Take-Off Wrmewende Impulse fr das neue Wrmemarktdesign - MVV Energie AG
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Ein Beitrag zur Wärmewende von MVV Energie AG Luisenring 49 68159 Mannheim Dezember 2018 Kontakt und Anregungen Dr. Christoph Helle, MVV Energie AG Dr. Oliver Kopp, MVV Energie AG waermewende@mvv.de 2
Über die Autoren Auftraggeber und Autor Mit aktuell rund 6.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 4 Mrd Euro im Geschäftsjahr 2018 ist MVV eines der führenden Energieunternehmen in Deutschland. MVV besetzt alle Stufen der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette – von der Energieerzeugung, dem Energiehandel und der Energieverteilung über eigene Netze bis zum Vertrieb und zum Energiedienstleistungsgeschäft. Außerdem zählen wir in Deutschland zu den führenden Betreibern von thermischen Abfallverwertungs- und Biomasseanlagen und betreiben große Fernwärmeverbundnetze. MVV investiert in den kommenden Jahren drei Milliarden Euro in das Energie- system der Zukunft. Darüber hinaus haben wir uns bis 2026 vorgenommen unser Erzeugungsportfolio aus erneuerbaren Energie zu verdoppeln, insge- samt 10.000 MW an erneuerbare Energien für Dritte ans Netz zu bringen und spätestens im Jahr 2026 mehr als 1 Mio. t CO2 klimawirksam einzusparen. Bedeutung Wärmemarkt für MVV MVV erzeugt und liefert über 7.000 GWh an Fernwärme und Ferndampf an Privat- und Industriekunden, im Wesentlichen im Großraum Rhein-Neckar, Offenbach, Kiel und Ingolstadt. Darüber hinaus ist MVV gemäß des Rankings der Zeitschrift Energie & Management der größte deutsche Energiedienstleis- ter gemessen an der Größe des Contractingportfolios (MWth). In den vergan- genen Jahren haben wir sowohl im B2C- als auch B2B-Bereich unsere Pro- dukt- und Dienstleistungsangebot konsequent weiterentwickelt und bieten für unsere Kunden maßgeschneiderte Lösungen für ihre eigene Energiewende an. Motivation für diese Studie Wir verstehen uns als Treiber der Energiewende und sehen insbesondere im Bereich der Wärmewende großen politischen Handlungsbedarf, um die erforderlichen Investitionen anzureizen, um die klimapolitischen Sektorziele zu erreichen. Für die Transformation der Wärmenetze sind sukzessive Investitio- nen erforderlich, um in den 2030-er und 2040-er Jahren den technischen und regulativen Anforderungen zu entsprechen. Solche Investitionen mit einer Kapitalbindung über mehrere Jahrzehnte benötigen eine hinreichend hohe Investitionssicherheit. Es stellt sich die Frage, ob diese zum langfristigen regulativen Umfeld und Marktdesign passen, zudem muss auch klar sein, in welcher Höhe diese refinanziert werden können. Aus diesem Grund verstehen wir diese Studie als Diskussionsimpuls an Politik und Öffentlichkeit in den kommenden Jahren, um die notwendigen Rahmenbedingungen für den Wärmemarkt der Zukunft zu setzen und die notwendigen, wenngleich politisch schwierigen, Themen anzugehen. Autoren: Mathias Onischka, Florian Weiser, Oliver Kopp 3
Co-Autor Das ifeu forscht und berät weltweit zu allen wichtigen Umwelt- und Nachhaltig- keitsthemen. Es zählt mit 40-jähriger Erfahrung zu den bedeutenden ökolo- gisch ausgerichteten Forschungsinstituten in Deutschland. Die Arbeit von ifeu ist gekennzeichnet durch Erfahrung, Unabhängigkeit, Praxisnähe und zielori- entierte Herangehensweise. Im ifeu sind derzeit an den Standorten Heidelberg und Berlin über 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Bereich der Natur-, Ingenieurs- und Gesellschaftswissenschaften beschäftigt. Autoren: Martin Pehnt, Peter Mellwig Autor für Teil 2 (Länderanalyse) Ecofys ist ein führendes Beratungsunternehmen in den Bereichen Energie und Klima. Seit mehr als 30 Jahren ist Ecofys ein innovativer Vorreiter im Energiebereich und gehört heute zum globalen Energieteam von Navigant: mehr als 600 Experten liefern Erkenntnisse, die maßgeblich zum Fortschritt in der Energiewende und der Herausforderung Klimawandel beitragen. Wissen und Innovation sind für Ecofys die wichtigsten Instrumente, um die Ideen von heute in die Wirklichkeit von morgen zu verwandeln. Autoren: Ashok John, Malte Gephart, Carsten Petersdorff 4
Inhaltsverzeichnis 6 Zusammenfassung 9 Ein Geleitwort zur Studie von Prof. Dr. Andreas Löschel 10 Teil 1: Take-Off für die Wärmewende in Deutschland 10 Die CO2-Ziele für den Wärmesektor sind alternativlos – Handlungsoptionen bestehen beim Wärmemarktdesign 12 Die Wärmewende ist ökonomisch sinnvoll, aber betriebswirtschaftlich unrentabel 12 Die Wirtschaftlichkeitslücke 13 Die Kosten der Wärmewende liegen im Milliarden-Bereich 15 Die Kostenentwicklung ist planbar, die Kosten der Energiewende bleiben konstant 15 Den Kosten steht ein großer gesellschaftlicher Nutzen entgegen 16 Politik muss über die Lastenverteilung entscheiden 16 Wieviel teurer wird Wohnen infolge der Wärmewende? 16 Politik muss entscheiden, wer die Lasten trägt 17 Und welchen finanziellen Beitrag leistet die Industrie? 18 Entscheidungsbedarf zu Grundsätzen des Markt- und Politikdesigns 18 Der technologische Weg bis 2050 ist robust vorgezeichnet 19 Plädoyer für ein wettbewerbliches Marktdesign aus einem Guss 21 Die Gretchenfrage: Wieviel Zwang zur Effizienz und Vergrünung ist zumutbar? 22 Preissignale als bewährtes Instrument für Investitionsanreize 23 Kurzüberblick: Handlungsoptionen für einen Politikmix 23 Grundsätze der künftigen Wärmewendepolitik 26 Vorschlag: Kernelemente einer zukunftsfähigen Wärmepolitik 27 1. Notwendig, aber nicht hinreichend: Die CO2-Abgabe für Brennstoffe 30 2. CO2-Grenzwerte für Gebäude 31 3. Dezentrale Wärmeerzeugung: Finanzielle Förderung für Dekarbonisierung 31 4. Zentrale Wärmeerzeugung: Finanzielle Förderung für Dekarbonisierung 33 5. Finanzielle Förderung für Energieeffizienz in Gebäuden 34 6. Kommunale Wärmeplanung 35 Wirkung des vorgeschlagenen Politikmixes 36 Was ist nun konkret zu tun? 37 Teil 2: Was kann man von unseren Nachbarländern lernen? 37 Länderüberblick 39 Schweiz 41 Dänemark 43 Frankreich 48 Großbritannien 50 Niederlande 5
