UNIV.-PROF. DR. WOLFGANG KRÖLL, PLL. M, MA P. MME MEDIZINISCHE UNIVERSITÄT GRAZ
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UNIV.-PROF. DR. WOLFGANG KRÖLL, PLL. M, MA P. MME MEDIZINISCHE UNIVERSITÄT GRAZ
GRUNDBEGRIFFE Bürgerliches Recht o Gleichrangiges Verhältnis der Rechtssubjekte o Ausgleich des Nachteils, der dem Patienten zugefügt worden ist o Grundlage: Behandlungsvertrag o Streitigkeiten vor öffentlichen Gerichten Strafrecht o Sanktionierung des Täterverhaltens o Grundlage: Sorgfaltsmaßstab o Objektiv: Gesetze, Standard, „Maßstabfigur“ in der Situation des Täters o Unterordnung des Einzelnen gegenüber dem Staat o Streitigkeiten vor öffentlichen Gerichten 27. Mai 2021 2
DER BEHANDLUNGSVERTRAG • Rechte des Arztes Honoraranspruch R auf Information R auf Beendigung der Behandlung • Pflichten des Arztes Behandlungspflicht Sorgfaltspflicht Aufklärungs-, Informationspflicht P zur Führung schriftlicher Aufzeichnungen Schweigepflicht Ärztliche Anzeigepflicht P zur beruflichen Weiterbildung 27. Mai 2021 3
DER BEHANDLUNGSVERTRAG Rechte des Patienten o Anspruch auf ärztliche Leistung o R auf Selbstbestimmung o R auf Information o R auf Vertraulichkeit Pflichten des Patienten o Zahlungspflicht o Informationsobliegenheit o Duldungsobliegenheit o Schadenminderungspflicht 27. Mai 2021 4
SORGFALTSMASSTAB • Verhalten der „Modellfigur“ eines einsichtigen und besonnenen Menschen aus dem Verkehrskreis des Täters in der konkreten Situation. • Standard (definiert von den medizinischen Wissenschaften) • Verpflichtung zur regelmäßigen Fortbildung: §§ 40 (3) ÄrzteG, 49 (1) • Wäre ein anderer als der Täter in der konkreten Situation fähig, bzw. wäre es ihm zumutbar gewesen, den objektiven Sorgfaltsanforderungen zu genügen? 27. Mai 2021 5
STANDARD Standard in der Medizin „repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat“. Erst die Kombination von wissenschaftlicher Erkenntnis, ärztlicher Erfahrung und der professionellen Akzeptanz führen zum Standard und geben dem Arzt eine Orientierungshilfe für sein Handeln. 27. Mai 2021 6
ART UND WEISE DER AUFKLÄRUNG Wer muss aufklären? Der behandelnde Arzt, Arbeitsteilung möglich Wen muss der Arzt aufklären? Den entscheidungsfähigen Patienten Den Erwachsenenvertreter, Vorsorgebevollmächtigten Den mj Patient und evtl. dessen Obsorgeberechtigten Wann ist aufzuklären? Rechtzeitig vor Beginn der Behandlung Wie ist aufzuklären? Arzt – Patientengespräch + Dokumentation Worüber ist aufzuklären? Aufklärung ist umgekehrt proportional zur Dringlichkeit des Eingriffs Wirtschaftliche Aspekte der Behandlung Wieweit ist aufzuklären? Soweit, dass der Patient die Tragweite der Entscheidung abschätzen kann 27. Mai 2021 7
RECHTSGRUNDSÄTZE DER AUFKLÄRUNG Umfang der A nach den jeweiligen Umständen Ziel der A: Tragweite des Eingriffs muss überschaubar sein A muss auf den Zustand des Patienten Bedacht nehmen A über typische Risiken A über seltene Risiken, wenn für Willensbildung erforderlich Überspannung der A ist zu vermeiden A in Abhängigkeit von der Dringlichkeit des Eingriffs A über alternative Methoden A muss auch für Arzt überschaubar sein 27. Mai 2021 8
DAS TYPISCHE RISIKO • Die Typizität eines Risikos ergibt sich nicht aus der Komplikationshäufigkeit, sondern daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist und den nicht informierten Patienten überrascht. • Als eingriffstypische Risiken werden jene definiert, die mit der konkreten beabsichtigten Behandlung, d. h. nicht etwa generell mit jeder medizinischen Behandlung, einhergehen, deren Kenntnis beim medizinischen Laien nicht vorausgesetzt werden kann, die jedoch für die Entscheidung des Patienten von Bedeutung sein können. • Das Risiko muss allerdings stets von einiger Erheblichkeit und dadurch geeignet sein, die Entscheidung des Patienten zu beeinflussen (OGH 25. 1. 1994, 1 Ob 532/94; OGH 30. 1. 1996, 4 Ob 505/96) 27. Mai 2021 9
ZEITPUNKT DER AUFKLÄRUNG Leitet sich aus dem Zweck der Aufklärung ab Zeitpunkt der Selbstbestimmungsaufklärung Zeitpunkt der Sicherungsaufklärung Aufklärungsgespräch „deutlich abgesetzt“ vom Eingriff Vortagsaufklärung vs. Aufklärung am Vorabend Normaler Eingriff vs. schwerwiegender Eingriff Angemessene Überlegungsfrist, um in Ruhe und ohne Druck eine Entscheidung treffen zu können „Angemessen“: Dauer der Überlegungsfrist ist abhängig von Umständen des Einzelfalles, Dringlichkeit der ärztlichen Behandlung, Schwere der Behandlung 27. Mai 2021 10
