Tanz in Schulen Stand und Perspektiven Dokumentation der "Bundesinitiative Tanz in Schulen"
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Tanz in Schulen Stand und Perspektiven Dokumentation der »Bundesinitiative Tanz in Schulen« Herausgegeben von Linda Müller und Katharina Schneeweis im Auftrag der Gesellschaft für Zeitgenössischen Tanz NRW e. V. (NRW Landesbüro Tanz) K·Kieser
Die Herausgeberinnen danken folgenden Institutionen für die Unterstützung ihrer Arbeit: Grußwort Tanz ist eine uralte menschliche Darstellungsmöglichkeit, eine in allen Kulturen der Welt vorhandene Form der körperlichen symbolischen Die Publikation wurde unterstützt von »Tanzplan Deutschland, einem Aneignung von Welt. Förderprojekt der Kulturstiftung des Bundes«. Tanz bietet gerade Kindern und Jugendlichen viele Möglichkeiten, Bewegungsvielfalten zu erproben, Körperbewußtsein und Gestaltungs fähigkeiten zu entwickeln sowie soziale Kompetenzen zu erwerben. Auch mit dem Blick auf das interkulturelle Potential sollten die besonde- ren Eigenschaften von Tanz stärker in unser Bildungswesen einbezogen werden. Persönlichkeitsbildung ist ohne kulturelle Bildung unvollkommen. Kulturelle Bildung fördert das Verständnis für kulturelle Ausdrucksweise ebenso wie das eigene künstlerische Handeln. Tanz taucht in Rahmenrichtlinien nahezu aller Schulstufen und -formen auf und wird als eigenes Lernfeld mit verschiedenen Inhalten und Stilen oder Formen zumindest in Fächern wie Musik, Sport oder Darstel- lendes Spiel erwähnt. Die Möglichkeiten und Chancen kreativer Tanzerziehung in Schulen sollten noch stärker genutzt werden. Dafür spricht auch das außerordent- liche Interesse, das von Künstlern, Tänzern und Choreographen getragene Initiativen in nahezu allen Ländern der Bundesrepublik bei Kindern und Jugendlichen ebenso wie bei Eltern und Lehrern finden. © K. K ieser Verlag · Dr. Klaus Kieser, München 2006 Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat gern dazu bei- Einbandgestaltung: Katja Fliedner, Leipzig, getragen, im Rahmen von Fachtagungen alle Interessierten, die Akteure unter Verwendung eines Fotos von Frank Domahs der verschiedenen Projekte hierzu erstmals bundesweit zusammenzubrin- Satz: Uwe Steffen, München gen, um einen Überblick zu gewinnen und Schlußfolgerungen zu Fragen Druck und Bindung: Ulenspiegel, Andechs wie Inhalten und Zielen von Tanz in der Schule heute, zu Qualität und Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany Standards sowie zu Konsequenzen für die Qualifizierung zu ziehen. ISBN-10: 3-935456-12-3 Mit dieser Publikation liegt eine Bestandsaufnahme in bundeswei- ISBN-13: 978-3-935456-12-8 ter Perspektive vor, auf deren Grundlage nunmehr weiter diskutiert wer- 5
den kann: zum Beispiel zur Rolle von Tänzern und Choreographen in der Schule oder zur Benotung und zum Regelunterricht, zur Weiterentwick- lung der begonnenen Arbeit. Es ist sicherlich kein Zufall, daß dieses von meinem Ministerium geför- Vorwort derte Projekt zu einer Zeit stattfand, in der Tanz in Deutschland im Auf- bruch befindlich zu sein scheint. Sollte unsere Förderung nicht nur zu einer ersten Vernetzung beigetra- gen haben, sondern auch die Aufmerksamkeit für Tanz in Schulen gestärkt haben − dann wäre ein neues Kapitel aufgeschlagen. Die Förderung von Kunst, Kultur und Bildung ist in Deutschland traditio- nell Hauptaufgabe der Länder und Kommunen. Die Anliegen und Themen der Künstler und der Kunst enden jedoch nicht an Stadt- und Ländergren- Dr. Annette Schavan, MdB zen; deshalb hat sich die Gesellschaft für Zeitgenössischen Tanz NRW e. V. Bundesministerium für Bildung und Forschung (GZT) für eine bundesweite Lobbyarbeit stark gemacht und dazu beige- tragen, daß im Frühjahr 2006 ein bundesweites Netzwerk von Verbänden, Vereinen, Institutionen und Persönlichkeiten gegründet wurde, die eng mit der Profession Tanz verbunden sind, die Ständige Konferenz Tanz. Seit einigen Jahren steht für die Arbeit der GZT fest, daß die verstärkte Einbeziehung von Tanz in Bildung und Schulen wichtig ist. Der Tanz hat neben seiner Rolle als eigenständige Kunstform auch viele wertvolle, die Persönlichkeit stärkende Aspekte. So kann er eine besondere Rolle in einer ganzheitlichen Entwicklung der Kinder übernehmen. Für die Ichstärkung und für die interkulturelle Kommunikation ist der Tanz förderlich. Wer einmal beobachtet hat, wie schon kleine Kinder singen und tanzen möch- ten, bevor sie sprechen können, den überrascht es nicht zu sehen, mit wel- cher Begeisterung und zugleich mit welchem Ernst Schulkinder sich in ihren Tanz-Arbeitsgemeinschaften bewegen. Eine frühzeitige Beschäftigung mit dem Tanz hilft einem klischeehaf- ten Rollenverhalten entgegenzuwirken (Jungs spielen Fußball, Mädchen tanzen). Je früher die Kinder damit in Berührung kommen, desto unver- blümter und offener können sie sich darauf einlassen und Tanzkunst am 143 eigenen Leib erfahren. Daß Tanz mit seinen persönlichkeitsbildenden Fähigkeiten verstärkt in den letzten Jahren Anerkennung findet, ist auch dem Film Rhythm Is It! sowie der Arbeit und Präsenz Royston Maldooms zu verdanken. Heute hat die kulturell-ästhetische Bildung eine breitere Öffentlichkeit und ein neues politisches Gesicht gewonnen. Daß Kinder so früh wie möglich die Chance zur Begegnung mit künstlerischen Ausdrucksformen, mit dem 6 7
Tanz und mit anderen Künsten erhalten sollten, ist eine Idee, die zuneh- mend Anhänger gewinnt und inzwischen in Nordrhein-Westfalen auch Ziel der Landespolitik geworden ist. Parallel und mit angestoßen durch das nordrhein-westfälische Modellpro- Inhalt jekt »TANZ in Schulen« sowie die »Community-dance«-Arbeit von Roy- ston Maldoom, haben sich in den vergangenen Jahren in verschiedenen Bundesländern Projekte entwickelt. Nun gilt es, sich bundesweit zu ver- netzen, um für dieses wichtige Thema Tanz in Schulen eine breite Basis zu schaffen. Ein Informationsaustausch über Strukturen, Entwicklungs- und Evaluationsmöglichkeiten sowie die Ausarbeitung von Qualitätsstandards und geeigneten Angeboten der Aus- und Weiterbildung ist für eine bun- desweite Einbindung und Verankerung von Tanz in Schulen unabding- Linda Müller / Katharina Schneeweis bar. Ein erster Schritt hin zu einem intensiveren Austausch zwischen den Einleitung 11 beteiligten Partnern Schule/Politik/Projektkoordination soll mit Erschei- nen dieses Buches getan werden. Renate Breitig An dieser Stelle möchten wir dem Bundesminister ium für Bildung und Bildungspolitische Grundlagen und Strategien für eine Einbindung Forschung