Und was war Dein besonderer Kinomoment? - Vor 75 Jahren, am 17. Mai 1946, wurde die DEFA als erste große deutsche Filmproduktionsgesellschaft ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
… und was war Dein besonderer Kinomoment? Vor 75 Jahren, am 17. Mai 1946, wurde die DEFA als erste große deutsche Filmproduktionsgesellschaft nach Kriegsende gegründet. Wir erinnern an bedeutende Filmkunst und einen bleibenden Schatz von Zeitdokumenten.
Hildegard Knef und Ernst Wilhelm Borchert im ersten deutschen Nachkriegsspielfilm Die Mörder sind unter uns (Wolfgang Staudte, 1946) Ein DEFA-Jubiläum ohne Kino Ein Grußwort von Stefanie Eckert, Vorstand der DEFA-Stiftung Bilder des Jahrhunderts Eine kleine DEFA-Spielfilmgeschichte von Ralf Schenk In meiner heißgeliebten ersten Wohnung, künstler zum visualisierten Sprachrohr bestimmter Beratung, Zusammenarbeit, durch Kooperationen übrigens im 5. Stockwerk eines 50er-Jahre- Ideologien instrumentalisieren. Sie entwickelten mit Vertrieben, allen voran mit ICESTORM, um die Nachkriegsbaus, hatte ich einen Badeofen für eigene Ausdrucksweisen, Filmsprachen und Filme im Fernsehen, auf DVD und online zu ver Draußen war es frisch. Sechzehn Grad, stark chronisationen von sowjetischen Filmen wurden der Weimarer Republik nach. Und Georg C. Klaren die Wanne und einen Kachelofen zum Heizen erzählten Geschichten, die aufgrund ihrer Diffe- öffentlichen, durch Digitalisierung und Austausch bewölkt mit etwas Regen, nicht unbedingt ein beauftragt. Am 1. Mai hatte der erste DEFA-Do- inszenierte Georg Büchners Dramenfragment der Einraumwohnung – ungefähr wie Paula in der renziertheit nicht vereinheitlicht werden können, mit dem Bundesarchiv. Vor allem aber gelingt freundlicher Maientag. Doch drinnen, im Saal, war kumentarfilm Einheit SPD–KPD von Kurt Maetzig Wozzeck als albtraumhaft-fiebrige Anklage des Legende, nur ohne Kinder. Die Fenster waren deren verbindendes Leitmotiv womöglich aber es durch ein permanentes Engagement für die das Wetter sofort vergessen. Denn in der Großen Premiere. Am 4. Mai begann Wolfgang Staudte Militarismus. Filme zum Antifaschismus blieben für undicht, es regnete hinein. Das ist gerade einmal ein humanistisches Denken ist. Auswertung und Anerkennung des DEFA-Films Halle des Babelsberger Althoff-Ateliers stand mit den Dreharbeiten zum ersten Spielfilm Die das DEFA-Schaffen in allen Jahrzehnten und über zwanzig Jahre her, es war zur Jahrtausendwende. Vor 75 Jahren wurde die DEFA gegründet. Mit im Kinosaal, auf Festivals oder bei Filmreihen, nicht weniger zur Debatte als das sehnsüchtig Mörder sind unter uns. alle Generationen hinweg wichtig: melancholische Die Kohlen und das Holz trugen sich nicht allein ihrer Errichtung konnte die Filmproduktion nach gemeinsam mit der Deutschen Kinemathek. erwartete Wiederaufleben des deutschen Kinos. Zu den Rednern auf der Gründungsfeier am und pathetische, analytische und gleichnishafte. nach oben und die Asche auch nicht allein nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg wieder Die DEFA, die scheintote Schönheit, wie Jutta Nach zwölf Jahren Befehlsgewalt durch einen 17. Mai gehörte der Präsident der Zentralver- Ein Kino der Aufklärung und Ursachenforschung, unten. Nach jedem größeren Regenguss musste aufgenommen werden. Zunächst unter Aufsicht Hoffmann sie nennt, würde 75 Jahre werden. Ihren ebenso diabolischen wie filmbesessenen Propa- waltung für Volksbildung, Paul Wandel, der der politischen, sozialen und psychologischen unter den Fenstern gewischt werden. Die nächste der sowjetischen Behörden, sollte dem pathos- Jahrestag möchten wir mit einer Wertschätzung gandaminister, nach sechs Kriegsjahren und fast aus dem sowjetischen Exil nach Deutschland Spurensuche. Bedeutende Regisseure wie Wohnung war komfortabler: Gasetagenheizung, getriebenen Filmschaffen im Dritten Reich ein für das Kino und für die Filmschaffenden bege- einem Jahr Drehpause sollte die erste deutsche zurückgekehrt war. Er forderte die Filmschaf- Konrad Wolf (Sterne, 1959; Professor Mamlock, fließend Warmwasser und der Regen blieb Gegenentwurf gesetzt, die jüngste deutsche hen. Wir möchten den DEFA-Film in all seinen Filmgesellschaft aus der Taufe gehoben werden, fenden auf, Stellung gegenüber den »großen 1961) oder Frank Beyer (Königskinder, 1962; Nackt draußen. Noch immer weiß ich diese scheinbare Geschichte aufgearbeitet und die deutsche Facetten feiern. Lassen wir uns trotz der Aus- die alle Facetten vom Spiel- und Dokumentarfilm Schicksalsfragen unseres Volkes« zu beziehen: unter Wölfen, 1963; Jakob der Lügner, 1974; Normalität zu schätzen, genieße die schnelle Bevölkerung im sozialistischen Sinne unterhalten nahmesituation noch einmal in den ersehnten bis zum Kulturfilm bedienen wollte. Ihr Name: »Der Film darf nicht mehr Opium des Vergessens Der Aufenthalt, 1983) inszenierten Arbeiten, die Wärme und das warme Wasser. Das Besondere werden. Die DEFA war die einzige Produktions- Kinosessel fallen. Lassen wir uns von der DEFA Deutsche Film-A.G., kurz: DEFA. sein, sondern soll den breiten Schichten unseres auch international für Aufmerksamkeit sorgten – des Alltäglichen. stätte für Kinofilme in der DDR. Das DEFA-Kino einen Kinomoment schenken, lassen wir uns Ge- Die westlichen Alliierten waren 1945/46 zunächst Volkes Kraft, Mut, Lebenswillen und Lebensfreude bis hin zu Günther Rückers und Günter Reischs Gegenwärtig verändert sich unser Denken war und ist vieles: Charakterstudie, Historien- schichten aus einer anderen Zeit, einem anderen gegen eine neue Filmproduktion auf deutschem spenden. Vor allem aber muss das Filmschaffen Die Verlobte (1980), die den Großen Preis der über Normalität und das Besondere. Seit mehr drama, Kinderfilm, Klassenkampf-Propaganda, Land erzählen, bewundern wir die besonderen, Boden. Viele Filmschaffende, so ihre Argumen- getragen sein von innerer Ehrlichkeit, die die Filmfestspiele in Karlovy Vary erhielt. Noch die als einem Jahr befindet sich die Welt in einem Gegenwartskomödie, um nur einige seiner bewegenden Augenblicke, trauern wir auch um tation, seien zu tief in der Medienlandschaft der Wahrheit sucht, die Wahrheit verkündet und das letzte Regiegeneration, die Mitte der 1980er-Jahre Ausnahmezustand. Das Alltägliche wird in Frage Spielfilm-Facetten zu nennen. Hinzu kamen die das Vergessene und staunen über das, was bleibt: Nationalsozialisten verankert gewesen. Zudem Gewissen wachrüttelt.