Systemischer Lupus erythematodes: wie im Jahr 2013 sinnvoll behandeln?

 
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Systemischer Lupus erythematodes:
wie im Jahr 2013 sinnvoll behandeln?
Fleur Baumann Benvenuti, Jean Dudler
Clinique de rhumatologie et Service de médecine physique et rééducation, HFR Fribourg, Hôpital Cantonal, Fribourg

                                                                                        Zudem stellt der SLE den Archetypus der systemischen
                                                                                        Autoimmunerkrankungen dar, weshalb die allgemei-
Quintessenz
                                                                                        nen Prinzipien für seine Behandlung auch für alle an-
   Der systemische Lupus erythematodes ist eine komplexe und poly-                      deren spezifischen und unspezifischen Kollagenosen
morphe Erkrankung, deren Behandlung sich nach den pragmatischen                         gelten. Die Erkrankung kann so gut wie alle Organe
Therapiezielen richten muss, welche mindestens vierteljährlich im Rah-                  betreffen und zeigt ein breites Spektrum klinischer und
men einer systematischen klinischen Beurteilung und anhand einer ein-                   immunologischer Manifestationen sowie verschiedene
fachen routinemässigen Laboruntersuchung festzulegen sind.                              Schweregrade der jeweiligen Organbeteiligung. Sie kann
   Anhand der modernen bildgebenden Verfahren konnte nachgewiesen                       sowohl schwerwiegend sein und schnell progredient
werden, dass die Gelenkbeschwerden beim Lupus erythematodes durch                       verlaufen, so dass für den Patienten Lebensgefahr
eine echte entzündliche Arthritis mit Synovitiden, Tenosynovitiden und                  besteht, als auch «rein symptomatisch», ohne Organbe-
Knochenerosionen bedingt sind und es daher sinnvoll ist, diese mit                      teiligung auftreten, mit mehr oder minder starker
modernen Medikamenten im Hinblick auf eine Remission zu behandeln.                      Beeinträchtigung des Patienten.

