Stress und Stressbewältigung
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Wissen // Übersichten/Reviews Stress und Stressbewältigung Stressbewältigungstraining kann körperliche Beschwerden und negative psychische Befindlichkeit reduzieren sowie die individuelle Bewältigung von Belastungen fördern Gert Kaluza Stress als gesundheitlicher Risikofaktor Psychosozialer Stress stellt einen (mit-) verursachenden, auslösenden oder ag gravierenden Faktor besonders bei kardio- vaskulären, psychosomatischen und psy- chischen Erkrankungen sowie bei einer Vielzahl weiterer Krankheitsbilder und Beschwerden dar. Eine chronische Aktivie- rung des biologischen Stresssystems (v. a. der Hypothalamus-Hypophysen-Neben- nierenrinden-Achse) gefährdet zusammen mit mangelnder Erholung, einem ge- schwächten Immunsystem sowie zuneh- mendem selbstgefährdenden Gesund- heitsverhalten die körperliche und psychi- sche Gesundheit. So besteht bei chronisch belasteten Personen im Vergleich zu Nicht-Belasteten jeweils eine Risikover- Abb. 1: Stress: Risikofaktor besonders für kardiovaskuläre, psychosomatische und psychische dopplung für das Auftreten eines Herzin- Erkrankungen. © olly/Fotolia; nachgestellte Situation farkts und einer Depression [2] [10]. Gra- vierende Veränderungen in unserer Ar- Strukturelle Präventionsmaßnahmen source der Stressbewältigung darstellen. beitswelt, die im Zusammenhang mit der zielen auf eine Veränderung von überindi- Sie verfolgen das Ziel, belastende Kom- voranschreitenden globalisierten Arbeits- viduellen belastenden Strukturen, die au- munikations- und Interaktionsstruktu- teilung stehen und steigende Anforderun- ßerhalb des unmittelbaren Einflussbe- ren abzubauen sowie soziale Unterstüt- gen an die Mobilität, Flexibilität sowie Ei- reichs des Einzelnen liegen. In der Arbeits- zungspotenziale zu fördern. Beispiele für gensteuerungskompetenz und Leistungs- welt geht es dabei bspw. um Maßnahmen Interventionen auf dieser Ebene sind bereitschaft des Einzelnen nach sich zie- zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privat- Trainingsprogramme für Führungskräfte hen sowie die zunehmende Auflösung leben, um die Organisation von Arbeitsab- zur Entwicklung eines mitarbeiterorien- traditionsbestimmter, Halt gebender Sinn- läufen und um die Entwicklung einer ge- tierten Führungsstils sowie Maßnahmen , Werte- und Sozialstrukturen in der mo- sundheitsförderlichen Arbeits- und Leis- zur Teamentwicklung und zum Kon- dernen Gesellschaft lassen erwarten, dass tungskultur. fliktmanagement [9]. das Belastungsniveau zukünftig eher noch Interpersonale Präventionsmaßnah- Personale Präventionsmaßnahmen steigen wird. So stellt sich die Frage, wie men gehen von der Erkenntnis aus, dass richten sich an Einzelpersonen mit dem stressbedingten Gesundheitsgefahren zwischenmenschliche Beziehungen ei- Ziel, deren individuelle Kompetenzen für wirksam vorgebeugt werden kann. Drei nerseits eine häufige Quelle von Belas- einen gesundheitsförderlichen Umgang Ebenen möglicher Interventionen lassen tungen (Konflikte, Konkurrenz, Verluste), mit Belastungen in Beruf und Alltag zu sich unterscheiden: andererseits aber auch eine wichtige Res- stärken. Sie beruhen zumeist auf der Kaluza G. Stress und Stressbewältigung. EHK 2014; 63: 261–266 261