sowie dem Kultursekretariat NRW Gütersloh herzlich für die von Tanz in Schulen 13 Unterstützung bei der Gründung der »Bundesinitiative Tanz in Schulen« und dieser Publikation danken. Corinna Vogel In den Bundesländern gibt es verschiedenste politische Ansätze, Kunst Bedingungen der Fächer Musik und Sport mit dem Schwerpunkt und Künstler verstärkt in die Schulen und die Bildung einzubinden. Neben auf der Primarstufe 19 der Förderung und Möglichkeit, eine strukturelle Basis für die Vermitt- lung von Kunst durch Künstler in Schulen zu ermöglichen, ist es vor allem Corinna Vogel / Renate Breitig wichtig, daß dieser wichtigen Entwicklung seitens der Politik in Form von Das Fach Darstellendes Spiel und die mögliche Einbindung neuen Finanzierungsmöglichkeiten Ausdruck gegeben wird. von Tanz 35 Anke Brunn Peter Treudt Vorsitzende der Gesellschaft für Qualitätsentwicklung und -sicherung in der offenen Ganztagsschule Zeitgenössischen Tanz NRW e. V. in Nordrhein-Westfalen 43 Stephani Howahl und andere Gesellschaftliche Aspekte der Tanzerziehung und deren Evaluation 49 Claudia Fleischle-Braun, Livia Patrizi, Anne Tiedt und andere Tanzkunst in schulischem Kontext 53 Antje Klinge und andere Qualitätsstandards und Qualitätssicherung, Coaching und Fortbildung 59 8 9
Dörte Wolter und andere Linda Müller / Katharina Schneeweis Angebotsstruktur Tanz in Schulen 65 Waltraut Körver und andere Einleitung Organisationsstrukturen von Tanz in Schulen 73 »Bundesinitiative Tanz in Schulen« 79 Kontinuierliche Projekte und Koordinationsstellen 85 Zeitlich begrenzte Projekte 123 Tanz ist ein besonders attraktiver Weg, Kindern, unabhängig von ihrer sozialen Stellung, das Erleben von Kunst in der Schule zu ermöglichen. Ausbildungsinstitutionen 129 Die Erfolge vieler Tanz-in-Schulen-Projekte zeigen sich an dem großen Interesse der Schulen und der Kinder sowie der Zahl bundesweiter Pro- Überregionale Institutionen 133 jektpartner. Nun verlangt es nach einem Konzept zur flächendeckenden Implementierung und der Qualitätssicherung von Tanz in Schulen. Auch Recherchehilfe 139 die frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Institutionen und die Nutzung von Synergieeffekten und Ressourcen soll die gesellschaftliche Bedeutung von Tanzerziehung bundesweit stärken. Initiiert vom NRW Landesbüro Tanz, trafen sich Organisatoren von Tanz-in-Schulen-Projekten aus verschiedenen Bundesländern zu einer ersten Fachtagung im November 2005 in Gütersloh. Ziel war es, die Kon- takte sowie den fachlichen Austausch untereinander auszubauen. Neben dem Schaffen von Kommunikationsstrukturen für einen regel- mäßigen bundesweiten Austausch wurden folgende Themen inhaltlich und konzeptionell bearbeitet: – bildungspolitische Bedingungen in den Bundesländern; – Aufzeigen der gesellschaftlichen Aspekte; – Benennen gemeinsamer tanzinhaltlicher Leitziele; – Definition von Qualitätsstandards und Inhalten; – Auf listung möglicher Angebots- und Organisationsstrukturen. Dieses erste Arbeitstreffen führte zur Grundsteinlegung der »Bundesinitia- tive Tanz in Schulen«, die mit Blick auf eine Optimierung der Ergebnisse für eine Dokumentation eine zweite Fachtagung im April 2006 in Berlin zur Folge hatte. Das von den Gründungsmitgliedern der »Bundesinitiative Tanz in Schulen« erarbeitete Grundlagenpapier liegt Ihnen hiermit vor. Die Publikation erläutert bildungspolitische Rahmenbedingungen für eine Einbindung von Tanz in Schulen. Sie zeigt die Inhalte, die Form der 10 11
Vermittlung, die Angebote und die möglichen Organisationsstrukturen Renate Breitig von Tanz in Schulen auf. In einem praktischen Teil werden die Projekte der Gründungsmitglieder im Detail vorgestellt. Die Dokumentation ist ein erster Schritt für eine bundesweite Kom- Bildungspolitische Grundlagen und Strategien für munikation und Bestandsaufnahme zum Thema. Eine Bestandsaufnahme eine Einbindung von Tanz in Schulen aller Projekte in diesem Bereich kann jedoch nicht Aufgabe dieser Doku- mentation sein. Sie konzentriert sich auf künstlerisch-erzieherische Aspekte und zeigt einen Ausschnitt der bereits erfolgten Arbeit. Eine Weiterentwicklung dieser Initiative können Sie bis auf weiteres auf den Websites des nordrhein-westfälischen Tanz-in-Schulen-Projekts und des bundesweiten Internetportals »www.dance-germany.org« verfolgen. Tanz in Schulen ist eine häufig formulierte Forderung, wird vieler- Der künstlerische Tanz gehört im Fächerkanon der Schule zum künstle- orts erfolgreich praktiziert und rückt immer mehr ins öffentliche Bewußt- risch-kulturellen Bereich. Die ästhetische Bildung ist in den Präambeln der sein. Das Konzept geht auf, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die verschiedenen Schulgesetze festgeschrieben. Dort werden als allgemeine »Bundesinitiative Tanz in Schulen« hat sich vorgenommen, Entscheidungs- Bildungs- und Erziehungsziele Begriffe wie Wahrnehmungsschulung, trägern der Bildungspolitik, Schulleitungen, Lehrern und Eltern den Tanz Kreativität, Eigenverantwortlichkeit, Sensibilität, Handlungs- und Schü- als wertvollen Beitrag zur kulturellen Bildung in Schulen vorzustellen. lerzentriertheit, ganzheitliche Identitätsbildung der Schüler, emanzipatori- Ihnen soll überzeugend nähergebracht werden, daß die Kunstsparte Tanz sche Schwerpunktsetzung, Qualität und Nachhaltigkeit von Lernprozessen sich hervorragend zur Integration in unser Schulsystem eignet. und vieles weitere genannt. Die allgemeinen Bildungs- und Erziehungs- Im europäischen Ausland ist der Tanz seit Jahrzehnten fester Bestandteil ziele müssen in alle Fächer einfließen und dienen als Überbau des Unter- der schulischen Bildung. Die »Bundesinitiative Tanz in Schulen« als kom- richts. Die künstlerischen und ästhetisch-musischen Unterrichtsbereiche petenter Ansprechpartner hat sich zum Ziel gesetzt, den Tanz langfristig in und Fächer leisten mit ihrem handlungsorientierten Ansatz einen großen den deutschen Bildungskanon zu integrieren. Beitrag zur Identitätsbildung der Schüler und bereichern durch ihren ästhe- Unser besonderer Dank gilt Wolfgang Schlump als Vertreter des Bun- tisch-expressiven Modus vor allem auch die kognitiven Fächer. Das nach desministeriums für Bildung und Forschung und Ingo Diehl als Vertre- der PISA-Studie so dringlich geforderte vernetzte Denken findet in den ter des »Tanzplans Deutschland«. Wir danken ferner den Leiterinnen der ganzheitlichen, emanzipatorischen Konzepten der künstlerisch-kreati- Arbeitsgruppen und den Autoren sowie allen Kollegen, die das Erscheinen ven Fächer