Tollhaus Tankstelle Das E10-Experiment ist gescheitert: Deutschlands Autofahrer wollen den angeblichen Biosprit einfach nicht haben ...
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Wirtschaft VERKEHR Tollhaus Tankstelle Das E10-Experiment ist gescheitert: Deutschlands Autofahrer wollen den angeblichen PICTURE-ALLIANCE / DPA Biosprit einfach nicht haben. Mineralölkonzerne, Autohersteller und Politiker schieben sich die Schuld gegenseitig zu, bezahlen muss der Verbraucher. Aral-Tankstelle in Düsseldorf: „In vielen Ländern hungern Menschen, da gehört Weizen nicht in den Tank“ m brandenburgischen Schwedt, wo die Menschen, da gehört Weizen nicht in den war Teil eines Deals, mit dem sich die I „Druschba“-Pipeline endet und der Geruch sibirischen Erdöls in der Luft liegt, gibt es in diesen Tagen viel zu Tank.“ Für die Schlappe bezahlen muss freilich der Autofahrer. Aral, Shell, Esso, Jet und Autohersteller vor noch strengeren Um- weltschutzauflagen der Europäischen Union gedrückt haben. tun. Der Osterreiseverkehr steht bevor, Co. haben ihre Preise schon erhöht, um Eigentlich wollte die EU den Autokon- Deutschlands Tankstellen brauchen Ben- ihre Extra-Ausgaben hereinzuholen. Die zernen vorschreiben, dass ihre neuen Mo- zin. Die Produktion in der Schwedter Umstellung der Raffinerien und Tankstel- delle im Durchschnitt künftig nur noch PCK-Raffinerie läuft auf Hochtouren. len auf E10 hat nach Branchenangaben 120 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer Nur beim Bioethanol ist wenig los. Bis einen dreistelligen Millionenbetrag gekos- ausstoßen dürfen. Der Plan hätte die deut- zu hundert Millionen Liter Pflanzen- tet; die Rückabwicklung dürfte nicht viel schen Unternehmen härter getroffen als schnaps lagern in zwei randvollen Tanks, billiger sein. die auf Kleinwagen spezialisierten italie- genug für eine Milliarde Liter Biosprit. Hinzu kommen Strafen, die die Mine- nischen und französischen Autobauer. Aber die Nachfrage ist viel geringer als ralölindustrie an den Staat bezahlen muss, Mit Hilfe von Bundeskanzlerin Angela erwartet, weshalb die ganze Produktion weil sie die gesetzliche Quote für Pflan- Merkel handelten die Deutschen eine Art jetzt umgestellt werden muss: Weg von zenkraftstoffe nicht schaffen wird. Der Rabatt aus. Den europäischen Autokon- E10 mit seinem zehnprozentigen Pflan- zuständige Verband geht von bis zu 456 zernen wurde erlaubt, zehn Gramm CO - ² zenanteil, zurück zum alten Super. Millionen Euro Bußgeld allein für dieses Verringerung durch „ergänzende Maß- Deutschlands Autofahrer haben den Jahr aus; das entspricht etwa zwei Cent nahmen“ zu erreichen, wie es damals angeblichen Biosprit duchfallen lassen. Strafe pro Liter herkömmlichen Benzins. hieß, etwa durch das Betanken mit Bio- Der von der Politik unternommene Ver- Man kann davon ausgehen, dass die Kon- sprit. such, ihnen ein ökologisch fragwürdiges zerne auch diesen Betrag schnell auf den Nach dem E10-Flop sieht es so aus, als und zudem auch noch teures Produkt an- Benzinpreis aufschlagen. müssten sich die Ingenieure etwas Neues zudrehen, ist im ersten Anlauf gescheitert. Zusätzlich belastet werden Autofahrer, einfallen lassen, um den Schadstoffaus- Bundesumweltminister Norbert