Unter der Lupe Versteckte Schätze der Alpen - CIPRA

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Unter der Lupe Versteckte Schätze der Alpen - CIPRA
DEUTSCHE AUSGABE ISSN 2305-9834

DAS THEMENHEFT DER CIPRA                                                NR. 108 / 2021

                Unter der Lupe
                           Versteckte Schätze der Alpen
Unter der Lupe Versteckte Schätze der Alpen - CIPRA
SZENEALPEN                 10 8 / 2 0 21                                                                                                                                  I N H A LT                                                                                                                                                  EDITORIAL                                                                                                                      SZENEALPEN                  10 8 / 2 0 21

Editorial Seite 3                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Schaan/LI, im August 2021
                                                                                                               Vom Bodenschatz zum
Das Gesicht der Alpen
Flora Mammana Seite 4
                                                                                                                     Wissensschatz                                                                                                                                                                                                     Liebe Leserin, lieber Leser
Unter der Lupe
Vom Bodenschatz zum Wissensschatz
Welche Güter und Ressourcen die Alpen bergen Seite 5

                                                                                                                                                                                        Fotos: Bartek Naprawa / istockphoto (Titelfoto), Hans Braxmeier / Pixabay (S. 2 oben), Carlos Blanchard (S. 2 unten), Darko Todorovic (S. 3)
Elementar und gefährdet
Organismen, die den Zustand der Natur anzeigen Seite 8

«Solarenergie ermöglicht, bedarfsorientiert zu arbeiten»
Fünf Fragen an Olivier Verdeil Seite 10

Wem Davos gehört
Essay von Julia Niemann Seite 11
                                                                                                                                                                     S05                                                                                                                                                               Was ist die «Ur-Ressource» der Alpen? Gibt es einen bestimmenden
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Faktor für die Existenz so verschiedener alpiner Dinge und Gege-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Vermutlich nur weil er am Steilhang so arg ins Schnaufen kam, wurde
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              einst Ötzi von seinem Widersacher eingeholt und von dessen Pfeil
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       benheiten wie Edelweiss und Sprachenvielfalt, Skitourismus und La-                     erwischt. Und erst dank den Eigenheiten der Vergletscherung im
Panorama                                                                                                                              Heribert Insam                                                                                                                                                                                   winengefahr oder Staumauern und Lastwagenkolonnen? Oder für                            hochalpinen Gelände geriet er zur Mumie und blieb bis ins 20. Jahr-
Sechs Menschen und ihre persönlichen Ressourcen Seite 12
                                                                                                                                        im Gespräch                                                                                                                                                                                    Tod und Wiederkehr von Ötzi, dem alpinen Ureinwohner schlecht-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       hin? Es gibt eine simple Antwort: Die Berge natürlich! So weit, so
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              hundert erhalten. Man könnte noch tiefer graben: Damit das Gefälle
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              eine dominante Rolle im alpinen Dasein spielen kann, braucht es die
«Wir leben in einer Mikrobenwelt»                                                                                                                                                                                                                                                                                                      klar, doch was ist die entscheidende Ressource eines Berges prä-                       Schwerkraft. Doch diese prägt das irdische Leben insgesamt, nicht
Im Gespräch mit Heribert Insam Seite 14                                                                                                                                                                                                                                                                                                zise? Welche genuine Eigenschaft führt dazu, dass eine sibirische                      nur in den Alpen. Also bleibt’s dabei? Ist die Steigung die entschei-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Pflanze im hochalpinen Raum lebt, Menschen auf Brettern lustvoll                       dende alpine «Ur-Ressource»? Was insofern speziell wäre, als dass
Das bergsteigende Klassenzimmer                                                                                                                                                                                                                                                                                                        die Hänge runterrutschen, alle paar Kilometer eine andere Sprache                      sie für uns Menschen eine Erschwernis ist. Ein Hindernis wurde zum
Was Jugendliche in der Alpinen Schule lernen Seite 17                                                                                                                                                                                                                                                                                  sprechen oder Gletscherwasser in Stauseen gesammelt wird? Wie-                         Innovationstreiber, dessen Überwindung zum Erfolgsfaktor. In der
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       so ist Ötzi tot und doch zu uns zurückgekehrt?                                         deutschsprachigen Schweiz gibt es eine treffliche Redewendung
Es wäre eigentlich alles da                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Mir scheint, es ist das Gefälle. Erst durch die alpine Höhe blieben                    dafür: «Am Berg stehen». Wer sinnbildlich am Berg steht, hat eine
Welche Ressource Liechtenstein wirklich braucht Seite 18                                                                                                                                                                                                                                                                               die speziellen klimatischen Bedingungen für das Edelweiss im Al-                       grosse Herausforderung vor sich. Wer sie bewältigt, wird erfolg-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       penraum bestehen. Im europäischen Flachland starben sie nach                           reich. Auf solch eine steile Tour zu den versteckten Schätzen der
Seitenblick Wirkungsvoller über Klimaschutz sprechen                                                                                                                                                                                                                                                                                   der Eiszeit aus. Erst durch die Hangneigung werden Skifahren und                       Alpen also nehmen wir Sie in dieser Ausgabe von SzeneAlpen mit.
Persönlich, dringend, nah: Erkenntnisse aus der Psychologie Seite 20                                                                                                                                                                                                                                                                   Lawinen möglich, aber auch das Fortkommen aller Art von Fahrzeu-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       gen in engen Tälern erschwert. Erst die steile Zerklüftung der Alpen                   Eine gefällige Lektüre wünscht,