sehr starke Impulse. Die künstlerischen Arbeitsprozesse leisten dieser Publikation in so kurzer Zeit möglich gemacht haben. einen unschätzbaren Beitrag zur neuen Unterrichtskultur im Schulalltag. Der komplexe Ansatz des Tanzes ermöglicht zugleich, ihn als Methode in unterschiedlichen Fächern und Unterrichtskonzepten einzusetzen. Die Unterrichtsgrundlage für Tanz findet sich prinzipiell in den Rah- menlehrplänen für Musik und Sport sowie darstellendes Spiel (Bereich Tanz-, Bewegungs- und Körpertheater). In manchen Bundesländern wird dieser Bereich durch andere Fächer − wie Deutsch-Musisch (Berliner Realschulen), Wahlpflichtfach Deutsch, Bildende Kunst, Literatur (Nordr- hein-Westfalen), Darstellen und Gestalten − abgedeckt. Die Kenntnis um die Inhalte der jeweiligen Rahmenlehrpläne ist für eine Implementierung von Tanzprojekten in Schulen und eine Standort- bestimmung für den Tanz und seinen didaktischen Kontext von großer Bedeutung. Alle Argumentationshilfen für die Einbindung künstleri- 12 13
scher Arbeit in den Rahmen von Schule und die Entwicklung von Stra- zeitlich begrenztes Arbeiten möglich sein. So wird zum Beipiel in Bremen tegien finden sich in diesen Rahmenlehrplänen und Präambeln der im Rahmen des Unterrichtsfachs Darstellendes Spiel eine vier- bis acht- Schulgesetze. wöchige Tanzeinheit mit Tanzpädagogen durchgeführt. In dem Berliner Projekt »TanzZeit« erfährt der Regelunterricht in Musik oder Sport für die Dauer eines halben Jahres und teilweise auch länger eine wertvolle Berei- Vorhandene Strukturen nutzen cherung durch Tanzunterricht. Wichtige und unterstützende Partner in diesem Prozeß der Einführung In sehr vielen Bundesländern und Regionen gibt es bereits sehr erfolgrei- und Fortführung von Projekten sind auch die Eltern. Sie erleben hautnah che Projekte, die mit teilweise unterschiedlichen Zielsetzungen und unter die positiven Erfahrungen und Auswirkungen von Tanz an ihren Kindern. sehr verschiedenen Bedingungen arbeiten. Für neu einzuführende Pro- Ihrer Stimme und ihrem öffentlich Nachdruck verliehenem Anliegen wird jekte gilt es im ersten Schritt, die bundeslandspezifischen Bedingungen auf Presse- und Ministerebene starke Aufmerksamkeit geschenkt. ausfindig zu machen und Kontakt mit den jeweiligen Landesverbänden Prinzipiell gilt, daß die Aufmerksamkeit für Tanz gewachsen ist. So gibt (etwa Landesverband Darstellendes Spiel, LAG Tanz, Landesinstitut für es zum Beispiel 2006 beim jährlich stattfindenden bundesweiten Schul Schule, Kulturbüros, Soziokulturelle Zentren etc.) und den Fachreferenten theatertreffen der Länder einen Schwerpunkt zum Thema Tanz und Be- für künstlerisch-kulturelle Bildung auf ministerieller Ebene aufzunehmen. wegung. Auch im Rahmen von sogenannten TUSCH-Projekten in Berlin In fast jedem Bundesland gibt es Modellschulen für den künstlerischen gibt es bereits eigene Tanzproduktionen. Bereich oder auch Schulen mit tanz- und theaterpädagogischen Schwer- punkten und dementsprechenden Erfahrungen und Kontakten. Der Bun- desverband Darstellendes Spiel, in dem wiederum alle Bundesländer in »Win-win«-Situation für Schulen und Künstler schaffen Landesverbänden organisiert sind, verfügt teilweise über enge Kontakte zu den jeweiligen Ministerien. Das Aufsuchen einflußreicher Institutionen, Um in der Zusammenarbeit zwischen Künstlern/Tanzunterrichtenden um dadurch den Zugang zur Schule zu finden, ist für Organisatoren von und Schule eine für beide Seiten positive und gewinnbringende Situation Tanzprojekten und Tanzkünstler ein wichtiger Weg. herzustellen, bedarf es eines sensiblen Umgangs mit verschiedenen Berei- Aufgrund des föderalistischen Systems gilt es, in jedem Bundesland chen. Eine gelungene Kooperation ist nur mittels eines guten Kontakts und einen eigenen Weg zu finden, der von den vorhandenen Rahmenplänen, einer von Anfang an positiven Kommunikation möglich. Personen und Möglichkeiten abhängig ist. Eine Adaption von oder ein Wichtig ist, daß zu Beginn der gemeinsamen Arbeit Klarheit über die Bezug auf erfolgreiche Konzeptionen anderer Projekte und Bundesländer Aufgaben herrscht und eine deutliche Abgrenzung der unterschiedlichen ist oft von Vorteil. Neben den Schulen und den öffentlichen Stellen gilt es Kompetenzen hergestellt wird. Die Komplexität von Schule beinhaltet eine ebenso, Partner in der Wirtschaft und in anderen Bereichen zu finden, die Vielzahl an Verantwortungen, wie Mitgestaltung des Schulprogramms, Tanz in Schulen konzeptionell und finanziell unterstützen. Vor allem auch Elternberatung, Notengebung, Einhaltung der Curricula, didaktische der Aspekt Gesundheit sowie Integration (Ärzte, Krankenkassen, Verlage Umsetzung, Schulabschlüsse etc., die immer in der Verantwortung der etc.) sollte nicht außer acht gelassen werden. Lehrer liegen. Künstler bringen ihrerseits eine hohe Kompetenz für krea- Die Vorstellung und Entwicklung von überschaubaren, realisierbaren tive Prozesse und ein großes performatives, darstellerisches und tänzeri- Konzepten erleichtert immer die Partnersuche. In Kooperation mit anderen sches Können ein. Von ihnen geht manchmal ein »Zauber« aus, der sich auf Künsten lassen sich leichter größere Projekte umsetzen und zur Auffüh- die sinnlich-körperliche Entwicklung der jungen Menschen überträgt. Es rung bringen, so daß durch eine breitere öffentliche Resonanz neues Inte- gilt also für alle Seiten, diese wunderbare Kraft zu nutzen und Möglich- resse an der Zusammenarbeit mit Tänzern geweckt wird. keiten auszuloten, solche Anstöße über einen möglichst langen Zeitraum Derzeit wird für den Bereich Tanz, neben einem kontinuierlichen, frei- lebendig zu halten und damit zu arbeiten. Schule heißt prinzipiell: lang- willigen Angebot im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften, Ganztags same, kontinuierliche Prozesse zu meistern, in denen Phasen des Leerlaufs unterr icht oder Wahlfächern, sicherlich am ehesten ein projektbezogenes, und wiederkehrende Probleme auftauchen können. Im Gegensatz dazu 14 15
