Zeitgenössischer Tanz als Chance für Kinder und Jugendliche - Bundesverband Tanz in Schulen e.V.
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Bundesverband Tanz in Schulen e.V. Zeitgenössischer Tanz als Chance für Kinder und Jugendliche kreativ und künstlerisch – partizipativ und vielfältig – professionell und kooperativ 1
Bundesverband Tanz in Schulen e. V. D er Bundesverband setzt sich für den zeitgenössi- • Diskurs über aktuelle Fragestellungen, Themen und Ent- schen Tanz in der kulturellen Bildung und dessen wicklungen der Tanzvermittlung in den Arbeitsgruppen Verbreitung im Rahmen kultureller Bildungsange- des Verbandes durch aktive Einbindung interessierter bote ein. Ein Kernstück seiner Arbeit ist die Qualitätsent- Mitglieder und Expert*innen wicklung und -sicherung der Vermittlung von Tanzkunst • Impulsgeber und Partner in wissenschaftlichen Fragen, an Kinder und Jugendliche. Der Verband vertritt einen insbesondere im Hinblick auf Evaluation sowie For- kritischen Vermittlungsansatz, der das Kennenlernen des schungsfragen des Tanzes in Bildungskontexten zeitgenössischen Tanzes durch Praxis und reflektierte • Beobachtung der bildungspolitischen Bedingungen für Auseinandersetzung ermöglicht. Die gemeinsame Ar- Tanz auf Länder- und Bundesebene sowie politische beit ist stärkenorientiert und eröffnet Räume, die eigene Vermittlungsarbeit Selbstwirksamkeit im individuellen und gesellschaftlichen • bundesweite Vernetzung von Tanz-Projekten und ge- Kontext zu erfahren. meinsame Öffentlichkeitsarbeit • Vernetzung der künstlerischen, wissenschaftlichen und Der Bundesverband Tanz in Schulen e. V. versteht sich als bildungsorientierten Tanzszene Plattform für Akteur*innen aus dem Feld und gestaltet, ba- • Akquise von Fördermitteln – sowohl für Verbandspro- sierend auf dem Know-how seiner über hundert Mitglieder, jekte als auch zur Weiterleitung an Dritte (ChanceTanz) ein Netzwerk für Erfahrungsaustausch und die Erarbeitung • konzeptionelle Weiterentwicklung von Modellen und kriteriengebundener Grundlagen. Die tanzkünstlerische Projekten Bildungsarbeit insbesondere für Kinder und Jugendliche zu entwickeln und auf politischer Ebene zu vertreten ist seine Aufgabe. Kontakt: info@bv-tanzinschulen.de Umgesetzt werden diese Ziele und www.bv-tanzinschulen.de Aufgaben durch: • Qualitätssicherung von Tanzangeboten an Schulen und im außerschulischen Bereich sowie in der Aus- und Wei- terbildung der Unterrichtenden (insbesondere Choreo- graf*innen, Tänzer*innen, Tanzpädagog*innen) • Fort- und Weiterbildung von Akteur*innen in unter- schiedlichen Formaten (fortlaufende fachliche Beglei- tung, regionale Fachtage, regelmäßige Symposien) • Dialog mit anderen Kunstsparten sowie Unterrichtsfä- chern 2 3
Inhalt ChanceTanz Qualität Kooperationen Partizipation und Vielfalt Bündnisse und Projekte 003 Bundesverband Tanz in 012 Fakten 020 Qualität macht stark! 036 Bündnisschmiede ChanceTanz 052 „Versorgt oder gefördert?” 082 ChanceTanz Bündnisse und Schulen e. V. #Antje Klinge #Katharina Schneeweis und #Ibrahim Ismail geförderte Projekte Martina Kessel 007 Grußworte 024 Qualitätsrahmen 058 Die Kunst der Beziehung 095 Impressum/Bildnachweis BV Tanz in Schulen 044 Blickwinkel öffnen durch multi- #ein Interview mit 010 Vorwort professionelle Zusammenarbeit Josep Caballero García 026 Tanzkünstlerische Qualität in #Ulrike Münter Projekten mit Kindern und 062 Partizipation: zwischen „selbst- Jugendlichen – eine Annäherung 048 Zusammenarbeit auswerten und bestimmt“ und „bestimmt selbst dabei“ #Claudia Feest weiterentwickeln: Kooperations- #Meike Klapprodt qualität durch Selbstevaluation 028 Die Teilnehmer*innen im Blick unterstützen 066 Starke Mädchen: gendersensibles #ein Interview mit Jutta Polic und #Kerstin Hübner Arbeiten im Tanz Gabriel Galindez Cruz #ein Interview mit Roswitha Ehrke 032 Schwarmqualitäten 070 Jardim Urbano – Mitwirkung, #ein Schriftinterview mit Mitbestimmung, Teilhabe Felix Berner #Sonia Franken und Marcelo Omine 074 Eis im Bauch #ein Schriftinterview mit Johanne Castillo Bro 0 78 Was bewegt dich? – Inklusiv Arbeiten #Corinna Mindt 4 5
#Prof. Dr. Johanna Wanka Bundesministerin für Bildung und Forschung Grußworte © Bundesregierung / Steffen Kugler „Du schließt einfach die Augen und tanzt“ lautet das kurze Kinder und Jugendliche zu erreichen, die von ihrem sozia- Fazit von Christine, einer jungen Tänzerin aus Düsseldorf. len und familiären Umfeld sonst eher wenig kulturelle Anre- Viele Kinder und Jugendliche bewegen sich gern zu Musik. gung erfahren. Der Bundesverband Tanz in Schulen gehört Wer tanzt oder eine Choreografie erarbeitet und gemein- zu den 32 Programmpartnern, die „Kultur macht stark“ mit sam mit anderen auf die Bühne bringt, erfährt Anerken- abwechslungsreichen Angeboten vor Ort umsetzen. nung und das Gefühl, etwas geleistet zu haben. Kulturelle Bildung bewegt etwas bei Kindern und Jugendlichen, das Junge Menschen darin zu bestärken, über den gewohnten zeigen zahlreiche Untersuchungen und Studien. Alltag hinauszublicken und ihre Fähigkeiten und Talente für einen erfolgreichen Lebens- und Berufsweg einzuset- Christine hat bei einem Projekt mitgemacht, das der Bun- zen, ist eine wichtige Aufgabe. Deshalb geht „Kultur macht desverband Tanz in Schulen im Rahmen von „Kultur macht stark“ ab 2018 in eine zweite Runde. Mit 250 Millionen stark. Bündnisse für Bildung“ gefördert hat. Während sie Euro finanziert das Bundesministerium für Bildung und Hip-Hop tanzt, besuchen andere Mädchen und Jungen Pro- Forschung auch in den nächsten fünf Jahren kulturelle jekte im Modern oder Classic Dance oder im Bewegungs- Bildungsangebote, die Kindern und Jugendlichen neue theater. Das Ziel ist, vor allem den Kindern und Jugendli- Perspektiven für die Zukunft eröffnen. Ich freue mich, dass chen, die ohne kulturelle Bildung aufwachsen, Freude an der Bundesverband Tanz in Schulen weiterhin dabei ist und der Bewegung und an der Musik zu vermitteln. wünsche viel Erfolg. Das Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ ist ein Erfolg. Mit mehr als 16.000 Projekten konnten seit 2013 schon über 500.000 junge Menschen für Bildung, Kul- tur und Kunst begeistert werden – und es gelingt dabei, 6 7
