GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK - Kommunale Finanzen 4.0 Überblick
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GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK 4. Kommunale Finanzen 4.0 Überblick Prof. Dr. Gunnar Schwarting Zur Finanzierung ihres laufenden Aufwands und ihrer Unter den Steuern sind die Gewerbesteuer und die Investitionstätigkeit stehen den Kommunen im Wesent- Grundsteuern hervorzuheben, die mit einem kommu- lichen fünf Finanzierungsquellen zur Verfügung: nalen Hebesatzrecht versehen sind. Damit kann die Ge- • Steuern, meinde ihr Steueraufkommen in gewissem Umfang selbst • Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich, bestimmen. Diese Steuern sind daher in besonderem • Gebühren und Beiträge (spezielle Entgelte), Maße Ausdruck kommunaler Selbstverwaltung. Das gilt • Erwerbseinkünfte und andere laufende Erträge, auch für die sogenannten kleinen Gemeindesteuern, wie • Kreditaufnahmen. die Hunde- und Vergnügungssteuer, die allerdings quan- titativ von geringer Bedeutung sind. Daneben stehen Die vier ersten Kategorien sind laufende Mittel. Sie wer- Beteiligungen an der Einkommen- und an der Umsatz- den im doppischen System im Ergebnis- und im Finanz- steuer, die zusammen eine ähnlich hohe Bedeutung wie haushalt, in der Kameralistik im Verwaltungshaushalt die anderen Steuern aufweisen. Auf die Höhe dieses erfasst. Die Kreditaufnahme findet ihren Niederschlag Steueraufkommens hat die Gemeinde jedoch keinen un- hingegen lediglich im doppischen Finanzhaushalt bzw. mittelbaren Einfluss. Darüber hinaus hat – abgesehen von im kameralistischen Vermögenshaushalt. Hinzu kommen den kleinen Gemeindesteuern – der Bund die Gesetzge- noch Veräußerungserlöse, die in der Kameralistik durch- bungskompetenz für die Besteuerungsgrundlagen. Die weg im Vermögenshaushalt, in der Doppik – je nach Art Gemeinden werden insoweit auch von Entscheidungen und Landesrecht – nur im Finanzhaushalt oder auch im des Steuergesetzgebers berührt. Ergebnishaushalt abgebildet werden. Hauptquellen der Steuerfinanzierung sind die Gewerbe- Für die Inanspruchnahme der einzelnen Finanzierungs- steuer und der Anteil an der Einkommensteuer; die quellen gibt es im Haushaltsrecht eine sogenannte Rang- Grundsteuer folgt mit deutlichem Abstand (Schaubild 1). folge der Finanzierungsmittel. Demnach sind zunächst Dabei gibt es noch immer Unterschiede zwischen den die sonstigen Erträge – das sind Erwerbseinkünfte und Bundesländern, insbesondere beim Gemeindeanteil an andere laufende Erträge sowie die Mittel aus dem kom- der Einkommensteuer. Hier wirkt sich vor allem das noch munalen Finanzausgleich – auszuschöpfen. An zweiter immer bestehende Einkommensgefälle zwischen dem Stelle nennt das Haushaltsrecht die speziellen Entgelte, früheren Bundesgebiet und den neuen Bundesländern erst danach folgen die Steuern. Die Kreditaufnahme aus. schließlich ist gegenüber allen anderen Finanzierungsmit- teln nachrangig. Herausgegeben von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Politische Akademie, KommunalAkademie | Dr. Markus Trömmer | Redaktionsleitung: Prof. Dr. Gunnar Schwarting | © Friedrich-Ebert-Stiftung 2011 | Godesberger Allee 149 | 53175 Bonn | Tel. +49 (0) 228 883-7126 | Gestaltung: pellens.de | www.fes-kommunalakademie.de
2 Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN Die Struktur der kommunalen Steuererträge 2010 Schaubild 1 Art Alle Gemeinden Früheres Bundesgebiet Neue Bundesländer Grundsteuer A + B 15,6 % 15,3 % 18,9 % Gewerbesteuer (netto) 42,1 % 42,0 % 43,0 % Gemeindeanteil 36,0 % 36,7 % 29,9 % Einkommensteuer Gemeindeanteil Umsatzsteuer 5,1 % 4,9 % 7,0 % Vergnügungssteuer 0,5 % 0,5 % 0,4 % Hundesteuer 0,4 % 0,4 % 0,5 % sonstige Steuern 0,2 % 0,2 % 0,2 % Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 2, Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts, 1.- 4. Vierteljahr 2010, Tabelle 4.4; eigene Berechnungen. Einen Finanzausgleich gibt es in allen Flächenländern, kommunalen Vermögens. Am wichtigsten sind hier Ge- dazu sind die Länder bereits durch das Grundgesetz ver- winnabführungen kommunaler Unternehmen und Kon- pflichtet. Die konkrete Ausgestaltung können die Länder zessionsabgaben. Eine besondere Form der Finanzierung allerdings weitgehend selbst bestimmen, so dass es in sind Kostenerstattungen durch andere Verwaltungen. Sie Deutschland 13 unterschiedliche Finanzausgleichssyste- spielen im Bereich der sozialen Sicherung eine wichtige me gibt. Auf die Höhe dieser Leistungen hat die Gemein- Rolle und sind vor allem für die Landkreise von Bedeu- de – ähnlich wie bei den Steuerbeteiligungen – keinen tung, deren Finanzierung vor allem auf der Erhebung direkten Einfluss. Wie auch bei den kommunalen Steuern einer Umlage von den kreisangehörigen Gemeinden ist die Gemeinde im Übrigen von gesetzgeberischen Ein- beruht. Über eigene Steuern verfügen die Kreise so gut griffen, mit denen das Finanzausgleichssystem Verände- wie gar nicht. rungen unterworfen wird, abhängig. Nach wie vor unterscheidet sich das Bild der kommunalen Gebühren und Beiträge setzt die Gemeinde selbststän- Finanzierung zwischen dem früheren Bundesgebiet und dig fest. Dabei ist sie aber an Erhebungsgrundsätze – ins- den neuen Ländern ganz beträchtlich (Schaubild 2). Wäh- besondere an das Kostendeckungsgebot – gebunden, die rend im früheren Bundesgebiet die Steuereinnahmen ihren Ermessensspielraum begrenzen. Bei den Erwerbs- dominieren, werden die Kommunen in den neuen Bun- einkünften handelt es sich um Erträge aus der Nutzung desländern noch ganz überwiegend durch staatliche Die Struktur der laufenden kommunalen Erträge 2010 Schaubild 2 Art Alle Kommunen Früheres Bundesgebiet Neue Bundesländer Steuern 40,8 % 43,4 % 27,1 % Erwerbseinkünfte 5,7 % 5,6 % 5,9 % Zuweisungen u. ä. 35,7 % 32,4 % 54,0 % sonstige 11,4 % 11,9 % 9,1 % (insb. Gebühren und Beiträge)* * Erstattungen innerhalb des kommunalen Sektors heben sich in der Gesamtstatistik auf und werden deshalb nicht ausgewiesen. Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 2, Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts, 1.-4. Vierteljahr 2010, Tabelle 4.2; eigene Berechnungen.
