Strategischer Rahmen zur Entwicklung des - SÜD ALPEN RAUMS

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Strategischer Rahmen zur Entwicklung des - SÜD ALPEN RAUMS
Strategischer Rahmen
zur Entwicklung des
SÜD ALPEN RAUMS
Gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale
Entwicklung und Interreg V-A Italien-Österreich 2014-2020
Strategischer Rahmen zur Entwicklung des - SÜD ALPEN RAUMS
Strategischer Rahmen zur Entwicklung des - SÜD ALPEN RAUMS
„Zum Aufblühen von Kulturen kommt es,
  wenn auf eine Frage von heute eine
   Antwort von Morgen gegeben wird.
Zum Niedergang von Kulturen kommt es,
  wenn auf eine Frage von heute eine
  Antwort von gestern gegeben wird.“
            — Arnold Toynbee —

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Strategischer Rahmen zur Entwicklung des - SÜD ALPEN RAUMS
ABSTRACT

       Was verstehen wir unter dem SÜD ALPEN RAUM und               Es liegt also nahe, dass sich diese
       warum haben sich die Regionen des SÜD ALPEN RAUMs            Regionen zusammenschließen und
       zusammengeschlossen, um grenzübergreifend zu ko-
       operieren? Diese Fragen sollen im folgenden Strate-          das bereits vorhandene Potential
       giepapier des SÜD ALPEN RAUMs beantwortet und die            nutzen, um den gesamten SÜD
       Geschichte sowie Vorteile der grenzüberschreitenden
       Zusammenarbeit beleuchtet werden.                            ALPEN RAUM aufzuwerten und
                                                                    zukunftsfähig zu gestalten.
       Mehr als ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger der
       Europäischen Union, das sind ca. 150 Millionen Men-
       schen, leben in Grenzregionen. Diese machen rund 40%       Im Hinblick auf die zukünftigen Herausforderungen ist
       der gesamten Fläche der EU aus und gelten zumeist als      es außerdem unerlässlich, sich mit den aktuellen Mega-
       strukturell benachteiligt, was sich unter anderem in ei-   trends auseinanderzusetzen und die Aktivitäten dahin-
       nem niedrigeren BIP pro Kopf und in höheren Arbeits-       gehend anzupassen. Die sechs relevanten Megatrends,
       losenquoten zeigt. Man wundert sich also nicht, dass       die bei der Strategieentwicklung des SÜD ALPEN RAUMs
       die EU in ihrer Struktur- und Investitionspolitik einen    herangezogen wurden, sind die Bevölkerungsentwick-
       besonderen Fokus auf die Entwicklung der Grenzre-          lung, Wertewandel und gesellschaftliches Engage-
       gionen legt. Dafür gibt es einerseits den Europäischen     ment, wissensbasierte Ökonomie, Globalisierung und
       Fonds für regionale Zusammenarbeit (EFRE) mit dem          Regionalisierung, Digitalisierung sowie Klima und Res-
       darin enthaltenen Ziel der Europäischen Territorialen      sourcen. Zu jedem dieser Megatrends wurden Themen
       Zusammenarbeit (ETZ). Um dieses Ziel zu erreichen,         definiert, die zukünftig durch Kooperationen gemein-
       wurde vor rund 30 Jahren mit INTERREG ein finanzieller     sam verfolgt werden. Im folgenden Strategiepapier
       Rahmen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit         werden die Auswirkungen der Megatrends auf den SÜD
       geschaffen.                                                ALPEN RAUM genauer beschrieben sowie die Themen im
                                                                  Detail präsentiert.
       Der SÜD ALPEN RAUM umfasst die Regionen Ober-
       kärnten, Osttirol und das Südtiroler Pustertal mit         Es zeigt sich, dass trotz der Herausforderungen, mit de-
       den Städten Hermagor-Pressegger See, Spittal an der        nen ländliche Grenzregionen wie der SÜD ALPEN RAUM
       Drau, Lienz und Bruneck. Er besteht somit aus sehr         konfrontiert sind, die aktuellen Megatrends auch viele
       lebenswerten, aber zum Teil strukturell benachteilig-      Chancen bringen. Die „Gründer“ des SÜD ALPEN RAUMs
       ten Grenzregionen, die sich derzeit bereits im Koope-      sind davon überzeugt, dass durch die Bereitschaft zur
       rationsprogramm INTERREG Italien-Österreich 2014-          Kooperation diese Möglichkeiten und vorhandenen Po-
       2020 befinden. Dieses Programm unterstützt konkrete        tentiale besser genutzt werden können und somit ein
       grenzübergreifende Projekte auf lokaler Ebene. Will        attraktiver Lebens- und Schaffensraum etabliert wer-
       man wettbewerbsfähig bleiben, muss man sich als            den kann. Auch im Hinblick auf den Wettbewerb der Re-
       Region jedoch zusätzlich strategisch ausrichten. Die       gionen ist es unumgänglich, seine vorhandenen, aber
       Europaregionen „Tirol-Südtirol-Trentino“ und „Senza        räumlich verteilten Potentiale zu bündeln und somit
       Confini“ sind solche strategischen Zusammenschlüsse        mehr Größe und Sichtbarkeit zu erlangen.
       mit dem Ziel der Stärkung der grenzüberschreitenden
       Kooperationen auf regionaler Ebene.
                                                                    Der SÜD ALPEN RAUM wird damit
       Nun kann man sich die Frage stellen, warum durch den         zur innovativen und nachhaltigen
       SÜD ALPEN RAUM eine zusätzliche Struktur zur Stär-
       kung der grenzüberschreitenden Kooperation entwi-
                                                                    Zukunftsregion in Europa mit
       ckelt wird. Dies lässt sich durch den funktionalen Raum      Vorbildwirkung für andere
       begründen. Die Bürger des Südtiroler Pustertals, Ost-
       tirols und Oberkärntens sind nicht nur aufgrund ihrer
                                                                    Grenzregionen und schafft durch die
       gemeinsamen Geschichte, sondern vor allem auch im            Zusammenarbeit auf Augenhöhe ein
       täglichen Leben stark miteinander verbunden. Die
       Pendlerströme oder die Nutzung gemeinsamer Infra-
                                                                    neues regionales, europäisches und
       struktur zeigen sehr klar diese funktionalen Verflech-       weltoffenes Bewusstsein.
       tungen.

4
Strategischer Rahmen zur Entwicklung des - SÜD ALPEN RAUMS
I N H A LT E

01 Grenzübergreifende Kooperation – warum?............................................. 6

02 Der SÜD ALPEN RAUM.......................................................................... 9
Die Geschichte des SÜD ALPEN RAUMs................................................................12

Der SÜD ALPEN RAUM als funktionaler Raum........................................................14

Das Potential Erweiterungsraum Belluno und Friaul..............................................15

Das Leitbild – Inhalt und systemische Herangehensweise.......................................16

03 Governance......................................................................................18
Governance im SÜD ALPEN RAUM.......................................................................19

04 Megatrends und ihre Auswirkungen auf den SÜD ALPEN RAUM.................... 23
Bevölkerungsentwicklung................................................................................25

Klima und Ressourcen.....................................................................................28

Wertewandel und gesellschaftliches Engagement.................................................30

Wissensbasierte Ökonomie...............................................................................31

Globalisierung und Regionalisierung.................................................................33

Digitalisierung..............................................................................................34

05 Themen der grenzübergreifenden Kooperation.......................................36
Methodik und Herangehensweise der Themenauswahl...........................................37

Vorstellung der Themen..................................................................................38

Weiterentwicklung der Inhalte..........................................................................41

06 Zukunftsbild SÜD ALPEN RAUM 2040.....................................................42

07 Literaturverzeichnis..........................................................................48

                                                                                                                            5
Strategischer Rahmen zur Entwicklung des - SÜD ALPEN RAUMS
01   Grenz-
     übergreifende
     Kooperation -
     warum?

