Tony Reis: Führt Swisscom erfolgreich in die Markt-Freiheit

 
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INTERVIEW

Tony Reis: Führt Swisscom erfolgreich in
die Markt-Freiheit
              Seit einem Jahr steht der Ex-IBM Topmanager                   «alten Wein in neuen Schläuchen», der Börsengang
              Tony Reis an der Spitze der Swisscom. Ein Jahr,               in einem bezüglich der Finanzmärkte extrem schwie-
              welches den einstigen Monopolbetrieb einem                    rigen Umfeld war erfolgreich und wir haben uns als
              neuen Wind aussetzte, dem frischen Wind der                   Blue Chip etabliert und schliesslich haben wir eine
              Liberalisierung. Reis, mit hartem Konkurrenz-                 ganze Reihe neuer Produkte auf den Markt gebracht.
              kampf im Gebiet der Informatik wohlvertraut,
              hatte eine Crew übernommen, die bis anhin ge-                 asut: Dies alles geschah ja in einem neuen, liberalisierten
              wohnt war, in ruhigen, regulierten Gewässern zu               Markt. Ihre Kunden haben diese neuen Rahmenbedingungen
              segeln. Darüber, wie er das Unternehmen innert                schnell begriffen, haben sich angepasst. Wie steht es bei Ihren
              kurzer Zeit umkrempelte, einen eigentlichen                   Mitarbeitern, welche ja bis vor kurzem Beamte in einem
              Kulturwandel einleitete und als bisher grössten               Monopolbetrieb waren? Haben auch sie die Köpfe gedreht?
              Erfolg Swisscom erfolgreich an die Börse brach-               Tony Reis: Was Sie ansprechen ist der «Kultur-
              te, unterhielt sich mit ihm bulletin-Redaktor Gui-            wandel». Nun, es wäre naiv zu glauben, dass eine
              do Wemans.                                                    Unternehmenskultur, welche über Jahrzehnte ge-
                                                                            wachsen ist und durch ein entsprechendes Umfeld
              asut: Am 16. Januar 1998 - also fast auf den Tag genau        geprägt worden ist, sich innerhalb von ein paar Wo-
              vor einem Jahr - wurden Sie als Nachfolger von Felix Rosen-   chen oder Monaten ändert. Es hat sich tatsächlich
              berg zum Präsidenten der Konzernleitung von Swisscom im       bereits viel geändert, wir sind ein grosses Stück in die
              Range eines Generaldirektors ernannt. Was ziehen Sie für      richtige Richtung weitergekommen. Dies sage ich
              eine Bilanz über dieses erste «Amtsjahr»?                     nicht alleine aus einer subjektiven Sicht heraus, ich
              Tony Reis: Also zuerst: es ist kein «Amtsjahr», wir           höre natürlich sehr viel von Seiten der Kunden, des
              sind ein Unternehmen und kein Amt mehr! Insge-                Marktes. Der Kulturwandel ist voll im Gange.
              samt ziehe ich eine positive Bilanz. Es war zwar ein
              sehr turbulentes, hektisches Jahr, wie es zu erwarten         asut: Haben die prominenten Abgänge im Kaderbereich vom
              war in diesem liberalisierten Umfeld, in welchem es           letzten Jahr mit diesem Kulturwandel zu tun? Haben diese
              beides gibt: Positives und Negatives. Aber das Positi-        Leute die Köpfe nicht so drehen können oder wollen, wie Sie
              ve überwiegt eindeutig. Wir haben sehr viel erreicht:         dies von ihnen erwarteten? Besteht bei Swisscom ein Manage-
              Wir haben uns als Unternehmen profiliert. Der                 ment-Problem?
              Namenswechsel Ende 1997 bedeutet mehr als nur                 Tony Reis: Nein, wir haben kein Management-Pro-
                                                                            blem. Ich sehe bei den erfolgten Wechseln eher ein
                                                                            Zeichen dafür, dass auch in dieser Beziehung «Markt»
                                                                            eingekehrt ist. Den Beamten - auf allen Stufen-, der
                                                                            im Sinne einer Lebensstelle einmal eine bestimmte
                                                                            Verantwortung übernommen hat, gibt es nicht mehr.
                                                                            Mit anderen Worten: die von Ihnen angesprochen
                                                                            Abgänge waren normale Wechsel, wie wir sie auch in
                                                                            Zukunft haben werden. Das gehört zu einem dyna-
                                                                            mischen Unternehmen.