Zusammenfassung Jahr 2050 um über 50 % zu reduzieren. Richtig ist aber auch, dass der CO2-Gehalt des verblei- benden Wärmebedarfs weitestgehend dekarbo- Obwohl etwa ein Drittel aller CO2-Emissionen in nisiert werden muss, da nur so die CO2-Ziele für Deutschland auf die Nutzung von Wärme entfal- den Gebäudesektor erreicht werden können. len, liegt der Fokus der bisherigen Energiepolitik Wärmewende heißt also nicht nur Wärmedäm- auf dem Stromsektor. Dringend erforderliche mung. Wärmewende heißt auch, beherzt auf Maßnahmen für einen Take-Off der Wärmewen- CO2-arme Wärmeerzeugungstechnologien zu de bleiben aus, so dass die Einhaltung der setzen. Klimaziele gefährdet ist. Diese grünen Technologien wie z. B. Luftwärme- Der Grund für den politischen Stillstand bei der pumpen, Solarthermie und grüne Gase bleiben Dekarbonisierung der Wärme sind insbesondere auf Vollkostenbasis auch langfristig signifikant substanzielle Verteilungsfragen, die politisch teurer als Technologien mit fossilen Brennstof- schwerer zu managen sind als im Strombereich. fen, wie Ölheizungen und Gasbrennwertkessel. Bei der Stromwende wurden vorwiegend Energie- Dies gilt selbst unter der Prämisse, dass bei unternehmen adressiert und die Kosten auf die vielen Komponenten aufgrund technologischen Grundgesamtheit der Stromverbraucher gewälzt Fortschritts ähnliche Kostendegressionen (EEG-Umlage). Bei der Wärmewende müssen realisierbar sind, wie wir es für Photovoltaik und nun insbesondere Mieter, Hausbesitzer und Windenergieanlagen gesehen haben. Daher ist Vermieter direkt adressiert werden, da die Investiti- unmittelbar einsichtig, dass Immobilienbesitzer, onen großteils bei den Endkunden erfolgen. Hier Mieter und Unternehmen nicht in der Breite ist man mit den bekannten Problematiken konfron- diese teureren grünen Technologien nutzen tiert wie bspw. Mieter-Vermieter-Dilemmata, zu werden. Damit bleibt nur ein Weg: Es muss kurzfristige Kostenoptimierungen und begrenzte Nachfrage nach grüner Wärme durch Eingriffe Rationalität sowie mangelnden Zugang zu Infor- des Staates geschaffen werden, entweder durch mationen. Kurzum, die Wärmewende ist deutlich Preisinstrumente wie CO2-Steuern, ordnungs- vielschichtiger und in den Verteilungswirkungen rechtliche Auflagen zur CO2-Intensität der komplexer als die Stromwende. genutzten Wärme oder durch Förderung grüner Technologien. Dies alles geschieht in einem Umfeld, in dem Deutschland mit steigenden Mieten und steigen- Neben den dezentralen Heizungsanlagen bei den Energiekosten kämpft, mit zunehmendem den Kunden muss auch die Fernwärme in den Wohnungsbaubedarf aufgrund von Urbanisie- großen Ballungsgebieten dekarbonisiert werden. rung, zunehmender Migration und strukturpoliti- Die Dekarbonisierung der Fernwärme hat den schen Verwerfungen. Eine Kostenerhöhung von großen Vorteil, dass sie das Mieter-Vermieter- Warmmieten und Immobilienpreisen ist für Politik Dilemma umgeht, da die Investitionen durch die – zumal in einer ausdifferenzierten Parteienland- kommunalen Versorger erfolgen und auf den schaft – schwer zu kommunizieren. Endkundenpreis umgelegt werden. Außerdem kann so die Wärme schrittweise dekarbonisiert Aber: Die Verteilungsfrage kann nicht länger werden, insbesondere im innerstädtischen ausgesessen werden, denn die Wirtschaftlich- Gebäudebestand. keitslücke für die Wärmewende ist erheblich: 9 Milliarden Euro werden im Jahr 2030 zusätzlich Ein zentrales Ergebnis dieser Studie ist: Eine über die bereits beschlossenen (Förder-)Maß- CO2-Steuer für fossile Wärmeerzeuger, die nicht nahmen hinaus benötigt, wenn im Gebäudesek- dem Emissionshandel unterliegen, ist eine tor die Klimaschutzziele eingehalten werden notwendige Voraussetzung, aber keine hinrei- sollen. Diese Kosten ergeben sich aus der chende Maßnahme. Sie ist notwendig, um die Leitstudie der Deutschen Energieagentur (dena) derzeitige Benachteiligung von Power-to-Heat- zur Energiewende. Auch wenn andere Studien zu Anwendungen abzubauen, da alle Kosten der etwas höheren oder niedrigeren Kosten kommen, Energiewende auf den Strompreis umgelegt so ist diese Größenordnung nicht wegzudiskutie- werden. Sie ist aber nicht hinreichend, weil die ren. Kostenlücke von fossilen zu grünen Wärmeer- zeugungsoptionen nicht vollständig geschlossen Derzeit liegt das Schwergewicht der wissen- wird. Eine CO2-Steuer in Höhe von 50 Euro/t schaftlichen und politischen Diskussion auf würde die Wirtschaftlichkeitslücke von rd. 3 bis 5 Effizienzmaßnahmen, also insbesondere der Cent/kWhth auf Vollkostenbasis nur um 1 bis 1,5 energetischen Sanierung von Gebäuden. Richtig Cent/kWhth reduzieren. Diese Problematik wird in ist, dass es gewaltiger Anstrengungen bedarf, der Studie anhand von Praxisbeispielen (zentra- den Endenergieverbrauch für Gebäude bis zum 6
le Großwärmepumpe, dezentrale Luftwärme- der Heizungssysteme in Einzelgebäuden. Der pumpe, Sanierung) veranschaulicht. Instrumentenmix muss also alle Optionen für grüne Wärme adressieren. Hierzu gehören auch Es braucht zusätzliche Maßnahmen. Wir schla- die intelligente Nutzung von industrieller gen einen Instrumentenmix aus sechs Hand- Abwärme, großtechnische Wärmepumpen, lungsfeldern vor, welcher in unten stehender geothermische Anwendungen, Wärme aus Abbildung veranschaulicht wird: Eine CO2-Abga- Müllverbrennungsanlagen und solarthermische be als Basis, flankiert mit ordnungsrechtlichen Anwendungen. Es ist entscheidend, dass die Vorgaben und zielgerichteten Einzelfördermaß- sechs Handlungsfelder integriert betrachtet nahmen, sowohl für die energetische Gebäude- werden, da es erhebliche Interdependenzen gibt. sanierung, für die Transformation von Fernwär- Beispielsweise hängt die Höhe der erforderlichen mesystemen als auch für die Dekarbonisierung Fördermaßnahmen für CO2-arme Wärmeerzeu- 1 Preisinstrument: CO2-Abgabe von Brennstoffen Aufeinander abgestimmte Maßnahmen auf Basis der Grundsätze 2 Ordnungsrecht/Preisinstrument: Verpflichtende CO2-Grenzwerte für Bestandsgebäude mit finanzieller Technologieneutralität, Level-playing-field, Wettbewerb Kompensationsoption bei Nicht-Erreichen 3 4 5 6 Kommunale Wärmepläne Sechs Handlungsfelder für einen zukunftsfähigen Wärmepolitik-Mix 7
gung maßgeblich von der Höhe der CO2-Abgabe verpflichtet, für nicht erbrachte CO2-Reduktionen und ordnungsrechtlichen Vorgaben ab. – auch im Gebäudesektor – Emissionsrechte von den EU Nachbarländern abzukaufen. Da Die Einbindung grüner Heiztechnologien wird aber für die Nachbarländer die Einhaltung der aber nur dann möglich, wenn die Gebäude einen Klimaschutzziele im Zeitverlauf immer schwerer Mindeststandard an Energieeffizienz aufweisen. wird, ist mit sehr hohen Preisen zu rechnen. Beispielsweise ist im Bereich der zentralen Agora Energiewende beziffert für die 2020er Wärme die Einbindung dieser CO2-armen Jahre das Kostenpotenzial auf rd. 30 bis 60 Optionen nur möglich, wenn die Temperaturen Milliarden Euro – zusätzlich zu den Kosten, um im Wärmenetz abgesenkt werden können. Dies die nicht erreichten Einsparungen nachzuholen. ist teilweise durch netztechnische Maßnahmen Es ist offensichtlich, dass die Kosten eines möglich, aber nicht zielführend, solange viele Weiter-So-Szenarios höher sind, als direkt in die Wärmekunden hohe Temperaturen benötigen. Wärmewende zu investieren. Diese Investitio- Daher sind Maßnahmen bei den Kunden erfor- nen, die ein Vielfaches der zu schließenden o. g. derlich, die aber im heutigen Marktdesign nicht Wirtschaftlichkeitslücke betragen, können als ein förderfähig