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Strategischer Rahmen zur Entwicklung des - SÜD ALPEN RAUMS
Grundsätzlich versteht man unter einer Kooperation                                        Die Europäische Kommission hat zudem die wirtschaft-
eine strategische oder operative Zusammenarbeit                                           lichen Auswirkungen der grenzbezogenen Barrieren
verschiedener Personen, Unternehmen oder Institu-                                         und Hemmnisse analysiert. Dabei hat sich gezeigt,
tionen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Diese                                       dass bei einem Abbau von 20% der bestehenden Hin-
Zusammenarbeit ist nicht immer einfach, da unter-                                         dernisse das BIP in den EU-Grenzregionen um 2% stei-
schiedliche Interessen, Fähigkeiten und Situationen                                       gen würde (das entspräche rund 115 Mrd. Euro) und
berücksichtigt und oft Kompromisse eingegangen                                            so europaweit rund 1 Million neue Stellen geschaffen
werden müssen. Eine grenzübergreifende Kooperation                                        werden könnten 3.
ist zumeist aufgrund von Kultur- und Strukturunter-
schieden sowie Sprachbarrieren nochmals komplexer.
Warum also entscheiden sich Regionen dazu, auf euro-                                           DIE EUROPÄISCHE REGIONALPOLITIK
päischer Ebene und im Speziellen im SÜD ALPEN RAUM                                             Es wundert also nicht, dass die EU in ihrer Struktur-
grenzübergreifend zu kooperieren?                                                              und Investitionspolitik einen besonderen Fokus auf
                                                                                               die Entwicklung der Grenzregionen legt. Dafür gibt
                                                                                               es auf Europäischer Ebene eine gemeinsame Re-
    Grenzregionen machen rund 40% der                                                          gionalpolitik, die bereits auf eine knapp 30-jährige
    gesamten Fläche der Europäischen                                                           Geschichte zurückblicken kann. Als Teil dieser Re-
                                                                                               gionalpolitik hat es die Europäische Territoriale Zu-
    Union aus und produzieren 30%                                                              sammenarbeit (ETZ) zum Ziel, grenzüberschreiten-
    des BIP der EU. Mehr als ein                                                               de Probleme zu lösen und gemeinsam das Potenzial
                                                                                               unterschiedlicher Regionen zu erschließen.
    Drittel der Bürger, das sind ca.
    150 Millionen Menschen, leben in                                                           Eingebettet in die ETZ ist mit „Interreg“ ein Förder-
                                                                                               programm, das grenzübergreifende Kooperationen
    solchen Grenzregionen. Zumindest                                                           und konkrete Aktivitäten daraus unterstützt. Dafür
    einmal wöchentlich pendeln davon                                                           wurden für den Zeitraum von 2014 bis 2020 Mittel
                                                                                               in Höhe von 10,1 Milliarden Euro aus dem Europäi-
    rund zwei Millionen EU-Bürger                                                              schen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zur
    zum Arbeiten oder Studieren in ein                                                         Verfügung gestellt. Interreg hat grundsätzlich drei
                                                                                               Ausrichtungen: Interreg A beinhaltet die grenz-
    Nachbarland 1.                                                                             überschreitende Zusammenarbeit. Unter Interreg
                                                                                               B wird die transnationale Zusammenarbeit und in
Dies zeigt, dass Grenzräume zumeist eng miteinander                                            Interreg C die interregionale Zusammenarbeit ge-
verflochten sind. Es sind also in Grenzgebieten oft                                            fördert 4.
funktionale Räume entstanden, in denen Interaktion
und Beziehungen vorherrschen. Administrative, recht-                                           Ein weiteres Instrument der Kooperation auf euro-
liche, sprachliche und kulturelle Barrieren erschweren                                         päischer Ebene wurde im Jahr 2007 geschaffen: die
jedoch oft eine grenzübergreifende Zusammenarbeit,                                             Europäischen Verbünde für territoriale Zusammen-
sodass funktionale Räume unterschiedlich ausgeprägt                                            arbeit (kurz EVTZ). Diese haben zum Ziel, „die grenz-
sind. Zudem sind Grenzregionen meist strukturell be-                                           überschreitende, transnationale und interregiona-
nachteiligt, was aus einer Analyse der Europäischen                                            le Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten
Kommission aus dem Jahr 2009 hervorgeht:                                                       oder deren regionalen und lokalen Behörden zu
                                                                                               erleichtern“. Derzeit gibt es 68 solcher EVTZ (Stand
  • Das BIP pro Kopf in Grenzregionen betrug im                                                Dez. 2020) 5. Dass die grenzübergreifende Zusam-
		 Durchschnitt nur 88,3% des EU-Durchschnitts.                                                menarbeit von Mitgliedsstaaten im Rahmen eines
  • Infrastruktureinrichtungen wie Krankenhäusern,                                             EVTZ einen Mehrwert bringt, hat die Europäische
		 Universitäten oder Flughäfen sind nur erschwert                                             Kommission in ihrem Bericht aus dem Jahr 2018
		 zugänglich, da sie sich nicht in der unmittelbaren                                          bestätigt. Demnach werden die Entscheidungsfin-
		Umgebung befinden 2.                                                                         dung der Grenzregionen bei grenzüberschreitenden
                                                                                               Anliegen dadurch erleichtert und die gemeinsame
                                                                                               Entwicklung von Zielen und Strategien verbessert 6.

1
  Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament (2017): Stärkung von Wachstum und Zusammenhalt in den EU-Grenzregionen.
2
  European Commission, DG REGIO (2009): Territories with specific geographical features.
3
  Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament (2017): Stärkung von Wachstum und Zusammenhalt in den EU-Grenzregionen.
4
  Europäische Kommission: Interreg : European Territorial Co-operation.
5
  Europäisches Parlament (12-2020): Europäische Verbünde für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ).
6
  Europäische Kommission (2018): Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Ausschuss der Regionen über die Anwendung der Verordnung (EG)
  Nr. 1082/2006 über den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ), geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 1302/2013 im Hinblick auf Präzisierungen,
  Vereinfachungen und Verbesserungen im Zusammenhang mit der Gründung und Arbeitsweise solcher Verbünde.
                                                                                                                                                                         7
Strategischer Rahmen zur Entwicklung des - SÜD ALPEN RAUMS
EINLEITUNG

        Das Projekt „ULYSSES“ der Association of European                                               SOZIOKULTURELLER MEHRWERT

                                                                                                                                                                  0
        Border Regions (AEBR) zeigt, dass grenzübergreifende                                            Grenzüberschreitende Kooperation bringt auch auf
        Kooperation einen Mehrwert („added values“) in fol-                                             soziokultureller Ebene einen Mehrwert: Durch die Ver-
        genden Bereichen bringt:                                                                        breitung von Informationen über die Grenzregion über
                                                                                                        Medien, Lehrmaterial oder Publikationen sowie Multi-
        EUROPÄISCHER MEHRWERT                                                                           plikatoren wie Schulen, Büchereien oder Museen wird
        Grenzüberschreitende Kooperation leistet einen wert-                                            die besondere Situation von Grenzregionen in den Köp-
        vollen Beitrag zu den europäischen Werten Frieden,                                              fen der Menschen verankert. Sprachen und Dialekte der
        Freiheit, Sicherheit und die Wahrung der Menschen-                                              Nachbarländer werden geschätzt und gelernt und die-
        rechte.                                                                                         nen damit als Basis zur Kommunikation. Somit wird die
                                                                                                        kulturelle grenzüberschreitende Kooperation zu einem
        MEHRWERT HINSICHTLICH DER IMPLEMENTIERUNG                                                       wesentlichen Bestandteil der regionalen Entwicklung
        DER EUROPA 2020 STRATEGIE                                                                       und bedingt eine erfolgreiche grenzüberschreitende
        Grenzüberschreitende Kooperation bringt immer einen                                             Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Politik,
        Mehrwert für nationale Maßnahmen durch die Nutzung                                              Bildung etc. 7
        von Synergien, gemeinsamer Forschung und Innovati-
        on, dem Austausch von Know-How, grenzübergreifen-                                               AUSBLICK
        de Netzwerke, effizientes Ressourcenmanagement und                                              Grenzüberschreitende Kooperation bringt also auf den
        Spin-off Effekte.                                                                               verschiedensten Ebenen einen Mehrwert. Aber nicht
                                                                                                        nur deshalb haben sich die Regionen des SÜD ALPEN
        POLITISCHER MEHRWERT                                                                            RAUMs zusammengeschlossen, um eine gemeinsame
        Grenzüberschreitende Kooperation leistet einen wich-                                            Strategie zu verfolgen.
        tigen Beitrag zur Entwicklung Europas und der euro-
        päischen Integration sowie zur Implementierung von                                              Wie aus dem nächsten Kapitel hervorgehen wird, sind
        Partnerschaften und Subsidiarität. Außerdem führt sie                                           die Regionen des SÜD ALPEN RAUMs einerseits durch
        zu erhöhter wirtschaftlicher und sozialer Kohäsion und                                          ihre gemeinsame Geschichte eng verbunden. Anderer-
        fördert das gegenseitige Kennenlernen, Vertrauen und                                            seits sind sie aber heute noch funktional eng verfloch-
        Verständnis.                                                                                    ten, was anhand von Pendlerströmen oder der gemein-
                                                                                                        samen Nutzung von Infrastruktur exemplarisch gezeigt
        INSTITUTIONELLER MEHRWERT                                                                       wird. Es wundert also nicht, dass man im SÜD ALPEN
        Grenzüberschreitende Kooperation fördert die aktive                                             RAUM auf Kooperation setzt, vorhandene, aber räum-
        Beteiligung und das Engagement der Bürger, Behör-                                               lich verteilte Potentiale bündelt und somit mehr Grö-
        den, politischen Parteien und Sozialpartner. Zudem                                              ße, Funktionalität und Sichtbarkeit erlangt.
        werden Wissen über die Strukturen in der Nachbarregi-
        on und sowohl vertikale als auch horizontale Partner-                                           Ziel dieses Strategiepapiers ist es, nicht nur den SÜD
        schaften aufgebaut.                                                                             ALPEN RAUM zu präsentieren und vorzustellen, sondern
                                                                                                        auch Handlungsfelder der grenzüberschreitenden Ko-
        Die Erfahrung hat gezeigt, dass langfristige Koopera-                                           operation aufzuzeigen. Im Hinblick auf die zukünftigen
        tion zu gemeinsam entwickelten Konzepten und Stra-                                              Herausforderungen ist es unerlässlich für Regionen,
        tegien führt. Programme und Projekte daraus werden                                              sich mit den aktuellen Megatrends auseinanderzuset-
        effektiver umgesetzt, da sich regionale und lokale Part-                                        zen und ihre Aktivitäten dahingehend anzupassen. Da-
        ner beteiligen und eine wesentliche Rolle in der Aus-                                           her werden diese Megatrends genauer beleuchtet sowie
        arbeitung spielen.                                                                              deren Auswirkungen und Chancen für den SÜD ALPEN
                                                                                                        RAUM aufgezeigt. Zu jedem dieser Megatrends wurden
        SOZIOÖKONOMISCHER MEHRWERT                                                                      zudem Themen definiert, die zukünftig durch Koopera-
        Der sozioökonomische Mehrwert grenzüberschreiten-                                               tionen gemeinsam verfolgt werden. Drei dieser Themen
        der Kooperation zeigt sich unter anderem durch die                                              werden näher beschrieben.
        Öffnung des Arbeitsmarktes, die Harmonisierung von
        beruflichen Qualifikationen sowie Entwicklungen in
        den Bereichen Infrastruktur, Tourismus, Umwelt, Bil-
        dung, Forschung etc. Außerdem werden neue Arbeits-
        plätze durch die Kooperation von kleinen und mittleren
        Unternehmen in den Grenzregionen geschaffen. Man
        kann zudem anhaltende Verbesserungen in der Raum-
        planung und Regionalentwicklung beobachten.