3 Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN Zuweisungen finanziert. Die Verhältnisse zwischen bei- ein Großteil der sozialen Leistungen über den Kreishaus- den Gebieten nähern sich nur sehr allmählich einander an. halt abgewickelt wird und bei der kreisangehörigen Gemeinde mittelbar als Kreisumlage erscheint. Der Zin- Schließlich dürfen Kommunen auch Kredite aufnehmen. saufwand schließlich konnte in den vergangenen Jahren Die Kreditaufnahme steht in enger Beziehung zur Inves- dank des niedrigen Zinsniveaus vergleichsweise gering titionstätigkeit und unterliegt bestimmten Vorausset- gehalten werden. zungen. Zudem bedarf die Kreditermächtigung in der Haushaltssatzung in fast allen Bundesländern der Geneh- Die Struktur der Aufwendungen hat sich in den ver- migung durch die Aufsichtsbehörde. Eine Besonderheit gangenen Jahren zwischen dem früheren Bundesgebiet stellen die Kredite zur Liquiditätssicherung (früher: Kas- und den neuen Ländern deutlich angenähert (Schaubild senkredite) dar. Eigentlich dienen sie nur dazu, kurz- 3). Denn die Kommunen in den neuen Ländern hatten fristige Liquiditätslücken zu überbrücken, mittlerweile ursprünglich einen weit höheren Personalbesatz aufge- haben sie sich aber vielfach zu einem dauerhaften Instru- wiesen. Allerdings ist bei der Bewertung gerade der Auf- ment der Finanzierung entwickelt. wendungen zu beachten, dass doppisch und kameral buchende Haushalte nebeneinander bestehen, die nicht Die kommunalen laufenden Aufwendungen, die sich miteinander verglichen werden können. So sind im Rah- im Ergebnis- und im Finanzhaushalt niederschlagen, las- men der Doppik insbesondere Zu- und Rückführungen zu sen sich grob einteilen in beziehungsweise von den Pensionsrückstellungen bei • Personalaufwand, den Personalaufwendungen zu beachten. Gleiches gilt • Sachaufwand, vor allem für die Abschreibungen, die zum Sachaufwand • Transferzahlungen, zählen. • Zinsaufwand. Im Rahmen finanzpolitischer Auseinandersetzungen ist Hinzu kommen die Investitionen, die wie die Kreditauf- es nicht unüblich, mit einzelnen Finanzindikatoren zu nahme nur im Finanzhaushalt erscheinen. argumentieren und Vergleiche zu anderen Kommunen oder Durchschnittswerten zu ziehen. Dabei ist jedoch Die Kommunalverwaltung ist ein „Dienstleistungsun- Vorsicht geboten. Denn zum Beispiel ist eine Personalko- ternehmen“, das wesentlich durch den Einsatz von Per- stenquote, die unterhalb des Bundesdurchschnitts liegt, sonal geprägt ist. Unter den Sachaufwendungen spielen noch kein Hinweis auf eine besonders effiziente Verwal- vor allem die Kosten der kommunalen Gebäude (Energie, tung. Allein durch die Auslagerung in Einrichtungen in Versicherungen, Reinigung, Entsorgung, Abschreibungen) anderer Rechtsform kann die Struktur des Haushalts eine wichtige Rolle. Unter den Transfers dominieren Zah- maßgeblich beeinflusst werden. Auch die Vergabe von lungen im Bereich der sozialen Sicherung. Sie zählen zu Leistungen an Dritte – anstatt sie mit eigenem Personal den am stärksten steigenden Aufwendungen der Kom- zu erbringen – verändert die Struktur, indem nunmehr munen. Zu beachten ist im kreisangehörigen Raum, dass Personal- durch Sachaufwendungen ersetzt werden. Die Struktur der laufenden kommunalen Erträge 2010 Schaubild 3 Art Alle Kommunen Früheres Bundesgebiet Neue Bundesländer Personal 29,4 % 28,7 % 33,2 % Sach 25,0 % 25,4 % 22,7 % Transfers 42,9 % 43,1 % 42,0 % Zins 2,7 % 2,8 % 2,2 % Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 2, Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts, 1.- 4. Vierteljahr 2010, Tabelle 5.3; eigene Berechnungen.
GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK 4.1 Gewerbesteuer Prof. Dr. Gunnar Schwarting Einführung von Gewerbebetrieben berücksichtigt werden, um damit auch den Anreiz zur Fremdfinanzierung allein aus steuer- Die Gewerbesteuer ist eine der ältesten Gemeindesteu- lichen Gründen zu reduzieren. ern, allerdings auch eine der umstrittensten. Sie zählt zu den Objekt- oder Realsteuern und wird von allen Gewer- Umgekehrt kann der Betrieb einen Abschlag für das bebetrieben erhoben. Nicht der Gewerbesteuer unterlie- Betriebsgrundstück geltend machen, für Personengesell- gen vor allem die freien Berufe und die Landwirtschaft. schaften gibt es noch einen Freibetrag. Auf den schließ- Geregelt wird die Erhebung durch das Gewerbesteuerge- lich vom Finanzamt festgestellten Gewerbeertrag wird setz. Den Kommunen ist das Aufkommen nach Art. 106 eine bundesweit einheitliche Messzahl (0,035) ange- Abs. 6 des Grundgesetzes zugewiesen. Eine Stärkung hat wandt. Das ist dann der Messbetrag, auf den jede Ge- die Gewerbesteuer dadurch erfahren, dass die Gemein- meinde nach der Zerlegung ihren örtlichen Hebesatz an- den nach Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes einen wendet (Schaubild 4). Dieser Hebesatz ist als Von- Anspruch auf eine wirtschaftsbezogene Steuerquelle mit Hundert-Satz (v.H.-Satz) definiert und in der jeweiligen Hebesatzrecht haben. Das muss zwar nicht die Gewer- Haushaltssatzung der Gemeinde festgelegt. Er kann – besteuer sein, es engt aber die Möglichkeiten deutlich zum Beispiel zur Abwehr einer haushaltswirtschaftlichen ein, die Gewerbesteuer durch eine andere Kommunal- Notlage – rückwirkend bis zum 30. Juni des Haushalts- steuer zu ersetzen. jahres verändert werden. Bei der Wahl des Hebesatzes ist die Gemeinde frei; aller- Messbetrag und Hebesatz dings darf der Satz 200 v.H. nicht unterschreiten, um einen unkontrollierten Steuerwettlauf („race to the bot- Für die Berechnung der Steuer wird zunächst der Mess- tom“) zu vermeiden. Das Produkt aus Messbetrag und betrag durch die staatliche Finanzverwaltung ermittelt. Hebesatz bestimmt dann die vom Steuerpflichtigen zu Grundlage ist der Gewinn, der sich nach den Vorschriften zahlende Steuerschuld. Diesen Bescheid erlässt die Ge- des Einkommen- oder Körperschaftsteuerrechts bemisst. meinde. Allerdings werden die vom Gewerbebetrieb gezahlten Zinsen nicht in vollem Umfang als Betriebsausgaben be- Für die Steuerpflichtigen ergibt sich noch eine Besonder- rücksichtigt. Diese „Zinsschranke“ beträgt seit dem heit: Bei