                                                                                                                                                                      S14
Dies & Das Seite 22 Punkt Seite 23 Vorschau Seite 24                                                                                                                                                                                                                                                                                   machte den Erhalt der Vielsprachigkeit auf engem geografischen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Raum möglich. In der Luftlinie liegt München von Frankfurt am Main                     Kaspar Schuler
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       gleich weit entfernt wie von Verona.                                                   Geschäftsführer CIPRA International

D I E C I P R A , E I N E V I E L FÄ LT I G E                                              Erscheint periodisch in deutscher, französischer, italienischer und slowenischer Sprache.                                                                                                                                                   C I P R A I N T E R N AT I O N A L                     CIPRA Deutschland                                        CIPRA Slowenien
U N D V I E L G E S TA LT I G E O R G A N I S AT I O N                                     Ein Nachdruck der Beiträge in diesem Heft ist auf Anfrage und unter Quellenangabe                                                                                                                                                           Kirchstrasse 5, LI-9494 Schaan                         Am Rindermarkt 3–4, D-80331 München                      Društvo za varstvo Alp, Trubarjeva cesta 50, SI-1000 Ljubljana
Die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA ist eine nichtstaatliche Dachorganisation   gestattet. Belegexemplar erwünscht.                                                                                                                                                                                                         Tel.: +423 237 53 53 E-Mail: international@cipra.org   Tel.: +49 89 23 23 98 40 E-Mail: deutschland@cipra.org   Tel.: +386 59 071 322 E-Mail: slovenija@cipra.org
mit Vertretungen in allen sieben Alpenländern, die über 100 Verbände und Organisationen                                                                                                                                                                                                                                                Web: www.cipra.org                                     Web: www.cipra.de                                        Web: www.cipra.org/sl
vertritt. Sie arbeitet für eine nachhaltige Entwicklung in den Alpen und setzt sich        Abonnements: SzeneAlpen kann kostenlos bezogen werden bei CIPRA International:
für die Erhaltung des Natur- und Kulturerbes, der regionalen Vielfalt und für Lösungen     international@cipra.org oder www.cipra.org/szenealpen.                                                                                                                                                                                                                                             CIPRA Frankreich                                         REGIONALE VERTRETUNG
grenz­überschreitender Probleme im Alpenraum ein.                                                                                                                                                                                                                                                                                      N AT I O N A L E V E R T R E T U N G E N               5, Place Bir Hakeim, F-3800 Grenoble
                                                                                           SzeneAlpen wird von CIPRA International mit freundlicher Unterstützung des Bundesminis­-                                                                                                                                                                                                           Tel.: +33 476 42 87 06 E-Mail: france@cipra.org          CIPRA Südtirol / Alto Adige
                                                                                           teriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, des Landes Liechtenstein und der                                                                                                                                                   CIPRA Österreich                                       Web: www.cipra.org/fr                                    c/o Dachv. für Natur- und Umweltschutz,
                                                                                           Aage V. Jensen Charity Foundation herausgegeben. Wir freuen uns über jeden zusätzlichen                                                                                                                                                     c/o Umweltdachverband, Strozzigasse 10/8– 9,                                                                    Kornplatz 10, I-39100 Bozen
                                                                                           Beitrag unter IBAN LI43 0880 5502 2047 8024 0, BIC VPBVLI2X (Schweizer Franken)                                                                                                                                                             A-1080 Wien                                            CIPRA Liechtenstein                                      Tel.: +39 0471 97 37 00 E-Mail: info@umwelt.bz.it
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Herausgeberin: CIPRA International Redaktion: Michael Gams (verantwortlich), Veronika                                                                                                                                                                                                                                                  Web: www.cipra.org/at                                  Tel.: +423 232 52 62 E-Mail: liechtenstein@cipra.org
Hribernik, Maya Mathias Mitwirkende: Serena Arduino, Caroline Begle, Kristina Bogner,                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Web: www.cipra.org/li                                    Förderndes Mitglied
Toni Büchel, Bernard Debarbieux, Bianca Elzenbaumer, Michael Gams, Veronika Hribernik,                                                                                                                                                                                                                                                 CIPRA Schweiz                                                                                                   Niederländischer Kletter- und
Maya Mathias, Julia Niemann, Matej Ogrin, Kaspar Schuler, Delphine Ségalen, Barbara                                                                                                                                                                                                                                                    Schwengiweg 25, CH-4438 Langenbruck BL                 CIPRA Italien                                            Bergsteigerverband (NKBV)
Wülser Übersetzungen: Marie Billet, Marianne Maier, Nataša Leskovic Uršič, Reinhold                                                                                                                                                                                                                                                    Tel.: +41 62 390 16 91 E-Mail: schweiz@cipra.org       c/o Pro Natura, Via Pastrengo 13, I-10128 Torino         Houttuinlaan 16A, NL-3447 GM Woerden
Ferrari Korrektorat: Émilie Choupin, Nina Pirc, Francesco Pastorelli, Caroline Begle                                       Aage V. Jensen                                                                                                                                                                                              Web: www.cipra.ch                                      Tel.: +39 011 54 86 26 E-Mail: italia@cipra.org          Tel.: +31 34 84 09 521 E-Mail: info@nkbv.nl
Layout: Jenni Kuck Druck: Buchdruckerei Lustenau/A Gesamtauflage: 12’600 Stück                                             Charity Foundation/LI                                                                                                                                                                                                                                              Web: www.cipra.org/it                                    Web: https://nkbv.nl

