Zeitgenössischer Tanz als Chance für Kinder und Jugendliche - Bundesverband Tanz in Schulen e.V.

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Zeitgenössischer Tanz als Chance für Kinder und Jugendliche - Bundesverband Tanz in Schulen e.V.
Bundesverband Tanz in Schulen e.V.

                            Zeitgenössischer Tanz
                            als Chance für Kinder
                            und Jugendliche
                            kreativ und künstlerisch – partizipativ und vielfältig –
                            professionell und kooperativ                               1
Zeitgenössischer Tanz als Chance für Kinder und Jugendliche - Bundesverband Tanz in Schulen e.V.
Bundesverband Tanz
    in Schulen e. V.

    D
            er Bundesverband setzt sich für den zeitgenössi-      • Diskurs über aktuelle Fragestellungen, Themen und Ent-
            schen Tanz in der kulturellen Bildung und dessen        wicklungen der Tanzvermittlung in den Arbeitsgruppen
            Verbreitung im Rahmen kultureller Bildungsange-         des Verbandes durch aktive Einbindung interessierter
    bote ein. Ein Kernstück seiner Arbeit ist die Qualitätsent-     Mitglieder und Expert*innen
    wicklung und -sicherung der Vermittlung von Tanzkunst         • Impulsgeber und Partner in wissenschaftlichen Fragen,
    an Kinder und Jugendliche. Der Verband vertritt einen           insbesondere im Hinblick auf Evaluation sowie For-
    kritischen Vermittlungsansatz, der das Kennenlernen des         schungsfragen des Tanzes in Bildungskontexten
    zeitgenössischen Tanzes durch Praxis und reflektierte         • Beobachtung der bildungspolitischen Bedingungen für
    Auseinandersetzung ermöglicht. Die gemeinsame Ar-               Tanz auf Länder- und Bundesebene sowie politische
    beit ist stärkenorientiert und eröffnet Räume, die eigene       Vermittlungsarbeit
    Selbstwirksamkeit im individuellen und gesellschaftlichen     • bundesweite Vernetzung von Tanz-Projekten und ge-
    Kontext zu erfahren.                                            meinsame Öffentlichkeitsarbeit
                                                                  • Vernetzung der künstlerischen, wissenschaftlichen und
    Der Bundesverband Tanz in Schulen e. V. versteht sich als       bildungsorientierten Tanzszene
    Plattform für Akteur*innen aus dem Feld und gestaltet, ba-    • Akquise von Fördermitteln – sowohl für Verbandspro-
    sierend auf dem Know-how seiner über hundert Mitglieder,        jekte als auch zur Weiterleitung an Dritte (ChanceTanz)
    ein Netzwerk für Erfahrungsaustausch und die Erarbeitung      • konzeptionelle Weiterentwicklung von Modellen und
    kriteriengebundener Grundlagen. Die tanzkünstlerische           Projekten
    Bildungsarbeit insbesondere für Kinder und Jugendliche
    zu entwickeln und auf politischer Ebene zu vertreten ist
    seine Aufgabe.                                                  Kontakt:
                                                                    info@bv-tanzinschulen.de
    Umgesetzt werden diese Ziele und                                www.bv-tanzinschulen.de

    Aufgaben durch:
    • Qualitätssicherung von Tanzangeboten an Schulen und
      im außerschulischen Bereich sowie in der Aus- und Wei-
      terbildung der Unterrichtenden (insbesondere Choreo-
      graf*innen, Tänzer*innen, Tanzpädagog*innen)
    • Fort- und Weiterbildung von Akteur*innen in unter-
      schiedlichen Formaten (fortlaufende fachliche Beglei-
      tung, regionale Fachtage, regelmäßige Symposien)
    • Dialog mit anderen Kunstsparten sowie Unterrichtsfä-
      chern

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Zeitgenössischer Tanz als Chance für Kinder und Jugendliche - Bundesverband Tanz in Schulen e.V.
Inhalt

                                ChanceTanz   Qualität                                 Kooperationen                          Partizipation und Vielfalt                     Bündnisse und Projekte

    003 Bundesverband Tanz in   012 Fakten   020 Qualität macht stark!                036 Bündnisschmiede ChanceTanz         052	„Versorgt oder gefördert?”               082 ChanceTanz Bündnisse und
        Schulen e. V.                            #Antje Klinge                            #Katharina Schneeweis und                #Ibrahim Ismail                              geförderte Projekte
                                                                                          Martina Kessel
    007 Grußworte                            024 Qualitätsrahmen                                                             058 	 Die Kunst der Beziehung                 095 Impressum/Bildnachweis
                                                 BV Tanz in Schulen                   044	Blickwinkel öffnen durch multi-          #ein Interview mit
    010 Vorwort                                                                            professionelle Zusammenarbeit            Josep Caballero García
                                             026 Tanzkünstlerische Qualität in             #Ulrike Münter
                                                 Projekten mit Kindern und                                                   062 	 Partizipation: zwischen „selbst-
                                                 Jugendlichen – eine Annäherung       048 Zusammenarbeit auswerten und              bestimmt“ und „bestimmt selbst dabei“
                                                 #Claudia Feest                           weiterentwickeln: Kooperations-           #Meike Klapprodt
                                                                                          qualität durch Selbstevaluation
                                             028 Die Teilnehmer*innen im Blick            unterstützen                       066 Starke Mädchen: gendersensibles
                                                 #ein Interview mit Jutta Polic und       #Kerstin Hübner                        Arbeiten im Tanz
                                                 Gabriel Galindez Cruz                                                           #ein Interview mit Roswitha Ehrke

                                             032 Schwarmqualitäten                                                           070 Jardim Urbano – Mitwirkung,
                                                 #ein Schriftinterview mit                                                       Mitbestimmung, Teilhabe
                                                 Felix Berner                                                                    #Sonia Franken und Marcelo Omine

                                                                                                                             074 Eis im Bauch
                                                                                                                                 #ein Schriftinterview mit
                                                                                                                                 Johanne Castillo Bro

                                                                                                                             0 78 Was bewegt dich? – Inklusiv Arbeiten
                                                                                                                                   #Corinna Mindt
4                                                                                                                                                                                                          5
Zeitgenössischer Tanz als Chance für Kinder und Jugendliche - Bundesverband Tanz in Schulen e.V.
#Prof. Dr. Johanna Wanka
    Bundesministerin für Bildung und Forschung

    Grußworte

                                                                                      © Bundesregierung / Steffen Kugler

    „Du schließt einfach die Augen und tanzt“ lautet das kurze   Kinder und Jugendliche zu erreichen, die von ihrem sozia-
    Fazit von Christine, einer jungen Tänzerin aus Düsseldorf.   len und familiären Umfeld sonst eher wenig kulturelle Anre-
    Viele Kinder und Jugendliche bewegen sich gern zu Musik.     gung erfahren. Der Bundesverband Tanz in Schulen gehört
    Wer tanzt oder eine Choreografie erarbeitet und gemein-      zu den 32 Programmpartnern, die „Kultur macht stark“ mit
    sam mit anderen auf die Bühne bringt, erfährt Anerken-       abwechslungsreichen Angeboten vor Ort umsetzen.
    nung und das Gefühl, etwas geleistet zu haben. Kulturelle
    Bildung bewegt etwas bei Kindern und Jugendlichen, das       Junge Menschen darin zu bestärken, über den gewohnten
    zeigen zahlreiche Untersuchungen und Studien.                Alltag hinauszublicken und ihre Fähigkeiten und Talente
                                                                 für einen erfolgreichen Lebens- und Berufsweg einzuset-
    Christine hat bei einem Projekt mitgemacht, das der Bun-     zen, ist eine wichtige Aufgabe. Deshalb geht „Kultur macht
    desverband Tanz in Schulen im Rahmen von „Kultur macht       stark“ ab 2018 in eine zweite Runde. Mit 250 Millionen
    stark. Bündnisse für Bildung“ gefördert hat. Während sie     Euro finanziert das Bundesministerium für Bildung und
    Hip-Hop tanzt, besuchen andere Mädchen und Jungen Pro-       Forschung auch in den nächsten fünf Jahren kulturelle
    jekte im Modern oder Classic Dance oder im Bewegungs-        Bildungsangebote, die Kindern und Jugendlichen neue
    theater. Das Ziel ist, vor allem den Kindern und Jugendli-   Perspektiven für die Zukunft eröffnen. Ich freue mich, dass
    chen, die ohne kulturelle Bildung aufwachsen, Freude an      der Bundesverband Tanz in Schulen weiterhin dabei ist und
    der Bewegung und an der Musik zu vermitteln.                 wünsche viel Erfolg.