« Ähnlich sah der sowjeti- bei der DEFA startete, leistete ihren Beitrag mit gestellt. Nicht nur das Lernen in der Schule, die zum Teil richtungsweisenden Produktionen aus Kino ist Gefühl, immer. stünden für die Umerziehung und Unterhaltung sche Kulturoffizier Sergej Tulpanow den neuen stilistisch bemerkenswerten, parabelhaften Filmen Reise ins Ausland, auch das Treffen von dem Dokumentar- und dem Trickfilmstudio. Kino ist auch Entdeckung, wenn man sich nur der Deutschen zahlreiche US-amerikanische, deutschen Film als »eine scharfe und mächtige wie Stielke, Heinz, fünfzehn ... (Michael Kann, 1986) Freunden. Solidarität bedeutet Distanz. Nähe Nach und nach entstand eine Vielfalt, die nur darauf einlässt. Mein letztes DEFA-Kinoerlebnis englische und französische Filme zur Verfügung. Waffe gegen die Reaktion und für in der Tiefe oder Erster Verlust (Maxim Dessau, 1990). löst Angst aus. Wenn wir aus diesem Zustand dieser eine Moment eint, wenn das Licht ausgeht war sogar eine unerwartete Entdeckung. Im Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) wachsende Demokratie«. eine positive Konsequenz ziehen können, dann und der Zuschauer sich ein letztes Mal auf dem Oktober 2020, kurz vor der erneuten Schließung, verfolgte indes andere Pläne. Die von ihr eta Schon im ersten Jahr brachte die DEFA drei Fil- die einer größeren Wertschätzung der Dinge, Kinosessel zurechtrückt, voller Neugier auf die wurde im Berliner Kino Arsenal zur Erinnerung an blierte Zentralverwaltung für Volksbildung startete me in die Kinos, die sich mit der deutschen Gegen- die uns bis vor kurzem noch selbstverständlich nächsten Minuten. In den 1990er-Jahren wurde die verstorbene DEFA-Dramaturgin Erika Richter schon im Herbst 1945 einen Aufruf an deutsche wart und unmittelbaren Vergangenheit befassten. erschienen und uns nun verwehrt sind. Dazu die DEFA nach und nach abgewickelt. Sie hatte der Spielfilm Rückwärtslaufen kann ich auch von Filmschaffende, sich bei ihr zu melden, um an der Die Mörder sind unter uns, über Kriegsverbrechen gehört auch der Kulturgenuss, der Gang ins ihre finanzielle und ideologische Basis verloren, Karl-Heinz Lotz (1989) vorgeführt. Ein Film, der Wiederaufnahme der Filmproduktion mitzuwirken. und deutsche Schuld, griff mit seinen schrägen Ka- Theater, der Besuch eines Konzerts und dieser aber keine Chance erhalten, ihre Daseinsberech- durch einen offenen, humorvollen und nie ins Am 29. Oktober 1945 erlaubte Stalin dem Chef der meraperspektiven und der Betonung von Licht und ganz besondere Augenblick im Kino, wenn das tigung neu zu definieren. Doch die Filme blieben. Betuliche abdriftenden Blick auf den Umgang SMAD, Marschall Shukow, eine deutsch-sowjeti- Schatten auf Elemente des expressionistischen Licht ausgeht: Der Kinomoment! Initiiert von den DEFA-Filmschaffenden wurde von Lehreinrichtungen mit einem behinderten sche Aktiengesellschaft zur Herstellung von Fil- Kinos zurück. Freies Land von Milo Harbich ver- Was vermag Kino? Gemeinsam mit vielen nach langem Ringen, das weniger von inhaltlichen Mädchen überrascht. Klingt sperrig und belas- men zu gründen. Die neue Arbeitsgruppe »Film- knüpfte als didaktischer, in aktuelle gesellschaft- Leuten in das Leben anderer Menschen zu Diskussionen, sondern vor allem von politischen, tend und ist doch das genaue Gegenteil. Ein Aktiv« der Zentralverwaltung für Volksbildung rief liche Vorgänge eingreifender Report über die reisen. Es wird zusammen gelacht und zusammen rechtlichen und finanziellen Debatten geprägt Kinomoment, der unterhält, der traurig macht am 22. November zu einer Zusammenkunft ins Bodenreform in Mecklenburg dokumentarische geweint. Die Geschichten sind zum Teil vertraut, war, 1998 die DEFA-Stiftung gegründet. Die Film- und einen zugleich zum Lachen bringt: Hoch Berliner Hotel Adlon ein. Zu den Teilnehmern des Einstellungen mit Spielszenen. Gerhard Lamprecht zum Teil irritierend fremd. Eine gemeinsame rechte wurden somit nicht in alle Winde verstreut, lebe das Kino! Treffens gehörten Regisseure wie Gerhard Lamp- unterfütterte die realistischen Motive von Irgend- Ablenkung des Alltags, mal unterhaltsam, mal die Filmschaffenden mussten nicht als Einzel- Ich freue mich auf den Moment, wenn wir dieses recht, Wolfgang Staudte, Peter Pewas und Werner wo in Berlin mit melodramatischem Aufbaupathos. lehrreich. Auf großer Leinwand, inzwischen meist kämpfer um den Erhalt ihrer Werke kämpfen. Gefühl wieder als Normalität empfinden. Wenn Hochbaum, Autoren wie Friedrich Wolf und Hans 1947 inszenierte Kurt Maetzig mit Ehe im Schatten in Farbe und mit viel Ton. In der DDR wurde Kino Wir als DEFA-Stiftung versuchen die DEFA- der Kinobesuch genau wie das warme Wasser Fallada sowie Dr. Kurt Maetzig. den ersten deutschen Film über den Holocaust; Armin Mueller-Stahl und Annekathrin auch als Mittel zur Einflussnahme genutzt, nur Filme zu bewahren, sie verfügbar zu machen und nicht außergewöhnlich erscheint, aber dennoch Bald gingen vom »Film-Aktiv« spürbare Aktivi- er wurde in allen vier Sektoren Berlins gleichzeitig ließen sich zum Bedauern einiger Funktionäre eine kritische Auseinandersetzung mit ihnen weiterhin wertgeschätzt wird. Das Besondere des täten aus. Schon am 19. Februar 1946 erschien die uraufgeführt. Erich Engel ging in dem Kriminalfilm Bürger in Frank Beyers antifaschistischem nicht alle DEFA-Filmkünstlerinnen und Film zu fördern. Das gelingt durch Publikationen, Alltäglichen. n erste Wochenschau Der Augenzeuge. Erste Syn- Affaire Blum dem virulenten Antisemitismus in Drama Königskinder (1962) 2 3
Jutta Hoffmann und Jaecki Schwarz 2.000 Dokumentarfilme und 2.500 Periodika wie artikeln wirkten. Im selben Jahr kam es zum ersten Personenkult überhöhten Haupt- und Staats in Egon Günthers Gegenwartsdrama Wochenschauen. Filmverbot: Das Beil von Wandsbek, das Debüt filme Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse und Fernsehpremiere im MDR Die Schlüssel (1974) Das Spielfilmstudio, das bald mit etwa 2.500 von Falk Harnack, wurde wenige Wochen nach Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse, farbi- 25.6.2021 um 00:00 Uhr Angestellten zu einem der größten Arbeitgeber seiner Premiere aus den Kinos zurückgezogen. ge Großproduktionen über den 1944 von den Potsdams avancierte, hatte zunächst vor allem auf Sowjetische Berater glaubten zu erkennen, dass Nazis ermordeten Führer der Kommunistischen Personal zurückgegriffen, das schon vor 1945 beim der Film beim Publikum Mitleid mit einem Nazi- Partei Deutschlands. Zum realistischen Zeitbild Film tätig war. Sie kannten sich alle: die Regisseure Henker hervorrufe. Erst in den 1980er-Jahren kam geriet ihm dann Schlösser und Katen (1957) über und ihre Kameramänner, die Produktions- und es, nach einer dringenden Bitte von Hauptdarstel- Prozesse in der Landwirtschaft nach 1945. 