ZEITPUNKT DER SELBSTBESTIMMUNGSAUFKLÄRUNG • 2 Stunden vor der geplanten Behandlung: zu spät • Am Vorabend der Operation: rechtzeitig • 2 Wochen vor der OP: erforderlich (ÄsthOPG) 27. Mai 2021 11
ZEITPUNKT DER AUFKLÄRUNG • Bei ambulanten Eingriffen genügt eine Aufklärung am Operationstag, sofern dem Patienten die Entscheidung überlassen bleibt, ob er den Eingriff durchführen lassen will. Bei einer ambulant durchgeführten Coloskopie ist die Aufklärung auch dann noch rechtzeitig, wenn sie erst erfolgt, nacdem der Patient die zur Vorbereitung erforderlichen medikamentöse Darmreinigung bereits abgeschlossen hat. OLG Dresden, Beschl vom 16. 3. 2020 27. Mai 2021 12
PROBLEME BEI DER AUFKLÄRUNG Individuelle Lernbereitschaft und Lernfähigkeit Persönliche Betroffenheit Komplizierte Sachverhalt Entscheidungsnotstände Beeinträchtigung der zerebralen Leistungsfähigkeit Gefahr der Ausuferung Auswirkung der Judikatur (Arzt, Patient, Gesellschaft) 27. Mai 2021 13
ENTSCHEIDUNGSFÄHIGKEIT „Entscheidungsfähig ist, wer die Bedeutung und die Folgen seines Handelns im jeweiligen Zusammenhang verstehen, seinen Willen danach bestimmen und sich entsprechend verhalten kann. Dies wird im Zweifel bei Volljährigen vermutet“ (§ 24 Abs. 2 ABGB). 27. Mai 2021 14
TEILNAHME AM RECHTSVERKEHR „Im rechtlichen Verkehr ist dafür Sorge zu tragen, dass volljährige Personen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt sind, möglichst selbständig, erforderlichenfalls mit entsprechender Unterstützung, ihre Angelegenheiten selbst besorgen können“ § 239 Abs. 1 ABGB). 27. Mai 2021 15
DIE VIER SÄULEN DES ERWACHSENENSCHUTZRECHTS Vorsorgevollmacht Gewählter Erwachsenenvertreter Gesetzlicher Erwachsenenvertreter Gerichtlicher Erwachsenenvertreter 27. Mai 2021 16
GEWÄHLTER ERWACHSENENVERTRETER „Soweit eine volljährige Person ihre Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht für sich selbst besorgen kann, dafür keinen Vertreter hat und eine Vorsorgevollmacht nicht mehr errichten kann, aber noch fähig ist, die Bedeutung und Folgen einer Bevollmächtigung in Grundzügen zu verstehen, ihren Willen danach zu bestimmen und sich entsprechend zu verhalten, kann sie eine oder mehrere ihr nahe stehende Personen als Erwachsenenvertreter zur Besorgung dieser Angelegenheiten auswählen“ (§ 264 ABGB) 27. Mai 20210 17
GESETZLICHER ERWACHSENENVERTRETER „Eine volljährige Person kann in den in § 269 angeführten Angelegenheiten von einem oder mehreren nächsten Angehörigen vertreten werden: Voraussetzung: 1. beeinträchtigte Entscheidungsfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung, 2. es gibt keinen Vertreter, 3. die Person kann oder will einen solchen nicht mehr wählen, 4. der gesetzlichen Erwachsenenvertretung nicht vorab widersprochen wurde und die im ÖZVV registriert ist“ (§ 268 Abs. 1 ABGB) 27. Mai 20210 18
GESETZLICHER ERWACHSENENVERTRETER „Nächste Angehörige sind: Eltern und Großeltern, volljährige Kinder und Enkelkinder, Geschwister, Nichten und Neffen der volljährigen Person, Ehegatte, eingetragener Partner, Lebensgefährte, wenn dieser mit ihr mindestens drei Jahre im gemeinsamen Haushalt lebt, ein von der volljährigen Person in einer Erwachsenenvertreter-Verfügung bezeichneten Person“ (§ 268 Abs. 2 ABGB) 27. Mai 20210 19
GERICHTLICHER ERWACHSENENVERTRETER „Einer volljährigen Person ist vom Gericht auf ihren Antrag oder von Amts wegen insoweit ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter zu bestellen, als (1) sie bestimmte Angelegenheiten nicht für sich selbst besorgen kann, (2) sie dafür keinen Vertreter hat, (3) sie einen solchen nicht wählen kann oder will, (4) eine gesetzliche Erwachsenenvertretung nicht in Betracht kommt“ (§ 271 ABGB) „Ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter darf nur für einzelne oder Arten von gegenwärtig zu besorgenden und bestimmt zu bezeichnenden Angelegenheiten bestellt werden. Nach Erledigung der übertragenen Angelegenheit ist die gerichtliche Erwachsenenvertretung einzuschränken oder zu beenden“ (§ 272 ABGB). 27. Mai 20210 20