    Das Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“
    ist ein Erfolg. Mit mehr als 16.000 Projekten konnten seit
    2013 schon über 500.000 junge Menschen für Bildung, Kul-
    tur und Kunst begeistert werden – und es gelingt dabei,

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Zeitgenössischer Tanz als Chance für Kinder und Jugendliche - Bundesverband Tanz in Schulen e.V.
#Isabel Pfeiffer-Poensgen                                                                                                         #Michael Freundt
    Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen                                                             Dachverband Tanz Deutschland

                                                                                             © MKW/Bettina Engel-Albustin 2017                                                                                                    Foto: Markus Schambach

    „Bevor aus Können Kunst werden kann, muss das Können             liche in den Blick nehmen und diesen eine Bühne bieten.          Mit „ChanceTanz“ hat der Bundesverband Tanz in Schulen            unsere Sprache sprechen, auch die Teilhabe ermöglicht. Es
    sich entwickelt haben. Es musste Zeit haben, zu wachsen.         Dabei leisten alle Beteiligten einen wesentlichen Beitrag        ein zentrales Anliegen der Tanzszene aufgegriffen – den           ist der Gestus der Frage, des Erprobens, des körperlichen
    Und so etwas geht in der Regel nicht von selbst."                zur Chancengerechtigkeit in unserer Gesellschaft.                zeitgenössischen Tanz in die Gesellschaft zu vermitteln.          Begreifens. Wer bin ich? Was ist mein Verhältnis zum ande-
                                                                                                                                      Dabei ging es von Anfang an nicht allein um das Vermitteln        ren? Was bedeutet uns Gemeinschaft? Fragen, die hier im
    Diese Worte aus einer Rede des ehemaligen Bundespräsi-           Manche Projekte sind mir aus meiner Zeit als Generalsekre-       kreativer Ansätze, sondern auch um das gemeinsame Ge-             Mikrokosmos der Projekte gestellt, erprobt und tänzerisch
    denten Joachim Gauck gelten für alle Kunstformen – für           tärin der Kulturstiftung der Länder mit ihrer Initiative „Kin-   stalten, das Teilhaben an kulturellen Prozessen, um Selbst-       gestaltet werden – die aber nichts weniger sind als gelebte
    den Tanz, aber auch für die Musik, für die Literatur, die bil-   der zum Olymp“ bekannt. Mich haben die Entwicklung der           wahrnehmung und soziale Interaktion.                              Demokratie.
    dende Kunst, für Film und das Theater.                           teilnehmenden Kinder und Jugendlichen, ihr steigendes
                                                                     Selbstbewusstsein sowie ihre künstlerische Auseinander-          Der Bundesverband Tanz in Schulen hat als Netzwerk
    Kinder müssen Kunst und Kultur erlernen und trainieren           setzung mit ihrem eigenen Umfeld immer wieder aufs Neue          hochkompetenter Partner und mit dem Know-how seiner
    können. Sie müssen auf der spannenden Entdeckungsreise           begeistert. Natürlich werden nicht alle Tänzer werden.           Mitglieder und Projekte „ChanceTanz“ nicht nur konzipiert
    an die Hand genommen werden. Wem bereits als Kind die            Manche werden Ingenieure oder Handwerker, andere wie-            und auf den Weg gebracht, sondern mit sehr großem Erfolg
    Möglichkeit gegeben wird, Berührungsängste und Hem-              derum Lehrer, Krankenpfleger oder Ärzte.                         realisiert.
    mungen gar nicht erst entstehen zu lassen, der wird sein
    ganzes Leben lang immer neue Welten entdecken und sei-           Wichtig ist, dass sie in jungen Jahren Fähigkeiten wie Ko-       Als Dachverband haben wir das Projekt in der Antragspha-
    ne eigene Kreativität und Fantasie entwickeln.                   ordination, Kraft, Ausdauer und Teamfähigkeit erlernen           se unterstützt, uns um die Vernetzung zu unseren Mitglie-
                                                                     und dass sie später in die Welt des Tanzes aktiv oder als        dern bemüht und immer wieder in die Tanzszene hinein
    Deshalb ist die Arbeit und das Engagement des Bundes-            Zuschauer immer wieder zurückkehren können.                      kommuniziert. Und wir gratulieren den Akteur*innen des
    verbands Tanz in Schulen e. V. so überaus wichtig. Seit                                                                           Projekts ausdrücklich zur geleisteten Arbeit!
    über zehn Jahren bietet er Kindern und Jugendlichen die          Ich danke allen Beteiligten für ihr bisheriges Engagement
    Möglichkeit, auszuprobieren, sich etwas zuzutrauen, die          und wünsche auch zukünftig viel Erfolg!                          „ChanceTanz“ zeigt eindrücklich, was der Tanz als zeitge-
    Fantasie spielen zu lassen und Tanz als Kunst- und Aus-                                                                           nössische Kunstform leisten kann. Vor allem dann, wenn er
    drucksform für sich zu entdecken.                                                                                                 sich nicht auf ein künstlerisches Ergebnis orientiert, son-
                                                                                                                                      dern sich als interaktiven, physischen wie kreativen Pro-
    Das Programm „ChanceTanz“ fördert Projekte vor Ort, die                                                                           zess begreift. Es ist nicht allein die fehlende Sprachbarriere,
    insbesondere bildungsbenachteiligte Kinder und Jugend-                                                                            die potenziell auch Kindern und Jugendlichen, die nicht

8                                                                                                                                                                                                                                                                     9
Zeitgenössischer Tanz als Chance für Kinder und Jugendliche - Bundesverband Tanz in Schulen e.V.
#Linda Müller, Claudia Feest, Anna-Lu Masch
     Vorstand Bundesverband Tanz in Schulen e. V.

                                                                                                                haben, ihren eigenen Körper als kreatives Instrument zu        und Jugendlichen zurück. Mit vielen der durchführenden
                                                                                                                entdecken, sich darüber auszudrücken und anderen Men-          Künstler*innen, Einrichtungen und Bündnisse verbindet
                                                                                                                schen zu begegnen. Doch auch für die Tanzszene sahen wir       uns eine enge Zusammenarbeit, die unseren Verband

                                                    Vorwort
                                                                                                                Chancen, die sich über das Programm eröffneten: Unzäh-         nachhaltig bereichert. Die umfassenden Expertisen und
                                                                                                                lige Tanzkünstler*innen hatten bereits Erfahrungen in der      Erfahrungen aller Beteiligten haben zum Gelingen des
                                                                                                                Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und fanden durch           Gesamtprogramms und zur erfolgreichen Umsetzung
                                                                                                                ChanceTanz Möglichkeiten, neue Projekte zu initiieren.         von ChanceTanz maßgeblich beigetragen. Dies ist umso
                                                                                                                Durch die Vorgabe, dass die Projekte von Dreierbündnissen      wertvoller angesichts der vielen nicht unerheblichen admi-
                                                                                                                auszurichten sind, kamen Einrichtungen mit Tanz in Berüh-      nistrativen und organisatorischen Hürden, mit denen das
                                                                                                                rung, die bis dahin kaum oder keinerlei Bezug dazu hatten.     Programm aufwartete. Doch der Einsatz hat sich gelohnt!
                                                                                                                Und die vielen teilnehmenden jungen Menschen, die in           Zahlreiche bewegende Performances, in denen uns Kinder
                                                                                                                den Projekten einen Zugang zu Tanz entwickeln konnten,         und Jugendliche ihren Mut und ihre Freude am Tanz ge-
                                                                                                                binden ihn in unsere Gesellschaft ein. Nicht zuletzt bietet    zeigt haben, werden uns in Erinnerung bleiben. Viele hat-
                                                                                                                aber auch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eine         ten die Chance, den Tanz kennen- und schätzen zu lernen,
                                                                                                                Inspirationsquelle für viele Künstler*innen – sowohl the-      und für einige ist er zu einem Teil ihres Lebens geworden.
                                                                                                                matisch als auch künstlerisch. Nicht umsonst haben viele       Es sind die zahlreichen kleinen Momente des Kontakts, der
                                                    Mit ChanceTanz erhielten wir als Bundesverband Tanz         Choreograf*innen in ihren Bühnenproduktionen die Arbeit        Aufrichtigkeit, der Auseinandersetzung, des Zweifels, der
                                                    in Schulen die einmalige Gelegenheit, Tanzprojekte für      mit Laien jeglichen Alters entdeckt und präsentieren sie       Hingabe, die jedes Projekt einzigartig machen. Und es sind
                                                    Kinder und Jugendliche bundesweit auf den Weg zu            auf Festivals und in den regulären Spielplänen vieler Thea-    die vielen jungen Menschen, mit ihren Persönlichkeiten,
                                                    bringen. Von 2013 bis 2017 hatten wir mittels des Pro-      terhäuser.                                                     Erfahrungen, Wünschen und mit ihrer Energie, die uns Lust
                                                    gramms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“                                                                         auf mehr machen! Deshalb freuen wir uns ganz besonders,
                                                    des Bundesministeriums für Bildung und Forschung            Auf der Basis einer Mitgliederbefragung, die uns in unse-      dass wir auch die kommenden fünf Jahre im Rahmen von
                                                    über sechs Millionen Euro zur Verfügung, um vielfältigste   rem Vorhaben als Zuwendungsgeber zu fungieren bestärk-         „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ die Möglich-
                                                    Angebote zu fördern. In diesen konnten junge Menschen       te, und der Förderzusage durch das Ministerium, gingen wir     keit haben, viele weitere ChanceTanz-Projekte fördern zu
                                                    den zeitgenössischen Tanz kennenlernen und hatten die       also die Herausforderung an, gründeten ein Projektbüro in      können. Für das uns entgegengebrachte Vertrauen sei dem
                                                    Chance, gemeinsam mit Künstler*innen eigene Ideen zu        Berlin und fanden mit Katharina Schneeweis, Martina Kes-       Bundesministerium für Bildung und Forschung an dieser
                                                    entwickeln, tänzerisch umzusetzen und auf die Bühne zu      sel und Dieter Brinkmann engagierte Mitarbeiter*innen,         Stelle herzlich gedankt!
                                                    bringen. Als vergleichsweiser junger und kleiner Verband    die die Projektstruktur aufbauten und mit ihrem unermüd-
                                                    sahen wir in dieser Aufgabe eine enorme Chance, aber        lichen Einsatz die Umsetzung von ChanceTanz ermöglich-         Die vorliegende Broschüre gewährt einen Überblick über
                                                    auch eine große Herausforderung. Seit Gründung des          ten. Zur Begutachtung der eingereichten Anträge beriefen       das Gesamtprojekt ChanceTanz und akzentuiert ausge-
                                                    Bundesverbandes stand die Qualitätsentwicklung und          wir eine Expertenjury ein, der Claudia Feest, Ulrike Münter,   wählte Themen, die die Arbeit unseres Verbandes ausma-
                                                    -sicherung von tanzkünstlerischen Vermittlungsprojekten     Tanja Gajewski und Josep Caballero García angehörten.          chen. Darin eingebettet finden sich Interviews mit und
                                                    im Zentrum unserer Arbeit. Und mit ChanceTanz bot sich      Für die anregenden Diskussionen, die unzähligen wertvol-       Aufsätze von Projektdurchführenden, die mit uns auf die-
                                                    die Möglichkeit, den von uns entwickelten Qualitätsrah-     len Hinweise und fundierten Entscheidungen sei ihnen an        sem Wege ihre Erfahrungen und Ansichten teilen und uns
                                                    men (s. S. 24-25) deutschlandweit in unzähligen Projek-     dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt.                    einen Einblick in ihre Arbeit ermöglichen. Wir wünschen
                                                    ten praktisch angewendet zu sehen und unsere Expertise                                                                     interessante, ermutigende und freudvolle Momente bei der
                                                    auf außerschulische Angebote auszuweiten. Auf dieser        Nach knapp fünf Jahren blicken wir heute auf rund 550          Lektüre und freuen uns auf alle dadurch inspirierten Pro-
                                                    Grundlage sollten Kinder und Jugendliche die Chance         durch uns geförderte Tanzprojekte mit fast 10.000 Kindern      jekte, die wir in den kommenden Jahren fördern dürfen.

