Systemischer Lupus erythematodes: wie im Jahr 2013 sinnvoll behandeln?
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
curriculum Systemischer Lupus erythematodes: wie im Jahr 2013 sinnvoll behandeln? Fleur Baumann Benvenuti, Jean Dudler Clinique de rhumatologie et Service de médecine physique et rééducation, HFR Fribourg, Hôpital Cantonal, Fribourg Zudem stellt der SLE den Archetypus der systemischen Autoimmunerkrankungen dar, weshalb die allgemei- Quintessenz nen Prinzipien für seine Behandlung auch für alle an- Der systemische Lupus erythematodes ist eine komplexe und poly- deren spezifischen und unspezifischen Kollagenosen morphe Erkrankung, deren Behandlung sich nach den pragmatischen gelten. Die Erkrankung kann so gut wie alle Organe Therapiezielen richten muss, welche mindestens vierteljährlich im Rah- betreffen und zeigt ein breites Spektrum klinischer und men einer systematischen klinischen Beurteilung und anhand einer ein- immunologischer Manifestationen sowie verschiedene fachen routinemässigen Laboruntersuchung festzulegen sind. Schweregrade der jeweiligen Organbeteiligung. Sie kann Anhand der modernen bildgebenden Verfahren konnte nachgewiesen sowohl schwerwiegend sein und schnell progredient werden, dass die Gelenkbeschwerden beim Lupus erythematodes durch verlaufen, so dass für den Patienten Lebensgefahr eine echte entzündliche Arthritis mit Synovitiden, Tenosynovitiden und besteht, als auch «rein symptomatisch», ohne Organbe- Knochenerosionen bedingt sind und es daher sinnvoll ist, diese mit teiligung auftreten, mit mehr oder minder starker modernen Medikamenten im Hinblick auf eine Remission zu behandeln. Beeinträchtigung des Patienten. Kortikoide wirken schnell und quasi universell gegen alle Lupus- beschwerden, haben jedoch eine hohe Morbidität zur Folge. Beurteilung und Festlegung Die konventionellen Basistherapien sind ebenfalls wirksam, und Beli- der Therapieziele mumab ist das erste Biological mit nachweislicher Wirksamkeit bei Lupus erythematodes, das speziell für diese Indikation zugelassen ist. Eine der Schwierigkeiten bei einer derart polymorphen Erkrankung wie dem SLE besteht darin, diese sowohl In der modernen Lupustherapie müssen allgemeine Massnahmen umfassend als auch in ihren spezifischen Ausprägun- (Prävention und Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen und von gen bei einem bestimmten Patienten zu verstehen. In Osteoporose, Photoprotektion und die Verordnung eines Malariamedika- den Studien zum Thema ist genau dies ein limitierender ments ausser bei Kontraindikation) mit einer spezifischen Behandlung Faktor, da sie sich nicht auf eine spezifische Manifesta- (Kortikoide, alle konventionellen und biologischen Basistherapien) kom- tion, wie z.B. die Nierenbeteiligung, konzentrieren. Dies biniert werden, um die Therapieziele, also idealerweise eine Remission, führt oftmals dazu, dass die generelle Wirksamkeit zu erreichen. einer Therapie in einer heterogenen Patientengruppe mit verschiedenen Organbeteiligungen nur schwer nachzuweisen ist, obwohl sie wahrscheinlich besteht. Zur Beurteilung der Aktivität des SLE stehen zahlreiche Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine validierte Instrumente und Scores zur Verfügung faszinierende Erkrankung. Wie bei allen Kollagenosen (SLAM: Systemic Lupus Erythematosus Activity Mea- ist auch seine Ätiologie weiterhin unbekannt und um- sure, ECLAM: European Consensus Lupus Activity fasst zahlreiche bekannte und unbekannte Umwelt- Measurement, SLEDAI: Systemic Lupus Erythematosus und genetische Faktoren, was ein breites Spektrum an Disease Activity Index, BILAG: British Isles Lupus