Tätigkeitsbericht des ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten der Landeshauptstadt München - Landeshauptstadt München Behindertenbeauftragter ...

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Tätigkeitsbericht des ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten der Landeshauptstadt München - Landeshauptstadt München Behindertenbeauftragter ...
Landeshauptstadt München
                 Behindertenbeauftragter
                 Oswald Utz

Tätigkeitsbericht
des ehrenamtlichen
Behindertenbeauftragten der
Landeshauptstadt München

2009–2010
Tätigkeitsbericht des ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten der Landeshauptstadt München - Landeshauptstadt München Behindertenbeauftragter ...
Landeshauptstadt München
                 Behindertenbeauftragter
                 Oswald Utz

Tätigkeitsbericht
des ehrenamtlichen
Behindertenbeauftragten der
Landeshauptstadt München

2009–2010
Tätigkeitsbericht des ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten der Landeshauptstadt München - Landeshauptstadt München Behindertenbeauftragter ...
Inhaltsverzeichnis

1.        Das Amt und die Aufgaben des Behindertenbeauftragten /
          der Behindertenbeauftragten in der Landeshauptstadt München ...7

2.        Die Legitimation des Amtes des
          Behindertenbeauftragten / der Behindertenbeauftragten ................9
2.1       Wiederwahl nach der ersten Amtsperiode.............................................9
2.2       Abgrenzung zu den Aufgaben und Funktionen
          des Behindertenbeirats ..........................................................................9

3.        Die Münchner Situation ..................................................................... 10
3.1       Neue Entwicklungen 2009–2010 .......................................................... 10
3.2       Wichtige Themen für Menschen mit Behinderungen ........................... 13
3.3       Wichtige kommunale Entscheidungen / Stadtratsbeschlüsse
          und Sondersituation der Co-Förderung in München ............................. 14

4.        Arbeitsinhalte...................................................................................... 16
4.1       Beratung ............................................................................................... 17
4.1.1     Beratungsstatistik.................................................................................18
                                                                                                                         3
4.1.2     Profil der Ratsuchenden .......................................................................18
4.1.3     Inhalte der Beratungen .........................................................................21
4.1.3.1   Antrag ...................................................................................................21
4.1.3.2   Ausbildung/Beruf ..................................................................................22
4.1.3.3   Mobilität ...............................................................................................23
4.1.3.4   Pflege ...................................................................................................23
4.1.3.5   Schule ...................................................................................................24
4.1.3.6   Wohnen ................................................................................................24
4.1.3.7   Sonstiges..............................................................................................26
4.1.4     Fallbeispiel ............................................................................................27
4.1.5     Fazit aus den Beratungen .....................................................................29
4.2       Gremien- und Öffentlichkeitsarbeit .......................................................29

5.        Forderungen und Handlungsempfehlungen ....................................34
5.1       Rückblick auf die Forderungen aus dem ersten Tätigkeitsbericht .........34
5. 2      Forderungen und Handlungsempfehlungen
          aus der zweiten Amtszeit .....................................................................37

6.        Resümee..............................................................................................39

          Anhang ................................................................................................42
          Anlage 1: Inhalte der Beratung 2009 und 2010 ....................................42
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5

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich
bei all den Menschen bedanken, die
mir meine Arbeit als ehrenamtlicher
Behindertenbeauftragter ermöglicht
haben, meine Arbeit unterstützen und
zum Gelingen des Tätigkeitsberichtes
beigetragen haben.
Tätigkeitsbericht des ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten der Landeshauptstadt München - Landeshauptstadt München Behindertenbeauftragter ...
Teil A
1. Das Amt und die Aufgaben des                                ahrnehmung seiner Aufgaben unter-
   Behindertenbeauftragten / der                               stützt2.
   Behindertenbeauftragten in der                              Für diese Tätigkeit wird seit der zwei-
   Landeshauptstadt München                                    ten Amtszeit eine Aufwandsentschädi-
                                                               gung von 506,– € (vormals 1.200,– €)
Mit Beschluss der Vollversammlung                              monatlich gezahlt und der Behinder-
vom 28.7.2004 wurde in München ein/                            tenbeauftragte/die Behindertenbeauf-
eine ehrenamtlicher/ehrenamtliche                              tragte ist von seinem/ihrem Arbeitge-
Behindertenbeauftragter/Behinderten-                           ber/seiner/ihrer Arbeitgeberin für sein
beauftragte eingesetzt.                                        Amt freigestellt3.
Seine Arbeit konnte er, Herr Oswald                            Die Aufgaben des Behindertenbeauf-
Utz, als erster vom Behindertenbeirat                          tragten/der Behindertenbeauftragten
gewählter und vom Stadtrat bestellter                          wurden in einer Satzung zum Be-
Behindertenbeauftragter der Landes-                            schluss der Vollversammlung beschrie-
hauptstadt München, zum Februar                                ben:
2005 aufnehmen. Die Amtszeit be-                               Der Behindertenbeauftragte / die                              7
trägt vier Jahre, das heißt die erste                          Behindertenbeauftragte trägt zur
Amtsperiode endete im Dezember                                 Integration, Inklusion, Teilhabe und
2008. Mittlerweile befindet sich Herr                           Selbstbestimmung der Menschen mit
Utz in seiner zweiten Amtszeit, die im                         Behinderungen in der Landeshaupt-
Dezember 2012 endet.                                           stadt München bei.
Zur Verfügung stehen ihm rollstuhlge-                          „ Er / Sie ist die Interessenvertretung
rechte Büroräume in der Burgstraße 4                              gegenüber der Stadtverwaltung,
sowie eine halbe Stelle unterstützen-                             Sozialverbänden und Arbeitgebern /
de Verwaltungsassistenz und mittler-                              Arbeitgeberinnen.
weile auch ein Sozialpädagoge mit ca.                          „ Der Behindertenbeauftragte / Die
6,5 Stunden pro Woche zur Verschrift-                             Behindertenbeauftragte ist An-
lichung komplexer Sachverhalte1.                                  sprechpartner / Ansprechpartne-
Zudem wird er von der gemeinsamen                                 rin und Vertrauensperson für die
Geschäftsstelle des Behindertenbei-                               Münchner Menschen mit Behinde-
rats der Landeshauptstadt München                                 rungen.
und des Behindertenbeauftragten /                              Über seine / ihre geleistete Arbeit
der Behindertenbeauftragten in der                             berichtet der Behindertenbeauftragte /

                                                               2
                                                                   Beschluss vom 25.09.2008, Sitzungsvorlage Nr. 08-14 / V
                                                                   00798
                                                               3
                                                                   Dies war eine der zentralen Forderungen aus dem ersten
1
    Dies war eine Forderung aus dem ersten Tätigkeitsbericht       Tätigkeitsbericht, s. hierzu auch 4.1
Tätigkeitsbericht des ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten der Landeshauptstadt München - Landeshauptstadt München Behindertenbeauftragter ...
die Behindertenbeauftragte in regel-     Der Behindertenbeauftragte / die
    mäßigen Abständen in Form eines          Behindertenbeauftragte ist nicht wei-
    Tätigkeitsberichtes.                     sungsgebunden. Er / Sie vertritt in ers-
    Die Aufgaben des Behindertenbeauf-       ter Linie die Interessen der Menschen
    tragten / der Behindertenbeauftragten    mit Behinderungen und verfolgt sein
    sind im Wesentlichen im Stadtratsbe-     Ziel. Der Behindertenbeauftragte will
    schluss vom 28. Juli 2004 und in der     an dieser Stelle deutlich machen, dass
    Satzung vom 11. August 2004 (mit         er hierbei stets das Zusammenleben
    Änderungen aus 2008 und 2009) fest-      aller Menschen in der Landeshaupt-
    gelegt.                                  stadt München im Blick hat. Das be-
    Die Ausgestaltung der Aufgabenbe-        deutet, dass er auch eine Bringschuld
    reiche obliegt dem Behindertenbeauf-     bei den Menschen mit Behinderungen
    tragten / der Behindertenbeauftragten.   sieht, um ein inklusives Miteinander in
    Dadurch kann er / sie seine eigenen      der Stadtgesellschaft zu verwirklichen.
    Vorstellungen und Ideen einbringen       In der Praxis heißt dies, dass auf politi-
    und die politische Ausrichtung seiner    scher Ebene die Interessen der Men-
    Arbeit bestimmen.                        schen mit Behinderungen vertreten
    Durch die ehrenamtliche Bestellung       werden, es unabhängige Beratungen
8
    des Behindertenbeauftragten / der        gibt und die Öffentlichkeit über die
    Behindertenbeauftragten ist es die-      Arbeit des Behindertenbeauftragten /
    sem / ihr auch möglich, unabhängig       der Behindertenbeauftragten infor-
    von Verwaltung, Politik und sonstigen    miert wird. In der Lobbyarbeit werden
    Interessenvertretungen die Interessen    Kontakte geknüpft und gepflegt, um
    von Menschen mit Behinderungen           in gemeinsamen Aktionen die Interes-
    wahrzunehmen.                            sen der Menschen mit Behinderungen
    Auf allen Ebenen der Möglichkeiten       zu vertreten.
    kann der Behindertenbeauftragte /        Aber nicht nur auf kommunaler Ebene
    die Behindertenbeauftragte die indivi-   ist der Behindertenbeauftragte / die
    duellen, strukturellen und politischen   Behindertenbeauftragte aktiv, sondern
    Anforderungen einbringen und voran-      auch auf Bezirks-, Landes- und Bun-
    treiben.                                 desebene4. So können auch die über-
    Bürgeranfragen / Bürgerinnenanfragen     regionalen Entwicklungen in die kom-
    können in zusammengefasster und          munale Situation eingebracht werden
    möglichst objektivierter Weise an die    und umgekehrt. Damit können auch
    jeweils zuständigen Mandatsträger /      die anderen Vertretungen von den
    Mandatsträgerinnen weitergegeben         Münchner Erfahrungen des Behinder-
    werden.                                  tenbeauftragten / der Behindertenbe-
                                             auftragten profitieren.