sind und damit individuell keinen willkommenes Konjunkturprogramm verstanden Anreiz für eine Umstellung besteht. werden. Das dringlichste Ziel: Es muss verhindert Politisch brisant ist die Frage der Verteilungswir- werden, dass Ölkessel in den nächsten Jahren kung – also wer die Kosten der Wärmewende durch effizientere, aber immer noch mit fossilen letztendlich zu tragen hat. Die positive Nachricht: Brennstoffen betriebene Kessel ersetzt werden. Es gibt einen Handlungs- bzw. Verteilungsspiel- Ein solcher Tausch würde zwar kurzfristig zu einer raum, da mittel- bis langfristig die Kosten für die Emissionsreduktion führen, gleichzeitig würde Wärmewende nur in dem Maße steigen, wie die aber ein Emissionssockel für zwei bis drei Kostenbelastung aus der EEG-Umlage für die Jahrzehnte zementiert. Dieser Lock-in-Effekt Stromwende sinkt. Obwohl es Verteilungsfragen kann nur durch schnelles, ordnungsrechtliches gibt, lässt sich gleichwohl die Belastung von Eingreifen verhindert werden. Mietern, Immobilieneigentümern und Unterneh- men bei einem ausgewogenen Politikmix so Außerdem stellen wir in dieser Studie Erfahrun- gestalten, dass große Ungleichgewichte vermie- gen zu Instrumenten für die Wärmewende aus den werden. dem europäischen Ausland vor und fragen nach den Lessons Learnt für Deutschland. So gibt es Selbst wenn wir ein Marktdesign schaffen, das in Frankreich Sanierungsverpflichtungen, in der Investitionen in Effizienz und grüne Wärme Schweiz gibt es seit 2008 eine substanzielle anreizt, wird die Wärmewende kein Selbstläufer. CO2-Steuer, in Dänemark kommt den Kommu- Für die praktische Umsetzung werden weit mehr nen eine zentrale Rolle zu und in Großbritanni- Handwerker mit Spezialwissen benötigt als sie ens Green Deals wurden gewährte Kredite über heute zur Verfügung stehen und die Ausbildung Energieeinsparungen getilgt. Interessant ist vor guter Heizungsinstallateure und Ingenieure allem, wie im Ausland die Verteilungsproblematik dauert viele Jahre. Diese Problematik tritt in für schwächere Einkommensschichten adressiert einer Phase des Fachkräftemangels in Deutsch- wurde. So erhalten in der Schweiz die Bürger land auf. Das Angebot an Ausbildungsplätzen etwa zwei Drittel der CO2-Steuerbelastung über muss deutlich erhöht werden, was aber nur die Krankenkassenbeiträge zurück, wobei geschieht, wenn die Betriebe sicher mit deutli- CO2-intensive Unternehmen stärker belastet chem Wachstum und hinreichender Investitions- werden. In Frankreich dürfen 30 % der Kosten sicherheit planen können. für ausgewählte Effizienz- und Wärmeerzeu- gungsinvestitionen direkt von der Einkommen- Um eine Chance zu haben, die Klimaschutzziele steuer abgezogen werden. Auch wenn die für 2030 im Wärmesektor einzuhalten, muss in Auslandsbeispiele keine Blaupause für Deutsch- den kommenden Jahren die Wärmewende mit land liefern, so doch wertvolle Impulse, auch im einem weit höheren Tempo, Ressourceneinsatz Hinblick auf potenzielle prozessuale Fehler, die und politischem Willen vorangetrieben werden, in Deutschland vermieden werden sollten. als dies bislang der Fall ist. Daher muss der öffentliche Diskurs auch zu den Finanzierungs- Wer sich nun fragt, ob sich Deutschland zusätz- bedarfen und Verteilungsfragen sofort beginnen. lich 9 Milliarden Euro jährlich leisten kann, dem Diese Studie ist ein Beitrag hierfür. sei darauf verwiesen, was geschieht, wenn Deutschland die Klimaziele nicht einhält: Gemäß der europäischen Lastenteilungsverordnung (EU Effort Sharing Regulation) ist Deutschland 8
Ein Geleitwort Die Bundesregierung hat sich mit dem Energie- konzept vom September 2010 und dem Kern- energieausstieg vom August 2011 eine Langfrist- zur Studie strategie der Energiepolitik mit ambitionierten Zielsetzungen gegeben. Während der Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor von Prof. Dr. Andreas Löschel schnell voranschreitet, sieht es im Wärmesektor Universität Münster weniger gut aus: Das Monitoring der Energie- wende zeigt, dass der Wärmebedarf im Gebäu- desektor nur langsam sinkt und der Anteil Erneuerbarer am Wärmeverbrauch in den letzten Jahren stagniert. Obwohl also im Gebäude- bereich schon einige Fortschritte erzielt worden sind, ist mit dieser Dynamik der von der Bundes- regierung abgestrebte nahezu klimaneutralen Gebäudebestand bis zum Jahr 2050 nicht zu erreichen. Die vorliegende Studie ist daher ein willkomme- ner Impuls, der die Kosten der Wärmewende für die Endverbraucher abschätzt und Vorschläge für konkrete Maßnahmen erarbeitet. Die gute Nachricht: die zusätzlichen Anstrengungen zur Erreichung der Wärmeziele sind überschaubar. Allerdings wirken die Maßnahmen sehr direkt und führen zu komplexeren Verteilungsfragen. Die vorgeschlagene öffentliche und breite Diskussion zu einem Markt- und Politikdesign für die Wärmewende aus einem Guss ist wichtig, damit Effizienz- und Verteilungsfragen zusam- men angegangen werden können. Überlegun- gen der Bundesregierung zu Einsetzung einer Gebäudekommission gehen in diese Richtung. Es ist dann zu klären, welche Instrumente im Politikmix eine wichtige Rolle spielen sollen – von einer stärkeren Bepreisung fossiler Brenn- stoffe über eine Vergünstigung grüner Wärme bis zu ordnungsrechtlichen und informatorischen Instrumenten. Ganz zu Recht wird die Einfüh- rung einer CO2-Abgabe für fossile Wärmeerzeu- gung vorrangig gefordert. Es werden aber auch die Einschränkungen der CO2-Abgabe deutlich. Entsprechend ist ein Mix von Instrumenten ökonomisch sogar geboten, um weitere Markt- versagenstatbestände im Gebäudebereich neben den Treibhausgasemissionen zu adres- sieren. Der vorliegende Diskussionsbeitrag zu den Kernelementen einer zukunftsfähigen Wärmepolitik ist hierfür ein hervorragender Ausgangspunkt. Prof. Dr. Andreas Löschel Lehrstuhl für Mikroökonomik, insb. Energie- und Ressoucenökonomik Universität Münster 9