stehen oft zeitlich überschaubare Projekte von Künstlern, die Schüler über Gestalten« sinnvoll genutzt werden. Ebenso bieten sich die Schnittstellen einen kurzen Zeitraum zu Höchstleistungen motivieren können, ohne zu den Fächern Musik und Sport an. dabei den oft steinigen Weg eines langfristigen, tiefgreifenden Prozesses Folgerichtig ist es erstrebenswert, Tanz als Kunstform in die Curri- einzugehen. Diesem wieder gegenüber steht die Arbeit in einem künstle- cula der bestehenden Fächer explizit aufzunehmen, soweit dies noch nicht rischen Unterr ichtsvorhaben, das sich über ein ganzes Schuljahr erstreckt, geschehen ist. in dem sich die Lehrer der künstlerischen Fächer auf einen ergebnisoffenen Einer verstärkten Einbindung von ästhetisch-künstlerischem Lernen Ausgang einlassen müssen. Auch wenn selbstverständlich konzeptionelle in Schulen muß nicht zuletzt politisch und finanziell Rechnung getragen Stationen vorgegeben sind, bleibt hier die Partizipation der Schüler wich- werden! tigstes Unterrichtsprinzip. Überschaubare, kürzere künstlerische Projekte erreichen oft eine erste Begegnung mit Tanz und Theater und ein »Auf- knöpfen« für das künstlerische Medium. Diese bei und von den Schülern neu entdeckten Ressourcen müssen von den Lehrern in langfristigen Pro- zessen weitergetragen und genutzt werden, um Nachhaltigkeit zu gewähr- leisten. Für eine gute Zusammenarbeit ist es unabdingbar, Konkurrenz zwi- schen den unterschiedlichen Professionen zu meiden und die gemeinsamen Ansätze zu finden. Dafür sind eine intensive Zusammenarbeit aller Betei- ligten und eine einvernehmliche Zieldefinition, in der sich alle Beteilig- ten wiederfinden, notwendig. Am Anfang sollten informelle Gespräche mit allen Beteiligten stehen und eine Abklärung der Vorhaben und Erwar- tungen erfolgen. Künstler und Projektträger sollten ihre Ideen vorab prä- sentieren sowie Lehrer am Prozeß teilhaben lassen und eine gemeinsame Entwicklung anstreben. Lehrer wollen und sollen auch etwas »lernen«, unter anderem um den künstlerischen Prozeß im Unterricht fortzuführen, den Entwicklungsprozeß der Schüler zu begleiten und die Impulse in die Schule zu tragen. Für Künstler ist es von großer Bedeutung, sich als Teil der Schule zu fühlen, den Komplex Schule zu verstehen und den Prozeß der Schulentwicklung mitzutragen. Diese Partnerschaftlichkeit ist die Grund- lage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Der Auf bau von mehr Schwerpunktschulen mit dem Profil künstle- risch-kultureller Bildung, die über einen großen Angebotskatalog und ein Rotationsprinzip aller künstlerischen Angebote (also auch Tanz) verfügen, gehört zu den Wunschvorstellungen. Um Tanz intensiver in die Unterrichtskultur einfließen zu lassen und das Interesse an der Tanzkunst im Lehrerkollegium zu fördern, ist weiterhin eine stärkere Einbindung von Tanz in die Ausbildung der Lehrer (erste und zweite Phase der Lehrerausbildung) wünschenswert. Allerdings scheint es derzeit auch erfolgversprechend, Tanz als Bestandteil des Bereichs Theater- pädagogik zu betrachten. Dabei können etablierte Unterrichtsstrukturen von »dramatischem Gestalten«, »darstellendem Spiel« oder »Darstellen und 16 17
Corinna Vogel Bedingungen der Fächer Musik und Sport mit dem Schwerpunkt auf der Primarstufe Die Grundlage für das Recht des Kindes auf eine Beteiligung am kulturel- len Leben sowie eine künstlerisch-kulturelle Förderung findet sich bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die 1994 folgendes Recht des Kindes verabschiedete: Die Vertragsstaaten achten und fördern das Recht des Kindes auf volle Beteiligung am kulturellen und ästhetischen Leben und fördern die Bereit- stellung geeigneter und gleicher Möglichkeiten für die kulturelle und künstlerische Bildung.1 Ausgehend von diesem Grundrecht, soll diese Recherche und Zusammen- stellung die derzeitige Situation sowie die Einbindung von Tanz in Schulen definieren. Erläuterungen zu Rahmenrichtlinien, Richtlinien, Rahmenplan und Lehrplänen In Rahmenrichtlinien, Richtlinien, Rahmenplänen und Lehrplänen wer- den die allgemeinen und die fachlichen Bildungs- und Erziehungsziele benannt. Die drei erstgenannten unterscheiden sich von Lehrplänen hin- sichtlich der Ausführlichkeit. In den Lehrplänen werden die Inhalte des jeweiligen Fachs detaillierter und ausführlicher dargestellt als in den Rah- menrichtlinien, Richtlinien oder Rahmenplänen2. Auch wenn Über- schriften oder Formulierungen voneinander abweichen, so sind Auf bau und Inhalt der Richtlinien und Lehrpläne der einzelnen Bundeslän- der weitgehend vergleichbar. Der Auf bau soll exemplarisch am ge- meinsamen Rahmenlehrplan »Sport Grundschule« der Bundesländer Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern dargestellt wer- den. 19
In einem ersten allgemeinen Teil wird der Bildungs- und Erziehungs- Aktivitäten ist, verallgemeinernd formuliert, in den neuen Richtlinien und auftrag der Schule formuliert. Zu diesem Teil gehören Ausführungen zu: Lehrplänen – im Vergleich zu den vorherigen Richtlinien und Lehrplä- nen – sowohl qualitativ als auch quantitativ stark minimiert. – grundlegender Bildung; – Handlungskompetenzen; – Standards; Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Grundschule − Teil 1 – Gestaltung von Unterricht; der Richtlinien und Lehrpläne – Inhalten; – Leistungsermittlung und Leistungsbewertung; Im folgenden wird ein Auszug aus dem Bildungs- und Erziehungsauftrag – Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung. der nordrhein-westfälischen Richtlinien und Lehrpläne zitiert, der im Gegensatz zur eben erwähnten aktuellen Entwicklung die Wichtigkeit der Im zweiten Abschnitt mit der Überschrift »Der Beitrag des Faches zur Bil- künstlerischen Erziehung betont: dung und Erziehung in der Grundschule« werden allgemeine Angaben Die Grundschule als die für alle Kinder gemeinsame Grundstufe des Bil- unter anderem zu außerfachlichen, das heißt sozialen und individuellen dungswesens hat auf der Grundlage des in der Landesverfassung und den Lernzielen ausgeführt. Es wird auf die Sachkompetenz, die Methoden-, Schulgesetzen vorgegebenen Bildungs- und Erziehungsauftrags die Auf- die soziale und die personale Kompetenz eingegangen. Weiterhin werden gabe, alle Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung ihrer indi- Angaben zu den geforderten Standards im Fach und zur »Gestaltung von viduellen Voraussetzungen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung, in den Unterricht – fachdidaktische Ansprüche« gemacht. Im dritten Teil wird sozialen Verhaltensweisen sowie in ihren musischen und praktischen konkret auf die Unterrichtsinhalte des jeweiligen Fachs eingegangen. Es Fähigkeiten gleichermaßen umfassend zu fördern […] Der Unterricht ist werden Inhaltsbereiche, Tätigkeiten und Themenfelder erläutert.3 der Kern der schulischen Arbeit. Er dient dem Auf bau einer Wissensbasis, Dieser Auf bau – vom Allgemeinen zum Konkreten – ist typisch für die der Entwicklung grundlegender Kompetenzen und der Anbahnung von Strukturierung der Richtlinien und Lehrpläne. Teil 