2                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                3
Unter der Lupe Versteckte Schätze der Alpen - CIPRA
SZENEALPEN           10 8 / 2 0 21                                                                        DAS GESICHT DER ALPEN                                                                          UNTER DER LUPE                                                                SZENEALPEN   10 8 / 2 0 21

                                                                                                                                                                                                                      Vom Bodenschatz
                                  Die soziale Bäckerin
                                Flora Mammana knetet Teig und macht Beziehungen sichtbar:
                                Mit ihrem mobilen Brotbackofen reist sie durch das italienische
                                                                                                                                                                                                                     zum Wissensschatz
                                        Vallagarina-Tal und bringt Ideen zum Sprudeln.
                                                                                                                                                                                                                      Biologische und kulturelle Vielfalt, Solidarität, innovative Ideen, Ausdauer,
                                                                                                                                                                                                                   Dialogbereitschaft und vieles mehr: Die Alpen bergen einen unglaublichen Schatz
                                                                                                                                                                                                                         an Ressourcen. Viele davon sind nicht auf den ersten Blick als solche
                                                                                                                                                                                                                                  erkennbar – hier lohnt es sich, genauer hinzusehen.

Ein mit bunten Wimpeln                                                                                            Zusammenhänge zu er-
und einem Brotbackofen                                                                                            kunden und sich mit dem
bestücktes Lastenfahrrad                                                                                          Umfeld zu vernetzen. «Wir
rollt um die Ecke. Flora                                                                                          wollten    eine    Aufmerk-
Mammana,      eine    junge                                                                                       samkeit für ökonomisch-
Frau mit Kurzhaarschnitt,                                                                                         ökologische Verwebungen
sitzt im Sattel und lächelt.                                                                                      kultivieren – aber auf eine
Mit dem «Forno Vagabon-                                                                                           Art, die für viele zugäng-
do» veranstaltet sie in und                                                                                       lich ist – nicht nur für die,
um Rovereto/I Brotback-                                                                                           die sich schon mit diesen
kurse, um «wünschenswerte Zukünfte zu kneten». Flora spricht            Themen beschäftigen oder sensibilisiert sind.» Deshalb arbeitet
über «wilde Fermentation», die sie als Metapher für sozialen und        Forno Vagabondo beispielsweise mit einer Kräuterexpertin oder ei-
kulturellen Wandel sieht. Dabei ist Flora gar keine gelernte Bäcke-     ner Puppenspielerin zusammen. Das Mehl kommt von regionalen
rin. Als in Bayern aufgewachsene Tochter eines Sizilianers und ei-      Landwirt:innen, so entstand auch eine lokale Einkaufsgruppe für