        7
            Association of European Border Regions. (2012): Practical Guide for the elaboration of cross-border territorial development strategies.
8
Strategischer Rahmen zur Entwicklung des - SÜD ALPEN RAUMS
02   Der
     SÜD ALPEN RAUM

                      9
Strategischer Rahmen zur Entwicklung des - SÜD ALPEN RAUMS
Anfangs stellt sich die Frage, welche Regionen nun ge-                              In diesem Zusammenhang ist aber bereits zu erwähnen,
        nau den SÜD ALPEN RAUM ausmachen, sprich wo be-                                     dass man sich nicht an Bezirksgrenzen stößt und der
        ginnt und endet er. Betrachtet man die geographische                                SÜD ALPEN RAUM auch nicht eine Zusammenfassung
        und geologische Definition der Südalpen, die den süd-                               von administrativ isolierten Container-Räumen 9 ist.
        lichen Teil der Ostalpen bezeichnen, zieht sich der Süd-
        alpenraum von den Ortler Alpen im Norden bzw. den
        Gardasee-Bergen im Süden über die Dolomiten bis zu
                                                                                              Stattdessen ist der SÜD ALPEN
        den Karawanken und Julischen Alpen 8. Das entspricht                                  RAUM ein seit Jahrhunderten
        einer West-Ost Ausdehnung von rund 200 Kilometern.
                                                                                              eng miteinander verflochtener
              Der SÜD ALPEN RAUM – als räumliche                                              Raum, in dem Interaktion und
              Einheit in der Regionalentwicklung                                              Beziehungen vorherrschen, der
              verstanden – wurde von den                                                      dadurch in sich nicht abgeschlossen
              Regionen Oberkärnten, Osttirol                                                  ist. Verflechtungen und somit
              und dem Südtiroler Pustertal mit                                                Erweiterungspotential besteht
              den Städten Spittal an der Drau,                                                daher auch nach Süden mit den
              Hermagor, Lienz und Bruneck                                                     italienischen Regionen Alto Belluno
              gegründet, die den Kernraum des                                                 und Friaul-Julisch Venetien sowie
              Gebiets ausmachen.                                                              nach Ost und West.

                                  INNSBRUCK                                                    SALZBURG
                                   MÜNCHEN

                                            Felbertauern          Großglockner

                                                 Matrei

BOZEN
                                                                                                                 Spittal
                              Innichen                                Lienz
                                                                                                                           VILLACH
     Bruneck                                Sillian
                                                                                                     Hermagor                            KLAGENFURT

                              Cortina
                                                                                                           Pontebba

                                               VENEDIG                           Tolmezzo
                                                                                            UDINE
                                                                                            TRIEST

        Abbildung 1: Schematische Darstellung des Kernraums

        8
            Franz Grassler (1984): Alpenvereinseinteilung der Ostalpen (AVE).
        9
            Freytag (2014): Raum und Gesellschaft.
10
DER SÜD ALPEN RAUM

Die folgenden Daten beziehen sich auf die administrativen Bezirke Spittal a. d. Drau, Hermagor und Lienz sowie
die Bezirksgemeinschaft Pustertal (im Folgenden als „Südtiroler Pustertal betitelt).

         230.000                                     18 Millionen                                        7.667 km2                                    1.738 km2
        Einwohner                                   Nächtigungen                                           Fläche                                     Natur- und
                                                       im Jahr                                                                                       Nationalpark

Mit Jahresbeginn 2020 lebten rund 230.000 Personen                                             tung sowie die Nutzung zur Wärmeerzeugung stellen
auf einer Fläche von knapp 7.667 km2 im SÜD ALPEN                                              im SÜD ALPEN RAUM bedeutende Wirtschaftszweige
RAUM. Das ergibt eine Bevölkerungsdichte von rund                                              dar. Der sekundäre Sektor ist ebenfalls von großer Be-
30 Einwohner pro Quadratkilometer 10. Der SÜD ALPEN                                            deutung: Im Bezirk Lienz und im Südtiroler Pustertal
RAUM ist somit deutlich weniger dicht besiedelt als die                                        spielt die Industrie sogar im Vergleich zum jeweiligen
jeweiligen Bundesländer. Grund dafür dürfte die gebir-                                         Bundesland/der jeweiligen Provinz eine wichtigere
gige Geografie der Region sein, die die periphere Situa-                                       Rolle.
tion und die damit einhergehende strukturelle Benach-
teiligung begünstigt.                                                                          Dabei machen einige internationale Konzerne, aber vor
                                                                                               allem klein- und mittelständische Unternehmen den
Die alpine Lage ist grundsätzlich prägend für den SÜD                                          Produktionsstandort aus und schaffen eine große Un-
ALPEN RAUM und bringt nicht nur Vorteile. Eng verbun-                                          ternehmens- und Branchenvielfalt. Die Schwerpunkte
den mit der Natur sind Einwohner und naturbewusste                                             bilden neben der Holzverarbeitung die Papierindust-
Touristen. Zentral sind dabei die relative Unberührt-                                          rie sowie Metall und Maschinenbau. Etwa zwei Drittel
heit und der Erholungswert inmitten vielfältiger Na-                                           der Wirtschaftsleistung im SÜD ALPEN RAUM kommen
turschätze. Diese werden auch in wesentlichen Teilen                                           jedoch aus dem tertiären Sektor. Der Dienstleistungs-
geschützt: Im Südtiroler Pustertal erstrecken sich mit                                         bereich ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen
den drei Naturparks Drei Zinnen, Rieserferner-Ahrn                                             und auch hier findet man zahlreiche Unternehmen in
und Fanes-Sennes-Prags 11 weltweit bekannte und be-                                            den verschiedensten Branchen 13.
liebte Landschaften, während sich in Osttirol und Ober-
kärnten über 1.000 km2 des größten Nationalparks der                                           Im tertiären Sektor bildet der Tourismus mit 4 Millio-
Alpen – dem Nationalpark Hohe Tauern – befinden 12.                                            nen Besuchern und mehr als 18 Millionen Nächtigun-
Darüber hinaus finden sich zahlreiche kleinere Schutz-                                         gen in der Sommersaison 2019 und der Wintersaison
und Ruhegebiete verschiedenster Landschaften.                                                  2018/19 einen wesentlichen Baustein der Wirtschafts-
                                                                                               leistung 14. Zwischen 7.500 (Wintersaison) und 8.400
Betrachtet man die Wirtschaftstätigkeit im SÜD ALPEN                                           (Sommersaison) touristische Betriebe bieten dabei bis
RAUM, erkennt man auch den Einfluss der Geografie auf                                          zu 165.000 Betten an 15. Im Vergleich dazu konnte das
die Region: Einerseits ist der primäre Sektor, die Land-                                       Bundesland Tirol (ohne Osttirol) in diesem Zeitraum
und Forstwirtschaft, stärker ausgeprägt als auf Ebene                                          rund 48 Millionen Nächtigungen vorweisen 16.
der Nationalstaaten. Einen Schwerpunkt bildet hierbei
die Ressource Holz. Die Holzveredelung und -verarbei-