Teil 1: Take-Off für die Wärmewende in Deutschland Die CO2-Ziele für den Wärmesektor sind alternativlos – Handlungsoptionen bestehen beim Wärmemarktdesign Der deutsche Energieverbrauch hat im Bereich Im Wärmebereich gibt es im Hinblick auf die Wärme mit über 50 Prozent die größte Position erforderliche Entwicklung bis 2050 kein wesent- in der deutschen Energiebilanz und ist deutlich liches Erkenntnisdefizit. Mit branchenübergrei- größer als Strom und Mobilität. Drei Fünftel fenden Studien wie bspw. BDI Klimapfade, dieses Wärme-Energieverbrauchs werden für dena-Leitstudie, Effizienzstrategie Gebäude Raumwärme und Warmwasser benötigt, der oder der Agora-ifeu-Studie wurde auf Basis Rest für sonstige industrielle Prozesswärme. wissenschaftlicher Modellrechnungen gezeigt: Seit dem Energiekonzept aus dem Jahr 2010 1. Es bedarf für die kommenden 10 bis 15 (BMWi und BMU, 2010) ist bekannt, dass der Jahre signifikanter Maßnahmen, um den Bedarf an fossilen Energieressourcen für den CO2-Reduktionspfad zu halten, da nur so Gebäudebereich bis 2050 auf nahezu Null langfristige Pfadabhängigkeiten vermieden sinken muss. Um das zu erreichen, müssen auf werden. der Wegmarke 2030 die gebäudespezifischen Emissionen ggü. 2014 um etwa 40 % bzw. um 2. Der Energiebedarf im Gebäudebereich muss 49 Mio. t sinken. langfristig um mind. 40 % (in einzelnen Szenarien bis 60 %) sinken. Die Analysen für Das Energiekonzept hatte bereits die grobe die Effizienzstrategie Gebäude zeigen, dass Marschrichtung vorgegeben, wie das zu errei- eine Energiereduktion deutlich über 50 % an chen sei: Einerseits durch die energetische technischen, natürlichen und praktischen Sanierung des gesamten Gebäudebestands auf Restriktionen scheitert. Die Sanierung aller Niedrigenergiestandard, andererseits durch die Gebäude in Deutschland auf Passivhausni- Dekarbonisierung des dann noch restlichen veau ist realitätsfremd. Wärmebedarfs. 3. Die Energie für den Gebäudebereich muss Die deutsche Energiepolitik der letzten Jahre zu mindestens 60 % CO2-neutral sein (in hatte einen starken Fokus auf die Stromwende. einzelnen Szenarien bis zu 90 %), d.h. der Der bereits erfolgte Ausbau der erneuerbaren Anteil der fossilen Energieträger – vor allem Energien ist beachtlich und die Ausbau-Ziele Erdgas und Heizöl – muss drastisch gesenkt wurden neuerlich noch erhöht (Erneuerbaren- werden. Quote von 65 % im Jahr 2030). Der Wärmesek- tor verharrt hingegen im Dornröschenschlaf und hinkt weit hinter dem Zielpfad her. Nichts-Tun ist keine Handlungsoption, da über den Mechanismus des EU-Effort-Sharings nicht erbrachte nationale CO2-Einsparungen finanzi- ell bestraft werden und aufgeholt werden müssen. 10
Das nachfolgende Beispiel der dena-Leitstudie Die wichtigsten sind: zeigt, dass beide Säulen der Wärmewende – Effizienzgewinne und Dekarbonisierung der • Wirtschaftlichkeit: Sowohl Tiefensanierung als Wärmeerzeugung – in den kommenden 15 auch erneuerbare Heiztechnologien sind je Jahren deutlich voran kommen müssen. Für nach Kontext der Sanierung teurer als andere den Handlungsbedarf bis Mitte der 2030-er Alternativen. Zudem werden auch bei aus Jahren ist es unerheblich, ob anschließend eher Lebenszykluskostensicht wirtschaftlichen mewende erfolgt durch Vergrünung und Effizienz auf eine nochmal verstärkte Effizienz oder ver- stärkte Vergrünung durch synthetische Gase Maßnahmen im industriellen und gewerbli- chen Umfeld notwendige Wirtschaftlichkeits- gesetzt wird. kriterien nicht erfüllt. Entwicklungspfad für die • Investitionsbarriere: Für einen Teil der Betrof- Dekarbonisierung des Gebäudesektors fenen sind erhöhte Investitionen in die Wärmewende nicht leistbar, auch wenn sie Endenergieverbrauch (TWh/a) sich langfristig rechnen. Oft fehlt es an 900 hinreichendem Eigenkapital bzw. ist die 2015 Fremdkapitalfähigkeit und -willigkeit unzurei- 800 chend. 2020 700 • Mieter-Vermieter-Dilemma: Bei vermieteten 600 -57% 2030 Objekten fallen Aufwand (=Kosten) und Nutzen (=Energieeinsparungen) auseinander, 500 sodass für den Investor keine Investitionsan- 2040 reize bestehen, selbst wenn die Maßnahmen 400 2050 akteursübergreifend wirtschaftlich sind. 300 • Unkenntnis über die Optionen einer energeti- 200 -41% schen Sanierung, Defizite bei neutralen Informationen beispielsweise über den 100 Nutzen einer gedämmten Gebäudehülle. 0 0 50 100 150 200 250 Die entscheidenden Fragen werden bislang nicht hinreichend thematisiert: CO2-Intensität(g/kWh) • Wie teuer wird die Wärmewende für die 1 Entwicklungspfad für Effizienz und Dekarbonisierung am Endverbraucher? Beispiel der dena-Leitstudie (dena, MVV) • Welche konkreten politischen Maßnahmen Die im Wohngipfel im Bundeskanzleramt im müssen ergriffen werden, damit die Ziellücke nergie September 2018 noch einmal bekräftigten der Emissionsminderung im Wärmebereich „Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, der Techno- geschlossen wird? logieoffenheit, der Vereinfachung sowie der Freiwilligkeit“ können als Fortführung der bisherigen Wärmewende-Politik verstanden werden. Die dena-Leitstudie zeigt pars pro toto „Bei Fortführung das hiermit verbundene Ergebnis: Im Falle einer Fortführung der bisherigen Wärmepolitik wird im der bisherigen Wärmepolitik Wärmebereich nur ca. 60 % der erforderlichen werden nur 60 % CO2-Einsparung realisiert. Man kann es auch positiv formulieren: Damit wir im Wärmebereich der erforderlichen auf den Zielpfad zu den Klimazielen einschwen- CO2-Einsparungen realisiert.“ ken, bietet die aktuelle Energiepolitik bereits eine solide Basis. Entscheidend ist aber, die 40-%-Lücke zu schließen. Für beide Fragen geben wir in diesem Papier Diese Ziellücke wird nicht von allein geschlos- Antworten mit dem Ziel, eine Diskussion zur sen. Die Gründe und Hemmnisse sind über Wärmewende jenseits der Ausgestaltung viele Jahre hinreichend analysiert und bekannt. kleinteiliger Maßnahmen zu führen. 11
Die Wärmewende ist ökonomisch sinnvoll, aber betriebswirtschaftlich unrentabel Die Wirtschaftlichkeitslücke Diverse Studien (z. B. dena und ewi ER&S (2017), BCG und Prognos (2018)) zeigen, dass Die Heizkostenvergleiche, die den Wärmewen- sich auch künftig CO2-arme Wärmeerzeugung destudien zugrunde liegen, zeigen: Im Regelfall bzw. energetische Sanierung in der für die sind fossile Heizungen (Erdgas oder Heizöl Wärmewende erforderlichen Tiefe nicht voll- bzw. in Ballungsgebieten Fernwärme) am ständig refinanzieren. Selbst bei optimistischen wirtschaftlichsten – allerdings unterliegen die Kostendegressionen bleiben auch im Jahr 2040 Energiepreise starken Schwankungen, wie CO2-arme Heizungsalternativen signifikant auch der Ölpreisanstieg im Jahr 2018 zeigt. teurer als fossile, konventionelle Technologien. Grund: Zwar sinken die Investitionskosten für Bei einer betriebswirtschaftlichen Vollkostenbe- CO2-arme Technologien gegenüber heutigen trachtung (ohne Berücksichtigung der Klima- Preisen, sie bleiben aber absolut höher als schadenskosten) sind CO2-arme oder erneuer- fossile Alternativen. Zudem steigen die variab- bare Lösungen systematisch teurer. Aus dem len Kosten für CO2-arme Energieträger an. Preisunterschied zwischen diesen für die Diese Erkenntnis ist selbst für unterschiedliche Wärmewende erforderlichen Alternativen und Erwartungen über künftige Brennstoffpreise der günstigsten Option ergibt sich eine Wirt- recht robust. Ein anderes Bild ergibt sich erst, Wärmegestehungskosten schaftlichkeitslücke. Wirtschaftlich kalkulierende wenn infolge von Politikmaßnahmen im zusätzliche Einfamilienhaus Investoren und Immobilienbesitzer werden Kostenbelastungen (z. B. CO2-Steuer) oder bevorzugt die wirtschaftlichsten Optionen Kostenentlastungen (z. B. zusätzliche Förde- auswählen, soweit es keine ordnungsrechtli- rung) entstehen. chen Verpflichtungen gibt. ct2016/kWhth Zum Leidwesen der Effizienzpolitik stellt selbst 24,0 24,4 25 23,4 eine gegebene Wirtschaftlichkeit in vielen 2016 Fällen noch keine hinreichende Bedingung 21,2 2040 dafür dar, dass die für die Wärmewende 20 notwendigen Maßnahmen ergriffen werden. 