1 ist für alle Fächer Schlüsselqualifikationen. Die Schule eröffnet zugleich Erfahrungsräume, gleich, im zweiten Teil werden fachspezifische Schwerpunkte gesetzt, um in denen kognitives Lernen mit praktischem, musischem, gestalterischem, im dritten Teil konkret auf Ziele und Inhalte des Faches einzugehen. sportlichem, religiösem und sozialem Lernen verknüpft ist. Der Unter- richt umfasst daher gleichermaßen fachliches und fächerübergreifendes Lernen.5 Definition der Aufgaben, Ziele und Inhalte der Richtlinien und Diese Forderungen unterstützen die künstlerische Förderung der Kinder Lehrpläne in der Grundschule und bilden ein Gegengewicht zu Leistungsstandards. Betrachtet man diese Forderungen unter dem Blickwinkel der Tanzpäd- Die Richtlinien und Lehrpläne legen Aufgaben, Ziele und Inhalte der Bil- agogik, kann man zu folgenden Schlußfolgerungen gelangen: Tanz fördert dungs- und Erziehungsarbeit in der Grundschule fest. Sie enthalten die ver- Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung, in den sozialen Verhaltens- bindlichen Vorgaben für das Lernen und Lehren und sichern damit den weisen und ihren künstlerisch-ästhetischen sowie kreativen Fähigkeiten. Anspruch aller Schülerinnen und Schüler der Grundschule auf die Ver- Tanz verbindet kognitives Lernen mit praktischem, musikalisch-künstleri- mittlung und den Erwerb von Wissen und grundlegenden Kompetenzen schem, gestalterischem, sportlichem und sozialem Lernen und erfüllt somit auf der Grundlage verbindlicher Anforderungen.4 den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Grundschule in entscheidenden Viele Bundesländer haben in den letzten Jahren aktuelle Richtlinien her- Punkten. ausgegeben, die sich stark an Standards und einem Wissensbegriff ori- entieren, der abfragbares Wissen als wichtiger denn selbstbestimmtes, ganzheitliches Lernen ansieht. Die Beachtung von Kunst und Kultur und damit zusammenhängend von künstlerisch-ästhetischen und kreativen 20 21
Vorgaben bezüglich der außerfachlichen Lernziele in den Fächern Die außerfachlichen Lernziele der Fächer Musik und Sport sind in stich- Musik und Sport − Teil 2 der Richtlinien und Lehrpläne wortartiger Zusammenfassung der Zitate: Da der Tanz als Teilbereich in den Richtlinien und Lehrplänen der Fächer – Förderung aller Kinder und ihrer Persönlichkeitsentwicklung; Musik und Sport integriert ist, wird im folgenden auf diese Lehrpläne kon- – Entwicklung der gestalterischen, künstlerischen, kreativen und ästheti- kret eingegangen6. schen Fähigkeiten; In allen Bundesländern werden in den Richtlinien und Lehrplänen der – Förderung der sozialen Kommunikation und Empathie; Fächer Musik und Sport außerfachliche Ziele genannt. Im Fach Sport ste- – selbstverantwortliches und reflektiertes Handeln erlernen; hen besonders das Einhalten von Regeln und Fairneß im Vordergrund, der – Freude an der Musik und der Bewegung gewinnen; Musikunterricht legt besonderen Wert auf die Förderung des Individuums, – Spielräume für Assoziationen, Fantasie und Wahrnehmungsintensivie- der ganzheitlichen Erziehung und der »schöpferischen Kräfte« der Kinder. rung schaffen; Im Rahmenplan der Freien und Hansestadt Hamburg ist für das Fach – Bewegungs-, Sinnes-, Körper-, Material-, Sozial- und Umwelterfah- Musik (mit einer möglichen Übertragung auf Tanz) definiert: rungen ermöglichen. Der Musikunterricht in der Grundschule leistet einen Beitrag zur grundlegenden Bildung, indem er die gestalterischen Kräfte der Kin- Die genannten Ziele können über Tanz erreicht werden, so daß die außer- der entwickelt, ihre Erlebnisfähigkeit stärkt und ihre Ausdrucksfähigkeit fachlichen Forderungen der Fächer Musik und Sport im Tanzunterricht differenziert […] Der Musikunterricht fördert die sinnliche Wahrneh- erfüllt werden können. Damit wird das Tanzen als verbindlicher Teil mungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler, ihre Zuwendungs- und bereich der Fächer Musik und Sport legitimiert. Aufnahmebereitschaft […] Er vermittelt so eine Grundlage für ästheti- sches Verstehen, Erleben und Gestalten […] Durch die Auseinandersetzung mit dem Ausdruck und der Wirkung von Musik eröffnet der Musikunter- Übersicht über die Richtlinien und Lehrpläne der einzelnen richt Möglichkeiten, die Empfindungs- und Erlebnisfähigkeit zu fördern Bundesländer für die Fächer Musik und Sport in der Primarstufe und gefühlsmäßige Bindungen an Musik aufzubauen […] Im Musikun- in quantitativer und qualitativer Auswertung terricht entstehen Spielräume für Assoziationen, für Fantasie und Sponta- neität.7 Zunächst einmal muß festgehalten werden, daß der Tanz in allen Richt Für das Fach Sport wird formuliert: linien und Lehrplänen der Fächer Musik und Sport als Lerninhalt erwähnt Der Schulsport in der Grundschule orientiert sich an der Bedeutung der wird. In jedem Bundesland finden tänzerische Tätigkeiten in den Fächern Bewegung für die kindliche Entwicklung […] Er ist auf die Entwicklung Musik und Sport – in welcher Form auch immer – in jedem Schuljahr der Bewegungsfähigkeiten der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet, Berücksichtigung. Rein theoretisch müßten also alle Grundschulkinder in die sich von Kind zu Kind unterscheidet […] Kernziel des Sportunter- jedem Schuljahr sowohl im Fach Musik als auch im Fach Sport mit Tanz in richts ist es, die kindliche Lust und Freude an Bewegung, Spiel und Sport Berührung gekommen sein. zu wecken und zu entwickeln sowie die körperliche Entwicklung durch Ein Blick in die Richtlinien und Lehrpläne der weiterführenden Schu- positive Bewegungserlebnisse zu fördern. Er ermöglicht den Kindern viel- len in den verschiedenen Bundesländern zeigt ein ähnliches Bild: Für die fältige Sinnes-, Körper-, Bewegungs- und Umwelterfahrungen, damit Klassenstufen 5 und 6 sind tänzerische Aktivitäten in fast allen Bundes- sie sich und ihren Körper, ihre materiale und soziale Umwelt erschließen ländern sowohl im Fach Sport als auch im Fach Musik verbindlich vor- und begreifen können. In der Auseinandersetzung mit ihrem Körper ent- geschrieben, und auch in den weiteren Jahrgangsstufen soll der Tanz laut wickeln und verbessern die Kinder ihre motorischen und koordinativen Vorgaben der Richtlinien und Lehrpläne in den Musik- und Sportunter- Fähigkeiten […] Sie werden darin unterstützt, eine positive Einstellung zu ihrem Körper und zu ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit zu gewinnen richt integriert werden. Die genannten Inhalte beziehen sich oftmals auf und Selbstvertrauen auszubilden.8 Tanzelemente aus den Tanzstilen Folklore, Tango, Salsa, Rock ’n’ Roll, Lindy Hop und Standard. Weiterhin steht der Bereich der Choreographie 22 23