   Kortikoide wirken schnell und quasi universell gegen alle Lupus-
beschwerden, haben jedoch eine hohe Morbidität zur Folge.                               Beurteilung und Festlegung
  Die konventionellen Basistherapien sind ebenfalls wirksam, und Beli-                  der Therapieziele
mumab ist das erste Biological mit nachweislicher Wirksamkeit bei
Lupus erythematodes, das speziell für diese Indikation zugelassen ist.                  Eine der Schwierigkeiten bei einer derart polymorphen
                                                                                        Erkrankung wie dem SLE besteht darin, diese sowohl
   In der modernen Lupustherapie müssen allgemeine Massnahmen                           umfassend als auch in ihren spezifischen Ausprägun-
(Prävention und Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen und von                        gen bei einem bestimmten Patienten zu verstehen. In
Osteoporose, Photoprotektion und die Verordnung eines Malariamedika-                    den Studien zum Thema ist genau dies ein limitierender
ments ausser bei Kontraindikation) mit einer spezifischen Behandlung                    Faktor, da sie sich nicht auf eine spezifische Manifesta-
(Kortikoide, alle konventionellen und biologischen Basistherapien) kom-                 tion, wie z.B. die Nierenbeteiligung, konzentrieren. Dies
biniert werden, um die Therapieziele, also idealerweise eine Remission,                 führt oftmals dazu, dass die generelle Wirksamkeit
zu erreichen.                                                                           einer Therapie in einer heterogenen Patientengruppe
                                                                                        mit verschiedenen Organbeteiligungen nur schwer
                                                                                        nachzuweisen ist, obwohl sie wahrscheinlich besteht.
                                                                                        Zur Beurteilung der Aktivität des SLE stehen zahlreiche
                  Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine                    validierte Instrumente und Scores zur Verfügung
                  faszinierende Erkrankung. Wie bei allen Kollagenosen                  (SLAM: Systemic Lupus Erythematosus Activity Mea-
                  ist auch seine Ätiologie weiterhin unbekannt und um-                  sure, ECLAM: European Consensus Lupus Activity
                  fasst zahlreiche bekannte und unbekannte Umwelt-                      Measurement, SLEDAI: Systemic Lupus Erythematosus
                  und genetische Faktoren, was ein breites Spektrum an                  Disease Activity Index, BILAG: British Isles Lupus
                  Krankheitsbildern zur Folge hat [1]. Obgleich er nicht                Assessment Group Index), die üblicherweise in Studien
                  häufig vorkommt, ist der SLE mit einer Prävalenz von                  zur Anwendung kommen. Nichtsdestotrotz ist es bei
                  20–150 Fällen pro 10 000 und einer Inzidenz von (je                   dieser Erkrankung unmöglich, den Zustand eines be-
                  nach Bevölkerungsgruppe) 1–25 Fällen pro 100 000                      stimmten Patienten anhand einer einzigen Zahl oder
Fleur Baumann     Personen der Allgemeinbevölkerung dennoch keine                       eines einzigen Scores zu beurteilen. Daher muss in der
Benvenuti         seltene Erkrankung. Es sind vorwiegend junge Frauen                   Praxis die Festlegung der Therapieziele nach einer sys-
                  im Alter von 20–30 Jahren davon betroffen, und die                    tematischen Untersuchung ausnahmslos aller Organe
                  Diagnosestellung kann sich aufgrund der Symptom-                      erfolgen. Vor diesem Hintergrund kann uns die gele-
                  vielfalt schwierig gestalten. Die ACR-Klassifikations-                gentliche Orientierung an oder die Nutzung von Instru-
                  kriterien dienen auch weiterhin als Hilfsmittel zur Dia-              menten wie dem SLEDAI oder dem BILAG als hervor-
                  gnosestellung (Tab. 1 ), dürfen jedoch niemals der                    ragende Gedächtnisstütze dienen, um bei unseren
                  einzige Anhaltspunkt für oder gegen einen Therapie-                   Patienten keine Facette der Krankheit zu übersehen
                  beginn sein.                                                          (beide können im PDF-Format in mehreren Sprachen
                                                                                        einfach heruntergeladen werden, z.B. unter www.rhu-
                  JD hat Honorare für Vorträge erhalten und an einem «Advisory Board»
                                                                                        matologie.asso.fr/03–Services/instruments-pratiques/
                  für GSK, den Hersteller von Belimumab, teilgenommen.
Jean Dudler                                                                             PDF/SLEDAI.pdf).