1959 Aufnahmeleiter, Szenenbildner, Tonmeister, ler Erwin Geschonneck, zu einer Wiederauffüh- drehte Maetzig den ersten utopischen Spielfilm Oberbeleuchter, Schnittmeisterinnen. Viele rung der integralen Fassung. der DEFA, Der schweigende Stern, eine Co- wohnten in West-Berlin. Und bis zum August 1961, Im Juli 1952 legte das Politbüro der SED unter Produktion mit Polen. als die Grenzen geschlossen wurden, war es nicht dem Titel »Für den Aufschwung der fortschritt- Maetzig erweist sich womöglich als derjenige schwer, von dort in die Babelsberger Filmstadt lichen deutschen Filmkunst« Maßstäbe für die DEFA-Regisseur, dessen Schaffen die politischen zu gelangen. Einen ersten Exodus von künstleri- Arbeit der DEFA fest. Die parteioffiziellen Rat- Wellenbewegungen am deutlichsten spiegelt, schem Personal musste die DEFA 1948 durch die schläge der darauffolgenden SED-Filmkonferenz denen der Film in der DDR unterworfen war. In von den drei Westmächten beschlossene Wäh- betonten, es komme auf das »Typische unserer Zeiten kulturpolitischer Liberalität, so in den frü- rungsreform verkraften. Einzelnen gelang es zwar, Zeit« und die »Darstellung des positiven Helden« hen DEFA-Jahren bis 1948, um 1956 und 1964/65, mit der DEFA Verträge auszuhandeln, die ihnen an. Der Kritische Realismus sei zu überwinden; gelangen ihm herausragende Arbeiten. Doch Honorare in Westmark garantierten, aber zum stattdessen müssten die Filme der »Erziehung wurden die Schrauben des Dogmas angezogen, Präzedenzfall sollte das nicht werden: Die DEFA der arbeitenden Massen im Geiste des Sozialis- fielen seine Filme ästhetisch ab, erwiesen sich Die überwiegende Mehrzahl dieser Filme litt Zeit ihres Bestehens unter Devisenmangel; mus« dienen. Später sprach der Regisseur Richard als verlängerte Arme der Agitation. Maetzig, ab beschrieb Ereignisse aus dem Zeitraum der beim Einkauf moderner Filmtechnik, aber auch Groschopp davon, dass mit diesen Beschlüssen 1954 auch Gründungsrektor der Filmhochschule Naziherrschaft; nur wenige erweiterten den Blick bei der Beschaffung von westlichem Farbmaterial »viele schöpferische Funken« gelöscht worden Potsdam-Babelsberg, war klug genug, um dies zu hin zur offiziell unerwünschten Untersuchung über oder bei notwendigen Aufnahmen im westlichen seien: »Es gab kaum noch Einfälle und demzufol- erkennen, und doch immer wieder auch so anpas- das versteckte Nachleben von NS-Ideologie im Ausland war das ein großes Handicap. ge keine Drehbücher.« Die Ateliers verwaisten, sungsbereit, dass er sich erneut zum Apologeten DDR-Alltag, so wie in dem suggestiven Drama Auch ideologisch wirkte sich der Kalte Krieg der diskontinuierliche Produktionsablauf und die der Tagespolitik machte. Das macht seine Größe Das zweite Gleis (Joachim Kunert, 1962). auf die Arbeit der DEFA aus. Das Produktionspro- Reglementierungen sorgten für Unmut. und seine Tragik aus. gramm, das bis 1949 neben politischer Aufklärung Viel Gewicht besaß auch Slatan Dudow, der Anlässlich von Wozzeck kam es zu ersten ideo- logischen Kontroversen: Klarens Metaphorik auch Spielraum für Unterhaltungsfilme, so von einstigen Ufa-Regisseuren wie Hans Deppe oder Am 5. März 1953 verstarb Josef Stalin. In den Jahren danach zog von Moskau ein politisches aus dem Schweizer Exil als einer der wenigen Remigranten unter den DEFA-Spielfilmregisseuren Vorhang auf für kam bei sowjetischen Beratern, die in der frühen Arthur Maria Rabenalt gelassen hatte, wurde Tauwetter auch zur DEFA. An Stelle der Film- nach Ost-Berlin zurückkehrte. Viele seiner Filme DEFA ein wesentliches Mitspracherecht hatten, mehr auf Parteilinie gebracht. Zwischen 1949 und kommission wurde die Hauptverwaltung (HV) ließen die Utopie bereits zur Realität gerinnen: Fräulein Schmetterling! nicht gut an. Sie witterten »Formalismus«, ein Be- 1956 wurden sämtliche DEFA-Stoffe langwierigen Film beim Ministerium für Kultur installiert, mit Dudows DEFA-Debüt Unser täglich Brot (1949) griff, der in der sowjetischen Kulturpolitik häufig Prüfungsverfahren durch die SED-Filmkommis- kürzeren administrativen Wegen, die 1956 der galt fortan als frühes Musterbeispiel des So- In der Nacht vom 25. zum 26. Juni 2021 lohnt es sich, länger aufzubleiben. Denn dafür benutzt wurde, um Formexperimente, die sion und ähnliche Gremien unterworfen, die der Babelsberger Studiodirektion für wenige Monate zialistischen Realismus. Durch seine integre, genau um Mitternacht feiert der 1965 verbotene Spielfilm Fräulein Schmetterling sich nicht dem Kanon des so genannten »Sozia- Auffassung waren, Kino habe ein verlängerter sogar erlaubten, selbst über den Drehbeginn von kompromisslose Haltung, mit der er den Film als seine Fernsehpremiere im MDR. listischen Realismus« unterwarfen, zu kritisieren Arm von Agitation und Propaganda zu sein. Spielfilmen zu entscheiden. Erst die Abnahme des Kunst verteidigte, wirkte Dudow für viele jüngere oder gar zu verbieten. Formalismus, das war Überall lauerten ideologische Fallen; wer sich fertigen Films war der HV vorbehalten. Bis Anfang Regisseure als Vorbild. Der Gegenwartsfilm wurde von Regisseur Kurt Barthel nach einem Drehbuch etwas Fremdes, Bedrohliches, Intellektualisti- in ihnen verfing, musste fürchten, politisch zur der 1960er-Jahre stieg die Produktion auf mehr Nicht zuletzt wurde in den 1950er-Jahren auch von Christa und Gerhard Wolf realisiert, gelangte durch das Verbot aber nie zur sches, etwas, das der Arbeiterklasse vermeintlich Verantwortung gezogen zu werden. Die Kontroll als dreißig Kinofilme jährlich. Verstärkt wurden der Grundstein für die facettenreiche, anerkannte Endfertigung. Im Auftrag der DEFA-Stiftung wurden in den letzten Jahren viele nicht entsprach. Bis zum Ende der DDR erregten mechanismen ließen die Spielfilmproduktion tradierte Genres bedient: Lustspiele und Satiren, Kinderfilmproduktion der DEFA gelegt. Zu ihr der vorhandenen Drehmaterialien und verschiedene Schnittvarianten entlang Formexperimente bei kulturpolitischen Ent- schrumpfen: Waren 1950 noch zehn DEFA-Filme in Kriminal- und Agentenfilme, Opernadaptionen, gehören sowohl eine Vielzahl fantasievoller, trick- scheidungsträgern Misstrauen: Ein DEFA-Film, die Kinos gekommen, so erschienen 1951 nur acht Revuefilme. Zudem öffnete sich das Studio inter- reicher Märchenfilme als auch Arbeiten, die sich des ursprünglichen Regiedrehbuchs geprüft, aufwendig restauriert und teilweise finanziert aus der Staatskasse, hatte aus ihrer und 1952 gar nur sechs. Ein Meisterwerk wie Wolf- nationalen Produktionspartnern. Für die deutsch- der deutschen Geschichte und gegenwärtigen nachsynchronisiert. Entstanden ist ein wichtiges Zeitdokument, das sowohl die Sicht für jeden verständlich, klar und eindeutig gang Staudtes Der Untertan (1951), eine satirische französischen Co-Produktionen Die Abenteuer Problemen des Kindseins und Erwachsenwer- Möglichkeiten und neuen künstlerischen Wege der DEFA-Filmschaffenden als auch zu sein, keinesfalls vom »elitären« Kunstwillen ge- Studie des deutschen Kleinbürgers und seiner des Till Ulenspiegel (Gérard Philipe, 1956), Die dens widmeten. Neben Publikumslieblingen wie ihre politisch-ideologische Verhinderung eindrucksvoll aufzeigt. prägt. So ist es zu erklären, dass experimentelle Obsessionen, sah sich von einer Menge an Filmen Hexen von Salem (Raymond Rouleau, 1957) oder Wolfgang Staudtes Die Geschichte vom kleinen Ansätze bei der DEFA eher selten waren, wobei umgeben, die eher wie die Bebilderung von Leit- Die Elenden (Jean-Paul Le Chanois, 1958) kamen Muck (1953), Siegfried Hartmanns Das Feuer- Im Film spielt Melania Jakubisková die fantasievolle Helene Raupe, die sich gemein- die Besten dieser Filme heute wie Leuchttürme Gaststars wie Simone Signoret, Yves Montand, zeug (1958), Walter Becks König Drosselbart sam mit