                                                                            asut: Bleiben wir noch bei der Personalpolitik. Es ist be-
                                                                            kannt, dass bei Swisscom Stellen abgebaut werden müssen.

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INTERVIEW

Nicht zuletzt zeigt der internationale Vergleich, dass Swisscom Tony Reis: Wir können die rund 4000 Arbeitsplätze
sehr stark mit Personal ausgerüstet ist. In welcher Grössen- leider nicht alleine durch natürliche Abgänge und
ordnung wird der Abbau liegen?                                  frühzeitige Pensionierungen abbauen. Einen grossen
Tony Reis: Ich weiss nicht, aufgrund welcher Infor- Teil davon zwar, aber nicht alle. Aber die Frage der
mationen Sie feststellen, Swisscom sei überdurch- Härtefälle ist zu relativieren. Wir möchten diese, wenn
schnittlich mit Personal ausgerüstet. Bezieht sich Ihre immer möglich, vermeiden. Wir haben Zeit und die
Aussage auf die Produktivität, so stimmt sie nicht. notwendigen Instrumente zur Verfügung, um sowohl
Bezüglich Anzahl Anschlüsse, Anzahl Leitungen pro finanziell wie auch im Sinn von Beratung zu helfen.
Mitarbeiter gehört Swisscom zu den produktivsten
Netzbetreibern in Europa. Dies müssen wir auch sein asut: Aus Ihren Worten schliesse ich, dass Ihnen das Wohl
und müssen es noch verstärkt sein, weil auch unsere Ihres Personal am Herzen liegt. Wie definieren Sie Ihre Ver-
Kosten und Löhne entsprechend höher sind. Obwohl antwortung den MitarbeiterInnen gegenüber?
wir in diesem Sinne produktiv sind, ist es offensicht- Tony Reis: Nun, das was ich Ihnen relativ kühl über
lich, dass wir den Kostendruck, welcher über den den Personalabbau vermittelt habe, lässt mich natür-
Preisdruck des Marktes heute schon da ist, abfangen lich nicht kalt. Es geht bei allen Überlegungen immer
müssen. Dies geschieht - nicht                                                     um Menschen. Aber meine Pflicht
nur - sondern unter anderem
                                            «Es    ist  kein   Geheimnis,          ist es unter anderem auch, mög-
                                          dass unsere Pläne davon
auch durch die Reduktion von                                                       lichst viele Arbeitsplätze zu erhal-
                                            ausgehen, bis ins Jahr
Arbeitsplätzen. Daran führt kein                                                   ten. Es ist daher die Aufgabe des
                                          2001 rund 4000 Arbeits-
Weg vorbei. Es ist auch kein Ge-                                                   ganzen Managements, Rahmenbe-
                                            plätze abzubauen. Wir
heimnis, dass unsere Pläne da-                                                     dingungen zu schaffen, unter wel-