                                                                                                    Schweiz Med Forum 2013;13(42):841–845   841
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                                                                                               und die paraklinische Beurteilung untrennbar mitein-
Tabelle 1
                                                                                               ander verbunden (Tab. 2 ). Jede Therapie muss auf
Modifizierte ACR-1982-Kriterien zur SLE-Klassifikation [25].
                                                                                               ihre Wirksamkeit überprüft werden (Tab. 3 ). Zudem
Kriterien                          Definition                                                  ist der SLE keine statische Erkrankung, weshalb eine
1. Schmetterlingserythem           Persistierendes makulopapulöses Erythem mit                 systematische und regelmässige Neubeurteilung der
                                   Aussparung der Nasolabialfalte                              früheren sowie neu auftretenden Beschwerden uner-
2. Diskoider Rash                  Papulosquamöse Plaques                                      lässlich ist. Selbst ein Patient in einer inaktiven Lupus-
3. Photosensibilität               Rash aufgrund einer Überempfindlichkeitsreaktion            phase sollte regelmässig, jedoch, wie es scheint, min-
                                   auf Sonnenlicht                                             destens in vierteljährlichen Abständen untersucht
4. Aphthen der Mundschleimhaut Orale oder nasopharyngeale Ulzerationen                         werden [4]. Denn in einer kürzlich veröffentlichten Stu-
                                                                                               die wurde die Wichtigkeit einer routinemässigen Labor-
5. Arthritis                       Arthritisbefall von mindestens zwei Gelenken
                                                                                               untersuchung eindeutig bestätigt: Einer von vier Pa-
6. Serositis                       a) Pleuritis: Schmerzen am Brustfell, Pleurareiben
                                                                                               tienten, bei denen die Erkrankung stabil oder offenbar
                                   oder Pleuraerguss
                                   ODER                                                        inaktiv war, wies bei der Laboruntersuchung einen ein-
                                   b) Perikarditis: Nachweis im EKG, Perikardreiben            zelnen abweichenden Laborwert ohne manifeste Sym-
                                   oder Perikarderguss                                         ptomatik auf, aufgrund dessen seine Therapie umge-
7. Nierenbeteiligung               a) Persistierende Proteinurie >500 mg pro Tag oder          stellt werden musste (z.B. ein aktives Urinsediment,
                                   >3+ im Urinstreifentest                                     eine Verminderung der Komplementfaktoren, eine Zu-
                                   ODER                                                        nahme der spezifischen Antikörper, eine Thrombozyto-
                                   b) Harnzylinder: Erythrozyten-, granulierte, Epithelzell-
                                                                                               penie, eine Anämie oder erhöhte Kreatininwerte) [5].
                                   oder gemischte Zylinder
                                                                                               Und schliesslich gilt es zu bedenken, dass der SLE eine
8. Neurologische Beteiligung       a) Krampfanfälle: bei fehlender medikamentöser
                                                                                               chronische Erkrankung ist, die das kardiovaskuläre
                                   oder metabolischer Ursache
                                   ODER                                                        und Osteoporoserisiko erhöht [6]. Da die Risikofaktoren
                                   b) Psychose: bei fehlender medikamentöser                   für Osteoporose jedoch modifizierbar und kontrollier-
                                   oder metabolischer Ursache                                  bar sind, ist eine regelmässige allgemeinmedizinische
9. Hämatologische Beteiligung      a) Hämolytische Anämie: mit Retikulozytose                  Betreuung von Lupuspatienten ohnehin unabdingbar.
                                   ODER
                                   b) Leukopenie:
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 Tabelle 2
 Empfehlungen zur Betreuung von Patienten mit SLE in der täglichen Praxis.

 Beurteilung                            Erst-   Bei jeder     Jährliche Anmerkungen
                                        unter-  Konsulta-     Unter-
                                        suchung tion          suchung
 Systematische Anamnese und             +        +            +         Grundlage für die Behandlung von SLE-Patienten
 vollständige klinische Untersuchung
 BD-Messung                             +        +            +
 Grosses Blutbild                       +        +            +         Screening auf asymptomatische Veränderungen
 BSG, CRP                               +        +            +         BSG mit guter Korrelation zur Krankheitsaktivität. Der CRP ist
                                                                        oftmals verringert. CAVE: bei Erhöhung Infektion möglich
 Nierenfunktion (einschliesslich        +        +            +         Screening auf asymptomatische Veränderungen
 Urinsediment und Spot-Urin mit
 Protein/Kreatinin-Quotient)
 Komplementfaktoren (C3, C4)            +        +            +         Untersuchung auf einen erhöhten Verbrauch, der ein Anzeichen
                                                                        für eine aktive Lupuserkrankung ist
 Leberfunktion (Zytolyse und Cholestase) +                    +         Bei der Gabe von hepatotoxischen Medikamenten häufiger
 ANA + AK gegen Nukleoproteine          +                               Bei der Erstuntersuchung, keine Bedeutung bei Folgeunter-
                                                                        suchungen
 ds-DNA-AK                              +        +            +         Noch bei jeder Konsultation empfohlen (umstritten). Prognose-
                                                                        faktor für Nierenbeteiligung
 Antiphospholipid-AK, Lupus-Anti-       +                               Häufige Assoziation, systematische Untersuchung erforderlich
 koagulans
 Kardiovaskuläre Risikofaktoren         +                     +         Essentiell
 Densitometrie                                                          Eventuell, gemäss FRAX oder bei Kortikoidtherapie
                                                                        (CAVE: Kostenübernahme)
 Röntgen-Thorax                         +                               Standardaufnahmen
 Sonstige Zusatzuntersuchungen                                          Entsprechend dem klinischen Zustand, jedoch sollten auch
 (Lungenfunktionstest, Thorax-CT,                                       schwache Symptome nicht banalisiert werden
 Herz-US, Kapillaroskopie usw.)
 Impfung                                +                     +         Auffrischung des Impfschutzes des Patienten bei der Erst-
                                                                        konsultation, einschliesslich Pneumokokkenimpfung.
                                                                        Jährliche Grippeschutzimpfung