ihrer Schwester als Vollwaise auf die Suche nach einem selbstbestimmten, aus dem Kino ihrer Zeit herausragen: der stark Bernard Blier und Jean Gabin nach Babelsberg. (1965) oder Václav Vorlíčeks Drei Haselnüsse für glücklichen Leben macht und dabei oft mit ihren Lebensträumen einer allzu vor stilisierte Der Fall Gleiwitz (Gerhard Klein, 1961) Obwohl die Verbreitung des DEFA-Films in Aschenbrödel (1974) überzeugten immer wieder über den fingierten Überfall der Nazis auf den der Bundesrepublik durch Bonner Regierungs- sensible Alltagsbeobachtungen. Eine Reihe von urteilsvollen Gesellschaft und starren staatlichen Mechanismen gegenübersteht. n Sender Gleiwitz, den Auslöser des Zweiten Welt- entscheidungen, aber auch durch einen immer Regisseurinnen und Regisseuren widmete sich krieges; der erzählerisch freie, ungebundene stärker grassierenden Antikommunismus extrem engagiert dem Kino für Kinder, darunter Helmut Egon-Günther-Film Die Schlüssel (1974) über die behindert wurde, mühte sich vor allem das Spiel- Dziuba mit Sabine Kleist, 7 Jahre ... (1982), Rolf tragische Reise eines Liebespaars nach Krakau filmstudio, die Beziehungen zu westdeutschen Losansky mit Moritz in der Litfasssäule (1983) ma vérité auf, nutzten moderne, offene Erzähl- Dass die DEFA an die kurze Leine der Partei und das Verhältnis zwischen Polen und Deut- Filmkünstlerinnen und -künstlern nicht abreißen oder Hannelore Unterberg mit Isabel auf der strukturen anstelle traditioneller Dramaturgien. genommen wurde, wiederholte sich in über vierzig schen; Konrad Wolfs und Wolfgang Kohlhaases zu lassen. Mit Carola Lamberti – Eine vom Zirkus Treppe (1983). Die ästhetisch anspruchsvolle Ausgebildet im DEFA-Nachwuchsstudio oder an Jahren mehrfach und stets nach ähnlichem Muster. episodischer Der nackte Mann auf dem Sport- (Hans Müller, 1954) und der E.T.A. Hoffmann- Erziehung der Gefühle mit den Mitteln des Films renommierten Filmschulen in Moskau oder Prag, Der Ersten und Zweiten Filmkonferenz folgte im platz (1974) über das Verhältnis von Künstler und Adaption Das Fräulein von Scuderi (Eugen York, brachte bleibende Werke für jüngere Zuschauer kümmerten sie sich vor allem um eine filmische Dezember 1965 das verhängnisvolle 11. Plenum Gesellschaft; der metaphorische Dein unbe- 1955) ermöglichte die DEFA dem Stummfilmstar hervor. Gestaltung des alltäglichen Lebens in der DDR, des ZK der SED, in dessen Folge insgesamt zwölf kannter Bruder (Ulrich Weiß, 1982) über Verrat Henny Porten ein spätes Comeback. Der junge legten aber auch bemerkenswerte antifaschisti- DEFA-Spielfilme verboten wurden und auch die und Angst im antifaschistischen Widerstand; Götz George trat in einem Lustspiel aus dem Die Stilistik vieler DEFA-Filme war lange von sche Filme vor. Kontrollen bei Dokumentar- und Trickfilm zu- oder das symbolisch überhöhte Luftschiff (Rainer Milieu der Binnenschiffer, Alter Kahn und junge Ufa-Traditionen geprägt. Einen Bruch wagten Mitten in jene Zeit, in der sich die zweite Regie- nahmen. Im November 1981 reichte der fingierte Simon, 1983) über die unheilvollen Verstrickun- Liebe (Hans Heinrich, 1957), auf. Rudolf Forster Gerhard Klein und Wolfgang Kohlhaase, die generation etablierte, fiel die Zweite Filmkonfe- Leserbrief eines Erfurter Arbeiters, der in der gen eines Erfinders in die Zeitgeschichte. gastierte ebenso bei der DEFA wie Gisela Trowe. sich für ihre Berlin-Filme Alarm im Zirkus (1954), renz der SED. Im Juli 1958 las die Parteiführung Kommentarspalte des SED-Zentralorgans »Neues Weil deutsch-deutsche Co-Produktionen von Eine Berliner Romanze (1956) und Berlin – Ecke der DEFA erneut die Leviten. Diesmal standen Deutschland« abgedruckt wurde, um unliebsame Zum 1. Januar 1953 wurde die DEFA als zentrale Regierungsstellen der BRD torpediert wurden, Schönhauser ... (1957) an den Prinzipien des »unverbindliche« Filme wie die Revue Meine politisch-ästhetische Tendenzen der Spielfilmpro- »Filmgesellschaft mit beschränkter Haftung« fungierte der West-Berliner Filmhändler und -pro- italienischen Neorealismus orientierten. Sie Frau macht Musik (Hans Heinrich, 1958) oder duktion zu bremsen. Unter der Überschrift »Was ich aufgelöst. Ihr Vermögen ging in die Rechts duzent Erich Mehl als Mittelsmann und stellte mit gingen aus den Ateliers auf Straßen und Plätze, Spielbank-Affäre (Arthur Pohl, 1957) am Pranger. mir mehr von unseren Filmemachern wünsche« war trägerschaft von selbstständigen volkseigenen Hilfe seiner Stockholmer Firma Pandora Devisen engagierten Laiendarsteller und arbeiteten mit Märchenfilmen wie Das singende, klingende dort unter anderem zu lesen: »Ich spüre zu wenig Betrieben über: darunter die DEFA-Studios für für die Gagen westdeutscher Darstellerinnen und grobkörnigem Wochenschau-Material, um ihren Bäumchen (Francesco Remani, 1957) wurden Stolz auf das, was die Arbeiterklasse und ihre Partei Spielfilme und für populärwissenschaftliche Darsteller zur Verfügung. Spielfilmen einen dokumentarischen und au- bürgerlich-idealistische Konzeptionen vorgewor- im Bunde mit allen Werktätigen unseres Landes an Filme in Potsdam-Babelsberg, für Wochenschau thentischen Look zu geben. Klein und Kohlhaase fen. Das störte die jungen DEFA-Regisseure nicht: großem vollbracht hat. Wo sind die Kunstwerke, und Dokumentarfilme und für Synchronisation in Als wichtige Regisseure der 1950er-Jahre gingen brachten Mitte der 1950er-Jahre gemeinsam mit Auch sie hielten diese Filme für überflüssig und die das – ich nenne es so – Titanische der Leistung Berlin. Zum 1. April 1955 kam das DEFA-Studio Kurt Maetzig und Slatan Dudow in die DEFA- Konrad Wolf, Heiner Carow, Günter Reisch, Frank spießig. Hellhörig mussten sie jedoch werden, als bewusst machen, die in der Errichtung, im Werden für Trickfilme in Dresden hinzu. Wer in der DDR Geschichte ein. Mit Der Rat der Götter (1950) Vogel und Frank Beyer frischen Wind ins Studio. im Umfeld der Filmkonferenz auch Konrad Wolfs und Wachsen unseres stabilen und blühenden Kinofilme machen wollte, musste das in diesen hatte Maetzig den Versuch unternommen, die Diese Regisseure der zweiten DEFA-Regie Sonnensucher (1958) über Lebensschicksale von Arbeiter-und-Bauern-Staates besteht?« Erwin Geschonneck als Schlächtermeister Studios tun: Sie hielten das Monopol inne. Bis zum Verfilzung des deutschen Großkapitals in die generation orientierten sich am jungen Kino in Arbeiterinnen und Arbeitern im Uranbergbau der Solche Formeln belegen, dass starke Kräf- Ende der DDR entstanden rund 700 Spielfilme Albert Teetjen in Das Beil von Wandsbek Verbrechen des NS-Regimes filmisch zu fassen. der UdSSR oder in Polen, nahmen Anleihen beim DDR auf Druck sowjetischer Behörden unaufge- te innerhalb der SED-Parteiführung den Film und 450 fiktionale Kurzfilme, 950 Animationsfilme, (Falk Harnack, 1951) 1954/55 inszenierte er die legendenhaft zum britischen Free Cinema und französischen Ciné- führt blieb. nach wie vor weniger als Kunst denn als Mittel 4 5
