde symbolisiert einen Blick in zwei unterschied- sorgen. Der technisch anmutende Titel bezieht sich auf das Jahr der liche Welten. Für die kurzen Momente, in denen sich die Spiegel ineinan- Entstehung, die Form (Hexaeder) und die Gestaltung. Die Verkleinerung der spiegeln, entsteht eine Verbindung dieser beiden Welten. Pils zeigt der Würfel geschieht mit dem Faktor 0,44902, nicht zuletzt folgen die mit dieser dynamischen Arbeit, dass Bedeutungen nicht starr, sondern Seitenverhältnisse dem Goldenen Schnitt und sorgen damit für eine vielmehr ein veränderliches Phänomen sind. Auch die mit dem Schrift- besonders harmonische Wirkung. Was auf den ersten Blick wie Chaos steller Ferdinand Schmatz gemeinsam entwickelten Texte sind einerseits wirkt, folgt einer ausgeklügelten Ordnung. prägnante Formulierungen, andererseits aber in ihrer Bedeutung offen. 47 Thomas Stimm 50 Boris Podrecca 1948 Wien, 1940 Belgrad, lebt und arbeitet lebt und arbeitet in Wien und Köln in Wien, Stuttgart und Venedig Terranian Platform, 2003 EU & YOU, Objekt anlässlich der Erweiterung der Europäischen Union 2004, 2004 Die Skulptur ist Teil eines künstlerischen Konzepts, das Stimm Diese Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle von Architektur, Skulptur gemeinsam mit Uta Weber seit 1995 unter dem Label „soylent green“ und Intervention im öffentlichen Raum. Als selbstreferenzielle Skulptur entwickelt. Die Aufschrift „Terra“ steht für einen für alle Lebewesen auf widerspiegelt sie ihren Sockel spiegelverkehrt in fünf Meter Höhe. unserem Planeten gültigen Heimatbegriff. Die dekorative und bunte Dargestellt ist der Grundriss von Österreich und den vier neuen EU- Gestaltung verleiht dieser Idee optisch Ausdruck. So ist diese planetare Nachbarländern 2004 – der Tschechischen Republik, der Slowakei, von Plattform mit ihrer Aufschrift eine sinnliche Metapher für den Erdball Ungarn und Slowenien. Das Objekt kann und soll auch durch die betrach- als Grundlage und Bestandteil allen Seins. Die Betrachtenden sind dazu tende Person ein Ort der Kommunikation und des Dialogs werden. eingeladen, sich mit ihrer eigenen Existenz und mit ihrer Verortung in und auf der Welt auseinanderzusetzen. 48 Heimo Zobernig 51 Tobias Rehberger 1958 Mauthen, 1966 Esslingen/Neckar, lebt und arbeitet in Wien Deutschland, lebt und arbeitet in Frankfurt am Main und Berlin o. T., 2003 Asoziale Tochter, 2004 Für dieses Werk verwendet Zobernig sehr gebräuchliche und doch im Rehberger stellt wie in vielen seiner Arbeiten auch hier die Frage nach Alltag meist unsichtbare Fertigteile aus Beton und negiert dabei eine der gesellschaftlichen Funktion von Kunst. Dafür verändert er gewohnte persönliche künstlerische Handschrift. Diese Bausteinringe setzt er Dinge, um einen frischen und neuen Blick darauf zu ermöglichen. Der übereinander, wodurch eine riesige Säule entsteht. Die Skulptur wird Baum zieht durch seine vereinfachte, abstrahierte sowie jahreszeitlich bewusst nicht aufwendig oder schön gestaltet. So bleibt die Aufmerk- unbeeinflusste Form und ungewöhnliche Farbe jede Aufmerksamkeit auf samkeit auf dem Material selbst und ermöglicht eine nüchterne Sicht auf sich. Der Wald als ökologisches Netzwerk tritt in den Hintergrund, im die Welt. Dadurch thematisiert der Künstler auch die Frage, wo und wie Fokus steht nun ein einzelner Bestandteil, der zugleich abgegrenzt und die Grenzen zwischen Kunst- und Alltagsgegenständen zu ziehen sind. eingebettet wirkt. Es entsteht eine scheinbar romantisch-märchenhafte Atmosphäre, die durch den Baum als Lebenssymbol ökologische und gesellschaftsrelevante Aspekte thematisiert.