diese zu reduzieren oder ganz auszuschal- ZUSAMMENFASSUNG ABSTR AC T ten, z. B. durch Umorganisation des Arbeits- Psychosozialer Stress gefährdet zunehmend Psychosocial stress increasingly endangers platzes, durch Veränderung von Arbeitsab- unsere körperliche und psychische Gesund- our physical and mental health. Compared läufen, durch die Organisation von Hilfen heit. So besteht bei chronisch belasteten to people, who are not stressed, the risk of etc. Instrumentelles Stressmanagement Personen im Vergleich zu Nicht-Belasteten suffering from heart attack or depressions is kann reaktiv auf konkrete, aktuelle Belas- jeweils eine Risiko-Verdopplung für das Auf- twice as high in people, who are chronically tungssituationen hin erfolgen, und auch treten eines Herzinfarkts und einer Depres- stressed. The article deals with the question, proaktiv auf die Verringerung oder Aus- sion. Der Beitrag geht der Frage nach, wie how precautions can be taken against stressbedingten Gesundheitsfaktoren wirk- stress-induced health factors. This includes schaltung zukünftiger Belastungen und auf sam vorgebeugt werden kann. Dazu gehö- stress management trainings, where the eine möglichst stressfreie Gestaltung eige- ren Stressbewältigungstrainings, in denen participants successfully learn to achieve fle- ner Arbeits- und Lebensbedingungen aus- die Teilnehmer erfolgreich lernen, wie sie xibility in dealing with daily stress. gerichtet sein. Beispiele hierfür sind: Flexibilität im Umgang mit alltäglichen Be- Keywords ■■ Information suchen lastungen erreichen. Stress, stress management training, stress ■■ Arbeitsaufgaben delegieren Schlüsselwörter management, Stress-Ampel (stress traffic ■■ persönliche Zeitplanung verändern Stress, Stressbewältigungstraining, Stress- light). ■■ Grenzen setzen, „Nein“ sagen management, Stress-Ampel. ■■ nach Unterstützung suchen, soziales Netzwerk aufbauen ■■ Klärungsgespräche führen transaktionalen Stresstheorie, wonach in- lastungsfaktoren als auch durch subjekti- ■■ Arbeitsaufgaben gezielt strukturieren dividuelle Bewertungs- und Bewälti- ve Formen der Belastungsverarbeitung ■■ persönliche/berufliche Prioritäten gungsprozesse ausschlaggebend dafür bestimmt wird. definieren sind, ob und wie sich Belastungen auf die Mentales Stressmanagement setzt an bei Gesundheit auswirken [8]. persönlichen stressverschärfenden Ein- Um nachhaltige Präventionswirkungen Strategien individueller stellungen und Denkmustern. Diese be- zu erzielen, sollten strukturelle, interper- Stressbewältigung wusst zu machen, kritisch zu reflektieren sonale und personale Maßnahmen in um- und in stressvermindernde, förderliche schriebenen Lebenswelten (z. B. Betrieb, Ausgehend von einem transaktionalen Einstellungen und Bewertungen zu trans- Schule, Kommune, Krankenhaus usw.) Stressverständnis lassen sich pragmatisch formieren ist das Ziel mentaler Strategien kombiniert durchgeführt werden. Da- 3 Ansatzpunkte und darauf bezogene der Stressbewältigung. Beispiele hierfür durch werden einseitige Schuldzuschrei- Hauptwege der individuellen Stressbewäl- sind: bungen vermieden, und es wird der Kom- tigung unterscheiden [5] (Abb. 2): ■■ Perfektionistische Leistungsansprü- plexität des Stressgeschehens Rechnung Instrumentelles Stressmanagement che kritisch überprüfen und eigene getragen, das sowohl durch objektive Be- setzt an den Stressoren an mit dem Ziel, Leistungsgrenzen akzeptieren lernen, ■■ Schwierigkeiten nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung sehen, Anforderungen aktiv ■■ sich mit alltäglichen Aufgaben Stressoren begegnen Instrumentelle weniger persönlich identifizieren, mehr innere Distanz wahren, Stresskompetenz ■■ sich nicht im alltäglichen Kleinkrieg verlieren, den Blick für das „Wesentli- che“, das, was wirklich wichtig ist, Persönliche Förderliche Gedanken und bewahren, ■■ sich des Positiven, Erfreulichen, Stress- Einstellungen entwickeln Gelungenen bewusst werden und verstärker Mentale Dankbarkeit empfinden, Stresskompetenz ■■ weniger feste Vorstellungen und Erwartungen haben, die Realität akzeptieren. Entspannen, erholen, Stress- Palliativ-regeneratives Stressmange- Ausgleich schaffen ment setzt bei den körperlichen und psy- reaktion Regenerative chischen Stressreaktionen an mit dem Ziel, Stresskompetenz körperliche Anspannung zu lösen und in- nere Unruhe und Nervosität zu dämpfen Abb. 2: Ansatzpunkte und 3 Hauptwege der individuellen Stressbewältigung. sowie die eigene Widerstandskraft gegen- 262 Kaluza G. Stress und Stressbewältigung. EHK 2014; 63: 261–266