                                        wollen dies aber so sozial-
von ausgehen, bis ins Jahr 2001                                                    chen zukunftsgerichtete Arbeits-
                                           verträglich wie möglich
rund 4000 Arbeitsplätze abzu-                           machen.»                   plätze geschaffen und gesichert
bauen. Wir wollen dies aber so                                                     werden können. Nehmen Sie dazu
sozial-verträglich wie möglich machen. Für viele Leute beispielsweise das Stichwort «Ausbildung». Wir ha-
bringt diese Massnahme Angst und Unsicherheit mit ben kürzlich ein grosses Ausbildungszentrum in Pfäf-
sich. Heute befindet sich das Personal grösstenteils fikon/SZ eröffnet, wir haben ein weiteres in Martigny.
noch in einem öffentlich/rechtlichen Anstellungs- Das Unternehmen hat die notwendige Infrastruktur
verhältnis, oder sogar im Beamtenstatus, und dies zu schaffen, Investitionen zu tätigen und die not-
noch bis Ende des Jahres 2000. Wir könnten uns nun wendigen Freiräume zu vermitteln, damit sich die Leu-
auf den Standpunkt stellen, dass wir die betroffenen te der Entwicklung anpassen können. Ich erwarte auf
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowieso noch be- der anderen Seite von den Mitarbeiterinnen und Mit-
zahlen müssen bis ins Jahr 2000, also machen wir ein- arbeitern Flexibilität und Leistungsbereitschaft. Die
fach nichts. Aber dies wäre meiner Ansicht nach nicht Arbeitsmarktfähigkeit der Leute ist in Zukunft im-
sozial. Darum wollen wir die betreffenden Mitarbei- mer mehr eine Frage der Eigenverantwortung.
ter so rasch wie möglich angehen und geeignete Lö-
sungen suchen. Dabei sind auch die Personalverbände asut: Wie lange wollen Sie diese Aufgabe bei Swisscom aus-
mit einbezogen - mit deren Einvernehmen haben wir führen?
nun auch eine externe Persönlichkeit, Frau Yvette Tony Reis: (lacht) Sie erwarten wohl nicht, dass ich
Jaggi, engagiert. Sie übernimmt dabei die Rolle als Ihnen ein Datum nenne, bis zu welchem ich dies noch
Beobachterin und Vermittlerin.                                  mache! Es gibt natürlich in diesem Zusammenhang
                                                                verschiedene Kriterien, die dabei mitspielen, unter an-
asut: Wird es möglich sein, die Personalreduktion alleine mit derem auch private. Aber letztlich hängt dies auch
natürlichen Abgängen und Frühpensionierungen zu erreichen vom Verwaltungsrat ab, ob er mit dem was ich hier
oder sind auch Härtefälle zu erwarten?                          tue zufrieden ist. Auch gibt es wohl kaum jemals ei-
                                                                nen Zeitpunkt, in dem man sagen könnte, dass nun