10                                                                                                                                                                                                                                          11
Zeitgenössischer Tanz als Chance für Kinder und Jugendliche - Bundesverband Tanz in Schulen e.V.
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     ChanceTanz

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Zeitgenössischer Tanz als Chance für Kinder und Jugendliche - Bundesverband Tanz in Schulen e.V.
Fakten                                               Art der Einrichtungen in
                                                                                                                                den Bündnissen
                                                                                                                                                                                                        26 %
                                                                                                                                       Kultureinrichtungen
                                                                                                                                       Schulen
                                                                                                                                       sonstige Einrichtungen*                                 12,3 %

     ChanceTanz
                                                                                                                                       Freizeiteinrichtungen                                                     27 %
                                                          eingegangene Anträge       665                                                                                                  12,3 %
                                                                                                                                       andere Bildungseinrichtungen

     2013-2017
                                                                davon bewilligt*     453                                               Kindergärten/Kitas
                                                            Anzahl der Projekte      558                                                                                                    22,7 %
                                                                                                                                                                                                               26 %
                                                                      Bündnisse      258                                        *Vereine mit künstlerischen, sozialen, interkulturellen

     Gesamtvolumen:                                     davon mit einem Projekt                                                 Schwerpunkten, Seniorenzentren, Kirchengemeinden,
                                                                                     153                                        Familienzentren, Erstunterkünfte für Geflüchtete etc.
     6,2 Mio. Euro                                     davon mit zwei oder mehr
                                                                 Folgeprojekten      105

                                                          *Ein Antrag konnte mehrere „Maßnahmen“ bzw. Projekte umfassen.

                                                                          Verteilung                                           Teilnehmer*innen
                                                                          bundesweit
                      3
                                                                                                                               im Alter von drei bis 18 Jahren:

                                                                                                                               10.000
                                        13
                          28
                 25
                                             93
                      23
                      23
                                   4              28
           196
                                                                          Baden-Württemberg: 17           Niedersachsen: 23    Jungen:
                               9
                                             62                           Bayern: 35                      NRW: 196             1 Drittel
                 15
                                                                          Berlin: 93                      Rheinland-Pfalz: 4
       4                                                                  Brandenburg: 28                 Saarland: 3          Mädchen:
       3
                                                                          Bremen: 25                      Sachsen: 62          2 Drittel
                                                                          Hamburg: 28                     Sachsen-Anhalt: 4
                                   35                                     Hessen: 15                      Schles.-H.: 3
                 17                                                       Mecklenburg-Vorp.: 13           Thüringen: 9

14                                                                                                                                                                                                                      15
Zeitgenössischer Tanz als Chance für Kinder und Jugendliche - Bundesverband Tanz in Schulen e.V.
Altersverteilung                                                                Vorgaben
                             Projekte für 3 – 6-Jährige   17                                                                              und
                          Projekte mit 6 – 12-Jährigen    203
                                                                                                                                          Chancen
                                                                                                                                          zur
                         Projekte mit 12 – 18-Jährigen    129
         altersübergreifende Projekte, die eine Alters-
                                                          43

                                                                                                                                          Gestaltung
              spanne von mehr als 10 Jahren umfassen
         altersübergreifende Projekte, die eine Alters-
             spanne von sieben bis 10 Jahren umfassen     166

     Projektformate                                                   Tanz_Start
                                                                • 30 – 40 Projektstunden
                                      15                        • Präsentation der Projektergebnisse
                                                                • max. 6.500 € Förderung
                                                                                                                                               Dreierbündnis                                                    Team
                                                                      Tanz_Intensiv                                                            neue Kooperationen schmieden und
                                                                                                                                           gestalten mit lokalen Partner*innen aus dem
                                                                                                                                                                                               professionelle Tanzkünstler*innen im Verbund mit
                                                                                                                                                                                              Pädagog*innen oder Künstler*innen anderer Sparten
                                                                •   65 – 80 Projektstunden                                                     Kultur-, Bildungs- und Sozialbereich                   je nach Ausrichtung des Projektes
                       256                                      •   Präsentation der Projektergebnisse
                                                   287
                                                                •   Rezeption als Bestandteil des Projektes
                                                                •   max. 14.000 € Förderung
                                                                                                                                                               10

                                                                      Tanz_Sonderprojekt                                                    zeitliches Format                                        Präsentationen
                                                                • bis zu 100 Projektstunden                                                 Von wöchentlich stattfindenden Kursen bis               von der internen Werkschau bis hin zur
                                                                • mindestens zwei Aufführungen auf                                      hin zu kompakten Ferienprojekten ist alles möglich,      Aufführung auf großer Bühne je nach Format,
                                                                  professioneller Bühne                                                         solange die Angebote zusätzlich und                      beteiligten Institutionen und
                                                                • Kinder und Jugendliche, die bereits (erste)                                     außerunterrichtlich stattfinden.                         Teilnehmer*innengruppe
                                                                  Erfahrungen im Tanz haben
                                                                • Rezeption als Bestandteil des Projektes
                                                                • max. 20.000 € Förderung

                                                                                                                                                     Rezeption                                         Partizipation
                                                                Die geförderten Bündnisse wurden zu ChanceTanz-Fachtagen nach
                                                                Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Köln und Leipzig eingeladen, um sich zu    Tanzaufführungen besuchen und besprechen als                 In einem prozessorientierten Ansatz
                                                                Themen wie Zielgruppe und Zielgruppenerreichung, Kooperations-
                                                                                                                                        Möglichkeit zur reflektierten Auseinandersetzung        wird die Mitgestaltung und Mitbestimmung der
                                                                qualität, tanzkünstlerische Projekte mit Kindern und Jugendlichen mit
                                                                Fluchterfahrung und Tanz für Jungen auszutauschen.                                      mit der Tanzkunst                              Teilnehmer*innen gewährleistet

16                                                                                                                                                                                                                                                17
Zeitgenössischer Tanz als Chance für Kinder und Jugendliche - Bundesverband Tanz in Schulen e.V.
18
     Qualität

19
Sich über Qualität verständigen
                                                                                                                                                  Ausgehend von diesen vier Bezügen tanzpädagogischer
                                                                                                                                                  Praxis, hat sich der Verband in einer ersten Phase (2007–
                                                                                                                                                  2010), die mit der Einführung des Ganztags an Schulen
                                                                                                                                                  einherging, mit Inhalten, Zielvorstellungen, Bedingungen
                                                                                                                                                  und Möglichkeiten von Tanz in der Schule auseinanderge-
                                                                                                                                                  setzt. Aufgrund der neuen Herausforderung, dass Schulen
                                                                                                                                                  nun mit außerschulischen Partnern, in dem Fall Tanzkünst-
                                                                                                                                                  ler*innen, zusammenarbeiten sollen, stand das Thema Ko-
                                                                                                                                                  operation im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Schnell
                                                                                                                                                  wurde deutlich, dass nicht von einem normativen, sondern
                                                                                                                                                  von einem relationalen Qualitätsverständnis auszugehen
                                                                                                                                                  ist: „Von Qualität im Bereich Tanz sprechen wir, wenn ein
                                                                                                                                                  Angebot die von den verschiedenen Partnern und Pers-
                                                                                                                                                  pektiven an das Projekt gestellten Anforderungen erfüllt
                                                                                                                                                  werden“ (BV Tanz in Schulen, 2012, S. 9). Diese Grundlegung
                                                                                                                                                  verlangte eine Klärung der Bezüge und ihrer Verschränkun-
                                                                                                                                                  gen, die der BV in mehreren Experten-Workshops vorge-
                                                                                                                                                  nommen hat.