#Isabel Pfeiffer-Poensgen #Michael Freundt Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen Dachverband Tanz Deutschland © MKW/Bettina Engel-Albustin 2017 Foto: Markus Schambach „Bevor aus Können Kunst werden kann, muss das Können liche in den Blick nehmen und diesen eine Bühne bieten. Mit „ChanceTanz“ hat der Bundesverband Tanz in Schulen unsere Sprache sprechen, auch die Teilhabe ermöglicht. Es sich entwickelt haben. Es musste Zeit haben, zu wachsen. Dabei leisten alle Beteiligten einen wesentlichen Beitrag ein zentrales Anliegen der Tanzszene aufgegriffen – den ist der Gestus der Frage, des Erprobens, des körperlichen Und so etwas geht in der Regel nicht von selbst." zur Chancengerechtigkeit in unserer Gesellschaft. zeitgenössischen Tanz in die Gesellschaft zu vermitteln. Begreifens. Wer bin ich? Was ist mein Verhältnis zum ande- Dabei ging es von Anfang an nicht allein um das Vermitteln ren? Was bedeutet uns Gemeinschaft? Fragen, die hier im Diese Worte aus einer Rede des ehemaligen Bundespräsi- Manche Projekte sind mir aus meiner Zeit als Generalsekre- kreativer Ansätze, sondern auch um das gemeinsame Ge- Mikrokosmos der Projekte gestellt, erprobt und tänzerisch denten Joachim Gauck gelten für alle Kunstformen – für tärin der Kulturstiftung der Länder mit ihrer Initiative „Kin- stalten, das Teilhaben an kulturellen Prozessen, um Selbst- gestaltet werden – die aber nichts weniger sind als gelebte den Tanz, aber auch für die Musik, für die Literatur, die bil- der zum Olymp“ bekannt. Mich haben die Entwicklung der wahrnehmung und soziale Interaktion. Demokratie. dende Kunst, für Film und das Theater. teilnehmenden Kinder und Jugendlichen, ihr steigendes Selbstbewusstsein sowie ihre künstlerische Auseinander- Der Bundesverband Tanz in Schulen hat als Netzwerk Kinder müssen Kunst und Kultur erlernen und trainieren setzung mit ihrem eigenen Umfeld immer wieder aufs Neue hochkompetenter Partner und mit dem Know-how seiner können. Sie müssen auf der spannenden Entdeckungsreise begeistert. Natürlich werden nicht alle Tänzer werden. Mitglieder und Projekte „ChanceTanz“ nicht nur konzipiert an die Hand genommen werden. Wem bereits als Kind die Manche werden Ingenieure oder Handwerker, andere wie- und auf den Weg gebracht, sondern mit sehr großem Erfolg Möglichkeit gegeben wird, Berührungsängste und Hem- derum Lehrer, Krankenpfleger oder Ärzte. realisiert. mungen gar nicht erst entstehen zu lassen, der wird sein ganzes Leben lang immer neue Welten entdecken und sei- Wichtig ist, dass sie in jungen Jahren Fähigkeiten wie Ko- Als Dachverband haben wir das Projekt in der Antragspha- ne eigene Kreativität und Fantasie entwickeln. ordination, Kraft, Ausdauer und Teamfähigkeit erlernen se unterstützt, uns um die Vernetzung zu unseren Mitglie- und dass sie später in die Welt des Tanzes aktiv oder als dern bemüht und immer wieder in die Tanzszene hinein Deshalb ist die Arbeit und das Engagement des Bundes- Zuschauer immer wieder zurückkehren können. kommuniziert. Und wir gratulieren den Akteur*innen des verbands Tanz in Schulen e. V. so überaus wichtig. Seit Projekts ausdrücklich zur geleisteten Arbeit! über zehn Jahren bietet er Kindern und Jugendlichen die Ich danke allen Beteiligten für ihr bisheriges Engagement Möglichkeit, auszuprobieren, sich etwas zuzutrauen, die und wünsche auch zukünftig viel Erfolg! „ChanceTanz“ zeigt eindrücklich, was der Tanz als zeitge- Fantasie spielen zu lassen und Tanz als Kunst- und Aus- nössische Kunstform leisten kann. Vor allem dann, wenn er drucksform für sich zu entdecken. sich nicht auf ein künstlerisches Ergebnis orientiert, son- dern sich als interaktiven, physischen wie kreativen Pro- Das Programm „ChanceTanz“ fördert Projekte vor Ort, die zess begreift. Es ist nicht allein die fehlende Sprachbarriere, insbesondere bildungsbenachteiligte Kinder und Jugend- die potenziell auch Kindern und Jugendlichen, die nicht 8 9
#Linda Müller, Claudia Feest, Anna-Lu Masch Vorstand Bundesverband Tanz in Schulen e. V. haben, ihren eigenen Körper als kreatives Instrument zu und Jugendlichen zurück. Mit vielen der durchführenden entdecken, sich darüber auszudrücken und anderen Men- Künstler*innen, Einrichtungen und Bündnisse verbindet schen zu begegnen. Doch auch für die Tanzszene sahen wir uns eine enge Zusammenarbeit, die unseren Verband Vorwort Chancen, die sich über das Programm eröffneten: Unzäh- nachhaltig bereichert. Die umfassenden Expertisen und lige Tanzkünstler*innen hatten bereits Erfahrungen in der Erfahrungen aller Beteiligten haben zum Gelingen des Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und fanden durch Gesamtprogramms und zur erfolgreichen Umsetzung ChanceTanz Möglichkeiten, neue Projekte zu initiieren. von ChanceTanz maßgeblich beigetragen. Dies ist umso Durch die Vorgabe, dass die Projekte von Dreierbündnissen wertvoller angesichts der vielen nicht unerheblichen admi- auszurichten sind, kamen Einrichtungen mit Tanz in Berüh- nistrativen und organisatorischen Hürden, mit denen das rung, die bis dahin kaum oder keinerlei Bezug dazu hatten. Programm aufwartete. Doch der Einsatz hat sich gelohnt! Und die vielen teilnehmenden jungen Menschen, die in Zahlreiche bewegende Performances, in denen uns Kinder den Projekten einen Zugang zu Tanz entwickeln konnten, und Jugendliche ihren Mut und ihre Freude am Tanz ge- binden ihn in unsere Gesellschaft ein. Nicht zuletzt bietet zeigt haben, werden uns in Erinnerung bleiben. Viele hat- aber auch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eine ten die Chance, den Tanz kennen- und schätzen zu lernen, Inspirationsquelle für viele Künstler*innen – sowohl the- und für einige ist er zu einem Teil ihres Lebens geworden. matisch als auch künstlerisch. Nicht umsonst haben viele Es sind die zahlreichen kleinen Momente des Kontakts, der Mit ChanceTanz erhielten wir als Bundesverband Tanz Choreograf*innen in ihren Bühnenproduktionen die Arbeit Aufrichtigkeit, der Auseinandersetzung, des Zweifels, der in Schulen die einmalige Gelegenheit, Tanzprojekte für mit Laien jeglichen Alters entdeckt und präsentieren sie Hingabe, die jedes Projekt einzigartig machen. Und es sind Kinder und Jugendliche bundesweit auf den Weg zu auf Festivals und in den regulären Spielplänen vieler Thea- die vielen jungen Menschen, mit ihren Persönlichkeiten, bringen. Von 2013 bis 2017 hatten wir mittels des Pro- terhäuser. Erfahrungen, Wünschen und mit ihrer Energie, die uns Lust gramms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ auf mehr machen! Deshalb freuen wir uns ganz besonders, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Auf der Basis einer Mitgliederbefragung, die uns in unse- dass wir auch die kommenden fünf Jahre im Rahmen von über sechs Millionen Euro zur Verfügung, um vielfältigste rem Vorhaben als Zuwendungsgeber zu fungieren bestärk- „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ die Möglich- Angebote zu fördern. In diesen konnten junge Menschen te, und der Förderzusage durch das Ministerium, gingen wir keit haben, viele weitere ChanceTanz-Projekte fördern zu den zeitgenössischen Tanz kennenlernen und hatten die also die Herausforderung an, gründeten ein Projektbüro in können. Für das uns entgegengebrachte Vertrauen sei dem Chance, gemeinsam mit Künstler*innen eigene Ideen zu Berlin und fanden mit Katharina Schneeweis, Martina Kes- Bundesministerium für Bildung und Forschung an dieser entwickeln, tänzerisch umzusetzen und auf die Bühne zu sel und Dieter Brinkmann engagierte Mitarbeiter*innen, Stelle herzlich gedankt! bringen. Als vergleichsweiser junger und kleiner Verband die die Projektstruktur aufbauten und mit ihrem unermüd- sahen wir in dieser Aufgabe eine enorme Chance, aber lichen Einsatz die Umsetzung von ChanceTanz ermöglich- Die vorliegende Broschüre gewährt einen Überblick über auch eine große Herausforderung. Seit Gründung des ten. Zur Begutachtung der eingereichten Anträge beriefen das Gesamtprojekt ChanceTanz und akzentuiert ausge- Bundesverbandes stand die Qualitätsentwicklung und wir eine Expertenjury ein, der Claudia Feest, Ulrike Münter, wählte Themen, die die Arbeit unseres Verbandes ausma- -sicherung von tanzkünstlerischen Vermittlungsprojekten Tanja Gajewski und Josep Caballero García angehörten. chen. Darin eingebettet finden sich Interviews mit und im Zentrum unserer Arbeit. Und mit ChanceTanz bot sich Für die anregenden Diskussionen, die unzähligen wertvol- Aufsätze von Projektdurchführenden, die mit uns auf die- die Möglichkeit, den von uns entwickelten Qualitätsrah- len Hinweise und fundierten Entscheidungen sei ihnen an sem Wege ihre Erfahrungen und Ansichten teilen und uns men (s. S. 24-25) deutschlandweit in unzähligen Projek- dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt. einen Einblick in ihre Arbeit ermöglichen. Wir wünschen ten praktisch angewendet zu sehen und unsere Expertise interessante, ermutigende und freudvolle Momente bei der auf außerschulische Angebote auszuweiten. Auf dieser Nach knapp fünf Jahren blicken wir heute auf rund 550 Lektüre und freuen uns auf alle dadurch inspirierten Pro- Grundlage sollten Kinder und Jugendliche die Chance durch uns geförderte Tanzprojekte mit fast 10.000 Kindern jekte, die wir in den kommenden Jahren fördern dürfen. 10 11