Krankheitsbildern zur Folge hat [1]. Obgleich er nicht Assessment Group Index), die üblicherweise in Studien häufig vorkommt, ist der SLE mit einer Prävalenz von zur Anwendung kommen. Nichtsdestotrotz ist es bei 20–150 Fällen pro 10 000 und einer Inzidenz von (je dieser Erkrankung unmöglich, den Zustand eines be- nach Bevölkerungsgruppe) 1–25 Fällen pro 100 000 stimmten Patienten anhand einer einzigen Zahl oder Fleur Baumann Personen der Allgemeinbevölkerung dennoch keine eines einzigen Scores zu beurteilen. Daher muss in der Benvenuti seltene Erkrankung. Es sind vorwiegend junge Frauen Praxis die Festlegung der Therapieziele nach einer sys- im Alter von 20–30 Jahren davon betroffen, und die tematischen Untersuchung ausnahmslos aller Organe Diagnosestellung kann sich aufgrund der Symptom- erfolgen. Vor diesem Hintergrund kann uns die gele- vielfalt schwierig gestalten. Die ACR-Klassifikations- gentliche Orientierung an oder die Nutzung von Instru- kriterien dienen auch weiterhin als Hilfsmittel zur Dia- menten wie dem SLEDAI oder dem BILAG als hervor- gnosestellung (Tab. 1 ), dürfen jedoch niemals der ragende Gedächtnisstütze dienen, um bei unseren einzige Anhaltspunkt für oder gegen einen Therapie- Patienten keine Facette der Krankheit zu übersehen beginn sein. (beide können im PDF-Format in mehreren Sprachen einfach heruntergeladen werden, z.B. unter www.rhu- JD hat Honorare für Vorträge erhalten und an einem «Advisory Board» matologie.asso.fr/03–Services/instruments-pratiques/ für GSK, den Hersteller von Belimumab, teilgenommen. Jean Dudler PDF/SLEDAI.pdf). Schweiz Med Forum 2013;13(42):841–845 841
curriculum und die paraklinische Beurteilung untrennbar mitein- Tabelle 1 ander verbunden (Tab. 2 ). Jede Therapie muss auf Modifizierte ACR-1982-Kriterien zur SLE-Klassifikation [25]. ihre Wirksamkeit überprüft werden (Tab. 3 ). Zudem Kriterien Definition ist der SLE keine statische Erkrankung, weshalb eine 1. Schmetterlingserythem Persistierendes makulopapulöses Erythem mit systematische und regelmässige Neubeurteilung der Aussparung der Nasolabialfalte früheren sowie neu auftretenden Beschwerden uner- 2. Diskoider Rash Papulosquamöse Plaques lässlich ist. Selbst ein Patient in einer inaktiven Lupus- 3. Photosensibilität Rash aufgrund einer Überempfindlichkeitsreaktion phase sollte regelmässig, jedoch, wie es scheint, min- auf Sonnenlicht destens in vierteljährlichen Abständen untersucht 4. Aphthen der Mundschleimhaut Orale oder nasopharyngeale Ulzerationen werden [4]. Denn in einer kürzlich veröffentlichten Stu- die wurde die Wichtigkeit einer routinemässigen Labor- 5. Arthritis Arthritisbefall von mindestens zwei Gelenken untersuchung eindeutig bestätigt: Einer von vier Pa- 6. Serositis a) Pleuritis: Schmerzen am Brustfell, Pleurareiben tienten, bei denen die Erkrankung stabil oder offenbar oder Pleuraerguss ODER inaktiv war, wies bei der Laboruntersuchung einen ein- b) Perikarditis: Nachweis im EKG, Perikardreiben zelnen abweichenden Laborwert ohne manifeste Sym- oder Perikarderguss ptomatik auf, aufgrund dessen seine Therapie umge- 7. Nierenbeteiligung a) Persistierende Proteinurie >500 mg pro Tag oder stellt werden musste (z.B. ein aktives Urinsediment, >3+ im Urinstreifentest eine Verminderung der Komplementfaktoren, eine Zu- ODER nahme der spezifischen Antikörper, eine Thrombozyto- b) Harnzylinder: Erythrozyten-, granulierte, Epithelzell- penie, eine Anämie oder erhöhte Kreatininwerte) [5]. oder gemischte Zylinder Und schliesslich gilt es zu bedenken, dass der SLE eine 8. Neurologische Beteiligung a) Krampfanfälle: bei fehlender medikamentöser chronische Erkrankung ist, die das kardiovaskuläre oder metabolischer Ursache ODER und Osteoporoserisiko erhöht [6]. Da die Risikofaktoren b) Psychose: bei fehlender medikamentöser für Osteoporose jedoch modifizierbar und kontrollier- oder metabolischer Ursache bar sind, ist eine regelmässige allgemeinmedizinische 9. Hämatologische Beteiligung a) Hämolytische Anämie: mit Retikulozytose Betreuung von Lupuspatienten ohnehin unabdingbar. ODER b) Leukopenie:
curriculum Tabelle 2 Empfehlungen zur Betreuung von Patienten mit SLE in der täglichen Praxis. Beurteilung Erst- Bei jeder Jährliche Anmerkungen unter- Konsulta- Unter- suchung tion suchung Systematische Anamnese und + + + Grundlage für die Behandlung von SLE-Patienten vollständige klinische Untersuchung BD-Messung + + + Grosses Blutbild + + + Screening auf asymptomatische Veränderungen BSG, CRP + + + BSG mit guter Korrelation zur Krankheitsaktivität. Der CRP ist oftmals verringert. CAVE: bei Erhöhung Infektion möglich Nierenfunktion (einschliesslich + + + Screening auf asymptomatische Veränderungen Urinsediment und Spot-Urin mit Protein/Kreatinin-Quotient) Komplementfaktoren (C3, C4) + + + Untersuchung auf einen erhöhten Verbrauch, der ein Anzeichen für eine aktive Lupuserkrankung ist Leberfunktion (Zytolyse und Cholestase) + + Bei der Gabe von hepatotoxischen Medikamenten häufiger ANA + AK gegen Nukleoproteine + Bei der Erstuntersuchung, keine Bedeutung bei Folgeunter- suchungen ds-DNA-AK + + + Noch bei jeder Konsultation empfohlen (umstritten). Prognose- faktor für Nierenbeteiligung Antiphospholipid-AK, Lupus-Anti- + Häufige Assoziation, systematische Untersuchung erforderlich koagulans Kardiovaskuläre Risikofaktoren + + Essentiell Densitometrie Eventuell, gemäss FRAX oder bei Kortikoidtherapie (CAVE: Kostenübernahme) Röntgen-Thorax + Standardaufnahmen Sonstige Zusatzuntersuchungen Entsprechend dem klinischen Zustand, jedoch sollten auch (Lungenfunktionstest, Thorax-CT, schwache Symptome nicht banalisiert werden Herz-US, Kapillaroskopie usw.) Impfung + + Auffrischung des Impfschutzes des Patienten bei der Erst- konsultation, einschliesslich Pneumokokkenimpfung. Jährliche Grippeschutzimpfung wie das Vorkommen von Harnzylindern diagnostiziert schliessenden Erhaltungstherapie beruht (Tab. 3). Wäh- werden kann. In diesem Fall ist eine nephrologische rend die orale Gabe von Cyclophosphamid zum Preis Untersuchung angezeigt. nicht zu vernachlässigender mittel- bis langfristiger In Bezug auf die Gelenkbeteiligung konnte mittels der Nebenwirkungen lange Zeit als Standardtherapie galt, modernen bildgebenden Verfahren (US und MRT) ein- haben spätere Studien ergeben, dass geringere Cyclo- deutig nachgewiesen werden, dass extrem häufig Syno- phosphamiddosen (Eurolupus: 6× 500 mg i.v./2 Wo- vitiden und Tenosynovitiden auftreten sowie beim chen) ebenso wirksam und Mycophenolat sowie Aza- MRT in über 50% der Fälle erosive Veränderungen fest- thioprin sowohl in der Induktionsbehandlung als auch gestellt werden [8] und es sich eben nicht, wie allge- in der Erhaltungstherapie Cyclophosphamid gegenüber meinhin angenommen, um «banale Gelenkschmerzen» überlegen bzw. gleichwertig waren [9], und zwar bei handelt. Lupusarthritis ist also tatsächlich eine aggres- einem besseren Sicherheitsprofil. Und schlussendlich sive entzündliche Veränderung. Demzufolge besteht konnte die Wirksamkeit von Rituximab als Zusatzmedi- kein Grund, diese anders als eine rheumatoide Poly- kation zu einer aktiven wirksamen Behandlung in zwei arthritis zu behandeln, wobei unser Therapieziel auch randomisierten Studien nicht nachgewiesen werden, hier eine Remission sein sollte. obwohl sich zahlreiche