Kapitalgesellschaften ist die Steuerzahlung eine Konjunkturpaket II von 2009 drei Millionen Euro. Dem so endgültige Belastung. Bei natürlichen Personen und Per- ermittelten Gewerbeertrag werden Dauerschuldzinsen, sonengesellschaften hingegen können die Gesellschafter Mieten, Pachten, Leasingraten und Lizenzgebühren zu die gezahlte Gewerbesteuer bis zu einer bestimmten 25 Prozent hinzugerechnet. Mit den Hinzurechnungen Höhe von ihren Einkünften aus dem Gewerbebetrieb soll die Abhängigkeit der Gewerbesteuer von Gewinn- wieder abziehen. Ihre Belastung durch die Gewerbe- schwankungen gemildert werden. Allerdings soll auf die- steuer reduziert sich dadurch in vielen Fällen auf Null se Weise auch das veränderte Finanzierungsverhalten (Schaubild 5). Herausgegeben von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Politische Akademie, KommunalAkademie | Dr. Markus Trömmer | Redaktionsleitung: Prof. Dr. Gunnar Schwarting | © Friedrich-Ebert-Stiftung 2011 | Godesberger Allee 149 | 53175 Bonn | Tel. +49 (0) 228 883-7126 | Gestaltung: pellens.de | www.fes-kommunalakademie.de
5 Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN Die Ermittlung der Gewerbesteuer Schaubild 4 Ertragsermittlung Gewinn nach EStG / KStG + Hinzurechnungen Fremdkapitalzinsen u.a. (25 %) . /. Abschlag für Betriebsgrundstück [. /. Freibetrag] = Summe Gewerbeertrag Messbetrag = Summe Gewerbeertrag x Messzahl (0,035) Gemeinde A Gemeinde B Gemeinde C Zerlegungsanteil Zerlegungsanteil Zerlegungsanteil x örtl. Hebesatz x örtl. Hebesatz x örtl. Hebesatz = Steuerschuld = Steuerschuld = Steuerschuld Gewerbesteuer und Steuerbelastung bei natürlichen Personen und Personengesellschaften Schaubild 5 Art Messbetrag 100.000 Euro Hebesatz 100.000 Euro 380* 420 Gewerbesteuerzahlung 320.000 380.000 420.000 abzugsfähig 320.000 380.000 380.000 Steuerbelastung 0 0 40.000 * Höchststeuersatz für die Abzugsfähigkeit. Die Gewerbesteuer fällt nicht nur am Hauptsitz des Ge- Der Hebesatz als kommunalpolitische werbebetriebes an. Sie wird auf alle Gemeinden verteilt, Entscheidung in denen sich eine Betriebsstätte befindet. Die sogenann- te Zerlegung erfolgt in der Regel nach der Höhe der Die Entscheidung über die Höhe des Hebesatzes trifft der Arbeitslöhne. In den vergangenen Jahren hat es aber eine Gemeinderat. Dabei muss er einerseits die finanziellen Reihe von Ausnahmen gegeben. Dazu zählen vor allem Erfordernisse der Gemeinde, aber auch die Attraktivität die Versorgungsunternehmen der Telekommunikations- der Gemeinde als Wirtschaftsstandort im Auge behalten. und Energiewirtschaft, die flächendeckende Netze betrei- Tendenziell gilt, dass der Hebesatz mit zunehmender ben und zahlreiche Anlagen unterhalten, die keine Gemeindegröße auch zunimmt. Eine wichtige Rolle spielt Betriebsstätten sind. In ähnlicher Weise wird zum Beispiel aber auch die Höhe des Nivellierungssatzes (siehe Ka- für Windkraft- oder Fotovoltaikanlagen sowie Mobilfunk- pitel 4.7), der für die Bemessung der Steuerkraft im masten argumentiert. Gerade für kleinere Gemeinden Finanzausgleich sowie für die Erhebung von Umlagen sind solche Ausnahmen von Bedeutung, da sie häufig maßgeblich ist. zwar die Anlagen auf ihrer Gemarkung haben, aber keine Betriebsstätte mit dort Beschäftigten.
6 Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN Die Verteilung der Gewerbesteuerhebesätze 2010 Schaubild 6 60 50 40 in Prozent 30 20 10 0 < 200 201 – 250 251 – 300 301 – 350 351 – 400 401 – 450 451 Hebesatz Quelle: Statistisches Bundesamt, Realsteuervergleich 2010, Fachserie 14, Reihe 10.1. Ziemlich genau die Hälfte aller deutschen Gemeinden hat wurde. Seit vielen Jahren spielt die Umlage jedoch eine Gewerbesteuerhebesätze, die sich zwischen 301 und 350 wichtige Rolle bei der Finanzierung der Deutschen Ein- v.H. bewegen (Schaubild 6). Angesichts des großen Ge- heit. Die Gewerbesteuerumlage wird ebenfalls als v.H.- wichts der größeren Städte mit hohem Gewerbesteuer- Satz des Gewerbesteuermessbetrages bestimmt; ihre aufkommen liegt der (gewogene) durchschnittliche Höhe wird durch Bundesgesetz bestimmt. Dabei hat der Hebesatz in Deutschland allerdings bei 390 v.H. Satz seit der Einführung der Umlage erhebliche Verände- rungen erfahren. Derzeit liegt er bei knapp 70 v.H. in den Die Gewerbesteuer ist eine sogenannte Veranlagungs- alten und bei 35 v.H. in den neuen Bundesländern. Das steuer. Der Steuerpflichtige leistet Vorauszahlungen. Die bedeutet, dass eine Gemeinde bei einem eigenen Hebe- endgültige Steuerschuld kann erst nach Einreichung der satz von 350 v.H. im früheren Bundesgebiet zwanzig Pro- Steuererklärung festgesetzt werden. Das kann zu Nach- zent, in den neuen Bundesländern zehn Prozent ihres zahlungen, aber auch zu Erstattungen an den Steuer- Steueraufkommens abführen muss. pflichtigen führen. Zudem hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit, zum Beispiel bei schlechter Geschäftsent- wicklung seine Vorauszahlungen nach unten anpassen Die Gewerbesteuer in der politischen zu lassen. Solche Anpassungen, aber auch Nachzah- Diskussion lungen oder Erstattungen, können zu erheblichen Ab- weichungen vom vorher kalkulierten Steueraufkommen Die Gewerbesteuer unterliegt seit jeher allerdings hef- führen. Die Kalkulation der Gewerbesteuer im Haushalts- tiger Kritik. Aus unternehmerischer Sicht wird sie als plan ist daher mit großen Unsicherheiten behaftet. Es Zusatzbelastung des Gewinns angesehen, die es in vielen empfiehlt sich, eine vorsichtige Schätzung vorzuneh- anderen Staaten nicht gebe. Außerdem wird auf die men. starken Schwankungen des Aufkommens verwiesen (Schaubild 7), die die Steuerentwicklung für die Gemein- Aus ihrem Gewerbesteueraufkommen zahlt die Gemein- den unkalkulierbar mache. Schließlich basiere das örtliche de einen Anteil als Gewerbesteuerumlage an Bund Steueraufkommen oft zu einem großen Teil auf den und Land. Dies resultiert noch aus der Gemeindefinanz- Steuerzahlungen einiger weniger Gewerbebetriebe, so reform von 1969, bei der im Gegenzug die Beteiligung dass die Gemeinde vom wirtschaftlichen Schicksal einer der Gemeinden an der Einkommensteuer eingeführt kleinen Anzahl von Betrieben abhängig werde.