                                             4
                                                 siehe hierzu auch Kapitel 4.2
Tätigkeitsbericht des ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten der Landeshauptstadt München - Landeshauptstadt München Behindertenbeauftragter ...
2. Die Legitimation des Amtes des        beauftragter / Behindertenbeauftragte
   Behindertenbeauftragten / der         zur Verfügung.
   Behindertenbeauftragten               Behindertenbeauftragter / Behinder-
                                         tenbeauftragte und Behindertenbeirat
2.1 Wiederwahl nach der ersten Amts-     grenzen sich in ihren Tätigkeitsfeldern
   periode                               einerseits deutlich voneinander ab und
Nach seiner ersten Amtszeit wurde        haben andererseits diverse Schnitt-
der erste Behindertenbeauftragte der     stellen.
Landeshauptstadt München, Herr Os-       In der Landeshauptstadt München
wald Utz am 29.10.2008 von der Vor-      gibt es seit 38 Jahren (seit 1973) den
sitzendenrunde des Behindertenbei-       „Städtischen Behindertenbeirat“
rats der Landeshauptstadt München        (ehemals „Arbeitskreis für Probleme
in ihrer damaligen Zusammensetzung       von Behinderten“ bzw. später „Städti-
wiedergewählt.                           scher Beraterkreis Behinderte“). Die-
Mittlerweile erfolgt, aufgrund der       ses ebenfalls ehrenamtliche Gremium
Satzungsänderung des Behinder-           wurde eingesetzt für die Beratung
tenbeirats vom 01.12.2008, die Wahl      der städtischen Verwaltung und des
des Behindertenbeauftragten / der        Stadtrates bezüglich der Belange von
Behindertenbeauftragten durch die        Menschen mit Behinderungen in der          9
Vollversammlung des Behinderten-         Landeshauptstadt München. Es wird
beirats. Der Behindertenbeauftrag-       von einer Geschäftsstelle, mit einer
te, Herr Oswald Utz, begrüßt diese       hauptamtlichen Geschäftsführerin,
Änderung, da dadurch die Arbeit des      einem Sozialpädagogen mit ca. 13 Wo-
Behindertenbeauftragten / der Behin-     chenstunden und einer dreiviertel Stel-
dertenbeauftragten durch eine breitere   le Verwaltungsassistenz unterstützt.
und demokratischere Basis legitimiert    Der Behindertenbeirat arbeitet derzeit
ist. Der Behindertenbeauftragte / die    in den acht unterschiedlichen Fachar-
Behindertenbeauftragte wird folglich     beitsarbeitskreisen: ambulante Unter-
bei der nächsten Wahl im Herbst 2012     stützungsangebote, Arbeit, Frauen,
erstmals von der Vollversammlung des     Freizeit und Bildung, Mobilität, Schule,
Behindertenbeirats der Landeshaupt-      Tourismus und Wohnen.
stadt München gewählt werden.            Der Behindertenbeirat unterhält kei-
                                         ne Beratungsstelle für Menschen mit
2.2 Abgrenzung zu den Aufgaben und       Behinderungen in der Landeshaupt-
   Funktionen des Behindertenbeirats     stadt München, deren Angehörige
Der Landeshauptstadt München steht       und andere Personen. Diese können
neben dem „Städtischen Behinderten-      sich bei den Interessenvertretungen
beirat“ ein / eine, wenn auch ehren-     (Selbsthilfegruppen und Vereine) und
amtlich tätiger / tätige, Behinderten-   den Rehaträgern (z.B. Sozialreferat der
                                         Landeshauptstadt München) beraten
lassen und Unterstützung bekommen.          tragte vertritt den Vorstand nach Au-
     Der Behindertenbeirat tritt mit seinen      ßen. Dies sorgt für mehr Transparenz,
     Aktivitäten und Anliegen in erster          da nun für alle Anliegen ein zentraler
     Linie nicht nach außen sondern wirkt        Ansprechpartner / eine zentrale An-
     innerhalb der städtischen Verwaltung;       sprechpartnerin zur Verfügung steht.
     d.h. er wirkt in erster Linie nach innen.   Zudem kommen so die Synergieef-
     Der Behindertenbeauftragte / die            fekte zwischen Behindertenbeauftrag-
     Behindertenbeauftragte wirkt dagegen        tem / Behindertenbeauftragter und
     als Interessenvertreter/Interessen-         Behindertenbeirat besser zum Tragen.
     vertreterin der Menschen mit Behin-         Behindertenbeauftragter / Behinder-
     derungen, berät schwerpunktmäßig            tenbeauftragte und Behindertenbeirat
     die Münchner Bürger / Bürgerinnen           grenzen sich hier also nicht voneinan-
     in behinderungsspezifischen Anliegen         der ab, sondern vertreten gemeinsam
     und Problemen, betreibt Öffentlich-         die Interessen der Menschen mit
     keits- und Lobbyarbeit und ist Vertrau-     Behinderungen.
     ensperson für die Betroffenen, d.h. er/
     sie wirkt in erster Linie nach außen.
     Schnittstellen ergeben sich durch die       3. Die Münchner Situation
10
     gleiche Zielgruppe. So ist es nicht im-
     mer klar abzugrenzen, ob es sich um         3.1 Neue Entwicklungen 2009–2010
     ein politisch nach außen wirkendes          Um das Leben der Menschen mit Be-
     Anliegen handelt oder ob es vielmehr        hinderungen in der Landeshauptstadt
     ein verwaltungsinternes Anliegen ist.       München besser verstehen zu kön-
     Aus diesem Grund wurde ein Prozess          nen, wird die Situation anhand einiger
     zur strukturellen Neuorganisation           statistischer Merkmale im Folgenden
     durchgeführt, an dem sich der Behin-        knapp umfasst.
     dertenbeauftragte, wie im ersten Tä-        Wie auch schon in den Jahren zuvor5
     tigkeitsbericht angekündigt, beteiligte.    ist die Anzahl der Menschen mit Be-
     Mit Beschluss vom 02.01.2009 ist der        hinderungen in der Landeshauptstadt
     Behindertenbeauftragte / die Behin-         München angestiegen: Mittlerweile
     dertenbeauftragte nun auch stimmbe-         leben nach Angaben des Statisti-
     rechtigtes Mitglied im Vorstand des         schen Amts München etwa 146.500
     Behindertenbeirats. Neben den drei          Menschen mit Behinderungen in der
     gewählten Vorstandsmitgliedern sind         Landeshauptstadt. Dies entspricht
     jetzt auch die Geschäftsführung des         einem Anteil von knapp 11% an der
     Behindertenbeirats und der Behinder-        gesamten Stadtbevölkerung6. Tatsäch-
     tenbeauftragte / die Behindertenbe-         lich aber dürfte diese Zahl noch höher
     auftragte als durch ihr Amt gesetzte
                                                 5
                                                     Vgl. erster Tätigkeitsbericht des Behindertenbeauftragten
     Mitglieder im Vorstand. Der Behinder-           der Landeshauptstadt München
     tenbeauftragte / die Behindertenbeauf-      6
                                                     Bei 1,364 Mio. Einwohner
sein, da viele Menschen mit Behin-                           gung, keinen Antrag auf Feststellung
derungen, die in München leben von                           des Grads der Behinderung und tau-
dieser Statistik nicht erfasst sind.                         chen daher nicht in der Statistik auf.
Dies sind einerseits Menschen mit                            Gründe für die Betroffenen keinen
Behinderungen, welche von ihrem                              Antrag zu stellen, können etwa Unwis-
bisherigen Wohnort in Einrichtungen                          senheit, Angst vor Verlust des Arbeits-
im Münchner Stadtgebiet ziehen und                           platzes, Angst vor Stigmatisierung, der
ihren Erstwohnsitz weiterhin bei ih-                         hohe bürokratische Aufwand, und so
rem Heimatkostenträger haben. Hier-                          weiter sein.
bei handelt es sich überwiegend um
jüngere Menschen mit Behinderun-                             Von den in der Statistik erfassten
gen, die in den Münchner Einrichtun-                         146.500 Menschen mit Behinderun-
gen eine Schul- oder Berufsausbildung                        gen in München sind etwa 115.000
absolvieren. Diese Personengruppe                            schwerstbehindert (Grad der Behinde-
bleibt zum größten Teil nach der Aus-                        rung 50% und mehr), was, wie auch
bildung in der Landehaupt München,                           schon in den Vorjahren, einem Anteil
da sie hier ihren Lebensmittelpunkt                          von circa 80% entspricht. Aus folgen-
gefunden hat.                                                der Abbildung ist die Entwicklung der
                                                             letzten Jahre nach Art der Behinderun-             11
Andererseits stellen viele Menschen                          gen ersichtlich:
mit Behinderungen, trotz Berechti-