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INTERVIEW

                                                                             änderung Mühe haben. Als man mir die asut präsen-
                                                                             tierte, habe ich mich denn auch gefragt, was diese
                                                                             interessante Organisation, welche ja die Kundenbe-
                                                                             dürfnisse repräsentiert, in Zukunft für uns bedeuten
                                                                             könnte. Ich denke, wenn die asut schon ein kunden-
                                                                             und marktorientiertes Unternehmen ist, sollten wir
                                                                             die Chance wahrnehmen, da mitzumachen. Nicht als
                                                                             Prügelknabe der Kommunikationsindustrie, sondern
                                                                             um zu hören, was die Bedürfnisse unserer Kunden
                                                                             sind.

                                                                             asut: Könnten Sie sich vorstellen, dass Swisscom auch, neben
                                                                             anderen Playern, gemeinsam in asut-Arbeitsgruppen mitar-
                                                                             beitet?
                                                                             Tony Reis: Grundsätzlich schon! Ich sehe keinen
                                                                             Grund dafür, uns von anderen Mitbewerbern in die-
              alles erledigt sei. In der ganzen Telekommunikations-          sem Markt zu unterscheiden. Wir sind auf der einen
              industrie bleibt ein Unternehmen in gewissem Sinne             Seite Konkurrenten und werden dies auch bleiben
              eine permanente Baustelle.                                     und uns anstrengen besser zu sein. Auf der anderen
                                                                             Seite gibt es verschiedene Gebiete, wo es nach mei-
              asut: Wie die meisten neuen Player ist Swisscom neuerdings     ner Ansicht vernünftig ist, dass man miteinander
              ebenfalls Mitglied in der asut geworden. Was waren die Grün-   spricht.
              de für den Beitritt in einen Verband, welcher ja vor der Libe-
              ralisierung vorwiegend die Interessen der Telekommunikations- asut: Wie Sie wissen, wendet sich die asut vehement gegen die
              benützer gegenüber dem Monopolisten PTT wahrnahm und Umnumerierungspläne des BAKOM. Nach unserer Ansicht
              gegenüber welchem da und dort noch alte Feindbilder gepflegt basiert der Entscheid für diese Massnahme auf nicht mehr
              werden?                                                          zutreffenden Prognosen und unrichtigen Annahmen. Anlässlich
              Tony Reis: Nun, ich selber bin aus naheliegenden einer kürzlichen Mitgliederversammlung der asut äusserten sich
              Gründen natürlich nicht beeinflusst von der Vergan- neben Repräsentanten des BAKOM Swisscom-Mitarbeiter
              genheit, aber ich habe mich natürlich auch damit alles andere als begeistert zu dieser Frage. Wie stellen Sie sich
              befasst. Dabei habe ich die Aufgabe der asut so ver- zu diesem Vorhaben?
              standen, dass sie dem Monopolisten «Beine machen» Tony Reis: Nun, die Telecom PTT hat damals aus
              wollte. Dies mag zu gewissen Konflikten und Kon- Treu und Glauben, aufgrund von zu jener Zeit vor-
              frontationen geführt haben. Sicher                                                      liegenden Trends, die Befürch-
              war die Zusammenarbeit nicht je- «Ich denke, wenn die asut tung gehegt, dass um das Jahre
              derzeit konstruktiv. Nun hat sich              schon ein kunden- und                    2001/2002 herum tatsächlich ein
              aber das Umfeld geändert und                  marktorientiertes          Unter-         Nummerneng pass entstehen
              jetzt müssen alle dazu lernen,              nehmen       ist,  sollten    wir   die     könnte, vor allem in der
              Swisscom wie auch die asut. Ich                 Chance wahrnehmen,                      Grossagglomeration Zürich. Das
              bin überzeugt, dass es nun, wo                   da    mitzumachen.»                    war die Basis für den Entschluss
              Markt herrscht, nicht mehr die Mission der asut sein für eine gesamtschweizerische Umnumerierung. Ich
              kann, dem grössten Player, der Swisscom, permanent habe das Ganze noch einmal überprüfen lassen. Ich
              «an den Karren zu fahren». Der Veränderungsprozess wollte wissen, ob vor dem Hintergrund einer rasch
              ist jetzt angelaufen. Ich möchte damit nicht sagen, sich ändernden Umwelt, die Annahmen von damals
              dass er überall bereits vollzogen ist. Es gibt wahr- noch richtig sind und welchen Einfluss die rasante
              scheinlich auch bei der asut Leute, die mit dieser Ver- Entwicklung des Mobilfunks hat. Wir sind dann zum