wie das Vorkommen von Harnzylindern diagnostiziert                     schliessenden Erhaltungstherapie beruht (Tab. 3). Wäh-
werden kann. In diesem Fall ist eine nephrologische                    rend die orale Gabe von Cyclophosphamid zum Preis
Untersuchung angezeigt.                                                nicht zu vernachlässigender mittel- bis langfristiger
In Bezug auf die Gelenkbeteiligung konnte mittels der                  Nebenwirkungen lange Zeit als Standardtherapie galt,
modernen bildgebenden Verfahren (US und MRT) ein-                      haben spätere Studien ergeben, dass geringere Cyclo-
deutig nachgewiesen werden, dass extrem häufig Syno-                   phosphamiddosen (Eurolupus: 6× 500 mg i.v./2 Wo-
vitiden und Tenosynovitiden auftreten sowie beim                       chen) ebenso wirksam und Mycophenolat sowie Aza-
MRT in über 50% der Fälle erosive Veränderungen fest-                  thioprin sowohl in der Induktionsbehandlung als auch
gestellt werden [8] und es sich eben nicht, wie allge-                 in der Erhaltungstherapie Cyclophosphamid gegenüber
meinhin angenommen, um «banale Gelenkschmerzen»                        überlegen bzw. gleichwertig waren [9], und zwar bei
handelt. Lupusarthritis ist also tatsächlich eine aggres-              einem besseren Sicherheitsprofil. Und schlussendlich
sive entzündliche Veränderung. Demzufolge besteht                      konnte die Wirksamkeit von Rituximab als Zusatzmedi-
kein Grund, diese anders als eine rheumatoide Poly-                    kation zu einer aktiven wirksamen Behandlung in zwei
arthritis zu behandeln, wobei unser Therapieziel auch                  randomisierten Studien nicht nachgewiesen werden,
hier eine Remission sein sollte.                                       obwohl sich zahlreiche nichtkontrollierte Studien für
                                                                       seine Wirksamkeit bei therapierefraktären Fällen so-
                                                                       wohl mit Nieren- als auch anderen Beteiligungen aus-
Therapeutische Massnahmen                                              sprechen [9–11].
und Behandlung                                                         Zur Behandlung der Gelenkbeschwerden werden seit
                                                                       langem Methotrexat, Azathioprin oder Leflunomid als
Die vollständige Aufzählung aller Behandlungsmass-                     Basistherapie mit den uns bekannten Vorteilen und
nahmen bei Lupusnephritis würde den Rahmen dieses                      Risiken eingesetzt. Auch wenn die Evidenz für die Wirk-
Übersichtsartikels sprengen. Zusammenfassend kann                      samkeit dieser Behandlungen bei SLE begrenzt ist, gibt
jedoch gesagt werden, dass der heutige Behandlungs-                    es im Hinblick auf ihr Sicherheitsprofil, insbesondere
ansatz auf einer Remissionsinduktion und einer an-                     im Vergleich zur Behandlungsalternative mit Kortikoi-

                                                                                     Schweiz Med Forum 2013;13(42):841–845               843
curriculum

Tabelle 3
Verfügbare SLE-Behandlungen.