    Beeinträchtigung der Funktion                                                             Abbildung 1:
        von innerenOrganen bzw.                                                               Die Menschen
                  Organsystemen
                                                                                              mit Behinde-
       Sonstige und ungenügend                                                                rungen nach Art
      bezeichnete Behinderungen                                                               der schwersten
   Querschnittlähmung, zerebrale                                                              Behinderung
     Störungen, geistig-seelische                                                             2008–2010
 Behinderungen,Suchtkrankheiten
                                                                                              (Quelle: Sta-
         Funktionseinschränkung                                                               tistisches Amt
                von Gliedmaßen
                                                                                              München 2011)
     Funktionseinschränkung der
   Wirbelsäuleund des Rumpfes,
   Deformierung des Brustkorbes
   Sprach- oder Sprechstörungen,
       Taubheit, Schwerhörigkeit,
        Gleichgewichtsstörungen
                   Blindheit und
                 Sehbehinderung
               Verlust einer Brust
              oder beider Brüste,
               Entstellungen u.a.                                                  2010
                                                                                   2009
           Verlust oder Teilverlust                                                2008
                 von Gliedmaßen

                                      0   5000   10000   15000   20000   25000   30000    35000
Auch hier haben sich die Entwicklun-                          Menschen mit Behinderungen
     gen der letzten Jahre weitestgehend                           nach Altersgruppen
     fortgesetzt.                                                  Altersgruppe
                                                                                   weiblich   männlich    zusammen
                                                                   in Jahren
     Auch das Geschlechtsverhältnis unter
                                                                   von 0 bis
     den Menschen mit Behinderungen ist,                                             104         118         222
                                                                   unter 4
     wie in den Vorjahren, annähernd aus-                          von 4 bis
                                                                                     105         144         249
                                                                   unter 6
     geglichen.                                                    von 6 bis
                                                                                     577         866         1443
     Die Altersstruktur zeigt, wie bereits im                      unter 15
     ersten Tätigkeitsbericht angedeutet,                          von 15 bis
                                                                                     239         305         544
                                                                   unter 18
     aufgrund des demografischen Wan-                               von 18 bis
                                                                                     750         912         1662
     dels einen gestiegenen Anteil älterer                         unter 25
                                                                   von 25 bis
     Menschen mit Behinderungen. Wie                               unter 35
                                                                                     1903       2147         4050
     aus Abbildung 2 ersichtlich, sind die                         von 35 bis
                                                                                     4310       4506         8816
                                                                   unter 45
     Hälfte aller von der Statistik erfassten
                                                                   von 45 bis
     Menschen mit Behinderungen in der                             unter 55
                                                                                     9771       9004        18775

     Landeshauptstadt München 65 Jahre                             von 55 bis
                                                                                     8760       6635        15395
                                                                   unter 60
     und älter. Dies stellt insbesondere in
                                                                   von 60 bis
     den Bereichen Wohnen und Pflege,                                                11387       11264       22651
                                                                   unter 65

12
     speziell auch in der ambulanten Ver-                          von 65 bis
                                                                                    17650       18638       36288
                                                                   unter 75
     sorgung, für die Landeshauptstadt                             über 75 Jahre    22524       13901       36425
     München zukünftig eine Herausforde-                           Insgesamt        78080       68440       146520
     rung dar7.                                                    Quelle: Zentrum Bayern Familie und Soziales.
                                                                   © Statistisches Amt München, Stand 31.12.2010
     Tatsächlich dürfte dieses Verhältnis
     aber etwas anders gewichtet sein. Die                         Abbildung 2: Altersstruktur der Menschen
                                                                   mit Behinderungen in München 2010
     bereits beschriebene Dunkelziffer von                         (Quelle: Statistisches Amt München 2011)
     Menschen mit Behinderungen wird
     vor allem bei jüngeren Menschen sehr                          Insgesamt weisen alle Menschen mit
     hoch vermutet. Einerseits, weil viele                         Behinderungen sehr individuelle Merk-
     von ihnen in stationären Einrichtungen                        male und Bedürfnisse auf.
     leben und andererseits, weil beson-                           Aber auch mit den nicht behinderten
     ders jüngere Menschen im Erwerbsal-                           Menschen gibt es Verknüpfungspunk-
     ter aus Angst vor Stigmatisierung                             te zum Beispiel im Bereich der Bar-
     keinen Antrag auf Feststellung des                            rierefreiheit, da diese auch temporär
     Grads der Behinderung stellen.                                Mobilitätsbehinderten (Familien mit
                                                                   Kinderwagen et cetera) erhebliche
                                                                   Erleichterungen im Lebensalltag ver-
                                                                   schaffen kann.
     7
         Siehe auch Studie zu „Wohn- und Versorgungsstrukturen
         von Menschen mit Behinderung mit den Schwerpunkten
         ´älter werdene Menschen´ und ´Migranten´“; Sitzungsvor-
         lage 08-14/V03083
Es geht also in der Summe nicht um                           denfalls das Potenzial, die Lebenssi-
eine Minderheit in der Stadtgesell-                          tuation von Menschen mit Behinde-
schaft, sondern vielmehr um eine                             rungen in München grundlegend zu
noch viel zu wenig beachtete Bevölke-                        ändern. Wie sich dies ausgestalten
rungsgruppe und deren Anliegen8.                             wird, ist aktuell noch nicht abzusehen,
                                                             wird aber vom Behindertenbeauftrag-
3.2 Wichtige Themen für Menschen                             ten mit großem Interesse und Enga-
     mit Behinderungen                                       gement verfolgt9.
Nicht nur statistische Merkmale sind                         Die Wohnsituation in München ist ge-
wichtig, um die Situation von Men-                           rade für Menschen mit einer körperli-
schen mit Behinderungen in München                           chen Beeinträchtigung unbefriedigend,
verstehen zu können. Deshalb sollen                          da nach wie vor zu wenige barrie-
nun die, in der Wahrnehmung des                              refreie Wohnungen verfügbar sind.
Behindertenbeauftragten, wichtigsten                         Häufig ist der vorhandene barrierefreie
Themen für Menschen mit Behinde-                             Wohnraum auch schlichtweg zu teu-
rungen in der Landeshauptstadt aus                           er beziehungsweise ein Wohnungs-
den letzten beiden Jahren dargestellt                        umbau für viele Betroffene finanziell
werden.                                                      kaum leistbar.
Ein zentrales Ereignis war die Verab-                        Besonders die Arbeitssituation für                             13
schiedung des Übereinkommens über                            Menschen mit Behinderungen in
die Rechte von Menschen mit Behin-                           München beschäftigt die Betroffenen.
derungen der Vereinten Nationen (im                          Da viele von ihnen Schul- und Aus-
Folgenden: UN-Behindertenrechts-                             bildungszeit in Sondereinrichtungen
konvention), die auch von der Bundes-                        verbracht haben, ist der Übergang auf
republik Deutschland 2009 ratifiziert                         den regulären Arbeitsmarkt für sie
wurde. Aufgrund der Ratifizierung                             sehr schwer. Zudem gestaltet sich
durch Bundestag und Bundesrat ist                            aufgrund der unterschiedlichen Zu-
die UN-Behindertenrechtskonvention                           ständigkeiten die Suche nach Informa-
bindendes Recht für alle politischen                         tion, Unterstützung und Hilfe für die
Ebenen, auch für die Kommunen.                               Betroffenen äußerst schwierig.
Daraus leitet sich ab, dass die Lan-                         Auch aufgrund der Arbeitssituation
deshauptstadt München hier handeln                           stellt eine Behinderung für die Betrof-
muss. Aus der UN-Behindertenrechts-                          fenen immer auch ein Armutsrisiko10
konvention resultieren für die Men-                          dar. Gerade in einer teuren Stadt
schen mit Behinderungen berechtigte                          wie München können sich die Aus-
Hoffnungen. Die Konvention hat je-                           wirkungen für arme Menschen mit