Übersichten/Reviews über Belastungen zu erhalten und neue Leistungsanforderung Energien aufzubauen. Beispiele sind: Zu viel Arbeit Ich gerate in ■■ Regelmäßiges Praktizieren einer Stress, wenn … Stressoren Soziale Konflikte Entspannungstechnik, Zeitdruck Störungen ■■ regelmäßige Bewegung, ■■ Pflege außerberuflicher sozialer Ungeduld Kontakte, Ich setze mich Persönliche Perfektionismus ■■ regelmäßiger Ausgleich durch Hobbys selbst unter Stress- Kontrollstreben und Freizeitaktivitäten, Stress, indem … Einzelkämpfertum verstärker Selbstüberforderung ■■ lernen, die kleinen Dinge des Alltags zu genießen, ■■ ausreichender Schlaf. Wenn ich im Stress- Körperliche, emotionale mentale, verhaltensbezogene Stress bin, dann … reaktion Aktivierung Stressbewältigungstraining langfristig Ziele und Inhalte Erschöpfung Krankheit Das generelle Ziel von Stressbewältigungs- Abb. 3: Die „Stressampel“. trainings (SBT) besteht in der Förderung der körperlichen und psychischen Ge- sundheit durch eine Verbesserung der in- Einstiegsmodul nung im Alltag und unter akuten Belas- dividuellen Kompetenzen zur Stressbe- Die TN lernen ein vereinfachtes Stressmo- tungsbedingungen ermöglicht. wältigung. Dabei geht es nicht darum, die dell, die sog. „Stress-Ampel“ (Abb. 3), ken- Teilnehmenden (TN) in einer bestimmten nen, das eine Differenzierung in äußere Trainingsmodul 2: Förderliche Denk- Standardstrategie der Belastungsbewälti- Stressoren, innere persönliche Stressver- weisen und Einstellungen entwickeln gung zu trainieren. Das Ziel besteht viel- stärker und Stressreaktionen vornimmt, – Das Mentaltraining mehr darin, auf der Basis einer möglichst und beziehen dieses auf ihr persönliches Die TN erfahren die stressverstärkende breiten Palette von sowohl instrumentel- alltägliches Stresserleben. Sie erhalten Wirkung von persönlichen Denkweisen len als auch mentalen und palliativ-rege- grundlegende Informationen zur Biologie anhand von Beispielen sowie durch prak- nerativen Strategien Flexibilität im Um- der Stressreaktion und deren mögliche tische Imaginations- und/oder kleinere gang mit alltäglichen Belastungen zu er- Folgen für die Gesundheit. Dem ressour- Stressinduktionsübungen. Sie tragen eige- reichen. cenorientierten Ansatz entsprechend tra- ne stressverstärkende Denkweisen zu- Deutschsprachige Manuale für die gen die TN bereits erfolgreich eingesetzte sammen und lernen die folgenden 5 Durchführung von SBTs in Gruppen liegen Strategien zur Stressbewältigung zusam- stressverstärkenden Denkmuster und da- vor von Kaluza (2011), Wagner-Link (2010) men und ordnen diese einem der 3 Haupt- rauf bezogene förderliche stressvermin- sowie Drexler (2006). Im Folgenden wird wege des individuellen Stressmanage- dernde Denkmuster kennen: die Praxis von SBTs am Beispiel des Ge- ments (s. o.) zu. ■■ „Das gibt’s doch nicht“-Denken vs. sundheitsförderungsprogramms „Gelassen „Das Annehmen der Realität“ und sicher im Stress“ [4, 5] dargestellt. Das Trainingsmodul 1: Entspannen und los- ■■ „Blick auf das Negative“ vs. „Blick auf Programm ist als fortlaufendes Gruppen- lassen – Das Entspannungstraining das