                                                                                                                                                  Der Qualitätsrahmen
                                                                                                                                                  Eine erste Orientierung zur Klärung von Qualitätsmerk­
                                                                                                                                                  malen für Tanzprojekte in der kulturellen Bildung lieferte
                                                                                                                                                  die Diskussion um schulische Bildungsstandards, die in der
                                                                                                                                                  Folge von PISA in Deutschland und international ausgelöst
     #Antje Klinge   Wodurch zeichnet sich ein gutes, ein gelungenes               als individu­elle Ausdrucks- und zeitgenössische Kunst-        wurde. Standards – so die Definition der Kultusminister-
                     Tanzprojekt aus?                                              form zu er­möglichen und ihn als selbstverständlichen          konferenz von 2003 – „beschreiben erwartete Leistungen
                                                                                   Bestandteil kultureller Bildung in die Kultur- und Bildungs-   im Rahmen von Anforderungsbereichen“. Sie „greifen

     Qualität
                     Wenn die Jugendlichen bzw. Adressierten wiederkommen?
                                                                                   landschaft einzubinden.“ (http://bv-tanzinschulen.de/          allgemeine Bildungsziele auf und benennen Kompetenzen,
                     Wenn den Zuschauern das Ergebnis der Vermittlungsarbeit
                                                                                   ziele-und-aufgaben/)                                           die Schülerinnen und Schüler bis zu einer bestimmten
                     gefällt und Erwartungen übertroffen werden? Wenn das
                                                                                   Partizipation, Expressivität im Medium von Tanz sowie          Jahrgangsstufe an zentralen Inhalten erworben haben

     macht stark!
                     Stück den Ansprüchen von zeitgenössischem Bühnentanz
                                                                                   Bildungspotenziale sind dabei zentrale Orientierungen,         sollen“ (KMK, 2003). Um der Gegenstandsspezifik eines
                     gerecht wird? Oder wenn besonders vielen sogenannten
                                                                                   die auf verschiedenen Ebenen Qualitätsmaßstäbe voraus-         künstlerischen Faches bzw. Lernbereichs gerecht werden
                     bildungsbenachteiligten Kindern und Jugendlichen der
                                                                                   setzen:                                                        zu können, wurden Standards für das Fach Kunst (BDK e.
                     Zugang zur Kunstform Tanz ermöglicht wurde?
                                                                                                                                                  V. Fachverband für Kunstpädagogik, 2008), das Fach Sport
                     Qualität hat viele Gesichter und sagt vor allem etwas über    • auf der Ebene des Gegenstandsverständnisses von Tanz         (Landesinstitut für Schule/Qualitätsagentur, 2006) sowie
                     diejenigen aus, die ein Qualitätsurteil aussprechen bezie-        (Fokus auf den sog. zeitgenössischen Tanz)                 die Blueprints for Teaching and Learning in Dance (New
                     hungsweise Qualitätsmerkmale kennzeichnen.                    • auf der Ebene der Entwicklungspotenziale, die durch          York City Department of Education, 2005) hinzugezogen.
                                                                                       Tanz hervorgebracht werden können (Bildungsdimen­          Sie lieferten eine Hilfe für die Kennzeichnung der Fach-
                     Das Qualitätsverständnis des „Bundesverband                       sionen)                                                    bzw. Gegenstandsspezifik Tanz und die Formulierung von
                                                                                   •   auf der Ebene der Personen, die Tanz anbieten und          Kompetenzen, die zum einen die Schüler*innen erwerben
                     Tanz in Schulen e. V.“                                            vermitteln (Tanzpädagog*innen, Choreograf*innen,           können und zum anderen von den Tanzvermittler*innen
                     Der BV Tanz in Schulen hat sich seit seiner Gründung              Tanzvermittler*innen)                                      erwartet werden. Eine weitere wesentliche Säule bildete
                     mit der Qualitätsfrage auseinandergesetzt und in seiner       •   und schließlich auf der Ebene der Institutionen, in        die Kennzeichnung kontextbezogener, institutioneller Ge-
                     Satzung (2007) festgelegt, mit welchem Leitbild er seine          denen Tanz angeboten wird (Schule, Unterricht, AG,         lingensbedingungen, eng verbunden mit Maßnahmen zur
                     Auf­gabe an­geht: „Ziel des Bundesverbands Tanz in Schulen        Jugend­hilfeeinrichtung, Theater etc.)                     Unterstützung von Koordinierung von Künstler*innen und
                     e. V. ist es, Kin­dern und Jugendlichen den Zugang zum Tanz                                                                  Schule sowie Projektreflexionen und -auswertungen, Aus-,
                                                                                                                                                  Fort- und Weiterbildungen.

20                                                                                                                                                                                                              21
Kompetenzen                            Kompetenzen                                                          von den Bewegungsfähigkeiten jedes Einzelnen ausgeht
                                      von                                   von                                                              (Individualität). Dabei überschreitet er spartenspezifische
                                 Schüler*innen                       Tanzkünstler*innen                                                      Grenzen (Interdisziplinarität) und nutzt den Körper als
                                                                                                                                             Medium der Vermittlung zwischen Raum, Zeit, Materialien
                                                                                                                                             und Medien. Die Arbeitsweisen im zeitgenössischen Tanz
                                                                                                                                             setzen bei der Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen
                                                                                                                                             an, fokussieren den Prozess und nicht das Produkt. Sie
                                                                                                                                             verlangen umfassende tanzbiografische Erfahrungen
                                                    Koordinierung                       Aus-, Fort-,                                         von den Vermittler*innen, die sich in selbst­reflexiven und
                  Projektreflexion
                                                                                       Weiterbildung                                         -kritischen Auseinandersetzungen für die Qualität adres-
                                                                                                                                             saten-, v. a. diversitätssensibler Tanzprojekte engagieren.
                                                                                                                                             Qualitätsbestimmend ist im zeitgenössischen Tanz von
                                                                                                                                             daher immer auch die Haltung und Bereitschaft der Tanz-
                                                                                                                                             vermittelnden, sich mit anderen über das eigene Qualitäts-
                                                                                                                                             verständnis auszutauschen. Der BV bietet eine zunehmend
                                                   Institutionelle                                                                           professioneller werdende Plattform für diesen Austausch,
                                                  Bedingungen von                                                                            was u. a. auch in der bewilligten Fortführung seines Pro-
                                                       Schule                                                                                gramms ChanceTanz zum Ausdruck kommt.

                                                                                                           Abb. 1.: Qualitätsrahmen (2011)
                                                                                                                                             1 Mit dem Begriff des Settings sind in Anlehnung an Bronfenbrenner (1981) Orte
                                                                                                                                               mit spezifischen Eigenschaften gemeint, die durch unterschiedliche strukturelle
                                                                                                                                               Bedingungen gekennzeichnet sowie von Aktivitäten und Motiven der Akteure
                                                                                                                                               geprägt sind.

                                                                                                                                             Literatur

                                                                                                                                             BDK. Fachverband für Kunstpädagogik (2008): Bildungsstandards im Fach Kunst
                                                                                                                                             für den mittleren Schulabschluss. In: BDK-Mitteilungen, Heft 3.
                                                                                                                                             Bronfenbrenner, Urie (1981): Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Stutt-
                                                                                                                                             gart: Klett.
                                                                                                                                             BV Tanz in Schulen (2012) (Hg.), K. Schneeweis (Red.): Tanz in Schulen. Theorie und
     Aktualisierung und notwendige Erweiterung                      Dabei stellte sich immer wieder die zentrale und zugleich                Praxis. Leitfaden zur Initiierung, Gestaltung und Optimierung tanzkünstlerischer
                                                                    hoch relevante Frage, welchen spezifischen Beitrag der                   Projekte an Schulen.
                                                                                                                                             Kultusministerkonferenz (2003): Bildungsstandards. Zugriff am 9. 08. 2017 unter:
     Auf die zunehmenden Nachfragen und Bedarfe an Tanz-            zeitgenössische Tanz, z. B. im Vergleich zur Musik oder zum              https://www.kmk.org/themen/qualitaetssicherung-in-schulen/bildungsstan-
                                                                                                                                             dards.html.
     projekten aus dem außerschulischen Bereich und damit           Theater, hier leisten kann.                                              Landesinstitut für Schule/Qualitätsagentur (2006): Qualitätsoffensive im Schul-
     zusammenhängende unterschiedliche Altersgruppen                (Erweiterter Qualitätsrahmen 2017, s. Abb. 2, S. 24/25)                  sport. Vorschläge zur Entwicklung von Qualitätsstandards für den Sportunterricht
                                                                                                                                             in NRW. Werkstattbericht, Heft 3. Soest.
     (Kinder und ältere Menschen) sowie spezielle Erfordernisse                                                                              New York City Department of Education (2005): Blueprints for Teaching and Lear-
                                                                                                                                             ning in Dance. Zugriff am 9.08.2017 unter: http://schools.nyc.gov/offices/teachle-
     (von Menschen mit Beeinträchtigungen, eingewanderten           Qualität zeitgenössischer Tanzvermittlung –                              arn/arts/blueprints/dance-blueprint.html.
     und geflüchteten Menschen) hat der BV mit einer Erweite-
     rung seines Qualitätsrahmens reagiert. Nicht zuletzt wurde     eine Frage der Haltung
     die Öffnung für außerunterrichtliche Angebote durch die        Entscheidendes Merkmal eines künstlerischen Gegen-
     Schwerpunktsetzung des Förderprogramms „Kultur macht           stands ist seine ästhetische Qualität. Im Tanz ist sie an den                                                                                                  Antje Klinge
     stark. Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeriums für       Körper als Speicher von Erfahrungen, Empfindungs- und
     Bildung und Forschung auf die Adressatengruppe der soge-       Ausdrucksorgan gebunden, womit die Körperlichkeit von                                                                                                          Professorin für Sportpädagogik und Sportdidaktik an der
     nannten bildungsfernen Kinder und Jugendlichen verstärkt,      Tanz als Spartenspezifik gekennzeichnet werden kann. Am                                                                                                        Fakultät für Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum.
     was auch Konsequenzen für das Selbstverständnis des BV         und über den Körper artikuliert der Tanz sein ästhetisches                                                                                                     Promovierte 1997 zum Thema „Körper und Gewalt. Zur The-
     Tanz in Schulen mit sich führte. Die Aktualisierung erfolgte   Potenzial. In seinen zeitgenössischen Ausprägungsformen                                                                                                        matisierung von Gewalt in der Sportlehrerausbildung“ und
     von daher im Hinblick auf diverse Adressatengruppen sowie      mischt er historisch gewachsene mit neuen Tanz- und Be-                                                                                                        habilitierte sich 2009 mit dem Schwerpunkt „Körperwissen –
     eine Vielzahl unterschiedlicher Bildungsorte bzw. Settings1.   wegungsformen (Hybridität) und sucht nach neuen Bewe-                                                                                                          eine vernachlässigte Dimension“. Von 2007 – 2017 Vorstands-
     Das Format der fachlichen Begleitung wurde als weiteres        gungs-, Spiel- und Erfahrungsräumen. Indem er bestehende                                                                                                       mitglied des BV Tanz in Schulen. Seit 2013 Expertin im Rat
     qualitätsverbesserndes Angebot entwickelt, um die Tanz-        Tanzstile und Bewegungsnormen aufbricht (Dekonstrukti-                                                                                                         für Kulturelle Bildung. Arbeitsschwerpunkte: Sportlehrer­
     vermittelnden in ihrer Projektarbeit vor Ort zu begleiten      on), stellt er dominante (und meist heimliche) Körper- und                                                                                                     bildung; Biografie- und Fachkulturforschung; Bewegung,
     und im Hinblick auf Selbstreflexionen zu unterstützen.         Genderideale infrage. Dies tut er, indem er konsequent                                                                                                         Spiel und Tanz in der Kulturellen Bildung; Tanzvermittlung.

