Österreichischer Skulpturenpark - Universalmuseum Joanneum

Die Seite wird erstellt Svenja Moser
 
WEITER LESEN
Österreichischer Skulpturenpark - Universalmuseum Joanneum
Österreichischer
Skulpturenpark
Deutsch
Österreichischer Skulpturenpark - Universalmuseum Joanneum
„Der Garten
ist der letzte
Luxus unserer
Tage, denn
 er fordert das,
was in unserer
Gesellschaft
 am kostbarsten
geworden ist:
Zeit, Zuwendung
und Raum.“
Dieter Kienast, Gestalter
der Landschaftsarchitektur
des Österreichischen
Skulpturenparks

Österreichischer Skulpturenpark
Thalerhofstr. 85, 8141 Unterpremstätten
Büroadresse: Marienplatz 1, 8020 Graz
T +43–316/8017–9704
T +43-699/1500 5794
skulpturenpark@museum-joanneum.at
www.skulpturenpark.at
www.museum-joanneum.at
Österreichischer Skulpturenpark - Universalmuseum Joanneum
Zur Geschichte des
Österreichischen Skulpturenparks

Der Österreichische Skulpturenpark geht auf die ambitionierte Haltung
Emil Breisachs zurück: Der ehemalige Intendant des ORF-Landesstudios
Steiermark wollte zeitgenössischer Skulptur auch außerhalb von Museen
einen Platz einräumen und künstlerische Arbeiten ab 1981 auf dem ORF-
Gelände platzieren. Daraus entwickelte sich die Idee, österreichisches
skulpturales Schaffen im internationalen Kontext zu positionieren und
ein Begegnungsfeld mit den Betrachter*innen zu eröffnen.

Als im Jahr 2000 Dieter Kienast, der prominente Schweizer Land-
schaftsarchitekt, sieben Kilometer südlich von Graz ein 7 Hektar großes
Areal für die Internationale Gartenschau geschaffen hatte, bestätigte
sich dieses in der Folge als idealer Ort für einen großzügig angelegten
Skulpturenpark.

Mit Gründung der Privatstiftung Österreichischer Skulpturenpark in
Kooperation mit der PORR GmbH und dem Land Steiermark konnte die
Basis für ein von Peter Weibel durchformuliertes Konzept für einen
internationalen Skulpturenpark ausgearbeitet und im Jahr 2003 der
Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Um den damals 57 Skulpturen umfassenden Park abzusichern, ihn in
einen fundierten wissenschaftlichen und breiten Kunst- und Kulturkon-
text zu integrieren und einer noch größeren Öffentlichkeit bekannt und
zugänglich zu machen, initiierte die Privatstiftung in Abstimmung mit
dem Land Steiermark im Jahr 2007 die Übernahme des Betriebs durch
das Landesmuseum, seit 2009 Universalmuseum Joanneum.

Neben dem Ausbau der Sammlung – heute befinden sich 77 Arbeiten
im Park – und einem begleitenden wissenschaftlichen Diskurs
konnten umfassende Vermittlungstätigkeiten, spezielle Führungen,
aber auch verschiedene Sonderveranstaltungen aufgebaut und
etabliert werden. Parallel dazu wird das einzigartige Ambiente auch
Kulturveranstalter*innen, kulturinteressierten Unternehmen sowie
Privatpersonen für Veranstaltungen, Empfäng­e und Präsentationen
angeboten.
                                                         Elisabeth Fiedler
                            Leiterin des Österreichischen Skulpturenparks
Österreichischer Skulpturenpark - Universalmuseum Joanneum
Zum Wesen des                                                               Die Vielfalt der Formen
Österreichischen Skulpturenparks
                                                                            Punktuell wird im Park mit mehr als 75 permanenten und jährlich tempo-
                                                                            rären Arbeiten die Geschichte der Skulptur seit der klassischen Moderne
Wenn Skulptur und Natur in Verbindung treten, reagieren sie aufein-         gezeigt, verhandelt und weiterentwickelt. Klassische Materialien wie
ander. Es entwickelt sich eine Wechselbeziehung, die im Laufe der Zeit      Stein, Bronze oder Marmor finden hier ebenso Verwendung wie Beton,
eine sich permanent ändernde Geschichte erzählt. Im Garten als vom          Glas, Kunststoff, Styropor, Spiegel, Stahl, Schrottteile oder Watte. Von
Menschen gestaltete Natur sind wir im Österreichischen Skulpturenpark       der anthropomorphen Plastik über die Erweiterung zur Möbelskulptur
speziell dazu eingeladen, mit in die Landschaft eingefügten Skulpturen      und damit Eingliederung in die Arbeitswelt bis zu konzeptuellen und
in Dialog zu treten. Wir treffen auf zeitgenössische Skulptur, von          computergenerierten oder sprachlichen Arbeiten reicht die Palette.
abstrak­ter Bildhauerei bis zu gefundenen oder verdichteten Objekten.
Manche Arbeiten integrieren Licht, Schatten, Wasser oder Luft, entwi-       Gleich an der ersten Rasenpyramide im Park positioniert Heimo Zobernig
ckeln sich im Wachsen oder interagieren mit uns.                            (48) eine weithin sichtbare Skulptur. Industriell gefertigte, turmartig
                                                                            übereinander gereihte Betonbauringe befragen als klare Setzung das
Zwei ineinander übergehende Teile des Parks                                 Verhältnis von Kunst, Mensch und Umgebung.