Positive“ – Orientieren auf training mit 12–16 wöchentlich stattfin- Die TN erlernen die Progressive Muskelre- Chancen und Sinn“ denden Trainingssitzungen konzipiert. Für laxation. Diese dient der Erholung und ■■ „Defizit“-Denken vs. „Stärken“- Den- manche Zielgruppen, z. B. im betrieblichen dem Belastungsausgleich und kann auch ken Kontext, empfiehlt es sich, den Kurs teil- zur kurzfristigen Bewältigung einer aku- ■■ „Negatives Konsequenzen“-Denken weise oder sogar ganz als Blockveranstal- ten Belastungssituation eingesetzt wer- vs. „Positives Konsequenzen“-Denken tung durchzuführen. Auch Intervalltrai- den. Sie wird bereits in der 2. Trainingsein- ■■ „Personalisieren“ vs. „Distanzieren nings, die aus 2 oder 3 1- bis 2-tägigen heit mit einer sog. Langform, die aus ins- und Relativieren“ Blöcken bestehen, sind möglich. gesamt 16 Muskelpartien besteht, einge- Techniken zur kognitiven Umstrukturie- Inhaltlich besteht das Trainingspro- führt. Im weiteren Verlauf wird die rung (wie z. B. Realitätstestung, temporale gramm aus 5 Basismodulen (Einstiegsmo- Entspannungsübung durch Zusammenfas- Relativierung, Distanzierung durch Rol- dul und 4 Trainingsmodule) und 5 Ergän- sen von Muskelpartien mehr und mehr lentausch, Entkatastrophisieren etc.) wer- zungsmodulen. Die Basismodule repräsen- verkürzt. Dadurch und durch die Einfüh- den vorgestellt und an Beispielen erprobt. tieren das obligate inhaltliche „Pflichtpro- rung eines sog. individuellen „Ruhewor- Die TN wählen sich maximal 3 Techniken gramm“, während die Ergänzungsmodule tes“ wird die Anwendung der Entspan- aus, die sie in ihrem Alltag regelmäßig ein- optionale Kurseinheiten beschreiben. setzen möchten. Kaluza G. Stress und Stressbewältigung. EHK 2014; 63: 261–266 263
Trainingsmodul 4: Erholen und genießen – Das Genusstraining Die TN werden dazu angeregt, eine ganz persönliche regenerative „Gegenwelt“ zu entdecken, zu entwickeln und gegenüber den Anforderungen von Beruf und Alltag zu behaupten. In einem 1. Schritt geht es darum, einen neuen Zugang zu positiven Emotionen zu finden, frühere positive Er- lebnisse wiederzubeleben und Lust auf neue Erfahrungen zu wecken. Hierzu wer- den erlebnisaktivierende Methoden aus der sog. „Kleinen Schule des Genießens“ (vgl. Koppenhöfer 2004) eingesetzt. In praktischen Übungen wird die sinnliche Wahrnehmung geschult und die Aufmerk- samkeit gezielt auf angenehme Erlebnisse im Alltag gelenkt. Durch Reflexion dieser Abb. 4: Ein soziales Netz, Familie und Freunde, sind eine wichtige Ressource bei der Stressbewältigung. Diese gilt es zu pflegen. © Westend61; nachgestellte Situation kleinen Alltagsfreuden werden Genussre- geln entwickelt wie: Neben Denkmustern spielen auch gene- ■■ Schritt 2: „Ideen zur Bewältigung ■■ Nimm dir Zeit zum Genießen. ralisierte Einstellungen in Form von abso- sammeln“: Hier erfolgt, unter ■■ Genieße bewusst. lutistischen Ansprüchen an sich selbst Beteiligung der gesamten Kursgrup- ■■ Planen schafft Vorfreude. eine wichtige Rolle für das individuelle pe, eine bewertungsfreie Suche nach In einem 2. Schritt planen die TN dann – Stresserleben. Sie beruhen auf einer Über- Möglichkeiten der Bewältigung der möglichst konkret und realistisch – ange- steigerung normaler menschlicher Motive. belastenden Situation in Form eines nehme Aktivitäten (bzw. „Passivitäten“) Entsprechend der mit ihnen jeweils ver- Brainstormings. von Woche zu Woche, um aktiv einen Be- bundenen Motive können die folgenden 5 ■■ Schritt 3: „Den eigenen Weg finden“: lastungsausgleich herbeizuführen. Dabei sog. »persönlichen Stressverstärker« un- Der betreffende TN trifft eine gewonnene Erfahrungen werden