von Macht und Gewalt vor. Nach dem Verbot seines Gegenwartsfilms Jadup und Boel (1981), der um die Wahrhaftigkeit des Erinnerns kreiste und die Selbstgenügsamkeit politischer Funktio- näre infrage stellte, drehte er mit Filmen wie Die Frau und der Fremde (1984) und Die Besteigung des Chimborazo (1989) vielschichtige historische Gleichnisse über das Verhältnis zwischen Individu- um und Gesellschaft. Roland Gräf inszenierte 1982 die Satire Märkische Forschungen und wandte sich ebenso der ambivalenten Biografie des Dichters Hans Fallada zu (Fallada – letztes Kapitel, 1988). Siegfried Kühn legte die Groteske Das zweite Leben des Friedrich Wilhelm Georg Platow (1973) vor, die nur in kleineren DDR-Studiokinos aufge- führt werden durfte und Exportverbot erhielt, oder Die Schauspielerin (1988) über das jüdische Theater in Berlin zur NS-Zeit. Iris Gusner und Evelyn Schmidt verglichen in Filmen wie Alle meine Mäd- chen (1980) und Das Fahrrad (1982) Anspruch und Wirklichkeit weiblicher Emanzipation in der DDR. Zum größten Publikumserfolg avancierte Lothar Angelica Domröse und Winfried Glatzeder in Jutta Wachowiak in der Hauptrolle der Biografie Warnekes Einer trage des anderen Last (1987), in Die Legende von Paul und Paula (Heiner Carow, 1973) Käthe Kollwitz – Bilder eines Lebens (Ralf Kirsten, 1986) dem Vertreter unterschiedlicher Weltanschauun- gen in einen friedvollen Disput treten. Daneben drehte die DEFA, oft in Co-Produktion enporträts wie Der Dritte (Egon Günther, 1972), (Annelie und Andrew Thorndike, 1969). Diese auf den Weg gebracht werden. Beim Spielfilm mit anderen osteuropäischen Filmstudios, rund Sabine Wulff (Erwin Stranka, 1979), Solo Sunny Filme sollten das Kino attraktiver machen – etwa drehten Jörg Foth das Clownsspiel Letztes ein Dutzend Indianerfilme wie Spur des Falken (Konrad Wolf, 1980) und Bürgschaft für ein Jahr nicht zuletzt, weil viele Zuschauerinnen und Zu- aus der DaDaeR (1990) und Herwig Kipping die (Gottfried Kolditz, 1968) oder Tödlicher Irrtum (Herrmann Zschoche, 1981) aufnahmen. schauer inzwischen zum heimischen Bildschirm politische Farce Das Land hinter dem Regenbo- Jörg Gudzuhn und Katrin Sass in Fallada – Letztes Kapitel (Roland Gräf, 1988) (Konrad Petzold, 1970). Der Regisseur Roland abgewandert waren. Dem Fernsehen verschlie- gen (1991). Außerdem wurden einige Filmschaf- Oehme probierte sich immer wieder an Lustspie- Trotz dieser Vielfalt an Kinomomenten prägte der ßen konnte und wollte sich die DEFA allerdings fende gefördert, denen sich die DEFA moralisch len und Komödien aus; hinzu kamen respektable Autor und Regisseur Günther Rücker einmal das nicht. Seit den frühen 1960er-Jahren wurden, verpflichtet fühlte: Egon Günther, Ulrich Weiß, der parteipolitischen Agitation betrachteten. Adam), Gerhard Klein (Berlin um die Ecke), Jür- Künstlerbiografien und Literaturverfilmungen wie Bonmot, die eigentliche Geschichte der DEFA be- um die Ateliers auszulasten und Geld einzuneh- Frank Beyer, Roland Gräf, Helmut Dziuba, Evelyn Es wäre jedoch falsch zu schlussfolgern, dass gen Böttcher (Jahrgang 45), Kurt Barthel (Fräulein Horst Seemanns Beethoven – Tage aus einem stehe aus ihren nicht realisierten Projekten. Rücker men, jährlich mehr als 20 Fernsehfilme realisiert. Schmidt oder Heiner Carow. auf der einen Seite der Barrikade dogmatische Schmetterling) und Frank Beyer (Spur der Steine), Leben (1976) oder Levins Mühle (1980). In den spielte damit auf die Unzahl von Filmvorschlägen Hin und wieder öffnete sich das Studio auch Keiner dieser »letzten Filme« wurde seiner- SED-Funktionäre, auf der anderen Seite aber der ebenso wie Günther Stahnke (Der Frühling 1980er-Jahren geriet die DEFA aber auch wieder- hin, die aus verschiedenen, keineswegs nur politi- Auftragsarbeiten aus der Bundesrepublik, die zeit ein Publikumserfolg. Doch nach und nach mehr oder weniger mutige, widerständige, gar braucht Zeit) aus dem Studio entlassen wurde. holt unter politischen Druck: so mit den Jugend- schen Gründen nicht zur Drehreife gebracht wer- dem Staat (nicht aber dem Studio) Devisen ein- entdeckte man ihren Wert als Zeitdokumente und subversive Filmschaffende gestanden hätten. Es Wie jedes Mal nach solchen Attacken waren die filmen Insel der Schwäne (Herrmann Zschoche, den konnten. Schon in den frühen Jahren war bei- brachten: Den Heiden von Kummerow (Werner Schlüsselwerke von verlorener Utopie und trauma- war komplizierter: Denn Angepasste und Mutige Künstlerinnen und Künstler der DEFA eine Zeitlang 1983) und Erscheinen Pflicht (Helmut Dziuba, spielsweise Hans Fallada beauftragt worden, den Jacobs, 1966) folgten so u. a. Frühlingssinfonie tischem Umbruch. Heute ist das DEFA-Konvolut, gab es auf beiden Seiten; selbst in der Brust des zutiefst verunsichert. Die inkriminierten Filme von 1984), die eine größere Ehrlichkeit im Umgang der Stoff »Die Quangels« (»Jeder stirbt für sich allein«) (Peter Schamoni, 1983) und Die Grünstein- das immer auch ein Spiegel der Ideengeschichte, Einzelnen tobten nicht selten zwei Seelen. Nur so 1965/66 blieben bis 1989 verboten und wurden Generationen anmahnten und ihren jugendlichen als Filmprojekt zu erarbeiten. Jahrelang war von Variante (Bernhard Wicki, 1985), die in Babels- der Politik und Ethik, der Zwänge und Ambivalen- erklärt sich, warum die Leitungen der DEFA und tabuisiert, kaum jemand erwähnte sie öffentlich. Helden einen eigenen Weg ins Leben abseits vor- einer opulenten »Schönen Helena« nach Jacques berg inszeniert wurden. zen seiner Zeit war, unzweifelhafter Bestandteil der HV Film auch Filmen den Weg bahnten, die geschriebener Gleise zubilligten, aber dafür stark Offenbach die Rede, nach der Vorlage von Peter des deutschen Film- und Kulturerbes und wird von in ihrer Analyse gesellschaftlicher Zustände und Die dritte DEFA-Generation tendierte zu Gegen- kritisiert wurden. Angesichts dieser Erfahrungen Hacks, Regie: Egon Günther. Der Chefdramaturg Ende 1989, nach dem Fall der Mauer, lehnte sich der DEFA-Stiftung in all seinen Facetten bewahrt Befindlichkeiten durchaus Wagnisse eingingen. wartsgeschichten, die nicht mehr den gesell- kleideten viele Filmschaffende ihre kritische Hal- Klaus Wischnewski reiste 1965 nach Paris, um über das technische und ökonomische Personal des und ans Publikum gebracht. n Jene DEFA-Filme, die 1965/66 verboten wurden, schaftskritischen Panoramablick wie in den vom tung zur Gegenwart in ein historisches Gewand, eine Adaption von Jorge Sempruns legendärem DEFA-Studios für Spielfilme erstmals in über vier- entstanden in einem politischen Klima, das bis in 11. Plenum inkriminierten Arbeiten anstrebten, wie Michael Gwisdek bei seinem Regiedebüt KZ-Roman »Die große Reise« zu verhandeln. Zwei zig Jahren gegen Filmvorhaben auf, die, so hieß höchste SED-Kreise von einer zunehmend offenen sondern ihr kritisches Potential aus der Beschäf- Treffen in Travers (1989) über eine Revolution, die Großprojekte Heiner Carows wurden nicht reali- es, nicht mehr in die Zeit passten. Bühnenarbeiter, Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangen- tigung mit Alltag und Familie, der Selbstver- in Lethargie und Mutlosigkeit erstarrt. siert: »Die Nibelungen« und »Simplicissimus«, bei- Dekorateure und Beleuchter forderten eine »unab- heit und Gegenwart gekennzeichnet war. Dass es wirklichung des Individuums zogen. Diese Filme Wie früher die Arbeiten Slatan Dudows, so rag- de Male nach Drehbuchentwürfen des Dichters hängige Kommission, deren Mitglieder von der den Alt-Stalinisten immer wieder gelang, Ansätze widmeten sich moralisch-ethischen Fragen des ten in den 1970er- und 1980er-Jahren die Werke Franz Fühmann. Auch Kurt Maetzigs über zwanzig Belegschaft demokratisch gewählt werden sollen« eines »demokratischen Sozialismus«, eines »Sozia- Zusammenlebens: Herrmann Zschoches Leben zu seines Schülers Heiner Carow aus dem Gros der Jahre lang verfolgter Plan, Heinrich Manns »Henri und die die geplanten Filme beschließt. Projekte lismus mit menschlichem Antlitz« zu unterdrücken, zweit (1968), Ingrid Reschkes Kennen Sie Urban? DEFA-Produktion heraus. Seine ebenso poetische IV.