10
   ASTAT (2021): Gemeindedatenblatt; ASTAT (2021): Südtirol in Zahlen; Statistik Austria (2021): STATatlas.
11
   Autonome Provinz Bozen – Südtirol (2020): Naturparks in Südtirol.
12
   Landesstatistik Tirol (2021): Regionsprofil Bezirk Lienz.
13
   ISTAT (2011): 15O Censimento della Popolazione e delle Abitazioni 2011; Statistik Austria (2020): STATcube – Statistische Datenbank.
14
   ASTAT (2020): Gemeindedatenblatt; Statistik Austria (2020): STATatlas.
15
   ASTAT (2020): Gemeindedatenblatt; Land Tirol (2020): Betriebe und Betten nach Saison. Bezirk Lienz, Land Kärnten (2020): Betriebe und Betten nach Saison. Bezirke Spittal und Hermagor.
16
   Landesstatistik Tirol (2021): Ankünfte und Nächtigungen.
                                                                                                                                                                                             11
Die für eine periphere Region gute Erreichbarkeit des                                      • den Aufbau einer regionalen Entwicklungs-
     SÜD ALPEN RAUMs spielt dabei eine wichtige Rolle:                                        		 zusammenarbeit im Sinne der EU-Alpenstrategie
     Die seit 1871 im Betrieb befindliche Pustertalbahn                                       		EUSALP
     erstreckt sich von Franzensfeste, wo sie von der Bren-                                     • die Schaffung eines lokalen Beitrags zur
     nerbahn abzweigt, über Bruneck bis nach Vierschach                                       		 Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit
     (Grenze Österreich-Italien) 17 und auf österreichischem                                    • das Erzielen von Größeneffekten und
     Gebiet als Drautalbahn weiter über Lienz, Spittal an                                     		 einer besseren Wahrnehmung
     der Drau bis nach Maribor (Slowenien). Damit stellt                                        • das Mobilisieren von Potentialen
     sie eine wichtige Verbindung zwischen Italien und Ös-                                    		 für regionalräumlich wirksame Entwicklungen
     terreich sowie im Speziellen zwischen Ost und West im                                      • die Erarbeitung eines Governance-Modells zur
     südlichen Alpenraum dar. Eine Verbindung bis nach                                        		 besseren Koordinierung der Entwicklung mit den
     Slowenien sowie nach Wien und München (Knoten-                                           		 relevanten Institutionen und Stakeholdern 18.
     punkt Klagenfurt / Spittal a.d. Drau) ist somit ver-
     fügbar. Mit der Brennerautobahn im Westen des SÜD
     ALPEN RAUMs sowie der Tauernautobahn im Osten be-
     steht auch für den Individualverkehr eine Anbindung
     an wichtige Hauptverkehrsadern.
                                                                                              Die Geschichte des
          Inmitten der Natur und entlang                                                      SÜD ALPEN RAUMs
          dieser bedeutenden Verkehrsadern                                                    Nicht nur aufgrund der aktuellen Verflechtungen sind
                                                                                              die Regionen des SÜD ALPEN RAUMs eng miteinander
          findet man innovative und moderne                                                   verbunden, sondern auch die gemeinsame Geschichte
          Kleinstädte, die als wichtige                                                       stärkt die Beziehungen und die Zusammenarbeit. Auf
                                                                                              Ausschnitte dieser Historie wird im Folgenden kurz ein-
          Treiber und Impulsgeber der Region                                                  gegangen.
          fungieren. Bruneck, Lienz, Spittal an
                                                                                              Die gemeinsame Geschichte des SÜD ALPEN RAUMs
          der Drau und Hermagor-Pressegger                                                    hat ihre bedeutenden Anfänge im Mittelalter. Unter
          See sind Teil des strategischen                                                     der Herrschaft der Görzer Grafen wurde der SÜD ALPEN
                                                                                              RAUM, wie wir ihn heute kennen, im 13. Jahrhundert
          Städtenetzwerks im SÜD ALPEN                                                        territorial miteinander vereint und war Teil der Graf-
          RAUM.                                                                               schaft Görz. Die Stadt Lienz mit Schloss Bruck wurde
                                                                                              im 14. Jahrhundert Herrschaftssitz der Görzer. Da-
     Eine entsprechende Charta wurde von allen Städten                                        durch erlebte Lienz eine wirtschaftliche und kulturelle
     im Jahr 2019 beschlossen, die die Grundsätze und                                         Blütezeit und wurde zu einem wichtigen Handels- und
     Ziele der Zusammenarbeit enthalten sowie den orga-                                       Umschlagplatz. Die Görzer stärkten den Warenverkehr
     nisatorischen und administrativen Rahmen für diese                                       im SÜD ALPEN RAUM durch den Ausbau der Straße in
     Kooperation schaffen. Die definierten Ziele, die durch                                   das Pustertal und der Route von Friaul über den Plö-
     die interkommunale Zusammenarbeit sowie durch den                                        ckenpass und den Gailbergsattel nach Lienz. Die Herr-
     Austausch von Erfahrungen erreicht werden sollen,                                        schaft der Görzer war jedoch nur von kurzer Dauer; im
     umfassen folgende Punkte:                                                                Jahr 1500 starb der letzte seines Geschlechts, Leon-
                                                                                              hard von Görz, ohne Erben. Dadurch trat Maximilian
                                                                                              I. das Erbe an, die Görzer Besitztümer wurden aufge-
                                                                                              teilt und die Herrschaft Lienz mit dem Pustertal kam zu
                                                                                              Tirol 19. Oberkärnten ging an die Grafschaft Orten-
                                                                                              burg20.

     17
        Michael Forcher (2012): Kleine Geschichte Tirols
     18
        ARGE strategisches Städtenetzwerk Bruneck, Hermagor-Pressegger-See, Lienz, Spittal an der Drau (2019): Charta zum strategischen Städtenetzwerk im SÜD ALPEN RAUM
     19
        Michael Forcher (2012): Kleine Geschichte Tirols
     20
        Martin Marktl (2014): Zeitreise Kärnten. Ein Lesebuch zur Geschichte des Landes.
12
DER SÜD ALPEN RAUM

Ein weiterer wichtiger Punkt in der Geschichte des SÜD                                86% davon entschieden sich für die Annahme der deut-
ALPEN RAUMs ist die Zeit der Napoleonkriege Ende des                                  schen Staatsbürgerschaft, Dableibende wurden oft
18. und Anfang des 19. Jahrhunderts. Der französische                                 drangsaliert und ihrer Selbstbestimmung als Volk be-
General Napoleon Bonaparte nahm dabei große Teile                                     raubt. Während der ersten Auswanderungswelle 1940
Tirols und Österreichs, darunter auch den SÜD ALPEN                                   verließen etwa 70.000 Menschen Südtirol, die Hälfte
RAUM, ein. Im Zuge dessen teilte Napoleon Tirol im                                    davon kam in eigens für sie errichteten Siedlungen in
Jahr 1810 auf seine Satellitenstaaten auf: Welschtirol                                Ost- und Nordtirol unter. Danach kam die Umsiedlung
bis Toblach kam zum Königreich Italien, das östliche                                  ins Stocken und mit dem Sturz Mussolinis im Jahr 1943
Pustertal mit Lienz und dem Iseltal zu den illyrischen                                wurde sie beendet.
Provinzen Frankreichs und das restliche Tirol blieb bei
Bayern. Auch Kärnten wurde gespalten: Oberkärnten                                     Osttirol wurde 1938 durch eine Verwaltungsänderung
mit der Stadt Villach wurde ebenso Teil der illyrischen                               dem Gau Kärnten zugeteilt, was in der Bevölkerung zu
Provinzen. Napoleon wurde 1813/1814 niedergeschla-                                    großer Ablehnung führte. Nach dem Ende des 2. Welt-
gen, wodurch Tirol wieder zu Österreich kam 21. Ober-                                 kriegs war Nordtirol von den Franzosen besetzt, wäh-
kärnten blieb beim Königreich Illyrien mit der Haupt-                                 rend Osttirol und Kärnten zur Besatzungszone der Bri-
stadt Laibach und wurde erst 1849 mit dem Kronland                                    ten gehörten. 1947 wurde der Bezirk Lienz dann wieder
Kärnten wieder Teil der Habsburgermonarchie 22.                                       mit Tirol vereinigt. Auch über eine Zuteilung Südtirols
                                                                                      zum restlichen Tirol wurde diskutiert, doch bereits bei
Die Zeit bis zum Ausbruch des 1. Weltkriegs war von                                   einer Außenministerkonferenz in London im Jahr 1945
der Industrialisierung geprägt. Bedeutend in diesem                                   fiel die Entscheidung zugunsten der Brennergrenze.
Zusammenhang ist die Erwähnung des Baus der Pus-                                      Gegen die „Pustertaler Lösung“, eine Eingliederung des
tertalbahn, die 1871 fertiggestellt werden konnte und                                 Pustertals samt Brixen an Österreich, wurde ebenso
somit eine innerösterreichische Verbindung zwischen                                   entschieden. Südtirol kämpfte danach jahrzehntelang
Wien und Tirol begründete 23.                                                         um Autonomie, die ihr 1972 zugesprochen wurde 26.