22                                                                                                                                                                                                                                                                                               23
Qualitätsrahmen                                                                                  Zeitgenössischer Tanz zeichnet sich                                              Tanzvermittelnde
                                                                                                 u.a. durch folgende Merkmale aus:                                                verfügen über:
#Bundesverband Tanz in Schulen e. V.
                                                   Teilnehmende                                  • Er mischt historisch gewachsene mit neuen Tanz- und                            • Fachkompetenz in Form von tanzpraktischem Können
                                                                                                   Bewegungsformen.                                                                 (z.B. Beherrschen diverser Tanztechniken)
                                                   Gestalten die Projekte aktiv mit und          • Er sucht und experimentiert mit Bewegungs- und Tanztraditionen,                • tanzkünstlerische Expertise
                                                   erfahren Kompetenzen in: wahrnehmen,            indem er Bestehendes aufbricht.                                                   (z.B. Entwickeln von Choreografien)
                                                   explorieren, üben, gestalten, präsentieren,   • Er stellt dominante Körper- und Genderideale infrage, indem er                 • tanztheoretisches Wissen
                                                                                                   von den Bewegungsformen des Individuums ausgeht.
                                                   inszenieren, kommunizieren, rezipieren,                                                                                        • reflektierte Vermittlungskompetenzen
                                                                                                 • Er überschreitet spartenspezifische Grenzen.                                     (methodisch/didaktisch/pädagogisch)
                                                   reflektieren und verstehen
                                                                                                 • Er nutzt den Körper als Medium der Vermittlung, fokussiert den                 • Erfahrungen in der Arbeit mit Gruppen
                                                                                                   Prozess und nicht das Produkt und beleuchtet die Wechselbeziehung
                                                                                                                                                                                  • Kontextuale Kompetenzen
                                                                                                   von Körper und Medien.
                                                                                                                                                                                    (z.B. Organisations-/Kooperations-/Selbstkompetenz)

         Tanzvermittelnde
         Verfügen über:
                                                     Zeitgenössischer
                                                                                                 Bildungsdimensionen im Tanz
         ein künstlerisches Selbst- und
                                                                                                 • wahrnehmen/empfinden/erleben: Das Angebot bietet einen geschützten Raum für die Durchlässigkeit von Empfindungen
         kritisches Vermittlungsver-                                                               und die Differenzierung der Wahrnehmung zwischen sich und der Welt.
         ständnis. Sie bringen tanzfachli-                                                       • explorieren/üben/gestalten: Das Angebot bietet durch die Handlungsformen der Imitation, der Improvisation und der
         ches Können, tanzkünstlerische      Sein Ausgangspunkt ist der Körper                     Komposition sowohl alleine als auch in der Gruppe die Gelegenheit zur Exploration und Gestaltung.
         Expertise und Vermittlungs-         als Fundament des Wahrnehmens                       • präsentieren/inszenieren: Das Angebot bietet den Raum, um unterschiedliche Präsentationsqualitäten aus Tanz und
         erfahrungen ein                     und Erlebens, des Gestaltens und                      Performance entdecken und erproben zu können.
                                             Sich-Ausdrückens, des Interagierens                 • kommunizieren und interagieren: Das Angebot bietet Gelegenheiten, Kommunikationsformen im und über den Tanz kennen
                                                                                                   zu lernen, zu erproben und interdisziplinäre gesellschaftliche Bezüge herzustellen und anzuwenden.
                                             und Kommunizierens
                                                                                                 • rezipieren/reflektieren/verstehen: Das Angebot enthält Möglichkeiten zur Rezeption und Reflexion sowie zum Verständnis
                                                                                                   von Tanz und seiner Wertschätzung.

                  Qualitäts-                       Einrichtungen
                                                                                                 Kooperationen und deren                                                           Qualitätssicherung
                                                                                                 Gelingen sind u.a. abhängig von:                                                  erfolgt u.a. durch:
                  sicherungs-                      aus dem Kultur-,
                  instrumente                      Bildungs- und
                                                                                                 • abgestimmter Konzepterstellung
                                                                                                 • sinnvoller Verteilung von Zuständigkeiten
                                                                                                                                                                                   • Nutzung der verbandseigenen Projektdatenbank zur
                                                                                                                                                                                     Selbstreflektion, Evaluation und Sichtbarmachung der

                                                   Sozialbereich
                                                                                                                                                                                     Tanzprojekte
                                                                                                 • Festlegen von Kommunikationswegen
                                                                                                                                                                                   • Vernetzung wissenschaftlicher Forschung
                                                                                                 • Klärung räumlicher/organisatorischer Aspekte
                                                                                                                                                                                   • Fachliche Begleitung/Coaching
                                                                                                 • gemeinsamen Absprachen zur Qualitätssicherung
                                                                                                                                                                                   • regelmäßigen Fachaustausch

24                                                                                                                                                                                                      Abb. 2.: Erweiterter Qualitätsrahmen (2017)   25
#Claudia Feest

     Tanzkünstlerische
     Qualität in Projekten mit
     Kindern und Jugendlichen –
     eine Annäherung

     I
          n den vergangenen fünf Jahren hatte ich die Möglich-      Aus diesem Grund ist es mir wichtig, hier einige Kriterien      stellung Assoziationsräume und Vorstellungen, wie der        meist erst bei den Präsentationen. Doch mit herausgebil-
          keit, das Projekt ChanceTanz als Jurymitglied von         bzw. Fragen zu benennen, die für mich neben den Quali-          Projektverlauf als gemeinsamer Prozess mit den Kindern       deter Erfahrung für künstlerische Projektentwicklung und
          Beginn an begleiten zu können. Dies war eine span-        tätskriterien des Bundesverbandes Tanz in Schulen (s. a.        und Jugendlichen aussehen kann?                              mithilfe oben benannter Kriterien ist Qualität oft bereits in
     nende und meist sehr inspirierende Aufgabe. Besonders          Beitrag von Antje Klinge in dieser Broschüre) bei der Bewer-    Wie kann zum Ende dieses Prozesses hin ein fantasievol-      der Antragsformulierung erkennbar. So bin ich als Jury-
     interessierte mich, welche Themen Kinder und Jugendliche       tung der künstlerischen Qualität von Tanzprojekten in der       les Präsentationsformat entstehen – wie groß oder klein      mitglied zuversichtlich, dass unsere Trefferquote hoch
     aktuell ansprechen und was sie motiviert, in ihrer knappen     kulturellen Bildung relevant sind:                              dieses auch sein mag?                                        war und viele Kinder und Jugendliche von künstlerisch
     Freizeit freiwillig an Tanzprojekten teilzunehmen. Wie span-   Zentraler Ausgangspunkt für ein Projekt von hoher künstle-      Wie umfassend wird mit den anderen Kooperationspart-         spannenden Projekten profitieren konnten.
     nend und aufschlussreich, dass ich feststellen konnte, dass    rischer Qualität ist eine „zündende Idee“ bzw. ein inhaltli-    nern kommuniziert, sodass eine Umsetzung realisierbar
     häufig die Ideen und Konzepte die Kinder und Jugendlichen      ches Anliegen, das gleichzeitig genügend Offenheit bereit-      erscheint?
     am besten erreichten, die beim Lesen der Antragstexte          hält, um den Kindern und Jugendlichen Spielraum für ihre                                                                     Claudia Feest
     auch meine Neugierde geweckt hatten!                           eigenen Fantasien und Ideen zu lassen.                          Wesentlich ist auch die Fachkompetenz, die die leitenden
                                                                    Diese starke Grundidee ist die Basis für ein weiter auszufor-   Tanzvermittler*innen als Erfahrung mitbringen, die zur       Diplombiologin, Atem- und Bewegungspädagogin und
     Künstlerische Qualität von Projekten ‚objektiv’ einschät-      mulierendes und auszudifferenzierendes Konzept, das in-         künstlerischen Qualität eines Tanzprojektes beiträgt – und   -therapeutin, Tänzerin, Choreografin, Mitbegründerin
     zen, geschweige denn diese bewerten zu wollen, ist aus-        haltlich genügend kreative Substanz beinhalten muss, um         das sowohl in Hinsicht auf ihr tanzpraktisches Können,       und bis 2003 Künstlerische Leiterin der Tanzfabrik Berlin.
     gesprochen schwierig. Deutlich ist, dass Einschätzungen        das Projekt durch den gesamten Verlauf seiner Umsetzung         sprich das Wissen um und das Beherrschen von verschie-       Mitbegründerin und Vorstandsmitglied des Dachverbands
     der Kategorie „spannend“ oder „uninteressant“ hierfür          zu tragen. Entscheidend ist hierbei, inwieweit eine künst-      denen Tanztechniken, als auch durch ihre Erfahrung im        Tanz Deutschland und Vorstandsmitglied im Bundesverband
     nicht ausreichen. Bei den gängigen Förderprogrammen im         lerische Grundidee und ein künstlerischer Gedankengang          Erarbeiten von Choreografien mit professionellen und         Tanz in Schulen. 2005.– 2007 Koordinatorin beim Senat für
     Bereich der darstellenden Künste werden deshalb von den        im Verlauf eines Projektes konsequent zu Ende gebracht          nichtprofessionellen Tanzgruppen. Hierbei spielt zudem       Wissenschaft, Forschung und Kultur, Berlin, für das Hoch-
     Förderern oft Qualitätskriterien formuliert, die flankierend   werden.                                                         der eigene reflektierte Umgang mit Tanz, Musik, Körper       schulübergreifende Zentrum Tanz – Pilotprojekt Tanzplan
     aushelfen und letztendlich doch nur eine Annäherung an                                                                         und Bewegung und dem, was dieses bei den teilneh-            Berlin. Lehre und Forschung in Atem- und Bewegungslehre
     eine objektive Einschätzung ermöglichen. Denn, wie wir         Wie plausibel und nachvollziehbar wird die Konzeptidee          menden Kindern und Jugendlichen bewirken kann, eine          und Körperwahrnehmung im In- und Ausland sowie in freier
     alle wissen, gibt es in der Kunst keine objektiven Bewer-      und deren Übersetzung in das Medium Tanz und Bewegung           wesentliche Rolle.                                           Praxis Berlin. Lehrtätigkeit und Coaching/Mentoring am HZT
     tungsmaßstäbe, sodass allein die Auswahl der Kriterien         dargestellt?                                                    Für uns, die wir das Förderprogramm nur zusehend vom         Berlin. Jurytätigkeit für Tanz und Darstellende Künste in
     bereits eine subjektive Entscheidung darstellt.                Eröffnen sich mir – als Antragsleserin – durch diese Dar-       Rand begleiten, zeigt sich die Qualität der Umsetzung        Berlin, NRW und auf Bundesebene.