ner Allgäuerin absolvierte sie eine Schneiderausbildung, lebte fünf     den Direktvertrieb.
Jahre in Berlin und studierte Textilingenieurswesen. Ein Praktikum      «Wir versuchen, durch das Brotbacken mit den Menschen ins Ge-
brachte sie nach Jakarta, Indonesien. Die ökologischen Auswirkun-       spräch zu kommen», sagt Flora. Anfangs war sie unsicher, ob die
gen der Massenproduktion stimmten sie nachdenklich. «Wir haben          Idee auch tatsächlich angenommen wird, denn der Brotbackofen
die Beziehung zu vielen alltäglichen Dingen verloren und betrach-       durfte während der Corona-Pandemie nicht an stark frequentierten
ten sie als stumpfe Ware – nicht als etwas, das auch mit unserem        Orten Halt machen. «Ich dachte, da kommt ja niemand, der gan-
Leben zusammenhängt.» Das Wort «Ressourcen» verwendet Flora             ze Aufwand ist umsonst.» Doch die Menschen freuten sich über
ungern, weil es suggeriere, «dass die Welt eine Quelle von Rohstof-     den unerwarteten Besuch. «Die sagten: Wieso kommt ihr denn jetzt
fen ist, die wir nutzen und ausschöpfen können.»                        genau hier zu uns mit einem Ofen? Und wir dürfen mit euch Brot
Flora kehrte nach Deutschland zurück, ein Freund schenkte ihr           backen? Wie cool ist das denn! Es ist eine gute Art, mit Leuten in
eine Sauerteigkultur zum Brotbacken. «Ich entdeckte, dass das ein       Kontakt zu kommen, die sonst nie mit solchen Themen in Berüh-
Lebewesen ist, das man nähren muss und nicht vollständig kon­           rung kommen.» Der mobile Backofen animiert zur Diskussion: über
trollieren kann: Die Mikroben, das Klima, die Hände beim Teig kne-      gesunde und regionale Ernährung oder Bio- und Mikrobiodiversität,
ten – alles hat Einfluss.» Sie begann an der Universität für bildende   über Kreislaufwirtschaft oder Landschaftspflege – und über nach-
Künste in Braunschweig, Transformationsdesign zu studieren. Der         haltige Mobilität. Flora betrachtet die vielfältigen, oftmals unsicht-
                                                                                                                                                                                                                                                                          Nicht alle Schätze
                                                                                                                                                                         Foto: Hans Braxmeier / Pixabay

Sauerteig begleitete sie auch zum Auslandssemester nach Bozen,          baren Beziehungen, die zu unserem Lebensunterhalt beitragen, als
                                                                                                                                                                                                                                                                            der Alpen sind
wo sie heute lebt. Gemeinsam mit dem soziokulturellen Verein «La        Schätze der Alpen. «Teil der Reise des Forno Vagabondo durch das
                                                                                                                                                                                                                                                                         materieller Natur wie
                                                                                                                                                  Foto: Matteo Pra Mio

Foresta» erkundete sie die Gegend um Rovereto. Daraus sprudel-          Vallagarina-Tal war es, eine Aufmerksamkeit für diese wimmelnden
                                                                                                                                                                                                                                                                          dieser Bergkristall.
te kollektiv die Idee eines mobilen Backofens, der «wie ein Alien       Beziehungen zu schaffen.» 
durchs Tal reist, aber auch anregend wirkt.» Er sollte sichtbar ma-
chen, was hinter dem Brot als Lebensmittel steckt. Die Idee war,        Michael Gams, CIPRA International

