Was ist uns wichtig bei Verkehrs- und Stromwende? - Ariadne-Report Bürgerinnen und Bürger sprechen über Herausforderungen und Ziele
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Ariadne-Report Was ist uns wichtig bei Verkehrs- und Stromwende? Bürgerinnen und Bürger sprechen über Herausforderungen und Ziele
Autorinnen und Autoren » Dr. Mareike Blum » Dr. Arwen Colell Mercator Research Institute on Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Global Commons and Climate Change Change » Julia Hoffmann » Karoline Karohs ifok ifok » Dr. Martin Kowarsch » Maren Krude Mercator Research Institute on Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Global Commons and Climate Change Change » Miriam Saur » Dr. Holger Thiel ifok ifok Ein besonderer Dank ergeht an alle beteiligten Bürgerinnen und Bürger für die Beiträ- ge und das Engagement sowie dem Institut für transformative Nachhaltigkeitsfor- schung (IASS) für die freundliche und hilfreiche Unterstützung bei Datenaufbereitung und -auswertung. Der vorliegende Ariadne-Report wurde von den oben genannten Autorinnen und Auto- ren des Ariadne-Konsortiums auf Grundlage der Wortbeiträge der Teilnehmenden der Fokusgruppen ausgearbeitet. Er spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung des gesamten Ariadne-Konsortiums oder des Fördermittelgebers wider. Die Inhalte der Ariadne-Publi- kationen werden im Projekt unabhängig vom Bundesministerium für Bildung und For- schung erstellt. Herausgeben von Bildnachweis Kopernikus-Projekt Ariadne Titel: Headway / Unsplash; S. 6: Heliber- Potsdam-Institut für Klimafolgen- to Arias / Unsplash; S. 17: Annie Spratt forschung (PIK) / Unsplash Telegrafenberg A 31 14473 Potsdam Februar 2021 1
INHALT Zusammenfassung 2 1. Einleitung 4 2. Was ist Bürgerinnen und Bürgern wichtig bei der Verkehrswende? 6 2.1. Infrastruktur 7 2.2. Klimaschutz vs. Freiheit? 12 2.3. „Das Auto“ 14 3. Was ist Bürgerinnen und Bürgern wichtig für den Ausbau Erneuerbarer Energien? 17 3.1. Beteiligung und Teilhabe 18 3.2. Innovation und Dezentralisierung 21 3.3. Wer gewinnt, wer verliert? 23 4. Hintergrund: Was sind Fokusgruppen und wie wurde ausgewertet? 27 4.1. Warum Fokusgruppen? Konzept und Umsetzung 27 4.2. Wer hat teilgenommen? 28 4.3. Zur Auswertung der Fokusgruppen-Gespräche 28 5. Nächste Schritte in Ariadne 31 5.1. Aufnahme der Perspektiven in die Entwicklung von Ariadne-Politikoptionen 31 5.2. Lerneffekte für die weitere Beteiligung im Ariadne-Projekt 32 6. Anhang 33 6.1. Ablauf der Fokusgruppen im Detail 33 6.2 In den Fokusgruppen verwendete Narrative 35 6.3 „Landkarten“ der Ergebnisauswertung: Verfügbarkeit und Methodik-Details 36 Literaturangaben 37 1
ZUSAMMENFASSUNG Die Verkehrswende und die Stromwende (2) „Klimaschutz vs. Freiheit?“ als zweiter betreffen den Alltag aller Menschen. Poli- Themenbereich greift einen zentralen tische Handlungsvorschläge können so- Wertekonflikt in den Gesprächen auf, der mit kaum überzeugen, wenn sie nicht auch die (Grenzen der) Bereitschaft Ein- von Anfang an die vielfältigen Bedürfnis- zelner zur Verhaltensänderung prägt. se der Menschen mitberücksichtigen. Da- her werden die Ansichten, Werte und Er- (3) „Das Auto“ schließlich tauchte als es- fahrungen von Bürgerinnen und Bürgern senzielles Verkehrsmittel, aber auch als durchweg und zentral in die wissen- die Gesellschaft und den Alltag bestim- schaftliche Politikberatung von Ariadne mendes und vieldimensionales Kulturgut eingebunden. Den Auftakt bildeten Ende auf. 2020 neun Online-Fokusgruppen quer durch das Land. Insgesamt 88 zufällig Als Ziele für die Verkehrswende betonten ausgewählte Bürgerinnen und Bürger er- die Fokusgruppen – sowohl in den Städ- örterten darin, welche Herausforderun- ten als auch im ländlichen Raum – be- gen und Ziele ihnen für die Umsetzung sonders die Reduktion des Verkehrsauf- der Verkehrs- und Stromwende jeweils kommens und eine bessere Bündelung besonders wichtig sind. des Straßenverkehrs. Zudem wurden Emissionsvermeidung, die Entschleuni- Dieser Bericht fasst die Ergebnisse zu- gung des Verkehrs und Verkehrssicher- sammen und erläutert, wie die Fokus- heit in vielen Gruppen betont. Jedoch gruppen durchgeführt und ausgewertet gab es auch sehr unterschiedliche Sicht- wurden. weisen und Bedenken, etwa zu neuen Antriebstechnologien. Themenbereiche „Verkehrs- wende“ Themenbereiche „Stromwende“ Die Diskussionen der Bürgerinnen und Die Diskussionen zur Stromwende um- Bürger zur Verkehrswende lassen sich in fassten primär folgende Themenberei- drei übergeordnete, oft zusammenhän- che: gende Themenbereiche gliedern: (1) Wichtig war für viele Teilnehmende (1) „Infrastruktur“ als erster Themenbe- die Frage nach einer bürgerschaftlichen reich umfasst die Ansichten etwa zu „Beteiligung und Teilhabe“ und Selbst- Straßen- und Schienennetzen oder Elek- wirksamkeit in der Stromwende. tro-Ladestationen, aber auch zu menta- len und politisch-institutionellen Struktu- (2) Beim Themenbereich „Innovation und ren. Dezentralisierung“ wurden spezifische Technologien und die Rolle von Innovati- 2
on sowie die damit verbundenen Erneue- Rolle der Bürgerdeliberation in rungen und Erweiterungen technologi- Ariadne scher und institutioneller Infrastrukturen thematisiert. Zudem ergab sich in den In Ariadne bilden die von den Bürgerin- Diskussionen ein Spannungsfeld zwi- nen und Bürgern in den Fokusgruppen schen einerseits lokal angepassten Infra- erarbeiteten Problem- und Zielaspekte in strukturen und andererseits der Notwen- Verbindung mit dem Stand der Wissen- digkeit einer übergreifenden Vernetzung schaft die Grundlage für die Entwicklung und des Ausgleichs sowie bestehenden erster Politikoptionen und deren gesell- internationalen Abhängigkeiten. schaftlich relevanten Auswirkungen. Die- se Politikoptionen werden in einem (3) Der Themenbereich „Wer gewinnt, schrittweisen, wechselseitigen Lernpro- wer verliert?“ behandelt die für die Bür- zess gemeinsam weiterentwickelt und im gerinnen und Bürger absolut zentrale – Herbst 2021 von den Bürgerinnen und und derzeit oft als ungerecht empfunde- Bürgern bei den so genannten Bürger- ne – Verteilung von Nutzen und Lasten konferenzen diskutiert und bewertet. in der Gesellschaft: zwischen Regionen, zwischen Akteursgruppen und mit Blick auf den Strompreis. Als Ziele für die Stromwende wurden Mit- sprache und Beteiligung hervorgehoben – so auch in der Ausgestaltung technolo- gischer Infrastrukturen und bei der ge- rechten Verteilung von Lasten und Nut- zen der Stromwende. Unterschiede in den Diskussionen Der Vergleich der Diskussionen zu Ver- kehrs- und Stromwende zeigt erstens, dass der Umbau der technologischen und politischen Infrastrukturen sekto- renübergreifend ein herausragendes An- liegen der Bürgerinnen und Bürger ist. Interessanterweise wurden jedoch die Handlungsspielräume Einzelner und die Idee gesellschaftlicher Teilhabe für die Stromwende deutlich stärker betont als bei den Diskussionen zur Verkehrswen- de. Dort wurde der Blick eher auf die Un- zulänglichkeit vorhandener Infrastruktu- ren gerichtet, die oft als starke Be- grenzung des individuellen Handlungs- spielraums wahrgenommen wurden. Zweitens wurde für beide Sektoren sehr oft politisch stringenteres, planvolleres, transparentes und baldiges Handeln ein- gefordert. Drittens wurden übergreifen- de Ziel- und Interessenskonflikte deut- lich, insbesondere hinsichtlich der gerechten Verteilung von Nutzen und Lasten der gesamten Energiewende, aber auch hinsichtlich der Fragen, wer vorangehen soll und wo am dringends- ten Handeln erforderlich ist. 3