Das Königreich Italien war 1914 beim Ausbruch des
1. Weltkriegs noch neutral, doch aufgrund von Ex-
                                                                                        Seither bestehen die Landes- und
pansionszielen – konkret wurde Italien im „Londoner                                     Staatsgrenzen so, wie wir sie heute
Vertrag“ von der Entente 24 die Brennergrenze ver-
sprochen – erklärte Italien 1915 Österreich-Ungarn
                                                                                        kennen. Der SÜD ALPEN RAUM blickt
den Krieg. Tirol war dabei drei Jahre lang hart um-                                     also auf eine jahrhundertelange
kämpft, die Schlachten trugen sich vor allem an den
Gebirgsgrenzen zu, darunter auch im Pustertal und
                                                                                        gemeinsame Geschichte zurück,
am Karnischen Kamm. Der Ausgang des Krieges ist be-                                     wodurch man auch von einer Raum-
kannt; durch den Vertrag von Saint-Germain wurde Ti-
rol geteilt und Südtirol Italien zugesprochen.
                                                                                        Rekonstruktion sprechen kann. Enge
                                                                                        gesellschaftliche Verflechtungen
Der darauffolgende Faschismus führte in Südtirol un-
ter Mussolini zu Italianisierungsprogrammen. Im Jahr
                                                                                        begründen sich in dieser Historie
1939 wurde den 240.000 deutsch- und ladinischspra-                                      und stärken die Verbindungen
chigen Südtirolern angeboten, nach Deutschland (dem
Österreich ein Jahr davor angeschlossen wurde) abzu-
                                                                                        und Beziehungen, vor allem
wandern 25.                                                                             grenzüberschreitend.

21
   Michael Forcher (2012): Kleine Geschichte Tirols
22
   Martin Marktl (2014): Zeitreise Kärnten. Ein Lesebuch zur Geschichte des Landes.
23
   Michael Forcher (2012): Kleine Geschichte Tirols
24
   Bündnis Großbritanniens, Frankreichs und Russlands
25
   Diese Möglichkeit ist als „die Option“ bekannt geworden.
26
   Michael Forcher (2012): Kleine Geschichte Tirols
                                                                                                                                                13
Der SÜD ALPEN                                                                              ÖFFENTLICHES GESUNDHEITS- UND RETTUNGSWESEN
                                                                                                Zu Beginn ist hier zu erwähnen, dass sich dieser Be-

     RAUM als                                                                                   reich auf die österreichischen Bezirke des SÜD ALPEN
                                                                                                RAUMs beschränkt. Grund dafür ist, dass Leistungen
                                                                                                der unterschiedlichen Sozialversicherungsträger nur
     funktionaler Raum                                                                          bedingt länderübergreifend anerkannt werden.

                                                                                                Betrachtet man die Reichweite des ÖAMTC Notarzthub-
     Grundsätzlich handelt es sich beim Begriff des funktio-                                    schraubers Christophorus 7, der in Nikolsdorf (Bezirk
     nalen Raums um einen relationalen Raumbegriff, das                                         Lienz) stationiert ist, zeigt sich, dass Einsätze nicht an
     heißt, es stehen die Verflechtungen und Beziehungen                                        administrativen Grenzen enden. Im Gegenteil: Der Ein-
     der Menschen im Vordergrund. Vor allem in der Regio-                                       satzradius umfasst neben dem Standort im Bezirk Lienz
     nalpolitik kommt dem Denken in funktionalen Räumen                                         auch die Bezirke Spittal a. d. Drau und Hermagor. Dies
     immer größere Bedeutung zu: In ländlichen Regionen                                         zeigen auch konkrete Einsatzzahlen: Der Notarzthub-
     finden Arbeiten, Ausbildung, Wohnen, Einkaufen und                                         schrauber Christophorus 7 tätigte von 2008 bis 2013
     Freizeit meist nicht in derselben Gemeinde statt –                                         rund 54% seiner Einsätze in den Oberkärntner Bezir-
     oft nicht einmal im selben Bezirk oder Staat. Der Le-                                      ken. Eine intensive Verflechtung im Bereich Flugret-
     bensraum der Bevölkerung stimmt daher nicht mit den                                        tungswesen zwischen den österreichischen Gebieten
     administrativen Grenzen überein, sondern bedingt den                                       des SÜD ALPEN RAUMs kann somit nachgewiesen wer-
     funktionalen Raum. Um diesen erfassen zu können,                                           den.
     können unter anderem Mobilitätsverhalten, Konsum,
     Kooperationen und die gemeinsame Nutzung von Inf-                                          Wie bereits erwähnt, zeigt auch die gemeinsame Nut-
     rastruktur analysiert werden. Dies wurde für den SÜD                                       zung von Infrastruktur, dass der Lebensraum der Be-
     ALPEN RAUM exemplarisch vorgenommen:                                                       völkerung nicht an territorialen Grenzen endet. Zieht
                                                                                                man das Beispiel der Patientenstrukturen des BKH
     PENDLERVERFLECHTUNGEN                                                                      Lienz heran, „zeigt sich, dass von den 19.381 Patien-
     Im SÜD ALPEN RAUM steht das Pendeln in eine ande-                                          ten, die im Schnitt der letzten sechs Jahre p.a. das A.ö.
     re Gemeinde, ein anderes Bundesland oder sogar in                                          BKH-Lienz für eine medizinische Leistung aufgesucht
     einen anderen Staat für viele Bürger an der Tagesord-                                      haben, 3.744 Personen aus dem Bezirk Spittal an der
     nung. Ein Beispiel: Betrachtet man nur die Stadt Lienz,                                    Drau, 888 Personen aus dem Bezirk Hermagor und wei-
     arbeiten rund 5% der Auspendler im Bezirk Spittal a.                                       tere 91 Patienten aus anderen Kärntner Bezirken stam-
     d. Drau. Gleichzeitig kommen rund 16% aller Einpend-                                       men.“ 30 Oberkärntner Patienten stellen somit rund ein
     ler aus den Kärntner Bezirken Hermagor und Spittal a.                                      Viertel aller Patienten im Lienzer Bezirkskrankenhaus
     d. Drau 27. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den                                     dar, wodurch ein weiterer Beleg für die engen Verflech-
     Schulpendlern: Rund 14% der Schüler im Raum Lienz                                          tungen im SÜD ALPEN RAUM entsteht 31.
     kommen aus den Oberkärntner Bezirken Spittal a. d.
     Drau und Hermagor 28.                                                                      SPORT- UND FREIZEITWIRTSCHAFT
                                                                                                Im Bereich der Sport- und Freizeitwirtschaft lassen sich
     EINZELHANDEL                                                                               ebenfalls bereits enge Verflechtungen im SÜD ALPEN
     Analysen des Einzelhandels und der Kaufkraft können                                        RAUM feststellen, vor allem in Bezug auf gemeinsame
     auch Rückschlüsse auf funktionale Verflechtungen in                                        Infrastruktur. Beispiele dafür sind das Langlaufnetz
     Regionen liefern. Die Ergebnisse aus der im Jahr 2008                                      Dolomiti NordicSki, der Drauradweg oder der Höhen-
     von der Stadt Lienz durchgeführten Handelsstruktur-                                        weg Dolomiten ohne Grenzen. Gäste und Einheimische
     analyse zeigen: Der Einkaufsstandort Lienz (dieser                                         bewegen sich verstärkt zwischen den Regionen des SÜD
     umfasst neben der Stadtgemeinde Lienz auch die Um-                                         ALPEN RAUMs, um solche Sport- und Freizeitangebote
     landgemeinden) zieht im Bereich der mittelfristigen                                        grenzübergreifend zu nutzen.
     Bedarfsgüter 29 nicht nur Kunden aus dem Bezirk Ost-
     tirol an, sondern auch aus dem Möll-, Drau- und Gailtal
     (Kärnten) sowie aus großen Teilen des Südtiroler Pus-
     tertals.