« für die DEFA zu adaptieren, blieb unausge- sollten nach marktwirtschaftlichen Maßstäben gehört zur Tragik der DDR wie der DEFA. (1971), Roland Gräfs Mein lieber Robinson (1970), wie anarchistische Legende von Paul und Paula führt, um nur einige wenige spektakuläre Stoffe zu beurteilt werden. Im Frühjahr 1990 wurde erkenn- Lothar Warnekes Leben mit Uwe (1974), Siegfried (1973), damals wie heute ein Kultfilm, aber auch nennen. – Rücker wollte sein Bonmot freilich nicht bar, dass eine staatliche Alimentierung der Studios Nach dem Bau der Berliner Mauer überwog bei Kühns Zeit der Störche (1971) oder Rainer Simons Ikarus (1975) und Coming out (1989), der erste auf einzelne Filmvorschläge heruntergebrochen künftig nicht mehr stattfinden würde – selbst die der DEFA, ähnlich wie in der DDR-Literatur, die halbstündige Episode Gewöhnliche Leute des und einzige Spielfilm der DEFA, der sich mit den wissen, sondern vielmehr darauf hinweisen, dass schöne Idee des im April 1991 von einem Hecken- Ansicht, man könne jetzt vergleichsweise offen Films Aus unserer Zeit (1969). gesellschaftlichen Problemen Homosexueller beim Nachdenken über die DEFA auch das über schützen ermordeten Treuhandchefs Detlev Roh- über die Probleme im eigenen Land reflektieren. Simon legte mit Till Eulenspiegel (1975) wenig befasste, plädierten für ein selbstbestimmtes Jahrzehnte Gedachte von Belang und Bedeu- wedder, die DEFA als kulturellem Leuchtturm der Stoffe wurden gefördert, die sich zunehmend später eine subversive Parabel auf das Verhältnis Leben – ein Thema, das auch erfolgreiche Frau- tung ist. Denn nur in der Zusammenschau von DDR noch eine mehrjährige Übergangszeit lang souveräner mit Entwicklungen in der DDR be- Gedrehtem und Gedachtem kommt der Chronist durch Bundesmittel zu fördern, war chancenlos. fassten. Bei grundsätzlicher Zustimmung zum der intellektuellen und ästhetischen Potenz der Als einer der letzten DDR-Filme hatte Die Archi- sozialistischen Weg legten die Filmschaffenden Studios wirklich nahe. tekten (Peter Kahane, 1990) Premiere, eine scho- Wert auf die Aufdeckung kritikwürdiger Details: Natürlich hätte die DEFA viel Kraft aufbringen nungslose Abrechnung der damals 40-Jährigen, Beschreibung eines Sommers (Ralf Kirsten, 1962) müssen, um Großprojekte wie »Simplicissimus« die kaum eine Chance hatten, sich in dem Land beschrieb die Einflussnahme der Partei aufs in die Tat umzusetzen. Dass so etwas nicht un- zu verwirklichen, in das sie hineingeboren worden Privatleben ihrer Mitglieder; Der geteilte Himmel möglich war, ist mehrfach bewiesen worden, zum waren. Die Architekten geriet zum Schlüsselfilm (Konrad Wolf, 1964) reflektierte die Gründe dafür, Beispiel, als es in den 1960er-Jahren gelang, eine der vierten und letzten DEFA-Regiegeneration, dass junge Leute die DDR bis zum Mauerbau in eigene, vom Ausland unabhängige 70-mm-Pro- die nach dem Studium angetreten war, »etwas Scharen verlassen hatten. In Das Kaninchen bin duktion auf die Beine zu stellen. Damit war die Säure auf das polierte Gruppenbild des ,real exis- ich (1965) kritisierte Kurt Maetzig den politischen DDR das einzige Land neben den USA und der tierenden Sozialismus‘ zu spritzen« (Kahane), aber Opportunismus von Richtern und Staatsanwäl- UdSSR, das über eine komplette Fertigungsstre- viel zu selten zum Zuge kam. ten. Gemeinsam mit Frank Vogels Denk bloß cke für diese Technologie verfügte. Insgesamt Mit Beginn der Wirtschafts- und Währungs- nicht, ich heule (1965) über einen Abiturienten, wurden acht 70-mm-Spiel- und zwei Dokumen- union erhielt die von der DDR-Regierung ins- der sich am Gängelband einer dogmatischen tarfilme gedreht, darunter das farbenprächtige tallierte Treuhandanstalt die Aufgabe, auch die Spannende Texte zur DEFA-Geschichte, Schulpolitik sieht, wurde Das Kaninchen bin ich Abenteuerspektakel Hauptmann Florian von der DEFA-Studios von volkseigenen Betrieben in die vor allem auch zu ihren Dokumentar- den Delegierten des 11. ZK-Plenums vorgeführt Gojko Mitić und Mühle (Werner W. Wallroth, 1968), die Künstler- Marktwirtschaft zu überführen. Große Teile des und Animationsfilmen gibt‘s in unserem und sofort verboten. Zu den Filmen, die in den biografie Goya (Konrad Wolf, 1970), die Operette künstlerischen Personals wurden entlassen. Dank Renate Blume kostenfreien Leuchtkraft-Journal unter darauffolgenden Monaten ebenfalls verboten Orpheus in der Unterwelt (Horst Bonnet, 1974) Zuschüssen des letzten DDR-Kulturministeriums wurden, zählen Arbeiten von Herrmann Zschoche in Ulzana (Gottfried und die politisch-poetische Liebeserklärung an und ab Oktober 1990 auch der neu etablierten www.defa-stiftung.de/publikationen (Karla), Egon Günther (Wenn du groß bist, lieber Kolditz, 1973) die DDR Du bist min – ein deutsches Tagebuch Ländergremien konnten noch letzte Filmprojekte 6 7
1. Vorname der Wulff bei Erwin Stranka 2. Nelken in … 3. Animationsfilm Dammbecks 4. Anzahl der Patronenhülsen 5. Hausnummer in der ▾55 Seilergasse 6. Unvollendetes Filmprojekt Slatan Dudows 7. Literaturverfilmung nach Horst Beseler 8. Autobiografischer Film Siegfried Kühns 9. Premiere am Tag des Mauerfalls 10. Dokfilm über eine Trümmerfrau 11. Co-Produktion mit Tunesien 12. Kinderoper: Vom König ... 13. Titelrolle der Weikow 14. Jugendfilm Frank Beyers 15. Mutige Lehrerin 16. Liebeserklärung an ... 17. Krimi-Klassiker Groschopps 18. Regiedebüt von Helmut 3 Spieß 19. Ulrich Mühe und Ulrike Krumbiegel in Lausitz und Paris 20. Co-Produktion mit Vietnam 21. Karl Erp findet Glück im ... 22. Beruf Jörg ▾10 Ratgebs 23. Erster Teil der Lausitz-Trilogie 24. Animationsfilm – Die Suche nach dem Vogel ... 25. Erster DEFA-Kriminalfilm 26. Die Gänse von ... 27. Nicht jeder findet sein ... 28. Science-Fiction von Herrmann Zschoche 29. Lange verbotener Film von Konrad Wolf 30. Name einer Künstlerpension ▸30 31. Goethe-Verfilmung der DEFA 32. Rückzugsort von Moritz 33. Tier auf dem Dach bei Iris Gusner 34. Lachtauben ... nicht 35. DEFA-Indianerfilm in 9 Südamerika 36. Ein Lord am ... 