nichtkontrollierte Studien für seine Wirksamkeit bei therapierefraktären Fällen so- wohl mit Nieren- als auch anderen Beteiligungen aus- Therapeutische Massnahmen sprechen [9–11]. und Behandlung Zur Behandlung der Gelenkbeschwerden werden seit langem Methotrexat, Azathioprin oder Leflunomid als Die vollständige Aufzählung aller Behandlungsmass- Basistherapie mit den uns bekannten Vorteilen und nahmen bei Lupusnephritis würde den Rahmen dieses Risiken eingesetzt. Auch wenn die Evidenz für die Wirk- Übersichtsartikels sprengen. Zusammenfassend kann samkeit dieser Behandlungen bei SLE begrenzt ist, gibt jedoch gesagt werden, dass der heutige Behandlungs- es im Hinblick auf ihr Sicherheitsprofil, insbesondere ansatz auf einer Remissionsinduktion und einer an- im Vergleich zur Behandlungsalternative mit Kortikoi- Schweiz Med Forum 2013;13(42):841–845 843
curriculum Tabelle 3 Verfügbare SLE-Behandlungen. Medikamente Indikationen Hauptnebenwirkungen NSAR Arthritis, Myalgien, Serositiden, Kopfschmerzen Gastrointestinale, hepatische und renale Toxizität, Hypertonie u.v.m. Kortikoide Für quasi alle SLE-Beschwerden, je nach Art und Osteoporose, Osteonekrose, Hypertonie, Dyslipidämie, Schwere der Organbeteiligung topisch, enteral oder Diabetes, Gewichtszunahme, Grauer Star u.v.m. parenteral verabreicht Malariamedikamente Allgemeinsymptome, Hautsymptome, Symptome Retinopathie, Verdauungsbeschwerden, Rash, Myalgien, des Muskel-Skelettsystems. Rückfallprävention. Kopfschmerzen. Hämolytische Anämie bei G6PD-Mangel Antiphospholipid-Syndrom Dapson Hautbeschwerden Hämolytische Anämie bei G6PD-Mangel, Methämo- globinämie Azathioprin Lupusnephritis, sonstige Organbeschwerden Myelosuppression (Kombination mit Allopurinol vermeiden), Hepatotoxizität, Verdauungsbeschwerden Methotrexat Arthritis, Hautbeschwerden Mukositis, Myelosuppression, Hepatotoxizität, Leber- zirrhose, Pneumonitis, Lungenfibrose (umstritten), Teratogenität Leflunomid Arthritis Myelosuppression, Hepatotoxizität, Hypertonie, Gewichtsverlust, Teratogenität Mykophenolat-Mofetil1 Renale Beteiligung Myelosuppression, Verdauungsbeschwerden, Myalgien Cyclosporin Renale und hämatologische Beteiligung Myelosuppression, Gingivahypertrophie, hepatische und renale Toxizität, Dyslipidämie, Hyperurikämie, Hypertonie Cyclophosphamid Renale und neurologische Beteiligung, Lungen- Myelosuppression, hämorrhagische Zystitis, lympho- blutung, Vaskulitis proliferative Erkrankungen, Neoplasien (insbesondere der Blase), Unfruchtbarkeit, Infektionen Belimumab2 Aktiver SLE Gastrointestinale Beschwerden, opportunistische Infektionen Rituximab, TNF-α-Blocker, Arthritis Opportunistische Infektionen, Allergien Abatacept, Tocilizumab1 Thalidomid Hautbeschwerden Periphere Neuropathie, tiefe Venenthrombose IVIG Thrombozytopenie, Arthritis, Nierenbefall Fieber, Myalgien, Arthralgien, Kopfschmerzen Plasmapherese Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, katastrophales Antiphospholipidsyndrom, Lungen- blutung, Kryoglobulinämie 1 Nicht für diese Indikation zugelassen; nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse. 2 Nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse. den, genügend überzeugende Argumente, die für einen ren bei einer Dosis von 200 mg pro Tag (einer kumu- recht liberalen Einsatz bei Lupusbeschwerden sprechen lierten Dosis von 1000 g Hydroxychloroquin) gering [12, 13]. Methotrexat z.B. hat sowohl eine positive Wir- und hauptsächlich auf die Augen beschränkt. Zudem ist kung auf die allgemeine Krankheitsaktivität als auch auf dieses Risiko einfach zu überwachen und bei einer ad- die Arthritis, die Myositis und die Hautveränderungen. äquaten