15,8 16,0 Das Paradebeispiel des zumeist hochwirtschaft- 15 lichen Austauschs von Umwälzpumpen zeigt Hemmnisse in Form von Attentismus und Pfadabhängigkeiten. 10 5 „Selbst bei optimistischen 0 Kostendegressionen bleiben Gas-BW Luft WP Mikro-KWK auch im Jahr 2040 2 Exemplarische Wärmegestehungskosten im Einfamilien- CO2-arme Heizungsalternativen haus, Quelle: IER / MVV (2016) und Kopp et. al. (2016); BW: Brennwertkessel; WP: Wärmepumpe; KWK: Kraft-Wär- signifikant teurer als fossile, me-Kopplung konventionelle Technologien.“ 4 MVV Energie Während sich im Neubau von Ein- und Zweifa- milienhäusern zumindest der KfW55-Standard in verschiedenen Modellrechnungen als kos- tenoptimal erweist, amortisiert sich im Gebäu- debestand die erforderliche energetische Tiefensanierung im Regelfall nicht vollständig und unterbleibt (auch, aber nicht nur deshalb). 12
Die Kosten der Wärmewende liegen im Dabei geht es nicht um Investitionsvolumina, da Milliarden-Bereich sich bei der Umstellung auf CO2-arme Wär- meerzeugung neben Investitionskostkosten Bereits heute werden substanzielle finanzielle auch Änderungen in Betriebs-, Wartungs- und Mittel durch den Fiskus bereitgestellt – sei es Energiekosten der Heizung ergeben. Vielmehr als direkte Förderung oder fiskalische Anreize geht es um die Kosten, die trotz der bestehen- – um diese Mehrkosten für Effizienz und den Förderprogramme nicht wirtschaftlich erneuerbare Wärme zu adressieren. Überschlä- gedeckt werden können. Wir nennen dies die gig werden allein durch den Bund jährlich Wirtschaftlichkeitslücke. zwischen 3 und 6 Mrd. Euro in verschiedenen Programmen bereitgestellt (abhängig davon, ob man bspw. die Fördervolumina des KWKG oder Wirtschaftlichkeitslücke Steuerermäßigungen für Renovierungsaufwand hinzurechnet). Diese Mittel in Kombination mit In Anlehnung an die dena-Leitstudie ergibt regulativen und ordnungspolitischen Regelun- sich die Wirtschaftlichkeitslücke als Saldo gen (z. B. EnEV, EEWärmeG) lösen bereits aus folgenden Positionen: heute Investitionen in Höhe von über 50 Mrd. Euro aus. Mehrkosten: Höhere energiebedingte Investitionskosten (Kapitalkosten) im Diverse Analysen (z. B. dena und ewi ER&S Vergleich zur Referenzentwicklung. (2017), BCG und Prognos (2018)) haben die aktuelle Politik fortgeschrieben und kommen Mehrkosten: Höhere Betriebs- und War- sherige politische Maßnahmen sind nicht ausreichend unisono zu dem Ergebnis, dass damit die tungskosten im Vergleich zu Referenz- Wärmeziele für 2030 bzw. 2050 auf Grund der entwicklung m die CO2-Sektorziele für Gebäude oben genannten Hemmnisse zu erreichen nicht ansatzweise zu erreichen sind. Energiekosteneinsparung: Geringere Brennstoffkosten im Vergleich zur Refe- Mio. t CO2 p.a. im Gebäudebereich renzentwicklung -40 % 180 Die jährliche Wirtschaftlichkeitslücke wird 160 mit bestehender annuisiert dargestellt, d.h. gleichmäßig auf Wärmepolitik 140 erreichbar den Nutzungszeitraum verteilt. Da die Wirtschaftlichkeitslücke als Differenz zur 120 Referenzentwicklung gebildet wird, sind 100 Ausgaben für bestehende Förderungen CO2-Lücke nicht enthalten. 80 60 Die Wirtschaftlichkeitslücke ist klar von den 40 Investitionskosten abzugrenzen. Investi- tionskosten sind die Kapitalkosten, die zum 20 Zeitpunkt der Maßnahme anfallen, aber nur 0 einen Teil der kumulierten Gesamtkosten 2015 2020 2025 2030 2035 2040 ausmachen (bspw. fehlen hier die Brenn- stoffkosten im Nutzungszeitraum). Ziel Gebäudesektor für 2030 Fortführung "current policy" erforderlicher Klimaschutzpfad Im Folgenden haben wir die Wirtschaftlichkeits- lücke auf Basis von Ergebnissen der dena-Leit- MVV Energie Daten: 3 CO denazwischen -Lücke Leitstudie Pfad 2018, Klimaschutzplan mit Fortführung Bundesregierung der aktuellen studie quantifiziert, die sich zum Erreichen 2 Wärmepolitik und Klimaschutzpfad (Quelle: dena-Leitstudie, eines 80-Prozent-Reduktionspfades ergibt. MVV) Auf Basis der dena-Leitstudie beträgt (zusätz- Es stellt sich die zentrale Frage, wie teuer es lich zu den bereits heute bestehenden Politik- ist, die CO2-Lücke zwischen der Fortführung der maßnahmen) allein für den Gebäudesektor aktuellen Wärmepolitik („current policy“ bzw. in (d.h. Heizwärme und Warmwasser) die Höhe der dena-Leitstudie „Referenz“ genannt) und der Wirtschaftlichkeitslücke, um einen 80-Pro- einen 80-Prozent-Reduktionspfad zu schließen. zent-Reduktionspfad bis 2050 zu erreichen: 13
• im Jahr 2030: rd. 9 Mrd. Euro wertkessel) als Benchmark. Zudem sind in nicht immer alle Kostenelemente (z. B. lfd. • im Jahr 2040: rd. 23 Mrd. Euro Betriebs- und Wartungskosten) enthalten. Da es sich hierbei um eine annuisierte Betrach- Letztlich ist die Frage, ob die Wirtschaftlich- tung handelt (d. h. die Wirtschaftlichkeitslücke keitslücke eine praxisrelevante Größenordnung Bisherige politische Maßnahmen reichen nic aus Kapitalkosten und variablen Kosten wird darstellen soll (Summe der Lücken der einzel- die CO -Sektorziele für Gebäude zu erreiche gleichmäßig über die Nutzungsdauer „verteilt“), steigen die Kosten im Zeitverlauf an: Jedes 2 nen Investoren) oder eine theoretische volks- wirtschaftliche Betrachtung (Kosten und Nutzen Jahr werden zusätzliche neue Maßnahmen über alle gesellschaftlichen Akteure hinweg), angereizt und erhöhen damit den annuisierten wobei Das die hier genutzten Schließen dena-Berechnungen der CO2-Lücke kostete 2030 Kostensockel für die bereits in den Vorjahren näher an ersterem zusätzlich etwa 9 liegen. Mrd. Euro angereizten Maßnahmen. Mrd. € p.a. Wesentlich ist hierbei nicht der exakte Betrag, sondern die Größenordnung der Wirtschaftlich- 25 keitslücke; es handelt sich um eine Näherung. Unsicherheiten bestehen in beide Richtungen: Einerseits sind zusätzliche Energiekostenein- 20 sparungen im Falle deutlich steigender Commo- dity-Preise möglich. Andererseits ist in der Realität keine hundertprozentige Effektivität von 15 Politikmaßnahmen zu beobachten, sodass die Wirtschaftlichkeitslücke eher unterschätzt wird. 10 2030: 9 Mrd € Andere Studien (z. B. Öko-Institut, BDI, Agora/ ifeu) kommen zu teilweise geringeren Wirt- schaftlichkeitslücken, wobei aber die Ergebnis- 5 se oft nicht direkt miteinander vergleichbar sind, was insb. an folgenden Punkten liegt: 0 • Scope: Der Wärme- und Gebäudesektor ist 2015 2020 2025 2030 2035 2040 nicht gleich abgegrenzt (mit/ohne Prozess- wärme, mit/ohne industrielle Gebäude, 4 Zusätzliche Wirtschaftlichkeitslücke