     27
        Statistik Austria (2020): Abgestimmte Erwerbsstatistik 2018 - Erwerbspendler/-innen nach Pendelziel, Gemeinde Lienz.
     28
        Oskar Januschke (2014): Agglomerationspolitik im ländlichen Raum. Widerspruch oder tragfähige Zukunftskonzeption.
     29
        Zu den mittelfristigen Bedarfsgütern zählen unter anderem Elektronikgeräte, Spielwaren, Sportartikel, Bücher, Bekleidung, Schuhe und Kosmetikartikel.
     30
        Oskar Januschke (2014): Agglomerationspolitik im ländlichen Raum. Widerspruch oder tragfähige Zukunftskonzeption. S. 58.
     31
        Oskar Januschke (2014): Agglomerationspolitik im ländlichen Raum. Widerspruch oder tragfähige Zukunftskonzeption.
14
DER SÜD ALPEN RAUM

Das Potential                                          Gleichzeitig liegen in diesen Regionen aber auch
                                                       ähnliche Potentiale wie im Kernraum des SÜD AL-

Erweiterungsraum                                       PEN RAUMs:

                                                         • eine kleinstrukturierte Wirtschaft, die eine
Belluno und Friaul                                     		 große Unternehmens- und Branchenvielfalt
                                                       		bietet,
                                                         • kostbare Naturschätze, die sowohl wegen ihrer
Wie oben bereits erwähnt, ist der SÜD ALPEN RAUM       		 touristischen Bedeutung als auch aufgrund der
keine in sich abgeschlossene Region. Aufgrund der      		 dort vorhandenen Biodiversität schützenswert
gemeinsamen Geschichte, der daraus resultieren-        		sind,
den engen Verflechtungen sowie der bestehenden           • ein breites kulturelles und historisches Erbe,
Kooperationsstrukturen (Euregio Senza Confini und        • ein umfangreiches Gesundheits- und
CLLD-Regionen Dolomiti Live und HEurOpen) liegt        		Sozialsystem sowie
es nahe, dass der SÜD ALPEN RAUM formell noch um         • ein breites Bildungsangebot.
die italienische Region Belluno und Teile Friaul-Ju-
lisch Venetiens erweitert werden kann. Zudem ste-      Grenzüberschreitende Kooperationen zur Förde-
hen diese beiden Grenzräume ähnlichen Heraus-          rung dieser vorhandenen Potentiale im SÜD ALPEN
forderungen gegenüber wie der Großteil des SÜD         RAUM sowie Belluno und Friaul-Julisch Venetien
ALPEN RAUM Kernraums:                                  werden daher zukünftig entwickelt und gefestigt.

  • einem Bevölkerungsrückgang gepaart mit einer
		 voranschreitenden Alterung der Einwohner,
  • einer alpinen Lage und den damit
		einhergehenden infrastrukturellen
		Herausforderungen sowie
  • den Auswirkungen des Klimawandels, die durch
		 zunehmende extreme Wetterereignisse sichtbar
		 und spürbar werden.

                                                                                                            15
Das Leitbild –                                           Diese Zusammenhänge berücksichtigend wurde von
                                                              einer Steuerungsgruppe, zusammengesetzt aus Ver-

     Inhalt und                                               tretern der LEADER- und Regionalmanagements des
                                                              Südtiroler Pustertals, Osttirols und Oberkärntens sowie
                                                              Vertretern der Städte Bruneck und Lienz, ein Leitbild
     systemische                                              erarbeitet, das nachstehend in Auszügen abgebildet
                                                              wird:

     Herangehensweise                                         BEDARF IN EUROPA: EIN WIR-BEWUSSTSEIN
                                                              ENTWICKELN – GELEBTE KOOPERATIONEN!
     Regionen als Entwicklungseinheiten neu zu definie-       Die europäische und globale Entwicklung hat sich in
     ren, ist eine herausfordernde und langfristige Auf-      den letzten Jahren durch eine gelungene wirtschaft-
     gabe. Dabei zeigen geschichtliche Beispiele, dass ein    liche Vernetzung ausgezeichnet. Gleichzeitig bestehen
     Zusammenfügen von bestehenden Regionen oder Län-         noch Herausforderungen: Das Bewusstsein für den
     dern zu einem neuen Ganzen schwierig ist. Der Grund      regionalen Beitrag zu einem starken Europa muss ge-
     für das Versagen von „Regionskonstruktionen“ liegt       stärkt werden, in vielen Bereichen herrscht Konkur-
     meist in der Nichtbeachtung systemischer Zusam-          renzdenken vor. Gleichzeitig ziehen „Metropolräume“
     menhänge. Denn ein offenes System (z.B. SÜD ALPEN        Human- und Finanzkapital aus dem „ländlichen Raum“
     RAUM) leitet seine Identität nicht aus den zusammen-     ab. Es fehlen gut funktionierende regionale und grenz-
     hängenden Subelementen (z.B. Teilregionen) und de-       übergreifende „Governance-Systeme“, die die Idee des
     ren Beziehungsstrukturen ab, sondern aus seiner be-      Miteinander fördern und für echte Kooperation über
     darfsorientierten Funktion, welches es als Bestandteil   politisch-administrative Grenzen hinaus sorgen.
     einer größeren Systementität (z.B. Alpenraum, EU…)
     einnimmt32. Vereinfacht formuliert bedeutet das: Das     Wollen wir gemeinsam Erfolge generieren, brauchen
     Erarbeiten von Kooperationspotentialen zwischen den      wir ein starkes Wir-Bewusstsein: Wir erkennen die
     Regionen sowie das Heben von Synergieeffekten formt      eigenständige Kraft einzelner Regionen und ihre Mit-
     nicht die Identität einer Region aus.                    verantwortung für Europa über die eigenen Grenzen
                                                              hinaus.
            Eine stabile „Daseinsberechtigung“
            für den SÜD ALPEN RAUM lässt                        Gelungene Kooperationen sollen
            sich nur aus einem größeren                         interessante Planungsräume
            Zusammenhang ableiten.                              entstehen lassen, die nicht
                                                                an administrativen Grenzen
                                                                haltmachen, sondern die Realität –
                                                                das alltägliche Leben – abbilden.

     32
          Kambiz Poostchi (2013): Der Sinn für das Ganze.
16
DER SÜD ALPEN RAUM

MISSION: SÜD ALPEN RAUM – EINE INNOVATIVE,                  UNSERE WERTE: MENSCHLICH.
STARKE ZUKUNFTSREGION!                                      AUTHENTISCH. WELTOFFEN.
Mit gebündelten Ressourcen und Fähigkeiten, ge-             Unsere gelebten Werte prägen unsere innere Haltung,
meinsamen Zielen und belebenden Unterschieden               unser Denken und unsere Beziehungen. Sie gelten als
schaffen wir einen selbstbewussten, zukunftsstif-           kraftvolle Motivationsquelle und dienen als allgegen-
tenden SÜD ALPEN RAUM. Wir etablieren ihn als               wärtige Richtschnur unseres eigenständigen und ge-
attraktiven Lebens- und Schaffensraum, in dem               meinsamen Handelns. In der Zusammenarbeit im SÜD
die Vergangenheit geschätzt, Selbstständigkeit              ALPEN RAUM sind uns folgende Werte besonders wich-
bewahrt und die Zukunft zum Wohl aller gestaltet            tig:
wird.
                                                              • Menschliches Maß „human sized“ – realistische,
                                                            		 verantwortungsvolle Orientierung für Qualität und
SINN & ZWECK: VORBILDRAUM –                                 		Wohlgefühl
MIT NACHHALTIGER ZUSAMMENARBEIT PUNKTEN!                      • Authentizität – mit Bewusstsein für unsere Wurzeln
Wir leisten als selbstbewusste, mutige und starke Zu-         • Weltoffenheit – als zukunftsorientierte Grundlage,
kunftsregion eine wertvolle Arbeit. Durch die Realisie-     		 um Vielfalt zu fördern und zu (er-)leben
rung unserer visionären Mission „SÜD ALPEN RAUM“              • Tatkraft & Fleiß – als Voraussetzung für
stiften wir Nutzen weit über unsere Einzelregionen hin-     		wettbewerbsfähige Leistungen
aus. Unsere nachhaltige Zusammenarbeit leistet einen          • Gemeinschaftssinn – als Basis für wertschätzende,
wichtigen Beitrag im europäischen Kohäsionsprozess          		 gelingende Kooperation und Zusammenarbeit
zu einem ökonomisch, ökologisch und sozial resilien-
ten Europa.                                                 Diese Werte sollen in all unseren eigenständigen und
                                                            gemeinsamen Entscheidungen und Handlungen – nach
CORPORATE IDENTITY (CI): „LIVING COOPERATION                innen und nach außen – wahrnehmbar sein.
LAB“ - STÄRKEN BÜNDELN, LERNCHANCEN NÜTZEN!
Im Einsatz für den SÜD ALPEN RAUM begreifen wir uns         Aufbauend auf diesem Leitbild werden u.a. die unter-
als „lernende Modellregion“ europäischen Formats -          schiedlichen Kommunikationsprodukte entwickelt,
als „living cooperation lab“ - also als eine Region auf     sowie Governancestrukturen im SÜD ALPEN RAUM auf-
einem wichtigen gemeinsamen Entwicklungsweg mit             gebaut.
ihren Akteuren und Individuen.