Röttgen weil sie oft nur noch das teure Super Plus stoß zu begrenzen. („Wir packen mehr Bio ins Benzin“) steht tanken können. Unterm Strich dürfte das Die Autobosse sind selbst schuld an jetzt genauso blamiert da wie die Mine- E10-Experiment die Autofahrer in diesem der Misere. Sie hätten ein Interesse ge- ralölwirtschaft und die Automobilindu- Jahr einen Milliardenbetrag kosten. habt, E10 zu einem Erfolg zu verhelfen, strie. „Die Verbraucher haben entschie- Aber auch für Volkswagen, Daimler doch davon war wenig zu spüren. Statt- den“, sagt Unionsfraktionschef Volker und BMW wird die Ökoposse noch un- dessen trugen sie zur allgemeinen Ver- Kauder: „In vielen Ländern hungern angenehme Folgen haben. Der Biosprit unsicherung bei. 62 D E R S P I E G E L 1 6 / 2 0 1 1
WALTRAUD GRUBITZSCH / PICTURE-ALLIANCE / DPA Bioforschungszentrum in Leipzig: Ein weltweit akzeptiertes Zertifizierungsverfahren für Biosprit gibt es noch nicht Viele Autobesitzer wissen noch immer kaputtgemacht hat, muss freilich der Au- Mineralölkonzerns Shell, kommentiert nicht zweifelsfrei, ob ihr Fahrzeug E10 tofahrer erbringen, eine „große Hürde“, das Tollhaus an der Tankstelle so: „E10 verträgt. Die Listen der Hersteller sind wie der ADAC-Jurist Ulrich May sagt. ist unser Stuttgart 21.“ unvollständig. Sogar das Bundesinnenmi- Bei der Einführung von E10 „haben wir Aus ökologischer Sicht ist es freilich nisterium wies seine Beamten deshalb an, Mist gebaut“, gesteht ein Automanager. ein Segen, dass E10 beim Verbraucher Dienstfahrzeuge vorerst nicht mit Bio- Man habe zugelassen, dass eine große durchfällt. „Steigende Ethanolmengen im sprit zu betanken. Gleiches galt für alle Unsicherheit entstanden ist, obwohl fast Benzin sind keine sinnvolle Klima- oder nachgeordneten Behörden und Einrich- alle Autos der deutschen Hersteller E10 Umweltschutzmaßnahme“, heißt es in tungen, die Bundespolizei und das Tech- problemlos vertragen (siehe Seite 64). einer Stellungnahme von Greenpeace. nische Hilfswerk beispielsweise. Allzu Die meisten Vertreter der Automobil- „Das bringt nichts“, erklärt der Bund für groß war die Sorge, ein Einsatzfahrzeug hersteller aber schieben die Verantwor- Umwelt und Naturschutz (BUND). Der könnte mit Motorschaden liegenbleiben. tung weiter zur Mineralölindustrie. Die Naturschutzbund Nabu rät: „Autofahrer Saab schränkte die Zahl der E10-geeig- wisse schließlich, wie man neue Sprit- sollten besser herkömmlich tanken.“ neten Modelle nachträglich ein. BMW sah sorten einführt. Wenn es um ein Formel- Neun große europäische Umweltver- sich zu „Konkretisierungen“ genötigt. 1-Benzin ginge, würde sie auch große bände haben in einer gemeinsam finan- Auch Audi und Seat korrigierten ihre An- Werbekampagnen starten. zierten Studie am Londoner Institut für gaben. Tatsächlich war das Interesse von Aral Europäische Umweltpolitik herausgefun- Ohnehin handelte es sich aus Sicht vie- und Co. am Biosprit gering. Die Konzer- den, dass die Umweltbilanz von Kraftstoff ler Autofahrer um ein wenig vertrauens- ne sind durch ein Gesetz zum Einsatz aus nachwachsenden Rohstoffen nicht po- würdiges Verfahren, den Fahrzeugschein von Treibstoffen aus nachwachsenden sitiv, sondern negativ ist. Biosprit sei mit Listen aus