Fakten Art der Einrichtungen in den Bündnissen 26 % Kultureinrichtungen Schulen sonstige Einrichtungen* 12,3 % ChanceTanz Freizeiteinrichtungen 27 % eingegangene Anträge 665 12,3 % andere Bildungseinrichtungen 2013-2017 davon bewilligt* 453 Kindergärten/Kitas Anzahl der Projekte 558 22,7 % 26 % Bündnisse 258 *Vereine mit künstlerischen, sozialen, interkulturellen Gesamtvolumen: davon mit einem Projekt Schwerpunkten, Seniorenzentren, Kirchengemeinden, 153 Familienzentren, Erstunterkünfte für Geflüchtete etc. 6,2 Mio. Euro davon mit zwei oder mehr Folgeprojekten 105 *Ein Antrag konnte mehrere „Maßnahmen“ bzw. Projekte umfassen. Verteilung Teilnehmer*innen bundesweit 3 im Alter von drei bis 18 Jahren: 10.000 13 28 25 93 23 23 4 28 196 Baden-Württemberg: 17 Niedersachsen: 23 Jungen: 9 62 Bayern: 35 NRW: 196 1 Drittel 15 Berlin: 93 Rheinland-Pfalz: 4 4 Brandenburg: 28 Saarland: 3 Mädchen: 3 Bremen: 25 Sachsen: 62 2 Drittel Hamburg: 28 Sachsen-Anhalt: 4 35 Hessen: 15 Schles.-H.: 3 17 Mecklenburg-Vorp.: 13 Thüringen: 9 14 15
Altersverteilung Vorgaben Projekte für 3 – 6-Jährige 17 und Projekte mit 6 – 12-Jährigen 203 Chancen zur Projekte mit 12 – 18-Jährigen 129 altersübergreifende Projekte, die eine Alters- 43 Gestaltung spanne von mehr als 10 Jahren umfassen altersübergreifende Projekte, die eine Alters- spanne von sieben bis 10 Jahren umfassen 166 Projektformate Tanz_Start • 30 – 40 Projektstunden 15 • Präsentation der Projektergebnisse • max. 6.500 € Förderung Dreierbündnis Team Tanz_Intensiv neue Kooperationen schmieden und gestalten mit lokalen Partner*innen aus dem professionelle Tanzkünstler*innen im Verbund mit Pädagog*innen oder Künstler*innen anderer Sparten • 65 – 80 Projektstunden Kultur-, Bildungs- und Sozialbereich je nach Ausrichtung des Projektes 256 • Präsentation der Projektergebnisse 287 • Rezeption als Bestandteil des Projektes • max. 14.000 € Förderung 10 Tanz_Sonderprojekt zeitliches Format Präsentationen • bis zu 100 Projektstunden Von wöchentlich stattfindenden Kursen bis von der internen Werkschau bis hin zur • mindestens zwei Aufführungen auf hin zu kompakten Ferienprojekten ist alles möglich, Aufführung auf großer Bühne je nach Format, professioneller Bühne solange die Angebote zusätzlich und beteiligten Institutionen und • Kinder und Jugendliche, die bereits (erste) außerunterrichtlich stattfinden. Teilnehmer*innengruppe Erfahrungen im Tanz haben • Rezeption als Bestandteil des Projektes • max. 20.000 € Förderung Rezeption Partizipation Die geförderten Bündnisse wurden zu ChanceTanz-Fachtagen nach Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Köln und Leipzig eingeladen, um sich zu Tanzaufführungen besuchen und besprechen als In einem prozessorientierten Ansatz Themen wie Zielgruppe und Zielgruppenerreichung, Kooperations- Möglichkeit zur reflektierten Auseinandersetzung wird die Mitgestaltung und Mitbestimmung der qualität, tanzkünstlerische Projekte mit Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung und Tanz für Jungen auszutauschen. mit der Tanzkunst Teilnehmer*innen gewährleistet 16 17
Sich über Qualität verständigen Ausgehend von diesen vier Bezügen tanzpädagogischer Praxis, hat sich der Verband in einer ersten Phase (2007– 2010), die mit der Einführung des Ganztags an Schulen einherging, mit Inhalten, Zielvorstellungen, Bedingungen und Möglichkeiten von Tanz in der Schule auseinanderge- setzt. Aufgrund der neuen Herausforderung, dass Schulen nun mit außerschulischen Partnern, in dem Fall Tanzkünst- ler*innen, zusammenarbeiten sollen, stand das Thema Ko- operation im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Schnell wurde deutlich, dass nicht von einem normativen, sondern von einem relationalen Qualitätsverständnis auszugehen ist: „Von Qualität im Bereich Tanz sprechen wir, wenn ein Angebot die von den verschiedenen Partnern und Pers- pektiven an das Projekt gestellten Anforderungen erfüllt werden“ (BV Tanz in Schulen, 2012, S. 9). Diese Grundlegung verlangte eine Klärung der Bezüge und ihrer Verschränkun- gen, die der BV in mehreren Experten-Workshops vorge- nommen hat. Der Qualitätsrahmen Eine erste Orientierung zur Klärung von Qualitätsmerk malen für Tanzprojekte in der kulturellen Bildung lieferte die Diskussion um schulische Bildungsstandards, die in der Folge von PISA in Deutschland und international ausgelöst #Antje Klinge Wodurch zeichnet sich ein gutes, ein gelungenes als individuelle Ausdrucks- und zeitgenössische Kunst- wurde. Standards – so die Definition der Kultusminister- Tanzprojekt aus? form zu ermöglichen und ihn als selbstverständlichen konferenz von 2003 – „beschreiben erwartete Leistungen Bestandteil kultureller Bildung in die Kultur- und Bildungs- im Rahmen von Anforderungsbereichen“. Sie „greifen Qualität Wenn die Jugendlichen bzw. Adressierten wiederkommen? landschaft einzubinden.“ (http://bv-tanzinschulen.de/ allgemeine Bildungsziele auf und benennen Kompetenzen, Wenn den Zuschauern das Ergebnis der Vermittlungsarbeit ziele-und-aufgaben/) die Schülerinnen und Schüler bis zu einer bestimmten gefällt und Erwartungen übertroffen werden? Wenn das Partizipation, Expressivität im Medium von Tanz sowie Jahrgangsstufe an zentralen Inhalten erworben haben macht stark! Stück den Ansprüchen von zeitgenössischem Bühnentanz Bildungspotenziale sind dabei zentrale Orientierungen, sollen“ (KMK, 2003). Um der Gegenstandsspezifik eines gerecht wird? Oder wenn besonders vielen sogenannten die auf verschiedenen Ebenen Qualitätsmaßstäbe voraus- künstlerischen Faches bzw. Lernbereichs gerecht werden bildungsbenachteiligten Kindern und Jugendlichen der setzen: zu können, wurden Standards für das Fach Kunst (BDK e. Zugang zur Kunstform Tanz ermöglicht wurde? V. Fachverband für Kunstpädagogik, 2008), das Fach Sport Qualität hat viele Gesichter und sagt vor allem etwas über • auf der Ebene des Gegenstandsverständnisses von Tanz (Landesinstitut für Schule/Qualitätsagentur, 2006) sowie diejenigen aus, die ein Qualitätsurteil aussprechen bezie- (Fokus auf den sog. zeitgenössischen Tanz) die Blueprints for Teaching and Learning in Dance (New hungsweise Qualitätsmerkmale kennzeichnen. • auf der Ebene der Entwicklungspotenziale, die durch York City Department of Education, 2005) hinzugezogen. Tanz hervorgebracht werden können (Bildungsdimen Sie lieferten eine Hilfe für die Kennzeichnung der Fach- Das Qualitätsverständnis des „Bundesverband sionen) bzw. Gegenstandsspezifik Tanz und die Formulierung von • auf der Ebene der Personen, die Tanz anbieten und Kompetenzen, die zum einen die Schüler*innen erwerben Tanz in Schulen e. V.