    In diesem Prozess etablieren wir uns als innovative Zukunftsregion und
    agieren als lernender Lebens- und Schaffensraum, der sich als selbstbewusste,
    nachhaltige Vorbildregion für Kooperation in und für Europa zeigt.
                                                                          We
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                                                                             Kä
                                                                               r

                                                                      nt
                                                                        en

                                                    Vom Rand
Abbildung 2: Vom Rand ins Zentrum                  ins Zentrum

                                                                                                                     17
03   Governance

18
Der Begriff Governance beschreibt, wie in einem Sys-                                        Die europäische Regional- und
tem regiert wird, also wer Entscheidungen trifft und                                        Strukturpolitik ist geprägt von
nach welchem Prinzip diese gefällt werden. Hier soll
aber sofort eine Differenzierung zu klassischen hierar-                                     wechselseitigen Abhängigkeiten
chischen Strukturen und Top-Down Ansätzen gezogen                                           und der Zusammenarbeit der
werden: Governance sagt auch aus, dass verschiedene
Interessen im System Gehör finden, mit den jeweiligen                                       verschiedenen Ebenen EU,
Akteuren ausverhandelt und umgesetzt werden. Damit                                          Nationalstaaten, Bundesländer und
soll die Führungsrolle nicht untergraben, sondern neu
definiert werden 33. In der Europäischen Union kommt                                        Gemeinden. Hier spricht man daher
dem Governance-Ansatz eine große Bedeutung zu.                                              von einem Multilevel Governance
Dazu wurde 2001 das Weißbuch „Europäisches Regie-
ren“ veröffentlicht, wodurch die Europäische Kommis-                                        System, also dem Regieren in einem
sion eine tiefgreifende Reform des Regierens in der EU                                      Mehrebenensystem.
eingeleitet hat. Folgende fünf Grundsätze werden da-
bei als Bausteine guten Regierens definiert:
                                                                                          Um Transparenz in solch einem Mehrebenensystem zu
OFFENHEIT                                                                                 schaffen, wurden die Bausteine guten Regierens von
Für ein gutes Regieren soll offen und transparent ge-                                     der Europäischen Kommission definiert.
arbeitet und kommuniziert werden. Dafür ist es wichtig
zu erklären, wie Aufgaben verteilt sind und Entschei-
dungen zustande kommen. Damit kann das Vertrauen
in die regierenden Institutionen sowie Stakeholder ge-
stärkt werden.
                                                                                          Governance im
PARTIZIPATION
Um gut regieren zu können, ist es unumgänglich, Ak-
                                                                                          SÜD ALPEN RAUM
teure in den Gestaltungsprozess – also von der Kon-                                       In den Regionen des SÜD ALPEN RAUMs bestehen be-
zeptionierung bis hin zur Durchführung – miteinzu-                                        reits verschiedene Instrumente der europäischen
beziehen. Dadurch wird sowohl das Vertrauen in die                                        Regionalpolitik, auf die in der Einleitung allgemein
Entscheidungsträger erhöht als auch Maßnahmen ver-                                        eingegangen und die im Folgenden näher beleuchtet
stärkt mitgetragen.                                                                       werden. Zudem wird die für den SÜD ALPEN RAUM ent-
                                                                                          wickelte Governance präsentiert und erläutert, wie
VERANTWORTLICHKEIT                                                                        sich der SÜD ALPEN RAUM in die bestehenden Systeme
Eine klare Rollenverteilung, die auch nach außen kom-                                     eingliedert.
muniziert wird, führt dazu, dass Verantwortung für
Entscheidungen übernommen werden muss.                                                    INTERREG ITALIEN-ÖSTERREICH
                                                                                          Der Kernraum des SÜD ALPEN RAUMS befindet sich im
EFFEKTIVITÄT                                                                              Fördergebiet des Kooperationsprogramms Interreg V-A
Entscheidungen müssen wirksam sein, zur richtigen                                         Italien-Österreich 2014-2020. Dieses Programm ist
Zeit kommen und auf definierten Zielen und Folgeab-                                       eingebettet in die Europäische territoriale Zusammen-
schätzungen basieren. Entscheidungsgewalt muss zu-                                        arbeit (ETZ) und wird durch den Europäischen Fonds
dem auf der richtigen Ebene angesiedelt sein, damit                                       für regionale Entwicklung (EFRE) finanziert. Ziel von
ein gutes Regieren gelingt.                                                               Interreg V-A Italien-Österreich 2014-2020 ist es, „die
                                                                                          ausgewogene, nachhaltige Entwicklung sowie harmo-
KOHÄRENZ                                                                                  nische Integration im Grenzraum zwischen Italien und
Strategien und konkrete Handlungen müssen aufein-                                         Österreich“ 35 zu fördern. Dabei werden Projekte aus
ander abgestimmt und leicht nachvollziehbar sein 34.                                      den thematischen Achsen Forschung und Innovation,
                                                                                          Natur und Kultur sowie der Ausbau institutioneller
                                                                                          Kompetenz und die Regionalentwicklung auf lokaler
                                                                                          Ebene (CLLD) unterstützt 36.