26                                                                                                                                                                                                                                                               27
#Ein Interview mit Jutta Polic und Gabriel Galindez Cruz

     Die Teilnehmer*innen
                                                                                                                               Das hört sich herausfordernd an. Ist das überhaupt             Welche Unterstützung braucht ihr, damit ein Projekt
                                                                                                                               immer zu schaffen?                                             gelingen kann?

     im Blick
                                                                                                                               Jutta: Nein. Es hat Fälle gegeben, in denen wir einzelne       Jutta: Wir haben anfangs die Bedeutung der Erzieher*innen
                                                                                                                               Kinder nicht in der Gruppe halten konnten. Aber das ist        der Einrichtungen unterschätzt. Das wurde uns erst klar, als
                                                                                                                               eine absolute Ausnahme und hat häufig damit zu tun, dass       in einem unserer Projekte erhebliche Motivationsprobleme
                                                                                                                               sich die Kinder in einer sehr schwierigen persönlichen         auftauchten. Dies hatte viel damit zu tun, dass die Erzie-
                                                                                                                               Lebensphase befinden und sie eigentlich nicht fähig sind, in   her*innen mit ihren regulären Aufgaben bereits so aus- bzw.
     Die Sozialpädagogin Jutta Polic und der Tänzer und Choreograf Gabriel Galindez Cruz haben im                              einer Gruppe zu agieren.                                       überlastet waren, dass dieses Projekt für sie den Rahmen
                                                                                                                               Gabriel: Als besonders hilfreich haben sich in vielen Fällen   gesprengt hat. Natürlich haben sie die Kinder nicht von dem
     Rahmen von ChanceTanz gemeinsam fünf Tanzprojekte mit Kindern und Jugendlichen im Alter von                               die Einzelproben erwiesen. Hier haben wir die Chance, Kin-     Projekt ferngehalten, aber sie haben sie auch nicht beson-
                                                                                                                               der zu erreichen, von denen wir zunächst dachten, dass wir     ders motiviert. Dies haben wir sofort gemerkt.
     sechs bis 15 Jahren geleitet. Hier erzählen sie uns, was ihnen in ihrer Arbeit besonders wichtig ist.                     sie kaum gewinnen und in unserem Projekt halten können.        Gabriel: Ja, alle unterschiedlichen Beteiligten der Bünd-
                                                                                                                               In den Einzelproben haben wir die Möglichkeit, den Kindern     nispartner müssen informiert und motiviert sein, damit es
                                                                                                                               sehr individuell zu begegnen und können sie so besser          gelingen kann. Wenn die Leitung einer Einrichtung von dem
     Was ist für euch das ausschlaggebende Kriterium, um         ist, sondern dessen Gestaltung auch in ihren Händen liegt?    verstehen. Ich arbeite häufig mit Improvisationsaufgaben,      Angebot überzeugt ist, dann ist das prima, reicht aber noch
     von einem „guten Projekt“ zu sprechen?                      Das sind ganz fundamentale Ziele, die wir erreichen wollen.   und in einem Projekt gab es z. B. einen Jungen, der niemals    nicht. Die konkrete Arbeitsebene muss auch hinter dem
                                                                 Wenn uns dies gelingt, ist es ein gutes Projekt.              die Aufgabe bearbeitete, die ich formuliert hatte. So dachte   Projekt stehen. Sicherlich ist hier wichtig, welche Zeitres-
     Gabriel: Für uns ist die Entwicklung der Kinder der wich-   Jutta: Viele der Kinder, die an unseren Projekten teilneh-    ich auf jeden Fall. Als ich dann alleine mit ihm gearbeitet    sourcen dafür überhaupt zur Verfügung gestellt werden
     tigste Punkt. Haben wir es geschafft, ihnen neue Erfah-     men, haben in zahlreichen anderen Kontexten keine oder        habe, habe ich erkannt, dass er die Aufgaben immer sofort      können. Auch die konkreten Absprachen vor Projektbeginn
     rungen zu ermöglichen, ihnen Selbstvertrauen zu geben,      kaum Erfolgserlebnisse. Obwohl sie freiwillig zu uns kom-     weiterentwickelt hat und eigentlich mir und allen anderen      sind bedeutsam, aber letztlich zeigt die Realität, wie viel das
     sodass sie sich mit ihren Stärken und Schwächen präsen-     men, ist ihre Haltung oft von Skepsis und Abwehr geprägt.     voraus war. Das war beeindruckend. Der Junge hat sich in       jeweils wert ist.
     tieren können? Lassen sie sich im Laufe der Zeit auf den    Wenn wir diesen Punkt „knacken“ können, dann haben wir        dem Projekt dann toll entwickelt.                              Jutta: Aber insgesamt hatten wir bei unseren Projekten viel
     gemeinsamen Prozess ein, dessen Verlauf nicht festgelegt    es geschafft!                                                                                                                Unterstützung erfahren. Viele Erzieher*innen waren spon-
                                                                                                                                                                                              tan ansprechbar und halfen uns.

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Welche eurer Kompetenzen sind für euch in den Projek-
     ten besonders wichtig, damit sie gelingen?

     Jutta: Offenheit ist das A und O.
     Gabriel: Gesunder Menschenverstand ist für mich die wich-
     tigste Kompetenz. Wahrzunehmen, was im Moment wichtig
     ist, und seiner Intuition zu folgen ist besser als jede aus der
     Theorie gelernte Methodik. Meine Erfahrungen gründen auf
     meiner Arbeit mit der Kindertanzcompany Berlin von Sasha
     Waltz & Guests. Ich war mit meiner Arbeit dort zunächst
     nicht sonderlich zufrieden. Doch dann wurde mir klar, wie
     ich den Kindern begegnen muss, um die Basis für eine echte
     Zusammenarbeit zu schaffen. Von den Hierarchien abzu-
     lassen war hier der Schlüssel. Ich trete nicht als Lehrer auf,
     da die natürliche Antwort der Kinder dann die ist, in die Posi-
     tion des Schülers bzw. der Schülerin zu rutschen. Und das
     führt in der Regel dann nicht zu einem spannenden gemein-
     samen Prozess. Wenn wir alle auf gleicher Ebene agieren,
     dann habe auch ich die Möglichkeit, von den Kindern zu
     lernen. Und im Allgemeinen nehmen sie dann auch viel
     leichter Dinge von mir an. Mittlerweile nehme ich grundsätz-
     lich jeden Vorschlag der Teilnehmer*innen ernst. Auch wenn
     mein „Erwachsenenkopf“ sagt, dass dieser Vorschlag nicht
     weiterhilft oder nicht funktionieren kann. Und ich bin schon
     so oft überrascht worden! Das ist toll, und so werden auch
     die Ergebnisse spannend und die Tanzproduktionen, die aus
     der Arbeit entstehen, sind auch wirklich die eigene Arbeit
     der Mädchen und Jungen.

     Das Interview führte Martina Kessel (ChanceTanz).

                                                                       Jutta Polic                                                   Gabriel Galindez Cruz

                                                                       Sozialpädagogin, Kulturmanagerin. Seit 2004 arbeitet sie      Choreograf, Tanzpädagoge, Tänzer. Er ist Mitglied von Sasha
                                                                       mit Kindern, u. a. im Berliner MACHmit! Museum für Kinder.    Waltz & Guests und leitet seit 2008 die Kindertanzcompany
                                                                       2015 Gründung der Projektagentur Machart. Sie initiiert,      Berlin. Er engagiert sich in sozialen Tanzprojekten mit Kindern
                                                                       leitet und begleitet kulturelle Bildungsprojekte. Besonders   in Deutschland, den USA und Kolumbien. Um die Persönlich-
                                                                       liegen ihr der Kindertanz, bildende Kunst und Projekte mit    keit der Kinder zu festigen, steht die Entwicklung der eigenen
                                                                       blinden und gehörlosen Menschen am Herzen.                    Bewegungsidentität im Mittelpunkt seiner Arbeit.

