GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK - Kommunale Finanzen 4.0 Überblick

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GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK
                                                                                     4. Kommunale Finanzen
                                                                                                              4.0 Überblick
                                                                                                    Prof. Dr. Gunnar Schwarting

Zur Finanzierung ihres laufenden Aufwands und ihrer                     Unter den Steuern sind die Gewerbesteuer und die
Investitionstätigkeit stehen den Kommunen im Wesent-                    Grundsteuern hervorzuheben, die mit einem kommu-
lichen fünf Finanzierungsquellen zur Verfügung:                         nalen Hebesatzrecht versehen sind. Damit kann die Ge-
• Steuern,                                                              meinde ihr Steueraufkommen in gewissem Umfang selbst
• Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich,                            bestimmen. Diese Steuern sind daher in besonderem
• Gebühren und Beiträge (spezielle Entgelte),                           Maße Ausdruck kommunaler Selbstverwaltung. Das gilt
• Erwerbseinkünfte und andere laufende Erträge,                         auch für die sogenannten kleinen Gemeindesteuern, wie
• Kreditaufnahmen.                                                      die Hunde- und Vergnügungssteuer, die allerdings quan-
                                                                        titativ von geringer Bedeutung sind. Daneben stehen
Die vier ersten Kategorien sind laufende Mittel. Sie wer-               Beteiligungen an der Einkommen- und an der Umsatz-
den im doppischen System im Ergebnis- und im Finanz-                    steuer, die zusammen eine ähnlich hohe Bedeutung wie
haushalt, in der Kameralistik im Verwaltungshaushalt                    die anderen Steuern aufweisen. Auf die Höhe dieses
erfasst. Die Kreditaufnahme findet ihren Niederschlag                   Steueraufkommens hat die Gemeinde jedoch keinen un-
hingegen lediglich im doppischen Finanzhaushalt bzw.                    mittelbaren Einfluss. Darüber hinaus hat – abgesehen von
im kameralistischen Vermögenshaushalt. Hinzu kommen                     den kleinen Gemeindesteuern – der Bund die Gesetzge-
noch Veräußerungserlöse, die in der Kameralistik durch-                 bungskompetenz für die Besteuerungsgrundlagen. Die
weg im Vermögenshaushalt, in der Doppik – je nach Art                   Gemeinden werden insoweit auch von Entscheidungen
und Landesrecht – nur im Finanzhaushalt oder auch im                    des Steuergesetzgebers berührt.
Ergebnishaushalt abgebildet werden.
                                                                        Hauptquellen der Steuerfinanzierung sind die Gewerbe-
Für die Inanspruchnahme der einzelnen Finanzierungs-                    steuer und der Anteil an der Einkommensteuer; die
quellen gibt es im Haushaltsrecht eine sogenannte Rang-                 Grundsteuer folgt mit deutlichem Abstand (Schaubild 1).
folge der Finanzierungsmittel. Demnach sind zunächst                    Dabei gibt es noch immer Unterschiede zwischen den
die sonstigen Erträge – das sind Erwerbseinkünfte und                   Bundesländern, insbesondere beim Gemeindeanteil an
andere laufende Erträge sowie die Mittel aus dem kom-                   der Einkommensteuer. Hier wirkt sich vor allem das noch
munalen Finanzausgleich – auszuschöpfen. An zweiter                     immer bestehende Einkommensgefälle zwischen dem
Stelle nennt das Haushaltsrecht die speziellen Entgelte,                früheren Bundesgebiet und den neuen Bundesländern
erst danach folgen die Steuern. Die Kreditaufnahme                      aus.
schließlich ist gegenüber allen anderen Finanzierungsmit-
teln nachrangig.

Herausgegeben von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Politische Akademie, KommunalAkademie | Dr. Markus Trömmer |
Redaktionsleitung: Prof. Dr. Gunnar Schwarting | © Friedrich-Ebert-Stiftung 2011 | Godesberger Allee 149 | 53175 Bonn |
Tel. +49 (0) 228 883-7126 | Gestaltung: pellens.de | www.fes-kommunalakademie.de
2     Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie                                     GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN

Die Struktur der kommunalen Steuererträge 2010                                                                               Schaubild 1

    Art                                      Alle Gemeinden              Früheres Bundesgebiet                Neue Bundesländer
    Grundsteuer A + B                               15,6 %                         15,3 %                             18,9 %
    Gewerbesteuer (netto)                           42,1 %                         42,0 %                             43,0 %
    Gemeindeanteil                                  36,0 %                         36,7 %                             29,9 %
    Einkommensteuer
    Gemeindeanteil Umsatzsteuer                      5,1 %                          4,9 %                              7,0 %
    Vergnügungssteuer                                0,5 %                          0,5 %                              0,4 %
    Hundesteuer                                      0,4 %                          0,4 %                              0,5 %
    sonstige Steuern                                 0,2 %                          0,2 %                              0,2 %

Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 2, Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts,
1.- 4. Vierteljahr 2010, Tabelle 4.4; eigene Berechnungen.

Einen Finanzausgleich gibt es in allen Flächenländern,                  kommunalen Vermögens. Am wichtigsten sind hier Ge-
dazu sind die Länder bereits durch das Grundgesetz ver-                 winnabführungen kommunaler Unternehmen und Kon-
pflichtet. Die konkrete Ausgestaltung können die Länder                 zessionsabgaben. Eine besondere Form der Finanzierung
allerdings weitgehend selbst bestimmen, so dass es in                   sind Kostenerstattungen durch andere Verwaltungen. Sie
Deutschland 13 unterschiedliche Finanzausgleichssyste-                  spielen im Bereich der sozialen Sicherung eine wichtige
me gibt. Auf die Höhe dieser Leistungen hat die Gemein-                 Rolle und sind vor allem für die Landkreise von Bedeu-
de – ähnlich wie bei den Steuerbeteiligungen – keinen                   tung, deren Finanzierung vor allem auf der Erhebung
direkten Einfluss. Wie auch bei den kommunalen Steuern                  einer Umlage von den kreisangehörigen Gemeinden
ist die Gemeinde im Übrigen von gesetzgeberischen Ein-                  beruht. Über eigene Steuern verfügen die Kreise so gut
griffen, mit denen das Finanzausgleichssystem Verände-                  wie gar nicht.
rungen unterworfen wird, abhängig.
                                                                        Nach wie vor unterscheidet sich das Bild der kommunalen
Gebühren und Beiträge setzt die Gemeinde selbststän-                    Finanzierung zwischen dem früheren Bundesgebiet und
dig fest. Dabei ist sie aber an Erhebungsgrundsätze – ins-              den neuen Ländern ganz beträchtlich (Schaubild 2). Wäh-
besondere an das Kostendeckungsgebot – gebunden, die                    rend im früheren Bundesgebiet die Steuereinnahmen
ihren Ermessensspielraum begrenzen. Bei den Erwerbs-                    dominieren, werden die Kommunen in den neuen Bun-
einkünften handelt es sich um Erträge aus der Nutzung                   desländern noch ganz überwiegend durch staatliche

Die Struktur der laufenden kommunalen Erträge 2010                                                                           Schaubild 2

    Art                                      Alle Kommunen               Früheres Bundesgebiet                Neue Bundesländer
    Steuern                                         40,8 %                         43,4 %                             27,1 %
    Erwerbseinkünfte                                 5,7 %                          5,6 %                              5,9 %
    Zuweisungen u. ä.                               35,7 %                         32,4 %                             54,0 %
    sonstige                                        11,4 %                         11,9 %                              9,1 %
    (insb. Gebühren und Beiträge)*

* Erstattungen innerhalb des kommunalen Sektors heben sich in der Gesamtstatistik auf und werden deshalb nicht ausgewiesen.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 2, Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts,
1.-4. Vierteljahr 2010, Tabelle 4.2; eigene Berechnungen.
3 Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie                                         GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN

Zuweisungen finanziert. Die Verhältnisse zwischen bei-                  ein Großteil der sozialen Leistungen über den Kreishaus-
den Gebieten nähern sich nur sehr allmählich einander an.               halt abgewickelt wird und bei der kreisangehörigen
                                                                        Gemeinde mittelbar als Kreisumlage erscheint. Der Zin-
Schließlich dürfen Kommunen auch Kredite aufnehmen.                     saufwand schließlich konnte in den vergangenen Jahren
Die Kreditaufnahme steht in enger Beziehung zur Inves-                  dank des niedrigen Zinsniveaus vergleichsweise gering
titionstätigkeit und unterliegt bestimmten Vorausset-                   gehalten werden.
zungen. Zudem bedarf die Kreditermächtigung in der
Haushaltssatzung in fast allen Bundesländern der Geneh-                 Die Struktur der Aufwendungen hat sich in den ver-
migung durch die Aufsichtsbehörde. Eine Besonderheit                    gangenen Jahren zwischen dem früheren Bundesgebiet
stellen die Kredite zur Liquiditätssicherung (früher: Kas-              und den neuen Ländern deutlich angenähert (Schaubild
senkredite) dar. Eigentlich dienen sie nur dazu, kurz-                  3). Denn die Kommunen in den neuen Ländern hatten
fristige Liquiditätslücken zu überbrücken, mittlerweile                 ursprünglich einen weit höheren Personalbesatz aufge-
haben sie sich aber vielfach zu einem dauerhaften Instru-               wiesen. Allerdings ist bei der Bewertung gerade der Auf-
ment der Finanzierung entwickelt.                                       wendungen zu beachten, dass doppisch und kameral
                                                                        buchende Haushalte nebeneinander bestehen, die nicht
Die kommunalen laufenden Aufwendungen, die sich                         miteinander verglichen werden können. So sind im Rah-
im Ergebnis- und im Finanzhaushalt niederschlagen, las-                 men der Doppik insbesondere Zu- und Rückführungen zu
sen sich grob einteilen in                                              beziehungsweise von den Pensionsrückstellungen bei
• Personalaufwand,                                                      den Personalaufwendungen zu beachten. Gleiches gilt
• Sachaufwand,                                                          vor allem für die Abschreibungen, die zum Sachaufwand
• Transferzahlungen,                                                    zählen.
• Zinsaufwand.
                                                                        Im Rahmen finanzpolitischer Auseinandersetzungen ist
Hinzu kommen die Investitionen, die wie die Kreditauf-                  es nicht unüblich, mit einzelnen Finanzindikatoren zu
nahme nur im Finanzhaushalt erscheinen.                                 argumentieren und Vergleiche zu anderen Kommunen
                                                                        oder Durchschnittswerten zu ziehen. Dabei ist jedoch
Die Kommunalverwaltung ist ein „Dienstleistungsun-                      Vorsicht geboten. Denn zum Beispiel ist eine Personalko-
ternehmen“, das wesentlich durch den Einsatz von Per-                   stenquote, die unterhalb des Bundesdurchschnitts liegt,
sonal geprägt ist. Unter den Sachaufwendungen spielen                   noch kein Hinweis auf eine besonders effiziente Verwal-
vor allem die Kosten der kommunalen Gebäude (Energie,                   tung. Allein durch die Auslagerung in Einrichtungen in
Versicherungen, Reinigung, Entsorgung, Abschreibungen)                  anderer Rechtsform kann die Struktur des Haushalts
eine wichtige Rolle. Unter den Transfers dominieren Zah-                maßgeblich beeinflusst werden. Auch die Vergabe von
lungen im Bereich der sozialen Sicherung. Sie zählen zu                 Leistungen an Dritte – anstatt sie mit eigenem Personal
den am stärksten steigenden Aufwendungen der Kom-                       zu erbringen – verändert die Struktur, indem nunmehr
munen. Zu beachten ist im kreisangehörigen Raum, dass                   Personal- durch Sachaufwendungen ersetzt werden.

Die Struktur der laufenden kommunalen Erträge 2010                                                                           Schaubild 3

  Art                                      Alle Kommunen                 Früheres Bundesgebiet                Neue Bundesländer
  Personal                                      29,4 %                             28,7 %                             33,2 %
  Sach                                          25,0 %                             25,4 %                             22,7 %
  Transfers                                     42,9 %                             43,1 %                             42,0 %
  Zins                                            2,7 %                             2,8 %                              2,2 %

Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 2, Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts,
1.- 4. Vierteljahr 2010, Tabelle 5.3; eigene Berechnungen.
GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK

                                                                                                4.1 Gewerbesteuer
                                                                                                   Prof. Dr. Gunnar Schwarting

Einführung                                                              von Gewerbebetrieben berücksichtigt werden, um damit
                                                                        auch den Anreiz zur Fremdfinanzierung allein aus steuer-
Die Gewerbesteuer ist eine der ältesten Gemeindesteu-                   lichen Gründen zu reduzieren.
ern, allerdings auch eine der umstrittensten. Sie zählt zu
den Objekt- oder Realsteuern und wird von allen Gewer-                  Umgekehrt kann der Betrieb einen Abschlag für das
bebetrieben erhoben. Nicht der Gewerbesteuer unterlie-                  Betriebsgrundstück geltend machen, für Personengesell-
gen vor allem die freien Berufe und die Landwirtschaft.                 schaften gibt es noch einen Freibetrag. Auf den schließ-
Geregelt wird die Erhebung durch das Gewerbesteuerge-                   lich vom Finanzamt festgestellten Gewerbeertrag wird
setz. Den Kommunen ist das Aufkommen nach Art. 106                      eine bundesweit einheitliche Messzahl (0,035) ange-
Abs. 6 des Grundgesetzes zugewiesen. Eine Stärkung hat                  wandt. Das ist dann der Messbetrag, auf den jede Ge-
die Gewerbesteuer dadurch erfahren, dass die Gemein-                    meinde nach der Zerlegung ihren örtlichen Hebesatz an-
den nach Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes einen                         wendet (Schaubild 4). Dieser Hebesatz ist als Von-
Anspruch auf eine wirtschaftsbezogene Steuerquelle mit                  Hundert-Satz (v.H.-Satz) definiert und in der jeweiligen
Hebesatzrecht haben. Das muss zwar nicht die Gewer-                     Haushaltssatzung der Gemeinde festgelegt. Er kann –
besteuer sein, es engt aber die Möglichkeiten deutlich                  zum Beispiel zur Abwehr einer haushaltswirtschaftlichen
ein, die Gewerbesteuer durch eine andere Kommunal-                      Notlage – rückwirkend bis zum 30. Juni des Haushalts-
steuer zu ersetzen.                                                     jahres verändert werden.

                                                                        Bei der Wahl des Hebesatzes ist die Gemeinde frei; aller-
Messbetrag und Hebesatz                                                 dings darf der Satz 200 v.H. nicht unterschreiten, um
                                                                        einen unkontrollierten Steuerwettlauf („race to the bot-
Für die Berechnung der Steuer wird zunächst der Mess-                   tom“) zu vermeiden. Das Produkt aus Messbetrag und
betrag durch die staatliche Finanzverwaltung ermittelt.                 Hebesatz bestimmt dann die vom Steuerpflichtigen zu
Grundlage ist der Gewinn, der sich nach den Vorschriften                zahlende Steuerschuld. Diesen Bescheid erlässt die Ge-
des Einkommen- oder Körperschaftsteuerrechts bemisst.                   meinde.
Allerdings werden die vom Gewerbebetrieb gezahlten
Zinsen nicht in vollem Umfang als Betriebsausgaben be-                  Für die Steuerpflichtigen ergibt sich noch eine Besonder-
rücksichtigt. Diese „Zinsschranke“ beträgt seit dem                     heit: Bei Kapitalgesellschaften ist die Steuerzahlung eine
Konjunkturpaket II von 2009 drei Millionen Euro. Dem so                 endgültige Belastung. Bei natürlichen Personen und Per-
ermittelten Gewerbeertrag werden Dauerschuldzinsen,                     sonengesellschaften hingegen können die Gesellschafter
Mieten, Pachten, Leasingraten und Lizenzgebühren zu                     die gezahlte Gewerbesteuer bis zu einer bestimmten
25 Prozent hinzugerechnet. Mit den Hinzurechnungen                      Höhe von ihren Einkünften aus dem Gewerbebetrieb
soll die Abhängigkeit der Gewerbesteuer von Gewinn-                     wieder abziehen. Ihre Belastung durch die Gewerbe-
schwankungen gemildert werden. Allerdings soll auf die-                 steuer reduziert sich dadurch in vielen Fällen auf Null
se Weise auch das veränderte Finanzierungsverhalten                     (Schaubild 5).