Medikamente                  Indikationen                                          Hauptnebenwirkungen
NSAR                         Arthritis, Myalgien, Serositiden, Kopfschmerzen       Gastrointestinale, hepatische und renale Toxizität,
                                                                                   Hypertonie u.v.m.
Kortikoide                   Für quasi alle SLE-Beschwerden, je nach Art und       Osteoporose, Osteonekrose, Hypertonie, Dyslipidämie,
                             Schwere der Organbeteiligung topisch, enteral oder    Diabetes, Gewichtszunahme, Grauer Star u.v.m.
                             parenteral verabreicht
Malariamedikamente           Allgemeinsymptome, Hautsymptome, Symptome             Retinopathie, Verdauungsbeschwerden, Rash, Myalgien,
                             des Muskel-Skelettsystems. Rückfallprävention.        Kopfschmerzen. Hämolytische Anämie bei G6PD-Mangel
                             Antiphospholipid-Syndrom
Dapson                       Hautbeschwerden                                       Hämolytische Anämie bei G6PD-Mangel, Methämo-
                                                                                   globinämie
Azathioprin                  Lupusnephritis, sonstige Organbeschwerden             Myelosuppression (Kombination mit Allopurinol
                                                                                   vermeiden), Hepatotoxizität, Verdauungsbeschwerden
Methotrexat                  Arthritis, Hautbeschwerden                            Mukositis, Myelosuppression, Hepatotoxizität, Leber-
                                                                                   zirrhose, Pneumonitis, Lungenfibrose (umstritten),
                                                                                   Teratogenität
Leflunomid                   Arthritis                                             Myelosuppression, Hepatotoxizität, Hypertonie,
                                                                                   Gewichtsverlust, Teratogenität
Mykophenolat-Mofetil1        Renale Beteiligung                                    Myelosuppression, Verdauungsbeschwerden, Myalgien
Cyclosporin                  Renale und hämatologische Beteiligung                 Myelosuppression, Gingivahypertrophie, hepatische und
                                                                                   renale Toxizität, Dyslipidämie, Hyperurikämie, Hypertonie
Cyclophosphamid              Renale und neurologische Beteiligung, Lungen-         Myelosuppression, hämorrhagische Zystitis, lympho-
                             blutung, Vaskulitis                                   proliferative Erkrankungen, Neoplasien (insbesondere
                                                                                   der Blase), Unfruchtbarkeit, Infektionen
Belimumab2                   Aktiver SLE                                           Gastrointestinale Beschwerden, opportunistische
                                                                                   Infektionen
Rituximab, TNF-α-Blocker,    Arthritis                                             Opportunistische Infektionen, Allergien
Abatacept, Tocilizumab1
Thalidomid                   Hautbeschwerden                                       Periphere Neuropathie, tiefe Venenthrombose
IVIG                         Thrombozytopenie, Arthritis, Nierenbefall             Fieber, Myalgien, Arthralgien, Kopfschmerzen
Plasmapherese                Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura,
                             katastrophales Antiphospholipidsyndrom, Lungen-
                             blutung, Kryoglobulinämie
1
    Nicht für diese Indikation zugelassen; nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse.
2
    Nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse.

den, genügend überzeugende Argumente, die für einen                      ren bei einer Dosis von 200 mg pro Tag (einer kumu-
recht liberalen Einsatz bei Lupusbeschwerden sprechen                    lierten Dosis von 1000 g Hydroxychloroquin) gering
[12, 13]. Methotrexat z.B. hat sowohl eine positive Wir-                 und hauptsächlich auf die Augen beschränkt. Zudem ist
kung auf die allgemeine Krankheitsaktivität als auch auf                 dieses Risiko einfach zu überwachen und bei einer ad-
die Arthritis, die Myositis und die Hautveränderungen.                   äquaten Behandlung ohne verheerende Folgen für die
Bei der Allgemeinbehandlung nehmen Malariamedika-                        Patienten [15].
mente eine vergleichsweise Sonderstellung ein. Denn                      Kortikoide wirken schnell und quasi universell gegen
obwohl sie häufig eingesetzt werden, existieren auch                     alle Lupusbeschwerden, sind jedoch leider auch für die
hier kaum randomisierte, kontrollierte Studien, die ihre                 meisten schwerwiegenden Komorbiditäten verantwort-
direkte Wirksamkeit beweisen [14]. Nichtsdestotrotz                      lich und mit Sicherheit ein Schlüsselfaktor für das Auf-
haben sie ziemlich überzeugend unter Beweis gestellt,                    treten von Infektionen, eine der häufigsten Ursachen
dass sie Schübe verhindern, das Langzeitüberleben                        für Komplikationen und Todesfälle bei Lupuspatienten
verbessern, vor irreversiblen Organschäden schützen                      [16]. Ein vor kurzem veröffentlichter Review unter-
sowie das Thrombose- und Osteoporoserisiko verrin-                       streicht die Bedeutung dieser Nebenwirkungen, selbst
gern. Darüber hinaus scheinen sie in der besonders ge-                   bei geringer Dosierung [17].
fährdeten Population der SLE-Patienten das Diabetes-                     Die grosse Neuigkeit in der SLE-Behandlung ist sicher-
risiko zu senken. Auch wenn man an der Evidenz dieser                    lich die Zulassung von Belimumab als erste spezifische
Daten zweifeln mag, spricht das Nutzen-Risiko-Verhält-                   Lupustherapie. Dabei handelt es sich um einen rein hu-
nis mit einem geringen Risiko und einem signifikanten                    manen, monoklonalen Antikörper mit Spezifität für das
potentiellen Nutzen eindeutig für eine systematische                     lösliche BAFF und einer hemmenden Wirkung, welche
Verordnung [14]. Die Toxizität der Malariamedikamente                    die Apoptose der autoreaktiven B-Lymphozyten fördert
ist mit schätzungsweise 1% nach 14 Anwendungsjah-                        [3, 18, 19]. Seine Wirksamkeit wurde in zwei wichtigen