reflek- terschieden werden: Positiv-Auswahl unter den vorge- tiert und mögliche Hindernissen bespro- ■■ Sei perfekt! – Leistungsmotiv schlagenen Bewältigungsmöglichkei- chen. In einem letzten Schritt planen die ■■ Sei beliebt! – Anschlussmotiv ten und entscheidet sich für einen der TN ihr „persönliches Gesundheitsprojekt“ ■■ Sei stark! – Autonomiemotiv (ggf. auch eine Kombination mehre- mit regelmäßigen angenehmen Aktivitä- ■■ Sei vorsichtig! – Kontrollmotiv rer) Vorschläge. ten zum Belastungsausgleich. ■■ Ich kann nicht (auch: Ich kann das ■■ Schritt 4: „Konkrete Schritte planen“: nicht aushalten)! – Schonungsmotiv Hier geht es darum, das konkrete Ergänzungsmodul 1: Stressbewälti- Diese werden reflektiert und die TN for- Vorgehen bei der Realisierung des gung durch Sport und mehr Bewegung mulieren mithilfe der Gruppe stressver- ausgewählten Vorschlags möglichst Dieses Ergänzungsmodul thematisiert mindernde, förderliche, „erlaubende“ Ge- genau zu planen. Rollenspiele und Sport und Bewegung als eine basale Stra- danken. Vorstellungsübungen werden tegie der palliativ-regenerativen Stressbe- eingesetzt, um den TN möglichst gut wältigung. Die TN werden über die positi- Trainingsmodul 3: Stresssituationen auf die Durchführung der Schritte im ven Auswirkungen körperlicher Aktivität wahrnehmen, annehmen und Alltag vorzubereiten. auf die körperliche und psychische Ge- verändern – Das Problemlösetraining ■■ Schritt 5: „Im Alltag handeln“: Dieser sundheit informiert und es werden ihnen Hier findet eine lösungsorientierte Ausei- Schritt, auf den alle vorhergehenden praktikable Wege zur Steigerung körperli- nandersetzung mit konkreten Belastungen Schritte hinführen, findet außerhalb cher Aktivität im Alltag aufgezeigt. Darü- einzelner TN statt. Das praktische Vorge- der Kursstunden statt. ber hinaus werden während der Kurssit- hen gliedert sich in 6 Schritte: ■■ Schritt 6: „Bilanz ziehen“: Hier geht zungen selbst praktische Bewegungs- ■■ Schritt 1: „Dem Stress auf die Spur es darum, die Ergebnisse der übungen durchgeführt. kommen“: Die TN lernen, anhand Durchführung (Schritt 5) zu bewerten eines vereinfachten verhaltensanaly- und nach Gründen für das Gelingen Ergänzungsmodul 2: Soziales Netz tischen Schemas, dem sog. „Stressde- oder Misslingen der Problemlösung Hier werden die soziale Integration und tektiv“, ihre alltäglichen Stresserfah- zu suchen. soziale Unterstützung als wichtige Res- rungen genau zu beobachten und zu source der Stressbewältigung themati- beschreiben. siert. Die TN reflektieren ihr soziales Netz 264 Kaluza G. Stress und Stressbewältigung. EHK 2014; 63: 261–266
mittels einer „Mindmap“. Der Fokus liegt Wichtigkeit und Dringlichkeit sowie die Indikationen und Kontra dabei auf unterstützenden, vertrauensvol- Zeit- und Aufgabenplanung unter Berück- indikationen len Beziehungen. Sie formulieren „Pflege- sichtigung der eigenen Leistungskurve. SBTs kommen sowohl im Bereich der all- tipps für das soziale Netz“ und erproben gemeinen und betrieblichen Gesundheits- deren Umsetzung (Abb. 4). Ergänzungsmodul 5: Die Quart-A-(4A-) förderung als auch im Rahmen von ambu- Strategie für den Akutfall lanten und stationären Rehabilitations- Ergänzungsmodul 3: Der kurzfristige Umgang mit akuten Belas- maßnahmen zum Einsatz. Sie werden Blick in die Zukunft tungssituationen ist das Thema dieses Er- ferner auch sekundarpräventiv z. B. bei Dieses Modul regt die TN zur Entwicklung gänzungsmoduls. Es wird eine Strategie Personen mit essentieller Hypertonie oder einer positiven Zukunftsvision an. Diese vermittelt, die zum Ziel hat, akute körper- Spannungskopfschmerzen mit dem Ziel kann, indem sie sinn- und