37. Spitzname Rainer Meisters bei Heiner Carow 38. Vorgänger des Silvesterpunsches 39. Wen sucht Hoffi in einem Ingrid-Reschke-Film? 40. Ein Rockreport: flüstern & ... 41. »Koche mit Liebe, würze mit Bino« – Auf der ... 42. Diederich Heßling ist der … 43. Singende Krankenschwester bei Gitta Nickel 44. Gojko Mitić und Dean Reed sind 1975 45. Edith, Stupsi und Renate sind Arbeiterinnen in... 46. Anzahl der Sommersprossen 47. Humboldt besteigt den ... 48. Farbe der Wimpel im Sommerwind 49. Barfuß und ohne ... 50. DEFA-Uraufführung 2014 – Regie Hans Lucke 51. Gewitzter Junge mit Taschenlampe 52. Name der Weihnachtsgans 53. Eigenschaft der Bauerntochter 54. umstrittener Film von Helmt Dziuba: Erscheinen ... 55. Von Katja Georgi verfilmtes brasilianisches Märchen 56. Von Günter Rätz zum Leben erweckter Hirsch ▸36 57. Mädchen, bei dem die Ratten zu Hause sind 58. Scherenschnitt von Bruno J. Böttge – Eichhörnchen ... 59. Mädchen mit dem Zauberring 60. Drehbuch von Sartre: Die Hexen von ... 61. Einen irren Duft hat frisches ... 62. Eigenschaft der Leute auf dem Kahn bei Hans Heinrich 63. Marcel Marceau bei der DEFA – Die Kunst der ... 64. Tier mit Leuchtkraft 65. Manfred Krug zu Pfer- ▾38 ▾7 de – Mir nach, ... ! 66. Anzahl der Rechte für den Zuschauer nach Marion Rasche 67. Trickfilm nach ▸48 ▾74 Karl May – Die Spur führt zum ... 68. Treffpunkt in der ▾44 Schweiz bei Gwisdek 69. Dokfilm Eduard Schreibers ▾59 ▸6 über einen ungarischen Dichter 70. Der Mann auf dem Sportplatz ist ... 71. Hofrätin Charlotte Kästner reist ▸43 1816 nach ... 72. Von Donatas Banionis porträtierter ▾12 Maler 73. Für Gräfs P. S. geplanter Vorfilm Angelika Andrees‘ 74. Dagmar Manzel und Frank Stieren tanzen ▸54 ▾62 ▾73 1991 auf der … 75. Alternativname des Rumpelstilz- chens ▾33 ▸16 ▾49 ▾57 ▸27 ▾35 ▸72 ▾58 ▸32 ▸9 ▸34 11 2 16 ▾15 ▾25 ▾63 ▾26 1 21 ▸31 ▸22 ▾20 ▾41 ▾29 ▸45 ▾53 ▸21 ▾2 ▾64 ▸69 ▸65 18 22 ▸47 ▾39 ▾4 ▸56 ▾24 12 ▸3 ▾23 ▸19 14 6 ▸70 ▾61 20 ▸67 ▸71 ▾40 10 DEFA- ▸51 ▸68 ▾1/▸46 19 Kreuzworträtsel ▾13 ▸60 ▸66 ▾14 23 ▾42 ▸37 75 Fragen zu 75 Jahren DEFA-Film ▸75 5 ▾11 Ein letzter Tipp: Im Rätsel werden ä, ö, ü und ß wie folgt geschrieben: ä=ae, ö=oe, ü=ue und ß=ss. ▸50 15 7 Schickt uns das Lösungswort unter ▸52 ▾28 ▸18 dem Stichpunkt »DEFA-Rätsel« bis zum 8 17. Juni 2021 an presse@defa-stiftung.de oder als Postkarte an: ▸17 4 13 DEFA-Stiftung, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin 17 ▸8 Unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ▸5 Lösungswort verlosen wir drei Mal die DVD-Edition »Wolfgang Kohlhaase DEFA-Filme 1953–1988«. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 8 9
Aber er hat die DEFA beerdigt und ihr nicht die Unsere Zeitzeugengespräche Achtung gezollt, die diese Firma verdient hat. Es Unsere Zeitzeugengespräche: Seit ihrer Gründung führt die DEFA-Stiftung umfangreiche Gespräche mit ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DEFA war nicht immer leicht, Filme bei ihr zu drehen. Es gab großartige Ideen, großartige Regisseure und Carmen-Maja Antoni (2014, 75 Min) aus all ihren Berufszweigen. Realisiert werden die Filme seit 2014 von der Fischer-Teubner Film- und Fernsehproduktion GmbH (FTV) in Berlin. es erforderte oftmals viel, um einen Stoff durchzu- Herbert Ballmann (2000, 125 Min) Die inzwischen über 100 entstandenen Interviews und Informationen zu ihrer Nutzung finden Sie auf www.defa-stiftung.de/filme/bestand unter drücken. Davor habe ich alle Achtung. n Ulrike Behrmann von Zerboni (2017, 40 Min) dem Stichwort »Eigenproduzierte Zeitzeugengespräche«. Viele der Gespräche sind bereits auf zahlreichen DVD-Editionen als Bonusmaterialien enthalten und werden in Auszügen auf dem YouTube-Kanal der DEFA-Stiftung veröffentlicht. Karl Hans Bergmann (2001, 112 Min) Hermann Beyer (2015, 110 Min) Renate Blume (2017, 60 Min) Ursula Werner Christel Bodenstein (2017, 120 Min) Schauspielerin Marita Böhme (2015, 55 Min) Mit der DEFA verbinde ich meine Entwicklung als Arianne Borbach (2018, 60 Min) Filmschauspielerin. Sie ist für mich eine bedeu- tende Filmproduktionsstätte. Es gab DEFA- Doris Borkmann (2007, 120 Min) Filme, die man sich gern anschaute, zum Beispiel Jürgen Böttcher (2015, 85 Min) Berlin – Ecke Schönhauser … (Gerhard Klein, 1957). Diesen Film fand ich total aufregend. Jeder Jürgen Brauer (2016, 220 Min) Stichwort: DEFA Jugendliche wusste sofort, worum es da geht und Andreas Dresen Barbara Braumann (2018, 120 Min) wie wahr dieser Film ist. Da sind mir viele Erinne- Regisseur Elfriede Brüning (2008, 2035 Min) rungen geblieben – auch mit »Schwilli«, also Ernst- Georg Schwill in einer Hauptrolle. Dann gab es Die DEFA war ein großer Studiobetrieb nach Annekathrin Bürger (2001, 137 Min) auch das Kino Colosseum, wo in meiner Kindheit US-amerikanischem Vorbild. Alles an einem Ort: Hans-Erich Busch (2021, 305 Min) das Metropol-Theater drin war. Zu Filmpremieren Von der Drehbuchentwicklung bis zum Kopier- wurde dort sogar ein roter Teppich ausgerollt, werk. Eine kleine beeindruckende Filmstadt mit Lutz Dammbeck (2005, 116 Min) In ihrem Ursprung, so erinnert sich Regisseur und Mitbegründer Kurt Maetzig, war die DEFA eine an dem die Autos vorfuhren. Da hat die DEFA auf sehr vielen klugen, kompetenten Leuten, die Kino Gerhard Dengler (2004, 53 Min) Sache für ganz Deutschland, für eine antifaschistische und demokratische Filmkunst, die radikal mit der Gala gemacht. Der erste Film, den ich dort sah, geliebt und alles dafür gegeben haben. Das ist war Kabale und Liebe (Martin Hellberg, 1959) etwas, was mich geprägt hat. Häufig wird gesagt, Chris Doerk (2016, 60 Min) Kriegsvergangenheit bricht und zukünftig auf eine kritische Weise in bestehende und laufende gesellschaftliche mit dem schönen Otto Mellies, ein herzensguter es gäbe eine gewisse »DEFA-Ästhetik«. Aber so Angelica Domröse (2001, 85 Min) Prozesse eingreifen wollte. Für 46 Jahre war die DEFA eine berufliche Heimat und ein Ausgangsort für viele Mensch mit tollen schauspielerischen Qualitä- eine richtige, klassische DEFA-Ästhetik gibt es aus Andreas Dresen (2020, 90 Min) unterschiedliche Lebenswege und Begegnungen. Denen, die sie erlebt haben, stellen wir eine Frage dabei ganz ten. Das war eine aufregende Zeit. Dann waren meiner Sicht nicht. Dafür gab es zu viele unter- natürlich auch die ersten Filme, mit denen ich als schiedliche Handschriften. Ein Rainer Simon hat Roland Dressel (2017, 130 Min) besonders gern: Schauspielerin bekannt wurde, Produktionen der andere Filme gedreht als ein Roland Oehme. Inso- Fred Düren (2005, 47 Min) DEFA. Mit ihr verbinde ich die Anfänge und den fern sind die DEFA-Filme auch sehr verschieden. Fortlauf meiner Filmkarriere. Nach der Wende hat Was sie vereint, ist vielleicht eine Liebe zu den Karin Düwel (2018, 95 Min) meine Laufbahn beim Film einen Bruch bekom- kleinen Leuten, den einfachen Menschen und es Helmut Dziuba (2002, 182 Min) men. Mich kannte keiner mehr. Ich hatte zum gibt in meinen Augen eine gewisse