des CO2-Zielpfads mit/ohne Stromverbräuche in Wohngebäu- (Daten: dena-Leitstudie „TM80“ vs. „Referenz“, MVV) den etc.) 6 MVV Energie Die HöheDaten: der dena Leitstudie 2018, Klimaschutzplan Wirtschaftlichkeitslücke sagt Bundesregierung • Preisentwicklung: Die Höhe der künftigen nichts darüber aus, ob dieses Volumen zusätzli- Investitions- und Brennstoffpreisentwicklung che Mittel aus der öffentlichen Hand erfordert. unterscheidet sich teilw. deutlich und hat sehr Je nach Ausgestaltung der Wärmewendepolitik großen Einfluss auf die eingesparten Energie- kann die „Rechnung“ auch bei anderen Akteu- kosten durch Effizienzmaßnahmen. ren, wie Immobilienbesitzern oder Mietern, beglichen werden. • Modellannahmen: Die Festlegung der Diskon- tierungsrate (z. B. Agora/ifeu 1,5 %, Öko-Insti- Bei diesen Zahlen ist klar, dass die Unsicherheit tut 2 %, dena: 4-8 %) hat maßgeblichen zur konkreten Höhe der Wirtschaftlichkeitslücke Einfluss auf die Höhe der Wirtschaftlichkeits- zunimmt, je weiter der Zeithorizont gefasst ist. lücke, da die Energiekosteneinsparungen Dies betrifft beispielsweise Annahmen zur über 20 Jahre und länger annuisiert werden. Kostenentwicklung grüner Technologien oder fossiler Brennstoffe. Ob es beispielsweise ab • Modellierung: Die Vergleichsgrößen der Mitte der 2030er Jahre den von der dena-Leit- erforderlichen Investitionen sind teilweise studie prognostizierten Anstieg der Wirtschaft- unterschiedlich. Einige Studien schauen nur, lichkeitslücke gibt, hängt von der Kosten- und ob Maßnahmen für sich genommen wirt- Mengenentwicklung von grünen synthetischen schaftlich sind, ohne zu berücksichtigen, ob Gasen (P2G) ab. In den Szenarien anderer es noch wirtschaftlichere Alternativen gibt. Studien (z. B. Agora 2018) ist der Anstieg der Andere Studien nehmen die i. R. konventio- Wirtschaftlichkeitslücke insbesondere ab den nelle Investitionsalternative (z. B. Gas-Brenn- 2030er Jahren deutlich schwächer. 14
Die Kostenentwicklung ist planbar – die dem Ausscheiden der teuren EEG-Anlagen Kosten der Energiewende bleiben konstant nach 2020 sowie einem höheren Strompreis- niveau die EEG-Umlage ab Anfang der 2020er Anders als beim Zubau der erneuerbaren Jahre wieder sinken wird. Da die sinkenden Energien in der Stromwirtschaft gibt es im EEG-Kosten etwa im gleichem Maße fallen wie Gebäudebereich keine starken Aktivitätsände- die Wirtschaftlichkeitslücke der Wärmewende rungen und ansteigende Kosten innerhalb steigt, kann die Gesamtbelastung für die weniger Quartale. Diese an anderer Stelle Bevölkerung aus Strom- und Wärmewende bereits festgestellte Trägheit führt kostenseitig langfristig konstant gehalten werden. Es liegt in zu einer besseren Planbarkeit: der Natur der Sache, dass diese allgemeine Aussage sich in Einzelfällen unterschiedlich Um auf den Zielpfad für die Wärmewende zu darstellen wird. schwenken, sind in den kommenden Jahren überschaubare zusätzliche Beträge im unteren Aus diesem Befund ergibt sich eine hohe einstelligen Milliardenbereich notwendig. Dies Priorität für die politische Agenda: Politik muss entspricht der Größenordnung anderer gebäu- die kommenden drei bis fünf Jahre nutzen, um debezogener Maßnahmen, wie dem Baukinder- einen Finanzierungsmechanismus zu etablie- geld (rd. 3 Mrd. Euro jährlich) oder Sonderab- ren, der die Wärmewende anreizt und die schreibungen im Mietwohnungsbau (rd. 0,9 Kostenübernahmefrage klärt. Mrd. Euro jährlich), die bereits heute über den laufenden Haushalt finanziert werden. Grund- sätzlich könnten und sollten diese bereits beste- Den Kosten steht ein großer henden Politikmaßnahmen an Effizienzanforde- gesellschaftlicher Nutzen entgegen. rungen geknüpft werden. Dann wären drei Ziele chaftlichkeitslücke miteinander der Wärmewende verbunden: liegt im Schaffung von Wohnei- gentum, neuer sozialer und erschwinglicher Höhere Investitionen im Gebäudebereich führen zweifellos zu qualitativen Verbesserungen, auch den-BereichWohnraum und Klimaschutz. wenn diese meist nicht seriös monetarisiert Jährliche Kosten EEG + Wärmewende werden können. Die folgenden Nutzenaspekte Mrd. € p.a. werden durch die Mehrkosten für den Klima- 30 schutz erreicht: 25 • Wenn Deutschland im Verkehrs- und Gebäu- debereich seine künftigen CO2-Reduktionsziele 20 nicht erreicht, haben wir die Pflicht für diese Mengen Emissionsrechte von anderen EU-Mit- 15 gliedsstaaten zu kaufen (sog. EU-Effort-Sha- ring). Allein das könnte den Staat bis zu 60 10 Mrd. Euro bis 2030 kosten (Agora 2018a). Darüber hinaus müssten die CO2-Reduktionen 5 nachgeholt werden, sodass die damit verbun- denen Kosten noch on top kommen. 0 2015 2024 2035 • Deutschland wird unabhängig von Energieim- Wirtschaftlichkeitslücke der Wärmewende (dena-Leitstudie) porten aus politisch instabilen Regionen und Kosten des EEG-Ausbaus im Stromsektor (Agora-Rechner) von Preisrisiken. 5 Gedankenexperiment: Gesamtkosten der EEG-Umlage • Preisrisiken werden abgefedert. und der Wirtschaftlichkeitslücke der Wärmewende • Bis zu 130.000 Arbeitsplätze werden in rgie Zudem: Der sukzessive Anstieg der Wirtschaft- Deutschland geschaffen (Prognos 2018). lichkeitslücke für die Wärmewende führt nicht zwangsläufig zu einer massiven Erhöhung der • Es wird ein Beitrag zu Behaglichkeit, Komfort, Gesamtkosten für Endverbraucher. Ein Gedan- Werterhalt und Wohngesundheit geleistet. kenexperiment: Würden die Wirtschaftlichkeits- lücke vollständig über eine „Wärmewende-Um- • Die Auflösung des Sanierungsstaus im Gebäu- lage“ vom Endverbraucher finanziert, bleibt die debereich führt zu einem wesentlich verbes- Summe der Gesamtkosten aus EEG-Umlage serten Instandhaltungszustand der Gebäude. (Stromwende) und Wärmewende- Umlage (Gebäude) für den Endverbraucher langfristig konstant. Dies liegt darin begründet, dass mit 15