                                                                                          Schweiz Med Forum 2013;13(42):841–845          844
curriculum

Zulassungsstudien an einer Population mit aktivem          den. Ihre Verordnung sollte jedoch Spezialisten vorbe-
Lupus ohne schwere neurologische oder renale Beteili-      halten bleiben.
gung (BLISS-52 und -76) in Bezug auf folgende Krite-       Langfristig sollten wir allen unseren Lupuspatienten, aus-
rien bewiesen: die Gesamtansprechrate (SLE Respon-         ser bei bestehender Kontraindikation, täglich 200–400 mg
der Index), die Verringerung der Schubanzahl, die          Hydroxychloroquin verordnen. Sowohl Hydroxychloro-
Verringerung der Prednisondosis, die Normalisierung        quin als auch Methotrexat und Azathioprin sind ge-
der Komplementfaktoren, einen negativen Anti-DNA-          setzlich zur Lupusbehandlung zugelassen und somit
Antikörpernachweis, die Normalisierung der Immun-          auch als First-Line-Therapie einzusetzen. Bei Nicht-
globulinwerte und die signifikante Verbesserung der        ansprechen ist ein Behandlungsversuch mit Belimu-
Lebensqualitätsscores [20, 21]. In der Praxis wird die     mab anzuraten, da dies der einzige speziell für die Indi-
Therapie als monatliche Infusion verabreicht, und es       kation SLE zugelassene biologische Wirkstoff ist.
bestehen keine bekannten Interaktionen bzw. die            Trotz alledem konfrontiert uns die klinische Erfahrung
Notwendigkeit einer Dosisanpassung bei Nieren- oder        immer wieder mit Patienten, die refraktär gegenüber
Leberinsuffizienz. Der Nutzen tritt nach 4–6 Monaten       allen zugelassenen Therapien sind. In diesem Fall sind
ein, und man kann davon ausgehen, dass insgesamt ein       wir der Ansicht, dass nach einer Bestätigung der Kos-
Drittel der Patienten positiv und zufriedenstellend auf    tenübernahme alternativen, nicht zugelassenen Be-
die Behandlung anspricht [3]. Vorerst wurde eine Lang-     handlungen eine Chance gegeben werden sollte, mit
zeitwirksamkeit während eines Zeitraums von vier Jah-      dem Ziel, dem Patienten und seiner Lebensqualität Vor-
ren nachgewiesen, wobei das Krebs- oder Infektions-        rang vor der grauen Theorie der wissenschaftlichen
risiko in den Studien im Vergleich zu Plazebo nicht        Beweise zu gewähren. Ebenso sollten in aufgrund einer
erhöht war [3].                                            seltenen Krankheitsform refraktären Fällen alternative
Zudem wurden Therapien mit anderen biologischen            konventionelle oder biologische Wirkstoffe getestet
Wirkstoffen, u.a. mit dem o.g. Rituximab, zur Lupus-       werden, jedoch immer erst nach einer Bestätigung der
behandlung untersucht. Tocilizumab und Abatacept           Kostenübernahme. Auch wenn wir unsere Therapie-
sind zwei weitere Biologicals, von denen man sich auf-     entscheidungen vor allem evidenz- und vernunftbasiert
grund ihres Wirkmechanismus einen Nutzen bei der           treffen sollten, sind letzten Endes die Therapieziele vor-
SLE-Behandlung erhofft [11, 22]. Ein formaler Wirk-        rangig.
samkeitsnachweis steht jedoch noch aus. Die bereits        Abschliessend bleibt noch zu erwähnen, dass man trotz