1. EINLEITUNG Ob beim Ausbau von Wind- oder Solarenergie im Stromnetz oder bei der Verkehrswende: Die Energiewende betrifft den Alltag aller Menschen. Weil die Energiewende einen gesellschaftlichen Wandel bedeutet, werden in Ariadne Bürgerinnen und Bürger von Anfang an und über den ge- samten Projektverlauf in einem so genannten Deliberationsprozess mit eingebunden: Wertvor- stellungen, Ansichten und Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger werden in einem schrittwei- sen und wechselseitigen Lernprozess in die Wissensproduktion von Ariadne zu politischen Handlungspfaden und ihren unterschiedlichen Auswirkungen aufgenommen. Die besten Lösungsoptionen nützen we- Stand der Wissenschaft die Grundlage nig, wenn sie nicht die eigentlichen, oft für die Entwicklung erster Politikoptio- facettenreichen Problemlagen und die nen in Ariadne. Diese Politikoptionen daraus resultierenden Bedürfnisse und werden in gemeinsamen Diskussionen konkreteren Ziele im Blick haben. Ariad- zwischen Wissenschaft und Zivilgesell- ne legt sich daher nicht vorschnell auf schaft, so genannten Co-Creation-Work- bestimmte Zielsetzungen und entspre- shops, weiterentwickelt und im Herbst chende Lösungsoptionen fest. Klima- 2021 bei den sogenannten Bürgerkonfe- schutz ist dabei nur eines von vielen Pro- renzen in nochmals größerer Runde kri- blemen (bzw. Zielen), die hier relevant tisch deliberiert. Die Ergebnisse der Kon- sind – und die sich zunächst auch wider- ferenzen werden wiederum in die sprechen können. Das Verständnis des Forschung aufgenommen, bevor auf ei- Problemrahmens und der Ziele der Ener- nem großen Bürgergipfel im Jahr 2022 giewende wird in Ariadne gemeinsam er- oder 2023 die ausgewählten Lösungsop- arbeitet. Die Bürgerinnen und Bürger tionen eng geführt und mit Blick auf die werden beratend eingebunden in die Umsetzung präzisiert werden. Entwicklung politischer Handlungsalter- nativen. Dieser Bericht stellt die Ergebnisse der Fokusgruppen vor und erklärt die me- Quer durch die ganze Bundesrepublik er- thodischen Grundzüge ihrer Umsetzung DELIBERATION örterten daher im November und De- und Auswertung. In den folgenden zwei Deliberation bedeutet „Beratschla- zember 2020 insgesamt 88 zufällig aus- Kapiteln nehmen wir Sie mit in die Ge- gung“, „Überlegung“. In einem Deli- gewählte Bürgerinnen und Bürger in spräche der Bürgerinnen und Bürger zur berationsprozess geht es darum, neun Online-Fokusgruppen, welche Her- Energiewende im Verkehr (Kapitel 2) und dass Menschen unter fairen Bedin- ausforderungen und Ziele ihnen für die der Stromwende (Kapitel 3). Dabei steht gungen zusammenkommen, ihre un- Umsetzung der Verkehrs- bzw. Strom- am Anfang des Kapitels jeweils eine Zu- terschiedlichen Sichtweisen und Ar- wende besonders wichtig sind. Die hier sammenfassung der übergreifenden Ka- gumente austauschen und diese von denTeilnehmenden in den Fokus- tegorien und Themenbereiche der Ver- abwägen, um voneinander zu lernen. gruppen erarbeiteten Problem- und Ziel- kehrs- bzw. Stromwendegespräche. aspekte bilden in Verbindung mit dem Diese Kategorien und Themenbereiche 4
ordnen die von Teilnehmenden entwi- ckelten Argumente und führen sie zu- sammen. Jede Kategorie wird außerdem mit einem übergreifenden, zusammen- fassenden Satz eingeführt. So können Sie den Bericht mithilfe der zusammen- fassenden Abschnitte auch „querlesen“ bzw. zu verwandten Argumentationslini- en springen. Wenn Sie sich für die me- thodischen Hintergründe der Konzeption der Fokusgruppen und unsere Auswer- tungsmethoden interessieren, finden Sie diese in Kapitel 4 knapp zusammenge- fasst. Am Schluss (Kapitel 5) steht ein Ausblick auf die nächsten Schritte des Beteiligungsprozesses im Ariadne-Pro- jekt. 5
2. WAS IST BÜRGERINNEN UND BÜRGERN WICHTIG BEI DER VERKEHRSWENDE? Drei übergreifende Kategorien mit insge- nologischen und kulturellen Dimensio- samt 16 Themenbereichen gliedern die nen des Autos. Diskussion der Bürgerinnen und Bürger zur Verkehrswende. Die Kategorien gliedern die Themenbe- reiche, stehen jedoch nicht unabhängig „Infrastruktur“ bezeichnet die tatsächli- voneinander. Zusammenhänge werden chen Infrastrukturen, aber auch die jeweils im Text erläutert. Die Themenbe- mentalen und institutionellen Struktu- reiche zeigen vorrangig Problemdimensi- ren, die in der Wahrnehmung der Bürge- onen innerhalb des Feldes auf, teilweise rinnen und Bürger die Handlungsräume aber auch positive Aspekte oder Lö- des Individuums im Verkehr bestimmen. sungsansätze. „Klimaschutz vs. Freiheit?“ greift einen Die Reduktion des Verkehrsaufkommens zentralen Wertekonflikt in den Gesprä- und vermehrte Bündelung von Verkehr chen auf. sticht als besonders einheitlicher Zielbe- reich hervor, der sowohl in Groß- und „Das Auto“ verweist als dritte Kategorie mittleren Städten als auch im ländlichen auf die argumentativen Zusammenhän- Raum formuliert wurde. Zudem wurden ge zwischen den wirtschaftlichen, tech- Emissionsfreiheit, die Entschleunigung des Verkehrs sowie Verkehrssicherheit in Überblick: Kategorien und Themenbereiche der Verkehrswendediskussionen vielen Gruppen betont. Jedoch gab es Abbildung 1 bezüglich einiger Themen, wie z.B. zu neuen Technologien, sehr unterschiedli- che Sichtweisen. Abbildung 1 zeigt im Überblick die drei Kategorien und jeweils zugeordneten Themenbereiche der Diskussionen zur Verkehrswende. 6