identitätsstif- liche und seelische Erregung zu kontrollie- einer Chronifizierungsprophylaxe einge- tend wirkt, selbst eine wichtige Ressource ren, Symptomstress zu vermeiden bzw. setzt. Klinische Anwendungen von SBTs der Stressbewältigung darstellen und hel- Stresstoleranz zu entwickeln sowie Han- bestehen bspw. bei der Behandlung von fen, eigene Prioritäten zu finden, Anforde- deln, falls erforderlich, möglich und ge- somatoformen Störungen und psycho- rungen als Herausforderungen auf dem wollt, zu ermöglichen. Diese sog. Quart-A- vegetativen Erschöpfungszuständen sowie Weg zum Ziel wahrzunehmen. und die (4A-)Strategie besteht aus 4 Schritten: in der kardiologischen Rehabilitation. Bei eigene Stresstoleranz zu erhöhen. Die TN ■■ Annehmen: Das bedeutet, die Menschen mit chronischen Erkrankungen entwickeln in einer Visualisierungsübung Situation so zu akzeptieren, wie sie (z. B. Asthma bronchiale, Neurodermitis, eine positive Vision für einen nächsten ist (statt mit ihr zu hadern). chronische Schmerzerkrankung) können Schritt in der Zukunft. Diese Vision bildet ■■ Abkühlen: Das bedeutet, überschie- sie mit dem Ziel der Rezidivprophylaxe die Grundlage für die Formulierung von ßende Erregung in einer akuten (Tertiärprävention) und Unterstützung Zielen in verschiedenen Lebensberei- Stresssituation zu regulieren (statt der Krankheitsbewältigung eingesetzt chen. sich in sie hineinzusteigern). werden. ■■ Analysieren: Dies bedeutet, sich einen Kontraindikationen bestehen bei akuten Ergänzungsmodul 4: Keine Zeit? – Sinn- kurzen Moment Zeit zu nehmen, um endogenen Psychosen sowie bei Patienten volle Zeiteinteilung im Alltag zu einer bewussten und schnellen mit stark ausgeprägter Zwangssymptoma- Ziel dieses Ergänzungsmoduls ist es, den je Einschätzung hinsichtlich eigener tik. Der Trainingscharakter des Verfahrens persönlichen Umgang der Teilnehmenden Handlungsmöglichkeiten zu kommen. impliziert, dass für eine erfolgreiche Teil- mit ihrer Zeit zu reflektieren, eigene Ver- ■■ Ablenkung oder Aktion: Je nach nahme an einem SBT Selbstreflektions- haltensweisen und Einstellungen als mit- Ausgang der Kurzanalyse geht es hier und Gruppenfähigkeit sowie Eigensteue- verursachend für Zeitprobleme zu erken- entweder um Ablenkung von der rungskompetenzen aufseiten der TN vor- nen und Anregungen zu einer gesund- Situation oder um gezielte Aktionen ausgesetzt werden. Relativ kontraindiziert, heitsförderlichen Zeiteinteilung zu geben. zur Änderung der Situation. weil meist wenig erfolgversprechend, sind Im Vordergrund steht dabei das Setzen von SBTs daher in den Fällen, in denen diese Prioritäten unter den Gesichtspunkten Voraussetzungen persönlichkeitsbedingt
Wirksamkeit ÜBER DEN AUTOR Servicekasten Zusammenfassende Analysen einschlägi- Wo können die Module erlernt ger Evaluationsstudien [1, 4] konnten die werden? Wirksamkeit von Stressbewältigungstrai- Das GKM-Institut für Gesundheitspsy- nings besonders im Hinblick auf eine Re- chologie bietet regelmäßig duzierung von körperlichen Beschwerden Train-the-Trainer-Seminare an, in denen und negativer psychischer Befindlichkeit die praktische Durchführung von Stress- (Ängstlichkeit, Depressivität) sowie von bewältigungstrainings vermittelt wird. Ärger- und Feindseligkeitsreaktionen be- Nähere Informationen unter www. legen. Verbesserungen bei der individuel- gkm-institut.de. len Bewältigung von Belastungen konnten ebenfalls in mehreren Studien nachgewie- Was kann der niedergelassene Arzt sen werden. Deutlich geringer fallen dage- tun? gen die Effekte hinsichtlich der Anzahl, Gert Kaluza, Jahrgang 1955, ist Diplom-Psycho- Ärzte sollten bei Vorliegen