“ vermitteln (Tanzpädagog*innen, Choreograf*innen, können und zum anderen von den Tanzvermittler*innen Der BV Tanz in Schulen hat sich seit seiner Gründung Tanzvermittler*innen) erwartet werden. Eine weitere wesentliche Säule bildete mit der Qualitätsfrage auseinandergesetzt und in seiner • und schließlich auf der Ebene der Institutionen, in die Kennzeichnung kontextbezogener, institutioneller Ge- Satzung (2007) festgelegt, mit welchem Leitbild er seine denen Tanz angeboten wird (Schule, Unterricht, AG, lingensbedingungen, eng verbunden mit Maßnahmen zur Aufgabe angeht: „Ziel des Bundesverbands Tanz in Schulen Jugendhilfeeinrichtung, Theater etc.) Unterstützung von Koordinierung von Künstler*innen und e. V. ist es, Kindern und Jugendlichen den Zugang zum Tanz Schule sowie Projektreflexionen und -auswertungen, Aus-, Fort- und Weiterbildungen. 20 21
Kompetenzen Kompetenzen von den Bewegungsfähigkeiten jedes Einzelnen ausgeht von von (Individualität). Dabei überschreitet er spartenspezifische Schüler*innen Tanzkünstler*innen Grenzen (Interdisziplinarität) und nutzt den Körper als Medium der Vermittlung zwischen Raum, Zeit, Materialien und Medien. Die Arbeitsweisen im zeitgenössischen Tanz setzen bei der Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen an, fokussieren den Prozess und nicht das Produkt. Sie verlangen umfassende tanzbiografische Erfahrungen Koordinierung Aus-, Fort-, von den Vermittler*innen, die sich in selbstreflexiven und Projektreflexion Weiterbildung -kritischen Auseinandersetzungen für die Qualität adres- saten-, v. a. diversitätssensibler Tanzprojekte engagieren. Qualitätsbestimmend ist im zeitgenössischen Tanz von daher immer auch die Haltung und Bereitschaft der Tanz- vermittelnden, sich mit anderen über das eigene Qualitäts- verständnis auszutauschen. Der BV bietet eine zunehmend Institutionelle professioneller werdende Plattform für diesen Austausch, Bedingungen von was u. a. auch in der bewilligten Fortführung seines Pro- Schule gramms ChanceTanz zum Ausdruck kommt. Abb. 1.: Qualitätsrahmen (2011) 1 Mit dem Begriff des Settings sind in Anlehnung an Bronfenbrenner (1981) Orte mit spezifischen Eigenschaften gemeint, die durch unterschiedliche strukturelle Bedingungen gekennzeichnet sowie von Aktivitäten und Motiven der Akteure geprägt sind. Literatur BDK. Fachverband für Kunstpädagogik (2008): Bildungsstandards im Fach Kunst für den mittleren Schulabschluss. In: BDK-Mitteilungen, Heft 3. Bronfenbrenner, Urie (1981): Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Stutt- gart: Klett. BV Tanz in Schulen (2012) (Hg.), K. Schneeweis (Red.): Tanz in Schulen. Theorie und Aktualisierung und notwendige Erweiterung Dabei stellte sich immer wieder die zentrale und zugleich Praxis. Leitfaden zur Initiierung, Gestaltung und Optimierung tanzkünstlerischer hoch relevante Frage, welchen spezifischen Beitrag der Projekte an Schulen. Kultusministerkonferenz (2003): Bildungsstandards. Zugriff am 9. 08. 2017 unter: Auf die zunehmenden Nachfragen und Bedarfe an Tanz- zeitgenössische Tanz, z. B. im Vergleich zur Musik oder zum https://www.kmk.org/themen/qualitaetssicherung-in-schulen/bildungsstan- dards.html. projekten aus dem außerschulischen Bereich und damit Theater, hier leisten kann. Landesinstitut für Schule/Qualitätsagentur (2006): Qualitätsoffensive im Schul- zusammenhängende unterschiedliche Altersgruppen (Erweiterter Qualitätsrahmen 2017, s. Abb. 2, S. 24/25) sport. Vorschläge zur Entwicklung von Qualitätsstandards für den Sportunterricht in NRW. Werkstattbericht, Heft 3. Soest. (Kinder und ältere Menschen) sowie spezielle Erfordernisse New York City Department of Education (2005): Blueprints for Teaching and Lear- ning in Dance. Zugriff am 9.08.2017 unter: http://schools.nyc.gov/offices/teachle- (von Menschen mit Beeinträchtigungen, eingewanderten Qualität zeitgenössischer Tanzvermittlung – arn/arts/blueprints/dance-blueprint.html. und geflüchteten Menschen) hat der BV mit einer Erweite- rung seines Qualitätsrahmens reagiert. Nicht zuletzt wurde eine Frage der Haltung die Öffnung für außerunterrichtliche Angebote durch die Entscheidendes Merkmal eines künstlerischen Gegen- Schwerpunktsetzung des Förderprogramms „Kultur macht stands ist seine ästhetische Qualität. Im Tanz ist sie an den Antje Klinge stark. Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeriums für Körper als Speicher von Erfahrungen, Empfindungs- und Bildung und Forschung auf die Adressatengruppe der soge- Ausdrucksorgan gebunden, womit die Körperlichkeit von Professorin für Sportpädagogik und Sportdidaktik an der nannten bildungsfernen Kinder und Jugendlichen verstärkt, Tanz als Spartenspezifik gekennzeichnet werden kann. Am Fakultät für Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. was auch Konsequenzen für das Selbstverständnis des BV und über den Körper artikuliert der Tanz sein ästhetisches Promovierte 1997 zum Thema „Körper und Gewalt. Zur The- Tanz in Schulen mit sich führte. Die Aktualisierung erfolgte Potenzial. In seinen zeitgenössischen Ausprägungsformen matisierung von Gewalt in der Sportlehrerausbildung“ und von daher im Hinblick auf diverse Adressatengruppen sowie mischt er historisch gewachsene mit neuen Tanz- und Be- habilitierte sich 2009 mit dem Schwerpunkt „Körperwissen – eine Vielzahl unterschiedlicher Bildungsorte bzw. Settings1. wegungsformen (Hybridität) und sucht nach neuen Bewe- eine vernachlässigte Dimension“. Von 2007 – 2017 Vorstands- Das Format der fachlichen Begleitung wurde als weiteres gungs-, Spiel- und Erfahrungsräumen. Indem er bestehende mitglied des BV Tanz in Schulen. Seit 2013 Expertin im Rat qualitätsverbesserndes Angebot entwickelt, um die Tanz- Tanzstile und Bewegungsnormen aufbricht (Dekonstrukti- für Kulturelle Bildung. Arbeitsschwerpunkte: Sportlehrer vermittelnden in ihrer Projektarbeit vor Ort zu begleiten on), stellt er dominante (und meist heimliche) Körper- und bildung; Biografie- und Fachkulturforschung; Bewegung, und im Hinblick auf Selbstreflexionen zu unterstützen. Genderideale infrage. Dies tut er, indem er konsequent Spiel und Tanz in der Kulturellen Bildung; Tanzvermittlung. 22 23