2.1. INFRASTRUKTUR Die Kategorie „Infrastruktur“ umfasst physische, politische und mentale (Infra-)Strukturen. Diese sind für Bürgerinnen und Bürger von zentraler Wichtigkeit für die Verkehrsgestaltung der Zu- kunft sowie für ihre Wahrnehmung eigener Handlungsspielräume und individueller Möglichkei- ten der Einflussnahme. Verhalten und Verhaltens- über Alltagsstrecken). Im Kontrast dazu änderung argumentierten progressiv eingestellte Bürgerinnen und Bürger, dass es zukünf- Wenngleich Verhaltensänderungen in tig neue Selbstverständlichkeiten geben vielen Bereichen des Lebens als zentrale werde. Viele Teilnehmende waren eher Bausteine der Verkehrswende formuliert unentschlossen zwischen diesen beiden wurden, bestimmten physische Infra- Sichtweisen und fühlten sich zum Teil strukturen wie Straßen oder Verkehrs- generell kaum in der Lage, wohlinfor- mittel, aber auch politische und mentale miert die Alternativen abzuwägen. Dies Strukturen weitgehend die Leitplanken steht in Verbindung mit oft genannten dessen, was als mögliche Handlungsräu- Forderungen nach einem Mehr an trans- me einzelner Personen formuliert wur- parenter und ausgewogener Information den. Die Bandbreite der Positionen der und Kommunikation. Teilnehmenden reichte diesbezüglich von konservativen Werten mit Orientie- Die unterschiedlichen Einstellungen zeig- rung am Status quo bis zu sehr progres- ten sich konkret etwa darin, dass einige siven Einstellungen mit der Bereitschaft, Teilnehmende trotz ihres Bewusstseins das eigene Verhalten zu ändern. Es wur- über Umweltprobleme nicht auf ihre de argumentiert, dass eine Veränderung Freiheit verzichten möchten, während des eigenen Verhaltens wünschenswert andere Personen erzählten, dass sie ihr sei, hierfür jedoch oft die nötige Infra- Verhalten aus ökologischen Gründen struktur fehle (z.B. sichere Fuß- und überdacht oder bereits geändert hätten. Fahrradwege, eng getaktete Bus- und Insbesondere betrifft das den Verkauf Zugverbindungen, gute integrierte und oder den Verzicht auf das Auto sowie auf einheitliche Tarifsysteme für den ÖPNV Flugreisen. Einige Personen verwiesen (öffentlicher Personennahverkehr)). darauf, dass kein kompletter Verzicht möglich oder machbar sei (Arbeitswege; Diese Punkte werden auch beim Thema erlauben „kleiner Klimasünden“; Ver- „Stadtplanung“ deutlich. „Status-quo handeln von Lebensbereichen: Fernrei- orientierte“ Personen warnten davor, die sen, dafür regionaler Konsum). Flexibilität des Einzelnen zu überschät- zen (z.B. täglich neue Entscheidungen An verschiedenen Stellen wurde darauf 7
hingewiesen, dass Mobilitätsverhalten rigschwelligen Zugang zu nachhaltigen kehrsvermeidung und -entzerrung) und (insbesondere, aber nicht nur Autofah- Alternativen standen aber auch Forde- argumentiert, dass Arbeitgeber*innen in ren) erlernt und somit Status quo/nor- rungen nach dem Einsatz eigener Res- der Pflicht seien, Veränderungen des Ar- mal sei. Dies mache es schwierig, das ei- sourcen (Geld, Lernanstrengung etc.) ge- beitsortes zuzulassen. Ein anderes Bei- gene Verhalten aus eigenem Impuls genüber. Zudem bringe Wandel auch spiel ist der Kulturwandel bezüglich des heraus zu verändern, biete aber auch Unsicherheit und unbekannte Faktoren Autos. Hier wurde diskutiert, ob sich die Chancen für neue Mobilitätsverhalten mit sich. Dies erfordere einen Vertrau- weit verbreitete Vorstellung, selbstver- künftiger Generationen (junge Generati- ensvorschuss, bessere Kenntnisse über ständlich ein eigenes Auto besitzen „zu on als „Hebel“). Zur Sprache kamen die Konsequenzen verschiedener Mobili- müssen“ zukünftig ändern könne. Die auch im und durch das eigene Verhalten tätsalternativen oder auch mehr Klarheit Pandemie zeige, dass der Mensch anpas- produzierte Dilemmata, die sich durch über die Richtung des Wandels. sungsfähig sei und „es auch ohne Fern- ein schlechtes Gewissen zeigten oder reisen“ ginge. Manche Teilnehmenden darin, gleichzeitig Verkehr zu verursa- Über den Vollzug des Wandels gab es un- gaben im Zusammenhang mit (notwen- chen und davon betroffen zu sein. Disso- terschiedliche Vorstellungen. Zum einen digem) Wandel außerdem an, dass ihnen nanzen im Handeln Anderer oder der Be- argumentierten Bürgerinnen und Bür- in ihrer Diskussionsgruppe bestimmte wertung des Handelns Anderer wurden ger, dass Wandel durch Prioritätenset- Themen gefehlt hatten (ÖPNV, Waren- ebenfalls diskutiert: Inkonsequenzen im zung erfolgen und schnell gehen müsse. und Güterverkehr, Auto in der Zukunft eigenen Reden und Handeln, Widersprü- Zum anderen wurde diskutiert, dass der und regenerative Kraftstoffe). che zwischen Berufs- und Freizeitverhal- Wandel gerade aufgrund von fehlender ten oder Autofahren trotz gegebener Prioritätensetzung und Entschlossenheit Übergreifend wurde in den Diskussionen Busverbindungen. Manche Teilnehmen- scheitern werde; zudem solle Wandel in deutlich, dass die Idee einer nachhalti- den sahen außerdem zu viel Verantwor- kleinen Schritten erfolgen. Vereinzelt gen Verkehrswende allgemein auf große tung beim Individuum als problematisch wurde darauf hingewiesen, dass sich Ge- Zustimmung trifft. Auch die im Zukunfts- an und störten sich am Anprangern/ neraloppositionen gegen neue Alternati- narrativ entworfenen Bilder, beispiels- Shaming gewisser Verhaltensweisen. ven im Nachhinein oft als unnötig her- weise zu elektrischen Antrieben, Sha- ausstellten und die Umsetzung zeige, ring-Modellen oder emissionsneutralen Die Notwendigkeit zu Verhaltensände- was alles möglich sei. Eine teilnehmende Fernreiseoptionen wurden als positiv rungen wurde allgemein festgestellt und Person berichtete jedoch aus „erster und wünschenswert bewertet. Einige be- Wege dorthin diskutiert. Dafür lassen Hand“ von Erfahrungen mit dem Struk- zeichneten diese aber auch als „uto- sich zwei Richtungen feststellen: In eini- turwandel: „Ich komme selber aus dem pisch“ oder „Märchen“ (unter anderem gen Argumenten wurde auf freiwillige Kohlebergbau und ich habe dort sehr in Bezug auf den Umsetzungszeitrahmen Verhaltensänderungen durch (höhere) viel an Politik und Menschlichkeit erlebt von 15 Jahren) oder als Ausdruck einer Transparenz, Ermöglichung von umwelt- und auch an Realität, wo man wenig ge- vermeintlich idyllischen Idee des Zusam- freundlicher Mobilität besonders in Bal- genargumentieren kann, was effizient ist menlebens in bestimmten sozialen Kon- lungsräumen, bessere Infrastruktur so- und dann am Ende umweltbewusst ist“. stellationen („Vorzeige-Mittelschichtsfa- wie Belohnungssysteme und Anreize von Dies zeigt einen wahrgenommenen Wi- milie“). Das Ausbleiben von Konflikten Seiten des Staates gesetzt. In anderen derspruch zwischen ökologischen Erfor- wurde als unwahrscheinlich bezeichnet. wurde insbesondere die bisherige Kom- dernissen und sozialen Realitäten. Sol- munikation der Notwendigkeit von Ver- che Argumente finden sich auch bei der Politischer Rahmen haltensänderungen als nicht ausrei- Stromwende (s. Abschnitt „Gerechtig- chend bewertet. Es wurde daher auf die keit“). Weiterhin fallen unter diesen The- Die Rolle politischer Akteur*innen wurde Notwendigkeit restriktiverer Maßnah- menbereich Fragen der Verteilungsge- in den meisten Fokusgruppen ange- men verwiesen: Verteuerungen, Verbote rechtigkeit. Trade-Offs, das Zahlen von schnitten. Verwaltungen seien dabei ein und Zwang („Menschen verhalten sich Schäden und die Frage, wer Vorteile und Element, das in direkter Verbindung mit wissentlich umweltschädlich“; „Lernef- wer Nachteile erfahre, wurden ebenso den Infrastruktur(planung)en für alle fekte nur durch Schmerzen oder Geld“). ins Gespräch gebracht wie das Plädoyer, Verkehrsmittel und „dem Staat“ als kon- keine Gruppe von