dem Internet zu verglei- Rohstoffen verpflichtet. Dieser Pflicht „schädlicher für das Klima als die fossilen chen, zumal in einem Land, in dem jeder kommen sie nach, mehr aber auch nicht. Energien, die er ersetzen soll“, so das ver- Schokoriegel mit präzisen Inhalts- und Und so verließ sich bei der Einführung nichtende Urteil. Verzehrhinweisen gekennzeichnet wer- des Biosprits einer auf den anderen, die Die Studie rechnet im Detail vor, dass den muss. Politik auf die Autohersteller, diese auf weltweit bis zu 69 000 Quadratkilometer Die Hersteller schienen der Sache ja die Mineralölindustrie und die wiederum Wald, Weiden und Feuchtgebiete als selbst nicht zu trauen. Erst nach wochen- auf Daimler, Volkswagen und BMW. Ackerland kultiviert werden müssten, um langer Debatte gaben die Autokonzerne Die Autofahrer, die das Benzin tanken allein den künftigen Biospritbedarf der ein Haftungsversprechen für E10-Schäden sollen, hatte offenbar niemand im Blick. Europäer zu decken. Das ist eine Fläche ab. Den Beweis, dass Biosprit den Motor Peter Blauwhoff, Deutschland-Chef des von mehr als der doppelten Größe Bel- D E R S P I E G E L 1 6 / 2 0 1 1 63
Wirtschaft praktizierten Techniken der Kohlever- flüssigung. Langsame Reife Die Autohersteller VW und Daimler sind Partner des Unternehmens; der Ölkonzern Shell war auch eingestie- Warum Biokraftstoffe trotz des E10-Desasters gen, zog sich jedoch vor eineinhalb eine Zukunft haben können Jahren wieder zurück, als sich das BtL- Verfahren als sehr schwierig und teuer ass der Genuss von Alkohol Die technischen Vorbehalte sind erwies. Gestützt von geduldigen Inves- D die Fahrtüchtigkeit beeinträch- tigt, ist erwiesen. Dass auch die Betankung des Fahrzeugs mit die- letztlich ähnlich irrational wie bei der Einführung des bleifreien Benzins vor über 20 Jahren, aus der sich letztlich toren, macht Choren nun weiter und fand bereits Abnehmer für die Tech- nologie in Nord- und Südamerika, sem Rauschmittel Probleme schafft, keine technischen Probleme ergaben – Frankreich, Skandinavien und Asien. erlebte die Mineralölwirtschaft im auch damals gab es eine weitverbrei- Einstige Pläne für Großraffinerien, die Zuge der Einführung der neuen Kraft- tete Angst vor Motorschäden. Holzschnitzel aus deutschen Baum- stoffsorte E10. Der Umweltnutzen von heutigem plantagen in BtL-Diesel verwandeln Sie besteht zu einem Zehntel aus Biosprit ist zwar umstritten. Langfris- sollten, liegen jedoch auf Eis. Alkohol. Aus Korn oder Zuckerrüben tig dürfte Kraftstoff vom Acker den- Einen schnelleren Durchbruch er- gewonnen, soll er als Ersatz für Erdöl- noch eine Schlüsselrolle zum Erhalt warten die Shell-Forscher von einer raffinate Klima und Ressourcen scho- industriellen Wohlstands zukommen, anderen Technologie der zweiten nen – doch die meisten Autofahrer wenn Öl und Erdgas zur Neige ge- Generation, die in den vergangenen boykottieren den Sprit vom Acker. hen – aus Mangel an Alternativen. Jahren ähnlich schleppend vorankam: Durch ihre chaotische Informations- So bleibt Biomasse in den Progno- Ethanol aus Lignozellulose. Dank ei- politik haben Autohersteller und Mi- sen der Internationalen Energieagen- ner Enzymbehandlung soll dabei neralölkonzerne die Verbraucher in