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INTERVIEW

Schluss gekommen, dass der Markt diese Um- sortiment-Anbieter auch Lösungen angeboten erhal-
numerierung nicht braucht! Wir haben keine Num- ten, die sie andernorts nicht bekommen. Früher konn-
mern-Kapazitätsengpässe und es gibt keine Ein- te man über die Telecom
schränkung des Wettbewerbs oder der Konkurrenz. PTT schimpfen und unzu-                        «Wir sind dann zum
Aufgrund dieser Einschätzung habe ich auch der frieden sein; aber relativ zu                   Schluss gekommen,
ComCom mitgeteilt, dass die Umnumerierung aus was? Relativ zu nichts an-                       dass der Markt diese
unserer Sicht nicht notwendig ist. Wenn aber der Re- derem. Aber heute, und                   Umnumerierung nicht
gulator darauf besteht, die Umnumerierung vorzu- das finde ich das Gute am                             braucht!»
nehmen, haben wir nichts anderes zu tun, als sie aus- Markt, kann der Kunden
zuführen. Wir haben daher auch ein Projektteam auf- vergleichen. Und dabei schneiden wir gar nicht so
gestellt, welches intensiv daran arbeitet, die Umstel- schlecht ab. Aber eines stimmt: Momentan verlaufen
lung vorzubereiten.                                          die Preise nur in einer Richtung - nach unten.
    Es gibt aber noch eine andere, eine volkswirtschaft-
liche Dimension des ganzen Problems und ich neh- asut: Das bringt mich auf ein Problem des gegenwärtigen
me an, dass asut vor allem auch diese Seite beleuch- Marktes: Zwar rutschen die Preise immer weiter, aber dafür
ten will. Bei einer Summe von rund drei Milliarden geht die Transparenz immer mehr verloren. Da hat doch Otto
Franken ist diese Frage natürlich schon berechtigt. Normalverbraucher im Dschungel der verschieden Tarife und
Hinzu kommt die Häufung von weiteren, schwerwie- Klauseln den Durchblick längst verloren. Wie stellen Sie sich
genden Problemen wie das Millenium-Problem, die zu dieser Entwicklung?
Anpassung an den Euro und dann noch die Um- Tony Reis: Dasselbe geschieht auch in anderen, li-
numerierung. Diese beinhaltet zudem noch die Ge- beralisierten Industrie- und Wirtschaftsbereichen,
fahr, dass wir uns in ein paar Jah-
                                            «Mit der Liberalisierung zum Beispiel beim Luftverkehr.
ren noch einmal anpassen müssen,              geht auch ein Teil der              Mit der Liberalisierung geht auch
wenn die Europäer mit ihrer Ge-              Transparenz verloren.»               ein Teil der Transparenz verlo-
samt-Numerierung kommen. Aus                                                      ren. Früher gab es zwischen dem
diesen Gründen habe ich Verständnis dafür, dass die Monopolisten und dem Bundesrat eine Tarifrunde
asut nun die Frage stellt, was uns das überhaupt bringt. und alles war wieder für längere Zeit im Lot. Heute
                                                             müssen wir mit dieser neuen Situation leben. Es ent-
asut: Noch eine Frage zum Thema Liberalisierung und frei- stehen ja bereits neue Dienstleistungen, Brokers und
er Markt. Wie positioniert sich heute die Swisscom gegenüber Berater, welche uns ganz genau auf die Finger schau-
ihren Konkurrenten? Im Moment scheinen sich ja die Opera- en, damit wir konkurrenzfähig bleiben. Für uns gilt:
tors zur Freude der Kunden gegenseitig mit Spar- und Sonder- Wir müssen ständig konkurrenzfähig bleiben. Bei der
angeboten zu überbieten. Geht das so weiter und reagiert Leistung und bei den Preisen. Wir müssen unsere Ko-
Swisscom auf jede Preis- und Tarifreduktion mit ähnlichen sten weiter reduzieren. Daran führt für Swisscom kein
Massnahmen? Agiert oder reagiert Swisscom diesbezüglich am Weg vorbei.
Markt?
Tony Reis: In Bezug auf Aktion und Reaktion läuft asut: Kommen wir auf die Beteiligung von Swisscom zu spre-
es natürlich nicht nur in einer Richtung. Wir stellen chen. Da haben wir auf der einen Seite, aus Ihrer Sicht, noch
fest, dass der Preis zwar ein wichtiges, aber nicht al- Altlasten, die sie übernehmen mussten. Es gibt darunter er-
leiniges Element darstellt, denn eine Reihe von Kun- folgreiche und weniger erfolgreiche. Was ist Ihre Strategie?
den, die wir anfänglich offenbar wegen der Tarife ver- Halten? Abstossen? Oder gar neue Ventures eingehen?
loren haben, kehren nun wieder zu uns zurück. Und Tony Reis: Wir verfolgen nicht primär eine Betei-
zwar nicht, weil wir nun plötzlich noch billiger ge- ligungsstrategie, sondern eine Unternehmensstrategie.
worden sind als die Konkurrenz, sondern weil dies Und diese wird gegenwärtig überprüft. Im Rahmen
etwas zu tun hat mit der Qualität, mit dem Service der Umsetzung einer Unternehmensstrategie müssen
und mit der Tatsache, dass sie von einem Voll- wir uns auch die Frage stellen, was wir selber machen