7 Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN Jährliche Veränderungen des Gewerbesteueraufkommens 1998 bis 2010 in Prozent Schaubild 7 40 30 20 10 0 -10 -20 1998 2000 2002 2004 206 2008 2010 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 2, vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts, verschiedene Jahrgänge; eigene Berechnungen. Diese Kritik ist durchaus gewichtig, sodass es immer wie- Auch der letzten Kommission, die ihre Arbeit Mitte 2011 der Bestrebungen gegeben hat, die Gewerbesteuer abzu- abgeschlossen hat, ist es nicht gelungen, eine Lösung zu schaffen oder gründlich zu reformieren. Zuletzt ist ein finden. Zum einen sehen die Kommunen (und Teile der weiterer Anlauf mit der Einsetzung einer Gemeinde- Wirtschaft) in der Gewerbesteuer auch eine Verknüpfung finanzkommission im Jahr 2010 unternommen wor- zwischen Unternehmen und Gemeinden, die das kom- den. Wie schon in der Vergangenheit stehen sich dabei munale Interesse an der wirtschaftlichen Entwicklung im zwei Positionen diametral gegenüber: Gemeindegebiet stärkt („Interessenklammer“). Dies wird gerade wieder bei den Diskussionen um den Ausbau er- • Die Wirtschaft plädiert für eine Abschaffung der Gewer- neuerbarer Energien und der Ausweisung von Standor- besteuer und die Verlagerung des kommunalen Steuer- ten mehr als deutlich. Zum anderen würde eine durch- aufkommens auf eine lokale Einkommensteuer mit greifende Veränderung des gemeindlichen Steuersystems einem Hebesatz-/Zuschlagsrecht. Um den Anforderun- zu erheblichen Verwerfungen zwischen den Gemeinden gen des Grundgesetzes Genüge zu tun, soll es daneben führen. Große Steuerverluste zahlreicher Gemeinden, vor eine gewisse Form einer Betriebssteuer geben. allem im städtischen Bereich, müssten in irgendeiner Form kompensiert werden. Das können die Finanzaus- • Die Kommunen plädieren für eine Ausweitung des gleichssysteme in ihrer bisherigen Form nicht leisten. Kreises der Steuerpflichtigen, namentlich der freien Berufe, und für eine Stärkung der Elemente bei der Berechnung des Steuermessbetrages, die nicht vom Gewinn abhängig sind.
GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK 4.2 Grundsteuern und kleine Gemeindesteuern Prof. Dr. Gunnar Schwarting Einführung nutzten Grundstücke und eine Grundsteuer B für alle übrigen, das heißt für alle bebauten und unbebauten Die Grundsteuern zählen in vielen Ländern der Welt zu Grundstücke. Die Grundsteuer A hat im Laufe der Zeit im- den traditionellen Gemeindesteuern. Diese Eigenschaft mer weiter an Bedeutung verloren; sie stellt lediglich in be- verdanken sie dem Umstand, dass sie an Grund und sonders landwirtschaftlich geprägten Gemeinden noch Boden und damit an einen eindeutig örtlichen Bezug an- eine nennenswerte Finanzierungsquelle dar. Deshalb wird knüpfen. Allerdings ist ihr Stellenwert innerhalb des kom- im Weiteren nur auf die Grundsteuer B Bezug genommen. munalen Finanzsystems sehr unterschiedlich. Während die Steuer in einigen Staaten die Haupteinnahmequelle der Kommunen darstellt, macht sie innerhalb der kom- Vom Einheitswert zur Steuerschuld munalen Steuereinnahmen (einschließlich der Steuer- beteiligungen) im früheren Bundesgebiet nicht zuletzt Die Grundsteuer B bemisst sich nach dem Wert des wegen ihrer statischen Bemessungsgrundlage nur etwa Grundstücks. Dieser wird nach den Vorschriften des 15 Prozent aus; in den neuen Bundesländern ist ihr Bewertungsgesetzes ermittelt. Das ist der sogenannte Anteil wegen des geringeren Aufkommens der Gewerbe- Einheitswert, der in der Regel nicht dem tatsächlichen steuer zwar höher, nähert sich allerdings dem westdeut- Verkehrswert entspricht. Für bebaute Grundstücke wird – schen Wert zunehmend an. 2008 lag das Aufkommen von wenigen Ausnahmen abgesehen (bei sehr aufwen- der Grundsteuern in Deutschland bei 11,4 Milliarden digen Bauten wird der Sachwert ermittelt) – das Ertrags- Euro. Die Grundsteuern sind die einzige nennenswerte wertverfahren angewandt. Grundlage hierfür ist die Jah- Gemeindesteuer, die die Bürgerschaft unmittelbar spürt. resrohmiete, wie sie zum 1.1.1964 gegolten hat oder Dies liegt vor allem daran, dass die Grundsteuer B im gegolten hätte. In den neuen Bundesländern sind – so- Mietverhältnis zumeist über die Nebenkosten an die Mie- weit noch ermittelbar – die Wertverhältnisse von 1935 ter weitergereicht wird. Dieser Umstand spielt bei De- maßgeblich. Der Ertragswert wird mit einem Vervielfäl- batten um die Höhe der Grundsteuer nicht selten eine tiger multipliziert, der sich nach Baujahr, Lage und Be- wichtige Rolle. schaffenheit des Objektes richtet. Das Ergebnis ist dann der Einheitswert. Die Grundsteuern sind wie die Gewerbesteuer eine Objekt- oder Realsteuer und nach Art. 106 Abs. 6 des Der Einheitswert einer Immobilie wird vom Finanzamt Grundgesetzes ausdrücklich den Gemeinden zugewiesen. festgestellt und bleibt bis zu einer neuen Hauptfeststel- Grundlage der Besteuerung ist das bundeseinheitliche lung aller Einheitswerte unverändert, sofern nicht an dem Grundsteuergesetz. Die Steuer ist differenziert in eine betreffenden Objekt wesentliche Veränderungen (zum Grundsteuer A für alle land- und forstwirtschaftlich ge- Beispiel ein Ausbau) vorgenommen werden. Herausgegeben von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Politische Akademie, KommunalAkademie | Dr. Markus Trömmer | Redaktionsleitung: Prof. Dr. Gunnar Schwarting | © Friedrich-Ebert-Stiftung 2011 | Godesberger Allee 149 | 53175 Bonn | Tel. +49 (0) 228 883-7126 | Gestaltung: pellens.de | www.fes-kommunalakademie.de
9 Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN Berechnungsverfahren für die Grundsteuer Schaubild 8 unbebaute Grundstücke bebaute Grundstücke EINHEITSWERT Messzahl Einheitswert x Messzahl = Messbetrag Der Einheitswert wird – wie bei der Gewerbesteuer – mit Die Grundsteuer in der politischen Diskussion einer Messzahl multipliziert, die gleichfalls im Gesetz fest- gelegt ist. Sie beträgt im früheren Bundesgebiet im Das seit Langem bestehende grundlegende Problem der Regelfall 3,5 v.T., für Ein- und Zweifamilienhäuser gelten Grundsteuer sind die vollkommen veralteten Wertan- gewisse Ermäßigungen. In den neuen Bundesländern sätze. Eigentlich sollte eine Neufeststellung der Einheits- liegt die Messzahl wegen der erheblich niedrigeren Ein- werte alle sechs Jahre erfolgen. Tatsächlich aber ist die heitswerte etwas höher (5 bis 10 v.T.). Das Produkt aus letzte Hauptfeststellung 1964 erfolgt. Die Werte sind mit Einheitswert und Messzahl ergibt den Grundsteuer- einem Aufschlag von 40 Prozent ab 1974 eingeführt messbetrag, den das Finanzamt feststellt und der worden. Damit hat sich die Schere zwischen den Einheits- Gemeinde mitteilt (Schaubild 8). Hierauf wendet die Ge- werten und den Verkehrswerten deutlich erweitert. In meinde ihren örtlichen Hebesatz an. Daraus ergibt sich der Regel macht der Einheitswert nur einen Bruchteil des die vom Grundeigentümer an die Gemeinde zu zahlende heutigen Verkehrswertes aus. Dieser Sachverhalt war Grundsteuerschuld. Der Hebesatz wird in der Haushalts- Anlass, andere Vermögensabgaben, die auch andere Ver- satzung der Gemeinde festgesetzt. Er kann – dies ist eine mögensarten erfassen, wie die Vermögen- und die Erb- Besonderheit wie auch im Rahmen der Gewerbesteuer – schaftsteuer verfassungsgerichtlich überprüfen zu lassen. nachträglich bis zum 30 Juni eines Jahres verändert wer- Während die Vermögensteuer inzwischen nicht mehr den. Dies könnte zum Beispiel notwendig werden, wenn erhoben wird, kommt bei der Erbschaftsteuer im Hinblick anders eine Genehmigung der Haushaltssatzung nicht zu auf Immobilienbesitz ein anderes Bewertungsverfahren erreichen wäre. zur Anwendung. Im Grundsteuerrecht gibt es einige Befreiungstatbe- Bei unveränderten Einheitswerten im Bestand erhöht sich stände, die vor allem öffentliche Einrichtungen betref- die Bemessungsgrundlage der Steuer daher nur insoweit, fen. Außergewöhnlich ist, dass im Gesetz selbst Sach- als neue Einheitswerte im Zuge neuer Bebauung oder verhalte genannt werden, die unabhängig von den baulicher Veränderungen festgesetzt werden bzw. persönlichen Verhältnissen des Steuerschuldners einen frühere Grundsteuerbefreiungen auslaufen. Viele Ge- Anspruch auf (Teil-)Erlass der Steuer begründen. Von die- meinden verzichten deshalb auch auf einen jährlichen ser Bestimmung ist in den letzten Jahren in Anbetracht Bescheid und versenden lediglich Änderungsbescheide. zum Teil erheblicher Leerstände bei Wohn- und Gewer- Die Grundsteuerbelastung ist vor diesem Hintergrund beimmobilien in einigen Regionen vermehrt Gebrauch daher – auch bei vergleichsweise hohen Hebesätzen – im gemacht worden (Erlass wegen Ertragsminderung). Da es Gegensatz zu anderen (europäischen) Ländern recht ge- allerdings auch zu missbräuchlicher Anwendung dieser ring. Sie liegt in der Regel deutlich unter anderen Grund- Möglichkeit gekommen ist, hat der Gesetzgeber die besitzabgaben, wie den Kosten der Abwasserbesei- Voraussetzungen für einen Erlass 2008 eingeschränkt. tigung.