Verkehrsteilnehmen- struiertem Akteur stehe. Dieser stehe so- Wandel den zu vergessen. Es dürfe keine soziale wohl planerisch als auch kommunikativ Spaltung stattfinden, ein eigenes Auto in der Verantwortung, auch komplexe Bürgerinnen und Bürger diskutierten im- solle beispielsweise bezahlbar bleiben. Es Sachverhalte transparent und umfas- mer wieder die Frage, wie viel Verant- wurde teils darauf hingewiesen, dass ge- send darzulegen – zur Gewinnung von wortung das Individuum trage und wie wisse Mobilitätsformen ein Luxus reiche- „Einsicht“ in der Bevölkerung und als viel die Gesellschaft. So argumentierten rer Menschen seien. Grundlage für Verhaltensänderungen. Teilnehmende, dass breite Teile der Be- So wurde argumentiert, dass (bessere) völkerung erreicht und ein Bewusstsein Ein häufig angesprochenes Beispiel für politische Rahmenbedingungen und Re- auch für die Notwendigkeit eigener Ver- Wandel war das Homeoffice, vor allem gulierungsmaßnahmen geschaffen wer- haltensänderungen geschaffen werden infolge der Corona-Pandemie. In diesem den müssten, um Verhaltensänderungen müsste. Forderungen nach einem nied- Kontext wurden Chancen gesehen (Ver- zu erreichen oder Verkehr qualitativ zu 8
regulieren (argumentiert am Beispiel Gü- nach konkreten nächsten Schritten ge- engen Zusammenhang mit Stadtpla- terverkehr). Gesetzgebung und Subventi- äußert und angemerkt, das kritisches nungsfragen, Klimaschutz und Familien/ onen wurden als Lösung für unterschied- Hinterfragen wichtig sei. Kindern sowie naturbezogenen Werten. liche Anwendungsfälle diskutiert: für den Überwiegend wurden vor allem die Vor- ÖPNV, für Menschen, die auf das Auto Stadtplanung züge des Radfahrens thematisiert: Es sei angewiesen sind, für den ländlichen gesund, flexibel und umweltfreundlich. Raum. An anderen Stellen wurde die Ge- Einen besonderen Fokuspunkt in den Viele Teilnehmende wiesen jedoch auf Si- setzgebung jedoch auch als Problem- Diskussionen um politische Rahmen- cherheitsprobleme hin, die durch unzu- quelle identifiziert, wie bei der Pendle- bedingungen bildete die Rolle der Stadt- reichende Fahrradinfrastruktur sowie r*innenpauschale, oder als „zu kurz planung, wobei hier in Diskussionen um durch das Verhalten der verschiedenen gedacht“ kritisiert. In einer Stadt wurde Ballungsräume stadtplanerische Aspekte Verkehrsteilnehmenden entstehen wür- der Kommunalpolitik Versagen in der und Infrastrukturthemen zusammenka- den. Argumente für die Notwendigkeit ei- Strukturpolitik vorgeworfen und die Rol- men. Dabei wurde argumentiert, dass ner separaten Infrastruktur für den le von Lobbygruppen diskutiert. An ande- Stadtplanung einen langen Vorlauf habe nichtmotorisierten Verkehr bilden daher rer Stelle wurde darauf verwiesen, dass (was sie teilweise obsolet mache) sowie einen eigenen Argumentationsbereich. politische Änderungen nur zusammen ein Zeugnis ihrer Zeit sei und deswegen Dieser Infrastruktur müsse mehr Platz mit anderen Entscheidungsträger*innen langfristig aber auch schon heute nicht eingeräumt und bedarfsgerecht geplant realisiert werden könnten. mehr zeitgemäß wirke. Deutlich wurde werden. In weiteren Argumentationen das bei der Bewertung der autogerech- werden die Vorteile davon beschrieben Internationale Verflechtungen spielten ten Stadt, die (teils explizit, teils implizit) (Steigerung von Attraktivität und Ge- hinsichtlich nationaler Abhängigkeit von fast durchgängig negativ war. Eng damit schwindigkeit des Radverkehrs durch bestimmten Energieträgern und einem zusammen hängen zwei Argumentati- Platz zum Überholen und mehr Kom- fehlenden Einfluss Deutschlands auf der onslinien zur Relevanz von ganzheitli- fort). Als internationale Best-Practice-Bei- internationalen Ebene eine Rolle. Es wur- cher Stadtplanung unter Einbezug diver- spiele wurden Kopenhagen, die Nieder- de im internationalen Kontext aber auch ser Perspektiven (u. a. Kinder, ein- lande und Norwegen genannt. darauf verwiesen, dass die Situation be- kommensschwache Menschen, nichtmo- züglich des Lärmes und der Luftver- torisierter Verkehr) sowie zur Flächenge- In einer Fokusgruppe wurden allerdings schmutzung in anderen Ländern schlim- rechtigkeit mit Forderungen nach der auch Zweifel am Ausbau der Radinfra- mer sei als in Deutschland. Neuaufteilung des städtischen Raums struktur aufgrund mangelnder Baukapa- zugunsten des nichtmotorisierten Ver- zitäten geäußert, weil dafür anderen Ver- In den Fokusgruppen zur Verkehrswende kehrs. In enger Verbindung dazu steht kehrsteilnehmenden Flächen genommen war die Beteiligung von Bürgerinnen und ein umfassender Argumentationsbe- oder Naturflächen versiegelt werden Bürgern kein direkt angesprochenes reich, in dem die Flächennutzung von müssten. E-Bikes wurden eher positiv ge- Thema, es wurden jedoch an verschiede- parkenden Autos in Städten kritisiert sehen, beispielsweise für körperlich ein- nen Stellen Meinungen dazu geäußert. wird. Parkplätze seien zu günstig und un- geschränkte Personen oder um weitere Zum einen sei Beteiligung von Bürgerin- gerecht (Finanzierung von Parkplätzen Strecken überwinden zu können, weswe- nen und Bürgern als demokratisches für Einzelne durch die Öffentlichkeit) so- gen sie auch Potenzial für den ländlichen Element wichtig. Das wurde grundsätz- wie ineffizient (lange Standzeiten). Auch Raum hätten. Auch hier bestehe aber Be- lich positiv konnotiert, etwa für eine grö- wurde darauf aufmerksam gemacht, darf an Infrastrukturausbau. ßere Bedarfsorientierung, das Anbringen dass politische Entscheidungen manch- berechtigter Zweifel und die Meinungen mal von Planungsvorschlägen abwichen. Gleichzeitig wurde thematisiert, dass der Zivilgesellschaft als Gegenstimme zu nicht alle Personen Radfahren könnten Lobbyinteressen. Zudem wurde darauf Einige Teilnehmende machten aber auch oder wollten und Radfahren für be- verwiesen, dass es bezüglich des Aus- auf die Schwierigkeiten sowohl bei der stimmte Gruppen oder Situationen un- baus von Infrastruktur (z.B. Radwegen Parkplatzsuche als auch bei Alternativen geeignet sei (Wetter, Alter, Transporte, und Gleisen) oft Akzeptanzprobleme in aufmerksam. Beispiele wie Markttage Termindruck). Auch das Verhalten von der Bevölkerung und zum Teil Proteste oder der Hamburger G20-Gipfel zeigten, Radfahrenden untereinander wurde teil- gebe. Eine Ablehnung von Infrastruktur- dass Autos offenbar auch woanders ab- weise kritisiert oder zumindest deutlich maßnahmen bzw. Konflikte zwischen Pri- gestellt werden könnten, dies aber im darauf hingewiesen, dass sich alle an die vat- und Allgemeininteressen könnten Alltag selten geschieht. Auch Vorschläge Regeln halten müssten. Dies gelte bei auch auf mangelnden Dialog zurückzu- zu einer verbesserten Verkehrsführung schlechter wie bei guter Infrastruktur führen sein. Zum anderen wurden Zwei- mit grüner Welle für Autofahrende und und bezog sich auch auf die Gefährdung fel an der Wirksamkeit ausgedrückt (Ein- dadurch sinkende Emissionen wurden von Fußgängerinnen und Fußgängern. fluss „auf zukunftsfähige Entschei- gemacht. Die Förderung des Fußverkehrs wurde dungen in Berlin“ und an Ergebnissen, ansonsten nur am Rand diskutiert. Pro- die nicht automatisch Interessenskonflik- Rad- und Fußverkehr bleme und Sicherheitsrisiken für Rad- te auflösten, sowie bezüglich der Finan- und Fußverkehr wurden in parkenden zierung). Zudem wurde das Bedürfnis Der nichtmotorisierte Verkehr steht im Autos und rücksichtslosen Autofahrerin- 9