Im Berggarten befinden wir uns in einem Schotterabbaugebiet, aus dem        Öffnet und erweitert Fritz Wotruba (6) die menschliche Figur in räumlich-
Badeteiche entstanden sind und eine groß angelegte Freizeitanlage           abstrakte Dimensionen, bildet Thomas Stimms Terranian Platform (47)
realisiert wurde. Der Landschaftsarchitekt Dieter Kienast umrahmte den      einen Sammelpunkt der Erde. Franz Wests und Otto Zitkos Who is Who
Park mit einem vier Meter hohen Rasenwall, der diesen schutzgebend          (23) zeigt eine imaginäre und offene Dialogebene. Dass auch Sprache
einfasst. Wir betreten außergewöhnliches und einmaliges Terrain, in         und Schrift Skulptur sein können, belegen Arbeiten von Heinz Gappmayr
dem wir Graspyramiden, die die Landschaft konturieren, einen geome-         (39), Ingeborg Strobl (17) oder Plamen Dejanoff (73).
trisch angelegten Seerosenteich mit Lilienbewuchs und ein punktuell
bespielbares Café, Kirschbäume, Lavendelbeete oder durch Bambus             Fat House (74) und Fat Car (36) von Erwin Wurm befragen nicht nur
strukturierte Rasenstücke finden. Neue Blickachsen werden ebenso            unsere Gesellschaft, sie deuten ihre Umgebung auch um. So wird die
eröffnet wie das Spiel zwischen Erweiterung und Zurückgezogenheit.          Wiese zum privaten Garten oder zur Straße. Nancy Rubins schafft durch
Besondere Pflanzen wie Frauenmantel, Hyazinthen, Narzissen, Tulpen          ihre Skulptur aus Flugzeugteilen die Assoziation zu einem Flugfeld (43),
oder eine Linde erweitern duftend und in ständigem Farbwechsel unsere       Michael Schuster­s Betonboot (45) wandelt den Boden in Wasserwellen
Umgebungswahrnehmung.                                                       und Hans Holleins Goldenes Kalb (66) widmet Sockelblöcke zu Gleisen
                                                                            um. Yoko Onos Kreuze (57) erinnern an Golgotha und Tobias Rehbergers
Im Fasangarten zitiert Kienast die Geschichte der Gartenbaukunst seit       Asoziale Tochter (51) befragt ihre Umgebung als ein soziales Netzwerk.
der Antike und inszeniert bei gleichzeitiger Reflexion auf den Minimalis-   Peter Weibe­l wiederum relativiert und verdeutlicht mit der Erdkugel als
mus der 1960er-Jahre spezielle Gartenräume. So öffnet sich, umgeben         Koffer (54) unser Verhältnis zur Welt als globales sowie analog-digitales
von hohen Buchenhecken, ein in sich ruhender, einzigartiger Lotos-          Problem.
blütenteich mit kontemplativem Inselmittelpunkt als Referenz auf die
altägyptische Gartenanlagenkunst. In deren Zentrum können wir auf der       Unsere Erfahrung und die Skulptur in ihrem Selbstverständnis der
einen Baum umschließenden Möbelskulptur von Peter Kogler (Ordnungs­         Transformation von Zeit und Raum wird in unterschiedlichen Materialien,
nummer 69) verweilen und in Kontakt mit Kunst und Natur treten.             Strategien und sich selbst verändernden oder interagierenden Exponaten
                                                                            ebenso ausgelotet und thematisiert wie soziale, wissenschaftliche oder
Diesem Teil folgt eine sich verjüngend ansteigende Treppenkonstruktion,     wirtschaftliche Fragen. So heben die Tanzenden Bäume von Timm Ulrichs
die Himmelstreppe, als Verweis auf unsere Verbindung zu Zonen außer-        (63) unsere Vorstellung von der Unverrückbarkeit bestehender Natur aus
halb der Erde und die Wirkkraft der Erfindung der Zentralperspektive in     den Angeln, lässt Mario Terzic (64) eine Arche aus lebenden Bäumen
der Renaissance. Hier finden wir Skulpturen, die in der Auseinanderset-     wachsen oder öffnen kreisförmig gesetzte Espen von Bernhard Leitner
zung mit dem Körper, körperlichen Veränderlichkeiten, Verschiebungen        (71) die starre Struktur des Konzertsaales. Werner Reiterer (52) destabi-
und Perspektivenwechseln entstanden. Anschließend sehen wir eine            lisiert das Prinzip angenommener Unveränderlichkeit der Skulptur in der
geheimnisvoll verborgene Rasenneigung, in der antike Waldgottheiten         spielerischen und hintergründigen Form eines riesigen magentafarbenen
vorstellbar wohnen. Hier reflektiert ein Spiegel das uns umgebende Him-     Ballons, der sich wie eine Sisyphosarbeit verrichtend immer wieder auf-
melsbild und weist uns als Wesen im Pluriversum aus. In den beschnit-       bläst, um stets unter lautem Pfeifen in sich selbst zusammenzufallen.
tenen Eiben-Figuren, die den Barock zitieren, sind Wolkenformationen
zu lesen. In deren Mitte präsentiert sich die älteste im Park befindliche   Dass Wasser, Wind, Schatten oder Licht ebenso skulpturale Elemente
Skulptur, Atlantis von Herbert Boeckl aus den Jahren 1940/44 (1).           darstellen, zeigen eine interaktive Fontäne von Jeppe Hein mit dem
                                                                            selbstironischen Titel Did I miss something? (37), Oswald Oberhubers
Im auf den französischen Garten referierenden Rosen- und Stauden-           Korb (15) oder Giuseppe Uncinis Unità Cellulare (61).
Garten versetzt uns ein bronzener Wasserfall von Bryan Hunt (8)
gleichermaßen in Stillstand und Dynamik, während eine überdimensi-          Mit Zellen, deren Strukturen und Wachstum setzt sich Fritz Hartlauer
onale Metall­rosenblüte von Rudi Molacek (35) Transformation in und         (9), mit der Entdeckung des Genoms Jörg Schlick (44), mit der Struktur
zwischen Natur und Technologie thematisiert. Einer groß angelegten          unserer Welt Hartmut Skerbisch (46, 58) und mit Bedingungen des
Rasenlandschaft mit außergewöhnlichen Magnolien folgt abschließend          Zufalls Hans Kupelwieser (38) auseinander. Wolfgang Becksteiner (65)
ein Irrgarten als eines der ältesten kulturgeschichtlichen Motive.          reflektiert wirtschaftliche Mechanismen, Matt Mullican (41) architekto-
                                                                            nisch-logistische und symbolische.
Österreichischer Skulpturenpark - Universalmuseum Joanneum
Ein dynamischer Dialog zwischen Kunst und Natur                                                                   01 Herbert Boeckl
                                                                                                                  1894 Klagenfurt – 1966 Wien
Jährlich werden in Projekten von Artists in Residence auch performative,
sich selbst auflösende, in die Natur einschreibende oder vernetzende
Strategien und Erweiterungen des Skulpturenbegriffs temporär sicht-
und erlebbar.                                                                                                     Atlantis, 1940–1944

Inhaltliche Überlegungen gelten dem Interesse an der Entwicklung
von Kunst als Skulptur, ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen
Problemen, demokratiepolitischen Überlegungen und deren Bedeutung.
Der Dialog zwischen Standort, Betrachter*in und Skulptur soll all diese     Boeckl war in erster Linie Maler und gilt als einer der wichtigsten Ver-
Überlegungen auf vielfältige Weise sichtbar machen sowie Aussagen           treter des österreichischen Expressionismus. Die Bronzeplastik Atlantis,
über Kunst, aber auch über uns selbst und die Gesellschaft, ihre Kon-       die ursprünglich in Wachs modelliert wurde, ist eine der zwei einzigen
flikte und Träume treffen und Begegnungsräume schaffen.                     Plastiken des Künstlers. Sie erinnert an eine seiner Skizzen, in welcher
                                                                            sich eine Figur entspannt an Kissen lehnt, während bei der Plastik diese
So wird der Österreichische Skulpturenpark als Plattform genutzt, um        stützenden Elemente fehlen. Durch die zurückgelehnte Haltung gerät
den Dialogprozess zwischen Kunst, Mensch und Natur sowie den Kom-           sie in ein labiles Gleichgewicht, wodurch Spannung und Unsicherheit
munikationshorizont zeitgenössischer Skulptur zu erweitern, um deren        entstehen. Vergleicht man diese Skulptur mit den gleichzeitig entstan-
Sprache besser verstehen zu können.                                         denen Figuren der NS-Kunst, wird Boeckls Distanz zu dieser Art der
                                                        Elisabeth Fiedler   Idealisierung bewusst.
                                                                                                                  02 Hans Aeschbacher
                                                                                                                  1906 Zürich – 1980 Russikon,
                                                                                                                  Schweiz

                                                                                                                  Figur II, 1955

                                                                            Mitte der 1950er-Jahre begann für den Schweizer Bildhauer Aeschbacher
                                                                            eine Ära von rund drei Meter hohen Granitsäulen, die er Figuren nannte.
                                                                            Dabei waren für ihn vor allem das Material sowie der menschliche,
                                                                            insbesondere der weibliche Körper wesentlich. Charakteristisch an den
                                                                            Figuren sind ihre schlanken, symmetrischen, entlang vertikaler Achsen
                                                                            aufwärtsstrebenden Teile, die sich aneinander zu reiben scheinen. Dabei
                                                                            entsteht ein spannendes Spiel mit Dynamik und Statik, das der Autodi-
                                                                            dakt mit dem harten Material souverän meistert.

                                                                                                                  03 Gerhardt Moswitzer
                                                                                                                  1940 Maria Lankowitz –
                                                                                                                  2013 Wien

                                                                                                                  Skulptur, 1961

                                                                            Diese Skulptur zählt zu den ältesten Figurenbildern von Moswitzer,
                                                                            die um 1960 erstmals in seinem Werk auftauchten und ihn etwa zwei
                                                                            Jahrzehnte lang beschäftigten. In gewisser Weise erinnern diese frühen
                                                                            Arbeiten aus verschiedenartigen Eisenteilen an Idole, an magische
                                                                            Objekte kultisch-religiöser Verehrung. Die Umrisse des vorliegenden
                                                                            Werks lassen beispielsweise die Form einer menschenähnlichen Gestalt
                                                                            erahnen, welche sich in Rumpf und Kopf zu gliedern scheint. Die
                                                                            Montage des Objekts auf einem unverhältnismäßig überdimensionierten
                                                                            Steinsockel soll die Unverzichtbarkeit eines Sockels für die klassische
                                                                            Bildhauerkunst verdeutlichen.
Österreichischer Skulpturenpark - Universalmuseum Joanneum
04 Joannis Avramidis                                                        07 Josef Pillhofer
                                     1922 Batumi, Georgien –                                                     1921 Wien – 2010 Wien
                                     2016 Wien

                                     Große Figur III, 1963                                                       Hammurabi, 1970