im Mittelpunkt. In den Richtlinien und Lehrplänen der weiterführenden Musik und Bewegung Schulen wird insgesamt sehr unspezifisch auf den Bereich Tanz eingegan- Dieser Lerninhalt umfaßt die Umsetzung musikalischer Parameter, Phra- gen, detaillierte Ausführungen fehlen ebenso wie konkrete Umsetzungs- sen und Formen in Bewegung. Die Bewegung orientiert sich eng an der möglichkeiten9. musikalischen Vorgabe. Im folgenden soll anhand von Kriterien eine Auswertung der Richtli- nien und Lehrpläne der Grundschule dargestellt werden. Szenische Darstellungsaufgaben Die szenische Darstellung von Tieren, Charakteren und Szenen/Handlun- gen sowie die Umsetzung von Programmusik in körperliche Bewegung Lernfeld wurden zu einem Punkt zusammengefaßt. Die gemeinsame Grundlage der Aktionen ist die Pantomime. Lernfeld Tanz Unter diesem Punkt wird aufgeführt, ob Tanz als eigenes Lernfeld oder Darstellung von Empfindungen eigener Bereich genannt wird oder ob diese Aktivitäten anderen Bereichen Dieser Lerninhalt beinhaltet die Darstellung von Gefühlen durch Be- oder Lernfeldern zugeordnet werden. Die Entscheidung, Tanz als selbstän- wegung sowie die bewegungsmäßige Wiedergabe von Erlebnissen. Die diges Lernfeld zu benennen, kann auf die Eigenständigkeit des Bereichs Motivation zur Bewegung wird durch eine innere Motivation, eine Idee hinweisen. oder einen Eindruck initiiert. Improvisation Lerninhalte Improvisationen und freie Bewegungsgestaltungen werden unter die- sem Punkt zusammengefaßt. Von seiten der Lehrperson werden lediglich Kindertänze strukturierende oder inhaltliche Vorgaben gemacht, jedoch keine konkre- Die Begriffe Kindertänze, Volkstänze und Folkloretänze werden unter ten oder festgelegten Bewegungen, Raumformen oder Schrittabfolgen dem Oberbegriff »Kindertänze« zusammengefaßt. Diese Tanzformen vorgegeben. zeichnen sich durch weitgehend festgelegte Schrittfolgen sowie vorgege- bene Raum- und Sozialformen aus. Formale Aspekte Variation von Tänzen Dieses Kriterium benennt die Variation von festgelegten Kindertänzen, die Stilistische und formale Vielfalt sich auf einzelne Elemente beschränken oder bis zu einer Neukomposition Die Berücksichtigung verschiedener Inhalte, Stile und Formen des Tan- führen kann. zes ist notwendig, um unterschiedliche Zugänge und Umgangsweisen mit dem Tanz zu ermöglichen. Ob diese Vielfalt vorhanden ist, wird mit die- Bewegungslieder sem Kriterium untersucht. Die Begriffe Bewegungs- und Tanzlied, Sing- und Tanzspiel sowie Spiellied, die in den Lehrplänen synonym verwendet werden, bezeich- Ausführlichkeit der Darstellung nen dieselben Aktionen und werden deshalb unter dem Begriff Bewe Die ausführliche Darstellung von Inhalten und Zielen ist für die Qualität gungslied zusammengefaßt: Die Kinder bewegen sich zu einer selbstgesun- eines Lehrplans maßgeblich, da durch differenzierte Darstellungen die genen Melodie, die Bewegungen werden durch den Text des Lieds vorge- Umsetzung der geforderten Inhalte und Ziele für die Lehrenden erleich- geben. tert wird. 24 25
Erläuterung des Beurteilungsmaßstabs (siehe folgende Tabelle) Rheinland-Pfalz Sachsen-Anhalt Niedersachsen Die Bewertungsskala reicht von 0 bis 5. Die Ziffer 0 bedeutet: keine Nordrhein- Schleswig- Westfalen Thüringen Saarland Holstein Sachsen Erwähnung des jeweiligen Kriteriums, Ziffer 5 bedeutet eine besonders ausführliche und differenzierte Erläuterung. Als Grundlage für die Bewer- tung wurden alle genannten Inhalte der 32 Richtlinien und Lehrpläne der Fächer Musik und Sport zusammengefaßt und als Grundlage für eine Musik Musik Musik Musik Musik Musik Musik Musik Sport Sport Sport Sport Sport Sport Sport Sport Bewertung mit der Ziffer 5 genommen. Diese Zusammenfassung wurde als Prototyp eines optimalen Lehrplans zugrunde gelegt. Sobald nur ein Inhalt nicht genannt wird, wurde die Ziffer 5 nicht vergeben. Je nachdem, Lernfeld Tanz 1 3 1 3 3 3 3 3 3 3 2 3 1 3 3 1 wie viele Inhalte fehlten, wurde die Ziffer entsprechend nach unten korri- giert. Kindertänze 1 3 2 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 1 3 1 Variation von Tänzen 3 3 1 3 3 1 1 3 2 3 3 3 1 1 3 1 Bewegungslieder 3 1 1 3 3 1 1 3 3 3 2 1 3 1 3 0 Mecklenburg- Württemberg Vorpommern Brandenburg Hamburg Bremen Hessen Baden- Bayern Musik und Bewegung 3 3 2 3 1 3 3 3 3 2 3 3 3 3 3 1 Berlin szenische 1 3 1 3 3 3 1 3 3 2 3 3 3 3 1 1 Darstellungsaufgaben Darstellung von 1 3 1 2 1 3 1 1 3 0 1 3 1 1 1 1 Musik Musik Musik Musik Musik Musik Musik Musik Sport Sport Sport Sport Sport Sport Sport Sport Empfindungen Improvisation 1 3 1 3 3 1 1 3 3 3 3 1 1 3 3 1 Lernfeld Tanz 1 1 1 1 1 1 1 1 3 1 1 1 3 3 1 1 stilistische und formale 1 3 1 3 2 1 1 2 4 4 3 3 1 1 2 2 Kindertänze 3 3 3 4 1 2 1 2 3 3 1 3 3 3 1 2 Vielfalt Variation von Tänzen 3 3 3 3 1 1 1 1 3 3 1 1 3 1 1 1 ausführliche Darstellung 0 2 1 3 3 2 1 2 4 4 2 1 0 0 4 2 Bewegungslieder 3 3 3 3 2 2 2 2 3 3 1 2 3 3 2 2 Musik und Bewegung 3 3 3 2 2 1 2 1 3 3 1 1 3 1 2 1 Aus der Tabelle wird ersichtlich, daß die Lehrpläne für das Fach Sport ins- szenische Darstellungsaufgaben 3 3 3 3 1 2 1 2 1 3 1 1 3 3 1 2 gesamt ausführlicher und differenzierter auf den Tanz eingehen als die Lehrpläne für das Fach Musik. Die Richtlinien und Lehrpläne der Län- Darstellung von 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 0 1 3 3 0 0 der Baden-Württemberg und Sachsen sind deutlich besser als die übrigen Empfindungen Lehrpläne, wobei besonders die stilistische und formale Vielfalt sowie die Improvisation 3 3 1 1 1 1 1 1 3 3 1 1 1 1 1 1 Ausführlichkeit der Darstellung in den sächsischen Richtlinien hervorzu- heben ist. Besonders unzureichend ist der gemeinsame Rahmenplan der stilistische und formale Vielfalt 3 3 3 3 1 2 1 2 2 3 0 1 2 2 1 2 Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Kein Lehr- plan ist in einem der untersuchten Punkte wirklich optimal. ausführliche Darstellung 4 3 2 2 1 2 1 2 2 3 0 0 3 2 1 2 26 27