humanistische Was war für Sie die DEFA? Glück immer im Theater zu tun und dadurch eine Grundierung. Natürlich wurde auch Propaganda Helmut Dziuba, Rolf Losansky, finanzielle Absicherung. Meinen zweiten Durch- hergestellt, wie auf der anderen Seite Meister- Hannelore Unterberg und Günter bruch als Filmschauspielerin hatte ich dann erst werke die DEFA verlassen haben. In gewisser Meyer, Werkstattgespräch (2007, 492 Min) 2008 mit Andreas Dresens Wolke 9. n Hinsicht ist die DEFA auch meine Herkunft, wobei Kaspar Eichel (2020, 70 Min) ich in einer Zeit zu ihr kam, in der es schon zu Ende ging. Ich selbst habe keinen eigenen DEFA-Film Karl Gass (1998, 160 Min) gedreht. Ich habe dort mein Volontariat gemacht, Fred Gehler (2005, 150 Min) habe quasi im Auftrag der DEFA studiert und als ich fertig war, gab es sie nicht mehr. Trotzdem Hedda Gehm (2006, 60 Min) habe ich später viel auf dem Gelände gearbeitet, Eberhard Geick (2020, 255 Min) viele meiner Filme wurden dort endgefertigt. Oft Katja und Klaus Georgi (2003, 60 Min) habe ich dort mein Produktionsbüro. Ich habe ein gewisses Heimatgefühl, wenn ich an den Studios Gerd Gericke (2002, 197 Min) mit meinem Fahrrad vorbeifahre. n Winfried Glatzeder (2016, 120 Min) Evelyn Schmidt Otto Mellies Eberhard Geick Regisseurin Schauspieler Kameramann Roland Gräf (2001, 144 Min) Christian Grashof (2018, 75 Min) Ich habe sofort das alte Gelände im Kopf. Für mich zeichnet sich die DEFA durch ihre Filme Bei der DEFA hatte ich meinen Berufseinstieg. Mittelhalle, Schneidehaus… Ich habe aber auch aus: Die Mörder sind unter uns (Wolfgang Staudte, Ich denke sehr gerne an diese Zeit zurück, sie Dieter Wien Jörg Gudzuhn (2015, 71 Min) die Entwicklung der DEFA-Stiftung von der 1946), Irgendwo in Berlin (Gerhard Lamprecht, war prägend. Insbesondere denke ich an die Schauspieler Egon Günther (1999, 150 Min) Gründung, über die Zeit mit Wolfgang Klaue 1946), Razzia (Werner Klingler, 1947), Straßenbe- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, den Drehstab, Manfred Gussmann (2008, 109 Min) als Vorstand bis zu Ralf Schenk im Kopf. Ich kanntschaft (Peter Pewas, 1948), Affaire Blum (Erich die Bühnenarbeiter, die Beleuchter. Das Wort Beim Stichwort »DEFA« fällt mir immer sofort das weiß inzwischen über Filmrechte und -verkauf Engel, 1949), Die Buntkarierten (Kurt Maetzig, »verschworene Gemeinschaft« will ich vermei- Lied von Manfred Krug ein: »Koche mit Liebe, wür- Annemone Haase (2018, 70 Min) sehr gut Bescheid, da ich auch lange Mitglied 1949) – so wunderbare Filme! Der Rat der Götter den, aber ich hatte bei der DEFA Kolleginnen ze mit Bino. Hin und wieder tut ein DEFA-Lustspiel Sieglinde Hamacher (2004, 84 Min) des Stiftungsrats war. Deshalb verschmilzt das (Kurt Maetzig, 1950) war für mich schon ein wenig und Kollegen, auf die ich mich verlassen konnte. gut! Stell die Sorgen in die Ecke…« – Zu diesem Wort DEFA für mich inzwischen mit der DEFA- zu groß angelegt, obwohl es eine tolle Besetzung Vor denen musste man sich nicht aufspielen und Lied aus Auf der Sonnenseite (Ralf Kristen, 1961) Thomas Heise (2005, 130 Min) Stiftung. Es wurde mal etwas erarbeitet, das gab. Die DEFA war eine wunderbare Filmheimat für den Macker markieren. Später musste ich mich gibt es auch eine Legende: Der Manfred hat das André Hennicke (2014, 60 Min) jetzt zur Bewahrung eines Schatzes beiträgt. Der viele Künstler – vor dem Mauerbau auch für viele dann viel mehr behaupten, auch gegenüber Re- Lied komponiert, den Text geschrieben und alles Filmbestand ist eine Sammlung von wertvollen westdeutsche Künstler. Die DEFA war schon eine gisseurinnen und Regisseuren. Die DEFA war der aufgenommen. Anschließend ist er zum Kultur- Kaspar Eichel Hugo Hermann (2002, 93 Min) künstlerischen Beiträgen, die auch eine weltge- Institution. Ich erinnere mich auch an »Die Möwe«, Beginn für die Entwicklung meiner Berufsauffas- minister, hat dem das Ding auf den Tisch geknallt Schauspieler Horst Hesse (2001, 112 Min) schichtliche Bedeutung besitzen. Man kann froh den großen Künstlerklub. Ich erinnere mich an sung: Nicht alles ist beim Film mit einer Leich- und gesagt: »Hören Sie sich das mal an, Minister!«. Walter Heynowski (2003, 531 Min) sein, dass die Filme als geschichtliches Material Schauspieler wie Willy A. Kleinau, den heute keiner tigkeit zu erledigen. Ich bin dankbar, mit einer Dann sagte der Minister: »Das ist gut. Das gefällt Früher haben wir immer gesagt, in Hollywood lebendig sind und einen Beitrag zur Wahrheits- mehr kennt. Fragen Sie mal heute einen jungen Reihe von großartigen Menschen bei der DEFA mir.« Und so durfte er es dann singen. Die DEFA heißt es freudestrahlend »cheese« und bei uns Jutta Hoffmann (2013, 12 Min) suche leisten: Irgendwie sind manchmal die Schauspieler, wer Willy A. Kleinau war! Es gibt zusammengearbeitet zu haben. Zu Leuten wie war natürlich auch ein Teil meines Lebens. Das genervt und langgezogen »DEFAAA«. Daraus Renate Holland-Moritz (2016, 142 Min) Filme wahrer, als die Wahrheit, die uns erzählt tausende, abertausende kleine Erinnerungen. Konrad Wolf und Frank Beyer entwickelte sich ein Gelände war wie ein zu Hause für uns: die Hallen, haben wir uns immer einen Spaß gemacht. Aber wird. Durch die Filme wird uns viel Atmosphäri- Manchmal weiß ich noch, wie das Wetter am ersten echtes Vertrauensverhältnis. Es war einfach eine die Masken, die Ateliers. Nach der Wende hatte es war schon eine herrliche Zeit, gar keine Frage, Jürgen Holtz (2014, 61 Min) sches aus der DDR überliefert: Von den Figuren Drehtag war – bei Simplon-Tunnel (1959) zum Bei- schöne Zeit, die manchmal auch schmerzvoll ich dort noch einmal einen großen Dreh: Fritze besonders auch meine Drehzeiten in jüngeren Henry Hübchen (2018, 80 Min) über das Interieur bis zu den Frisuren. Selbst in spiel. Ich weiß noch, wie Regisseur Gottfried Kol- war. Wenn heute ab und zu Treffen mit früheren Bollmann will nicht angeln (Christa Mühl, 1991) – Jahren. Das Ende der DEFA war natürlich, wie bei Ulrich Illing (2015, 122 Min) Spielfilmen wird somit Authentizität übermittelt. ditz sagte: »Und jetzt die Standaufnahmen« – und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Babelsberg kein großer Wurf, aber es war doch schön. Das vielen Berufszweigen nach der Wende, tragisch. Für ein heutiges, kluges Geschichtsverständnis der Fotograf hatte seine Kamera vergessen. Das stattfinden, bin ich gerne dabei. Ich erinnere Ende der DEFA war dagegen leider sehr traurig. Es Gerade weil die Qualität, nicht die politische Inge und Walter Jens (2006, 593 Min) ist das sehr wertvoll. n gab einen riesigen Ärger. Solche Dinge kommen mich zurück und gedenke derer, die nun nicht gab ein Pamphlet von Volker Schlöndorff. Ein wun- Aussage, so gut war. Die Bühnenbildner, die Heide und Gustav Just (2006, 174 Min) einem immer mal wieder ins Gedächtnis. n mehr unter uns sind. n derbarer Regisseur, der große Filme gemacht hat. Requisite, das war ja alles vom Feinsten. Das Peter Kahane (2004, 190 Min) 10 11
Sie können auch lesen