1/1999                                                                                                 asut-bulletin 63
INTERVIEW

              können und wollen und wo wir Beteiligungen, Alli-           Tony Reis: Nein, ich kann dazu noch nichts sagen.
              anzen oder Partnerschaften eingehen wollen. Als Alt-        Die dritte Strategie schliesslich befasst sich mit den
              lasten bezeichne ich die bisherigen Beteiligungen           bestehenden Beteiligungen. Das sind SPT Telecom
              nicht. Es sind dies Entscheidungen, die früher ge-          in der tschechischen Republik sowie Direktinvesti-
              troffen worden sind und die wir dahin überprüfen            tionen in Mobiltelefonanbieter in Malaysia und Indien.
              müssen, ob sie noch in unsere Strategie passen. Wir
              verfolgen gegenwärtig drei Szenerien oder Strategi-         asut: Kommen wir zurück in die Schweiz. Stichwort
              en: Die erste geht der Frage nach, was zu tun ist, um       Cablecom. Swisscom als grosser Internet Access Provider hat
              das Wachstumspotential auch in die Zukunft zu si-           eine Beteiligung an Cablecom und diese wiederum hat sich Swiss
              chern. Der kleine Schweizer Markt mit rund 7 Mil-           Online einverleibt. Die Frage lautet nun: Bleibt dies so? Hat
              lionen Menschen reicht dazu nicht aus. Darum ha-            Swisscom überhaupt bei Cablecom noch etwas zu sagen? Wer
              ben wir unsere Strategie geografisch gesehen, klar          ist dort eigentlich der starke Mann?
              definiert: Es ist unsere «Heart of Europe»-Strategie,       Tony Reis: Einen starken Mann in diesem Sinne gibt
              welche die umliegenden Ländern einschliesst: Estel          es nicht. Cablecom wird nach einer klaren «Corpora-
              im Elsass, Tesion in Baden-Württemberg, UTA in              te Gouvernance» geführt. Der Verwaltungsrat setzt
              Österreich und nun auch Swisscom SPA in der Lom-            sich primär aus den drei Shareholders zusammen:
              bardei. Damit können wir eine Gesamtpopulation von          Vebacom, Siemens und Swisscom. Wir treffen uns
              rund 24 Millionen Menschen erreichen.                       im Verwaltungsrat als gleichberechtigte Aktionäre mit
                 Die zweite Strategie geht der Frage nach, welche         dem CEO, Herr Dietiker, der die entsprechende Um-
              Allianzen wir eingehen sollen, um unseren grossen           setzung und Verantwortung wahrnimmt.
              internationalen Kunden adäquate Lösungen anbie-                 Was Swiss Online betrifft, so ist folgendes ja recht
              ten zu können. Wie Sie wissen hat sich AT&T ent-            interessant. Als ich vor zwei Jahren hier begann, hat
              schlossen bei Unisource auszusteigen; das Unterneh-         die Wettbewerbskommission vom Bundesrat verlangt,
              men kooperiert neu mit BT. Wir führen intensive Ge-         dass er die Swisscom verpflichtet, ihren Anteil an
              spräche, um Alternativen zu entwickeln. Solche Al-          Cablecom zu verkaufen. Dieses Beispiel zeigt deut-
              ternativen werden kaum darin bestehen, dass wir nun         lich, dass wir als Aktionäre von Cablecom keine
              von einer Allianz in eine andere hineinspringen. Wir        Wettbewerbsverhinderer sind. Mit Swiss Online ha-
              verfolgen da andere Modelle...                              ben wir einen Konkurrenten im Bereich von Inter-
                                                                          net. Aber die Frage ist insofern berechtigt, als wir
              asut: ...Liegen dazu schon konkrete Plänen auf dem Tisch,   uns sagen müssen, dass wir einerseits als Drittel-Ak-
              über die Sie sprechen können?                               tionär in Cablecom investieren und andererseits si-
                                                                          gnifikant in den weiteren Ausbau unserer Blue Win-
                                                                          dow-Aktivitäten. Und in diesem Rahmen überprü-
                                                                          fen wir unsere Beteiligung an Cabelcom.