Qualitätsrahmen Zeitgenössischer Tanz zeichnet sich Tanzvermittelnde u.a. durch folgende Merkmale aus: verfügen über: #Bundesverband Tanz in Schulen e. V. Teilnehmende • Er mischt historisch gewachsene mit neuen Tanz- und • Fachkompetenz in Form von tanzpraktischem Können Bewegungsformen. (z.B. Beherrschen diverser Tanztechniken) Gestalten die Projekte aktiv mit und • Er sucht und experimentiert mit Bewegungs- und Tanztraditionen, • tanzkünstlerische Expertise erfahren Kompetenzen in: wahrnehmen, indem er Bestehendes aufbricht. (z.B. Entwickeln von Choreografien) explorieren, üben, gestalten, präsentieren, • Er stellt dominante Körper- und Genderideale infrage, indem er • tanztheoretisches Wissen von den Bewegungsformen des Individuums ausgeht. inszenieren, kommunizieren, rezipieren, • reflektierte Vermittlungskompetenzen • Er überschreitet spartenspezifische Grenzen. (methodisch/didaktisch/pädagogisch) reflektieren und verstehen • Er nutzt den Körper als Medium der Vermittlung, fokussiert den • Erfahrungen in der Arbeit mit Gruppen Prozess und nicht das Produkt und beleuchtet die Wechselbeziehung • Kontextuale Kompetenzen von Körper und Medien. (z.B. Organisations-/Kooperations-/Selbstkompetenz) Tanzvermittelnde Verfügen über: Zeitgenössischer Bildungsdimensionen im Tanz ein künstlerisches Selbst- und • wahrnehmen/empfinden/erleben: Das Angebot bietet einen geschützten Raum für die Durchlässigkeit von Empfindungen kritisches Vermittlungsver- und die Differenzierung der Wahrnehmung zwischen sich und der Welt. ständnis. Sie bringen tanzfachli- • explorieren/üben/gestalten: Das Angebot bietet durch die Handlungsformen der Imitation, der Improvisation und der ches Können, tanzkünstlerische Sein Ausgangspunkt ist der Körper Komposition sowohl alleine als auch in der Gruppe die Gelegenheit zur Exploration und Gestaltung. Expertise und Vermittlungs- als Fundament des Wahrnehmens • präsentieren/inszenieren: Das Angebot bietet den Raum, um unterschiedliche Präsentationsqualitäten aus Tanz und erfahrungen ein und Erlebens, des Gestaltens und Performance entdecken und erproben zu können. Sich-Ausdrückens, des Interagierens • kommunizieren und interagieren: Das Angebot bietet Gelegenheiten, Kommunikationsformen im und über den Tanz kennen zu lernen, zu erproben und interdisziplinäre gesellschaftliche Bezüge herzustellen und anzuwenden. und Kommunizierens • rezipieren/reflektieren/verstehen: Das Angebot enthält Möglichkeiten zur Rezeption und Reflexion sowie zum Verständnis von Tanz und seiner Wertschätzung. Qualitäts- Einrichtungen Kooperationen und deren Qualitätssicherung Gelingen sind u.a. abhängig von: erfolgt u.a. durch: sicherungs- aus dem Kultur-, instrumente Bildungs- und • abgestimmter Konzepterstellung • sinnvoller Verteilung von Zuständigkeiten • Nutzung der verbandseigenen Projektdatenbank zur Selbstreflektion, Evaluation und Sichtbarmachung der Sozialbereich Tanzprojekte • Festlegen von Kommunikationswegen • Vernetzung wissenschaftlicher Forschung • Klärung räumlicher/organisatorischer Aspekte • Fachliche Begleitung/Coaching • gemeinsamen Absprachen zur Qualitätssicherung • regelmäßigen Fachaustausch 24 Abb. 2.: Erweiterter Qualitätsrahmen (2017) 25
#Claudia Feest Tanzkünstlerische Qualität in Projekten mit Kindern und Jugendlichen – eine Annäherung I n den vergangenen fünf Jahren hatte ich die Möglich- Aus diesem Grund ist es mir wichtig, hier einige Kriterien stellung Assoziationsräume und Vorstellungen, wie der meist erst bei den Präsentationen. Doch mit herausgebil- keit, das Projekt ChanceTanz als Jurymitglied von bzw. Fragen zu benennen, die für mich neben den Quali- Projektverlauf als gemeinsamer Prozess mit den Kindern deter Erfahrung für künstlerische Projektentwicklung und Beginn an begleiten zu können. Dies war eine span- tätskriterien des Bundesverbandes Tanz in Schulen (s. a. und Jugendlichen aussehen kann? mithilfe oben benannter Kriterien ist Qualität oft bereits in nende und meist sehr inspirierende Aufgabe. Besonders Beitrag von Antje Klinge in dieser Broschüre) bei der Bewer- Wie kann zum Ende dieses Prozesses hin ein fantasievol- der Antragsformulierung erkennbar. So bin ich als Jury- interessierte mich, welche Themen Kinder und Jugendliche tung der künstlerischen Qualität von Tanzprojekten in der les Präsentationsformat entstehen – wie groß oder klein mitglied zuversichtlich, dass unsere Trefferquote hoch aktuell ansprechen und was sie motiviert, in ihrer knappen kulturellen Bildung relevant sind: dieses auch sein mag? war und viele Kinder und Jugendliche von künstlerisch Freizeit freiwillig an Tanzprojekten teilzunehmen. Wie span- Zentraler Ausgangspunkt für ein Projekt von hoher künstle- Wie umfassend wird mit den anderen Kooperationspart- spannenden Projekten profitieren konnten. nend und aufschlussreich, dass ich feststellen konnte, dass rischer Qualität ist eine „zündende Idee“ bzw. ein inhaltli- nern kommuniziert, sodass eine Umsetzung realisierbar häufig die Ideen und Konzepte die Kinder und Jugendlichen ches Anliegen, das gleichzeitig genügend Offenheit bereit- erscheint? am besten erreichten, die beim Lesen der Antragstexte hält, um den Kindern und Jugendlichen Spielraum für ihre Claudia Feest auch meine Neugierde geweckt hatten! eigenen Fantasien und Ideen zu lassen. Wesentlich ist auch die Fachkompetenz, die die leitenden Diese starke Grundidee ist die Basis für ein weiter auszufor- Tanzvermittler*innen als Erfahrung mitbringen, die zur Diplombiologin, Atem- und Bewegungspädagogin und Künstlerische Qualität von Projekten ‚objektiv’ einschät- mulierendes und auszudifferenzierendes Konzept, das in- künstlerischen Qualität eines Tanzprojektes beiträgt – und -therapeutin, Tänzerin, Choreografin, Mitbegründerin zen, geschweige denn diese bewerten zu wollen, ist aus- haltlich genügend kreative Substanz beinhalten muss, um das sowohl in Hinsicht auf ihr tanzpraktisches Können, und bis 2003 Künstlerische Leiterin der Tanzfabrik Berlin. gesprochen schwierig. Deutlich ist, dass Einschätzungen das Projekt durch den gesamten Verlauf seiner Umsetzung sprich das Wissen um und das Beherrschen von verschie- Mitbegründerin und Vorstandsmitglied des Dachverbands der Kategorie „spannend“ oder „uninteressant“ hierfür zu tragen. Entscheidend ist hierbei, inwieweit eine künst- denen Tanztechniken, als auch durch ihre Erfahrung im Tanz Deutschland und Vorstandsmitglied im Bundesverband nicht ausreichen. Bei den gängigen Förderprogrammen im lerische Grundidee und ein künstlerischer Gedankengang Erarbeiten von Choreografien mit professionellen und Tanz in Schulen. 2005.– 2007 Koordinatorin beim Senat für Bereich der darstellenden Künste werden deshalb von den im Verlauf eines Projektes konsequent zu Ende gebracht nichtprofessionellen Tanzgruppen. Hierbei spielt zudem Wissenschaft, Forschung und Kultur, Berlin, für das Hoch- Förderern oft Qualitätskriterien formuliert, die flankierend werden. der eigene reflektierte Umgang mit Tanz, Musik, Körper schulübergreifende Zentrum Tanz – Pilotprojekt Tanzplan aushelfen und letztendlich doch nur eine Annäherung an und Bewegung und dem, was dieses bei den teilneh- Berlin. Lehre und Forschung in Atem- und Bewegungslehre eine objektive Einschätzung ermöglichen. Denn, wie wir Wie plausibel und nachvollziehbar wird die Konzeptidee menden Kindern und Jugendlichen bewirken kann, eine und Körperwahrnehmung im In- und Ausland sowie in freier alle wissen, gibt es in der Kunst keine objektiven Bewer- und deren Übersetzung in das Medium Tanz und Bewegung wesentliche Rolle. Praxis Berlin. Lehrtätigkeit und Coaching/Mentoring am HZT tungsmaßstäbe, sodass allein die Auswahl der Kriterien dargestellt? Für uns, die wir das Förderprogramm nur zusehend vom Berlin. Jurytätigkeit für Tanz und Darstellende Künste in bereits eine subjektive Entscheidung darstellt. Eröffnen sich mir – als Antragsleserin – durch diese Dar- Rand begleiten, zeigt sich die Qualität der Umsetzung Berlin, NRW und auf Bundesebene. 26 27