veröffentlichten Fallberichte sind ermutigend, insbe-      aller spezifischen Therapieziele nicht vergessen darf,
sondere in refraktären Fällen gegenüber den anderen        dass SLE-Patienten, obwohl sich ihre Überlebensrate in
verfügbaren Therapien [23]. Schlussendlich bleibt noch     den letzten 50 Jahren signifikant verbessert hat, den-
zu erwähnen, dass man in naher Zukunft auf die Ent-        noch weiterhin ein erhöhtes Risiko für Krebs, kardio-
wicklung neuer Medikamente hoffen kann, die u.a. an        vaskuläre Erkrankungen und vorzeitige Osteoporose
der Zerstörung der B-Lymphozyten, der Hemmung der          aufweisen, Erkrankungen, die für eine hohe Morbidität
Costimulation (von antigenpräsentierenden Zellen und       und Mortalität verantwortlich sind. Die Aufgabe der
T-Lymphozyten) oder von Interferonen ansetzen [24].        Generalisten besteht unserer Meinung nach darin, die
                                                           zusätzlichen kardiovaskulären, Osteoporose- und Krebs-
                                                           risikofaktoren im Visier zu haben, aufzuspüren und
Fazit                                                      aggressiv dagegen vorzugehen (Eindämmung des
                                                           Tabakkonsums, Diabetes, Dyslipidämien, Krebsscree-
Wahrscheinlich ist es an der Zeit, unsere Therapiestra-    ning gemäss den üblichen Empfehlungen usw.), nicht
tegien beim SLE, insbesondere mit Gelenk- und Nieren-      zu vergessen die Sonnenexposition sowie ihre schäd-
beteiligung, zu überdenken und dieselben Prinzipien        lichen Auswirkungen und einen dementsprechenden
anzuwenden, die auch bei der modernen Behandlung           systematischen Sonnenschutz. Schlussendlich bedarf es
von rheumatoider Polyarthritis und Spondylarthritiden      für eine optimale SLE-Behandlung der engen Zusam-
von Erfolg gekrönt sind. Dazu sind eine eindeutige Fest-   menarbeit zwischen Spezialisten und Generalisten.
legung der Therapieziele im Hinblick auf eine minimale
Krankheitsaktivität oder eine Remission, eine regel-       Korrespondenz:
mässige und genaue Krankheitsbeurteilung sowie der         PD Dr. med. Jean Dudler
Einsatz der uns verfügbaren modernen Behandlungen          Clinique de rhumatologie
erforderlich. Auch wenn Kortikoide, insbesondere zur       et Service de médecine physique et rééducation
                                                           HFR Fribourg
kurzfristigen Behandlung, fast in allen Fällen wirksam
                                                           Hôpital Cantonal
und unverzichtbar sind, sollten wir aufgrund ihrer mit-    CH-1708 Fribourg
tel- und langfristigen Toxizität eine Therapie ohne sie    jean.dudler[at]h-fr.ch
anstreben. Die Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit
der konventionellen und biologischen Basistherapien        Literatur
sprechen hingegen dafür, letztere häufiger anzuwen-        Die vollständige Literaturliste finden Sie unter www.medicalforum.ch.

                                                                          Schweiz Med Forum 2013;13(42):841–845            845
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