nen und Autofahrern gesehen. zu diesem Thema beinhaltet, dass insbe- werden müsse, unter anderem, weil eine sondere Eltern dafür verantwortlich sei- Umstellung von Gewohnheiten im Alter Familien und Kinder en, dass Kinder lernen, sich sicher im schwierig sei. In beiden Bereichen gab es Verkehr zu bewegen. Auch eine allgemei- jedoch auch einzelne Gegenpositionen: Einige Argumente beschäftigten sich ne Vorbildfunktion für Kinder wurde an- Es wurde als unnötig bis ärgerlich gese- spezifisch mit der Rolle und den Bedürf- gesprochen. Ein anderes Argument zielt hen, dass Kinder im Auto zur Schule ge- nissen von Familien und Kindern sowie darauf, dass dies auch Aufgabe von bracht werden und von älteren Men- anderer Altersgruppen. Die Familie ist Schule und Stadt sei. schen sei Lernfähigkeit gefordert. ein zentrales Element, das insbesondere mit den Themenbereichen Autos, Cars- Im Kontext der Verkehrssicherheit von Abbildung 2 zeigt für das Argument der haring und Stadt/Land in Verbindung Kindern spielt vor allem die Sicherheit Sichtbarkeit (aufgrund persönlicher Ei- steht, da hier starke Abhängigkeiten ge- auf dem Schulweg eine Rolle. Dabei wur- genschaften oder aufgrund der Wahl des sehen wurden. Räumliche und verkehrli- den sowohl generelle Sorgen um Gefähr- Verkehrsmittels) vulnerabler Verkehrs- che Infrastrukturen in Verbindung mit dung durch den Verkehr formuliert, ins- teilnehmender mit welchen weiteren Ar- dem Alltag seien hemmende Größen bei besondere durch den dichten Verkehr gumenten Bürgerinnen und Bürger die- der Wahrnehmung von Verkehrsalterna- rund um Schulen. Explizit wurden „El- sen Aspekt verknüpfen. Es zeigt sich, tiven für Familien. Ein anderes Verhalten terntaxis“ problematisiert und als zu- dass argumentative Verbindungen (hier wurde oft als wünschenswert gesehen, sätzliche Gefährdung identifiziert. Den- in Rot dargestellt) nicht nur zu bestimm- erschien aber kaum möglich. noch wurde auch Verständnis für Eltern ten Verkehrsmitteln und Akteursgrup- geäußert, zumal auf dem Land Alternati- pen gezogen werden, sondern auch zu Zwei große Argumentationslinien in die- ven fehlten. Auf die Unterschiede zwi- weiteren Argumenten der physischen sem Bereich drehten sich um die Selbst- schen Stadt und Land wurde ebenfalls und institutionellen Infrastruktur wie ständigkeit und Sicherheit von Kindern. einmal hingewiesen. In zwei Städten wur- planerischen Grundsätzen oder der Rolle Diese müssten Selbstständigkeit im Ver- de argumentiert, dass Umwege für mehr der öffentlichen Verwaltung. kehr erlernen und dies sei möglich, auch Sicherheit in Kauf genommen werden in Städten. Angst um die Kinder verhin- könnten. Als Lösungen wurden eine „Kiss Stadt vs. Land dere jedoch, dass sie lernten, sich sicher and go“-Zone oder zeitversetzter Schul- zu bewegen. Dagegen wurde auch argu- beginn vorgeschlagen. Vereinzelt wurde Die Unterschiede zwischen Ballungsräu- mentiert, dass motorisierter Individual- argumentiert, dass Familien auch an men und ländlichem Raum wurden so- verkehr Selbstständigkeit von Kindern ihren Wohnorten für mehr Autos und wohl getrennt voneinander als auch mit verhindere, und dass für die Jugendli- Verkehr verantwortlich seien. Bezug aufeinander diskutiert. Implizit chen der ÖPNV manchmal das einzige ging es dabei oft um Unabhängigkeit, Verkehrsmittel darstelle, sich eigenstän- Außerdem wurde diskutiert, dass insbe- Zugänglichkeit und Sicherheit (was auch dig zu bewegen und daher bezahlbare sondere die Perspektive von Kindern im für die nachfolgenden beiden Themenbe- oder finanzierte Schülertickets wichtig Verkehr zu kurz komme sowie auch die reiche zutrifft). Besonders stellten sich seien. Der zweite Argumentationsbereich der älteren Generationen berücksichtigt diesbezügliche Fragen beim Zusammen- Argumentative Zusammenhänge (rot), die Bürgerinnen und Bürger bei der Sichtbarkeit vulnerabler Verkehrsteilnehmender herstellen Abbildung 2 10
hang von Wohnort und Verkehrsmittel- die Rolle des Arbeit-gebers bzw. der Ar- keit wurde teils infrage gestellt und al- wahl. Während in Städten Wege mit dem beitgeberin diskutiert, wenn dieser bei ternative Lösungen wie Lieferdienste/ Rad und zu Fuß gut zurückzulegen und der Arbeitszeitgestaltung keine Flexibili- Onlinehandel vorgeschlagen und als po- der ÖPNV eine gute Alternative sei, wur- tät zeige, die eine zeitliche Abstimmung sitiv bewertet. de beim ländlichen Raum die Abhängig- für eine Nutzung von ÖPNV oder Fahrge- keit vom Auto als Selbstverständlichkeit meinschaften ermögliche. Zudem wür- Nicht nur für den ländlichen Raum wur- und die schlechte Anbindung an den den mögliche Fahrangebote eines Unter- den negative Auswirkungen des Straßen- ÖPNV problematisiert. Eine Änderung nehmens die Wohnortwahl der Mit- güterverkehrs diskutiert, wie Emissio- der Verkehrsmittelwahl, vor allem die arbeitenden beeinflussen. nen, Schadstoffe und Lärm, das Abkehr vom Auto, sei wünschenswert, Umfahren von Baustellen durch Orts- Stadt und Land sollten jedoch nicht ge- Der ÖPNV wurde auch im spezifischen chaften, und dass er das Fahren auf der geneinander ausgespielt werden und Kontext des ländlichen Raums diskutiert. Autobahn unangenehmer mache. Den- verschiedene Präferenzen (Land/Ruhe/ Zwei Argumentationslinien beschreiben, noch wurde ein Bedeutungszuwachs von Pendeln) seien nachvollziehbar. Mit dem dass die Nachfrage im öffentlichen Waren- und Wirtschaftsverkehr gesehen, geringeren Verkehrsaufkommen im Raum zu gering für eine wirtschaftliche der auch künftig bleiben werde. Zudem ländlichen Raum wurden auch Vorteile Anbindung an den ÖPNV sei und der könnten Lieferdienste leichter emissions- wie Ruhe, Natur und Zufriedenheit ange- ÖPNV – zumindest kurzfristig – keine at- freie Fahrzeuge nutzen. Vereinzelt wur- sprochen. Im Kontrast dazu steht die Be- traktiven Angebote im ländlichen Raum den positive Aspekte des Schienengüter- wertung des Stadtverkehrs als laut, dre- machen könne, die mit dem motorisier- verkehrs hervorgehoben. ckig (Luftverschmutzung) und stressig. ten Individualverkehr mithalten könnten. Auch der dichte bis beängstigende Autonomes Fahren (d.h., mittels Compu- Stadtverkehr wurde vereinzelt themati- tertechnik selbstfahrende Fahrzeuge) siert. biete hier immer noch mehr Potenzial. Öffentlicher Personennah- In allen Städten wurden