#Ein Interview mit Jutta Polic und Gabriel Galindez Cruz Die Teilnehmer*innen Das hört sich herausfordernd an. Ist das überhaupt Welche Unterstützung braucht ihr, damit ein Projekt immer zu schaffen? gelingen kann? im Blick Jutta: Nein. Es hat Fälle gegeben, in denen wir einzelne Jutta: Wir haben anfangs die Bedeutung der Erzieher*innen Kinder nicht in der Gruppe halten konnten. Aber das ist der Einrichtungen unterschätzt. Das wurde uns erst klar, als eine absolute Ausnahme und hat häufig damit zu tun, dass in einem unserer Projekte erhebliche Motivationsprobleme sich die Kinder in einer sehr schwierigen persönlichen auftauchten. Dies hatte viel damit zu tun, dass die Erzie- Lebensphase befinden und sie eigentlich nicht fähig sind, in her*innen mit ihren regulären Aufgaben bereits so aus- bzw. Die Sozialpädagogin Jutta Polic und der Tänzer und Choreograf Gabriel Galindez Cruz haben im einer Gruppe zu agieren. überlastet waren, dass dieses Projekt für sie den Rahmen Gabriel: Als besonders hilfreich haben sich in vielen Fällen gesprengt hat. Natürlich haben sie die Kinder nicht von dem Rahmen von ChanceTanz gemeinsam fünf Tanzprojekte mit Kindern und Jugendlichen im Alter von die Einzelproben erwiesen. Hier haben wir die Chance, Kin- Projekt ferngehalten, aber sie haben sie auch nicht beson- der zu erreichen, von denen wir zunächst dachten, dass wir ders motiviert. Dies haben wir sofort gemerkt. sechs bis 15 Jahren geleitet. Hier erzählen sie uns, was ihnen in ihrer Arbeit besonders wichtig ist. sie kaum gewinnen und in unserem Projekt halten können. Gabriel: Ja, alle unterschiedlichen Beteiligten der Bünd- In den Einzelproben haben wir die Möglichkeit, den Kindern nispartner müssen informiert und motiviert sein, damit es sehr individuell zu begegnen und können sie so besser gelingen kann. Wenn die Leitung einer Einrichtung von dem Was ist für euch das ausschlaggebende Kriterium, um ist, sondern dessen Gestaltung auch in ihren Händen liegt? verstehen. Ich arbeite häufig mit Improvisationsaufgaben, Angebot überzeugt ist, dann ist das prima, reicht aber noch von einem „guten Projekt“ zu sprechen? Das sind ganz fundamentale Ziele, die wir erreichen wollen. und in einem Projekt gab es z. B. einen Jungen, der niemals nicht. Die konkrete Arbeitsebene muss auch hinter dem Wenn uns dies gelingt, ist es ein gutes Projekt. die Aufgabe bearbeitete, die ich formuliert hatte. So dachte Projekt stehen. Sicherlich ist hier wichtig, welche Zeitres- Gabriel: Für uns ist die Entwicklung der Kinder der wich- Jutta: Viele der Kinder, die an unseren Projekten teilneh- ich auf jeden Fall. Als ich dann alleine mit ihm gearbeitet sourcen dafür überhaupt zur Verfügung gestellt werden tigste Punkt. Haben wir es geschafft, ihnen neue Erfah- men, haben in zahlreichen anderen Kontexten keine oder habe, habe ich erkannt, dass er die Aufgaben immer sofort können. Auch die konkreten Absprachen vor Projektbeginn rungen zu ermöglichen, ihnen Selbstvertrauen zu geben, kaum Erfolgserlebnisse. Obwohl sie freiwillig zu uns kom- weiterentwickelt hat und eigentlich mir und allen anderen sind bedeutsam, aber letztlich zeigt die Realität, wie viel das sodass sie sich mit ihren Stärken und Schwächen präsen- men, ist ihre Haltung oft von Skepsis und Abwehr geprägt. voraus war. Das war beeindruckend. Der Junge hat sich in jeweils wert ist. tieren können? Lassen sie sich im Laufe der Zeit auf den Wenn wir diesen Punkt „knacken“ können, dann haben wir dem Projekt dann toll entwickelt. Jutta: Aber insgesamt hatten wir bei unseren Projekten viel gemeinsamen Prozess ein, dessen Verlauf nicht festgelegt es geschafft! Unterstützung erfahren. Viele Erzieher*innen waren spon- tan ansprechbar und halfen uns. 28 29
Welche eurer Kompetenzen sind für euch in den Projek- ten besonders wichtig, damit sie gelingen? Jutta: Offenheit ist das A und O. Gabriel: Gesunder Menschenverstand ist für mich die wich- tigste Kompetenz. Wahrzunehmen, was im Moment wichtig ist, und seiner Intuition zu folgen ist besser als jede aus der Theorie gelernte Methodik. Meine Erfahrungen gründen auf meiner Arbeit mit der Kindertanzcompany Berlin von Sasha Waltz & Guests. Ich war mit meiner Arbeit dort zunächst nicht sonderlich zufrieden. Doch dann wurde mir klar, wie ich den Kindern begegnen muss, um die Basis für eine echte Zusammenarbeit zu schaffen. Von den Hierarchien abzu- lassen war hier der Schlüssel. Ich trete nicht als Lehrer auf, da die natürliche Antwort der Kinder dann die ist, in die Posi- tion des Schülers bzw. der Schülerin zu rutschen. Und das führt in der Regel dann nicht zu einem spannenden gemein- samen Prozess. Wenn wir alle auf gleicher Ebene agieren, dann habe auch ich die Möglichkeit, von den Kindern zu lernen. Und im Allgemeinen nehmen sie dann auch viel leichter Dinge von mir an. Mittlerweile nehme ich grundsätz- lich jeden Vorschlag der Teilnehmer*innen ernst. Auch wenn mein „Erwachsenenkopf“ sagt, dass dieser Vorschlag nicht weiterhilft oder nicht funktionieren kann. Und ich bin schon so oft überrascht worden! Das ist toll, und so werden auch die Ergebnisse spannend und die Tanzproduktionen, die aus der Arbeit entstehen, sind auch wirklich die eigene Arbeit der Mädchen und Jungen. Das Interview führte Martina Kessel (ChanceTanz). Jutta Polic Gabriel Galindez Cruz Sozialpädagogin, Kulturmanagerin. Seit 2004 arbeitet sie Choreograf, Tanzpädagoge, Tänzer. Er ist Mitglied von Sasha mit Kindern, u. a. im Berliner MACHmit! Museum für Kinder. Waltz & Guests und leitet seit 2008 die Kindertanzcompany 2015 Gründung der Projektagentur Machart. Sie initiiert, Berlin. Er engagiert sich in sozialen Tanzprojekten mit Kindern leitet und begleitet kulturelle Bildungsprojekte. Besonders in Deutschland, den USA und Kolumbien. Um die Persönlich- liegen ihr der Kindertanz, bildende Kunst und Projekte mit keit der Kinder zu festigen, steht die Entwicklung der eigenen blinden und gehörlosen Menschen am Herzen. Bewegungsidentität im Mittelpunkt seiner Arbeit. Infos zu Bündnissen s. S. 85 30 31
#Ein Schriftinterview mit Felix Berner sche Team zeigt sich Qualität dadurch, dass im gesamten wir mit dem Stück das jugendliche Publikum erreicht und Probenprozess ein klarer, respektvoller, fairer und humor- begeistert haben. voller Umgang miteinander gepflegt wurde. Und mit Blick auf mich selbst, ist mir wichtig, dass ich das Endergebnis Gab es Projekte, mit denen du nicht so zufrieden warst? künstlerisch vertreten kann und mich das entstandene Tanzstück berührt. Innerhalb des Theaters, in dem ich Ich bin letztlich nie ganz zufrieden. Die Größe der beiden Schwarmqualitäten arbeite, zeigt sich Qualität, wenn genügend Mittel im Sinne Gruppen, mit denen ich im Rahmen von ChanceTanz gear- von Geld, Probenräumen, Bühnenproben, Lichtproben und beitet habe, ließ ab einem bestimmten Punkt eine weitere Personal zur Verfügung stehen, um für das Projekt ähnliche künstlerische Vertiefung nicht zu. Das war schade. Rahmenbedingungen zu schaffen wie für „professionelle“ Bei dem Projekt RUN! war ich mit der Kooperation nicht Produktionen im Theater. ganz zufrieden. Es gab hier kommunikative Probleme. Auch Der