Bei einer gesamtwirtschaftlichen Systemkosten- Richtig ist aber auch: Der Endverbraucher nimmt betrachtung, in der alle Systemkosten in die keine rationale Kosten-Nutzen-Analyse über Bilanz einbezogen werden (z. B. Kosten von mehrere Dekaden vor und berücksichtigt keine Prozesswärme, synthetischen Energieträgern indirekten volkswirtschaftlichen Benefits. Damit sowie der Energie-Infrastruktur), kann eine bleibt es bei dem Befund, dass auf individueller höhere Effizienz in Gebäuden sogar zu einem Ebene Wirtschaftlichkeit ausschließlich auf Basis positiven Saldo aus Kosten und sonstigen tatsächlicher Zahlungsverpflichtungen im Sinne Nutzen führen (Agora 2018b). von Energiekosten, Mieten, Umlagen etc. bewertet wird. Politik muss über die Lastenverteilung entscheiden Wieviel teurer wird Wohnen infolge der • Höhe einer „Wärmewende-Umlage“ je Wärmewende? Kilowatt-Stunde an Endenergieverbrauch im Gebäude: + 1,7 cent/kWhth, oder Steigende Mieten, knapper Wohnraum und steigende Baukosten bergen sozialpolitischen • Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19 % auf Sprengstoff. Die Wärmewende könnte die 19,6 %. bestehenden Probleme noch verschärfen, wenn die erforderlichen Investitionen in den Gebäu- Dabei handelt es sich um die zusätzlichen debestand – sowohl im Hinblick auf die Gebäu- Kosten, um von der Fortschreibung der beste- dehülle als auch Wärmebereitstellung – zu henden Wärmepolitik („Referenzentwicklung“) steigenden Immobilienpreisen und vor allem auf einen 80 %-Zielpfad zu schwenken. Mieten führen. Abbildung 6 Wärmewende im politischen Spannungsfeldveranschaulicht das politische Spannungsfeld, in dem sich die Politik muss entscheiden, wer die Lasten Hier würden wir es aus inhaltlichen Gründen gerne Wärmewende befindet. trägt bei grün belassen, da positive Faktoren grün und negative Faktoren rot dargestellt werden sollen. Die klimapolitischen Ziele stehen. Es stellt sich • Verpflichtende Klimaziele Gebäudesektor nicht die Frage des „Ob“, sondern die Frage • Drohende Strafzahlungen im EU Effort Sharing des „Wie“. Da es die Wärmewende nicht zum • In 2030: 9 Mrd. Euro Wirtschaftlichkeitslücke (Dena) Nulltarif gibt, muss politisch entschieden werden, wer in welchem Umfang die finanziel- • Mietpreisbremse len Belastungen zu tragen hat. • Energiearmut • Sozialer Wohnbau Die Frage, welches Politikinstrument die • Akzeptanz der Energiewende erforderlichen Maßnahmen im Wärmebereich anreizt, ist ganz wesentlich von der politischen 6 Politisches Spannungsfeld der Wärmewende Grundsatzentscheidung der Finanzierung abhängig und kann folglich erst nachgelagert Um ein Entscheidungen Gefühl fürerfordern zur Wärmewende die Größenordnung zu einen offenen und transparenten entschieden werden. Prozess zu Grundsatzfragen, Belastungen und Zielen schaffen, lässt sich die Höhe der Wirtschaftlich- 8 keitslücke bei den privaten Haushalten für das MVV Energie Ein Beispiel: Die Einführung einer (hinreichend Jahr 2030, wie sie von der dena berechnet hohen) CO2-Bepreisung auf fossile Brennstoffe wurde, auf einige durchschnittliche Kennzahlen bedeutet eine Kostenbelastung der Mieter über übertragen (nachfolgend nur basierend auf den eine steigende Warmmiete – es sei denn, es Zahlen der dena-Leitstudie): werden zusätzliche Transfermechanismen eingeführt. Diese Allokationsfrage sollte aber • Mehrkosten für Haushalte: rund 180 Euro je politisch explizit entschieden und möglichst Durchschnittshaushalt im Jahr; oder auch transparent kommuniziert werden. Denk- bar sind nämlich mehrere Optionen und Misch- • Investitionslücke für Immobilieninvestor: varianten: 2 Euro je qm jährlich, oder 16
Der Immobilienbesitzer zahlt die Wärme- Und welchen finanziellen Beitrag leistet die wende Industrie? Wenn als Folge ordnungsrechtlicher Maßnah- In der vorgenannten Kostendiskussion wurde men (bspw. Sanierungspflicht oder CO2-Gren- lediglich die Wirtschaftlichkeitslücke für die zwerte) Investitionen in Gebäudehülle und Dekarbonisierung der Gebäudewärme adres- Heiztechnik erfolgen und das Mietrecht entspre- siert. Ca. 40 % des Wärmebedarfs (i. W. Pro- chend ausgestaltet würde, werden die Kosten zesswärme) entfällt auf die Industrie. Für die nicht auf die Mieter gewälzt. Im Durchschnitt Erreichung der Sektorziele ist es keine Option, bleibt für einen Immobilienbesitzer eine unge- die Industrie von der Umsetzung der Wärme- deckte Wirtschaftlichkeitslücke von 0,2 Euro wende auszunehmen. Analog zum Gebäu- je qm und Monat. In der Folge sinkt die Objek- desektor ist auch im Industriesektor mit subs- trendite. Dagegen laufen mögliche nicht zah- tanziellen Wirtschaftlichkeitslücken zu rechnen, lungswirksame Vorteile wie Werterhöhung und gleichwohl gibt es hier große sektorale Unter- Qualitätsniveau. schiede (vgl. BCG 2018). Der Immobiliennutzer zahlt die Wärmewende Mit Blick auf die großzügigen Ausnahmen bei der Stromwende ist die Frage naheliegend, wer Können die Kosten der Wärmewende vom die Kosten der industriellen Wärmewende zahlt. Investor auf den Immobiliennutzer vollständig In Analogie zum Stromsektor ergeben sich drei gewälzt werden, trägt der Mieter die Zusatzkos- grundsätzliche Handlungsoptionen: ten über eine gestiegene Miete (dies gilt in gleicher Weise für eigengenutzte Immobilien). 1. Nahezu vollständige Befreiung der energie- Gleichzeitig profitiert er von potenziell sinken- intensiven Industrie. Die Kosten werden von den Energiekosten durch Effizienzmaßnahmen. der Allgemeinheit getragen. Die Kosten der dena-Leitstudie bezogen auf eine Wohneinheit betragen im Durchschnitt 2. Teilbefreiung und somit Teilsozialisierung der jährlich 180 Euro. Zusätzliche sozialpolitische Kosten. Maßnahmen könnten eine insgesamt sozial gerechte Ausgestaltung sicherstellen. 3. Industrie trägt die individuellen Kosten zur Dekarbonisierung selbst. Die Problematik liegt darin, dass die Kosten je nach Gebäude höchst unterschiedlich ausfallen; Würden die Kosten der industriellen Wärme- Sozialwohnungen in unsanierten Altbauten wende wie im Strombereich teilweise oder könnten überproportional betroffen sein. nahezu vollständig auf die privaten Endverbrau- cher gewälzt, erhöht sich deren Belastung Die Allgemeinheit zahlt die Wärmewende durch die Wärmewende. Die Frage der themati- sierten Finanzierung bekommt dann eine völlig Die öffentliche Hand schließt die Wirtschaftlich- andere Dimension. keitslücke bspw. in Form von Förderungen, vollständiger steuerlicher Abzugsfähigkeit für Sanierungen oder durch Zuschüsse. Die erforderlichen finanziellen Mittel (bei höchster Fördereffizienz: im Jahr 2030 rd. 9 Mrd. Euro) müssten über Steuern, Abgaben oder konsum- tive Einsparungen an anderer Stelle generiert werden. Die Finanzierung über den regulären Haushalt ließe sich auch insoweit rechtfertigen, als die Dekarbonisierung und Energiewende eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Anforde- rung darstellt und deshalb als „Gemein- schaftsprojekt“ auch solidarisch finanziert werden sollte. Dagegen spricht, dass die Vorteile des grünen und sanierten Gebäudebe- stands privatisiert, die (Zusatz-) Kosten aber sozialisiert werden. 17