Herausgegeben von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Politische Akademie, KommunalAkademie | Dr. Markus Trömmer |
Redaktionsleitung: Prof. Dr. Gunnar Schwarting | © Friedrich-Ebert-Stiftung 2011 | Godesberger Allee 149 | 53175 Bonn |
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5      Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie                                       GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN

Die Ermittlung der Gewerbesteuer                                                                                            Schaubild 4

                                                                 Ertragsermittlung

                                                               Gewinn nach EStG / KStG
                                                 + Hinzurechnungen Fremdkapitalzinsen u.a. (25 %)
                                                        . /. Abschlag für Betriebsgrundstück
                                                                    [. /. Freibetrag]
                                                              = Summe Gewerbeertrag

                                                                  Messbetrag
                                                     = Summe Gewerbeertrag x Messzahl (0,035)

            Gemeinde A                                            Gemeinde B                                       Gemeinde C
           Zerlegungsanteil                                      Zerlegungsanteil                                 Zerlegungsanteil
           x örtl. Hebesatz                                      x örtl. Hebesatz                                 x örtl. Hebesatz
            = Steuerschuld                                        = Steuerschuld                                   = Steuerschuld

Gewerbesteuer und Steuerbelastung bei natürlichen Personen und Personengesellschaften                                       Schaubild 5

     Art                                                                    Messbetrag 100.000 Euro
     Hebesatz                                   100.000 Euro                            380*                            420
     Gewerbesteuerzahlung                            320.000                         380.000                        420.000
     abzugsfähig                                     320.000                         380.000                        380.000
     Steuerbelastung                                       0                               0                         40.000

*
    Höchststeuersatz für die Abzugsfähigkeit.

Die Gewerbesteuer fällt nicht nur am Hauptsitz des Ge-                      Der Hebesatz als kommunalpolitische
werbebetriebes an. Sie wird auf alle Gemeinden verteilt,                    Entscheidung
in denen sich eine Betriebsstätte befindet. Die sogenann-
te Zerlegung erfolgt in der Regel nach der Höhe der                         Die Entscheidung über die Höhe des Hebesatzes trifft der
Arbeitslöhne. In den vergangenen Jahren hat es aber eine                    Gemeinderat. Dabei muss er einerseits die finanziellen
Reihe von Ausnahmen gegeben. Dazu zählen vor allem                          Erfordernisse der Gemeinde, aber auch die Attraktivität
die Versorgungsunternehmen der Telekommunikations-                          der Gemeinde als Wirtschaftsstandort im Auge behalten.
und Energiewirtschaft, die flächendeckende Netze betrei-                    Tendenziell gilt, dass der Hebesatz mit zunehmender
ben und zahlreiche Anlagen unterhalten, die keine                           Gemeindegröße auch zunimmt. Eine wichtige Rolle spielt
Betriebsstätten sind. In ähnlicher Weise wird zum Beispiel                  aber auch die Höhe des Nivellierungssatzes (siehe Ka-
für Windkraft- oder Fotovoltaikanlagen sowie Mobilfunk-                     pitel 4.7), der für die Bemessung der Steuerkraft im
masten argumentiert. Gerade für kleinere Gemeinden                          Finanzausgleich sowie für die Erhebung von Umlagen
sind solche Ausnahmen von Bedeutung, da sie häufig                          maßgeblich ist.
zwar die Anlagen auf ihrer Gemarkung haben, aber keine
Betriebsstätte mit dort Beschäftigten.
6   Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie                                        GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN

Die Verteilung der Gewerbesteuerhebesätze 2010                                                                            Schaubild 6

                              60

                              50

                              40
                 in Prozent

                              30

                              20

                              10

                              0
                                   < 200   201 – 250 251 – 300 301 – 350 351 – 400 401 – 450                451
                                                                     Hebesatz

Quelle: Statistisches Bundesamt, Realsteuervergleich 2010, Fachserie 14, Reihe 10.1.

Ziemlich genau die Hälfte aller deutschen Gemeinden hat                 wurde. Seit vielen Jahren spielt die Umlage jedoch eine
Gewerbesteuerhebesätze, die sich zwischen 301 und 350                   wichtige Rolle bei der Finanzierung der Deutschen Ein-
v.H. bewegen (Schaubild 6). Angesichts des großen Ge-                   heit. Die Gewerbesteuerumlage wird ebenfalls als v.H.-
wichts der größeren Städte mit hohem Gewerbesteuer-                     Satz des Gewerbesteuermessbetrages bestimmt; ihre
aufkommen liegt der (gewogene) durchschnittliche                        Höhe wird durch Bundesgesetz bestimmt. Dabei hat der
Hebesatz in Deutschland allerdings bei 390 v.H.                         Satz seit der Einführung der Umlage erhebliche Verände-
                                                                        rungen erfahren. Derzeit liegt er bei knapp 70 v.H. in den
Die Gewerbesteuer ist eine sogenannte Veranlagungs-                     alten und bei 35 v.H. in den neuen Bundesländern. Das
steuer. Der Steuerpflichtige leistet Vorauszahlungen. Die               bedeutet, dass eine Gemeinde bei einem eigenen Hebe-
endgültige Steuerschuld kann erst nach Einreichung der                  satz von 350 v.H. im früheren Bundesgebiet zwanzig Pro-
Steuererklärung festgesetzt werden. Das kann zu Nach-                   zent, in den neuen Bundesländern zehn Prozent ihres
zahlungen, aber auch zu Erstattungen an den Steuer-                     Steueraufkommens abführen muss.
pflichtigen führen. Zudem hat der Steuerpflichtige die
Möglichkeit, zum Beispiel bei schlechter Geschäftsent-
wicklung seine Vorauszahlungen nach unten anpassen                      Die Gewerbesteuer in der politischen
zu lassen. Solche Anpassungen, aber auch Nachzah-                       Diskussion
lungen oder Erstattungen, können zu erheblichen Ab-
weichungen vom vorher kalkulierten Steueraufkommen                      Die Gewerbesteuer unterliegt seit jeher allerdings hef-
führen. Die Kalkulation der Gewerbesteuer im Haushalts-                 tiger Kritik. Aus unternehmerischer Sicht wird sie als
plan ist daher mit großen Unsicherheiten behaftet. Es                   Zusatzbelastung des Gewinns angesehen, die es in vielen
empfiehlt sich, eine vorsichtige Schätzung vorzuneh-                    anderen Staaten nicht gebe. Außerdem wird auf die
men.                                                                    starken Schwankungen des Aufkommens verwiesen
                                                                        (Schaubild 7), die die Steuerentwicklung für die Gemein-
Aus ihrem Gewerbesteueraufkommen zahlt die Gemein-                      den unkalkulierbar mache. Schließlich basiere das örtliche
de einen Anteil als Gewerbesteuerumlage an Bund                         Steueraufkommen oft zu einem großen Teil auf den
und Land. Dies resultiert noch aus der Gemeindefinanz-                  Steuerzahlungen einiger weniger Gewerbebetriebe, so
reform von 1969, bei der im Gegenzug die Beteiligung                    dass die Gemeinde vom wirtschaftlichen Schicksal einer
der Gemeinden an der Einkommensteuer eingeführt                         kleinen Anzahl von Betrieben abhängig werde.
7   Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie                                       GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN

Jährliche Veränderungen des Gewerbesteueraufkommens 1998 bis 2010 in Prozent                                                 Schaubild 7

               40

               30

               20

               10

                0

              -10

              -20
                     1998             2000             2002            2004              206             2008            2010

Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 2, vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts, verschiedene
Jahrgänge; eigene Berechnungen.