52 Werner Reiterer 55 Markus Wilfling 1964 Graz, 1966 Innsbruck, lebt und arbeitet in Wien lebt und arbeitet in Graz gesture, 2003/04 -3m Brett, 2004 Diese Skulptur befasst sich mit dem Prinzip der Dauerhaftigkeit und Ein Sprungbrett ist nicht wie gewöhnlich vor einem Schwimmbecken Unveränderbarkeit. Sie wächst immer wieder aus einer Senke zur Kugel positioniert, sondern spiegelbildlich in einen blau ausgestrichenen Pool heran, um kurz nach ihrer vollen Entfaltung mit einem lauten Knall ihr versenkt. Überraschenderweise erweckt das denselben perspektivischen Volumen zu verlieren und sich wie eine achtlos abgelegte Kunststoffhaut Eindruck, als würde man das Brett von unten sehen. In der Op-Art (Opti- auf dem Gras auszubreiten. Das permanente Aufsteigen und Zusammen- sche Kunst) stößt man seit den 1960er-Jahren auf ähnliche spontane fallen hinterfragt unser Verständnis der Begriffe Skulptur und Objekt Wahrnehmungstäuschungen, die das menschliche Sehen als aktiven sowie unsere Wahrnehmungsgewohnheiten. Außerdem zeigt Reiterer Sinnesvorgang erkennbar machen. Das Gehirn versucht den Eindruck mit dieser grellen, farbigen Intervention ein spielerisches Modell für die sinnvoll zu interpretieren, was allerdings nicht zu gelingen scheint. Interaktion mit der konstruierten Umgebung. 53 Gustav Troger 56 EVA & ADELE 1951 Kohlschwarz, lebt und 1991, leben und arbeiten in Berlin arbeitet in Graz und Los Angeles Materialprobe: Sieg über die watermusic, 2003/04 Sonne, Kunst sich über die Natur lustig zu machen, 2004 Durch das Betrachten des Werks aus unterschiedlichen Positionen watermusic wurde exklusiv für Graz realisiert: zuerst temporär für den erschließt sich eine Vielfalt an Bildern. Troger verwendet Beton, Spiegel, Schloßbergplatz und dann als Wasser-Haus im Seerosenteich des Parks. Polyester und Farbe, um die komplexe Wirklichkeit mittels kleiner Spie- Als Häuschen erinnert das äußere Erscheinungsbild an Einfamilienhäuser gelstücke zu zerlegen. Die Umwelt wird durch das Sonnenlicht in den außerhalb des Parks und beherbergt im Inneren die Welt von EVA & Scherben gebrochen, reflektiert und in der aus dem Boden geklappten ADELE. Dort zeigen drei Projektionen das Paar beim Winken, beim Wand zu einer neuen Wirklichkeit. Damit wird die Skulptur zu einem Wassertreten und beim Wasserschöpfen, untermalt von einem den Akti- Katalysator für das Nachdenken über das Wesen der Realität. vitäten entsprechenden, beruhigenden Sound. Dieses Werk stellt Fragen zu künstlerischer Kommunikation, Aspekten geschlechtlicher Identitäten und Kunstmarketing. 54 Peter Weibel 57 Yoko Ono 1944 Odessa, Ukraine, 1933 Tokio, lebt und arbeitet in Karlsruhe lebt und arbeitet in New York Die Erdkugel als Koffer, 2004 Painting to Hammer a Nail in/Cross Version, 2005 (1990, 1999, 2000) Mit dieser Arbeit führt uns Weibel an die Grenzen der Wahrnehmung. Ein Das Kreuz ist in einer christlich dominierten Gesellschaft unverwechsel- überdimensionaler Griff eines Koffers steht mitten in der Landschaft. Er bares Sinnbild der Auferstehung Jesu. Mit dem Angebot, selbst einen zeigt den Betrachter*innen die Weltkugel als einen riesigen Behälter, Nagel in eines der Kreuze zu schlagen, schafft Ono die Möglichkeit, gefüllt mit Daten, Organismen und Gegenständen, die ihrerseits selbst eine neue, aktive Rolle in diesem Vorgang der Kreuzigung einzunehmen. Informationsträger sind. Ähnlich funktionieren auch wir Menschen, die Gleichzeitig werden wir dadurch Mittäter*innen. Kulturelle, religiöse, wir alles, was wir haben und womit wir uns beschäftigen, mit uns herum- politische oder künstlerische Grenzen können durch den Griff zum tragen. Die Verbindung zwischen sinnlicher Erfahrung und Verstand, die Hammer überschritten werden. Dabei entsteht eine neue Sensibilität Kant als Weg zur wirklichen Erkenntnis sah, wird deutlich. für das Setzen von Aktivität und es gelingt eine Verbindung zwischen kollektivem und individuellem Gedächtnis.