Avramidis sucht, orientiert an der Proportionslehre des antiken           Die aus unregelmäßigen geometrischen Elementen aufgebaute,
Griechenlands, nach einer objektiven Form des menschlichen Körpers.       abstrakte Figur aus Bronze – ein Abguss einer Sandsteinskulptur – ragt
Dazu entwarf der Künstler die Figur, schnitt aus Aluminiumblech die       über einem querliegenden Quader hoch auf. Die einzelnen Formen sind
Längs- und Querprofile aus und baute aus diesen das Gerüst für den        kompliziert ineinander verschränkt, wodurch sich ein lebendiges Wech-
Guss. Hoch und schlank ragt die Große Figur III über der kreisrunden      selspiel von Licht und Schatten ergibt. Bei seinen Arbeiten geht Pillhofer
Steinplatte auf. Sie nähert sich der Form der Säule an – der grundle-     nicht von einem vorgefassten Thema aus; dieses entsteht vielmehr wäh-
genden Maßeinheit im antiken Tempel und dem klassischen Symbol für        rend des Gestaltungsprozesses. Hier referiert der Titel auf das berühmte
das menschliche Maß. Alles Zufällige, Individuelle und jede Vorstellung   altbabylonische Relief des Kodex Hammurabi mit der Darstellung des
von Bewegung sind eliminiert, während die einzelnen Körperabschnitte      Königs vor dem thronenden Sonnengott.
deutlich erkennbar bleiben.
                                     05 Heinz Leinfellner                                                        08 Bryan Hunt
                                     1911 Zidani Most, Slowenien –                                               1947 Terre Haute, Indiania,
                                     1974 Wien                                                                   lebt und arbeitet in New York

                                     Die große Ruhende, 1964/65                                                  Charioteer, 1982

Ab den 1940er-Jahren beschäftigte sich Leinfellner mit dem Motiv          Diese Bronzeskulptur zählt zu Hunts Reihe der Wasserfälle. Sie zeigt
liegender bzw. ruhender Figuren, einem geradezu klassischen Thema         die Struktur herabstürzender Wassermassen, die aus ihrem natürlichen
der Kunst seit der Antike. Die große Ruhende setzt sich aus grob behau-   Terrain vollständig herausgelöst wurden. Die Kühle und Massivität des
enen, vereinfachten Einzelformen zusammen, welche sich jedoch in der      Materials machen die Monumentalität des Naturschauspiels fühlbar.
präzisen Erfassung der gelösten Körperhaltung wie selbstverständlich      Die abstrakte Darstellung verschmilzt mit stürzenden, aufschäumenden
zu einem natürlichen Ganzen verbinden. Arme, Beine, Rumpf und             Wassermassen aus der Erinnerung zu einem emotionalen Kunsterlebnis.
Kopf weisen in verschiedene Richtungen und sind dadurch Teil einer        Hunt verweist mit dieser Skulptur auf die Ursehnsucht des Menschen
ausgewogenen Komposition, womit Kunst- und Naturform eine perfekte        nach einer Verbindung von Natur und Kultur.
Synthese ergeben.

                                     06 Fritz Wotruba                                                            09 Fritz Hartlauer
                                     1907 Wien – 1975 Wien                                                       1919 Kumberg – 1985 Graz

                                     Große Figur für Luzern, 1966/67                                             Senkrechter Auszug aus der
                                                                                                                 Urzelle, 1982–1984

Wotruba, einer der wichtigsten österreichischen Bildhauer des 20. Jahr-   Hartlauer interessierte sich für die Sichtbarmachung der Grundprinzipien
hunderts, setzte sich in seinem Schaffen vor allem mit der menschlichen   organischer und unbelebter Natur. Zu diesem Zweck analysierte er den
Figur auseinander. Dabei geht es ihm nicht um ästhetische Schönheit,      Menschen in seinem Gesamtzusammenhang und entwickelte das von
sondern um die Suche nach einem Ursprung. Daraus entstehen seine          ihm so genannte Urzellensystem. Das Grundelement dieser Urzelle
statischen, schweren, tektonischen Skulpturen. Er sieht den Menschen      ist das Quadrat, dessen Form auf dieser Stele deutlich erkennbar ist.
als Architekten und in seinen Arbeiten wird der Körper als Behausung      Zusätzlich entstehen vielfältige geometrische Einzelformen durch
und Schutz, aber auch als Gefängnis, Verlies und Schwere lesbar. Auch     Verdoppelung und Ineinanderschieben. Das glatte, glänzende Material
bei der Großen Figur für Luzern sind menschliche Formen erkennbar,        der Aluminiumgussplatten unterstreicht das Gesetzmäßige und
während gleichzeitig die Perspektive auf etwas Größeres, Allgemeingül-    Mathematische dieser Arbeit, was sie zur umgebenden Natur in starken
tigeres geöffnet wird.                                                    Kontrast stellt.
Österreichischer Skulpturenpark - Universalmuseum Joanneum
10 Marianne Maderna                                                        13 Erwin Wurm
                                      1944 Wien, lebt und arbeitet                                               1954 Bruck/Mur, lebt und arbeitet
                                      in Wien und Aggsbach-Dorf                                                  in Wien und Limberg

                                      Zukommender, 1984                                                          Bunker, 1987

Im Zentrum von Madernas Werk steht die Auseinandersetzung mit dem          Zwei Metalleimer, die mit der Hohlseite auf einer rot lackierten Metall-
Menschen. Es geht ihr dabei vor allem um die Verbildlichung des Inneren,   platte fixiert wurden, sind die Grundelemente dieser Skulptur. Es sind
von Gefühlen, Emotionen und menschlichen Grundstimmungen. Dies             grundsätzlich benutzbare Alltagsgegenstände, die jedoch – herausgelöst
erreicht sie durch das Weglassen aller Elemente, die für den erstrebten    aus ihrem ursprünglichen Kontext – unbrauchbar gemacht wurden.
Ausdruck nicht unmittelbar von Bedeutung sind. Auch wenn sich die          Normalerweise stehen Eimer auch auf dem Boden, während sie in dieser
Künstlerin vor allem auf eigene Eindrücke und Erlebnisse beruft, finden    Skulptur von der Schwerkraft gelöst und in einen Schwebezustand ver-
sich in ihren Arbeiten stets allgemein bekannte Situationen und mensch-    setzt erscheinen. Der Boden wird zur Wand, der Gegenstand zur Skulptur.
liche Grundstimmungen. So widerspiegelt auch diese Arbeit aus Bronze
mindestens eine menschliche Situation.

                                      11 Oskar Höfinger                                                          14 Christoph Lissy
                                      1935 Golling/Erlauf,                                                       1957 Hörbranz/Bodensee, lebt
                                      lebt und arbeitet in Wien                                                  und arbeitet in Wien und Hörbranz

                                      Jetzt, 1986                                                                Figur mit eingeschlossenen
                                                                                                                 Steinstücken, 1988

Jetzt ist zunächst eine zweifach abgewinkelte Stahlschiene. Darüber        Diese Skulptur visualisiert die Kunstentwicklung der späten 1980er-
hinaus aber ist sie als Diagramm einer (persönlichen) Entwicklung zu       Jahre, da sowohl ein neuer Bezug zum Gegenstand als auch zum Raum
lesen – eine Zeitachse gewissermaßen, welche zum aufstrebenden Teil        gefunden wird. Das Zentrum bilden die beiden vertikalen und horizonta-
hin der Gegenwart, dem Augenblick zusteuert. An ihren Seiten sind          len Träger, auf die sich die Konstruktion stützt. Die Formen scheinen sich
Punkte eingetragen, die einzelne Zeit- oder vielleicht auch Lebensab-      in einem fein ausbalancierten Gleichgewicht zu befinden und strahlen
schnitte markieren. Der Weg verläuft hier nicht geradlinig, sondern in     trotz der Schwere des Materials eine gewisse Leichtigkeit aus. Ihre kon-
plötzlichen, heftigen Richtungsänderungen – eine Metapher für das          krete Bedeutung gewinnt die Arbeit aus den von den Betrachter*innen
Unerwartete, Unvorhersehbare, die Um- und Irrwege im Leben.                angestellten Vergleichen der einzelnen Bestandteile der Skulptur mit
                                                                           allgemein bekannten Objekten.