8                                                            9
    Dies geht auch aus der „Münchner Bürgerinnen- und Bür-        Mehr hierzu unter 4.
                                                             10
    gerbefragung 2010“ hervor: nur etwa 30% der Befragten         Vgl. hierzu die Broschüre „Behinderung heißt Armut und
    stimmten der Aussage, München sei behindertengerecht,         Diskriminierung!“ des Behindertenbeirats und des Behin-
    zu.                                                           dertenbeauftragten der Landeshauptstadt München
Behinderungen dramatisch gestalten.       Insgesamt ist hier in letzter Zeit zu be-
     Während die Teilhabemöglichkeiten         obachten, dass es für die Menschen
     von Menschen mit Behinderungen            mit Behinderungen in München im-
     am gesellschaftlichen Leben ohne-         mer schwieriger wird, ihre Ansprüche
     hin schon eingeschränkt sind, ist die     durchzusetzen. Die Betroffenen sehen
     Situation für ärmere Menschen mit         sich mit einem anfangs kaum zu über-
     Behinderungen umso schlimmer: Hier        blickenden Gestrüpp unterschiedlicher
     fehlen kostenlose oder vergünstigte       Zuständigkeiten, einer Vielzahl an
     Angebote im gesellschaftlichen und        Formularen und einem komplizier-
     kulturellen Leben der Stadt, die einer-   ten Antragswesen konfrontiert. Eine
     seits erschwinglich und andererseits      erfolgreiche Durchsetzung der Unter-
     barrierefrei zugänglich sind.             stützungsansprüche ist daher in den
     Eine große Umstellung bedeutete für       meisten Fällen ohne, zumeist auch ju-
     die Münchnerinnen und Münchner            ristische, Beratung kaum zu meistern.
     mit Behinderungen auch der Wechsel
     der Zuständigkeiten bei der Einglie-      3.3 Wichtige kommunale Entschei-
     derungshilfe. Diese ist seit 01.01.2008      dungen / Stadtratsbeschlüsse und
     nicht mehr Aufgabe der Kommunen,             Sondersituation der Co-Förderung in
14
     kreisfreien Städte und Landkreise,           München
     sondern nun in der Zuständigkeit der      In den letzten beiden Jahren hat der
     Bezirke. Für die Eingliederungshilfe      Stadtrat der Landeshauptstadt Mün-
     für Menschen mit Behinderungen in         chen zahlreiche Beschlüsse erlassen,
     München ist nun also der Bezirk Ober-     die Menschen mit Behinderungen
     bayern zuständig. Durch diese Umge-       betreffen. Die aus Sicht des Behinder-
     staltung im Hilfesystem mussten sich      tenbeauftragten wichtigsten kommu-
     die Betroffenen auf einen zusätzlichen    nalen Entscheidungen sollen nun kurz
     Kostenträger und neue Ansprechpart-       angerissen werden:
     ner und Ansprechpartnerinnen ein-         Zunächst ist in diesem Zusammen-
     stellen. Da diese Ansprechpartner und     hang die Zustimmung des Stadtrats
     Ansprechpartnerinnen nun nicht mehr,      zur strukturellen Neuausrichtung des
     wie bisher, in direkter örtlicher Nähe    Behindertenbeirats zu nennen. Diese
     der Menschen mit Behinderungen            bereits angesprochene Neuordnung,
     sind, birgt diese Veränderung zum Teil    die Folge eines Organisationsentwick-
     erhebliche Nachteile für Menschen mit     lungsprozesses war, erleichtert dem
     einem Handicap. Außerdem ist durch        Behindertenbeirat und dem Behinder-
     den Wechsel der Zuständigkeiten eine      tenbeauftragten / der Behinderten-
     neue Schnittstelle im Hilfesystem ent-    beauftragten die Zusammenarbeit.
     standen, die für die Betroffenen häufig    Dadurch können die Interessen von
     eine zusätzliche Hürde bei der Durch-     Menschen mit Behinderungen in Mün-
     setzung ihrer Ansprüche darstellt.        chen effektiver vertreten werden.
Des Weiteren hat der Stadtrat ei-         Zum bereits angesprochenen Wech-
nen Aktionsplan zur Umsetzung der         sel der Zuständigkeiten bei der Ein-
UN-Behindertenrechtskonvention            gliederungshilfe hat der Stadtrat am
beschlossen. Darin soll zunächst ein      11.11.2010 einen Beschluss erlassen11.
Ist-Stand zur Inklusion von Menschen      Von diesem Wechsel sind nämlich
mit Behinderungen in München er-          nicht nur die Menschen mit Behin-
hoben werden auf dessen Grundlage         derungen direkt, sondern auch die
sich künftige Maßnahmen ableiten.         Einrichtungen und Vereine der Behin-
Hierfür wurden eine Steuerungsgrup-       dertenarbeit betroffen. Diese werden
pe, eine Projektgruppe und mehrere        jetzt vom Bezirk Oberbayern nach
Arbeitsgruppen gebildet. An diesem        dessen Richtlinien bezuschusst. Auf-
Aktionsplan beteiligen sich Mitarbeite-   grund dieser Richtlinien konnten aber
rinnen und Mitarbeiter aus allen Refe-    einige Einrichtungen der Behinderten-
raten der gesamten Stadtverwaltung.       arbeit in München nicht weiter geför-
Das Thema Behinderung wird somit          dert werden. Mit dem Beschluss des
als Querschnittsthema angegangen,         Münchner Stadtrats wurde aber ein
wodurch die Landeshauptstadt Mün-         Weg gefunden, die Behindertenarbeit
chen ihrer Verpflichtung nachkommt,        neben dem Bezirk kommunal über die
für die Politikfeld übergreifende Um-     Daseinsvorsorge zu fördern und da-         15
setzung der UN-Konvention auf kom-        durch notwendige Angebote für Men-
munaler Ebene Sorge zu tragen. Die        schen mit Behinderungen aufrecht zu
Stadtspitze hat somit die Wichtigkeit     erhalten. Der Behindertenbeauftragte
und Bedeutung des Themas Inklusion        begrüßt es, dass die Landeshaupt-
erkannt, was sich auch in der Beset-      stadt München erkannt hat, dass sie
zung der Steuerungsgruppe mit der         hier eine Aufgabe hat und diese auch
Sozialreferentin Frau Meier als Leitung   wahrnimmt.
und der Bürgermeisterin Frau Strobl
widerspiegelt.