                                                                          asut: Man könnte in diesem Zusammenhang noch einen
                                                                          Schritt weiter gehen und fragen: Entstehen hier nicht neue
                                                                          Monopole? Internet Access AG ist von Sunrise aufgekauft
                                                                          worden, Swiss Online von Cablecom. Misst Swisscom dem
                                                                          ganzen Gebiet des Internets eine wichtige strategische Bedeu-
                                                                          tung zu und will sie hier noch weiter wachsen?
                                                                          Tony Reis: Es ist keine Frage: Das ganze IP-Gebiet
                                                                          ist ein äusserst wichtiger Bestandteil unserer Strate-
                                                                          gie. Wir werden hier weiterhin sehr aggressiv inve-
                                                                          stieren. Aber nicht im Sinne einer Konsolidierung.
                                                                          Und was die Gefahr einer Monopolisierung betrifft,

64 asut-bulletin                                                                                                            1/1999
INTERVIEW

so kann ich mir eine solche in der Welt des Internets          Was ist von diesem Schachzug zu halten? Macht Swisscom da
kaum vorstellen. Anderseits bin ich überzeugt, dass            mit? Bedeutet dies eine interessante Option?
ein Provider über ein gewisses Minimum an Kunden               Tony Reis: Im Gegensatz zur vorherigen Frage geht
innerhalb einer gewissen Zeit verfügen muss, wenn              es nicht um National Roaming, da Sunrise ja über
er erfolgreich sein will. Das ganze Gebiet ist immer           kein eigenes Netz in der Schweiz verfügt. Aber wir
noch teuer, die benötigte Infrastruktur erfordert nach         führen tatsächlich mit Sunrise - und mit anderen auch
wie vor grosse Investitionen.                                  - Gespräche. Aber diese gehen in eine andere Rich-
                                                               tung. Es handelt sich dabei nicht um eine Vermie-
asut: Zum Schluss noch eine Frage zum Thema Mobilfunk.         tung der Netze, sondern
                                                                                                    «Was die Gefahr einer
Stichwort Roaming-Abkommen mit diAx und Orange                 um einen allfälligen Wie-
                                                                                                   Monopolisierung betrifft,
Communications. Wie sieht hier der Zeitplan aus? Werden        derverkauf von Telefon-
                                                                                                so kann ich mir eine solche
bereits diesbezügliche Gespräche geführt?                      minuten durch einen Ser-
                                                                                                   in der Welt des Internets
Tony Reis: Es ist kein Geheimnis, dass wir Gesprä-             vice Provider.. Ein Service
                                                                                                        kaum vorstellen.»
che führen mit diAx und mit Orange. Aber wir müs-              Provider im Mobilgeschäft
sen uns dabei auch die Frage stellen, ob dies kom-             zeichnet sich dadurch aus, dass er unter seiner eige-
merziell und betriebswirtschaftlich für beide Seiten           nen Marke Mobilkommunikations-Dienstleistungen
Sinn macht.                                                    verkauft und dazu nicht Infrastruktur eines Providers,
                                                               in diesem Falle von Swisscom, anmietet, sondern
asut: In diesem Zusammenhang doch noch eine aktuelle Fra-      Minuten kauft und diese über unser Netz abwik-
ge: Sunrise möchte, nachdem sie bei der Vergabe der Mobil-     kelt.
funklizenz leer ausgegangen sind, von Swisscom Infrastruktur
anmieten, um dann doch noch in diesem Markt mitzumischen.      asut: Herzlichen Dank für das Gespräch!

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