4                                                                                                                                                                                                                                                                                                                5
Unter der Lupe Versteckte Schätze der Alpen - CIPRA
SZENEALPEN         10 8 / 2 0 21                                                                                                                                                                                                    UNTER DER LUPE                                                                                       SZENEALPEN          10 8 / 2 0 21

                                             Seilschaft und

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              «
                                                 Teamgeist:
                                            Sie stehen sinn­
                                                 bildlich für
                                               die Werte im
                                         Alpinismus, einem
                                              immateriellen

                                     «
                                            Weltkulturerbe.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Ökosystemleistungen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    sind im Grunde alle Vorteile,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    die wir aus der ausser­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    gewöhnlichen, aber wenig
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    bekannten Arbeit der Natur
                                       Eine Ressource existiert                         Grundlage für den heutigen Wintertouris-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    ziehen.» Vanda Bonardo
                                       immer nur dann, wenn                             mus. Aufgrund seiner zerstörerischen Kraft
                                       es ein soziales Bedürfnis                        in Form von Lawinen galt er einst nicht als
                                       gibt, das mit ihr verbunden                      Ressource, sondern als Gefahr. Zur Res-
                                                                                        source wurde er erst gegen Ende des 19.
                                       wird.» Bernard Debarbieux
                                                                                        Jahrhunderts, weil sich die Sicht darauf                                                                                                     Saubere Luft und reines Wasser: Feuchtgebiete liefern
                                                                                        dramatisch verändert habe, wie Bernard                                                                                                       wertvolle Ökosystemleistungen.
                                                                                        Debarbieux, Kulturgeograph und Mitglied
                                                                                        im CIPRA Sounding Board, erklärt: «Eine
KULTURGEOGRAPH                                                                          Ressource existiert nie von selbst. Sie exis-
DER ALPEN                                Richtig eingesetzt gibt es in den Alpen al-    tiert immer nur dann, wenn es ein soziales                                                                                                   Ähnliches gelte für den «Umgang mit Lawi-       um die für das Leben auf der Erde unver-
                                         les, was es für ein gutes Leben braucht: Ob    Bedürfnis gibt, das mit ihr verbunden ist.»                                                                                                  nengefahr» in der Schweiz und in Österreich,    zichtbaren biologischen Funktionen zu ge-
Bernard Debarbieux ist Professor         es das Mehl zum Brotbacken ist (S. 4), die     Nicht immer lässt sich dabei eine scharfe                                                                                                    welchen die Unesco 2018 als immaterielles       währleisten. «Wir haben nicht viele Daten
für Politische und Kulturelle Geo-       Wasserquelle beim Wandern (S. 8 – 9) oder      Trennlinie ziehen. Seit Dezember 2019 bei-                                                                                                   Weltkulturerbe anerkannte. «Einerseits auf-     über die alpinen Böden», stellt Bonardo
graphie und für Städtische und           die mit Sonnenenergie versorgte Berghüt-       spielsweise listet die Unesco «Alpinismus»                                                                                                   grund der entwickelten Traditionen und          fest, «aber wir wissen aus Schätzungen der
Regionale Raumplanung an der             te (S. 10). Manche dieser Ressourcen sind      als immaterielles Weltkulturerbe. Alpenver-                                                                                                  Techniken, die Bergdörfer vor Lawinen           FAO (Welternährungsorganisation), dass ein       KÄMPFERIN FÜR
Universität Genf/CH. Er beschäftigt      erneuerbar, andere nicht. Zu den nicht er-     eine aus Frankreich, der Schweiz und Ita-                                                                                                    schützen, andererseits aufgrund neuer, na-      Drittel aller Böden der Welt derzeit irrepa-     DIE UMWELT
sich mit der Produktion von geogra-      neuerbaren natürlichen Ressourcen zählen       lien hatten eine gemeinsame Bewerbung                                                                                                        tionaler Lawinen-Forschungszentren. Heute       rabel geschädigt ist – durch Versiegelung,
fischem Wissen, Raumplanung und          beispielsweise Bodenschätze, deren Abbau       eingereicht, andere alpine Länder waren im                                                                                                   ist das also auch ein Kulturerbe und wird als   Versauerung, Versalzung und Verschmut-           Vanda Bonardo setzt sich seit ihrer
Umweltpolitik. Seine Forschungen         in Bergwerken einst eine tragende Rolle in     Vorfeld miteinbezogen worden. Debarbieux                                                                                                     eine wichtige Art von Wissen angesehen.»        zung sowie durch beschleunigte Erosion           Jugend für den Umweltschutz ein.
konzentrieren sich auf Gebirgsregio-     den Alpen spielte. Als erneuerbar gelten       war Vorsitzender des wissenschaftlichen                                                                                                                                                      und andere Phänomene, die aus dem Kli-           Sie hat einen Abschluss in Natur-
nen, die er auf regionaler, nationa-     nachwachsende Ressourcen wie Wälder            Komittees, das den Bewerbungsprozess                                                                                                         DIE NATUR ALS                                   mawandel resultieren.»                           wissenschaften und ist langjährig
ler und globaler Ebene untersucht.       oder Fische – doch auch sie erschöpfen         begleitete. Er wurde Zeuge der wachsen-                                                                                                      DIENSTLEISTERIN?                                Die Wissenschaft gliedert Ökosystemleis-         aktiv in der italienischen Natur- und
Er ist Mitglied im Sounding Board        sich, sobald mehr verbraucht wird, als sich    den Bedeutung des Alpinismus. «Nicht nur                                                                                                     Als Ressource oft übersehen werden Öko-         tungen entsprechend ihrer unterschied-           Umweltschutzorganisation Legam-
                                                                                                                                        Fotos: Dieter Meyrl / iStockphoto (S. 6 oben), Nacho Grez (S. 6 unten), Kogovšek_T. (S. 7)