                                          11
                                               Sitzungsvorlage Nr. 08-14 / V 04981
Der Behindertenbeauftragte bei der Preisverleihung des Sportintegrationspreises 2009 der Landes-
     hauptstadt München                                                                    Quelle: PIA
16

     Teil B
     In diesem Teil werde ich, Oswald                  größtenteils in den drei Handlungsfel-
     Utz, als Behindertenbeauftragter                  dern Beratung, Gremienarbeit und Öf-
     der Landeshauptstadt München die                  fentlichkeitsarbeit stattfinden, bin ich
     konkreten Felder meiner Tätigkeit                 bei der Dokumentation meiner Arbeit
     beschreiben.                                      in den letzten beiden Jahren dieser
                                                       Einteilung gefolgt. Folgende Abbildung
     4. Arbeitsinhalte                                 zeigt anteilig die Aufteilung nach den
     Meine Tätigkeit als Behindertenbe-                drei Handlungsfeldern meiner Tätigkeit
     auftragter ist in vielfältigen Bereichen          für die letzten beiden Jahre:
     zu finden. Ebenso vielschichtig wie                Hier zeigt sich deutlich dass die Bera-
     die Lebenssituation der Menschen                  tung mit nahezu zwei Dritteln in letz-
     mit Behinderungen sind, gestalten                 ter Zeit einen Großteil meiner Arbeit
     sich auch die Inhalte meiner täglichen            ausmacht. Deshalb möchte ich damit
     Arbeit und die daraus resultierenden              beginnen dieses Tätigkeitsfeld zu
     facettenreichen Aufgabenstellungen.               beschreiben und anschließend, nach
     Da sich in den letzten beiden Jahren              Inhalten aufgegliedert meine Aktivitä-
     gezeigt hat, dass meine Aktivitäten               ten der Gremien- und Öffentlichkeits-
11                                                            Abbildung 3:
                                          15
                                                                      Die Tätigkeit des
                                                                      Behindertenbe-
                                                                      auftragten aufge-
                                                                      teilt nach Tätig-
  27
                                                                      keitsfeldern
                                   20

                                                                 65
                           62

                                                                      Gremienarbeit
                                                                      Öffentlichkeitsarbeit
               2009                                2010               Beratung

arbeit darlegen. Außerdem möchte ich           unterschiedlichen Ebenen der Zustän-
an dieser Stelle noch anmerken, dass           digkeiten, die Verschiedenartigkeit der
ich im Zuge der bereits angesproche-           Angebote und die Zugangswege zu
nen Neuorganisation der strukturellen          Leistungen nicht (mehr) durchschau-
Zusammenarbeit von Behinderten-                bar – für die Betroffenen gestaltet sich
beirat und Behindertenbeauftragtem /           dieses oft als Unmöglichkeit ohne Hil-
Behindertenbeauftragter nun weitere            fe. Auch im Bereich des Umgangs mit
zusätzliche Aufgaben wahrnehmen                Menschen mit Behinderungen wollen              17
muss.                                          sich viele Bürgerinnen und Bürger
                                               beraten lassen.
4.1 Beratung
Der Bereich der Beratung hat in mei-           Diesen hohen Bedarf an Beratungen
ner zweiten Amtszeit noch einmal               habe ich in meiner ersten Amtszeit
mehr Ressourcen gebunden als be-               erkannt und daher für die zweite
reits im ersten Bericht beschrieben.           Amtszeit meine Bürgersprechstunde
War im Beschluss der Beratungsan-              um zusätzliche 12 Stunden pro Woche
teil noch „unter anderem“ genannt,             deutlich ausgeweitet.
so stellte sich in meiner täglichen
Praxis als Behindertenbeauftragter             Zum Besuch der Bürgersprechstunde
heraus, dass viele Menschen mit                ist es nicht notwendig, einen Termin
Behinderungen, deren Angehörige,               zu vereinbaren. Dies war eine be-
gesetzliche Betreuer/Betreuerin-               wusste Entscheidung meinerseits,
nen und/oder sonstige Vertretungen             da ich ein niederschwelliges Ange-
eine/n kompetente/n, neutrale/n und            bot installieren wollte. Ich setze das
erreichbare/n Ansprechpartner / An-            Signal: hier darf jeder auch spontan
sprechpartnerin, Berater / Beraterin,          vorbeikommen, um ein behinderungs-
Lotse / Lotsin et cetera dringend              spezifisches Anliegen vorzubringen,
benötigen. Für viele Fachleute sind die
sei es individuell, strukturell und/oder   „ die Verteilung der Ratsuchenden
     politisch.                                   nach Geschlecht war relativ ausge-
     Viele Menschen mit Behinderungen             glichen: so haben mit 50,6% (2009)
     können nur mit Unterstützung zur             beziehungsweise 50,3% (2010) nur
     Bürgersprechstunde kommen. Die-              minimal mehr Männer als Frauen
     sen Menschen ist es deshalb wichtig,         meine Beratung wahrgenommen
     einen festen Termin zu vereinbaren.        „ Bei der Verteilung der Ratsuchen-
     Selbstverständlich ist auch dies mög-        den nach Behinderungsart gibt es
     lich.                                        augenfällige Unterschiede. Am
     Sollte ein persönlicher Besuch in mei-       häufigsten wird meine Beratung
     nem Büro für den Bürger / die Bürge-         von Menschen mit körperlichen
     rin nicht möglich sein, lässt sich die       Behinderungen in Anspruch ge-
     Angelegenheit weder telefonisch noch         nommen (circa 53% in 2009 und
     per Mail klären, biete ich Hausbesuche       60% in 2010). Die nächstgrößere
     an. Dies kann aber nur die Ausnahme          Gruppe ist die der Menschen mit
     sein, da es sonst meine ohnehin sehr         geistigen Behinderungen (circa
     knappen zeitlichen Ressourcen spren-         20% und 16%). Die übrigen knapp
     gen würde.                                   25% der Menschen, die meine Be-
18
                                                  ratung aufsuchen haben, in etwa zu
     4.1.1 Beratungsstatistik                     gleichen Teilen, entweder seelische
     Über die erfolgten Beratungen und            oder Sinnesbehinderungen.
     ihre Inhalte habe ich bereits 2007 eine    „ Der Anteil der nichtdeutschen
     Dokumentation12 angelegt und diese           Ratsuchenden lag etwa bei 21%
     unter verschiedenen Aspekten fort-           (2009) und bei 14% (2010). Von
     laufend geführt. Da einige Abfragen          diesen waren in etwa die Hälfte
     zu persönlich waren, habe ich diese          (knapp 58% für 2009 und 42% für
     für die zweite Amtszeit ein wenig            2010) EU-Bürger
     verändert. Einige Ergebnisse meiner        „ Die Anliegen verteilten sich auf
     aktualisierten Dokumentation seien           die Bereiche Ausbildung / Beruf,
     dargestellt:                                 Wohnen, Schule, Mobilität, Antrag,
     „ 2009 habe ich 782 Beratungen               Pflege und Sonstiges.
        durchgeführt
     „ im Jahr 2010 waren es 580                4.1.2 Profil der Ratsuchenden
     „ unter den Ratsuchenden waren             Die Möglichkeit der Beratung steht
        Menschen mit Behinderungen, An-         jedem Menschen offen. Es hat sich
        gehörige, die Verwaltung, Vereine,      auch gezeigt, dass nicht nur die Men-
        Organisationen, und andere              schen mit Behinderungen von der
                                                Beratung Gebrauch machen, sondern
                                                auch deren Angehörige, gesetzliche
     12
          siehe hierzu auch Anlage 1
Abbildung 4:
                                                                                      Geschlecht der
  386                                288                                              Ratsuchenden

                          396                                           292

             2009                                 2010                                     männlich
                                                                                           weiblich

Betreuerinnen / Betreuer, Fachleu-         unter den Münchnerinnen und Münch-
te aus Diensten und Einrichtungen,         nern mit Behinderungen wider13.
Nachbarn, Gewerbetreibende und
sonstige interessierte Personen.           Nationalität
                                           Nachfolgende Abbildung zeigt, dass
Geschlecht                                 meine Beratung auch von Menschen                            19
Wie bereits angesprochen, nehmen           mit Migrationshintergrund in Anspruch
Frauen und Männer zu annähernd             genommen wird:
gleichen Teilen meine Beratung in          Mit 21% (2009) beziehungsweise
Anspruch.                                  14% (2010) ist der Anteil von Personen
Im Jahr 2009 habe ich 396 Männer           ohne deutsche Staatsbürgerschaft,
und 386 Frauen, 2010 292 Männer und        die meine Beratung in Anspruch neh-
288 Frauen beraten. Dieses ausge-          men etwas niedriger14 als diese in der
glichene Verhältnis spiegelt auch das
                                           13
                                                Vgl. 3. Die Münchner Situation
ausgeglichene Geschlächterverhältnis       14
                                                Bei einem Anteil von etwa 23% ausländischer Menschen
                                                in München

                                                                                      Abbildung 5:
                                                                                      Staatsange-
                                                                                      hörigkeit der
   12                                                                                 Ratsuchenden
                                       6
                            79                                                   86