Diese Kritik ist durchaus gewichtig, sodass es immer wie-               Auch der letzten Kommission, die ihre Arbeit Mitte 2011
der Bestrebungen gegeben hat, die Gewerbesteuer abzu-                   abgeschlossen hat, ist es nicht gelungen, eine Lösung zu
schaffen oder gründlich zu reformieren. Zuletzt ist ein                 finden. Zum einen sehen die Kommunen (und Teile der
weiterer Anlauf mit der Einsetzung einer Gemeinde-                      Wirtschaft) in der Gewerbesteuer auch eine Verknüpfung
finanzkommission im Jahr 2010 unternommen wor-                          zwischen Unternehmen und Gemeinden, die das kom-
den. Wie schon in der Vergangenheit stehen sich dabei                   munale Interesse an der wirtschaftlichen Entwicklung im
zwei Positionen diametral gegenüber:                                    Gemeindegebiet stärkt („Interessenklammer“). Dies wird
                                                                        gerade wieder bei den Diskussionen um den Ausbau er-
• Die Wirtschaft plädiert für eine Abschaffung der Gewer-               neuerbarer Energien und der Ausweisung von Standor-
  besteuer und die Verlagerung des kommunalen Steuer-                   ten mehr als deutlich. Zum anderen würde eine durch-
  aufkommens auf eine lokale Einkommensteuer mit                        greifende Veränderung des gemeindlichen Steuersystems
  einem Hebesatz-/Zuschlagsrecht. Um den Anforderun-                    zu erheblichen Verwerfungen zwischen den Gemeinden
  gen des Grundgesetzes Genüge zu tun, soll es daneben                  führen. Große Steuerverluste zahlreicher Gemeinden, vor
  eine gewisse Form einer Betriebssteuer geben.                         allem im städtischen Bereich, müssten in irgendeiner
                                                                        Form kompensiert werden. Das können die Finanzaus-
• Die Kommunen plädieren für eine Ausweitung des                        gleichssysteme in ihrer bisherigen Form nicht leisten.
  Kreises der Steuerpflichtigen, namentlich der freien
  Berufe, und für eine Stärkung der Elemente bei der
  Berechnung des Steuermessbetrages, die nicht vom
  Gewinn abhängig sind.
GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK

                                   4.2 Grundsteuern und kleine Gemeindesteuern
                                                                                                    Prof. Dr. Gunnar Schwarting

Einführung                                                              nutzten Grundstücke und eine Grundsteuer B für alle
                                                                        übrigen, das heißt für alle bebauten und unbebauten
Die Grundsteuern zählen in vielen Ländern der Welt zu                   Grundstücke. Die Grundsteuer A hat im Laufe der Zeit im-
den traditionellen Gemeindesteuern. Diese Eigenschaft                   mer weiter an Bedeutung verloren; sie stellt lediglich in be-
verdanken sie dem Umstand, dass sie an Grund und                        sonders landwirtschaftlich geprägten Gemeinden noch
Boden und damit an einen eindeutig örtlichen Bezug an-                  eine nennenswerte Finanzierungsquelle dar. Deshalb wird
knüpfen. Allerdings ist ihr Stellenwert innerhalb des kom-              im Weiteren nur auf die Grundsteuer B Bezug genommen.
munalen Finanzsystems sehr unterschiedlich. Während
die Steuer in einigen Staaten die Haupteinnahmequelle
der Kommunen darstellt, macht sie innerhalb der kom-                    Vom Einheitswert zur Steuerschuld
munalen Steuereinnahmen (einschließlich der Steuer-
beteiligungen) im früheren Bundesgebiet nicht zuletzt                   Die Grundsteuer B bemisst sich nach dem Wert des
wegen ihrer statischen Bemessungsgrundlage nur etwa                     Grundstücks. Dieser wird nach den Vorschriften des
15 Prozent aus; in den neuen Bundesländern ist ihr                      Bewertungsgesetzes ermittelt. Das ist der sogenannte
Anteil wegen des geringeren Aufkommens der Gewerbe-                     Einheitswert, der in der Regel nicht dem tatsächlichen
steuer zwar höher, nähert sich allerdings dem westdeut-                 Verkehrswert entspricht. Für bebaute Grundstücke wird –
schen Wert zunehmend an. 2008 lag das Aufkommen                         von wenigen Ausnahmen abgesehen (bei sehr aufwen-
der Grundsteuern in Deutschland bei 11,4 Milliarden                     digen Bauten wird der Sachwert ermittelt) – das Ertrags-
Euro. Die Grundsteuern sind die einzige nennenswerte                    wertverfahren angewandt. Grundlage hierfür ist die Jah-
Gemeindesteuer, die die Bürgerschaft unmittelbar spürt.                 resrohmiete, wie sie zum 1.1.1964 gegolten hat oder
Dies liegt vor allem daran, dass die Grundsteuer B im                   gegolten hätte. In den neuen Bundesländern sind – so-
Mietverhältnis zumeist über die Nebenkosten an die Mie-                 weit noch ermittelbar – die Wertverhältnisse von 1935
ter weitergereicht wird. Dieser Umstand spielt bei De-                  maßgeblich. Der Ertragswert wird mit einem Vervielfäl-
batten um die Höhe der Grundsteuer nicht selten eine                    tiger multipliziert, der sich nach Baujahr, Lage und Be-
wichtige Rolle.                                                         schaffenheit des Objektes richtet. Das Ergebnis ist dann
                                                                        der Einheitswert.
Die Grundsteuern sind wie die Gewerbesteuer eine
Objekt- oder Realsteuer und nach Art. 106 Abs. 6 des                    Der Einheitswert einer Immobilie wird vom Finanzamt
Grundgesetzes ausdrücklich den Gemeinden zugewiesen.                    festgestellt und bleibt bis zu einer neuen Hauptfeststel-
Grundlage der Besteuerung ist das bundeseinheitliche                    lung aller Einheitswerte unverändert, sofern nicht an dem
Grundsteuergesetz. Die Steuer ist differenziert in eine                 betreffenden Objekt wesentliche Veränderungen (zum
Grundsteuer A für alle land- und forstwirtschaftlich ge-                Beispiel ein Ausbau) vorgenommen werden.

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Berechnungsverfahren für die Grundsteuer                                                                          Schaubild 8

                    unbebaute Grundstücke                                              bebaute Grundstücke

                                                         EINHEITSWERT

                                                            Messzahl

                                                   Einheitswert x Messzahl
                                                        = Messbetrag

Der Einheitswert wird – wie bei der Gewerbesteuer – mit            Die Grundsteuer in der politischen Diskussion
einer Messzahl multipliziert, die gleichfalls im Gesetz fest-
gelegt ist. Sie beträgt im früheren Bundesgebiet im                Das seit Langem bestehende grundlegende Problem der
Regelfall 3,5 v.T., für Ein- und Zweifamilienhäuser gelten         Grundsteuer sind die vollkommen veralteten Wertan-
gewisse Ermäßigungen. In den neuen Bundesländern                   sätze. Eigentlich sollte eine Neufeststellung der Einheits-
liegt die Messzahl wegen der erheblich niedrigeren Ein-            werte alle sechs Jahre erfolgen. Tatsächlich aber ist die
heitswerte etwas höher (5 bis 10 v.T.). Das Produkt aus            letzte Hauptfeststellung 1964 erfolgt. Die Werte sind mit
Einheitswert und Messzahl ergibt den Grundsteuer-                  einem Aufschlag von 40 Prozent ab 1974 eingeführt
messbetrag, den das Finanzamt feststellt und der                   worden. Damit hat sich die Schere zwischen den Einheits-
Gemeinde mitteilt (Schaubild 8). Hierauf wendet die Ge-            werten und den Verkehrswerten deutlich erweitert. In
meinde ihren örtlichen Hebesatz an. Daraus ergibt sich             der Regel macht der Einheitswert nur einen Bruchteil des
die vom Grundeigentümer an die Gemeinde zu zahlende                heutigen Verkehrswertes aus. Dieser Sachverhalt war
Grundsteuerschuld. Der Hebesatz wird in der Haushalts-             Anlass, andere Vermögensabgaben, die auch andere Ver-
satzung der Gemeinde festgesetzt. Er kann – dies ist eine          mögensarten erfassen, wie die Vermögen- und die Erb-
Besonderheit wie auch im Rahmen der Gewerbesteuer –                schaftsteuer verfassungsgerichtlich überprüfen zu lassen.
nachträglich bis zum 30 Juni eines Jahres verändert wer-           Während die Vermögensteuer inzwischen nicht mehr
den. Dies könnte zum Beispiel notwendig werden, wenn               erhoben wird, kommt bei der Erbschaftsteuer im Hinblick
anders eine Genehmigung der Haushaltssatzung nicht zu              auf Immobilienbesitz ein anderes Bewertungsverfahren
erreichen wäre.                                                    zur Anwendung.