                                                                                                                                     Infos zu Bündnissen s. S. 85

30                                                                                                                                                                                                     31
#Ein Schriftinterview mit Felix Berner                                                                                     sche Team zeigt sich Qualität dadurch, dass im gesamten       wir mit dem Stück das jugendliche Publikum erreicht und
                                                                                                                                Probenprozess ein klarer, respektvoller, fairer und humor-    begeistert haben.
                                                                                                                                voller Umgang miteinander gepflegt wurde. Und mit Blick
                                                                                                                                auf mich selbst, ist mir wichtig, dass ich das Endergebnis    Gab es Projekte, mit denen du nicht so zufrieden warst?
                                                                                                                                künstlerisch vertreten kann und mich das entstandene
                                                                                                                                Tanzstück berührt. Innerhalb des Theaters, in dem ich         Ich bin letztlich nie ganz zufrieden. Die Größe der beiden

     Schwarmqualitäten
                                                                                                                                arbeite, zeigt sich Qualität, wenn genügend Mittel im Sinne   Gruppen, mit denen ich im Rahmen von ChanceTanz gear-
                                                                                                                                von Geld, Probenräumen, Bühnenproben, Lichtproben und         beitet habe, ließ ab einem bestimmten Punkt eine weitere
                                                                                                                                Personal zur Verfügung stehen, um für das Projekt ähnliche    künstlerische Vertiefung nicht zu. Das war schade.
                                                                                                                                Rahmenbedingungen zu schaffen wie für „professionelle“        Bei dem Projekt RUN! war ich mit der Kooperation nicht
                                                                                                                                Produktionen im Theater.                                      ganz zufrieden. Es gab hier kommunikative Probleme. Auch
     Der Choreograf Felix Berner hat am Staatstheater Mainz zwei ChanceTanz-Projekte realisiert.                                                                                              habe ich am Anfang dieses Projekts eine Ausstiegswelle
                                                                                                                                Du hast im Rahmen von ChanceTanz verschiedene                 von Teilnehmer*innen als belastend empfunden.
     Neugierig auf die für ihn wichtigsten Kriterien, an denen er die Qualität seiner Arbeit festmacht,                         Projekte gemacht. Findest du davon eines besonders
                                                                                                                                gelungen? Warum?                                              Gibt es „innere“ Konflikte im Hinblick auf künstleri-
     haben wir ihm Fragen geschickt und Antworten erhalten!                                                                                                                                   schen Anspruch und Realität?
                                                                                                                                Das Projekt „Im Schwarm“ hatte seine Premiere auf der
                                                                                                                                Bühne des Großen Hauses des Staatstheater Mainz. Wenn         Immer. Es ist ein ständiger innerer Dialog, in dem ich
     Was ist für dich Qualität in einem Tanzprojekt mit            ist mir wichtig, dass die Jugendlichen das Projekt tanzbe-   ein großes Theater solch einem Projekt seine größte Spiel-    reflektieren muss, um was es mir gerade geht bzw. gehen
     Jugendlichen?                                                 geistert verlassen!                                          stätte zur Verfügung stellt, zeigt das die Anerkennung der    sollte und wer wie viel leisten kann. Da stehen die Teil-
                                                                                                                                Wichtigkeit und der Qualität der Arbeit mit Jugendlichen.     nehmer*innen mit ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten im
     In einem partizipatorischen Tanzprojekt ist Qualität für      Die Qualität der Kooperation zeigt sich für mich darin, ob   Darüber hinaus sind in dem Stück „Im Schwarm“ große           Vordergrund, und meine Vision muss manchmal dahinter
     mich dann erreicht, wenn bei den Teilnehmer*innen ein         alle Partner ihre Stärken, Kompetenzen und Ressourcen in     beeindruckende Bilder, wilder und berührender Tanz,           zurücktreten.
     Reflexionsvermögen über Tanz als Theaterform geweckt          das Projekt einbringen konnten und es auch getan haben.      tolle Lichtstimmungen und eine großartige musikalische
     werden konnte. Durch meine praktische Vermittlungsar-         Gute Kommunikation und eine gemeinsame Verantwort-           Komposition zusammengekommen. Auch der sehr lange             Gab es Austausch mit den Bündnispartnern darüber,
     beit möchte ich sie dazu ermächtigen, ein tolles künstleri-   lichkeit für das Projekt gehören für mich ebenfalls dazu.    Applaus nach der Schulvorstellung am Morgen hat das           was deren Erwartungen sind bzw. was für sie ein
     sches Endergebnis auf der Bühne zu zeigen. Und natürlich      In Hinblick auf die Teilnehmer*innen und das künstleri-      ganze Team und die Teilnehmer*innen sehr gefreut, da          „gutes“ Projekt ausmacht?

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Es gab im Vorfeld bei der Sondierung und der Gewinnung           Zu welchem Zeitpunkt ist für euch die Sicherung von
     aller Kooperationspartner Gespräche über Erwartungen             Qualität besonders wichtig? Vor Projektstart, während-
     und Bedürfnisse der einzelnen Parteien. Während des Pro-         dessen, evaluierend zum Abschluss?
     jekts gab es diesen Austausch dann so nicht mehr.
     Aus der Erfahrung des ersten Projekts haben wir als The-         Der Projektstart muss gut gelingen, um möglichst viele
     ater im zweiten Projekt viele Vorgänge (Proben, Kennen-          Teilnehmer*innen zu gewinnen. Später muss das Zusam-
     lern-Workshop, Maskenworkshop) zu uns ans Haus geholt,           mensetzen des Stückes gut gelingen, um Enttäuschungen
     um schneller auf Anforderungen reagieren zu können und           abzufedern und die Identifikation der Tänzer*innen mit
     den Jugendlichen von Anfang an eine größere Nähe zum             dem Stück zu gewährleisten. Letztlich muss so gearbeitet
     Theater erfahrbar zu machen.                                     worden sein, dass die Teilnehmer*innen im Moment der
                                                                      Aufführung die für sie größtmögliche tänzerische Qualität
     Was weißt du von den Teilnehmer*innen? Erfährst du,              abrufen können.
     ob sie mit dem Projekt zufrieden sind bzw. waren?
                                                                      Was braucht es an Unterstützung von Institutionen,
     Man bekommt während des Projektes sehr genau mit, wie            den Bündnispartnern oder auch von ChanceTanz für ein
     es den Teilnehmer*innen geht, wann Frustration und Ermü-         „gutes“ Projekt?
     dung auftreten. In radikalster Form dadurch, dass sie das
     Projekt verlassen. Wir fordern die Teilnehmer*innen konti-       Ich glaube, dass ChanceTanz in den Sonderprojekten einen
     nuierlich dazu auf, mit uns über Nöte, Sorgen und Frust-         guten finanziellen Rahmen schafft. Darüber hinaus braucht
     rationen zu sprechen. Dies wird auch von einigen genutzt.        man bei Theatern und Bühnen eine gute Lobby, um ein
     Im Zweifelsfall sprechen wir Teilnehmer*innen auch aktiv         Projekt platzieren zu können.
     an, um herauszufinden, wie es ihnen geht oder wie sie zum        Bei der Akquise der Jugendlichen, besonders im Hinblick
     Projekt stehen. Dabei hat es sich als sehr hilfreich erwiesen,   auf Jugendliche mit Bildungsbenachteiligung, bedarf es
     dass neben dem Choreografen ein*e Teammitarbeiter*in             der individuellen und persönlichen Unterstützung enga-
     als Vertrauensperson bzw. als Ansprechpartner*in für die         gierter Einzelpersonen innerhalb der Institutionen der
     Jugendlichen zur Verfügung steht. In Gesprächen nach der         Kooperationspartner, die die Jugendlichen zum Projekt
     Premiere bekommt man von den Teilnehmer*innen unmit-             führen und bei der Stange halten. Die vorgegebene Au-
     telbar gespiegelt, wie sie das gesamte Projekt erlebt haben.     ßerunterrichtlichkeit der Projekte erschwert es nämlich
                                                                      deutlich, Jugendliche mit Bildungsbenachteiligung zu
     Habt ihr Formate mit den Bündnispartnern, um Qualität            erreichen.
     zu sichern?
                                                                      Welche deiner Kompetenzen sind deiner Erfahrung               Felix Berner
     Das haben wir nicht. Ich würde allerdings bei einem zukünf-      nach besonders wichtig, um ein Projekt „erfolgreich“
     tigen Projekt einen schriftlich fixierten Erwartungshorizont     zu realisieren?                                               Choreograf, Tänzer. Arbeitete als Tänzer u. a.
     bzw. eine Zielvereinbarung mit den Kooperationspartnern                                                                        mit Pina Bausch, Ann van den Broek, Sharon
     erarbeiten.                                                      Erfahrung in der Arbeit mit Jugendlichen und Gruppen, ein     Eyal, Tero Saarinen, Club Guy and Roni und
                                                                      großes Gespür für die Bedürfnisse der Teilnehmer*innen,       Jan Pusch. Choreografiert für professionelle
     Wie sieht es diesbezüglich mit dem/den jeweiligen                Klarheit in der künstlerischen Vision und in der Probenpla-   Ensembles und leitet diverse Tanz- und The-
     künstlerischen bzw. pädagogischen Partner*innen bzw.             nung und die Fähigkeit, individuelle Stärken der Teilneh-     aterprojekte mit Jugendlichen, von denen
     mit den Teilnehmer*innen aus?                                    mer*innen zu erkennen und zu fördern.                         viele bereits zum International Youth Art
                                                                                                                                    Festival in Kingston (GB) und zum Tanztref-
     Mit dem künstlerischen Team gibt es während der Proben                                                                         fen der Jugend der Berliner Festspiele ein-
     eine kontinuierliche Auseinandersetzung über die künst-                                                                        geladen wurden. Arbeitet als freischaffender
     lerische Qualität, die inhaltliche Relevanz und die soziale                                                                    Choreograf und am Staatstheater Mainz und
     Dimension des Projekts.                                                                                                        ist darüber hinaus Lehrbeauftragter an der
     Auch die Diskussion mit den Teilnehmer*innen in Form von                                                                       Universität Koblenz-Landau und dem HZT
     Reflexion über vorhandenes Material, über einzelne Szenen                                                                      der UdK Berlin.
     und das Thema der Produktion tragen zu einer Qualitätssi-
     cherung bei.                                                                                                                   Infos zum Bündnis s. S.93