von CIPRA, das die Vernetzung und        erneuert (S. 18 – 19). Mit dem freien Auge     als Sport oder als körperliche Betätigung,                                                                                                   systemleistungen. Dazu zählen Dinge wie         lichen Funktionen in vier Bereiche: be-          biente. Als Präsidentin von Legam-
die Rolle der CIPRA als Vordenkerin      nicht sichtbare Ressourcen tragen ebenso       sondern auch aufgrund der symbolischen                                                                                                       saubere Luft, Nahrung, Bestäubung von           reitstellende, regulierende, kulturelle und      biente der Regionen Piemont und
nachhaltiger Entwicklung im Alpen-       ihren Teil zum Leben in den Alpen bei: Von     Bedeutung und der Geschichte des Alpinis-                                                                                                    Pflanzen, schöne Landschaften, Photo-           unterstützende Leistungen. Doch kann             Aostatal von 1995 bis 2011 hat sie
raum stärkt und ihre Positionierung      den   Mikroben im Gletschereis (S. 14 – 16)    mus, sowie den damit verbundenen sozialen                                                                                                    synthese, Kohlenstoffbindung und -spei-         man die Natur tatsächlich auf die Rolle ei-      den Naturschutz in Nordwestitalien
schärft.                                 bis hin zu alpinen Wissensschätzen, die        Werten.» Tourismus und Sportindustrie ver-                                                                                                   cherung oder Holz. «Ökosystemleistungen         ner Dienstleisterin reduzieren und diese in      über ein Jahrzehnt geprägt. 2010
                                         eine Generation der nächsten weitergibt        suchen zum Teil, Alpinismus für sich zu ver-                                                                                                 sind im Grunde alle Vorteile, die wir aus der   Geldwerten messen? «In der Tat müssen            bis 2012 sass sie im Nationalen
                                         (S. 17). Jede Person trägt auch persönliche    einnahmen, Konkurrenz- und Wettkampf-                                                                                                        aussergewöhnlichen, aber wenig bekann-          wir uns vor den Risiken einer Kommerzia-         Rat für Bildung. Derzeit ist sie bei
                                         Ressourcen in sich: Ihr Wissen, ihre Bezie-    denken greifen auch unter Alpinist:innen um                                                                                                  ten Arbeit der Natur ziehen», erklärt Vanda     lisierung der Natur in Acht nehmen. Aber         Legambiente zuständig für die Al-
                                         hungen, ihre Fertigkeiten, Haltungen, Bega-    sich. Die Definition der Unesco grenzt sich                                                                                                  Bonardo, Naturwissenschaftlerin und Prä-        damit haben wir endlich ein starkes Werk-        penregionen. 2020 wurde Vanda
                                         bungen und vieles mehr (S. 12 – 13).           davon ab und betont vor allem alpinistische                                                                                                  sidentin von CIPRA Italien. Als weitere Bei-    zeug, um die Entwicklung aus der Sicht           Bonardo zur Präsidentin von CIPRA
                                                                                        Werte des Miteinanders und des verant-                                                                                                       spiele nennt sie Torfmoore und Wälder, die      der Ökosysteme zu interpretieren statt           Italien gewählt.
                                         MATERIELL ODER                                 wortungsvollen Umgangs mit der Natur. Da-                                                                                                    vor Hochwasser schützen und das Wasser          ausschliesslich aus der ökonomischen.
                                         IMMATERIELL?                                   bei gehe es nicht um den Schutz, sondern                                                                                                     reinigen. Wichtige Leistungen erbringt auch     Wir werden lernen müssen, es optimal zu
                                         Ressourcen werden in immaterielle und ma-      um die Bewahrung, wie Debarbieux meint.                                                                                                      der Boden unter unseren Füssen. In die-         nutzen.» 
                                         terielle Güter unterschieden. Materielle Gü-   «Schutz ist es, die Dinge so zu erhalten, wie                                                                                                ser verhältnismässig dünnen Schicht der
                                         ter können aber auch immaterielle Aspekte      sie sind. Bewahrung bedeutet, eine gewisse                                                                                                   Erdoberfläche wirken Erde, Gestein, Atmo-       Michael Gams
                                         enthalten. Schnee beispielsweise bildet die    Veränderung zu ermöglichen.»                                                                                                                 sphäre und biologisches Leben zusammen,         CIPRA International