Behandlung ohne verheerende Folgen für die Bei der Allgemeinbehandlung nehmen Malariamedika- Patienten [15]. mente eine vergleichsweise Sonderstellung ein. Denn Kortikoide wirken schnell und quasi universell gegen obwohl sie häufig eingesetzt werden, existieren auch alle Lupusbeschwerden, sind jedoch leider auch für die hier kaum randomisierte, kontrollierte Studien, die ihre meisten schwerwiegenden Komorbiditäten verantwort- direkte Wirksamkeit beweisen [14]. Nichtsdestotrotz lich und mit Sicherheit ein Schlüsselfaktor für das Auf- haben sie ziemlich überzeugend unter Beweis gestellt, treten von Infektionen, eine der häufigsten Ursachen dass sie Schübe verhindern, das Langzeitüberleben für Komplikationen und Todesfälle bei Lupuspatienten verbessern, vor irreversiblen Organschäden schützen [16]. Ein vor kurzem veröffentlichter Review unter- sowie das Thrombose- und Osteoporoserisiko verrin- streicht die Bedeutung dieser Nebenwirkungen, selbst gern. Darüber hinaus scheinen sie in der besonders ge- bei geringer Dosierung [17]. fährdeten Population der SLE-Patienten das Diabetes- Die grosse Neuigkeit in der SLE-Behandlung ist sicher- risiko zu senken. Auch wenn man an der Evidenz dieser lich die Zulassung von Belimumab als erste spezifische Daten zweifeln mag, spricht das Nutzen-Risiko-Verhält- Lupustherapie. Dabei handelt es sich um einen rein hu- nis mit einem geringen Risiko und einem signifikanten manen, monoklonalen Antikörper mit Spezifität für das potentiellen Nutzen eindeutig für eine systematische lösliche BAFF und einer hemmenden Wirkung, welche Verordnung [14]. Die Toxizität der Malariamedikamente die Apoptose der autoreaktiven B-Lymphozyten fördert ist mit schätzungsweise 1% nach 14 Anwendungsjah- [3, 18, 19]. Seine Wirksamkeit wurde in zwei wichtigen Schweiz Med Forum 2013;13(42):841–845 844
curriculum Zulassungsstudien an einer Population mit aktivem den. Ihre Verordnung sollte jedoch Spezialisten vorbe- Lupus ohne schwere neurologische oder renale Beteili- halten bleiben. gung (BLISS-52 und -76) in Bezug auf folgende Krite- Langfristig sollten wir allen unseren Lupuspatienten, aus- rien bewiesen: die Gesamtansprechrate (SLE Respon- ser bei bestehender Kontraindikation, täglich 200–400 mg der Index), die Verringerung der Schubanzahl, die Hydroxychloroquin verordnen. Sowohl Hydroxychloro- Verringerung der Prednisondosis, die Normalisierung quin als auch Methotrexat und Azathioprin sind ge- der Komplementfaktoren, einen negativen Anti-DNA- setzlich zur Lupusbehandlung zugelassen und somit Antikörpernachweis, die Normalisierung der Immun- auch als First-Line-Therapie einzusetzen. Bei Nicht- globulinwerte und die signifikante Verbesserung der ansprechen ist ein Behandlungsversuch mit Belimu- Lebensqualitätsscores [20, 21]. In der Praxis wird die mab anzuraten, da dies der einzige speziell für die Indi- Therapie als monatliche Infusion verabreicht, und es kation SLE zugelassene biologische Wirkstoff ist. bestehen keine bekannten Interaktionen bzw. die Trotz alledem konfrontiert uns die klinische Erfahrung Notwendigkeit einer Dosisanpassung bei Nieren- oder immer wieder mit Patienten, die refraktär gegenüber Leberinsuffizienz. Der Nutzen tritt nach 4–6 Monaten allen zugelassenen Therapien sind. In diesem Fall sind ein, und man kann davon ausgehen, dass insgesamt ein wir der Ansicht, dass nach einer Bestätigung der Kos- Drittel der Patienten positiv und zufriedenstellend auf tenübernahme alternativen, nicht zugelassenen Be- die Behandlung anspricht [3]. Vorerst wurde eine Lang- handlungen eine Chance gegeben werden sollte, mit zeitwirksamkeit während eines Zeitraums