                                      12 Tony Long                                                               15 Oswald Oberhuber
                                      1942 Brockton, Massachusetts –                                             1931 Meran, Italien – 2020 Wien
                                      2001 Paris

                                      Natalexos, 1987                                                            Korb, 1989

Longs oft viele Tonnen schwere Stahlplastiken sind unübersehbar und        Oberhubers Skulpturen haben stets einen Bezug zu Raum, Architektur
zugleich äußerst subtil. Der vielreisende und umfassend gebildete          oder Möbel. Auch seine Arbeit Korb reagiert je nach Lichtsituation
Künstler schuf zahlreiche Werke im öffentlichen Raum und blieb dabei       und Perspektive auf den sie umgebenden Raum. Die einfache, aus
stets ein „klassischer“ Metallgestalter, der seine Materialien schnitt,    Eisenstangen zusammengeschweißte und an einer Wand angebrachte
schweißte und bog und dadurch verwandelte. Seine auf den ersten            Konstruktion wirkt aus der Ferne aufgrund des Schattenwurfes wie ein
Blick kühlen Konstruktionen ermöglichen weitreichende Assoziationen,       komplizierter, mehrdimensionaler Quader. Der gegenständliche Bezug zu
die unter anderem durch die Werktitel beeinflusst werden. Natalexos        einem Korb bleibt vorhanden, wird aber durch die künstlerische Bearbei-
kann beispielsweise als Relikt einer alten Kultur sowie als Fundstück      tung gleichzeitig zu einem abstrakten geometrischen Körper.
des Industriezeitalters gelesen werden. Damit regt die Struktur zu einer
Reise durch Zeiten und Kulturen an.
Österreichischer Skulpturenpark - Universalmuseum Joanneum
16 Ilija Šoškić                                                             19 Tom Carr
                                     1935 Deçan, Kosovo,                                                         1956 Tarragona, Spanien,
                                     lebt und arbeitet in Rom                                                    lebt und arbeitet in Spanien

                                     Sole d’acciaio, 1989                                                        Open, 1991

Sonne aus Stahl nennt der Poet und Künstler Šoškić sein skulpturales       Die Bedeutung dieser Arbeit ändert sich mit dem Blickwinkel und der
Kraftzentrum, das aus der Anordnung von 30 geschwungenen Stahl-            Distanz: Von vorne gesehen streckt das Werk seine Flügel aus und lädt
strahlen rund um eine Feuersteinkuppel besteht. Die sich ergebenden        zum Aufstieg ein; im Profil gesehen vermittelt es jedoch den Eindruck,
Formen wirken wie schwere Blütenblätter in warmem Rostrot, die je          als ob es sich in sich selbst zurückziehen möchte. Es behandelt das Hin
nach Lichteinfall ihre Erscheinung ändern. Obwohl Šoškić Geschichte        und Her des Lebens. Je nach Licht oder Jahreszeit verschwimmen ganze
und Mythos mit dem Blick auf die jeweilige Gegenwart verknüpft, ist die    Abschnitte mit der Umgebung oder heben sich klar von der Arbeit ab.
Beschwörung von Symbolen letztlich zweitrangig für ihn. Das Wichtigste     Durch den Schnee werden die weißen Teile unsichtbar, durch das Laub
ist eine „Politik des Sinnlichen“, das unmittelbare Empfinden und          die dunklen Linien, sodass sich das Werk ständig neu erfindet.
Erlebe­n des Werks.

                                     17 Ingeborg Strobl                                                          20 Christa Sommerer
                                     1949 Schladming – 2017 Wien                                                 1964 Gmunden,
                                                                                                                 lebt und arbeitet in Linz

                                     o. T., 1989/90                                                              Phyllologia, 1991

Scheingräber wurden zum Andenken an Tote, deren Gebeine nicht auf-         Für diese Skulptur orientiert sich Sommerer an den natürlichen Formen
gefunden werden konnten, errichtet und seit der Antike auch als garten-    von Blättern und hinterfragt, inwiefern sich ihre Realität durch das
künstlerische Akzente eingesetzt. Sie erinnern an die Vergänglichkeit      Stilisieren der Formen verändert. Das Objekt – eine Art Paravent mit drei
des Lebens und stellen eine besondere Art der Outdoor Sculpture dar.       großen, ausgestanzten Blattumrissen – steht mit seinen stark farbigen
Strobl nimmt mit diesen beiden „Grabsteinen“, die bezeichnenderweise       Flächen im Kontrast zur natürlichen Umgebung. Zugleich verweist es
unbetitelt bleiben, auch Bezug auf den Toten- und Gedächtniskult. Die      durch die verwendeten Formen auf ebendiese. Durch die Ausschnitte,
Griechen verstanden ihre Toten beispielsweise als Schatten. So kann sich   die prinzipiell dieselbe Form aufweisen wie die Tausenden, im Einzelnen
die Inschrift („Sei geduldig mit deinem eigenen Schatten“) sowohl auf      kaum wahrnehmbaren Figuren im Blätterwald des Hintergrunds, nimmt
den Tod als auch auf den Schatten als Abspaltung des Selbst beziehen.      Phyllologia eindeutig Bezug auf den Park.

                                     18 Carmen Perrin                                                            21 Franz Pichler
                                     1953 La Paz, Bolivien,                                                      1960 Seckau,
                                     lebt und arbeitet in Frankreich                                             lebt und arbeitet in Wien
                                     und der Schweiz

                                     o. T., 1990                                                                 o. T., 1991/92

Perrins Skulptur aus Baustahlgitter tastet durch die emporragenden         Diese Arbeit löst die Eigenschaften von Architektur und Skulptur
Stifte den offenen Raum ab und deutet an, dass der Bau sich auch weiter    aus ihren starren Definitionen. Die einzelnen Elemente basieren auf
fortsetzen hätte können. Das Flechten, Verbinden und Verweben von          L-Profilen, die in ihrer Zusammensetzung nur auf den ersten Blick iden-
Halt gebenden Linien verweist darauf, dass sich dreidimensionale Körper    tisch sind: In einem künstlerischen Vorgang des Umschichtens wurden
auch durch ihre stützende und strukturierende Textur definieren. Der       die Module wiederholt neu zusammengestellt und laden zum Entdecken
Körper entsteht gewissermaßen durch die Vorstellung, die Löcher zwi-       des Unregelmäßigen im Regelmäßigen ein. Die Skulptur wird durch die
schen den Linien zu füllen – ähnlich dem Zustandekommen eines Textils      als Eingänge wahrgenommenen Leerstellen begehbar. Zugleich stellt
durch Weben, Filzen oder Walken.                                           der Skelettbau eine Art Transparenz her, durch die sich gleichzeitig ein
                                                                           Außen- und ein Innenraum erfahren lässt.
Österreichischer Skulpturenpark - Universalmuseum Joanneum
22 Lois Weinberger                                                           25 Manfred Erjautz
                                      1947 Stams – 2020 Wien                                                       1966 Graz,
                                                                                                                   lebt und arbeitet in Wien

                                      Mauer, 1992                                                                  The Silent Cell, 1992/94

Zuerst gab es die Steinmandln in den Alpen oder die stupaförmigen            Logos, Strichcodes, Werbetexte oder Gegenstände mit festgeschriebener
Steintürmchen auf der tibetischen Hochebene: Die Mauer ist das Umfas-        Bedeutung sind Erjautz’ hauptsächliches Material. Damit führt er uns
sende und zugleich Trennende und deshalb das den Raum Ordnende. Die          eindringlich vor Augen, dass wir in Textstrukturen eingebunden sind – in
Mauer von Weinberger umschließt die Landschaft nicht, vielmehr wirkt         der Kunst sowie im Alltag. Die konstruierenden Elemente dieser Skulptur
die kompakte Anhäufung der Steine wie ein Memorial, das die Umge-            sind Metall gewordene Linien, abgeleitet von Computerstrichcodes. Das
bung teilt. Die unterschiedlich großen Steine sind wie Bauklötzchen          abstrakte Konstrukt auf einer Kunstrasenfläche erinnert an eine Zelle.
nummeriert, was dazu führt, dass die natürliche Anhäufung von einer          Betritt man diese, ist man vom Strichcode umgeben und damit auch vom
menschengemachten Ordnung überschrieben wird.                                Text, für den dieser Code steht. Strichcodes beinhalten auch die Preise
                                                                             von Waren, sodass diese Skulptur aus einem angenommenen, aber
                                                                             unausgesprochenem Wertsystem geschaffen zu sein scheint.
                                      23 Franz West, Otto Zitko                                                    26 Michael Kienzer
                                      1947 Wien – 2012 Wien                                                        1962 Steyr,
                                      1959 Linz, lebt und arbeitet in Wien                                         lebt und arbeitet in Wien

                                      Who is Who, 1992                                                             o. T., 1992/94

In der scheinbar willkürlichen Form zweier Hocker erscheint diese Skulp-     Kienzers Skulptur aus gewundenem Kupferrohr ragt über der Hügelkuppe
tur vorerst provisorisch und gebrauchsgegenständlich, jedoch wird ihre       auf, als würde sie aus der Landschaft wie ein spiraliges Gestrüpp hervor-
Bedeutung als unantastbares Kunstwerk durch den Betonsockel unter-           wachsen oder wie ein riesiges Vogelnest über dem Gelände thronen. Das
strichen. Das Grundbedürfnis des Menschen nach Kommunikation mit             Objekt wirkt dadurch wie eine spiegelbildliche oder umgekehrte Fortset-
seiner Umwelt und mit anderen Menschen ist ein elementarer Bestand-          zung des Hügels. Damit verweist es auf seine eigene Künstlichkeit und
teil dieser skulpturalen Hocker: Die Beziehung zwischen Kunstwerk und        skulpturalen Eigenschaften. Das Material bezieht sich außerdem auf
alltäglichem Objekt wird ebenso thematisiert wie jene zwischen dem           den ewigen Kreislauf der Veränderung in der Natur, indem es sich durch
Selbst und dem Fremden.                                                      Oxidation selbst verändert und ein Teil der Natur wird.