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Kooperationen

                #Katharina Schneeweis & Martina Kessel

                Bündnisschmiede
                ChanceTanz
                Im Rahmen eines Förderprogramms, welches ein            Flexibilität und Toleranz als gedacht und entwi-
                Bündnis von mindestens drei Partnereinrichtungen        ckeln sich so zu einer Belastung für bereits knappe
                in den Mittelpunkt stellt bzw. als Fundament vorgibt,   Ressourcen. Projektkooperationen sind jedoch auch
                spielt Kooperation eine wesentliche und nicht zu um-    eine große Chance – eine einzigartige Gelegenheit,
                gehende Rolle. Viele Partner*innen – viele Meinun-      neues Wissen, neue Zielgruppen, Partner, Bündnis-
                gen – unterschiedliche Ziele und Vorgehensweisen.       se und Arbeitsweisen zu erleben und erwerben. Ob
                Wer weiß nicht um die Brisanz von Kooperationen?        Kooperationen zur Belastung oder zur Bereicherung
                Heterogene Projektkooperationen, in denen unter-        werden, liegt zu einem großen Teil an der Art, wie
                schiedliche Arten von Institutionen und Professionen    sie geplant, strukturiert, verwaltet und reflektiert
                zusammenarbeiten, stellen uns vor große Heraus-         werden.
                forderungen. Oft erfordern sie mehr Zeit, Geduld,

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Was muss ... und was hilft …                                  verstetigen und haben in derselben oder einer leicht verän-
                                                                   derten Partnerkonstellation Folgeprojekte durchgeführt.
     Die besonderen Herausforderungen in Sachen Kooperati-         Einige Bündnisse haben im Laufe der Zeit ihre Aufgabenfel-
     on im Rahmen des Konzeptes ChanceTanz sind zunächst           der gewechselt und sich z. B. in der Rolle der antragstellen-
     die Vorgaben für das Bündnis. Mindestens drei oder mehr       den Einrichtung abgewechselt, um die Verantwortung für
     unterschiedliche Einrichtungen haben sich zu finden, um       Administration und Koordinierung zu verteilen. Probleme
     ein tanzkünstlerisches Projekt für Kinder und Jugendliche     gab es, wenn Ansprechpersonen die Partnereinrichtung
     durchzuführen, die in einem bildungsbenachteiligenden         verließen und keine oder weniger engagierte Personen
     Kontext aufwachsen. Die verschiedenen Partner müssen          folgten. Diese Situation war besonders problematisch,

                                                                                                                                                                                      » Ich finde unser Ergebnis
     einen direkten Zugang zur Zielgruppe abdecken, sowie das      wenn es um Teilnehmerakquise und um die motivierende
     kulturell-künstlerische Know-how einbringen. Neben dem        Begleitung der Teilnehmenden über den gesamten Projekt-
     gemeinsamen Ziel, das Projekt erfolgreich umzusetzen,         zeitraum ging. Der persönliche und regelmäßige Austausch

                                                                                                                                                                                        ist sehr cool geworden und
     bringt jede Einrichtung i. d. R. noch spezifische Ziele und   zwischen den Bündnispartnern bzw. den jeweils zuständi-
     Interessen mit ein. Jenseits der förderrelevanten Adminis-    gen Personen gilt als besonders relevant für das Gelingen
     trationsaufgaben für Antragstellung und Förderabwicklung,     der Kooperation, vor allem dann, wenn neue Zielgruppen
     gilt es, zunächst das Projekt mit seinen konzeptionellen
     Aspekten, den örtlichen Gegebenheiten, den organisato-
                                                                   oder Teilnehmer*innen angesprochen werden. Bewährte
                                                                   Konstellationen unterstützen das Gelingen und die Qualität
                                                                                                                                                                                        die Erfahrung auf einer
                                                                                                                                                                                        Bühne zu stehen war toll!
     rischen Möglichkeiten bzw. Bedingungen und natürlich          und verringern den Zeitaufwand für Koordinierung nach                                                                                                                                         »
     besonders wichtig den personellen Voraussetzungen zu          und nach. Letztlich zählt, dass jeder Bündnispartner seine
     planen. Der Austausch über individuelle und gemeinsame        klare Aufgabe hat und diese bis zum Projektende verant-
     Zielvereinbarungen, das gemeinsame Konzeptionieren            wortungsvoll übernimmt, was in vielen, aber sicherlich                                                                   (Teilnehmer*in)
     des Formates (hinsichtlich Gruppenzusammensetzung,            nicht allen Bündnissen gelungen ist.
     Arbeitsform, Inhalt, möglichen Ergebnissen, Dokumentati-
     on und Sichtbarmachung), Strategien für Konfliktlösungen      ChanceTanz evaluiert und reflektiert
     und Überlegungen zur Qualitätssicherung gehören genauso
     dazu wie die Frage nach notwendigen Räumen, Technik und       Seit 2011 bietet und betreut der Bundesverband Tanz in
     anderen organisatorischen Details. Wichtig ist dabei, von     Schulen eine bundesweite Projektdatenbank für Tanz-
     Beginn an das Dozententeam – professionelle Tanzkünst-        projekte, die der Sichtbarmachung dient und den Projek-
     ler*innen und Tanzpädagog*innen – einzubeziehen. Durch        ten ein Reflexionsinstrument bietet. Unter http://pdb2.
     die in ChanceTanz vorgegebene Verpflichtung zum Team-         bv-tanzinschulen.de/126/ sind unter „Förderer – Chance-
     teaching, kann sich die Zusammensetzung des Dozent*in-        Tanz“ die Projekte aus der Förderperiode 2013 – 2017 mit
     nenteams besonders an den Bedarfen der Teilnehmenden          ihren Strukturdaten öffentlich einsehbar. Zudem waren die       stabileren Netzwerken, die sie über die Zeit aufbauen und      Sind neben Tanz weitere Kunstsparten beteiligt?
     oder auch am Thema orientieren.                               Projekte zu einer spezifischen ChanceTanz-Evaluierung an-       die zu einer besseren Vernetzung im Sozialraum führen.
                                                                   gehalten, die u. a. auf Fragen in Bezug auf die Kooperation     Vor allem eine Konstellation mit drei (und mehr) Partnern
     Vereinbarungen treffen …                                      und das Programm fokussierte.                                   war für viele Einrichtungen neu und zunächst schwierig,
                                                                   70% unserer Antragsteller erfuhren durch die Bündnis-           hat aber letztlich neue Perspektiven auf die eigene Arbeit
     Als Orientierung für die Konzeption eines Projektes und       kooperation einen neuen Aspekt in ihrer Arbeit. Mit knapp       eröffnet und das eigene Denken und Handeln erweitert.
     speziell die Gelingensbedingungen im kooperativ-organi-       58% wurde dabei benannt, dass sich neue Kooperati-              Viele Antragsteller haben erstmalig ein Tanzangebot rea-
     satorischen Bereich steht unseren Antragstellern der vom      onsmöglichkeiten für zukünftige Projekte eröffneten und         lisiert und durch die Kooperation ihre Sichtweise auf Tanz
     Bundesverband Tanz in Schulen entwickelte Qualitäts-          auch neuartige Formate (33%) ausprobiert wurden. 28%            geändert bzw. den Tanz als neuen und funktionierenden
     rahmen und eine Merkliste für Konzeptionsgespräche zur        der Antragsteller entdeckten neue Zielgruppen, und rund         Aspekt für ihre Einrichtung dazugewonnen. Stärken und
     Verfügung. Jeder Bündnispartner hat seine Aufgabe im          23,5% haben mit ihren ChanceTanz-Projekten neue inhaltli-       Schwächen der eigenen Einrichtung wurden erkannt und
     Projekt zu spezifizieren und seinen Beitrag zum Gelingen      che Zielsetzungen entwickelt. Benannt wird vor allem der        Ergänzungen über neue Partner gesucht und gefunden.
     zu leisten. Das steht und fällt in der Praxis mit vorhande-   Aspekt, dass durch neue Partner auch andere Sparten und         Zudem geben die Bündnisse an, durch die Kooperationen
     nen und engagierten Ansprechpartner*innen, mit einer          damit einhergehend auch neue Ansätze und Methoden               verschiedene Ressourcen und die vorhandene Infrastruk-
     gemeinsam eingeführten Kommunikationsstruktur und             einbezogen werden. Eine inhaltliche Verbindung von Spar-        tur besser zu nutzen.
     dem klaren Bekenntnis, gemeinsamer Träger des Projektes       ten erfordert Umdenken und Offenheit, wirkt inspirierend        Eine besondere Herausforderung durch die Bündnis-
     zu sein. Die allermeisten ChanceTanz-Bündnisse haben wir      und lässt neue künstlerische Praktiken ausprobieren, so         kooperation erlebten rund 60% unserer Projekte, wobei
     als gut funktionierende Kooperation wahrgenommen. Viele       der Tenor in manchen Evaluierungsbögen. Die Bündnisse           sich diese zu 38% auf die Administration des Programms
                                                                                                                                                                                                  Quelle: Projektdatenbank Bundesverband Tanz in Schulen e. V.
     Bündnisse konnten sich für den Zeitraum des Programms         schreiben von einer intensiveren Zusammenarbeit und von         und zu rund 30% auf die Koordinierung der Bündnispart-

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