tur (IEA) trotz der aktuellen Probleme Stroh oder Holz in Zucker und da- große Verunsicherung gestürzt. Doch ein entscheidendes Element. Im Jahr nach in Alkohol verwandelt werden. Grünzeug Grünzeug im TTank ank Reichweiten Reichweiten für Biokraftstoffe* Biokraftstofffe* Biomethan Bi me han aus den Jahreserträgen Jahreserträgen eines 677 600 Hektars Hektars Anbaufläche km m Bt ((Biomass BtL Bioomass mas to to Liquid) qui ) Quelle: FFachagentur achagentur 64000 4 000 km Nachwachsende Nach wachsende RRohstoffe ohstoffe ee.V. .V. Biodiesel Bi diesel 23300 223300 3330 300 00 km Bioethanol B Bioethan oet an 2050, schätzt die IEA, könnten aus In Nordamerika genießt die For- 22 22400 42040 km 22400 40 400 k0m Pflanzen gewonnene Raffinate welt- schung enorme staatliche Förderung; * bei einem Verbrauch von 7,4 , l/100 km für weit einen Anteil von gut einem Vier- und auch die deutsche Südzucker AG Otto- Otto- bzw. bzw. 6,1 6,1 l/100km l / 100 km für Dieselmotoren Dieselmotoren tel am gesamten im Straßenverkehr experimentiert in diesem Bereich. Nir- benötigten Kraftstoffbedarf haben. gends gelang jedoch der Sprung zu die dadurch geschürten Ängste der Diesen Ersatz allerdings wird der großtechnischen, wirtschaftlich funk- Autofahrer, der Alkoholzusatz könne heute so ineffizient gewonnene tionierenden Anlagen. dem Fahrzeug schaden, sind in fast al- Schnaps aus Getreidekorn nicht mehr Shell pflegt eine Partnerschaft mit len Fällen unbegründet. Von den Au- decken können. Der Ertrag liegt nur dem kanadischen Unternehmen Io- tos deutscher Hersteller vertragen 99 bei etwa 1600 Litern Benzinäquivalent gen. „Zellulose-Ethanol ist deutlich Prozent aller Fahrzeuge mit Benzin- pro Hektar (siehe Grafik). näher an der Vermarktungsreife als motor die Sorte E10. Hoffnungen auf umweltverträg- BtL“, erklärt Mark Gainsborough, bei In den Vereinigten Staaten ist E10 lichere Brennstoffernten als E10 we- dem Ölkonzern verantwortlich für bereits seit 1997 Standard. Von Mo- cken die Biokraftstoffe der zweiten die Entwicklung alternativer Kraft- torschäden durch den höheren Alko- Generation. Bei diesen Technologien stoffe. holanteil ist nichts bekannt – und das sollen nicht nur Früchte oder Knollen, Als Einsatzfeld sieht er unter an- im Land der Schadensersatzklagen. sondern die gesamten Pflanzen ge- derem die brasilianischen Energie- Dass auch die Wagen in Deutsch- nutzt werden. Allerdings sind dafür plantagen, wo in enormen Mengen land Alkohol im Benzin vertragen, wesentlich komplexere Verarbeitungs- Zuckerrohr zu Ethanol verarbeitet, zeigte schon die geräuschlose Umstel- methoden nötig, die viel langsamer die Bagasse jedoch meist nutzlos ver- lung auf E5 (Ethanolanteil: 5 Prozent) zur Marktreife finden als gedacht. brannt wird. Ließe sich diese in Zu- im Laufe der vergangenen Jahre. Für Aufsehen sorgte etwa die im cker verwandeln, entstünde laut Ein Restrisiko beim Tanken von E10 sächsischen Freiberg ansässige Choren Gainsborough das Potential einer Ver- besteht lediglich bei Oldtimern und Industries GmbH. Als erstes Unter- dopplung des Ethanolertrags. älteren Autos. Bei diesen Wagen nehmen der Welt wollte sie im großen In Brasilien würde das Hektarerträ- könnte es zu Auflösungen von Kunst- Stil Holz oder Stroh in hochwertigen ge von über 12 000 Litern bedeuten – stoffteilen in der Kraftstoffanlage Dieselkraftstoff verwandeln. Das Ver- kein Vergleich zur ärmlichen Energie- kommen, da diese noch nicht für Al- fahren nennt sich „Biomass to Liquid“ ernte aus deutschem Korn. kohol ausgelegt wurde. (BtL) und ähnelt den bereits früher CHRISTIAN WÜST 64 D E R S P I E G E L 1 6 / 2 0 1 1