Zusammenfassende Auswertung der Richtlinien und Lehrpläne lichen Strukturen und Formen sowie keine eindeutigen Kriterien für diese Form des Tanzens, er ist also schwer zu curricularisieren. Quantitative Auswertung (n = 32) Eine umfassende methodische und didaktische Aufarbeitung des Musik Sport zusammen Prozent Bereichs Tanz, wie sie für andere Bereiche des Musik- und Sportunter- richts üblich ist, findet kaum statt. Die Unterrichtshilfen sind häufig undif- Lernfeld ferenziert, und auch die Beschreibung der Lerninhalte ist häufig wenig Lernfeld Tanz 8 13 21 66 % zufriedenstellend. Tätigkeiten, die die Kreativität der Kinder fördern Lerninhalte und ihre eigenen Ideen mit einbeziehen, werden nur in Ausnahmefällen Kindertänze 14 15 29 91 % berücksichtigt. Tänzerische Improvisationen werden wenig thematisiert, geschweige denn eine Hinführung zum Tanzen mit methodisch-didakti- Bewegungslieder 15 12 27 84 % schen Hilfen. Eine Integration von Ansätzen und Ideen der kreativen Tan- Szenische Darstellungsaufgaben 11 13 24 75 % zerziehung findet nicht statt. Musik und Bewegung 12 9 21 65 % Anhand der qualitativen Analyse konnte weiterhin eine unterschied liche Behandlung des Tanzes zwischen den Fächern Musik und Sport fest- Variation von Tänzen 10 10 20 62 % gestellt werden. Während der Tanz im Musikunterricht vorrangig der Improvisation 7 8 15 49 % Musikanalyse dient, wird er im Sportunterricht eher als Sportart angesehen Darstellung von Empfindungen 3 6 9 28 % und als Bewegungsfertigkeit vermittelt. Die einseitige Orientierung an vorgegebenen Formen und Bewegungen sowie an Schrittmustern aus der Formale Aspekte Folklore ist in beiden Fächern üblich. Diese Verfahren können als unzurei- Stilistische und formelle Vielfalt 8 9 17 53 % chend und einer qualitativ anspruchsvollen Tanzpädagogik nicht gerecht Ausführliche Darstellung 6 7 13 40 % werdend bezeichnet werden. Auch kann festgehalten werden, daß das zugrundeliegende Verständnis von Tanz in deutschen Richtlinien und Lehrplänen insgesamt als traditio- Faßt man die Nennungen beider Fächer zusammen, so wird der Lerninhalt nell geprägt, wenig innovativ oder experimentell und an vielen Punkten als »Kindertänze« am häufigsten genannt, gefolgt von »Bewegungsliedern«, nicht zeitgemäß bezeichnet werden kann. »Szenischen Darstellungsaufgaben« und »Musik und Bewegung«. Diese Ein Vergleich der neuen Richtlinien und Lehrpläne (Veröffentlichun- zahlreichen Nennungen bei den Lerninhalten lassen sich folgendermaßen gen aus den Jahren 2001−2005) mit den vorherigen macht eine geringere erklären: Die genannten Inhalte sind relativ leicht zu unterrichten, da sie Berücksichtigung von Tanz sowohl quantitativ als auch qualitativ deutlich. sich durch klare Vorgaben und Strukturen auszeichnen und deshalb leicht Besonders deutlich wird dieser Rückschritt im gemeinsamen Rahmen- zu curricularisieren und zu reproduzieren sind. Bei diesen Inhalten werden lehrplan der Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpom- Tanzformen mit vorgegebenen Schritt- und Raumformen, Bewegungs mern. Dieser Rahmenlehrplan aus dem Jahr 2004 bleibt weiter hinter der lieder mit vorgegebenen Melodie- und Bewegungsabläufen, Musikstücke Qualität der bisherigen Lehrpläne und Richtlinien der genannten Länder mit klar strukturierten Melodieverläufen oder eindeutiger szenischer Pro- zurück. Ein weiteres Negativbeispiel ist der Lehrplan für das Fach Musik grammatik und elementare Darstellungsaufgaben vermittelt, denen klare aus dem Land Nordrhein-Westfalen, in dem sehr unspezifische, allgemeine Bewegungsabläufe sowie eindeutige Beurteilungskriterien zugrunde Angaben zu den Inhalten im Bereich Tanz aufgezählt werden, ohne daß liegen. differenziert auf einzelne Bereiche eingegangen würde. Die neuen Richt- Am seltensten wird der Lerninhalt »Darstellung von Empfindungen« linien und Lehrpläne gehen insgesamt auf den künstlerisch-ästhetischen genannt. Die seltene Nennung läßt sich damit erklären, daß dieser Inhalt, Bereich noch unspezifischer und undifferenzierter ein als die alten, was ebenso wie die auch seltener genannte Improvisation, besonders schwer zu möglicherweise mit dem »PISA-Schock« und der damit verbundenen Bil unterrichten ist. Es gibt keine klaren Vorgaben in der Bewegung, verbind- dungsdiskussion zusammenhängt. Diese Diskussion hat eine stärkere Ori- 28 29
entierung an einheitlichen Leistungsstandards und Lernkontrollen in den außerordentliche Diskrepanz zwischen den Anforderungen, die in den Hauptf ächern zur Folge, die Einführung des Zentralabiturs und weiterer Übersichten über die außerfachlichen Ziele des Fachs genannt werden, und schulinterner Leistungskontrollen, die zu einer starken zeitlichen Bela- den konkreten Beispielen zur praktischen Umsetzung im Unterricht. Oft- stung und zu einem großen Leistungsdruck in den Hauptfächern Mathe- mals werden im Überblick über die Fächer Musik und Sport und bei der matik und Deutsch sowie in den Sprachen führen. Häufig geschehen diese Auf listung der außerfachlichen Ziele sinnvolle und differenzierte Forde- zeitliche Belastung und das höhere Lernpensum zuungunsten der künstle- rungen im Bereich Tanz erhoben, die sich jedoch in der Praxis kaum oder rischen Fächer. nicht niederschlagen. Es muß konstatiert werden, daß die Betrachtungs- und Umgangsweise Die in der Übersicht genannten außerfachlichen Ziele für den Musik von und mit Tanz, wie es in den aktuellen Richtlinien und Lehrplänen unterricht in der Hansestadt Hamburg lauten: »Der Musikunterricht ini der Bundesländer üblich ist, unzureichend ist. Dies hat zur Konsequenz, tiiert kreative Prozesse, indem er zu eigenen Gestaltungsversuchen daß die Möglichkeiten und Chancen einer ganzheitlichen, dem Bildungs- ermuntert und entsprechende Hilfestellungen anbietet. Durch die Mög- und Erziehungsauftrag der Schule sowie den außerfachlichen Lernzielen lichkeit zur Identifikation eines einzelnen oder einer Gruppe mit etwas der Fächer gerecht werdenden, kindgerechten und kunstorientierten Tanz- Selbstgeschaffenem leistet der Unterricht einen Beitrag zur Persönlichkeits- pädagogik nicht genutzt werden. entwicklung.