                                      24 Erwin Bohatsch                                                            27 Karin Hazelwander
                                      1951 Mürzzuschlag, lebt und                                                  1953 Zams,
                                      arbeitet in Wien und Beistein                                                lebt und arbeitet in Wien

                                      Wand, 1992                                                                   Perambulator, 1993

Die Wand ist die einzige realisierte Skulptur des Malers und Grafikers       Diese Skulptur ist starr und doch in Bewegung: Das Loch verschiebt sich
Bohatsch, in der er die malerische Erfahrung in eine skulpturale über-       vom oberen Rand der ersten Kurve bis zum unteren der fünften und letz-
führt. Die quellende Form über der Betonwand simuliert das langsame          ten und deutet so eine imaginäre Bewegung an. Darauf könnte auch der
Rinnen der Farbe über eine Leinwand. So wie der Maler die Farbpaste aus      Titel Bezug nehmen, heißt doch „to perambulate“ (engl.) im Deutschen
der Tube auf die Leinwand quetscht, so wälzt sich zähflüssig die Beton-      auch „durch etwas reisen/gehen“. Es wird eine Rotation dargestellt, die
masse über die Wand, bis die weiche, flüssige Form zu einer harten, fes-     das als Maschine anmutende Objekt optisch nach vorne rollen lässt.
ten Gestalt erstarrt. Werden und Vergehen wird her ebenso thematisiert       Durch die projizierte Bewegungsübertragung von einem „Maschinenteil“
wie das Ineinander-Übergehen von Idee, Malerei und Skulptur.                 auf den nächsten wird diese Vorstellung zusätzlich angetrieben.
Österreichischer Skulpturenpark - Universalmuseum Joanneum
28 Sabina Hörtner                                                          31 Othmar Krenn
                                      1967 Bruck/Mur,                                                            1952 Gratwein –
                                      lebt und arbeitet in Wien                                                  1998 Judendorf-Straßengel

                                      o. T., 1993                                                                Teilummantelung, 1995

Liniengeflechte und -gerüste sind die Grundmotive in Hörtners Arbeiten.     Für diese Skulptur wurde ein Findling – ein großer Bruchstein aus einem
Hier errichtet sie die Strukturen des Raumes und der Verräumlichung in      Steinbruch – durch einen technisch aufwendigen Prozess in einen Stahl-
Gestalt einer einerseits in sich geschlossenen, andererseits sich durch     mantel eingeschweißt. Der Mantel schmiegt sich an die Höhen und Tiefen
unser Vorbeigehen ständig verändernden und in Bewegung befindlichen         des Steins, sodass das Objekt als Gesamtes beinahe an ein Schmuck-
Skulptur. Die Arbeit pendelt zwischen räumlicher und flächenhafter          stück erinnert. Krenn ist sich des schönen Scheins bewusst, mit dessen
Erscheinung und macht die Entstehung von Raum selbst wahrnehmbar.           Hilfe er die Gegensätze von gefundener (natürlicher) und geschaffener
Zusätzlich wird die Veränderung der Wahrnehmung vermittelt: Die vier        (kultureller) Form aufeinanderprallen lässt. Fragen nach dem Verhältnis
farbigen Module überlagern und vernetzen sich je nach Blickwinkel immer     zwischen Natur und Zivilisation werden aufgeworfen und der beherr-
anders. Ferner erinnert die Arbeit auch an elektronische Medien, mit        schende Eingriff des Menschen in das „Natürliche“ wird thematisiert.
deren Hilfe sich Raum in der Fläche programmieren und simulieren lässt.
                                      29 Franz Xaver Ölzant                                                      32 Martin Schnur
                                      1934 Oberzeiring,                                                          1964 Vorau,
                                      lebt und arbeitet in Pfaffenschlag                                         lebt und arbeitet in Wien

                                      Fu mit dem schönen Mandarin,                                               o. T., 1995
                                      1993

Mit oft nur wenigen Eingriffen in die natürliche Form des Steins versucht   Diese Arbeit hinterfragt das Verständnis von Bildern, Skulpturen und
Ölzant dessen individuelle Struktur aufzudecken. Er verbildlicht Ein-       Objekten. Ein Ausschnitt der Wirklichkeit wird eingerahmt, wodurch
wirkungen der Witterung oder erinnert an den vorzeitlichen kultischen       diese selbst zu einem Bild wird. Gleichzeitig thematisiert Schnur
Gebrauch der Steine. Diese Skulptur greift weit in den Raum und durch       damit eine Problematik des Bildes – nämlich die Abbildung der Natur.
die Spannung beider Körper wird der Gegensatz zwischen Lasten und           Das umrahmte Bild ist von der Position der Betrachter*innen und der
Schweben thematisiert, während gleichzeitig Balance und Dynamik ent­­­      Erscheinung der Natur abhängig, was die Skulptur als Ganzes verändert.
stehen. Die unterschiedliche Oberflächenbehandlung bringt die Charakte-     So entsteht aus dem Gemälde ein dreidimensionales Objekt – nicht
ristik des Steins zum Ausdruck – seine Maserungen, seine Struktur, sein     zuletzt, weil die vorhandenen Figuren sowie der Rahmen essenzielle
Leben. Sie weist aber auch auf die Bearbeitung durch den Künstler hin.      Bestandteile des Bildes sind.

                                      30 Richard Fleissner                                                       33 Susana Solano
                                      1960 München,                                                              1946 Barcelona,
                                      lebt und arbeitet in Wien                                                  lebt und arbeitet in Barcelona

                                      Körperteil-Hürden, 1994                                                    A juste en el Vacio, 1995/96

Die große, halbkreisförmige Figur wirkt wie ein Schaufelrad mit Taschen     Diese scheinbar auf der Erde schwebenden oder sich ausruhenden
oder Fächern und einem leicht durchhängenden Boden. Schon Leonardo          Zylinder wirken ebenso leicht wie schwer. Das Material und die wuch-
da Vinci verwendete ein ähnliches Konzept für einen Schwimmbagger,          tigen Einfassungen stehen im Gegensatz zur Leere, die ein wichtiger
wie eine seiner Zeichnungen in der Sammlung Codex Atlanticus zeigt.         Bestandteil dieser dreiteiligen Skulptur ist: Leerer Raum wird durch
Wie eine unbequeme Leiter stellt sich uns Körperteil-Hürden als Hin-        die transparenten Gitterstrukturen, die Hohlräume der Zylinder selbst
dernis entgegen und wird zu einem „Gegen-Stand“ im wahrsten Sinne           und die Räume zwischen den Objekten erfahrbar. Durch ihre einander
des Wortes. Die Kompaktheit des Werks wird durch Farbe und Material         zugewandten Positionen werden die Einzelteile zu einem großen Ganzen,
besonders stark zur Geltung gebracht.                                       das sich, je nach Perspektive der betrachtenden Person, stets neu
                                                                            zusammensetzt, verdichtet und wieder ausdünnt.
34 Bruno Gironcoli                                                         37 Jeppe Hein
                                      1936 Villach – 2010 Wien                                                   1974 Kopenhagen,
                                                                                                                 lebt und arbeitet in Berlin

                                      o. T., 1995/96                                                             Did I miss something,
                                                                                                                 Exemplar 1/3, 2002