sondern nur zertifiziertes. Details stehen in der Biokraftstoffverordnung, die im Ja- nuar 2011 in Kraft trat. Agrosprit darf demnach nur dann „Bio“ genannt wer- den, wenn er beim CO -Ausstoß um min- ² destens 35 Prozent niedriger liegt als her- kömmliches Benzin. In Wahrheit handelt es dabei aber nur um eine Art Absichtserklärung, zumin- dest bislang. Das Problem ist, dass es ein weltweit akzeptiertes Zertifizierungsver- fahren für Biosprit noch gar nicht gibt. In den USA gelten andere Regeln als in Bra- silien. Mal sind die Auflagen lasch, mal PATRICK PLEUL / PICTURE ALLIANCE / DPA locker. Es gibt auch kaum Kontrollen. Die Agrarspritindustrie in Deutschland stützt sich vor allem auf ein Zertifikat na- mens „Redcert“. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hat es im Sommer 2010 offiziell anerkannt. Interessant ist, wer hinter „Redcert“ steckt: der Deutsche Bauernverband, die Raffinerie in Schwedt: Die Produktion muss wieder umgestellt werden – weg von E10 Union zur Förderung von Oel- und Pro- teinpflanzen, der Biokraftstoffverband, giens. Als Folge würden jährlich bis zu Euro Umsatz je Hektar. So steht es in ei- der Mineralölwirtschaftsverband. Sie alle 56 Millionen Tonnen CO freigesetzt. Ge- ner Studie des World Wildlife Fund. Das haben ein Interesse, dass Biosprit ein ² nauso gut könnte man 12 bis 26 Millionen risikolose Business zieht allerlei Geschäf- kommerzieller Erfolg wird. Kritiker be- zusätzliche Autos auf Europas Straßen temacher an. Landwirte, Großgrund- zeichnen „Redcert“ als Schmalspursiegel. herumfahren lassen – der Ausstoß an kli- besitzer, Betreiber von Ethanol- und Bio- Bei der Zertifizierung werde beispiels- maschädlichem Kohlendioxid wäre der gasanlagen, Düngemittelhersteller – sie weise nicht beachtet, welche Verdrän- gleiche. alle profitieren von den märchenhaften gungseffekte entstehen, wenn ein Land- Um nur den deutschen Mehrbedarf an Renditen im Agrogeschäft. wirt auf seinem Feld Energiepflanzen Biosprit decken zu können, braucht es Dort, wo jetzt Mais und Weizen für die anbaut. ein Anbaugebiet von einer Million Hekt- Ethanolanlagen angebaut werden, kön- Der Hickhack um den Biosprit hat Au- ar, also etwa viermal das Saarland, das nen naturgemäß keine anderen Feldfrüch- tofahrer und Politik so verunsichert, dass gedüngt, mit Pestiziden behandelt und te mehr wachsen. Energiepflanzen und nun selbst vernünftige Vorschläge kaum intensiv bewirtschaftet werden müsste. Nahrungsmittelpflanzen stehen in Kon- noch eine Chance haben. So will die EU, „Wer E10 tankt, hilft nicht der Umwelt kurrenz; die Frage lautet: Tank oder Tel- dass Kraftstoffe künftig danach besteuert und nicht dem Klima“, sagt Hubert Wei- ler. Für eine einzige Tankfüllung mit E10 werden, wie viel Energie sie enthalten ger, Vorsitzender des BUND. wird so viel Weizen benötigt, wie ein