10 Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN Durchschnittliche Hebesätze der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer Schaubild 9 Jahr Grundsteuer B Gewerbesteuer Relation der Hebesätze* 1961 218 268 0,81 1980 274 330 0,83 2000 353 384 0,92 2010 410 390 1,05 Kreisfreie Städte 481 441 1,09 200.000 – 500.000 Einwohner (2010) Kreisfreie Städte 575 454 1,27 > 500.000 Einwohner (2010) * definiert als Grundsteuerhebesatz: Gewerbesteuerhebesatz Quelle für 2000 und 2010: Statistisches Bundesamt, Realsteuervergleich 2010; Fachserie 14, Reihe 10.1, eigene Berechnungen. Nicht zuletzt deshalb haben seit einigen Jahren viele Städ- flächen mit einem noch festzulegenden Vervielfältiger die te und Gemeinden die Grundsteuerhebesätze schritt- Basis für die Steuererhebung; eine wertorientierte Grund- weise erhöht. Jahrzehntelang lagen die Grundsteuer- steuer beruht auf den Bodenrichtwerten sowie auf einer hebesätze bei etwa 80 Prozent der für die Gewerbesteuer vereinfachten Wertermittlung aufstehender Gebäude. nach Ertrag (und Kapital) maßgeblichen Sätze. Dazu tru- Schließlich gibt es noch eine Kombination beider Lösun- gen auch sogenannte Kopplungsvorschriften der Länder gen. Im Jahr 2012 sollen Probeberechnungen für die Aus- bei, die eine Relation zwischen beiden Hebesätzen ver- wirkungen und die Handhabbarkeit der Modelle erfol- langten. Mittlerweile aber übersteigt gerade in den groß- gen. Vor dem Jahr 2013 ist daher mit weiteren gesetz- en Städten der Grundsteuer- den Gewerbesteuerhebe- geberischen Schritten nicht zu rechnen. satz nicht unwesentlich (Schaubild 9). Die Grundsteuer ist im Prinzip eine durchaus gute Kom- Die kleinen Gemeindesteuern munalsteuer. Sie bietet aufgrund ihrer Stetigkeit in vieler Hinsicht eine bessere Planbarkeit als die Gewerbesteuer. Zu den sogenannten kleinen Gemeindesteuern oder Baga- Sie hat einen eindeutig örtlichen Bezug und ihr Aufkom- tellsteuern zählen derzeit insbesondere folgende Steuern: men ist außerordentlich stetig; gleichzeitig ist sie aber • Hundesteuer, auch recht statisch, da die Bemessungsgrundlagen der • Vergnügungssteuer, Grundsteuer weitgehend unverändert bleiben. Schließ- • Jagd- und Fischereisteuer, lich bietet die Grundsteuer über das Hebesatzrecht die • Zweitwohnungsteuer, Möglichkeit, das Aufkommen in kommunaler Selbstver- • Kulturförderabgabe. antwortung zu gestalten. Deshalb hat die Grundsteuer durchaus zu Recht ihren Platz im kommunalen Steuer- Diese Steuern sind – auch wenn ihr Aufkommen sehr be- system. Sie bedarf allerdings dringend einer Reform. Das grenzt ist – Ausdruck des gemeindlichen Steuerfin- gilt vor allem für das Bewertungsverfahren, das inzwi- dungsrechts. Danach können die Gemeinden – sofern schen in dieser Form nur noch für die Grundsteuer gilt. nicht durch den Landesgesetzgeber (wie in Bayern) ein- geschränkt – Steuern einführen, soweit sie nicht einer Seit Jahren gibt es Überlegungen zur Reform des Bewer- bereits bestehenden Steuer gleichartig sind. Von dieser tungsverfahrens. In der Diskussion sind verschiedene Möglichkeit haben die Gemeinden in den vergangenen Ansätze. Dabei lassen sich flächen- und wertmäßige Jahrzehnten mit mehr oder weniger Erfolg auch Ge- Lösungen unterscheiden. Bei einer auf Flächen bezoge- brauch gemacht. Gesetzliche Grundlage sind die Kom- nen Grundsteuer bilden die Grundstücks- und Gebäude- munalabgabengesetze oder Spezialgesetze der Länder.
11 Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN Zu den traditionellen Gemeindesteuern zählt die Hunde- Mit der Zweitwohnungsteuer sollen diejenigen Ein- steuer, die für das Halten eines Hundes erhoben wird. wohner zur gemeindlichen Finanzierung herangezogen Sie ist ein fester Betrag und für jeden Hund gleich. Bei werden, die als Bürger einer anderen Gemeinde gleich- zwei und mehr Hunden wird in der Regel ein höherer wohl die Infrastruktur ihres Zweitwohnsitzes nutzen. Be- Betrag pro Hund gefordert. Eine Besonderheit ist die so- messungsgrundlage ist in der Regel der Mietwert des genannte „Kampfhundesteuer“. Für als gefährlich klas- Zweitwohnsitzes. Streng genommen steht bei dieser Ab- sifizierte Hunde erheben viele Gemeinden einen deutlich gabe das Aufkommen aber nicht im Vordergrund. Viel- höheren Steuerbetrag. Die Vergnügungssteuer wird mehr sollen Inhaber von Zweitwohnsitzen motiviert wer- vor allem von Betreibern von Spielautomaten erhoben; den, diesen in einen Erstwohnsitz umzumelden. Dadurch maßgeblich ist das Einspielergebnis. Nach jahrelangen würde die Gemeinde im Finanzausgleich und bei der Ver- Rechtsstreitigkeiten scheint sich diese Praxis nunmehr zu teilung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer festigen. In jüngster Zeit wird auch diskutiert, andere profitieren. Die Kulturförderabgabe schließlich ist eine Formen der Vergnügung in die Steuerpflicht einzube- ganz neue Entwicklung; sie wird als fester Betrag von ziehen. Übernachtungsgästen erhoben, ist insoweit einer Kurtaxe nicht ganz unähnlich. Damit ist sie vom Fremdenver- kehrsbeitrag zu unterscheiden.
GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK 4.3 Steuerbeteiligungen Prof. Dr. Gunnar Schwarting Seit 1969 sind die Gemeinden an der staatlichen Einkom- Gemeinden vornimmt. Damit soll verhindert werden, mensteuer, seit 1998 an der staatlichen Umsatzsteuer dass Gemeinden mit einer besonders einkommensstar- beteiligt. Mit der Einkommensteuerbeteiligung sollte die ken Bevölkerung vergleichsweise hohe Steuererträge er- starke Schwankung des Gewerbesteueraufkommens ab- zielen, während sich Gemeinden in strukturschwachen gemildert werden, indem im Gegenzug Teile der Gewerbe- Regionen dagegen mit einem sehr niedrigen Aufkom- steuer als Umlage an Bund und Land abzuführen waren. men begnügen müssen. Der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer sollte die Verluste ausgleichen, die den Gemeinden durch die Abschaffung Von der Steuerleistung der in einer Gemeinde wohn- der bis dahin geltenden Gewerbekapitalsteuer entstanden. haften Steuerzahler wird nur die auf die ersten 30.000 Euro (bzw. 60.000 Euro bei Verheirateten, die zusam- menveranlagt werden) entfallende Steuerzahlung be- Der Gemeindeanteil an der Einkommesteuer rücksichtigt, um den Schlüssel zu berechnen (Kappungs- grenze). Sie wird am 2012 auf 35.000 / 70.000 Euro Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer wird län- angehoben. Steuerzahlungen oberhalb dieser Grenze derweise berechnet. Aus dem Aufkommen, das im Land bleiben bei der Berechnung des Schlüssels unberücksich- erzielt wird, erhalten die Gemeinden 15 Prozent der ver- tigt. Damit soll eine zu starke Differenz des Aufkommens bleibende Teil wird dann hälftig zwischen Bund und Land zwischen den Gemeinden vermieden werden. Der Anteil geteilt. Für die weitere Verteilung wird ein Schlüssel der Gemeinde an dem Aufkommen bis zur Kappungs- berechnet, der nicht das tatsächliche örtliche Aufkom- grenze bildet die Schlüsselzahl, die dann auf den men erfasst, sondern eine gewisse Nivellierung unter den gesamten Landesanteil angewandt wird (Schaubild 10). Berechnung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer für die einzelne Gemeinde Schaubild 10 Örtliches Aufkommen in Relation zum Landesaufkommen an Lohn- und Einkom- mensteuer bis zur Kappungsgrenze Landesaufkommen der Lohn- und Einkommensteuer x 0,15 Örtlicher Anteil = Schlüsselzahl = Gesamter Gemeindeanteil im Land Aufkommen aus dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer in der Gemeinde Herausgegeben von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Politische Akademie, KommunalAkademie | Dr. Markus Trömmer | Redaktionsleitung: Prof. Dr. Gunnar Schwarting | © Friedrich-Ebert-Stiftung 2011 | Godesberger Allee 149 | 53175 Bonn | Tel. +49 (0) 228 883-7126 | Gestaltung: pellens.de | www.fes-kommunalakademie.de
13 Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN Anpassung im Turnus wird, tritt das Problem der unterschiedlichen Steuerkraft zwischen den Ländern hinzu, so dass sich Stärken und Das jährliche Aufkommen aus dem Gemeindeanteil Schwächen noch einmal auseinanderentwickeln können. ändert sich zunächst je nach der Entwicklung der Lohn- (Schaubild 11) und Einkommensteuer. Galt diese zunächst als relativ ste- tig und wachsend, hat sich das in den vergangenen Jah- ren geändert. Die Lohn- und Einkommensteuer unterliegt Ersatz für die Gewerbesteuer? (auch wegen zahlreicher Änderungen des Steuerrechts) nicht unerheblichen Schwankungen, wenngleich sie meist Die Einkommensteuer ist immer wieder im Rahmen von geringer ausfallen als bei der Gewerbesteuer. Darüber Reformdiskussionen über das gemeindliche Steuersystem hinaus findet alle drei Jahre ein gesonderter Anpas- als Alternative zur Gewerbesteuer ins Feld geführt wor- sungsprozess statt. Die Schlüsselzahlen werden nach der den. Eine gewichtige Rolle spielt dabei die Tatsache, dass letzten verfügbaren Steuerstatistik neu berechnet, das ist gemeindliche Einkommensteuern in verschiedenen Vari- derzeit die Statistik des Jahres 2007, die für die Jahre 2012 anten international nicht unüblich sind. Soweit die bis 2014 maßgeblich sein wird. In dem Zusammenhang ist Gemeinde eigene Steuersätze erhebt, kann damit eine auch stets zu entscheiden, ob die Kappungsgrenze jeweils Verbindung zwischen kommunalen Leistungen und verändert – bislang immer: erhöht – werden soll. Steuerzahlung für die Bürgerschaft sichtbar hergestellt werden. Abgesehen von einer Reihe technischer Schwie- Die Anpassung der Schlüsselzahlen alle drei Jahre kann rigkeiten sind es vor allem zwei Probleme, die dabei gese- die kommunale Finanzsituation erheblich beeinflussen. hen werden: Zu den Gewinnern zählen in der Regel prosperierende • Eine echte Gemeindeeinkommensteuer kann nicht Umlandgemeinden in den Ballungsräumen; die Verlierer mehr einfach nivellierend (wie bisher durch die Kap- sind in der Regel in den strukturschwachen und stark pungsgrenze) ausgestaltet werden. Die Steuerkraft- ländlich geprägten Gebieten zu finden. Da der Gemein- unterschiede zwischen den Gemeinden würden daher deanteil an der Einkommensteuer länderweise berechnet beträchtlich steigen. Abweichungen des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer zwischen den Bundesländern Schaubild 11 400 350 300 250 Euro je Einw. 200 150 100 50 0 rn n erg len lan n alz en d rg rn n en lt sse ei lan se ha ye bu me hs ing Pf tfa lst mb ch An Ba ar He n ac d- om Ho ür es Sa de Sa tte n- ers Th W ig- rp an se ür ed ein in- Vo Br sw ch W Ni he g- Rh Sa n- hle ur dr de Sc nb r Ba No kle ec M Quelle: Statistisches Bundesamt, Realsteuervergleich 2010, Fachserie 14, Reihe 10.1.