Entscheidungsbedarf zu Grundsätzen des Markt- und Politikdesigns Der technologische Weg bis 2050 wie Brennwertkessel, Wärmepumpe, Solarther- mie oder BHKW haben bereits einen Großteil ihrer Lernkurve durchschritten. Zwar unterschei- Die Technologien zur Erreichung der Wärme- den sich die Investitions- und Wärmegeste- wende sind bekannt und im Massenmarkt hungskosten teilweise deutlich, allerdings sind verfügbar nicht alle Optionen für alle Anwendungsfälle in gleichem Maße nutzbar und haben deshalb Die gute Nachricht vorweg: Die Ziele für Ener- auch künftig jeweils ihre Existenzberechtigung. gieeinsparung und Vergrünung sind technisch erreichbar. Alle notwendigen Technologien – so- wohl auf der Effizienz- als auch Wärmebereit- Der künftige Wärmeerzeugungsmix wird stellungsseite – sind bereits heute bekannt und heterogener verfügbar. Die Sektorstudien kommen auch zu dem Ergeb- Endenergiebedarf Viele einschlägige Sektorstudien (z. B. BCG und Prognos (2018), dena und ewi ER&S nis, dass es keinen Königsweg gibt. Ein Mix verschiedener Heizoptionen ist künftig erforder- (2018)) haben ausführlich die zur Verfügung lich. Dies gilt sowohl im Aggregat über Deutsch- stehenden Technologien, naturräumliche und land als auch für viele Einzellösungen, die noch sonstige Potenzialgrenzen untersucht. Die stärker über bi- oder trivalente Technologien kostenoptimalen Entwicklungsszenarien geprägt sein werden. unterscheiden sich im Wesentlichen darin, welche Technologie welchen Marktanteil Endenergiebedarf für Gebäudewärme gewinnen kann. 826 TWh Insoweit entscheiden die künftigen Brennstoff- und Technologiekosten, in welchem Umfang sich bspw. Wärmepumpen, grüne Gase oder Geothermie durchsetzen. Die genannten Erdgas 591 TWh Sektorstudien kommen zudem zur Erkenntnis, dass mittelfristig 439 TWh • die Nutzung von Heizöl fast vollständig Öl beendet werden muss, Kohle Strom • die Menge des genutzten fossilen Erdgases Biomasse deutlich zu reduzieren ist, und Fernwärme Quelle • dass zentrale Wärmenetze / Fernwärme für 2015 2030 2040 Großstädte eine zentrale Rolle spielen werden. 7 Entwicklung der Endenergie für Raumwärme/Warm- wasser im 80 %-Reduktions-Szenario der dena-Leitstudie Der erforderliche Wärmebedarf lässt sich (dena, MVV) langfristig ohne Probleme mit vorhandenen grünen Energiequellen und Heiztechnologien 9 MVV Energie Stimmen, die dafür plädieren, alles auf eine (v. a. Stromwärmepumpe, Gaswärmepumpe, Karte zu setzen, sind meist interessensgetrie- Biomasse-Heizung, Solarthermie, hocheffizien- ben. Dies betrifft Stimmen, die synthetisches te KWK, Geothermie, synthetisches Gas usw.) Erdgas / Wasserstoff (P2G) als Königsweg decken. sehen, andere hingegen die Elektrifizierung (dezentrale Wärmepumpe). Anders als zum Zeitpunkt der Einführung des EEG vor 20 Jahren bedarf es keiner teuren Für die Elektrifizierung sowie für P2G in Förderung zur (Weiter-)Entwicklung von massen- Deutschland wäre eine massive Erhöhung der markttauglichen Technologien. Technologien Stromerzeugung die Folge, sodass die Menge 18
an erforderlichen Windenergie- und PV-Anlagen maßnahmenseitig wurden viele Vorschläge zusätzlich zum bisherigen Ausbaupfad steigen vorgelegt. Ein Beispiel: Die wissenschaftliche müsste. Auch die Stromnetze müssten noch Begleitstudie zur Effizienzstrategie Gebäude stärker ausgebaut werden. erarbeitete ein Set von 16 Maßnahmen, die insgesamt eine Zielerreichung sicherstellen Synthetische Gase können auch im Ausland (Prognos, ifeu, IWU 2016). Gleichwohl mangelt produziert und importiert werden, was aber es derzeit am politischen Willen, konsequente neue geopolitische Abhängigkeiten nach sich und aufeinander abgestimmte Maßnahmen ziehen könnte. P2G wird auch in weiteren umzusetzen. Sektoren – beispielsweise im Verkehrsbereich und in der Chemieindustrie – ein gefragter Auch die aktuelle Überlegung des BMWi, die Rohstoff sein, sodass Nutzungskonkurrenzen bestehende Förderlandschaft im Bereich wahrscheinlich sind. Grundsätzlich bleibt noch Wärme und Effizienz zu vereinfachen, ist ein viele Jahre unklar, ob P2G im Großmaßstab nachvollziehbarer und richtiger Schritt. Aller- hinreichend schnell kosteneffizient wird. dings darf bezweifelt werden, dass durch eine Vereinfachung und Umwidmung des gleichen Gerade im Gebäudebereich sind die örtlichen Förderbudgets signifikant höhere Investitionen Gegebenheiten (z. B. Wärmebedarfe, bivalente ausgelöst werden. Heizungen, zentrale Wärmeversorgungsoptio- nen, bauliche oder genehmigungstechnische Fakt ist: In der Energie- und Immobilienwirt- Einschränkungen) so verschieden, dass ein schaft werden große Investitionen mit sehr One-fits-all-Ansatz wie im Strom – mit dessen langer Kapitalbindung in einem Umfeld mit Fokus auf Wind und Photovoltaik – realitäts- hohen Unsicherheiten vermieden. Unsicherheit fremd ist. Gleichzeitig sind im Gebäudebereich besteht beispielsweise darüber, ob es künftig weitere Innovationen in der intelligenten Vernet- höhere Fördermittel, ob es ein CO2-Preisregime zung von Gebäudesteuerung und der Behei- und/oder ambitionierte Verpflichtungen gibt. Ein zung absehbar. Eine Vorfestlegung auf eine Energieversorger, der jetzt über den Ausbau, oder wenige Technologien beschränkt auch die Verdichtung oder Rückbau von Energie-Infra- damit verbundenen Optimierungspotenziale. struktur (Strom-, Wärme-, Gasnetze) entschei- den muss, hat keine langfristige Orientierung Kurzum: Die Rolle der Politik im Wärmebereich für diese Entscheidung. Das Ergebnis lässt sich liegt nicht in der Beschränkung oder Bevorzu- seit Jahren beobachten: Die erforderlichen gung von bestimmten Technologien – diese Investitionen im Gebäude- und Wärmebereich Optimierungsleistung ist immer einzelfallbezo- bleiben aus oder es werden nur die zwingend gen und kann am besten durch den marktlichen erforderlichen mittelfristigen Maßnahmen Wettbewerb geleistet werden. Die Rolle der getroffen. Politik liegt vorrangig darin, die notwendigen Rahmenbedingungen im Hinblick auf ein Um sunk costs und unternehmerische Fehlent- stabiles Marktdesign zu setzen und vor allem scheidungen zu vermeiden, ist eine klare die langfristige Frage der Finanzierung der politische Wärmestrategie jetzt vonnöten: lieber Wärmewende zu klären. einen großen Schritt gehen, als eine Politik auf Sicht mit kleinsten Schritten verfolgen. Plädoyer für ein wettbewerbliches Markt- design aus einem Guss Wirtschaftspolitischer Kompass: Ziel- statt Detailsteuerung Mut für einen großen Schritt Die bisherige Effizienzpolitik mit den Grundsät- zen der „Wirtschaftlichkeit, der Technologieof- Für ein Gelingen der Wärmewende fehlt ein fenheit, der Vereinfachung sowie der Freiwillig- stimmiger Wurf für ein Markt- und Politikdesign. keit“ ist geprägt durch positive Anreize wie Zwar gibt es heute einen historisch gewachse- Förder- oder Informationsmaßnahmen und nen Flickenteppich von Einzelmaßnahmen. vermeidet ordnungspolitische Maßnahmen oder Diese Einzelmaßnahmen führen aber ohne zusätzliche Kostenbelastungen. übergreifendes Konzept nicht zu einem zielfüh- renden Gesamtbild für die Wärmewende. Der Umbau eines Großteils des deutschen Gebäudebestands bzw. dessen Heiztechnik führt Für den Wärmebereich gibt es umfangreiche unweigerlich zu neuen Belastungen, Widerstän- und hinreichend viele Überlegungen. Auch den und Kosten und lässt sich nicht allein durch 19
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