   9                                   8

                                                                                           deutsch
                                                                                           EU
              2009                                    2010                                 nicht EU
gesamten Stadtgesellschaft repräsen-          nikationsmittel an Bedeutung gewin-
     tiert sind. Zur Staatsbürgerschaft von        nen, möchte ich ihnen künftig auch die
     Menschen mit Behinderungen liegen             Möglichkeit bieten, mich über soziale
     keine Daten vor. Insgesamt freue ich          Netzwerke, wie etwa Facebook, zu
     mich, dass mein Beratungsangebot              kontaktieren.
     auch von Menschen anderer Nationen
     wahrgenommen wird.                            Art der Behinderungen
                                                   Wie bereits beschrieben, haben die
     Art des Kontakts                              meisten Menschen, die meine Be-
     Die nächste Abbildung zeigt, in wel-          ratung aufsuchen entweder selbst
     cher Form sich die Ratsuchenden an            ein körperliches Handicap oder einen
     mich gewendet haben. Die Werte aus            Beratungsbedarf in diese Richtung.
     2009 und 2010 liegen nah beieinander.         So waren in den letzten beiden Jahren
     Mehr als zwei Drittel der Ratsuchen-          53% beziehungsweise 60% meiner
     den wendeten sich schriftlich, per            Beratungen für Menschen mit körperli-
     Mail oder Telefon an mich. So fanden          chen Behinderungen oder zu Themen,
     nur etwa ein Viertel der Beratungen           die diese betreffen. Die anderen Grup-
     im unmittelbaren persönlichen Kon-            pen, nämlich Menschen mit geistigen,
20
     takt statt. Einen geringen Teil meiner        seelischen oder Sinnesbehinderungen
     Beratung musste ich auch bei den              sind in meiner Beratung deutlich we-
     Menschen mit Behinderungen zu-                niger vertreten. Hier besteht sicher-
     hause durchführen, wenn den Be-               lich kein geringerer Beratungsbedarf.
     troffenen der Weg in mein Büro nicht          Ich vermute aber, dass Menschen
     möglich war. Da dieses aber rollstuhl-        mit diesen Behinderungsarten meine
     gerecht ist, hielten sich die Haus-           Beratung seltener in Anspruch neh-
     besuche in Grenzen.                           men, weil sie in ihren behinderungs-
     Da für viele Menschen mit Behinde-            spezifischen Großorganisationen, wie
     rungen die neuen Medien als Kommu-            etwa der Lebenshilfe für Menschen

                                                                        Abbildung 6:
                                              23                        Art des Kontakts
           27

                                       3
       3

                                                                   74
                               70

                                                                        Telefon/Mail/Schriftl.
                                                                        im Büro
                  2009                                2010              beim Kunden
13                                      11                                 Abbildung 7:
                                                                                           Art der Behin-
                                                                                           derungen der
                                                   13                               60     Ratsuchenden
  14

                                                   16
       20                           53
                                                                                           geistig
                                                                                           körperlich
                                                                                           seelisch
                      2009                                    2010                         Sinnesbehindert

mit geistigen Behinderungen, bereits                     siert. Bis auf die Bereiche Schule und
strukturell eingebunden und gut orga-                    Sonstiges waren alle Themen ähnlich
nisiert sind.                                            stark repräsentiert. Auffällig war nur,
                                                         dass sich viele Menschen an mich
4.1.3 Inhalte der Beratungen                             gewendet haben, in der Hoffnung, ich
Die Beratungen haben sich auf die                        könnte ihnen konkret einen Job, eine
unterschiedlichsten Themen bezo-                         Wohnung, oder ähnliches beschaffen.                  21
gen. Oft kam es erst in einem Ge-                        Dies ist leider nicht möglich, meine
spräch zu Fragen, die anfangs nicht                      Aufgabe ist es die Menschen zu infor-
im Vordergrund standen. Ein klarer                       mieren, zu begleiten oder weiter zu
Schwerpunkt hat sich in den letzten                      vermitteln.
beiden Jahren nicht herauskristalli-

                                                                           13
                                         19
                25                                                                                 23

                                                                 15

            4                                 15

                                                                                                     20
                                                                      15
                 15                      9
                       3                                                        2          3
                              9                                                      9

                           2009                                                     2010

                                  Ausbildung/Beruf       Schule            Pflege               Abbildung 8:
                                  Wohnen-Bezirk          Mobilität         Sonstiges           Inhalte der
                                  Wohnen-Stadt           Antrag
                                                                                               Beratungen
4.1.3.1 Antrag                             In der Folge der Beratung kommt es
     Immer wieder kommen Menschen               dann häufig zu folgenden Themen:
     zu mir, weil sie von einer Behörde         Bürger/Bürgerinnen mit Behinderun-
     einen Antrag bekommen haben, den           gen, die Arbeitslosengeld II erhalten,
     sie aber nicht ohne Hilfe ausfüllen        fühlen sich vom Jobcenter (ehemals
     können. Diese Menschen stärke und          ARGE für Beschäftigung) in München
     unterstütze ich darin, die Hilfe von       nicht gut betreut15. Häufige Aussagen
     der entsprechenden Behörde einzu-          sind:
     fordern. Nach SGB I gibt es eine all-      „Ich bekomme keine Angebote“, „Die
     gemeine Beratungspflicht und diese          wissen gar nicht was sie mit mir ma-
     umfasst auch die konkrete Antrags-         chen sollen“, „Die wollen mich nur
     stellung.                                  möglichst schnell in Rente schicken“,
     Nur im Einzelfall übernehme ich hier       „Die kennen sich mit Behinderten gar
     konkrete Hilfestellung, um die Betrof-     nicht aus“.
     fenen zu entlasten.                        „ Zum anderen kommen Erwerbs-
     Dass nahezu ein Viertel aller Beratun-        tätige zu mir, die Angst haben,
     gen Unterstützung bei den Anträgen            ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
     beinhalten ist meiner Meinung nach            Hier versuche ich umgehend die
22
     bezeichnend für die Komplexität des           verantwortlichen Schwerbehinder-
     Hilfesystems.                                 tenvertreter/Schwerbehindertenver-
                                                   treterinnen der Arbeitgeber/Arbeit-
     4.1.3.2 Ausbildung/Beruf                      geberinnen einzubinden, außerdem
     Viele Ratsuchende erhoffen sich von mir       mache ich sie auf den Integrations-
     einen Tipp und/oder eine Empfehlung,          fachdienst München – Freising16
     wie sie eine Arbeit finden können. Es          aufmerksam.
     melden sich zum größten Teil Hartz IV-     „ Der Übergang in den ersten Arbeits-
     Empfänger/ Empfängerinnen, Men-               markt vom Berufsbildungswerk
     schen mit Behinderungen, die vor dem          für Menschen mit Behinderungen,
     Arbeitplatzverlust stehen, und jene, die      die dort eine Ausbildung erworben
     in einem Berufsbildungswerk eine Aus-         haben, wird immer schwieriger. Teil-
     bildung erworben haben und auf der            weise finden diese Menschen, nach
     Suche nach einem Arbeitsplatz auf dem         langer Arbeitslosigkeit, nur einen
     ersten Arbeitsmarkt sind. Die Arbeitssu-      Platz in einer Werkstatt für Men-
     che ist dann häufig ein Aspekt, warum          schen mit Behinderungen (WfbM).
     die Menschen beraten werden wollen.           Dies führt zu großer Ernüchterung
     Andere Fragestellungen ergeben sich
     im persönlichen Kontakt.                   15
                                                     Dies war auch schon in meiner ersten Amtszeit ein Prob-
                                                     lem, dem aber durch die Einrichtung einer Fachstelle beim
                                                     Jobcenter ein Stück entgegen gekommen wird; siehe
                                                     hierzu auch 5.1, Forderung F)