Verbesserun- verkehr (ÖPNV) gen, Investitionen und Ausbau des ÖPNV gewünscht. Voraussetzungen wie regio- Ein weiterer, sehr stark diskutierter und nale Kooperationen sowie Finanzierungs- facettenreicher Themenbereich beinhal- und Lösungswege wurden ebenfalls ge- tet Argumente zum ÖPNV mit Schnitt- nannt. In fast allen Städten wurde zu- stelle vor allem zu Stadt-/Land-Fragen. dem auf die Notwendigkeit der Barriere- Besonders diskutierte Werte in diesem freiheit des ÖPNV verwiesen. Einige Kontext sind Flexibilität und Zugänglich- Teilnehmende stellten den ÖPNV wegen keit/Barrierefreiheit. Hinsichtlich Aus- seiner Kosten und seinem Ausbau auch stattung und Personal waren die Argu- infrage, etwa weil dieser nicht mit der mente insgesamt selten und nur in einer Verkehrsnachfrage mitwachsen könne. Stadt (Herne) positiv konnotiert. Über- Wie auch im Bereich der Stadtplanung greifend argumentierten die Teilneh- wurde argumentiert, dass Planung und menden, dass der ÖPNV ineffizient und Umsetzung der Realität hinterherhink- mit schlechter Infrastruktur störanfällig ten. sei und es lokale Qualitätsunterschiede gäbe. Spezifische Kritikmuster beziehen Wegen einer erhöhten Risikowahrneh- sich auf überfüllte Fahrzeuge und Poten- mung sich in öffentlichen Verkehrsmit- ziale der Auslastungsverbesserung, hohe teln mit COVID-19 anstecken zu können, Kosten bei zum Teil schlechter Verläss- bevorzugen seit der Corona-Situation ei- lichkeit, oft schlechte Anbindungen und nige Bürgerinnen und Bürger das Auto einen hohen Zeitaufwand bei mangeln- oder das Fahrrad gegenüber dem ÖPNV. der Flexibilität. Versorgungsinfrastruktur und Als wichtig angesehen werden dement- Güterverkehr sprechend bessere Bedarfs-orientierung, Taktung, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit Im Zusammenhang mit räumlichen Fra- und preisliche Gestaltung sowie eine in- gen kamen verschiedene Probleme im dividuelle und/oder vereinfachte Tarifie- Bereich von Versorgungsinfrastrukturen rung. Es gab auch einen Hinweis, dass es auf, die insbesondere den ländlichen etwa für ältere Menschen zumutbar sei, Raum betreffen. Weniger Auto- und Pen- ein etwas komplexeres Tarifsystem zu delverkehr setze voraus, diese Struktu- „lernen“. In einer Fokusgruppe wurde ren (wieder) aufzubauen. Die Umsetzbar- 11
2.2. KLIMASCHUTZ VS. FREIHEIT? Zwischen Argumenten der Naturverbundenheit und des Klimaschutzes einerseits und der Frei- heit andererseits entsteht in den Fokusgruppen ein Wertespannungsfeld, das beide Seiten her- vorhebt und gleichzeitig Ambivalenzen betont: Im persönlichen Trade-Off zeigen sich die Grenzen der individuellen Bereitschaft zu Verhaltensänderung. Naturverbundenheit und den Unsicherheiten geäußert, was die Klimaschutz Gesamtklimabilanzen angeht. So wurde argumentiert, dass Vergleichsanalysen In allen Fokusgruppen betonten viele oft unklar seien (wirkten widersprüch- Teilnehmenden eingangs ihre Naturver- lich, verwirrten oder fehlten) und es für bundenheit. Fragen des Klimaschutzes Laien schwer abschätzbar sei, welche Im- schwangen dementsprechend in vielen plikationen die eigene Verkehrsmittel- Themenbereichen mit, spielten in den wahl insgesamt habe. Lösungen wie Kli- folgenden Diskussionen allerdings oft makompensation als zweitbeste Wahl keine explizite Rolle. Umweltbelastungen oder Maßnahmen, um durch besseren und -zerstörungen durch Verkehr wurde Verkehrsfluss Emissionen zu reduzieren, in vielen Diskussionsrunden thematisiert wurden nur am Rand diskutiert. und auch negative Gefühle darüber ge- äußert, die Notwendigkeit für den Klima- Das übergeordnete Ziel des Klima- und schutz aber selten explizit ausgedrückt. Umweltschutzes steht aus Sicht vieler Es wurde eher argumentiert, künftige Bürgerinnen und Bürger im Spannungs- Generationen mitzudenken und sorgsam verhältnis mit dem häufig formulierten mit Ressourcen umzugehen (vgl. auch Bedürfnis nach Freiheit, Selbstbestim- „Innovationen und Antriebe“). mung und Spontanität. Aber nicht für alle stand Klimaschutz und Freiheit im Auch das Bedürfnis, Technologien ganz- Konflikt; für eine Person aus Hamburg heitlich zu bewerten (Lebenszyklusanaly- bedeutete Freiheit kein Auto zu besitzen se) und einen starken Fokus auf Erneuer- und sich nicht um Wartungen, Repara- bare Energien zu legen, wurde im turkosten und Parkplatzsuche kümmern Zusammenhang mit Klimaschutz sowie zu müssen. technologischen Innovationen formuliert. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, Freiheit dass sich schon frühere Umstiege auf neue Technologien im Nachhinein als Ein zentrales und wiederkehrendes Argu- problematisch erwiesen hätten (Beispiel ment in allen Fokusgruppen zur Ver- Energiesparlampe) und vermeintliche Lö- kehrswende war das der individuellen sungen nicht neue Probleme schaffen Freiheit in verschiedenen Ausprägungen. sollten. In diesem Zusammenhang wur- Hier zeigten sich am deutlichsten die 12
Spannungen zwischen universalen und trotz bekannter Umweltrisiken behalten keit teilweise als zentrale individuelle Ei- individuellen Werten der Teilnehmenden. zu wollen und formulierten, nicht bereit genschaften genannt und in einem an- Besonders stark war das freiheitlich-indi- zum Verzicht zu sein – eine Position, die deren Kontext als Privileg und Status- viduelle Argument in Bezug zum The- besonders im nächsten Abschnitt thema- symbol gekennzeichnet wurden. menbereich Auto, wie weiter unten auf- tisiert wird. In diesen Kontext passt auch geführt wird. Es wurde aber allgemein die Aussage, dass Immobilität die per- Das Argument der Alternativlosigkeit wiederholt darauf aufmerksam gemacht, sönliche Welt kleiner mache. zum Fliegen zeigte deutliche Bezüge zu dass die Verkehrsmittelwahl von unter- Argumenten der Freiheit, wonach Teil- schiedlichen Faktoren abhängig sei. So- Abbildung 3 veranschaulicht, dass viele nehmende trotz Umweltrisiken die Frei- wohl die lokalen Kontexte und Struktu- Personen zwischen Freiheit und Klima- heit zum Reisen behalten werden möch- ren als auch die individuellen Bedürf- schutz abwägen. Beide Dimensionen ten. Dies wurde verknüpft mit Werten wie nisse waren Bürgerinnen und Bürger wurden als wichtig erachtet, manche be- persönlicher Reiselust, aber auch im wichtig, wenn es um die Frage ging, un- tonten jedoch eher die Notwendigkeit Kontext interkultureller Erfahrungen und ter welchen Umständen eine Verhaltens- der Veränderung und Anpassung wäh- einem Erleben der Natur an anderen Or- änderung als machbar oder nicht mach- rend andere eine selbstbestimme Mobili- ten argumentiert. Dagegen standen Ar- bar angesehen werde. Wieder betonten tät als Grundvoraussetzung sahen. gumente, laut denen Fernreisen zu Teilnehmende die strukturellen Randbe- günstig seien oder mehr fürs Fliegen be- dingungen individuellen Handelns. Wich- Bahn- und Fernreisen zahlt werden und Anreize für Alternati- tige Faktoren seien Infrastruktur (Zeiter- ven gesetzt werden sollten. sparnis, Komfort, Bezahlbarkeit, Die Bewertung von Bahn- und Fernreisen Sicherheit) und situative Faktoren zeugte von unterschiedlichen Werten (Zweck und Ziel einer Fahrt, Entfernung, und Erfahrungen. Einige Teilnehmende berufliche oder private Mobilität). Ebenso zogen die Bahn dem Auto oder dem wichtig seien individuelle Präferenzen (z. Flugzeug vor, eine Person berichtete B. Flexibilität im Berufsleben oder Be- vom entspannten Reisen mit Zug und quemlichkeit) und gesundheitliche Vor- Rad. Andere stuften Bahnfahren und Ti- aussetzungen (z. B. Einschränkungen cketsysteme als kompliziert und mit durch eine Gehbehinderung, Angewiesen schlechten Anschlüssen als unzuverläs- sein auf einen Rollstuhl). sig ein. Die Attraktivität sei gering oder werde schlecht vermarktet. Meistens Die Freiheit zu gelegentlichen „sinnlo- wurde das Bahnfahren auf der Langstre- sen“ Genussfahrten mit dem Auto wurde cke als möglich eingestuft, aber Kosten von Teilnehmenden als nachvollziehbar und Dauer sowie mangelnder Komfort bewertet und nur selten kein Verständ- und Flexibilität sprächen dagegen. Bahn- nis dafür aufgebracht. In einer Diskussi- höfe seien schlecht ausgebaut und unsi- onsgruppe wurde auch explizit dafür ar- cher, der ländliche Raum zu schlecht an- gumentiert, von Verboten abzusehen gebunden. und die Freiheit des und der Einzelnen nicht einzuschränken. Insbesondere be- Weiterhin gab es unterschiedliche Bewer- züglich längerer Reisen argumentierten tungen von Fernreisen und „Reiselust“, andere Teilnehmende, ihre Freiheiten die trotz Wissens um die Klimaschädlich- Wertevorstellungen zum Thema ‚Freiheit vs. Klimaschutz?‘ entlang von Problem- und Zieldimensionen Abbildung 3 13
2.3. „DAS AUTO“ Das Auto taucht als zentrales Verkehrsmittel, aber auch als die Gesellschaft und das tägliche Le- ben prägendes kulturelles Bild in den Argumentationen der Teilnehmenden auf. So greift die Ka- tegorie „das Auto“ nicht zuletzt die Konnotation des Slogans eines bekannten deutschen Auto- bauers auf – mit allen Implikationen für die Gesellschaft, die sich auch in der Debatte der Teilnehmenden widerspiegeln. Autos und Wirtschaft bewertete Autofahren und -besitz als moralisch schwierig oder „asozial“. Eine Ein umfassender und wiederkehrender historische und „hysterische“ Bevorzu- Themenkomplex beschäftigt sich mit gung des Autos habe Strukturen zerstört „des Deutschen liebstes Kind“, dem und setze sich bis heute fort. Auto. Gründe für dieses Fortbewegungs- mittel wurden zahlreiche genannt, so- Ein spezifischer Aspekt der Kritik war der wohl die praktischen Vorteile (Flexibilität, ruhende Verkehr: Private Fahrzeuge hät- Familienfreundlichkeit, Zeitgewinn, Zu- ten eine niedrige tägliche Nutzungsdau- verlässigkeit, „eh da“) als auch die indivi- er und stünden ansonsten auf den Stra- duellen Präferenzen (Komfort, Bequem- ßen. Das Auto wurde weiterhin aus lichkeit, Stressfreiheit, Genuss, Spaß, verschiedenen Perspektiven als Sicher- Individualität, Statussymbol, Freiheit heitsrisiko problematisiert. Das gelte so- und Unabhängigkeit). Oft wurde auch ar- wohl für das Fahrzeug an sich (parkende gumentiert, dass es in bestimmten Fäl- Autos als Gefahr für Kinder) als auch für len keine Alternative zum Auto gebe (auf die Fahrenden, die im Auto selber siche- dem Land, als selbstständige Person, im rer sein mochten, aber für Andere durch Alter, im Urlaub). Unter den eher positi- ihr Verhalten ein Risiko darstellten, ven Argumenten für das Auto fand sich wenn sie nicht-motorisierten Verkehrs- auch der Verweis, die Automobilwirt- teilnehmenden die Vorfahrt nahmen schaft mit ihren Arbeitsplätzen zu schüt- oder andere Regeln und Radwege miss- zen, auch wurde die Automobilwirtschaft achteten. Auch weitere negative Auswir- andernorts als „nun mal notwendig“ kungen des motorisierten Individualver- nicht hinterfragt. kehrs wie Lärm und Stress wurden genannt. Andere Argumente zeigten einen kriti- schen Blick auf den motorisierten Indivi- Alternativen zum Auto wurden vereinzelt dualverkehr und das Auto. In einer gene- als notwendig gekennzeichnet und an- rell kritischen Perspektive wurden Autos sonsten unterschiedlich eingeschätzt: Ei- als (zumindest in Städten) unnötig, inef- nige Teilnehmende sahen diese als nicht fizient und nicht mehr zeitgemäß bewer- flexibel genug oder unattraktiv an, ande- tet. Eine stärkere Kritik ging weiter und re sahen zumindest in manchen Anwen- 14
dungsfällen durchaus Alternativen. Un- bilität geäußert. anderem der Bedarf für mehr Fahrzeuge terschiedliche Einschätzungen bestan- und Platz. Alternative Mobilitätsangebo- den auch bezüglich der Kosten: Einige Für E-Mobilität spreche aus Sicht der te wurden problematisch gesehen, wenn Teilnehmende argumentierten, dass das Teilnehmenden eine schnelle Wirkung es zu viele unterschiedliche Alternativen Auto günstiger sei als andere Verkehrs- bei der Emissionsreduktion und die posi- gäbe und Tarifierung und Anbieter un- mittel, während andere meinten, dass tive Auswirkung auf die Lebensqualität. übersichtlich seien. Das konkrete Bei- ein Auto gleich teuer oder teurer sei. Es Auch technologische Weiterentwicklun- spiel E-Roller wurde teils als Genuss be- wurde auch auf Möglichkeiten des Spa- gen wurden gesehen und E-Busse teil- zeichnet, aber nicht als Alternative für rens der Betriebskosten hingewiesen weise als positiv eingestuft. Es bestand größere Strecken oder Einkäufe. „Mobili- und vorgeschlagen, Autokosten individu- jedoch auch große Skepsis – teils allge- ty as a Service“ könne dazu führen, , ell zu differenzieren und jenen Menschen mein gehalten, teils auf konkrete Einzel- Fortbewegungsmittel in Eigenbesitz – al- zu vergünstigen, die auf das Auto ange- aspekte bezogen: E-Mobilität stehe ins- len voran das Auto – aufzugeben, wenn wiesen seien. Unsicherheiten gab es au- gesamt zu sehr im Fokus der öffent- das Konzept funktioniere. Weitere Argu- ßerdem bei der Bewertung eines Tempo- lichen Diskussion, Alternativen würden mente drehten sich um die Bewertung limits, welches manche Teilnehmende nicht berücksichtigt; die Kosten seien zu von Innovationen als Impuls für gesell- als sinnvoll ansahen, während andere hoch und die Zuverlässigkeit fraglich. Es schaftliche Entwicklung und die Gleich- die positiven Auswirkungen auf Sicher- wurde auf soziale Probleme bei der Pro- zeitigkeit vorhandener Technologien und heit und Emissionen infrage stellten. duktion verwiesen. Die Umweltfreund- neuer Innovationen, wobei letztere teil- lichkeit wurde nicht nur auf Bezug zur weise durch noch fehlende Infrastruktur Innovationen und Antriebe CO2-Bilanz, sondern insgesamt bei der im Nachteil seien. Ein gezielter Einsatz Betrachtung der Lebenszyklusanalyse in- von Technologie könne Lösungsansätze Ein weiterer stark diskutierter Themen- frage gestellt, mit besonderem Fokus auf für nahtloseren Transport