Gironcoli begreift seine monumentalen Arbeiten als Organismen, die         Heins Skulpturen sind immer unmittelbar mit Körperlichkeit und Bewegung
Prozesse wie Werden und Vergehen oder Leben und Tod widerspiegeln. In      verbunden. Nimmt man auf der als Auslöser ausgewählten Bank Platz,
der Gegenüberstellung von Elementen des Lebens mit maschinenartigen,       entwickelt sich inmitten des Seerosenteichs eine die Baumkronen überra-
technoiden Strukturen verweist diese Skulptur auf die starre Unerbitt-     gende Wasserfontäne. Die betrachtende Person wird damit ein essenzieller
lichkeit sozialer und wirtschaftlicher Vorgänge. Scheinbar natürlich       Bestandteil der Skulptur, der notwendig ist, um das Kunstwerk überhaupt
Gewachsenes trifft auf strenge Struktur, Menschliches auf Maschinelles,    erst sichtbar und etwas zeitverzögert auch hörbar zu machen. Der Strahl
sodass eine Spannung entsteht, die diesem Objekt etwas Lebendiges          ist ein Verweis auf männliche Formen politischer Macht und einer damit
verleiht. Es scheint, als ob es sich im nächsten Augenblick in Bewegung    verbundenen unterschwelligen Aggressivität. Die Möglichkeit, den Strahl
setzen könnte.                                                             durch Aufstehen wieder zu unterbrechen, verleiht diesem Aspekt der Arbeit
                                                                           jedoch gleichzeitig einen ironisch-humorvollen Ansatz.
                                      35 Rudi Molacek                                                            38 Hans Kupelwieser
                                      1948 Kindberg, lebt und arbeitet                                           1948 Lunz,
                                      in Wien und Berlin                                                         lebt und arbeitet in Graz und Wien

                                      Rose, 1999                                                                 Gonflable 6, 2002

In seinen überdimensionalen Aluminiumskulpturen behandelt Molacek          Seit den 1990er-Jahren beschäftigt sich Kupelwieser mit Skulpturen,
die Blüte der Rose elitär. Die Skulpturen sind in vier unterschiedlichen   die mittels Druckluft entstehen. Er nennt diese Arbeiten Gonflables
Farben an öffentlichen Orten, in Parks und Gärten platziert. Die im        (frz. gonflable, aufblasbar). Sie bestehen jedoch nicht aus einer leicht
Bauerngarten befindliche schwarze Rose entfaltet ihre Wirkung im           verformbaren Kunststofffolie, sondern aus Metall. Dadurch unterläuft
Wechselspiel mit der sie umgebenden Natur, die sich ständig verändert.     er unsere Erwartungshaltung. Die Skulpturen erhalten ihre Form, wenn
Es geht Molacek nicht darum, die natürliche Schönheit einer Blume          unter höchstem Luftdruck speziell verschweißte, dünne Alubleche auf-
als Landschaftsmaler abzubilden. Stattdessen soll etwas Fragiles und       geblasen werden. Das verleiht dem schweren Material eine dynamische
Feines mit übertriebener Deutlichkeit und Überdimensionalität, ähnlich     Leichtigkeit. Das Resultat ist immer ein anderes und die gebildeten
einem Superstar in der Medienwelt, hervorgehoben werden.                   Oberflächenstrukturen unterliegen zu einem großen Teil dem Zufall.

                                      36 Erwin Wurm                                                              39 Heinz Gappmayr
                                      1954 Bruck/Mur, lebt und arbeitet                                          1925 Innsbruck – 2010 Innsbruck
                                      in Wien und Limberg

                                      Fat Car, 2000/01                                                           NOCH NICHT SICHTBAR –
                                                                                                                 NICHT MEHR SICHTBAR, 2003

Wurm versieht ein echtes Auto mit einem Kunststoffüberzug unter            Die Gegenwart ist genau betrachtet zu kurz, um sie tatsächlich wahrneh-
Zusatz von Polyester und verändert damit eine uns sehr vertraute Form      men zu können. Letztendlich ist nahezu alles „noch nicht“ oder „nicht
durch übertriebenes Volumen. Das Auto als Aushängeschild von Mobili-       mehr“. So gesehen bietet der Künstler gar kein Kunstwerk an, sondern
tät und bedeutendes Statussymbol verliert seine natürlichen Proportio-     stellt nur eine Mutmaßung darüber an, dass eines da war oder erst da
nen, seine Form und auch seine Funktionalität. Es wird nicht nur „fett“,   sein wird. Auch in der Realität haben wir ständig mit Unvollständigkeit
sondern wandelt sich von einem metallenen, harten Gebrauchsgegen-          und Abwesenheit zu tun: Wir erfassen sie stets nur als Teil einer Tat-
stand zu einem optisch weichen, surrealen Objekt. Das nun nicht mehr       sächlichkeit und müssen immer wieder erkennen, dass ein Stück fehlt.
bewegliche Fortbewegungsmittel scheint gewissermaßen zu zerfließen         Um auf diesen Aspekt hinzuweisen, bedient sich Gappmayr der Sprache,
und begegnet uns als groteskes und doch liebenswürdiges Monstrum.          die „schon sichtbar“ ist.
40 Hans Kupelwieser                                                         43 Nancy Rubins
                                     1948 Lunz,                                                                  1952 Naples, Texas, lebt und
                                     lebt und arbeitet in Graz und Wien                                          arbeitet in Topanga, Kalifornien

                                     Badezimmer, 1995–2003                                                       Airplane Parts & Hills, 2003

Die Ausschnitte der Stahlplatte sind standardisierte Symbole für           Rubins verdichtet in ihren Arbeiten elektrische Geräte, Schrott- oder wie
Elemente in Nassräumen. Auch eine menschliche Silhouette ist in            hier Flugzeugteile zu monumentalen Skulpturen. Diese Teile verweisen
Kupelwiesers Badezimmer erkennbar. Dabei scheint es sich um ein            einerseits auf deren ursprünglichen Verwendungszweck und andererseits
systematisches Verzeichnis von alltäglichen Badezimmer-Gegenständen        auf die Auswirkungen des Konsums und der industriellen Fertigungs-
zu handeln, das wie der Code einer Sprache funktionieren kann. Der         maschinerie. Rubins beschäftigt sich bereits seit dem Ende der 1980er-
Unterschied zwischen natürlich Gewachsenem (das weiche Gras in den         Jahre mit Flugzeugschrottteilen, also lange vor 09/11. Als 2003 diese
Leerstellen) und kulturell Geformtem (die vom harten Stahl begrenzten      Skulptur geschaffen wurde, war die Assoziation mit den Anschlägen auf
Formen) wird sichtbar.                                                     die Zwillingstürme in New York unumgänglich. Airplane Parts & Hills
                                                                           wirkt wie ein erstarrtes Desaster und zeigt gleichzeitig eine einzigartige
                                                                           Schönheit in der Neuordnung der Teile.
                                     41 Matt Mullican                                                            44 Jörg Schlick
                                     1951 Santa Monica, Kalifornien,                                             1951 Graz – 2005 Graz
                                     lebt und arbeitet in Berlin
                                     und New York

                                     o. T., 2003                                                                 Made in Italy, 2003

Diese Arbeit entstand durch Mullicans Beschäftigung mit dem urbanen        7 m hoch und 4 m breit wächst die Skulptur aus einem Hügel und
Raum und der Erschaffung von virtuellen Städten bzw. Welten. Mullican      scheint damit eine ähnliche Verbindung mit dem Park einzugehen wie die
arbeitet mit Symbolen und alten Begriffen der Welterklärung. Die fünf      umliegenden Bäume. Wissenschaftlicher Ausgangspunkt der Skulptur ist
Teile dieser Arbeit ähneln Archivboxen bzw. Setzkästen, die den redu-      der Abschluss des Humangenomprojektes 2001, bei dem die 3,2 Milli-
zierten Charakter von virtuellen Modellen thematisieren. Die Behälter      arden Basenpaare der menschlichen DNS entschlüsselt wurden. Die vier
können aber auch an industrielle Komplexe erinnern. Sie thematisieren      Bausteine des Erbgutes ersetzt Schlick durch billigst produzierte Fliesen
den Verlust alter Weltvorstellungen und bauen auf die Schöpfung utopi-     aus Italien in vier unterschiedlichen Farben. Durch zufällige und doch
scher Ideale, die für alle Zeiten ihre Gültigkeit behalten.                systematische Anordnung der vier Farben manifestiert sich in dieser
                                                                           Arbeit der Code zu einem Ausschnitt der Welt, des Lebens, der Natur.