Im Grundsteuerrecht gibt es einige Befreiungstatbe-                Bei unveränderten Einheitswerten im Bestand erhöht sich
stände, die vor allem öffentliche Einrichtungen betref-            die Bemessungsgrundlage der Steuer daher nur insoweit,
fen. Außergewöhnlich ist, dass im Gesetz selbst Sach-              als neue Einheitswerte im Zuge neuer Bebauung oder
verhalte genannt werden, die unabhängig von den                    baulicher Veränderungen festgesetzt werden bzw.
persönlichen Verhältnissen des Steuerschuldners einen              frühere Grundsteuerbefreiungen auslaufen. Viele Ge-
Anspruch auf (Teil-)Erlass der Steuer begründen. Von die-          meinden verzichten deshalb auch auf einen jährlichen
ser Bestimmung ist in den letzten Jahren in Anbetracht             Bescheid und versenden lediglich Änderungsbescheide.
zum Teil erheblicher Leerstände bei Wohn- und Gewer-               Die Grundsteuerbelastung ist vor diesem Hintergrund
beimmobilien in einigen Regionen vermehrt Gebrauch                 daher – auch bei vergleichsweise hohen Hebesätzen – im
gemacht worden (Erlass wegen Ertragsminderung). Da es              Gegensatz zu anderen (europäischen) Ländern recht ge-
allerdings auch zu missbräuchlicher Anwendung dieser               ring. Sie liegt in der Regel deutlich unter anderen Grund-
Möglichkeit gekommen ist, hat der Gesetzgeber die                  besitzabgaben, wie den Kosten der Abwasserbesei-
Voraussetzungen für einen Erlass 2008 eingeschränkt.               tigung.
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Durchschnittliche Hebesätze der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer                                                        Schaubild 9

  Jahr                                       Grundsteuer B                  Gewerbesteuer                      Relation der
                                                                                                               Hebesätze*
  1961                                             218                             268                              0,81
  1980                                             274                             330                              0,83
  2000                                             353                             384                              0,92
  2010                                             410                             390                              1,05
  Kreisfreie Städte                                481                             441                              1,09
  200.000 – 500.000 Einwohner
  (2010)
  Kreisfreie Städte                                575                             454                              1,27
  > 500.000 Einwohner (2010)

* definiert als Grundsteuerhebesatz: Gewerbesteuerhebesatz
Quelle für 2000 und 2010: Statistisches Bundesamt, Realsteuervergleich 2010; Fachserie 14, Reihe 10.1, eigene Berechnungen.

Nicht zuletzt deshalb haben seit einigen Jahren viele Städ-           flächen mit einem noch festzulegenden Vervielfältiger die
te und Gemeinden die Grundsteuerhebesätze schritt-                    Basis für die Steuererhebung; eine wertorientierte Grund-
weise erhöht. Jahrzehntelang lagen die Grundsteuer-                   steuer beruht auf den Bodenrichtwerten sowie auf einer
hebesätze bei etwa 80 Prozent der für die Gewerbesteuer               vereinfachten Wertermittlung aufstehender Gebäude.
nach Ertrag (und Kapital) maßgeblichen Sätze. Dazu tru-               Schließlich gibt es noch eine Kombination beider Lösun-
gen auch sogenannte Kopplungsvorschriften der Länder                  gen. Im Jahr 2012 sollen Probeberechnungen für die Aus-
bei, die eine Relation zwischen beiden Hebesätzen ver-                wirkungen und die Handhabbarkeit der Modelle erfol-
langten. Mittlerweile aber übersteigt gerade in den groß-             gen. Vor dem Jahr 2013 ist daher mit weiteren gesetz-
en Städten der Grundsteuer- den Gewerbesteuerhebe-                    geberischen Schritten nicht zu rechnen.
satz nicht unwesentlich (Schaubild 9).

Die Grundsteuer ist im Prinzip eine durchaus gute Kom-                Die kleinen Gemeindesteuern
munalsteuer. Sie bietet aufgrund ihrer Stetigkeit in vieler
Hinsicht eine bessere Planbarkeit als die Gewerbesteuer.              Zu den sogenannten kleinen Gemeindesteuern oder Baga-
Sie hat einen eindeutig örtlichen Bezug und ihr Aufkom-               tellsteuern zählen derzeit insbesondere folgende Steuern:
men ist außerordentlich stetig; gleichzeitig ist sie aber             • Hundesteuer,
auch recht statisch, da die Bemessungsgrundlagen der                  • Vergnügungssteuer,
Grundsteuer weitgehend unverändert bleiben. Schließ-                  • Jagd- und Fischereisteuer,
lich bietet die Grundsteuer über das Hebesatzrecht die                • Zweitwohnungsteuer,
Möglichkeit, das Aufkommen in kommunaler Selbstver-                   • Kulturförderabgabe.
antwortung zu gestalten. Deshalb hat die Grundsteuer
durchaus zu Recht ihren Platz im kommunalen Steuer-                   Diese Steuern sind – auch wenn ihr Aufkommen sehr be-
system. Sie bedarf allerdings dringend einer Reform. Das              grenzt ist – Ausdruck des gemeindlichen Steuerfin-
gilt vor allem für das Bewertungsverfahren, das inzwi-                dungsrechts. Danach können die Gemeinden – sofern
schen in dieser Form nur noch für die Grundsteuer gilt.               nicht durch den Landesgesetzgeber (wie in Bayern) ein-
                                                                      geschränkt – Steuern einführen, soweit sie nicht einer
Seit Jahren gibt es Überlegungen zur Reform des Bewer-                bereits bestehenden Steuer gleichartig sind. Von dieser
tungsverfahrens. In der Diskussion sind verschiedene                  Möglichkeit haben die Gemeinden in den vergangenen
Ansätze. Dabei lassen sich flächen- und wertmäßige                    Jahrzehnten mit mehr oder weniger Erfolg auch Ge-
Lösungen unterscheiden. Bei einer auf Flächen bezoge-                 brauch gemacht. Gesetzliche Grundlage sind die Kom-
nen Grundsteuer bilden die Grundstücks- und Gebäude-                  munalabgabengesetze oder Spezialgesetze der Länder.
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Zu den traditionellen Gemeindesteuern zählt die Hunde-      Mit der Zweitwohnungsteuer sollen diejenigen Ein-
steuer, die für das Halten eines Hundes erhoben wird.       wohner zur gemeindlichen Finanzierung herangezogen
Sie ist ein fester Betrag und für jeden Hund gleich. Bei    werden, die als Bürger einer anderen Gemeinde gleich-
zwei und mehr Hunden wird in der Regel ein höherer          wohl die Infrastruktur ihres Zweitwohnsitzes nutzen. Be-
Betrag pro Hund gefordert. Eine Besonderheit ist die so-    messungsgrundlage ist in der Regel der Mietwert des
genannte „Kampfhundesteuer“. Für als gefährlich klas-       Zweitwohnsitzes. Streng genommen steht bei dieser Ab-
sifizierte Hunde erheben viele Gemeinden einen deutlich     gabe das Aufkommen aber nicht im Vordergrund. Viel-
höheren Steuerbetrag. Die Vergnügungssteuer wird            mehr sollen Inhaber von Zweitwohnsitzen motiviert wer-
vor allem von Betreibern von Spielautomaten erhoben;        den, diesen in einen Erstwohnsitz umzumelden. Dadurch
maßgeblich ist das Einspielergebnis. Nach jahrelangen       würde die Gemeinde im Finanzausgleich und bei der Ver-
Rechtsstreitigkeiten scheint sich diese Praxis nunmehr zu   teilung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer
festigen. In jüngster Zeit wird auch diskutiert, andere     profitieren. Die Kulturförderabgabe schließlich ist eine
Formen der Vergnügung in die Steuerpflicht einzube-         ganz neue Entwicklung; sie wird als fester Betrag von
ziehen.                                                     Übernachtungsgästen erhoben, ist insoweit einer Kurtaxe
                                                            nicht ganz unähnlich. Damit ist sie vom Fremdenver-
                                                            kehrsbeitrag zu unterscheiden.
GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK

                                                                                     4.3 Steuerbeteiligungen
                                                                                                    Prof. Dr. Gunnar Schwarting

Seit 1969 sind die Gemeinden an der staatlichen Einkom-                 Gemeinden vornimmt. Damit soll verhindert werden,
mensteuer, seit 1998 an der staatlichen Umsatzsteuer                    dass Gemeinden mit einer besonders einkommensstar-
beteiligt. Mit der Einkommensteuerbeteiligung sollte die                ken Bevölkerung vergleichsweise hohe Steuererträge er-
starke Schwankung des Gewerbesteueraufkommens ab-                       zielen, während sich Gemeinden in strukturschwachen
gemildert werden, indem im Gegenzug Teile der Gewerbe-                  Regionen dagegen mit einem sehr niedrigen Aufkom-
steuer als Umlage an Bund und Land abzuführen waren.                    men begnügen müssen.
Der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer sollte die Verluste
ausgleichen, die den Gemeinden durch die Abschaffung                    Von der Steuerleistung der in einer Gemeinde wohn-
der bis dahin geltenden Gewerbekapitalsteuer entstanden.                haften Steuerzahler wird nur die auf die ersten 30.000
                                                                        Euro (bzw. 60.000 Euro bei Verheirateten, die zusam-
                                                                        menveranlagt werden) entfallende Steuerzahlung be-
Der Gemeindeanteil an der Einkommesteuer                                rücksichtigt, um den Schlüssel zu berechnen (Kappungs-
                                                                        grenze). Sie wird am 2012 auf 35.000 / 70.000 Euro
Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer wird län-                     angehoben. Steuerzahlungen oberhalb dieser Grenze
derweise berechnet. Aus dem Aufkommen, das im Land                      bleiben bei der Berechnung des Schlüssels unberücksich-
erzielt wird, erhalten die Gemeinden 15 Prozent der ver-                tigt. Damit soll eine zu starke Differenz des Aufkommens
bleibende Teil wird dann hälftig zwischen Bund und Land                 zwischen den Gemeinden vermieden werden. Der Anteil
geteilt. Für die weitere Verteilung wird ein Schlüssel                  der Gemeinde an dem Aufkommen bis zur Kappungs-
berechnet, der nicht das tatsächliche örtliche Aufkom-                  grenze bildet die Schlüsselzahl, die dann auf den
men erfasst, sondern eine gewisse Nivellierung unter den                gesamten Landesanteil angewandt wird (Schaubild 10).

Berechnung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer für die einzelne Gemeinde                                              Schaubild 10

                                                                                                 Örtliches Aufkommen in Relation zum
                                                                                               Landesaufkommen an Lohn- und Einkom-
                                                                                                  mensteuer bis zur Kappungsgrenze

     Landesaufkommen der Lohn- und
         Einkommensteuer x 0,15                                                                      Örtlicher Anteil = Schlüsselzahl
    = Gesamter Gemeindeanteil im Land

                                                 Aufkommen aus dem Gemeindeanteil an
                                                  der Einkommensteuer in der Gemeinde

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Anpassung im Turnus                                                      wird, tritt das Problem der unterschiedlichen Steuerkraft
                                                                         zwischen den Ländern hinzu, so dass sich Stärken und
Das jährliche Aufkommen aus dem Gemeindeanteil                           Schwächen noch einmal auseinanderentwickeln können.
ändert sich zunächst je nach der Entwicklung der Lohn-                   (Schaubild 11)
und Einkommensteuer. Galt diese zunächst als relativ ste-
tig und wachsend, hat sich das in den vergangenen Jah-
ren geändert. Die Lohn- und Einkommensteuer unterliegt                   Ersatz für die Gewerbesteuer?
(auch wegen zahlreicher Änderungen des Steuerrechts)
nicht unerheblichen Schwankungen, wenngleich sie meist                   Die Einkommensteuer ist immer wieder im Rahmen von
geringer ausfallen als bei der Gewerbesteuer. Darüber                    Reformdiskussionen über das gemeindliche Steuersystem
hinaus findet alle drei Jahre ein gesonderter Anpas-                     als Alternative zur Gewerbesteuer ins Feld geführt wor-
sungsprozess statt. Die Schlüsselzahlen werden nach der                  den. Eine gewichtige Rolle spielt dabei die Tatsache, dass
letzten verfügbaren Steuerstatistik neu berechnet, das ist               gemeindliche Einkommensteuern in verschiedenen Vari-
derzeit die Statistik des Jahres 2007, die für die Jahre 2012            anten international nicht unüblich sind. Soweit die
bis 2014 maßgeblich sein wird. In dem Zusammenhang ist                   Gemeinde eigene Steuersätze erhebt, kann damit eine
auch stets zu entscheiden, ob die Kappungsgrenze jeweils                 Verbindung zwischen kommunalen Leistungen und
verändert – bislang immer: erhöht – werden soll.                         Steuerzahlung für die Bürgerschaft sichtbar hergestellt
                                                                         werden. Abgesehen von einer Reihe technischer Schwie-
Die Anpassung der Schlüsselzahlen alle drei Jahre kann                   rigkeiten sind es vor allem zwei Probleme, die dabei gese-
die kommunale Finanzsituation erheblich beeinflussen.                    hen werden:
Zu den Gewinnern zählen in der Regel prosperierende                      • Eine echte Gemeindeeinkommensteuer kann nicht
Umlandgemeinden in den Ballungsräumen; die Verlierer                         mehr einfach nivellierend (wie bisher durch die Kap-
sind in der Regel in den strukturschwachen und stark                         pungsgrenze) ausgestaltet werden. Die Steuerkraft-
ländlich geprägten Gebieten zu finden. Da der Gemein-                        unterschiede zwischen den Gemeinden würden daher
deanteil an der Einkommensteuer länderweise berechnet                        beträchtlich steigen.

Abweichungen des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer zwischen den Bundesländern                                      Schaubild 11

                          400

                          350

                          300

                          250
          Euro je Einw.

                          200

                          150

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                                                                  de
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Quelle: Statistisches Bundesamt, Realsteuervergleich 2010, Fachserie 14, Reihe 10.1.
14   Friedrich-Ebert-Stiftung | KommunalAkademie                        GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK: KOMMUNALE FINANZEN