von vier Jah- dem Ziel, dem Patienten und seiner Lebensqualität Vor- ren nachgewiesen, wobei das Krebs- oder Infektions- rang vor der grauen Theorie der wissenschaftlichen risiko in den Studien im Vergleich zu Plazebo nicht Beweise zu gewähren. Ebenso sollten in aufgrund einer erhöht war [3]. seltenen Krankheitsform refraktären Fällen alternative Zudem wurden Therapien mit anderen biologischen konventionelle oder biologische Wirkstoffe getestet Wirkstoffen, u.a. mit dem o.g. Rituximab, zur Lupus- werden, jedoch immer erst nach einer Bestätigung der behandlung untersucht. Tocilizumab und Abatacept Kostenübernahme. Auch wenn wir unsere Therapie- sind zwei weitere Biologicals, von denen man sich auf- entscheidungen vor allem evidenz- und vernunftbasiert grund ihres Wirkmechanismus einen Nutzen bei der treffen sollten, sind letzten Endes die Therapieziele vor- SLE-Behandlung erhofft [11, 22]. Ein formaler Wirk- rangig. samkeitsnachweis steht jedoch noch aus. Die bereits Abschliessend bleibt noch zu erwähnen, dass man trotz veröffentlichten Fallberichte sind ermutigend, insbe- aller spezifischen Therapieziele nicht vergessen darf, sondere in refraktären Fällen gegenüber den anderen dass SLE-Patienten, obwohl sich ihre Überlebensrate in verfügbaren Therapien [23]. Schlussendlich bleibt noch den letzten 50 Jahren signifikant verbessert hat, den- zu erwähnen, dass man in naher Zukunft auf die Ent- noch weiterhin ein erhöhtes Risiko für Krebs, kardio- wicklung neuer Medikamente hoffen kann, die u.a. an vaskuläre Erkrankungen und vorzeitige Osteoporose der Zerstörung der B-Lymphozyten, der Hemmung der aufweisen, Erkrankungen, die für eine hohe Morbidität Costimulation (von antigenpräsentierenden Zellen und und Mortalität verantwortlich sind. Die Aufgabe der T-Lymphozyten) oder von Interferonen ansetzen [24]. Generalisten besteht unserer Meinung nach darin, die zusätzlichen kardiovaskulären, Osteoporose- und Krebs- risikofaktoren im Visier zu haben, aufzuspüren und Fazit aggressiv dagegen vorzugehen (Eindämmung des Tabakkonsums, Diabetes, Dyslipidämien, Krebsscree- Wahrscheinlich ist es an der Zeit, unsere Therapiestra- ning gemäss den üblichen Empfehlungen usw.), nicht tegien beim SLE, insbesondere mit Gelenk- und Nieren- zu vergessen die Sonnenexposition sowie ihre schäd- beteiligung, zu überdenken und dieselben Prinzipien lichen Auswirkungen und einen dementsprechenden anzuwenden, die auch bei der modernen Behandlung systematischen Sonnenschutz. Schlussendlich bedarf es von rheumatoider Polyarthritis und Spondylarthritiden für eine optimale SLE-Behandlung der engen Zusam- von Erfolg gekrönt sind. Dazu sind eine eindeutige Fest- menarbeit zwischen Spezialisten und Generalisten. legung der Therapieziele im Hinblick auf eine minimale Krankheitsaktivität oder eine Remission, eine regel- Korrespondenz: mässige und genaue Krankheitsbeurteilung sowie der PD Dr. med. Jean Dudler Einsatz der uns verfügbaren modernen Behandlungen Clinique de rhumatologie erforderlich. Auch wenn Kortikoide, insbesondere zur et Service de médecine physique et rééducation HFR Fribourg kurzfristigen Behandlung, fast in allen Fällen wirksam Hôpital Cantonal und unverzichtbar sind, sollten wir aufgrund ihrer mit- CH-1708 Fribourg tel- und langfristigen Toxizität eine Therapie ohne sie jean.dudler[at]h-fr.ch anstreben. Die Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit der konventionellen und biologischen Basistherapien Literatur sprechen hingegen dafür, letztere häufiger anzuwen- Die vollständige Literaturliste finden Sie unter www.medicalforum.ch. Schweiz Med Forum 2013;13(42):841–845 845
Sie können auch lesen