Choreograf Felix Berner hat am Staatstheater Mainz zwei ChanceTanz-Projekte realisiert. habe ich am Anfang dieses Projekts eine Ausstiegswelle Du hast im Rahmen von ChanceTanz verschiedene von Teilnehmer*innen als belastend empfunden. Neugierig auf die für ihn wichtigsten Kriterien, an denen er die Qualität seiner Arbeit festmacht, Projekte gemacht. Findest du davon eines besonders gelungen? Warum? Gibt es „innere“ Konflikte im Hinblick auf künstleri- haben wir ihm Fragen geschickt und Antworten erhalten! schen Anspruch und Realität? Das Projekt „Im Schwarm“ hatte seine Premiere auf der Bühne des Großen Hauses des Staatstheater Mainz. Wenn Immer. Es ist ein ständiger innerer Dialog, in dem ich Was ist für dich Qualität in einem Tanzprojekt mit ist mir wichtig, dass die Jugendlichen das Projekt tanzbe- ein großes Theater solch einem Projekt seine größte Spiel- reflektieren muss, um was es mir gerade geht bzw. gehen Jugendlichen? geistert verlassen! stätte zur Verfügung stellt, zeigt das die Anerkennung der sollte und wer wie viel leisten kann. Da stehen die Teil- Wichtigkeit und der Qualität der Arbeit mit Jugendlichen. nehmer*innen mit ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten im In einem partizipatorischen Tanzprojekt ist Qualität für Die Qualität der Kooperation zeigt sich für mich darin, ob Darüber hinaus sind in dem Stück „Im Schwarm“ große Vordergrund, und meine Vision muss manchmal dahinter mich dann erreicht, wenn bei den Teilnehmer*innen ein alle Partner ihre Stärken, Kompetenzen und Ressourcen in beeindruckende Bilder, wilder und berührender Tanz, zurücktreten. Reflexionsvermögen über Tanz als Theaterform geweckt das Projekt einbringen konnten und es auch getan haben. tolle Lichtstimmungen und eine großartige musikalische werden konnte. Durch meine praktische Vermittlungsar- Gute Kommunikation und eine gemeinsame Verantwort- Komposition zusammengekommen. Auch der sehr lange Gab es Austausch mit den Bündnispartnern darüber, beit möchte ich sie dazu ermächtigen, ein tolles künstleri- lichkeit für das Projekt gehören für mich ebenfalls dazu. Applaus nach der Schulvorstellung am Morgen hat das was deren Erwartungen sind bzw. was für sie ein sches Endergebnis auf der Bühne zu zeigen. Und natürlich In Hinblick auf die Teilnehmer*innen und das künstleri- ganze Team und die Teilnehmer*innen sehr gefreut, da „gutes“ Projekt ausmacht? 32 33
Es gab im Vorfeld bei der Sondierung und der Gewinnung Zu welchem Zeitpunkt ist für euch die Sicherung von aller Kooperationspartner Gespräche über Erwartungen Qualität besonders wichtig? Vor Projektstart, während- und Bedürfnisse der einzelnen Parteien. Während des Pro- dessen, evaluierend zum Abschluss? jekts gab es diesen Austausch dann so nicht mehr. Aus der Erfahrung des ersten Projekts haben wir als The- Der Projektstart muss gut gelingen, um möglichst viele ater im zweiten Projekt viele Vorgänge (Proben, Kennen- Teilnehmer*innen zu gewinnen. Später muss das Zusam- lern-Workshop, Maskenworkshop) zu uns ans Haus geholt, mensetzen des Stückes gut gelingen, um Enttäuschungen um schneller auf Anforderungen reagieren zu können und abzufedern und die Identifikation der Tänzer*innen mit den Jugendlichen von Anfang an eine größere Nähe zum dem Stück zu gewährleisten. Letztlich muss so gearbeitet Theater erfahrbar zu machen. worden sein, dass die Teilnehmer*innen im Moment der Aufführung die für sie größtmögliche tänzerische Qualität Was weißt du von den Teilnehmer*innen? Erfährst du, abrufen können. ob sie mit dem Projekt zufrieden sind bzw. waren? Was braucht es an Unterstützung von Institutionen, Man bekommt während des Projektes sehr genau mit, wie den Bündnispartnern oder auch von ChanceTanz für ein es den Teilnehmer*innen geht, wann Frustration und Ermü- „gutes“ Projekt? dung auftreten. In radikalster Form dadurch, dass sie das Projekt verlassen. Wir fordern die Teilnehmer*innen konti- Ich glaube, dass ChanceTanz in den Sonderprojekten einen nuierlich dazu auf, mit uns über Nöte, Sorgen und Frust- guten finanziellen Rahmen schafft. Darüber hinaus braucht rationen zu sprechen. Dies wird auch von einigen genutzt. man bei Theatern und Bühnen eine gute Lobby, um ein Im Zweifelsfall sprechen wir Teilnehmer*innen auch aktiv Projekt platzieren zu können. an, um herauszufinden, wie es ihnen geht oder wie sie zum Bei der Akquise der Jugendlichen, besonders im Hinblick Projekt stehen. Dabei hat es sich als sehr hilfreich erwiesen, auf Jugendliche mit Bildungsbenachteiligung, bedarf es dass neben dem Choreografen ein*e Teammitarbeiter*in der individuellen und persönlichen Unterstützung enga- als Vertrauensperson bzw. als Ansprechpartner*in für die gierter Einzelpersonen innerhalb der Institutionen der Jugendlichen zur Verfügung steht. In Gesprächen nach der Kooperationspartner, die die Jugendlichen zum Projekt Premiere bekommt man von den Teilnehmer*innen unmit- führen und bei der Stange halten. Die vorgegebene Au- telbar gespiegelt, wie sie das gesamte Projekt erlebt haben. ßerunterrichtlichkeit der Projekte erschwert es nämlich deutlich, Jugendliche mit Bildungsbenachteiligung zu Habt ihr Formate mit den Bündnispartnern, um Qualität erreichen. zu sichern? Welche deiner Kompetenzen sind deiner Erfahrung Felix Berner Das haben wir nicht. Ich würde allerdings bei einem zukünf- nach besonders wichtig, um ein Projekt „erfolgreich“ tigen Projekt einen schriftlich fixierten Erwartungshorizont zu realisieren? Choreograf, Tänzer. Arbeitete als Tänzer u. a. bzw. eine Zielvereinbarung mit den Kooperationspartnern mit Pina Bausch, Ann van den Broek, Sharon erarbeiten. Erfahrung in der Arbeit mit Jugendlichen und Gruppen, ein Eyal, Tero Saarinen, Club Guy and Roni und großes Gespür für die Bedürfnisse der Teilnehmer*innen, Jan Pusch. Choreografiert für professionelle Wie sieht es diesbezüglich mit dem/den jeweiligen Klarheit in der künstlerischen Vision und in der Probenpla- Ensembles und leitet diverse Tanz- und The- künstlerischen bzw. pädagogischen Partner*innen bzw. nung und die Fähigkeit, individuelle Stärken der Teilneh- aterprojekte mit Jugendlichen, von denen mit den Teilnehmer*innen aus? mer*innen zu erkennen und zu fördern. viele bereits zum International Youth Art Festival in Kingston (GB) und zum Tanztref- Mit dem künstlerischen Team gibt es während der Proben fen der Jugend der Berliner Festspiele ein- eine kontinuierliche Auseinandersetzung über die künst- geladen wurden. Arbeitet als freischaffender lerische Qualität, die inhaltliche Relevanz und die soziale Choreograf und am Staatstheater Mainz und Dimension des Projekts. ist darüber hinaus Lehrbeauftragter an der Auch die Diskussion mit den Teilnehmer*innen in Form von Universität Koblenz-Landau und dem HZT Reflexion über vorhandenes Material, über einzelne Szenen der UdK Berlin. und das Thema der Produktion tragen zu einer Qualitätssi- cherung bei. Infos zum Bündnis s. S.93 34 35