                                                16
                                                     IFD, Ridlerstraße 55
und Frustration. Immer wieder höre      4.1.3.4 Pflege
   ich Aussagen wie „wozu habe ich         Im Punkt 3.1 Neue Entwicklungen
   eine Ausbildung gemacht, wenn ich       2009 – 2010 habe ich schon darauf
   dann in der WfbM lande?“ Selbst         aufmerksam gemacht, dass ich im
   der Übergang von der Schule in eine     Bereich Pflege, insbesondere in der
   Ausbildung wird immer schwieri-         ambulanten Pflege große Heraus-
   ger. Um hier weiter zu kommen           forderungen für die Stadt München
   sind große Anstrengungen nötig.         sehe17. Die Ratsuchenden teilen sich
   Ein Ansatzpunkt dafür wäre meiner       im wesentlichem in zwei Gruppen
   Meinung nach, das Konzept des           auf. Die eine Gruppe benötigt Hilfe
   persönlichen Budgets für Menschen       unterhalb der Pflegestufe I, findet aber
   mit Behinderungen im Arbeitsleben       kaum kostengünstige und wohnortna-
   umzusetzen.                             he Hilfen hierfür. Die zweite Gruppe
                                           hat einen hohen Hilfebedarf, deren
4.1.3.3 Mobilität                          Verrichtungen sich über den gesamten
Die Landeshauptstadt München ist           Tag verteilen, da sie keine 24-Stunden-
eine der behindertenfreundlichsten         Versorgung haben, benötigen und
Großstädte in Deutschland. Gerade im       wollen, braucht diese Gruppe dringend
Bereich der Mobilität wurden in den        wohnortnahe Rufbereitschaften, die                          23
letzten Jahren erhebliche Anstrengun-      an 365 Tagen, 24 Stunden täglich zur
gen unternommen, um die Teilhabe           Verfügung stehen. Wohnen im Viertel
von Menschen mit Behinderungen             und wohnen im Quartier sind hierfür
sicher zu stellen.                         richtige Ansätze, damit ein langes
                                           und selbstbestimmtes Leben in den
Im Bereich der Mobilität kann ich des-     eigenen vier Wänden möglich ist.
halb in aller Regel sehr schnell behilf-   Menschen die außerklinisch gepflegt
lich sein:                                 werden, an Demenz erkrankt sind und
                                           ambulante Versorgung benötigen mel-
„ es geht den Ratsuchenden um              den sich kaum in der Beratung. Die
  Information,                             Nachfrage an stationärer Pflege geht
„ es geht um das Auffinden der richti-      bei mir in der Beratung gegen Null,
  gen Anlaufstellen,                       Menschen mit Behinderungen, die
„ es geht um die Frage „Wo kann ich        eine Einrichtung der Eingliederungshil-
  einen personenbezogenen Behin-           fe suchen, verweise ich an den Bezirk
  derten-Parkplatz beantragen?“ oder       Oberbayern, da er für diese Leistung
„ „Woher bekomme bzw. unter wel-           zuständig ist.
  chen Voraussetzungen erhalte ich
  die Freifahrtsmarke des Münchner
                                           17
  Verkehrs Verbund (MVV)?“                      Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch die Studie
                                                „Versorgungssicherheit und Qualitätssicherung in der
„ und so weiter                                 ambulanten Pflege“ des Sozialreferats
4.1.3.5 Schule                             aufzunehmen. Da aber bisher kaum
     Beim Thema Schule schwankte der            praktikable Lösungen zur Umsetzung
     Beratungsbedarf in den letzten beiden      dieses Rechtsanspruchs vorhandenen
     Jahren. Dies liegt meines Erachtens        sind und häufig die nötigen Ressour-
     daran, dass es hier viele andere Bera-     cen fehlen, dürfte hier künftig ein
     tungsstellen, in erster Linie diejenigen   hoher Beratungsbedarf bestehen.
     des Schulamts und des Kultusminis-
     teriums gibt und die Mehrzahl der          4.1.3.6 Wohnen
     Kinder und Jugendlichen mit Behinde-       In den Beratungen gab es drei
     rungen nach wie vor in Förderschulen       Schwerpunkte:
     geht.                                      „ Es gibt Ratsuchende, die in ihrer
     Anfragen in diesem Bereich kamen              Wohnungen aufgrund ihrer Behin-
     von Eltern, welche einen Regelschul-          derung Veränderungen vornehmen
     besuch für ihre Kinder mit Behinderun-        müssen (meist ältere Bürger / Bür-
     gen wünschen.                                 gerinnen).
                                                   In den Beratungsgesprächen ver-
     Immer mehr Eltern wollen ihre behin-          suche ich herauszufinden, welche
     derten Kinder in Regelschulen schi-           Veränderungen notwendig sind.
24
     cken, da sie sich davon ein hohes Maß         Häufig werden Hilfsmittel benötigt
     an Unterstützung in der Sozialisation         und / oder bauliche Veränderungen
     versprechen. Grundsätzlich weiß man           sind erforderlich, damit diese Men-
     heute, dass eine gemeinsame Be-               schen weiterhin in ihren eigenen
     schulung die Hemmschwellen abbaut             vier Wänden leben können. Ge-
     und Kontakt ermöglicht. Leider gelingt        meinsam mit den Ratsuchenden
     es nur im Einzelfall Lösungen zu fin-          suchen wir nach Perspektiven. Ich
     den unter großem Einsatz von Eltern           informiere über die vielfältigen
     und Berater/Beraterinnen; die Aufnah-         technischen und baulichen Mög-
     me in eine „Sonderschule“ stellt noch         lichkeiten. Zur Umsetzung vermitt-
     immer die Regel dar.                          le ich u.a. an den Medizinischen
                                                   Dienst der Krankenkassen (z.B.
     Ich erwarte für die nächsten Jahre            wegen Hilfsmitteln, finanziellen
     aber eine Zunahme der Anfragen zum            Unterstützungen), die Beratungs-
     Thema Schule. Durch die Ratifizierung          stelle der Bayerischen Architekten-
     der UN-Behindertenrechtskonvention            kammer Barrierefreies Bauen und
     nämlich, genauer durch den viel dis-          den Verein Stadtteilarbeit e.V., der
     kutierten Artikel 24 zur inklusiven           im Auftrag der Landeshauptstadt
     Bildung, sind nun auch alle Münch-            München Fachberatung zur Woh-
     ner Regelschulen verpflichtet Kinder           nungsanpassung leistet.
     und Jugendliche mit Behinderungen
„ Die zweite Gruppe der Ratsuchen-          ein ambulanter Dienst angeschlos-
  den sind Bürger / Bürgerinnen,            sen ist. Diese Gruppe wünscht
  deren Wohnungen nicht behinder-           und benötigt Pflege- und Bereit-
  tengerecht sind und die neuen,            schaftsdienste in Rufbereitschaft –
  passenden Wohnraum suchen.                24 Stunden am Tag und an 365 Ta-
  Diese sind einerseits Menschen,           gen im Jahr.
  die ihre Behinderung im Laufe ihres       Hier informiere ich über ambulante
  Lebens durch Unfall oder Krankheit        Pflegedienste, die dies anbieten.
  erwerben und es sind andererseits         Neu sind Angebote der Unterstüt-
  Familien, in denen das behinderte         zung in einem Quartier, wie ich sie
  Kind nicht mehr in die Wohnung            in meinem ersten Tätigkeitsbericht
  „getragen“ werden kann.                   gefordert habe. Leider sind diese
  Ich erläutere die Möglichkeiten des       Angebote noch nicht flächende-
  Amtes für Wohnen und Migration.           ckend vorhanden.
  Notwendig ist hier aber immer,
  dass die Voraussetzungen (z.B.         Anmerkung:
  Einkommensgrenze, Zeit des Erst-       Habe ich in meinem letzten Tätigkeits-
  wohnsitz in der Landeshauptstadt       bericht noch festgestellt, dass sich die
  München) erfüllt sind.                 Ratsuchenden häufig „sehr spät“ bzw.        25
  Möglichkeiten kann es auch durch       „zu spät“ melden hat sich dieses Ver-
  das München Modell im Referat für      halten verändert. Eltern von behinder-
  Stadtplanung und Bauordnung der        ten Kindern melden sich mittlerweile
  Landeshauptstadt München geben.        circa ein Jahr vor der Einschulung
  Ich weise darauf hin, dass es Mak-     ihres Kindes, wenn ein Regelschulbe-
  lerbüros gibt, die auch die Vermitt-   such überlegt wird. Menschen mit Be-
  lung von barrierefreien Wohnungen      hinderungen, die auf der Suche nach
  in ihrem Leistungsspektrum haben.      einer Arbeit oder Ausbildungsplatz
  Im Endeffekt kann ich aber nur über    sind melden sich immer früher. Glei-
  die verschiedenen Möglichkeiten        ches gilt auf für das Thema wohnen.