stressbeding- Häufigkeit und Intensität erlebter Belas- loge und psychologischer Psychotherapeut. Er ter Beschwerden ihre Patienten zur Teil- ist als Trainer, Coach und Autor im Bereich der tungen aus. Der wesentliche Effekt einer nahme an einem Stressbewältigungstrai- individuellen und betrieblichen Gesundheitsför- Trainingsteilnahme besteht somit darin, derung tätig (www.gkm-institut.de). ning motivieren. Informationen über dass die TN bei weitgehend unverändert entsprechende regionale Angebote sind bestehenden Belastungen durch einen ver- KORRESPONDENZADRESSE in der Regel bei den gesetzlichen Kran- Prof. Dr. Gert Kaluza änderten Umgang mit diesen Belastungen kenkassen abrufbar. GKM-Institut für Gesundheitspsychologie ein verbessertes körperliches und psychi- Liebigstr. 31a Welche Voraussetzungen werden sches Befinden erreichen. Einige Studien 35039 Marburg benötigt, um das Programm in der konnten zeigen, dass dieser Effekt über die Praxis anzubieten? Dauer des Trainings hinaus anhält, zum E-Mail: kaluza@gkm-institut.de Teil sich sogar noch verstärkt. www.gkm-institut.de Nach Besuch eines Train-the-Trainer-Se- minars können Ärzte ggf. auch selbst [5] Kaluza G. Stressbewältigung. Trainingsma- Stressbewältigungsprogramme in ihrer Interessenkonflikte: Der Autor erklärt, dass keine nual zur psychologischen Gesundheitsförde- Praxis anbieten. wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen rung. 2. Aufl. Heidelberg: Springer; 2011 bestehen. Wie erfolgt die Abrechnung in der [6] Kaluza G. Gelassen und sicher im Stress – Das Stresskompetenz-Buch. 5. Aufl. Berlin: Praxis? Online zu finden unter: Springer; 2014 Die Teilnahme an einem Stressbewälti- http://dx.doi.org// 10.1055/s-0033-1357714 [7] Koppenhöfer E. Kleine Schule des gungstraining wird von den gesetzlichen Genießens. Lengerich: Pabst; 2004 Krankenkassen nach § 20 SGB V als Prä- Literatur [8] Lazarus RS, Launier R. Streßbezogene ventionsmaßnahme bezuschusst. Vor- [1] Bamberg E, Busch C. Stressbezogene Transaktionen zwischen Person und aussetzung dafür ist, dass das Training Umwelt. In: Nitsch JR, Hrsg. Stress. Interventionen in der Arbeitswelt. zuvor von der „Zentralen Prüfstelle Prä- Zeitschrift für Arbeits- und Organisations- Theorien, Untersuchungen, Maßnahmen. vention“ (http://www.vdek.com/ver- psychologie 2006; 50: 215–226 Bern: Huber; 1981: 213–259 tragspartner/Praevention/zentrale_ [2] Berkman L, Kawachi I, eds. Social [9] Matyssek A. Gesundes Team – gesunde pruefstellepraevention.html) zertifiziert Epidemiology. Oxford: University Press; Bilanz. Ein Leitfaden zur gesundheitsgerech- worden ist. Das hier vorgestellte Pro- 2000 ten Mitarbeiterführung. Wiesbaden: Universum; 2003 gramm „Gelassen und sicher im Stress“ [3] Drexler D. Das integrierte Stress-Bewälti- erfüllt die dafür erforderlichen inhaltli- gungs-Programm ISP. 2. Aufl. Stuttgart: [10] Rensing L, Koch M, Rippe B, et al. Mensch chen und methodischen Anforderungen. Klett-Cotta; 2006 im Stress. Psyche, Körper, Moleküle. München: Elsevier; 2006. [4] Kaluza G. Förderung individueller Belastungsverarbeitung: Was leisten [11] Wagner-Link A. Verhaltenstraining zur oder wegen einer akuten existenziell Stressbewältigungsprogramme? In: Röhrle Stressbewältigung: Arbeitsbuch für bedrohlichen Belastung oder aufgrund ei- B, Hrsg. Prävention und Gesundheitsförde- Therapeuten und Trainer. 6. Aufl. Stuttgart: ner vorrangig und spezifisch zu behan- rung. Bd. 2. Tübingen: DGVT; 2002: Klett-Cotta; 2010 delnden psychischen Störung einge- 195–218 schränkt sind. 266 Kaluza G. Stress und Stressbewältigung. EHK 2014; 63: 261–266
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