«11 Für das Fach Musik im »Rahmenplan Musik Grundschule Hamburg«, in dem konkrete Umsetzungsmöglichkeiten zur Erreichung der genannten Ziele benannt werden müßten, heißt es dagegen lapidar: Schwierigkeiten und Gefahren Einfache Bewegungsübungen und Tanzformen (freie Bewegungen zu Musik; Bewegungsimprovisationen, gegebenenfalls mit Bändern, Insgesamt betrachtet, sind die Unsicherheiten im Umgang mit den Tüchern, Luftballons, und anderen Hilfsmitteln; Erarbeiten von Tanz- Begrifflichkeiten und den Erläuterungen in bezug auf Tanz groß, wobei schritten und Formen, Kanontänze, Tanzlieder, Kindertänze, auch Tänze die Sportlehrpläne meist einen pragmatischeren Umgang mit dem Tan- aus unterschiedlichen Kulturkreisen).12 zen vollziehen, während die Musiklehrpläne einen eher diffusen Umgang mit dem Begriff Tanz zeigen. Dies äußert sich in uneindeutigen Begriff- Mit einer derart eingeschränkten und undifferenzierten Vermittlung kön- lichkeiten und in teilweise zweifelhaften Ausführungen. So heißt es im nen die aufgeführten außerfachlichen Ziele nicht erreicht werden. Dies ist Lehrplan für das Fach Musik des Saarlands zum Thema »Innere − Äußere um so bedauerlicher, da sie durch eine adäquate Form der Tanzvermittlung Bewegung« beispielsweise: problemlos und sehr gut erreicht werden könnten. An dieser Stelle, wie auch in zahlreichen anderen Richtlinien und Lehr- Innere und äußere Bewegung kann dargestellt werden durch plänen, fehlen sinnvolle praktische Umsetzungsvorschläge, die den Anfor- – Stampfen, Patschen, Klatschen, Schnipsen, Tanzen derungen gerecht werden und von Lehrern adäquat umgesetzt werden – Mimik, Gestik, Pantomime, szenisches Spiel Innere Bewegung kann sich ausdrücken in können. – Lachen, Staunen, Weinen, gebückte bzw. aufrechte Haltung, Augen Es ist wichtig, diesen Unsicherheiten bewußt und klärend zu begeg- aufreißen, Träumen u.a.m. […] nen, da diese Unsicherheiten möglicherweise eine verminderte Integra- Hinweis: Es gibt viele Musikstücke, die ausschließlich innere Bewegung tion von Tanz in den Unterricht zur Folge haben, da bei Sachverhalten, zulassen, und die für äußere Bewegung ungeeignet sind.10 bei denen man unsicher ist, die Beschäftigung und Auseinandersetzung gescheut wird. Auch ist es notwendig, sich der Diskrepanzen und Schwie- Diese Darstellung sowie der abschließende Hinweis zeugen von einem rigkeiten bewußt zu sein, um vordergründige Argumente in Frage stellen unsicheren und nicht adäquaten Umgang mit Tanz. Hier werden Gefühls-, zu können. Handlungs- und Qualitätsmaßstäbe vermittelt, die fragwürdig sind und zur Verunsicherung der Lehrpersonen führen können. Eine weitere Besonderheit, auf die hingewiesen werden muß, ist die 30 31
Anforderungen der Richtlinien und Lehrpläne an die Unter Berücksichtigung der aktuellen bildungspolitischen, pädagogi- Musik- und Sportlehrer schen und tanzkünstlerischen sowie tanzpädagogischen Diskussionen ist ein konsequentes Weiterdenken der positiven Ansätze der in den Richtli- Trotz der genannten Mängel und Einseitigkeiten sind die Anforderun- nien und Lehrplänen formulierten bildungspolitischen Vorgaben notwen- gen der Richtlinien und Lehrpläne an die Schullehrer insgesamt als sehr dig. Die Ansätze, die einen vielseitigen und kreativen Umgang mit Tanz hoch einzuschätzen. Es werden sowohl von den Sport- als auch von den nahelegen, müssen intensiviert und konkretisiert werden. Eine Zusam- Musiklehrern Fähigkeiten verlangt, die in der Ausbildung nicht gelehrt menstellung der unverzichtbaren und wünschenswerten Inhalte eines wurden oder vorgesehen waren. Von Sportlehrern wird eine umfassende Unterrichts in Tanz wäre ein möglicher erster Schritt. Fort- und Weiterbil- musikalische Ausbildung, die unter anderem das Singen vor einer Klasse dung der Lehrer sind ebenso unumgänglich wie die Integration von Tanz- oder das Notenlesen beinhaltet, erwartet. Diese Qualifikation wird in pädagogen und Künstlern in Schulen. den wenigsten Ausbildungsinstituten vermittelt. Für Musiklehrer werden Eine grundlegende Diskussion über eine Definition von Tanz, die sich Erfahrungen im Bewegungs- und Tanzbereich vorausgesetzt, die nicht an den Bedürfnissen der Schule orientiert und sowohl kind- als auch kunst- ohne weiteres erwartet werden können, da die Ausbildung zum Musikleh- orientiert und damit produkt- und prozeßorientiert ist, sollte geführt wer- rer häufig wenig, an manchen Ausbildungsstätten überhaupt kein Bewe- den. Damit verbunden ist der Wunsch nach einer konkreten Formulierung gungs- oder Tanzangebot vorsieht. Aufgrund dieser Situation sind die von Zielen und Inhalten eines Kindertanzunterrichts. Dieser sollte: wenigen qualitativ hochwertigen und praktikablen Hinweise im Bereich Tanz besonders brisant. In einem Bereich, in dem weder die Musik- noch – die bestehenden Ansätze integrieren; die Sportlehrer hinreichend ausgebildet sind, der aber in jedem Schuljahr – durch weitere Inhalte und Ziele ergänzt werden; verbindlich in beiden Fächern vorgeschrieben ist, erhalten die Lehrer kaum – methodisch-didaktische Hinweise erläutern; Unterstützung für die Planung und Durchführung der tänzerischen Akti- – bundesweite Gültigkeit besitzen. vitäten. Diese Situation sorgt für eine geringe Berücksichtigung von Tanz in der Unterrichtspraxis beider Fächer. Vor diesem Hintergrund sind die aufgeführten Unsicherheiten und Diskrepanzen noch einmal mehr zu Anmerkungen bemängeln, da sie die Situation zusätzlich erschweren. 1 Zit. nach: Corinna Vogel, Tanzen in der Grundschule, Geschichte − Begründun- Aufgrund der geschilderten Situation in Theorie und Praxis sind eine gen − Konzepte, Augsburg 2004, S. 362. zusätzliche Fort- und Weiterbildung der Lehrer im Bereich Tanz sowie 2 Der besseren Lesbarkeit wegen werden in den folgenden Ausführungen die eine Beschäftigung von externen Tanzpädagogen und Tänzern in der Begriffe Richtlinien und Lehrpläne als Sammelbegriffe für alle erwähnten Schule sinnvoll und notwendig. Bezeichnungen verwendet. 3 Vgl.: Rahmenplan Sport Grundschule, hg. v. Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg / Senatsverwaltung für Bildung, Jugend Zusammenfassung und Ausblick und Sport Berlin / Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Meck- lenburg-Vorpommern, Berlin 2004, S. 1−25. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß durch das Tanzen die For- 4 Richtlinien und Lehrpläne zur Erprobung für die Grundschule in Nordrhein-West derungen des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Grundschule erfüllt falen, hg. v. Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein- Westfalen, Düsseldorf 2003, S. 13. werden. Ebenso können die fächerübergreifenden Ziele des Musik- und 5 Richtlinien und Lehrpläne zur Erprobung für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen, Sportunterrichts durch Tanz erreicht werden. S. 15. Weiterhin kann festgehalten werden, daß die Berücksichtigung von 6 Der Tanz wird auch in den Richtlinien und Lehrplänen des Bereichs Darstel- Tanz in den Richtlinien und Lehrplänen der Bundesländer für die Grund- lendes Spiel genannt. Da dieser Bereich auf theaterpädagogischer Grundlage schule in jeder Jahrgangsstufe sowohl für das Fach Musik als auch für das unterrichtet wird und zudem nicht in allen Bundesländern verbindlich als Fach Fach Sport als Lerninhalt vorgesehen ist. vorgesehen ist, wird er in diesen Ausführungen ausgespart. 32 33
Sie können auch lesen