                                     42 Michael Pinter                                                           45 Michael Schuster
                                     1969 Graz, lebt und arbeitet                                                1956 Graz,
                                     in Graz, Zeist, Niederlande,                                                lebt und arbeitet in Graz
                                     und Berlin

                                     SUB/DC, 2003                                                                Betonboot, 2003

Ein ehemaliger stählerner Wassersilo (11 m Länge, 4 m Durchmesser)         Das Boot ist ein funktionsfähiges, am slowenischen Straßenrand ent-
wurde vom Medienkünstler und Musiker Pinter neu interpretiert. Er bildet   decktes Objet trouvé. Es handelt sich also nicht um einen ursprünglich
die Grundstruktur dieser Skulptur. Acht integrierte Basslautsprecher       als Kunstwerk geschaffenen, sondern um einen gefundenen Gegenstand,
verwandeln den Silo in ein Musikinstrument. Die tiefen Frequenzbe-         der erst durch die Inszenierung auf einem Sockel – in diesem Fall die
reiche erzeugen Druckwellen, die den Sound nicht nur hörbar, sondern       Landschaftsarchitektur Dieter Kienasts – zu einem Kunstwerk wird. Die
auch körperlich spürbar machen. Auf einem externen Monitor sind die        besondere Wirkung der Skulptur entsteht durch die Positionierung im
Kompositionsdaten sichtbar. Als umgebautes Readymade verweist die          Park selbst, die zu einem Gespräch zwischen dem Objekt und der Land-
Arbeit aufgrund ihrer spezifischen physikalischen Gegebenheiten auf die    schaft führt: Einerseits bezieht sich das Boot auf den dahinterliegenden
funktionelle Vielseitigkeit eines Objekts.                                 Badesee, andererseits scheint es, als wäre es in einer künstlichen
                                                                           Wellenlandschaft gestrandet.
46 Hartmut Skerbisch                                                       49 Tobias Pils
                                       1945 Ramsau/Dachstein –                                                    1971 Linz,
                                       2009 Kalsdorf bei Ilz                                                      lebt und arbeitet in Wien

                                       3D Fraktal 03/H/dd, 2003                                                   Zog den Helfer unterm Teppich
                                                                                                                  hervor, 2004

Die Skulptur ist eine raffinierte Konstruktion, bei der aus jeweils einem   Auf einem Hügel zwischen zwei Wegen stehen zwei Spiegel auf Stangen.
Würfel fünf weitere Würfel wachsen. In Summe sind es 156 Stück, deren       Durch ihre ständige Drehung im Wind geben sie stetig anderes wieder.
Generationen in einer diagonalen Verdrehung der Achsen für Dynamik          Das sich in ihnen Spiegelnde symbolisiert einen Blick in zwei unterschied-
sorgen. Der technisch anmutende Titel bezieht sich auf das Jahr der         liche Welten. Für die kurzen Momente, in denen sich die Spiegel ineinan-
Entstehung, die Form (Hexaeder) und die Gestaltung. Die Verkleinerung       der spiegeln, entsteht eine Verbindung dieser beiden Welten. Pils zeigt
der Würfel geschieht mit dem Faktor 0,44902, nicht zuletzt folgen die       mit dieser dynamischen Arbeit, dass Bedeutungen nicht starr, sondern
Seitenverhältnisse dem Goldenen Schnitt und sorgen damit für eine           vielmehr ein veränderliches Phänomen sind. Auch die mit dem Schrift-
besonders harmonische Wirkung. Was auf den ersten Blick wie Chaos           steller Ferdinand Schmatz gemeinsam entwickelten Texte sind einerseits
wirkt, folgt einer ausgeklügelten Ordnung.                                  prägnante Formulierungen, andererseits aber in ihrer Bedeutung offen.

                                       47 Thomas Stimm                                                            50 Boris Podrecca
                                       1948 Wien,                                                                 1940 Belgrad, lebt und arbeitet
                                       lebt und arbeitet in Wien und Köln                                         in Wien, Stuttgart und Venedig

                                       Terranian Platform, 2003                                                   EU & YOU, Objekt anlässlich der
                                                                                                                  Erweiterung der Europäischen
                                                                                                                  Union 2004, 2004

Die Skulptur ist Teil eines künstlerischen Konzepts, das Stimm              Diese Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle von Architektur, Skulptur
gemeinsam mit Uta Weber seit 1995 unter dem Label „soylent green“           und Intervention im öffentlichen Raum. Als selbstreferenzielle Skulptur
entwickelt. Die Aufschrift „Terra“ steht für einen für alle Lebewesen auf   widerspiegelt sie ihren Sockel spiegelverkehrt in fünf Meter Höhe.
unserem Planeten gültigen Heimatbegriff. Die dekorative und bunte           Dargestellt ist der Grundriss von Österreich und den vier neuen EU-
Gestaltung verleiht dieser Idee optisch Ausdruck. So ist diese planetare    Nachbarländern 2004 – der Tschechischen Republik, der Slowakei, von
Plattform mit ihrer Aufschrift eine sinnliche Metapher für den Erdball      Ungarn und Slowenien. Das Objekt kann und soll auch durch die betrach-
als Grundlage und Bestandteil allen Seins. Die Betrachtenden sind dazu      tende Person ein Ort der Kommunikation und des Dialogs werden.
eingeladen, sich mit ihrer eigenen Existenz und mit ihrer Verortung in
und auf der Welt auseinanderzusetzen.

                                       48 Heimo Zobernig                                                          51 Tobias Rehberger
                                       1958 Mauthen,                                                              1966 Esslingen/Neckar,
                                       lebt und arbeitet in Wien                                                  Deutschland, lebt und arbeitet
                                                                                                                  in Frankfurt am Main und Berlin

                                       o. T., 2003                                                                Asoziale Tochter, 2004

Für dieses Werk verwendet Zobernig sehr gebräuchliche und doch im           Rehberger stellt wie in vielen seiner Arbeiten auch hier die Frage nach
Alltag meist unsichtbare Fertigteile aus Beton und negiert dabei eine       der gesellschaftlichen Funktion von Kunst. Dafür verändert er gewohnte
persönliche künstlerische Handschrift. Diese Bausteinringe setzt er         Dinge, um einen frischen und neuen Blick darauf zu ermöglichen. Der
übereinander, wodurch eine riesige Säule entsteht. Die Skulptur wird        Baum zieht durch seine vereinfachte, abstrahierte sowie jahreszeitlich
bewusst nicht aufwendig oder schön gestaltet. So bleibt die Aufmerk-        unbeeinflusste Form und ungewöhnliche Farbe jede Aufmerksamkeit auf
samkeit auf dem Material selbst und ermöglicht eine nüchterne Sicht auf     sich. Der Wald als ökologisches Netzwerk tritt in den Hintergrund, im
die Welt. Dadurch thematisiert der Künstler auch die Frage, wo und wie      Fokus steht nun ein einzelner Bestandteil, der zugleich abgegrenzt und
die Grenzen zwischen Kunst- und Alltagsgegenständen zu ziehen sind.         eingebettet wirkt. Es entsteht eine scheinbar romantisch-märchenhafte
                                                                            Atmosphäre, die durch den Baum als Lebenssymbol ökologische und
                                                                            gesellschaftsrelevante Aspekte thematisiert.
52 Werner Reiterer                                                          55 Markus Wilfling
                                       1964 Graz,                                                                  1966 Innsbruck,
                                       lebt und arbeitet in Wien                                                   lebt und arbeitet in Graz

                                       gesture, 2003/04                                                            -3m Brett, 2004

Diese Skulptur befasst sich mit dem Prinzip der Dauerhaftigkeit und          Ein Sprungbrett ist nicht wie gewöhnlich vor einem Schwimmbecken
Unveränderbarkeit. Sie wächst immer wieder aus einer Senke zur Kugel         positioniert, sondern spiegelbildlich in einen blau ausgestrichenen Pool
heran, um kurz nach ihrer vollen Entfaltung mit einem lauten Knall ihr       versenkt. Überraschenderweise erweckt das denselben perspektivischen
Volumen zu verlieren und sich wie eine achtlos abgelegte Kunststoffhaut      Eindruck, als würde man das Brett von unten sehen. In der Op-Art (Opti-
auf dem Gras auszubreiten. Das permanente Aufsteigen und Zusammen-           sche Kunst) stößt man seit den 1960er-Jahren auf ähnliche spontane
fallen hinterfragt unser Verständnis der Begriffe Skulptur und Objekt        Wahrnehmungstäuschungen, die das menschliche Sehen als aktiven
sowie unsere Wahrnehmungsgewohnheiten. Außerdem zeigt Reiterer               Sinnesvorgang erkennbar machen. Das Gehirn versucht den Eindruck
mit dieser grellen, farbigen Intervention ein spielerisches Modell für die   sinnvoll zu interpretieren, was allerdings nicht zu gelingen scheint.
Interaktion mit der konstruierten Umgebung.