58 Hartmut Skerbisch 61 Giuseppe Uncini 1945 Ramsau/Dachstein – 1929 Fabriano, Italien – 2009 Kalsdorf bei Ilz 2008 Trevi, Italien Sphäre 315, 2005 Unità Cellulare, 1967/2008 Sechs Kreise von der Größe eines Viermillionstels des Erddurchmessers Der Raum zwischen Objekt und Umwelt ist stets ein Teil von Uncinis wurden – im Verhältnis des Goldenen Schnitts zueinanderstehend – zu Skulpturen. Die Realität eines Objekts wird durch ein orange lackiertes einer Skulptur verschraubt. Dadurch spricht die Arbeit das Gefühl harmo- Stahlrohr abgebildet. Ein zusätzlicher Raum ist durch die Schatten nischen Ausgleichs in den betrachtenden Personen an. Besucher*innen angedeutet, welche in Form von flachgeklopften grauen Metallstäben bewegen sich hier als Gradmesser zwischen ihrer eigenen Körperlichkeit Bestandteil der Skulpturen sind. Der aus Cortenstahl gefertigte und Größe in Relation zur Welt, in die sie eingeschrieben sind. So können Boden verändert sich unter dem Einfluss von Klima und Witterung. Er wir versuchen, Größenverhältnisse und Entfernungen wahrzunehmen verdeutlicht Uncinis Interesse an der selbstständigen Umwandlung der oder die sphärische Durchdringung eines als fest angedeuteten Körpers Materialien und integriert somit auch den Zeitfaktor. zu entdecken. 59 Matta Wagnest 62 Martin Walde 1964 Graz, 1957 Innsbruck, lebt und arbeitet lebt und arbeitet in Wien in Wien und New York Labyrinth, 1992 Siamese Shadow, 2003 (ehemals) Dieses Labyrinth ist ein offener gläserner Riesenkasten, der den Ausblick Die auf Kippstangen montierten Segel, die an Surfer im nahen Badesee auf die Umgebung zulässt. Der Blick haftet auf dem Glas, während man erinnern, wanken im Wind, ohne sich wegbewegen zu können. Was zugleich das Bild der Landschaft wahrnimmt. Das Glas wirkt wie ein zunächst als Übertragung touristischer Sommerstimmung ins Areal der Schirm, der das Sehen einfängt, ein Bildschirm, der die Welt präsentiert, Kunst erscheint, entpuppt sich als Reflexion über die Verklärung von allerdings zum Preis der Trennung und Distanz von ihr. Die Bezeichnung Landschaft und Freizeit in Bezug auf Kunst. Dass Orte der Kunst, wie Labyrinth macht deutlich, dass etwas weit offenstehendes Sichtbares dieser Park, keine verlängerten Arme der Erholungsindustrie sind, son- nicht weniger geheimnisvoll ist als etwas Verdecktes oder Verstecktes. dern primär Orte der Reflexion über solche Klischees, ist eine mögliche Ausgangspunkte für diese Arbeit waren das architektonisch angelegte Erkenntnis. In ihrer vom Wind beeinflussten Beweglichkeit und ihrer Ver- Gartenlabyrinth sowie ein Irrgarten aus Buchen in nächster Nähe. bindung mit der Wiese, erscheint die Arbeit ebenso magisch wie poetisch. 60 Peter Sandbichler 63 Timm Ulrichs 1964 Kufstein, 1940 Berlin, lebt und arbeitet lebt und arbeitet in Wien in Hannover und Münster Tiger Stealth, 2009 Tanzende Bäume, 1997/2010 Die Verbreitung der Fehlinformation, die militante Guerillagruppe Tamile Bäume stehen für Verwurzelung, natürliches Wachstum oder Alter. Diese Tiger besäße ein Tarnkappenschiff, war Ausgangspunkt für diese Arbeit vorgegebene Sichtweise wird im Werk durch die Bewegung der Birken auf Sandbichlers. Wie diese Information ist auch das Tarnschiff hier Fake, ironische und subtile Art hinterfragt. Ulrichs involviert die betrachtenden denn es ist eine Skulptur. Die Tarnfunktion gelingt trotzdem, denn die Personen durch ihre Annäherung an die Bäume, welche die Rotationen Form kann von keinem Radar erfasst werden. Das ist jedoch irrelevant, erst auslöst. Die vermeintliche Verwurzelung Betrachtender vor Kunst- denn militärische Geheimnisse offenzulegen oder zu kolportieren, ist das werken oder interessanten Phänomenen, ähnlich jener von Bäumen, wird eigentliche Mittel, mit dem Macht demonstriert wird. Die Arbeit präsen- als Konstrukt entlarvt und ironisch aus den Angeln gehoben. tiert sich somit doppeldeutig: Einerseits in aufgehobener Tarnung, das Objekt als formalästhetisches Gebilde ausweisend, andererseits hat sich der Prototyp eines Untergrundkampfgerätes als Kunstwerk getarnt.
Sie können auch lesen