33
   ÖGUT (o.D.): Partizipation & Nachhaltige Entwicklung in Europa.
34
   Europäische Kommission (2001): Europäisches Regieren – Ein Weißbuch.
35
   Autonome Provinz Bozen – Südtirol (2019): Interreg V-A Italien-Österreich 2014-2020.
36
   Autonome Provinz Bozen – Südtirol (2019): Interreg V-A Italien-Österreich 2014-2020.
                                                                                                                                                   19
In der neuen Programmperiode 2021-2027 wird der Fo-                                        Ziel der EVTZ ist es, die grenzüberschreitende Zusam-
     kus auf folgende Themen der Kohäsionspolitik gelegt:                                       menarbeit zu fördern und somit die Entwicklung der
                                                                                                jeweiligen Grenzregionen voranzutreiben sowie die be-
       • Innovation, Digitalisierung, wirtschaftlicher                                          stehenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
     		 Wandel und Förderung von kleinen und mittleren                                          Verbindungen zu stärken. Außerdem sollen grenzbezo-
     		 Unternehmen tragen zu einem intelligenteren                                             gene Hindernisse für die Einwohner der EVTZ beseitigt
     		Europa bei.                                                                              werden. Durch die Umsetzung gemeinsamer Program-
       • Die Umsetzung des Pariser Abkommens,                                                   me und Projekte, die von der Stärkung der institutio-
     		 Investitionen in erneuerbare Energien sowie der                                         nellen Zusammenarbeit über den Schutz des Natur- und
     		 Kampf gegen den Klimawandel schaffen ein                                                Kulturerbes bis hin zur Verbesserung des nachhaltigen
     		 grüneres und CO2-freies Europa.                                                         Mobilitätsangebots reichen, soll dieses Ziel erreicht
       • Durch die Schaffung von hochwertigen                                                   werden. Es handelt sich also hierbei um ein operatives
     		 Arbeitsplätzen sowie der Förderung von Bildung,                                         Instrument auf regionaler Ebene 39.
     		 Kompetenzen, sozialer Inklusion und Gleichheit
     		 beim Zugang zu medizinischer Versorgung entsteht                                        CLLD-REGIONEN „DOLOMITI LIVE“ UND „HEUROPEN“
     		 ein sozialeres Europa, das die Europäische                                              Der Achse „Regionalentwicklung auf lokaler Ebene“ im
     		 Säule sozialer Rechte umgesetzt.                                                        Interreg V-A Italien-Österreich 2014-2020 kommt be-
       • Die Unterstützung lokaler Entwicklungsstrategien                                       sondere Bedeutung zu:
     		 und nachhaltiger Stadtentwicklung führt zu einem
     		bürgernäheren Europa 37.
                                                                                                    Der CLLD-Ansatz (Community Led
     Die Prioritätsachsen des Programms Interreg VI-A Ita-                                          Local Development) ist eine neue
     lien-Österreich 2021-2027 umfassen darauf basierend
     die Themen Initiativen zur Unterstützung von Innova-
                                                                                                    Governance-Struktur, die darauf
     tion und Unternehmen, Klimawandel und Biodiversi-                                              setzt, dass die lokale Bevölkerung
     tät, Initiativen zur Lokalen Entwicklung (CLLD) sowie
     Initiativen zur Unterstützung von Governance-Maß-
                                                                                                    die Regionalentwicklung
     nahmen.                                                                                        vorantreibt.
     Erreicht werden soll das Ziel von Interreg durch den                                       Es wird davon ausgegangen, dass die Einheimischen
     Abbau grenzbezogener Hemmnisse, den Aufbau grenz-                                          sowie die örtlichen Organisationen und Institutionen
     überschreitender Kooperationen, die Steigerung der                                         am besten wissen, was die Region braucht, um ein at-
     Wettbewerbsfähigkeit sowie die Erhöhung von Lebens-                                        traktiver Lebensraum und wettbewerbsfähig zu sein.
     qualität und Attraktivität der Grenzregionen38.                                            Es handelt sich somit um einen Bottom-Up-Ansatz, der
                                                                                                auf Partizipation und Inklusion verschiedenster lokaler
     EUROPAREGION TIROL-SÜDTIROL-TRENTINO UND                                                   Interessensträger setzt. Im SÜD ALPEN RAUM gibt es
     EUREGIO SENZA CONFINI                                                                      zwei CLLD-Gebiete, Dolomiti Live und HEurOpen.
     Die Europäischen Verbünde für territoriale Zusammen-
     arbeit (kurz EVTZ) stellen ein weiteres Instrument der                                     Dolomiti Live, getragen vom Regionsmanagement Ost-
     Kooperation auf europäischer Ebene dar. Im SÜD ALPEN                                       tirol, umfasst neben ebendiesem das Regional Manage-
     RAUM befinden sich zwei dieser EVTZ: die Europaregion                                      ment LAG Pustertal sowie GAL Alto Bellunese. Die drei
     Tirol-Südtirol-Trentino und die Euroegio Senza Confi-                                      Regionen arbeiten bereits seit dem Jahr 2000 grenz-
     ni, die Regionen Kärnten, Friaul-Julisch Venetien und                                      überschreitend zusammen. Die CLLD-Region HEurOpen
     Venetien umfasst. Somit sind die Verwaltungen der                                          wurde im Jahr 2014 ins Leben gerufen und besteht aus
     jeweiligen Bundesländer (Österreich) bzw. Regionen                                         der LAG Region Hermagor sowie GAL Open Leader (Ge-
     (Italien) zuständige Vertreter in diesen EVTZ. Beide                                       monese, Canal del Ferro e Val Canale) und GAL Euro-
     Zusammenschlüsse basieren auf der gemeinsamen                                              leader (Carnia) 40.
     Geschichte und der daraus resultierenden engen Ver-
     flechtungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen
     Lebens.

     37
        Autonome Provinz Bozen – Südtirol (2019): Interreg V-A Italien-Österreich 2014-2020. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Förderperiode 2021-2027.
     38
        Autonome Provinz Bozen – Südtirol (2019): Interreg V-A Italien-Österreich 2014-2020.
     39
        GECT Euregio Senza Confini (o.D.): EVTZ Euregio Senza Confini.
     40
        GAL und LAG stehen für die Lokalen Aktionsgruppen, die in der jeweiligen Leader-Region für die Umsetzung der lokalen Entwicklungsstrategien zuständig sind.
20
GOVERNANCE

Beide CLLD-Regionen haben ihre eigene Entwicklungs-                                         SÜD ALPEN RAUM
strategie erarbeitet, die die Ziele für eine nachhaltige                                    Wie auch bei der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino
Entwicklung sowie die darauf basierenden Maßnahmen                                          und der Euroegio Senza Confini basiert der SÜD ALPEN
enthalten. In den beiden CLLD-Gebieten im SÜD ALPEN                                         RAUM auf der gemeinsamen Geschichte und der dar-
RAUM sind die Rahmenbedingungen und die damit                                               aus resultierenden gesellschaftlichen, kulturellen und
verbundenen Herausforderungen sehr ähnlich. Das                                             wirtschaftlichen Verflechtungen.
Hauptziel ist daher in beiden Regionen die Förderung
des innovativen, nachhaltigen und inklusiven Wachs-                                         Ziel des SÜD ALPEN RAUMs ist es, diese engen Beziehungen
tums. Dolomit Live und HEurOpen setzen dafür in der                                         durch grenzüberschreitende Kooperation zu stärken und
Periode 2014-2020 ähnliche Schwerpunkte:                                                    gemeinsam einen attraktiven Lebens- und Schaffensraum
                                                                                            zu etablieren. Dafür wurde ein erster Vorschlag für ein eige-
 • Steigerung der wirtschaftlichen Innovation und                                           nes Governance-System entwickelt, das in Abbildung 2 bild-
		des Wirtschaftspotentials                                                                 lich dargestellt wird.
 • Erhalt und Inwertsetzung des naturräumlichen und
		kulturellen Potentials                                                                    Mit diesem Governance-Modell sollen die beschriebenen
 • Stärkung im Bereich neuer sozialer Bedürfnisse und                                       Grundsätze des guten Regierens erfüllt werden. Auf der SÜD
		soziale Inklusion                                                                         ALPEN RAUM Konferenz, die einmal pro Jahr stattfindet und
 • Institutionelle Kooperation und integrierte                                              an der Stakeholder wie z.B. Gemeinden, Tourismusorganisa-
		Strategien 41.                                                                            tionen, Interessensvertreter und die Regional- und LEADER-
                                                                                            Managements aus dem SÜD ALPEN RAUM teilnehmen, wird
CLLD-Gebiete stellen somit die lokale Ebene im Mehr-                                        die strategische Richtung festgelegt. Zudem bestellen die
ebenensystem und ein operatives Instrument der                                              Teilnehmer der Konferenz den SÜD ALPEN RAUM Rat. Dieser
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit dar.                                                   stellt das Steuerungsgremium dar und kommt vier Mal pro
                                                                                            Jahr zusammen. Der Rat setzt sich z.B. aus einem Vertreter
                                                                                            pro EVTZ, je einem Vertreter pro Region und je einem Vertre-
       Der SÜD ALPEN RAUM sieht                                                             ter aus den beiden CLLD-Regionen zusammen. Während die
       sich als regionales Instrument                                                       Konferenz als strategisches Instrument dient, stellt der Rat,
                                                                                            der eng mit dem SÜD ALPEN RAUM Management zusammen-
       der grenzüberschreitenden                                                            arbeitet, die operative Ebene dar. Im Rat werden Aktivitäten
       Zusammenarbeit ähnlich eines                                                         und Ressourcen festgelegt, um das oben genannte Ziel der
                                                                                            verstärkten grenzübergreifenden Kooperation zu erreichen.
       Europäischen Verbunds für                                                            Die Aufgabe des SÜD ALPEN RAUM Managements ist es
       territoriale Zusammenarbeit (EVTZ).                                                  dann, diese Maßnahmen umzusetzen und zu begleiten.

                        Süd Alpen Raum RAT                                                                                                            E b e n e
                             Treffen 4x pro Jahr                                                          Süd Alpen Raum KONFERENZ
                                                                                                                   Treffen 1x pro Jahr
       1 Vertreter pro EVTZ
       1 Vertreter pro Region plus Städte                                                       Mitglieder: Tourismusorganisationen
       1 Vertreter pro CLLD Region                                                              Kommunen, LAGs/RMOs, Verbände
         Steuerungsgremium                                                                        bestellt Rat
         bestimmt Instrumente + Ressourcen                                                        bestimmt strategische Richtung
                                                                                                                                                      F o r m e l l e

         enge Zusammenarbeit mit Mangement

                                                            Süd Alpen Raum MANAGEMENT
                                                          1 Person plus Unterstützung von Mitgliedern

                                            Kommunikation/Koordination/Umsetzung von Maßnahmen
                                                       koordiniert + bereitet für Rat vor
                                                                                                                                                    Informelle

                   Thematische Arbeitsgruppen                                                                 Süd Alpen Raum TAG
                                                                                                                                                      Ebene

                                    Klausuren                                                                 Veranstaltung 1x pro Jahr

                        Entwicklung von Projekten                                                         Information + Kommunikation

Abbildung 3: Governance im SÜD ALPEN RAUM (Entwurf Stand April 2021)

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     CLLD-Region Dolomiti Live: CLLD-Strategie Dolomiti Live; CLLD-Region HEurOpen: CLLD-Strategie HEurOpen
                                                                                                                                                                        21
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