6                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         7
Unter der Lupe Versteckte Schätze der Alpen - CIPRA
SZENEALPEN         10 8 / 2 0 21                                                                                                                                                                                                   UNTER DER LUPE                                                                           SZENEALPEN         10 8 / 2 0 21

                                                                                             Alpenweit verbreitet:                                                                                                                  WALD:
                                                                                             Die Trompetenflechte                                                                                                                   VOM LEBEN IM TOTEN HOLZ
                                                                                             (Cladonia fimbriata) wächst
                                                                                                                                                                                                                                    Ein leuchtend hellblauer Körper, Flügel mit schwarz-weiss umrande-
                                                                                             am liebsten auf morschem
                                                                                                                                                                                                                                    ten Flecken, wenige Zentimeter gross: Der Alpenbockkäfer ist selten
                                                                                             Holz, Moos oder an der
                                                                                                                                                                                                                                    schön – und ganz schön selten. Gerade erst aus dem alten Buchen-
                                                                                             Basis von Baumstämmen.
                                                                                                                                                                                                                                    holz am Waldboden geschlüpft, krabbelt er über abgebrochene
                                                                                                                                                                                                                                    Äste, morsche Stämme, umgefallene Bäume. Was für manche nach
                                                                                                                                                                                                                                    schlechter Waldbewirtschaftung aussieht, bietet den kleinen Tieren                               WASSERKRAFT
                                                                                                                                                                                                                                    wichtige Lebensräume. Ein klimaresistenter, gesunder und vor al-                                 IM ALPENRAUM
                                                                                                                                                                                                                                    lem artenreicher Wald bietet viele davon. Kronentotholz, Epiphyten,
                                                                                                                                                                                                                                    Höhlen: Es sind meist kleine Anomalien oder Alterserscheinungen           Wieviel Wasserkraftnutzung ist umweltver-
                                                                                                                                                                                                                                    an den Bäumen, die so genannte Mikrohabitate bilden. Beim Schutz          träglich und ökologisch tragbar? Diese Fra-
                                                                                                                                                                                                                                    der Biodiversität in Wirtschaftswäldern geht es daher vorrangig um        ge bewegt die Menschen im Alpenraum seit
                                                                      WASSER:
                                                                                                                                                                                                                                    den Erhalt solcher Strukturen. Denn es sind vor allem tote Bäume,         Jahrzehnten – umso mehr vor dem Hinter-
                                                                      VON KREBSEN UND PARTIKELN
                                                                                                                                                                                                                                    die deutlich mehr Mikrohabitate aufweisen als lebende.                    grund der dringend gebotenen Abkehr von
                                                                      Sie sind fingernagelgrosse Indikatoren für Wasserqualität: Bach-                                                                                              Der Alpenbockkäfer benötigt alte, grosse Buchen als Lebensraum            fossilen Energieträgern. Zurzeit sind in Eu-
                                                                      flohkrebse. Zu Tausenden tummeln sie sich in klaren, kühlen Berg-                                                                                             für seine Larven. Gerade in diesem Altersstadium werden die meis-         ropa rund 21’000 Wasserkraftanlagen in Be-