Kooperationen #Katharina Schneeweis & Martina Kessel Bündnisschmiede ChanceTanz Im Rahmen eines Förderprogramms, welches ein Flexibilität und Toleranz als gedacht und entwi- Bündnis von mindestens drei Partnereinrichtungen ckeln sich so zu einer Belastung für bereits knappe in den Mittelpunkt stellt bzw. als Fundament vorgibt, Ressourcen. Projektkooperationen sind jedoch auch spielt Kooperation eine wesentliche und nicht zu um- eine große Chance – eine einzigartige Gelegenheit, gehende Rolle. Viele Partner*innen – viele Meinun- neues Wissen, neue Zielgruppen, Partner, Bündnis- gen – unterschiedliche Ziele und Vorgehensweisen. se und Arbeitsweisen zu erleben und erwerben. Ob Wer weiß nicht um die Brisanz von Kooperationen? Kooperationen zur Belastung oder zur Bereicherung Heterogene Projektkooperationen, in denen unter- werden, liegt zu einem großen Teil an der Art, wie schiedliche Arten von Institutionen und Professionen sie geplant, strukturiert, verwaltet und reflektiert zusammenarbeiten, stellen uns vor große Heraus- werden. forderungen. Oft erfordern sie mehr Zeit, Geduld, 36 37
Was muss ... und was hilft … verstetigen und haben in derselben oder einer leicht verän- derten Partnerkonstellation Folgeprojekte durchgeführt. Die besonderen Herausforderungen in Sachen Kooperati- Einige Bündnisse haben im Laufe der Zeit ihre Aufgabenfel- on im Rahmen des Konzeptes ChanceTanz sind zunächst der gewechselt und sich z. B. in der Rolle der antragstellen- die Vorgaben für das Bündnis. Mindestens drei oder mehr den Einrichtung abgewechselt, um die Verantwortung für unterschiedliche Einrichtungen haben sich zu finden, um Administration und Koordinierung zu verteilen. Probleme ein tanzkünstlerisches Projekt für Kinder und Jugendliche gab es, wenn Ansprechpersonen die Partnereinrichtung durchzuführen, die in einem bildungsbenachteiligenden verließen und keine oder weniger engagierte Personen Kontext aufwachsen. Die verschiedenen Partner müssen folgten. Diese Situation war besonders problematisch, » Ich finde unser Ergebnis einen direkten Zugang zur Zielgruppe abdecken, sowie das wenn es um Teilnehmerakquise und um die motivierende kulturell-künstlerische Know-how einbringen. Neben dem Begleitung der Teilnehmenden über den gesamten Projekt- gemeinsamen Ziel, das Projekt erfolgreich umzusetzen, zeitraum ging. Der persönliche und regelmäßige Austausch ist sehr cool geworden und bringt jede Einrichtung i. d. R. noch spezifische Ziele und zwischen den Bündnispartnern bzw. den jeweils zuständi- Interessen mit ein. Jenseits der förderrelevanten Adminis- gen Personen gilt als besonders relevant für das Gelingen trationsaufgaben für Antragstellung und Förderabwicklung, der Kooperation, vor allem dann, wenn neue Zielgruppen gilt es, zunächst das Projekt mit seinen konzeptionellen Aspekten, den örtlichen Gegebenheiten, den organisato- oder Teilnehmer*innen angesprochen werden. Bewährte Konstellationen unterstützen das Gelingen und die Qualität die Erfahrung auf einer Bühne zu stehen war toll! rischen Möglichkeiten bzw. Bedingungen und natürlich und verringern den Zeitaufwand für Koordinierung nach » besonders wichtig den personellen Voraussetzungen zu und nach. Letztlich zählt, dass jeder Bündnispartner seine planen. Der Austausch über individuelle und gemeinsame klare Aufgabe hat und diese bis zum Projektende verant- Zielvereinbarungen, das gemeinsame Konzeptionieren wortungsvoll übernimmt, was in vielen, aber sicherlich (Teilnehmer*in) des Formates (hinsichtlich Gruppenzusammensetzung, nicht allen Bündnissen gelungen ist. Arbeitsform, Inhalt, möglichen Ergebnissen, Dokumentati- on und Sichtbarmachung), Strategien für Konfliktlösungen ChanceTanz evaluiert und reflektiert und Überlegungen zur Qualitätssicherung gehören genauso dazu wie die Frage nach notwendigen Räumen, Technik und Seit 2011 bietet und betreut der Bundesverband Tanz in anderen organisatorischen Details. Wichtig ist dabei, von Schulen eine bundesweite Projektdatenbank für Tanz- Beginn an das Dozententeam – professionelle Tanzkünst- projekte, die der Sichtbarmachung dient und den Projek- ler*innen und Tanzpädagog*innen – einzubeziehen. Durch ten ein Reflexionsinstrument bietet. Unter http://pdb2. die in ChanceTanz vorgegebene Verpflichtung zum Team- bv-tanzinschulen.de/126/ sind unter „Förderer – Chance- teaching, kann sich die Zusammensetzung des Dozent*in- Tanz“ die Projekte aus der Förderperiode 2013 – 2017 mit nenteams besonders an den Bedarfen der Teilnehmenden ihren Strukturdaten öffentlich einsehbar. Zudem waren die stabileren Netzwerken, die sie über die Zeit aufbauen und Sind neben Tanz weitere Kunstsparten beteiligt? oder auch am Thema orientieren. Projekte zu einer spezifischen ChanceTanz-Evaluierung an- die zu einer besseren Vernetzung im Sozialraum führen. gehalten, die u. a. auf Fragen in Bezug auf die Kooperation Vor allem eine Konstellation mit drei (und mehr) Partnern Vereinbarungen treffen … und das Programm fokussierte. war für viele Einrichtungen neu und zunächst schwierig, 70% unserer Antragsteller erfuhren durch die Bündnis- hat aber letztlich neue Perspektiven auf die eigene Arbeit Als Orientierung für die Konzeption eines Projektes und kooperation einen neuen Aspekt in ihrer Arbeit. Mit knapp eröffnet und das eigene Denken und Handeln erweitert. speziell die Gelingensbedingungen im kooperativ-organi- 58% wurde dabei benannt, dass sich neue Kooperati- Viele Antragsteller haben erstmalig ein Tanzangebot rea- satorischen Bereich steht unseren Antragstellern der vom onsmöglichkeiten für zukünftige Projekte eröffneten und lisiert und durch die Kooperation ihre Sichtweise auf Tanz Bundesverband Tanz in Schulen entwickelte Qualitäts- auch neuartige Formate (33%) ausprobiert wurden. 28% geändert bzw. den Tanz als neuen und funktionierenden rahmen und eine Merkliste für Konzeptionsgespräche zur der Antragsteller entdeckten neue Zielgruppen, und rund Aspekt für ihre Einrichtung dazugewonnen. Stärken und Verfügung. Jeder Bündnispartner hat seine Aufgabe im 23,5% haben mit ihren ChanceTanz-Projekten neue inhaltli- Schwächen der eigenen Einrichtung wurden erkannt und Projekt zu spezifizieren und seinen Beitrag zum Gelingen che Zielsetzungen entwickelt. Benannt wird vor allem der Ergänzungen über neue Partner gesucht und gefunden. zu leisten. Das steht und fällt in der Praxis mit vorhande- Aspekt, dass durch neue Partner auch andere Sparten und Zudem geben die Bündnisse an, durch die Kooperationen nen und engagierten Ansprechpartner*innen, mit einer damit einhergehend auch neue Ansätze und Methoden verschiedene Ressourcen und die vorhandene Infrastruk- gemeinsam eingeführten Kommunikationsstruktur und einbezogen werden. Eine inhaltliche Verbindung von Spar- tur besser zu nutzen. dem klaren Bekenntnis, gemeinsamer Träger des Projektes ten erfordert Umdenken und Offenheit, wirkt inspirierend Eine besondere Herausforderung durch die Bündnis- zu sein. Die allermeisten ChanceTanz-Bündnisse haben wir und lässt neue künstlerische Praktiken ausprobieren, so kooperation erlebten rund 60% unserer Projekte, wobei als gut funktionierende Kooperation wahrgenommen. Viele der Tenor in manchen Evaluierungsbögen. Die Bündnisse sich diese zu 38% auf die Administration des Programms Quelle: Projektdatenbank Bundesverband Tanz in Schulen e. V. Bündnisse konnten sich für den Zeitraum des Programms schreiben von einer intensiveren Zusammenarbeit und von und zu rund 30% auf die Koordinierung der Bündnispart- 38 39
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