• Gemeinden mit hohen Einkommensteuerleistungen             Eine Besonderheit war eine Vorwegaufteilung zwischen
  könnten es sich leisten, niedrigere Steuersätze zu ver-   dem früheren Bundesgebiet und den neuen Ländern im
  langen, so dass sie weiter an Attraktivität gewinnen      Verhältnis 85 : 15. Danach waren im früheren Bundes-
  und neue Einwohner anziehen können.                       gebiet das Aufkommen der früheren Gewerbekapital-
                                                            steuer, der Gewerbesteuer sowie die Zahl der sozialversi-
Zudem ist zu beachten, dass es zwischen Gewerbe- und        cherungspflichtig Beschäftigten maßgeblich, in den neuen
Wohnstandorten zu erheblichen Verschiebungen des            Bundesländern nur die beiden letzten Indikatoren. Bis
Steueraufkommens kommen kann, die der Finanzaus-            2018 wird nun schrittweise auf einen neuen Schlüssel
gleich der Länder nicht kompensieren und nur sehr be-       umgestellt, wonach künftig
grenzt mildern kann.                                        • das Gewerbesteueraufkommen zu 25 Prozent,
                                                            • die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäf-
                                                                tigten (ohne öffentlichen Dienst im engeren Sinne) zu
Der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer                          50 Prozent,
                                                            • die Summe der sozialversicherungspflichtigen Ent-
Seit 1998 sind die Gemeinden an der zweiten großen              gelte (ohne öffentlichen Dienst im engeren Sinne) zu
Steuer, der Umsatzsteuer, beteiligt. Die Gemeinden erhal-       25 Prozent
ten 2,07 Prozent des Gesamtaufkommens als Vorwegab-         maßgeblich sind. Bis dahin gibt es eine Mischung aus
zug; erst danach erfolgt die Verteilung zwischen Bund       dem alten und dem neuen Schlüssel. Wie beim Gemein-
und Ländern. Darin unterscheidet sich der Umsatzsteuer-     deanteil an der Einkommensteuer soll der Schlüssel wie-
anteil vom Gemeindeanteil an der Einkommensteuer. Die       derum alle drei Jahre angepasst werden.
Verteilung des Anteils auf die einzelnen Gemeinden ge-
staltete sich schwierig, da das örtliche Aufkommen we-      In den Diskussionen um eine Reform des Gemeindesteu-
gen der Besonderheiten des Versandhandels oder der          ersystems ist bisweilen auch die Idee einer lokalen Um-
Einfuhrumsatzsteuer nicht in Betracht kommt. Bis zur Fin-   satzsteuer eingebracht worden. Eine vergleichbare Steuer
dung eines neuen Schlüssels wurde daher eine Über-          besteht in den USA. Wegen der möglichen Verlagerungen
gangslösung gewählt, die bis 2008 Gültigkeit besaß.         von Einkaufsströmen, aber auch erheblicher adminis-
                                                            trativer Schwierigkeiten, spielt der Vorschlag derzeit kei-
                                                            ne Rolle mehr.
GRUNDWISSEN KOMMUNALPOLITIK

                                                                                                             4.4 Gebühren
                                                                                                    Prof. Dr. Gunnar Schwarting

Einführung                                                              Verwaltungs- und Benutzungsgebühren

Gebühren zählen zusammen mit den Beiträgen zu den                       Grundsätzlich zu unterscheiden sind Verwaltungsge-
speziellen Entgelten. Beides sind öffentlich-rechtliche                 bühren (zu denen haushaltsrechtlich auch Ordnungs-
Abgaben; dies gilt auch, wenn die Kommune einen Drit-                   gelder zählen) auf der einen und Benutzungsgebühren
ten mit der Durchführung beauftragt. Sie bedürfen – so-                 auf der anderen Seite. Verwaltungsgebühren werden für
fern nicht anderweitig gesetzlich geregelt – einer kom-                 Amtshandlungen, zum Beispiel die Ausstellung eines
munalen Satzung. Spezielle Entgelte nehmen haus-                        Reisepasses, Benutzungsgebühren für die Inanspruch-
haltsrechtlich nach den Grundsätzen der Finanzmit-                      nahme einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage erho-
telbeschaffung eine Vorrangstellung vor Steuern und                     ben. An die Stelle von Benutzungsgebühren können bei
Krediten ein. Von den Steuern unterscheiden sie sich                    kulturellen, sportlichen oder sozialen Einrichtungen auch
dadurch, dass ihnen eine konkrete Leistung der Kom-                     privatrechtliche (Eintritts-)Preise treten.
mune gegenübersteht. Während Gebühren laufend er-
hoben werden, sind Beiträge (in der Regel) einmalige                    Während die Höhe von Verwaltungsgebühren vielfach
Abgaben, die mit der kommunalen Investitionstätigkeit                   durch bundes- oder landesrechtliche Vorschriften vorge-
verknüpft sind.                                                         geben ist (bisweilen auch nur als Gebührenrahmen), ent-
                                                                        scheidet die Kommune über die Höhe von Benutzungs-
Grundlage für die Gebührenerhebung sind die Kommu-                      gebühren in eigener Verantwortung. Von den Ver-
nalabgabengesetze der Länder. In welchem Umfang                         waltungsgebühren seien unter anderem die Gebühren im
Gebühren erhoben werden liegt jedoch im Ermessen der                    Meldewesen, Gebühren im Baugenehmigungsverfahren
Kommune, sofern keine besonderen gesetzlichen Rege-                     oder bei der Kfz-Zulassung genannt. Trotz der oft hohen
lungen bestehen; dabei hat sie allerdings die Rangfolge                 Fallzahlen ist der Finanzierungsbeitrag von Verwaltungs-
der Finanzmittelbeschaffung zu beachten. Ein Verzicht                   gebühren zum kommunalen Haushalt von begrenzter
auf eine Gebührenerhöhung, der zu einer höheren Steu-                   Bedeutung.
erbelastung führen würde, ist daher sehr kritisch zu be-
urteilen. Insofern hat sich im Laufe der Zeit eine im We-               Haushaltswirtschaftlich spielen die Benutzungsgebüh-
sentlichen gleichartige Praxis der Gebührentatbestände                  ren eine dominierende Rolle; hierunter sind vor allem die
herausgebildet. Im Gegensatz zu den Steuern stellen                     Gebühren für die Abwasser- und Abfallentsorgung her-
Gebühren im Übrigen eine wichtige Finanzierungsquelle                   vorzuheben. Darüber hinaus haben Gebühren für die
auch der Landkreise dar.                                                Straßenreinigung, Märkte oder die Friedhofsnutzung
                                                                        einiges Gewicht. Auch die Elternbeiträge für die Nutzung
                                                                        von Kindertageseinrichtungen stellen – insoweit falsch
                                                                        bezeichnet – Gebühren dar.

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Prinzipien der Gebührenerhebung                                Unterschiedliche Beurteilungen ergeben sich in erster
                                                               Linie daraus, dass für manche Anlagen und Einrichtungen
Für die Gebührenerhebung sind verschiedene Prinzipien          ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, für
maßgeblich. Sie müssen                                         andere hingegen nicht. Ist ein Anschluss- und Benut-
• vertretbar und geboten sein,                                 zungszwang (wie im Fall der Abwasser- und der Abfall-
• möglichst kostendeckend festgesetzt werden und               beseitigung) gegeben, so ist eine kostendeckende Ge-
• ein angemessenes Verhältnis zwischen der kommu-              bühr im Regelfall möglich. In allen anderen Fällen können
   nalen Leistung und der Gebührenhöhe wahren.                 die Einwohner über die Nutzung frei entscheiden; für sie
                                                               ist dann ihre Zahlungsbereitschaft maßgeblich.
Am einfachsten zu erläutern ist das Kostendeckungs-
prinzip. Es besagt, dass die für eine Leistung notwen-         Während der Kostendeckungsgrundsatz auf das gesamte
digen Kosten durch das Gebührenaufkommen gedeckt               Gebührenaufkommen abzielt, bezieht sich das Äquiva-
werden sollen. Das bedeutet zum einen ein Gewinnerzie-         lenzprinzip auf die Leistung für den einzelnen Gebüh-
lungsverbot. Gebührenhaushalte dürfen keine (dauer-            renzahler. Die gezahlte Gebühr und die empfangene Leis-
haften) planmäßigen Überschüsse für den allgemeinen            tung dürfen nicht in einem offenkundigen Missverhältnis
Haushalt erwirtschaften; kurzfristige und geringfügige         zueinander stehen. Das bedeutet zwar keine Berechnung
Schwankungen, die zu Über- oder Unterdeckungen füh-            für jeden Einzelfall, engt aber den Spielraum insbesondere
ren, sind hingegen unproblematisch. Zum Zweiten sind           für lenkende Gebühren ein. Denn Gebührendifferen-
die Kosten auf das notwendige Ausmaß zu begrenzen.             zierungen aus zum Beispiel ökologischen Gründen ste-
Die Vorhaltung großer Leerkapazitäten – wie dies im Be-        hen mit der konkreten Leistung nicht in ursächlichem
reich der Abwasserbeseitigung bisweilen der Fall war –         Zusammenhang. Wenn die Kommune lenkend eingreifen
oder Kosten, die mit der Leistungserbringung nicht in          will, kann sie dies nur über Anreize – zum Beispiel Gebüh-
Zusammenhang stehen (strittig ist zum Beispiel der Anteil      rennachlässe – machen, die aber aus dem allgemeinen
der Kosten der politischen Führung der Kommune) – kön-         Haushalt aufzubringen sind. Auch Gebühren, die ver-
nen dem Gebührenzahler nicht in Rechnung gestellt wer-         schiedene Leistungen zusammenfassen, auch wenn diese
den. Zudem gilt auch bei der Gebührenerhebung der              differenziert genutzt werden, können das Äquivalenz-
allgemeine haushaltsrechtliche Grundsatz der Sparsam-          prinzip verletzen. So ist beispielsweise im Friedhofswesen
keit und Wirtschaftlichkeit. Darüber hinaus kann es erfor-     eine Differenzierung der Gebühr nach Bestattungsarten
derlich sein, bestimmte Kosten (zum Beispiel für die           im Allgemeinen geboten.
Straßenentwässerung) als gemeindlichen Anteil auszu-
weisen, der bei der Gebührenberechnung in Abzug zu
bringen ist.                                                   Kostenrechnung als Grundlage