14 Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN • Gemeinden mit hohen Einkommensteuerleistungen Eine Besonderheit war eine Vorwegaufteilung zwischen könnten es sich leisten, niedrigere Steuersätze zu ver- dem früheren Bundesgebiet und den neuen Ländern im langen, so dass sie weiter an Attraktivität gewinnen Verhältnis 85 : 15. Danach waren im früheren Bundes- und neue Einwohner anziehen können. gebiet das Aufkommen der früheren Gewerbekapital- steuer, der Gewerbesteuer sowie die Zahl der sozialversi- Zudem ist zu beachten, dass es zwischen Gewerbe- und cherungspflichtig Beschäftigten maßgeblich, in den neuen Wohnstandorten zu erheblichen Verschiebungen des Bundesländern nur die beiden letzten Indikatoren. Bis Steueraufkommens kommen kann, die der Finanzaus- 2018 wird nun schrittweise auf einen neuen Schlüssel gleich der Länder nicht kompensieren und nur sehr be- umgestellt, wonach künftig grenzt mildern kann. • das Gewerbesteueraufkommen zu 25 Prozent, • die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäf- tigten (ohne öffentlichen Dienst im engeren Sinne) zu Der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer 50 Prozent, • die Summe der sozialversicherungspflichtigen Ent- Seit 1998 sind die Gemeinden an der zweiten großen gelte (ohne öffentlichen Dienst im engeren Sinne) zu Steuer, der Umsatzsteuer, beteiligt. Die Gemeinden erhal- 25 Prozent ten 2,07 Prozent des Gesamtaufkommens als Vorwegab- maßgeblich sind. Bis dahin gibt es eine Mischung aus zug; erst danach erfolgt die Verteilung zwischen Bund dem alten und dem neuen Schlüssel. Wie beim Gemein- und Ländern. Darin unterscheidet sich der Umsatzsteuer- deanteil an der Einkommensteuer soll der Schlüssel wie- anteil vom Gemeindeanteil an der Einkommensteuer. Die derum alle drei Jahre angepasst werden. Verteilung des Anteils auf die einzelnen Gemeinden ge- staltete sich schwierig, da das örtliche Aufkommen we- In den Diskussionen um eine Reform des Gemeindesteu- gen der Besonderheiten des Versandhandels oder der ersystems ist bisweilen auch die Idee einer lokalen Um- Einfuhrumsatzsteuer nicht in Betracht kommt. Bis zur Fin- satzsteuer eingebracht worden. Eine vergleichbare Steuer dung eines neuen Schlüssels wurde daher eine Über- besteht in den USA. Wegen der möglichen Verlagerungen gangslösung gewählt, die bis 2008 Gültigkeit besaß. von Einkaufsströmen, aber auch erheblicher adminis- trativer Schwierigkeiten, spielt der Vorschlag derzeit kei- ne Rolle mehr.
GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK 4.4 Gebühren Prof. Dr. Gunnar Schwarting Einführung Verwaltungs- und Benutzungsgebühren Gebühren zählen zusammen mit den Beiträgen zu den Grundsätzlich zu unterscheiden sind Verwaltungsge- speziellen Entgelten. Beides sind öffentlich-rechtliche bühren (zu denen haushaltsrechtlich auch Ordnungs- Abgaben; dies gilt auch, wenn die Kommune einen Drit- gelder zählen) auf der einen und Benutzungsgebühren ten mit der Durchführung beauftragt. Sie bedürfen – so- auf der anderen Seite. Verwaltungsgebühren werden für fern nicht anderweitig gesetzlich geregelt – einer kom- Amtshandlungen, zum Beispiel die Ausstellung eines munalen Satzung. Spezielle Entgelte nehmen haus- Reisepasses, Benutzungsgebühren für die Inanspruch- haltsrechtlich nach den Grundsätzen der Finanzmit- nahme einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage erho- telbeschaffung eine Vorrangstellung vor Steuern und ben. An die Stelle von Benutzungsgebühren können bei Krediten ein. Von den Steuern unterscheiden sie sich kulturellen, sportlichen oder sozialen Einrichtungen auch dadurch, dass ihnen eine konkrete Leistung der Kom- privatrechtliche (Eintritts-)Preise treten. mune gegenübersteht. Während Gebühren laufend er- hoben werden, sind Beiträge (in der Regel) einmalige Während die Höhe von Verwaltungsgebühren vielfach Abgaben, die mit der kommunalen Investitionstätigkeit durch bundes- oder landesrechtliche Vorschriften vorge- verknüpft sind. geben ist (bisweilen auch nur als Gebührenrahmen), ent- scheidet die Kommune über die Höhe von Benutzungs- Grundlage für die Gebührenerhebung sind die Kommu- gebühren in eigener Verantwortung. Von den Ver- nalabgabengesetze der Länder. In welchem Umfang waltungsgebühren seien unter anderem die Gebühren im Gebühren erhoben werden liegt jedoch im Ermessen der Meldewesen, Gebühren im Baugenehmigungsverfahren Kommune, sofern keine besonderen gesetzlichen Rege- oder bei der Kfz-Zulassung genannt. Trotz der oft hohen lungen bestehen; dabei hat sie allerdings die Rangfolge Fallzahlen ist der Finanzierungsbeitrag von Verwaltungs- der Finanzmittelbeschaffung zu beachten. Ein Verzicht gebühren zum kommunalen Haushalt von begrenzter auf eine Gebührenerhöhung, der zu einer höheren Steu- Bedeutung. erbelastung führen würde, ist daher sehr kritisch zu be- urteilen. Insofern hat sich im Laufe der Zeit eine im We- Haushaltswirtschaftlich spielen die Benutzungsgebüh- sentlichen gleichartige Praxis der Gebührentatbestände ren eine dominierende Rolle; hierunter sind vor allem die herausgebildet. Im Gegensatz zu den Steuern stellen Gebühren für die Abwasser- und Abfallentsorgung her- Gebühren im Übrigen eine wichtige Finanzierungsquelle vorzuheben. Darüber hinaus haben Gebühren für die auch der Landkreise dar. Straßenreinigung, Märkte oder die Friedhofsnutzung einiges Gewicht. Auch die Elternbeiträge für die Nutzung von Kindertageseinrichtungen stellen – insoweit falsch bezeichnet – Gebühren dar. Herausgegeben von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Politische Akademie, KommunalAkademie | Dr. Markus Trömmer | Redaktionsleitung: Prof. Dr. Gunnar Schwarting | © Friedrich-Ebert-Stiftung 2011 | Godesberger Allee 149 | 53175 Bonn | Tel. +49 (0) 228 883-7126 | Gestaltung: pellens.de | www.fes-kommunalakademie.de
16 Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN Prinzipien der Gebührenerhebung Unterschiedliche Beurteilungen ergeben sich in erster Linie daraus, dass für manche Anlagen und Einrichtungen Für die Gebührenerhebung sind verschiedene Prinzipien ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, für maßgeblich. Sie müssen andere hingegen nicht. Ist ein Anschluss- und Benut- • vertretbar und geboten sein, zungszwang (wie im Fall der Abwasser- und der Abfall- • möglichst kostendeckend festgesetzt werden und beseitigung) gegeben, so ist eine kostendeckende Ge- • ein angemessenes Verhältnis zwischen der kommu- bühr im Regelfall möglich. In allen anderen Fällen können nalen Leistung und der Gebührenhöhe wahren. die Einwohner über die Nutzung frei entscheiden; für sie ist dann ihre Zahlungsbereitschaft maßgeblich. Am einfachsten zu erläutern ist das Kostendeckungs- prinzip. Es besagt, dass die für eine Leistung notwen- Während der Kostendeckungsgrundsatz auf das gesamte digen Kosten durch das Gebührenaufkommen gedeckt Gebührenaufkommen abzielt, bezieht sich das Äquiva- werden sollen. Das bedeutet zum einen ein Gewinnerzie- lenzprinzip auf die Leistung für den einzelnen Gebüh- lungsverbot. Gebührenhaushalte dürfen keine (dauer- renzahler. Die gezahlte Gebühr und die empfangene Leis- haften) planmäßigen Überschüsse für den