bieten. bereich dreht sich um technologische In- die Batterie (Rohstoffe, Produktion und novationen, insbesondere bezüglich Recycling). Das Argument, alternative Insgesamt bestand beim Thema Antrie- Fahrzeugantrieben. Neben vielen Quer- Antriebe ganzheitlich zu betrachten (im be und Innovation eine gewisse Unsi- verbindungen – zum Klimaschutz, zu an- Sinne einer Lebenszyklusanalyse), war cherheit, die mit einem Wunsch nach deren technischen Themen wie beim insgesamt sehr dominant. Dies gelte z.B. transparenterer, ausgewogener Kommu- Auto und der Digitalisierung bis hin zu auch für andere E-Fahrzeuge als Autos. nikation von offizieller Seite einherging – Versorgungsinfrastrukturen und Güter- sowohl über Umweltbilanzen als auch verkehr – zeigten sich hier ganz beson- Hybridfahrzeuge wurden weniger häufig über konkrete Instrumente wie Förder- ders die unterschiedlichen Einstellungen thematisiert, aber durchaus als mögliche mittel. Es bestanden unterschiedliche gegenüber neuen Technologien. Die Teil- Alternative erachtet, wenn sie elektrisch Einschätzungen bezüglich des Entwick- nehmenden standen diesen teils offen, fuhren – dies solle der Staat auch för- lungstempos von Innovationen und aus- teils skeptisch gegenüber und argumen- dern – und wenn Pendlerinnen und stehenden Richtungsentscheidungen. Es tierten dabei selten „absolutistisch“ in Pendler für längere Strecken nicht nur wurde auf die Wichtigkeit unabhängiger, nur eine Richtung. Die Idealisierung ein- auf die Batterie setzen müssten. Eine wissenschaftlicher Studien hingewiesen zelner Technologien sahen sie kritisch Person betonte in diesem Zusammen- und auf den Wunsch, Situationen vor Ort und zweifelten an Alternativen, forderten hang auch das Freiheitsgefühl, dass aus in die Forschung einzubeziehen. aber Transparenz und ehrliche Kommu- der Verbindung von Klimaschutz und in- nikation zu Chancen und Risiken. dividueller Mobilität entstehe. Als lang- Abbildung 4 gibt einen Überblick über fristige und praktikablere Alternative zur die oben genannten Aspekte bzgl. Inno- Grundsätzlich äußerten sich viele Teil- E-Mobilität wurde auf Wasserstoff verwie- vationen und Antriebe und veranschau- nehmende positiv über den Umstieg auf sen, auch als Antrieb für Busse, dessen licht, dass die Werte Transparenz und Erneuerbare Energien (EE) im Verkehr niedriger Wirkungsgrad aber wiederum Ehrlichkeit, aber auch Offenheit und Ver- und die Notwendigkeit emissionsfreier infrage gestellt wurde. An einzelnen Stel- sorgungssicherheit eine große Rolle für Alternativen für Antriebe allgemein. Da- len wurde auf die Effizienz von Dieselmo- die Bürgerinnen und Bürger spielen. bei wurde oft angemerkt, dass die Ener- toren verwiesen. giequellen große Relevanz hätten: Sie Carsharing sollten regenerativ bzw. nachhaltig/ Abseits von Antriebstechnologien gab es „grün“ sein, während Kohle- und Atom- einzelne Aussagen zu anderen Innovatio- Recht stark diskutiert wurde das Thema strom abgelehnt wurden. Zudem müsse nen. Hier besteht ein großer Argumenta- Carsharing. Oft wurde es als generell po- ein Umstieg organisiert erfolgen und tionsbereich zum autonomen Fahren, sitiv wahrgenommen, etwa als flexible Geld in den Ausbau von Netz- und das nach Ansicht vieler Teilnehmenden Möglichkeit Auto zu fahren, wenn es un- Ladeinfrastruktur und EE investiert wer- Potenzial habe. Dieses wurde allerdings bedingt nötig sei, ohne sich um ein Ei- den. Skepsis wurde bezüglich der zur selten konkret beschrieben, am ehesten gentum kümmern zu müssen. Auch Kos- Verfügung stehenden Strommenge aus in Richtung Verkehrsverflüssigung und ten und eine Entschärfung der Park- EE, der Notwendigkeit von Speichern Lösung von Problemen des ruhenden platzsituation standen auf der Positiv- und der Netzbelastung durch Elektromo- Verkehrs. Kritisch gesehen wurde unter Seite. Es wurde als Lösung vor allem für 15
Wertevorstellungen zu neuen Technologien entlang von Problem- und Zieldimensionen Abbildung 4 Städte gesehen. Es gab aber auch sehr und ÖPNV verknüpfte. Es zeigten sich unterschiedliche Bedenken, die vom indi- verschiedenste Datenschutzbedenken viduellen Verlust von Mobilität über Da- von der Unnötigkeit von Datenerfassung tenschutzbedenken bis zur Kritik reich- über Datenweitergabe an Dritte und ten, dass Verkehr durch Carsharing nicht Kommerzialisierung bis zu Kulturfragen reduziert, sondern sogar verstärkt wer- („Wir bevorzugen als Individuum nicht so de. Insbesondere die fehlende Verläss- gläsern zu sein“). Ein eigener, thema- lichkeit bei der Verfügbarkeit wurde dis- tisch zugehöriger Argumentationsbe- kutiert, sodass es beispielsweise für reich zeigt die Furcht vor und Ablehnung Berufspendlerinnen und -pendler nicht von Fremdbestimmung/Lenkung durch als Alternative gesehen wurde. Auch Überwachung und Belohnungssysteme. wurde darauf hingewiesen, dass Carsha- Allerdings zeigten sich auch ambivalente ring für gewisse Nutzer*innengruppen Einstellungen zu „Smart Devices“, da die nicht barrierefrei und nutzbar sei (Famili- vorgenannten Bedenken bestanden en, Gehbehinderte, Menschen ohne digi- (auch wenn auf Freiwilligkeit gesetzt tale Affinität). Es sei zudem schwer, aus werde), ein Anreiz zu anderem Verhalten dem Eigentumsdenken herauszukom- wurde aber grundsätzlich positiv einge- men. schätzt. Weitere Fragen stellten die Teilnehmen- Positive Veränderungen durch Digitalisie- den bezüglich der Zielgruppen und An- rung wurden in verschiedenen Bereichen trieben von Carsharing. Ambivalent war gesehen: als Nutzervorteil, Werkzeug für die Diskussion um Raumansprüche. Bedarfserfassung und als Veränderung Wenngleich autonomes Fahren als eine von Arbeitswelt und Freizeit, was sich Möglichkeit der besseren Verfügbarkeit auch auf den Verkehr auswirken werde. eingeführt wurde, wenn Fahrzeuge Möglichkeiten wurden insbesondere im selbstständig zu weiteren im Verkehr ÖPNV gesehen, als digitalisierte, planba- teilnehmenden Personen oder zu Share re und verteilte Dienstleistung, verbes- Points fahren könnten, wurde im Zusam- sert zum Beispiel durch benutzerfreund- menhang mit Fahrzeugen aber auch Rol- liche Informationssysteme. Auch generell lern darauf hingewiesen, dass diese be- könnten Verkehrsmittel besser aufeinan- reits im Weg stünden. der abgestimmt und Multimodalität er- möglicht werden. Ältere Nutzergruppen Digitalisierung seien derzeit noch ausgeschlossen. Aller- dings wurde auch argumentiert, dass di- Vor allem mit Bezug auf die Gestaltung gitale Anwendungen sich in diesen Grup- der Zukunft wurde der Bereich Digitali- pen ebenfalls verbreiten. Dennoch wurde sierung thematisiert, der inhaltliche es als Barriere gesehen, wenn gewisse Schnittstellen vor allem mit dem Thema Dienste nur auf digitalem Weg zugäng- Freiheit, aber auch mit Argumenten in lich seien. der Kategorie Infrastruktur wie Wandel 16
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