Schwieriger verhält es sich mit den Begriffen „vertretbar      Zur Bemessung der Gebührenhöhe bedarf es zunächst
und geboten“. Sie zielen darauf ab, dass nicht in jedem        einer präzisen Kostenrechnung. Sie muss qualitativ so
Fall die Erhebung einer kostendeckenden Gebühr den             ausgestaltet sein, dass die Kommune nötigenfalls auch in
Abgabepflichtigen zuzumuten bzw. wirtschaftlich sinn-          einem Rechtsstreit transparent aufzeigen kann, wie sie zu
voll ist. So werden aus sozial- oder kulturpolitischen         der Festsetzung der Gebühr gelangt ist (Schaubild 12).
Gründen nicht-kostendeckende Gebühren in Kinder-               Das war im kameralistischen Haushalt nicht ganz einfach,
tageseinrichtungen oder in Büchereien erhoben. Kosten-         da die notwendigen Informationen – insbesondere zu
deckende Gebühren würden für viele potenzielle Nutzer          den Abschreibungen – dem kommunalen Rechnungswe-
prohibitiv wirken, während eine möglichst intensive            sen nicht direkt entnommen werden konnten und als kal-
Nutzung derartiger Einrichtungen jedoch gerade das Ziel        kulatorische Positionen geführt wurden. Nicht zuletzt aus
ist. Prohibitiven Charakter hätten auch kostende-              diesem Grund hatten in der Vergangenheit viele Kommu-
ckende Eintrittspreise für Schwimmbäder oder Theater.          nen die größeren Gebührenhaushalte, namentlich die
Sofern der Bestand solcher Einrichtungen nicht infrage         Abwasser- und die Abfallbeseitigung (in Rheinland-Pfalz
gestellt wird, gilt es, die Gebühren oder Preise bestenfalls   sogar verpflichtend) aus dem Haushalt herausgelöst und
so festzusetzen, dass der maximal mögliche Ertrag erzielt      nach den Vorschriften des Eigenbetriebsrechts bzw. sogar
wird.                                                          als separaten Eigenbetrieb geführt.
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Gebührenberechnung – vereinfachte Darstellung                                                                         Schaubild 12

                 Leistung A                                        G                                     Leistung B
        direkte Kosten der Leistung A                                                           direkte Kosten der Leistung B

                                                             Gemeinkosten

            Anteil Gemeinkosten                                                                     Anteil Gemeinkosten

        abzüglich gemeindlicher Anteil                                                          abzüglich gemeindlicher Anteil

       berücksichtigungsfähige Kosten                                                          berücksichtigungsfähige Kosten
      berücksichtigungsfähige Kosten / Σ                                                      berücksichtigungsfähige Kosten / Σ
             Leistungseinheiten*                                                                     Leistungseinheiten*
         = Gebühr je Leistungseinheit                                                            = Gebühr je Leistungseinheit

* Definiert nach dem jeweils angewandten Maßstab, z. B. in m³ Frischwasserbezug.

Mit dem Übergang zur Doppik im Kommunalhaushalt ist                    Für die Abfallbeseitigung ist hingegen eine weit größere
zwar prinzipiell die Ableitung von Kosten für die Gebüh-               Zahl an Maßstäben zu beobachten. Der früher rein auf
renkalkulation einfacher, dennoch können (je nach Lan-                 die Behältergröße abstellende Maßstab ist angesichts der
desrecht) haushalts- und gebührenrechtliche Kosten von-                sehr differenzierten Sammelsysteme unter anderem durch
einander abweichen, so dass dann Korrekturen erfo-                     Personen- und versuchsweise auch durch Gewichtsmaß-
rderlich werden. Hinzu kommt, dass derzeit für den                     stäbe ergänzt worden. Hinzu treten Sonderregelungen
Kernhaushalt nur in wenigen Fällen eine flächendeckende                für die Häufigkeit der Abfuhr, die Eigenkompostierung
Kosten- und Leistungsrechnung besteht, aus der die Ge-                 und anderes mehr. Dagegen dominiert bei der Straßen-
meinkosten, die auf den Gebührenhaushalt entfallen, zu                 reinigung nach wie vor der Frontmetermaßstab; aller-
ersehen sind. Die Ermittlung und Verteilung dieser Ge-                 dings ist diese Gebühr wegen der sehr differenzierten
meinkosten geschieht deshalb in der Regel noch in ge-                  Siedlungsstrukturen und -gegebenheiten bezogen auf
sonderten Rechnungen.                                                  das Gebührenaufkommen sehr streitanfällig.

Gebührenmaßstäbe                                                       Weitere Aspekte

Sind die Gesamtkosten – gegebenenfalls auf einzelne                    Bei der Gebührenbemessung sind anderweitige Leis-
Leistungsbereiche bezogen – ermittelt, ist ein Gebühren-               tungen der Abgabepflichtigen zu berücksichtigen. So ist
maßstab zu wählen, um die Kosten auf die einzelnen Nut-                es im Rahmen der Abwasserbeseitigung nicht unüblich,
zer umzulegen. Dabei soll der Maßstab nach Möglichkeit                 für den Anschluss an die Kanalisation einen einmaligen
die Wirklichkeit widerspiegeln. So wäre für die Abwasser-              Beitrag zu erheben. Die durch Beiträge erbrachte Finan-
beseitigung die tatsächlich in die Kanalisation eingeleitete           zierung ist bei der Kostenermittlung in Abzug zu bringen.
Abwassermenge, gewichtet nach ihrem Verschmutzungs-                    Damit hat die Kommune die Möglichkeit, die laufenden
grad, ein wünschenswerter Maßstab, für den jedoch die                  Gebühren geringer zu halten. Die Entscheidung über die
notwendigen Daten nicht vorliegen. Daher wird durch-                   Beitragserhebung und -höhe kann jedoch nur einmal
gängig die bezogene und messbare Wassermenge zu-                       erfolgen. Eine laufende Veränderung zwischen Beiträgen
grunde gelegt (Frischwassermaßstab), da unterstellt wird,              und Gebühren ist nicht möglich. Ein zweiter Fall betrifft
dass bezogenes Wasser auch wieder zurückgeführt wird                   die Straßenreinigung: Hier ist es häufige Praxis, bei nicht
(Wahrscheinlichkeitsmaßstab). Das schließt Abzugsmen-                  stark frequentierten Straßen die Reinigung auf die An-
gen für die Bewässerung zum Beispiel für Gartenflächen                 lieger zu übertragen. Das gilt folgerichtig dann auch für
allerdings nicht aus. Vielfach wird auch noch ein Flächen-             den Winterdienst. Für diese Grundstücke ist dementspre-
maßstab für versiegelte Flächen angewandt, von denen                   chend keine Straßenreinigungsgebühr zu erheben.
das Regenwasser unmittelbar in die Kanalisation gelangt.
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