allgemeinen tung dürfen nicht in einem offenkundigen Missverhältnis Haushalt erwirtschaften; kurzfristige und geringfügige zueinander stehen. Das bedeutet zwar keine Berechnung Schwankungen, die zu Über- oder Unterdeckungen füh- für jeden Einzelfall, engt aber den Spielraum insbesondere ren, sind hingegen unproblematisch. Zum Zweiten sind für lenkende Gebühren ein. Denn Gebührendifferen- die Kosten auf das notwendige Ausmaß zu begrenzen. zierungen aus zum Beispiel ökologischen Gründen ste- Die Vorhaltung großer Leerkapazitäten – wie dies im Be- hen mit der konkreten Leistung nicht in ursächlichem reich der Abwasserbeseitigung bisweilen der Fall war – Zusammenhang. Wenn die Kommune lenkend eingreifen oder Kosten, die mit der Leistungserbringung nicht in will, kann sie dies nur über Anreize – zum Beispiel Gebüh- Zusammenhang stehen (strittig ist zum Beispiel der Anteil rennachlässe – machen, die aber aus dem allgemeinen der Kosten der politischen Führung der Kommune) – kön- Haushalt aufzubringen sind. Auch Gebühren, die ver- nen dem Gebührenzahler nicht in Rechnung gestellt wer- schiedene Leistungen zusammenfassen, auch wenn diese den. Zudem gilt auch bei der Gebührenerhebung der differenziert genutzt werden, können das Äquivalenz- allgemeine haushaltsrechtliche Grundsatz der Sparsam- prinzip verletzen. So ist beispielsweise im Friedhofswesen keit und Wirtschaftlichkeit. Darüber hinaus kann es erfor- eine Differenzierung der Gebühr nach Bestattungsarten derlich sein, bestimmte Kosten (zum Beispiel für die im Allgemeinen geboten. Straßenentwässerung) als gemeindlichen Anteil auszu- weisen, der bei der Gebührenberechnung in Abzug zu bringen ist. Kostenrechnung als Grundlage Schwieriger verhält es sich mit den Begriffen „vertretbar Zur Bemessung der Gebührenhöhe bedarf es zunächst und geboten“. Sie zielen darauf ab, dass nicht in jedem einer präzisen Kostenrechnung. Sie muss qualitativ so Fall die Erhebung einer kostendeckenden Gebühr den ausgestaltet sein, dass die Kommune nötigenfalls auch in Abgabepflichtigen zuzumuten bzw. wirtschaftlich sinn- einem Rechtsstreit transparent aufzeigen kann, wie sie zu voll ist. So werden aus sozial- oder kulturpolitischen der Festsetzung der Gebühr gelangt ist (Schaubild 12). Gründen nicht-kostendeckende Gebühren in Kinder- Das war im kameralistischen Haushalt nicht ganz einfach, tageseinrichtungen oder in Büchereien erhoben. Kosten- da die notwendigen Informationen – insbesondere zu deckende Gebühren würden für viele potenzielle Nutzer den Abschreibungen – dem kommunalen Rechnungswe- prohibitiv wirken, während eine möglichst intensive sen nicht direkt entnommen werden konnten und als kal- Nutzung derartiger Einrichtungen jedoch gerade das Ziel kulatorische Positionen geführt wurden. Nicht zuletzt aus ist. Prohibitiven Charakter hätten auch kostende- diesem Grund hatten in der Vergangenheit viele Kommu- ckende Eintrittspreise für Schwimmbäder oder Theater. nen die größeren Gebührenhaushalte, namentlich die Sofern der Bestand solcher Einrichtungen nicht infrage Abwasser- und die Abfallbeseitigung (in Rheinland-Pfalz gestellt wird, gilt es, die Gebühren oder Preise bestenfalls sogar verpflichtend) aus dem Haushalt herausgelöst und so festzusetzen, dass der maximal mögliche Ertrag erzielt nach den Vorschriften des Eigenbetriebsrechts bzw. sogar wird. als separaten Eigenbetrieb geführt.
17 Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN Gebührenberechnung – vereinfachte Darstellung Schaubild 12 Leistung A G Leistung B direkte Kosten der Leistung A direkte Kosten der Leistung B Gemeinkosten Anteil Gemeinkosten Anteil Gemeinkosten abzüglich gemeindlicher Anteil abzüglich gemeindlicher Anteil berücksichtigungsfähige Kosten berücksichtigungsfähige Kosten berücksichtigungsfähige Kosten / Σ berücksichtigungsfähige Kosten / Σ Leistungseinheiten* Leistungseinheiten* = Gebühr je Leistungseinheit = Gebühr je Leistungseinheit * Definiert nach dem jeweils angewandten Maßstab, z. B. in m³ Frischwasserbezug. Mit dem Übergang zur Doppik im Kommunalhaushalt ist Für die Abfallbeseitigung ist hingegen eine weit größere zwar prinzipiell die Ableitung von Kosten für die Gebüh- Zahl an Maßstäben zu beobachten. Der früher rein auf renkalkulation einfacher, dennoch können (je nach Lan- die Behältergröße abstellende Maßstab ist angesichts der desrecht) haushalts- und gebührenrechtliche Kosten von- sehr differenzierten Sammelsysteme unter anderem durch einander abweichen, so dass dann Korrekturen erfo- Personen- und versuchsweise auch durch Gewichtsmaß- rderlich werden. Hinzu kommt, dass derzeit für den stäbe ergänzt worden. Hinzu treten Sonderregelungen Kernhaushalt nur in wenigen Fällen eine flächendeckende für die Häufigkeit der Abfuhr, die Eigenkompostierung Kosten- und Leistungsrechnung besteht, aus der die Ge- und anderes mehr. Dagegen dominiert bei der Straßen- meinkosten, die auf den Gebührenhaushalt entfallen, zu reinigung nach wie vor der Frontmetermaßstab; aller- ersehen sind. Die Ermittlung und Verteilung dieser Ge- dings ist diese Gebühr wegen der sehr differenzierten meinkosten geschieht deshalb in der Regel noch in ge- Siedlungsstrukturen und -gegebenheiten bezogen auf sonderten Rechnungen. das Gebührenaufkommen sehr streitanfällig. Gebührenmaßstäbe Weitere Aspekte Sind die Gesamtkosten – gegebenenfalls auf einzelne Bei der Gebührenbemessung sind anderweitige Leis- Leistungsbereiche bezogen – ermittelt, ist ein Gebühren- tungen der Abgabepflichtigen zu berücksichtigen. So ist maßstab zu wählen, um die Kosten auf die einzelnen Nut- es im Rahmen der Abwasserbeseitigung nicht unüblich, zer umzulegen. Dabei soll der Maßstab nach Möglichkeit für den Anschluss an die Kanalisation einen einmaligen die Wirklichkeit widerspiegeln. So wäre für die Abwasser- Beitrag zu erheben. Die durch Beiträge erbrachte Finan- beseitigung die tatsächlich in die Kanalisation eingeleitete zierung ist bei der Kostenermittlung in Abzug zu bringen. Abwassermenge, gewichtet nach ihrem Verschmutzungs- Damit hat die Kommune die Möglichkeit, die laufenden grad, ein wünschenswerter Maßstab, für den jedoch die Gebühren geringer zu halten. Die Entscheidung über die notwendigen Daten nicht vorliegen. Daher wird durch- Beitragserhebung und -höhe kann jedoch nur einmal gängig die bezogene und messbare Wassermenge zu- erfolgen. Eine laufende Veränderung zwischen Beiträgen grunde gelegt (Frischwassermaßstab), da unterstellt wird, und Gebühren ist nicht möglich. Ein zweiter Fall betrifft dass bezogenes Wasser auch wieder zurückgeführt wird die Straßenreinigung: Hier ist es häufige Praxis, bei nicht (Wahrscheinlichkeitsmaßstab). Das schließt Abzugsmen- stark frequentierten Straßen die Reinigung auf die An- gen für die Bewässerung zum Beispiel für Gartenflächen lieger zu übertragen. Das gilt folgerichtig dann auch für allerdings nicht aus. Vielfach wird auch noch ein Flächen- den Winterdienst. Für diese Grundstücke ist dementspre- maßstab für versiegelte Flächen angewandt, von denen chend keine Straßenreinigungsgebühr zu erheben. das Regenwasser unmittelbar in die Kanalisation gelangt.
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