                                       53 Gustav Troger                                                            56 EVA & ADELE
                                       1951 Kohlschwarz, lebt und                                                  1991, leben und arbeiten in Berlin
                                       arbeitet in Graz und Los Angeles

                                       Materialprobe: Sieg über die                                                watermusic, 2003/04
                                       Sonne, Kunst sich über die Natur
                                       lustig zu machen, 2004

Durch das Betrachten des Werks aus unterschiedlichen Positionen              watermusic wurde exklusiv für Graz realisiert: zuerst temporär für den
erschließt sich eine Vielfalt an Bildern. Troger verwendet Beton, Spiegel,   Schloßbergplatz und dann als Wasser-Haus im Seerosenteich des Parks.
Polyester und Farbe, um die komplexe Wirklichkeit mittels kleiner Spie-      Als Häuschen erinnert das äußere Erscheinungsbild an Einfamilienhäuser
gelstücke zu zerlegen. Die Umwelt wird durch das Sonnenlicht in den          außerhalb des Parks und beherbergt im Inneren die Welt von EVA &
Scherben gebrochen, reflektiert und in der aus dem Boden geklappten          ADELE. Dort zeigen drei Projektionen das Paar beim Winken, beim
Wand zu einer neuen Wirklichkeit. Damit wird die Skulptur zu einem           Wassertreten und beim Wasserschöpfen, untermalt von einem den Akti-
Katalysator für das Nachdenken über das Wesen der Realität.                  vitäten entsprechenden, beruhigenden Sound. Dieses Werk stellt Fragen
                                                                             zu künstlerischer Kommunikation, Aspekten geschlechtlicher Identitäten
                                                                             und Kunstmarketing.

                                       54 Peter Weibel                                                             57 Yoko Ono
                                       1944 Odessa, Ukraine,                                                       1933 Tokio,
                                       lebt und arbeitet in Karlsruhe                                              lebt und arbeitet in New York

                                       Die Erdkugel als Koffer, 2004                                               Painting to Hammer a Nail in/Cross
                                                                                                                   Version, 2005 (1990, 1999, 2000)

Mit dieser Arbeit führt uns Weibel an die Grenzen der Wahrnehmung. Ein       Das Kreuz ist in einer christlich dominierten Gesellschaft unverwechsel-
überdimensionaler Griff eines Koffers steht mitten in der Landschaft. Er     bares Sinnbild der Auferstehung Jesu. Mit dem Angebot, selbst einen
zeigt den Betrachter*innen die Weltkugel als einen riesigen Behälter,        Nagel in eines der Kreuze zu schlagen, schafft Ono die Möglichkeit,
gefüllt mit Daten, Organismen und Gegenständen, die ihrerseits selbst        eine neue, aktive Rolle in diesem Vorgang der Kreuzigung einzunehmen.
Informationsträger sind. Ähnlich funktionieren auch wir Menschen, die        Gleichzeitig werden wir dadurch Mittäter*innen. Kulturelle, religiöse,
wir alles, was wir haben und womit wir uns beschäftigen, mit uns herum-      politische oder künstlerische Grenzen können durch den Griff zum
tragen. Die Verbindung zwischen sinnlicher Erfahrung und Verstand, die       Hammer überschritten werden. Dabei entsteht eine neue Sensibilität
Kant als Weg zur wirklichen Erkenntnis sah, wird deutlich.                   für das Setzen von Aktivität und es gelingt eine Verbindung zwischen
                                                                             kollektivem und individuellem Gedächtnis.
58 Hartmut Skerbisch                                                         61 Giuseppe Uncini
                                      1945 Ramsau/Dachstein –                                                      1929 Fabriano, Italien –
                                      2009 Kalsdorf bei Ilz                                                        2008 Trevi, Italien

                                      Sphäre 315, 2005                                                             Unità Cellulare, 1967/2008

Sechs Kreise von der Größe eines Viermillionstels des Erddurchmessers       Der Raum zwischen Objekt und Umwelt ist stets ein Teil von Uncinis
wurden – im Verhältnis des Goldenen Schnitts zueinanderstehend – zu         Skulpturen. Die Realität eines Objekts wird durch ein orange lackiertes
einer Skulptur verschraubt. Dadurch spricht die Arbeit das Gefühl harmo-    Stahlrohr abgebildet. Ein zusätzlicher Raum ist durch die Schatten
nischen Ausgleichs in den betrachtenden Personen an. Besucher*innen         angedeutet, welche in Form von flachgeklopften grauen Metallstäben
bewegen sich hier als Gradmesser zwischen ihrer eigenen Körperlichkeit      Bestandteil der Skulpturen sind. Der aus Cortenstahl gefertigte
und Größe in Relation zur Welt, in die sie eingeschrieben sind. So können   Boden verändert sich unter dem Einfluss von Klima und Witterung. Er
wir versuchen, Größenverhältnisse und Entfernungen wahrzunehmen             verdeutlicht Uncinis Interesse an der selbstständigen Umwandlung der
oder die sphärische Durchdringung eines als fest angedeuteten Körpers       Materialien und integriert somit auch den Zeitfaktor.
zu entdecken.

                                      59 Matta Wagnest                                                             62 Martin Walde
                                      1964 Graz,                                                                   1957 Innsbruck, lebt und arbeitet
                                      lebt und arbeitet in Wien                                                    in Wien und New York

                                      Labyrinth, 1992                                                              Siamese Shadow, 2003
                                                                                                                   (ehemals)

Dieses Labyrinth ist ein offener gläserner Riesenkasten, der den Ausblick   Die auf Kippstangen montierten Segel, die an Surfer im nahen Badesee
auf die Umgebung zulässt. Der Blick haftet auf dem Glas, während man        erinnern, wanken im Wind, ohne sich wegbewegen zu können. Was
zugleich das Bild der Landschaft wahrnimmt. Das Glas wirkt wie ein          zunächst als Übertragung touristischer Sommerstimmung ins Areal der
Schirm, der das Sehen einfängt, ein Bildschirm, der die Welt präsentiert,   Kunst erscheint, entpuppt sich als Reflexion über die Verklärung von
allerdings zum Preis der Trennung und Distanz von ihr. Die Bezeichnung      Landschaft und Freizeit in Bezug auf Kunst. Dass Orte der Kunst, wie
Labyrinth macht deutlich, dass etwas weit offenstehendes Sichtbares         dieser Park, keine verlängerten Arme der Erholungsindustrie sind, son-
nicht weniger geheimnisvoll ist als etwas Verdecktes oder Verstecktes.      dern primär Orte der Reflexion über solche Klischees, ist eine mögliche
Ausgangspunkte für diese Arbeit waren das architektonisch angelegte         Erkenntnis. In ihrer vom Wind beeinflussten Beweglichkeit und ihrer Ver-
Gartenlabyrinth sowie ein Irrgarten aus Buchen in nächster Nähe.            bindung mit der Wiese, erscheint die Arbeit ebenso magisch wie poetisch.

                                      60 Peter Sandbichler                                                         63 Timm Ulrichs
                                      1964 Kufstein,                                                               1940 Berlin, lebt und arbeitet
                                      lebt und arbeitet in Wien                                                    in Hannover und Münster

                                      Tiger Stealth, 2009                                                          Tanzende Bäume, 1997/2010

Die Verbreitung der Fehlinformation, die militante Guerillagruppe Tamile    Bäume stehen für Verwurzelung, natürliches Wachstum oder Alter. Diese
Tiger besäße ein Tarnkappenschiff, war Ausgangspunkt für diese Arbeit       vorgegebene Sichtweise wird im Werk durch die Bewegung der Birken auf
Sandbichlers. Wie diese Information ist auch das Tarnschiff hier Fake,      ironische und subtile Art hinterfragt. Ulrichs involviert die betrachtenden
denn es ist eine Skulptur. Die Tarnfunktion gelingt trotzdem, denn die      Personen durch ihre Annäherung an die Bäume, welche die Rotationen
Form kann von keinem Radar erfasst werden. Das ist jedoch irrelevant,       erst auslöst. Die vermeintliche Verwurzelung Betrachtender vor Kunst-
denn militärische Geheimnisse offenzulegen oder zu kolportieren, ist das    werken oder interessanten Phänomenen, ähnlich jener von Bäumen, wird
eigentliche Mittel, mit dem Macht demonstriert wird. Die Arbeit präsen-     als Konstrukt entlarvt und ironisch aus den Angeln gehoben.
tiert sich somit doppeldeutig: Einerseits in aufgehobener Tarnung, das
Objekt als formalästhetisches Gebilde ausweisend, andererseits hat sich
der Prototyp eines Untergrundkampfgerätes als Kunstwerk getarnt.
Sie können auch lesen