MEDIZINISCHE BEHANDLUNG ENTSCHEIDUNGSFÄHIGER PATIENT „In eine medizinische Behandlung kann eine volljährige Person, soweit sie entscheidungsfähig ist, nur selbst einwilligen. Eine medizinische Behandlung ist eine von einem Arzt oder auf seine Anordnung hin vorgenommene diagnostische, therapeutische, rehabilitative, krankheitsvorbeugende oder geburtshilfliche Maßnahme. Auf diagnostische, therapeutische …………. Maßnahmen von Angehörigen anderer gesetzlich geregelter Gesundheitsberufe sind die §§ 252 – 254 sinngemäß anzuwenden“ (§ 252 Abs. 1 ABGB) „Hält ein Arzt eine volljährige Person für nicht entscheidungsfähig, so hat er sich nachweislich um Beiziehung von Angehörigen etc. und im Umgang mit solchen schwierigen Lebenslagen besonders geübten Fachleuten zu bemühen, die die volljährige Person unterstützen können, ihre Entscheidungsfähigkeit zu erlangen. Soweit sie aber zu erkennen gibt, dass sie mit der Beiziehung nicht einverstanden ist, so hat dies der Arzt zu unterlassen“ (§ 252 Abs. 2 ABGB). „Kann durch die Unterstützung die Entscheidungsfähigkeit hergestellt werden, so ist ihre Einwilligung in die Behandlung ausreichend“ (§ 252 Abs. 3 ABGB). 21 27. Mai 20210
MEDIZINISCHE BEHANDLUNG NICHT ENTSCHEIDUNGSFÄHIGER PATIENT „Eine medizinische Behandlung an einer volljährigen Person, die nicht entscheidungsfähig ist, bedarf der Zustimmung ihres Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreters, dessen Wirkungsbereich diese Angelegenheit umfasst. Er hat sich dabei vom Willen der vertretenen Person leiten zu lassen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass diese eine medizinisch indizierte Behandlung wünscht“ (§ 253 Abs. 1 ABGB). „Der Grund und die Bedeutung der medizinischen Behandlung sind auch einer nicht entscheidungsfähigen Person zu erläutern“ (§ 253 Abs. 2 ABGB) Hat die im Behandlungszeitpunkt nicht entscheidungsfähige Person die medizinische Behandlung in einer verbindlichen Patientenverfügung angelehnt und gibt es keine Hinweise auf die Unwirksamkeit der PatV, so muss die Behandlung ohne Befassung eines Vertreters unterbleiben (§ 253 Abs. 4 ABGB) 27. Mai 20210 22
MEDIZINISCHE BEHANDLUNG NICHT ENTSCHEIDUNGSFÄHIGER PATIENT „Gibt eine nicht entscheidungsfähige Person ihrem Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreter oder dem Arzt gegenüber zu erkennen, dass sie die medizinische Behandlung oder deren Fortsetzung ablehnt, so bedarf die Zustimmung des Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreters zur Behandlung der Genehmigung durch das Gericht“ (§ 254 Abs. 1 ABGB) 27. Mai 20210 23
COVID-19 UND BERUFSRECHT • Ausnahmen vom Arztvorbehalt • Ausnahmen von der Sonderfachbeschränkung • Möglichkeit der Heranziehung von Ärzten, bei denen nicht alle Voraussetzungen für die Berufsausübung vorliegen • Aussetzung der Aus-, Fort- und Weiterbildung 27. Mai 2021 24
ASSISTIERTER SUIZID DAS URTEIL DES 2. SENATS VOM 26. 2. 2020 • Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG) umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben • Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen. Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt ein Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren. • Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen. 27.05.2021 25
VERFASSUNGSGERICHTSHOF G 139/2019-71 11. DEZEMBER 2020 • 1. Die Wortfolge "oder ihm dazu Hilfe leistet," in § 78 des Bundesgesetzes vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), BGBl. Nr. 60/1974, wird als verfassungswidrig aufgehoben. • 2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2021 in Kraft. 26 27.05.2021
LEGALISIERUNG VON ÄRZTLICH ASSISTIERTEM SUIZID UND STERBEHILFE HANDLUNGSOPTIONEN VON ÄRZTEN UND PFLEGERN Denkbare Handlungsoptionen Zurückweisung des Wunsches taktvolles Untersagen Ausgabe von Medikamenten, die den Tod beschleunigen direkte Hilfestellung beim Sterben Umgang mit solchen Wünschen dem Patienten ausreichend Aufmerksamkeit widmen bewusste Kommunikation zum Sterbewunsch Angebot einer palliativmedizinischen Behandlung 27.05.2021 27
Danke für Ihre Aufmerksamkeit 27. Mai 2021 28
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