Er- und wie viel Kohlendioxid sie beim Ver- Das Büro für Technikfolgen-Abschät- wachsener in einem ganzen Monat essen brennen erzeugen. Die Steuer auf Diesel zung beim Deutschen Bundestag forderte kann. müsste demnach höher sein als die auf in einer Expertise „die stufenweise Zu- Die Unternehmensgruppe Wernsing Benzin. rücknahme der Biokraftstoffquote bis zu aus dem Oldenburger Münsterland, ein In Deutschland ist das bislang umge- ihrer völligen Abschaffung“, im Klartext: großer Feinkost- und Salatehersteller mit kehrt, Diesel wird subventioniert, was Schluss mit E10, zurück zum alten Super- 2900 Beschäftigten, beklagte ökologisch unsinnig ist. Doch Benzin. sich beim Bundesumweltminis- als die Brüsseler Pläne bekannt Doch ein Ausstieg aus der Agrarsprit- ter bereits darüber, dass es in Der Hickhack wurden, kündigte die Bundes- produktion wäre kompliziert. Die Ent- Niedersachsen schon nicht hat alle so ver- regierung Widerstand an. Sie wicklung ist weit fortgeschritten. Land- mehr genug Kartoffeln gebe. unsichert, dass fürchtet wohl einen Aufschrei wirtschaft und Industrie haben sich um- Der Maisanbau habe alles an- selbst vernünf- der Autofahrer, wenn Diesel gestellt. dere verdrängt. Andere Nah- tige Vorschläge teurer werden müsste. Die EU peilt für das Jahr 2020 einen rungsmittelhersteller schlossen Einen eigenen Plan, wie die Biospritanteil von 10 Prozent an. Brasi- sich dem Protest an. Auch kaum noch eine Kraftstoffbesteuerung nach lien plant sogar mit einem Anteil von 50 Brauereibesitzer monierten, Chance haben. ökologischen Kriterien ausse- Prozent. Die USA haben sich als Ziel ge- dass bei ihnen der Rohstoff hen müsste, aber hat die Regie- setzt, die Produktion von Biosprit bis knapp werde. Der Präsident des Verban- rung nicht. Und so ist auch noch offen, 2022 von derzeit 50 Milliarden Liter auf des der bayerischen Privatbrauereien wie es beim Biosprit weitergeht. über 130 Milliarden Liter jährlich zu stei- kündigte vorsorglich an, dass die Kiste Die deutschen Autofahrer, die in den gern. Dafür geben sie jährlich etwa zwölf Bier deshalb demnächst um 30 bis 50 nächsten Tagen in den Osterurlaub fah- Milliarden Dollar an staatlichen Förder- Cent teurer werden müsse. ren, dürften sich über die Lage an den geldern aus. Die Bundesregierung kennt das Phäno- Tankstellen wundern. Mal gibt es wieder Der Subventionswettlauf ist auch in men. Umweltminister Röttgen bestreitet Super, mal nur Super Plus, mal sogar Europa im Gange. Die durchschnittliche auch nicht, dass die Monokulturen noch E10. In Bayern und Baden-Württem- Hektarprämie für Bauern in Deutschland schlecht für die Natur sind. Er beteuert berg ist der Biosprit noch fast überall er- liegt bei etwa 340 Euro. Baut ein Land- aber, dass in Europa nur solches Ethanol hältlich. In Nordrhein-Westfalen ist er auf wirt jedoch Biospritpflanzen auf seinem und Biogas verwendet werde, das eine dem Rückzug. Und in Hamburg war er Acker an und verarbeitet sie zu Strom positive Umweltbilanz aufweise. Es kom- nie angekommen. DIETMAR HAWRANEK, oder Biogas, bringt er es auf bis zu 3000 me nicht irgendwelches E10 in den Tank, ALEXANDER NEUBACHER D E R S P I E G E L 1 6 / 2 0 1 1 65
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