  aufklären. Vielen Ratsuchenden         Ich führe dieses veränderte Verhalten
  gelingt es letzten Endes nicht eine    auf den hohen Bekanntheitsgrad die-
  barrierefreie Wohnung zu erhalten,     ser Stelle aber auch auf die sich än-
  da in München nach wie vor zu we-      derten Bedürfnisse der Menschen mit
  nig erschwinglicher barrierefreier     Behinderungen zurück. Menschen mit
  Wohnraum vorhanden ist.                Behinderungen und ihre Angehörigen
„ Ein Schwerpunkt sind Menschen,         werden selbstbewusster und fordern
  die aufgrund ihrer Behinderung         die Teilhabe ein.
  eine Wohnform suchen, bei der
4.1.3.7 Sonstiges
     Nicht immer sind die Anliegen der
     Menschen, die meine Beratung in
     Anspruch nehmen klar einer Katego-
     rie zuzuordnen. Die oben genannten
     Themen sind die Bereiche, zu denen
     Betroffene hauptsächlich meine Hilfe
     suchen. Zudem gibt es eine bunte
     Mischung unterschiedlichster Anlie-
     gen außerhalb dieser Bereiche. Diese
     Anliegen kommen in der Regel nicht
     von Menschen mit Behinderungen
     oder nahe stehenden Personen, son-
     dern vielmehr von Ratsuchenden, die
     keinen direkten Kontakt zu Menschen
     mit Behinderungen haben. Dabei geht
     es meist um den Umgang mit ihnen
     und die damit einhergehenden Unsi-
26
     cherheiten.
4.1.4 Fallbeispiel                      Erstberatung:
Situation vor der Beratung:             Im persönlichen Gespräch bei mir in
Familie S. ist von den Vereinigten      der Burgstraße verschaffe ich den
Staaten zurück nach München ge-         Eltern einen Überblick über das Hilfe-
zogen, sie haben einen schulpflich-      system und mir einen Überblick über
tigen Sohn (15 Jahre) mit Asperger-     Ihre bisherigen Aktivitäten.
syndrom.                                Mir wird während der Beratung
                                        schnell klar, dass schnellstmöglich
In den Vereinigten Staaten war der      eine Schulbegleitung gefunden und
Sohn in einer Regelschule und hatte     finanziert werden muss, damit der
dort auch einen Schulbegleiter, alle    Sohn von Familie S. die Schule nicht
hierfür notwendigen Hilfen und Un-      zum Halbjahr verlassen muss.
terstützungen wurden von der Schule
organisiert.                            Meine ersten Maßnahmen sind:
                                        „ Ich stelle Kontakt zu Vereinen her,
Der Sohn geht seit zwei Monaten an        die Schulbegleitungen anbieten
eine städtische Realschule, es gibt     „ Ich trete mit den Kostenträgern in
massive Probleme:                         Kontakt und Bitte die Klärung der      27
„ Die Schule ist mit der Situation        Kostenübernahme nicht auf dem
   überfordert.                           Rücken der Familie auszutragen
„ Die Eltern suchen verzweifelt nach    „ Ich suche nach Wegen, wie eine
   Hilfe und Unterstützung.               Finanzierung der Schulbegleitung
„ Die Eltern suchen dringend eine         starten kann, auch wenn die benö-
   Schulbegleitung, wissen aber nicht     tigten Gutachten noch nicht voll-
   wer sie bezahlt und wo sie bean-       ständig sind.
   tragt werden muss.                   „ Ich bespreche mit der Familie das
„ Der Bezirk Oberbayern schickt sie       weitere Vorgehen (Antragstellung
   zum Jugendamt der Stadt Mün-           bei beiden Kostenträgern, beibrin-
   chen und umgekehrt.                    gen von Gutachten zur Behinde-
„ Die Behörden schieben die Verant-       rung), damit eine baldige Kosten-
   wortung hin und her.                   übernahme der Schulbegleitung
„ Die Behörden zweifeln die Gutach-       realisiert werden kann.
   ten aus den Vereinigten Staaten      „ Wir vereinbaren einen Folgeter-
   an.                                    min.
„ Ein zu erwartender Begutach-
   tungstermin ist in frühestens zwei   Folgeberatung/en:
   bis drei Monaten zu erwarten.        Familie S. kommt zu weiteren Bera-
                                        tungsterminen und folgende Situation
                                        stellt sich dar:
„ Die Familie hat mittlerweile sämt-   Mittlerweile ist die Kostenfrage
       liche Anträge, zur Sicherheit bei    geklärt, die Familie hat eine zuver-
       allen möglichen Kostenträgern,       lässige Schulbegleiterin gefunden,
       gestellt.                            die bei der Familie angestellt ist, und
     „ Die Familie hat Kontakt zu Ver-      die gesamte Situation hat sich ent-
       einen und Organisationen, die        spannt. Nach Ende des Schuljahres
       Schulbegleitungen anbieten, auf-     hat sich die Familie wieder bei mir
       genommen.                            gemeldet und mir mitgeteilt, dass ihr
     „ Problem: Kein Verein hat freie       Sohn das Klassenziel erreicht hat und
       Kapazitäten.                         er inzwischen auch sozial sehr gut an
     „ Ich mache die Familie auf die        der Schule integriert ist.
       Möglichkeit aufmerksam, dass sie
       die Schulbegleitung auch bei sich    Mein Fazit:
       selbst anstellen kann (Arbeitge-     Anhand dieses Beispiels möchte ich
       bermodell).                          aufzeigen, wie schwierig, ja nahezu
     „ Problem/Schwierigkeit: Die Fami-     unmöglich es ist, die nötigen Hilfen
       lie muss alles selbst organisieren   im System ohne Unterstützung zu
28
       (Schulbegleiter finden, Schulbe-      bekommen bzw. durchzusetzen. Es
       gleiter anstellen und abrechnen).    zeigt aber auch, was möglich ist,
     „ Die Familie will diesen Schritt      wenn die Menschen die nötigen Hil-
       gehen, da ihr Sohn dringend eine     fen erhalten.
       Schulbegleitung benötigt und sie
       den „Rauswurf“ zum Halbjahr
       verhindern wollen.
     „ In den kommenden Wochen
       nimmt die Familie immer wieder
       mit mir zu der einen oder anderen
       Frage Kontakt auf und um mir den
       Stand mitzuteilen.
4.1.5 Fazit aus den Beratungen
In meiner Wahrnehmung waren die
Beratungsanliegen der letzten bei-
den Jahre thematisch deutlich breiter
gefächert, als noch zu Beginn meiner
Tätigkeit. Ging es anfangs hauptsäch-
lich noch um Fragen zur Sozialhilfe
und Mobilität, so erhalte ich jetzt viele
Anfragen zur Einforderung von Teilha-
be am kulturellen Leben und auch zu
Bildung und Schule. Die zunehmende
Breite der Anliegen zeigt meiner Mei-
nung nach, dass das Thema Behinde-
rungen nun auch von den Betroffenen
als Querschnittsthema behandelt wird.
Die einzige Folge daraus kann nur
sein, dass mit der Breite der Anliegen
auch die Breite des Beratungsange-          Protestaktion am 05. Mai 2010
bots zunehmen muss.                                                                                         29
                                            erhoffen, habe ich bereits beschrie-
4.2 Gremien- und Öffentlichkeitsarbeit      ben. Da ich dazu beitragen möchte,
Den aktuell zeitintensivsten Teil mei-      dass nun nach der Ratifizierung auch
ner Arbeit, die Beratungen habe ich         wirklich etwas passiert, war ich zu
bereits beschrieben. Die beiden an-         dieser Thematik sehr aktiv: Im Jahr
deren großen Bereiche, Gremien- und         2009 haben der Behindertenbeirat
Öffentlichkeitsarbeit möchte ich im         und ich eine Aufklärungskampagne zur
folgenden zusammengefasst beschrei-         UN-Behindertenrechtskonvention ge-
ben, da eine Trennung nicht immer klar      startet. Deren Ziel ist die Bekanntma-
möglich ist. Deshalb werde ich nun,         chung der Konvention einerseits und
nach den je wichtigsten Themen der          die Aufklärung über die Situation von
letzten beiden Jahre aufgegliedert,         Menschen mit Behinderungen ande-
meine Arbeit in diesen Bereichen            rerseits. Im Zuge dessen führten wir
nachskizzieren.                             am 5. Mai, dem europäischen Protest-
                                            tag zur Gleichstellung von Menschen
UN-Behindertenrechtskonvention              mit Behinderungen, gemeinsam eine
Dass die Ratifizierung der UN-Behin-         öffentlichkeitswirksame Postkartenak-
dertenrechtskonvention zu einem             tion durch18. Im Dezember stellten wir
grundlegenden Paradigmenwechsel             in Form eines Adventskalenders jeden
in der Behindertenarbeit geführt hat
                                            18
und sich die Menschen viel von ihr               http://bb-m.info/bb-m/bb-m/un_behindertenrechtskonventi-
                                                 on/postkartenaktion_un_behindertenrechtskonvention.php
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