Elementar
                                                                      bächen auf nur einem Quadratmeter, bauen organisches Material                                                                                                 ten Bäume jedoch gefällt. Auf seiner Suche nach einem sonnigen            trieb, 300 im Bau und über 8’500 in Planung.
                                                                      wie Laub ab und dienen vielen Fischen als Nahrungsquelle. Bach-                                                                                               Platz krabbelt er an einem bizarr geformten, korallenartigen und          Dem Klimawandel mit seinen Unwägbarkeiten
                                                                      flohkrebse reagieren empfindlich auf Gewässerverschmutzungen,                                                                                                 schneeweissen Gewächs vorbei – dem Ästigen Stachelbart. Die-              wie Extremhochwasser will man vielerorts mit

und gefährdet
                                                                      ihre An- oder Abwesenheit lässt daher Rückschlüsse auf die Sau-                                                                                               se Pilzart wächst nur auf totem Holz. Sie trägt so dazu bei, den          weiteren Staudämmen und -mauern begeg-
                                                                      berkeit des Wassers zu. Das verschafft den kleinen Bachbewoh-                                                                                                 organischen Abfall des Waldes zu beseitigen und bereitet damit            nen, obwohl etwa Flussaufweitungen ökolo-
                                                                      nern angesichts der Pestizid- und Düngerproblematik erhöhte Auf-                                                                                              für andere Organismen einen Lebensraum. Etwa für Insekten, die            gisch sinnvoller wären. Die CIPRA hat deshalb
                                                                      merksamkeit. Vor allem kleinere Bäche in Landwirtschaftsgebieten                                                                                              im morschen Holz leben, oder für Spechte, die dort leichter ihre          fünf Forderungen zur Wasserkraftnutzung er-
                                                                      sind oft besonders stark von Schadstoffeinträgen betroffen. Dies                                                                                              Höhlen zimmern können.                                                    arbeitet:
Sauberes Wasser, reine Luft, gesunde Wälder:                          schadet Bachflohkrebsen, Fischen und anderen Arten.                                                                                                           Neben dem Klimawandel und Monokulturen schadet dem Wald
                                                                      Durch Reibung, UV-Strahlen oder Bakterien entsteht Mikroplastik –                                                                                             daher auch ein zu penibles Forstmanagement. Absterbende Bu-               1. Politik und Wirtschaft müssen weitsichtig
Wie es um die Lebensräume von Natur und
                                                                      mikroskopisch kleine Partikel zwischen 0,0001 und 5 mm, un-                                                                                                   chen sollte man nach Möglichkeit stehen lassen, um dem Ästigen              planen, um möglichst viel Energie einzu-
Mensch steht, zeigt sich oft schon im Kleinen.                        sichtbar für das freie Auge. Sie sind ein bekanntes Problem in den                                                                                            Stachelbart, dem Alpenbock und anderen Organismen einen ge-                 sparen, anstatt immer mehr Kilowattstun-
                                                                      Gewässern dieser Welt, doch über die Luft gelangen sie bis hin-                                                                                               eigneten Lebensraum zu erhalten. Das von CIPRA Slowenien in-                den zu produzieren.
                                                                      auf zu den Gletschern, wie erste Forschungen zeigen. Begeisterte                                                                                              itiierte Waldpflegeprojekt «GozdNega» ermutigt beispielsweise             2. B estehende Wasserkraftwerke müssen sa-
LUFT:                                                                 Outdoortourist:innen verteilen sie auch selbst am Berg – in Form                                                                                              Waldbesitzer:innen, durch ein angepasstes Waldmanagement kli-               niert und überflüssige Kraftwerke entfernt
VON VIELFÄLTIGEN SYMBIOSEN                                            von Mikrofasern aus ihren Sportjacken oder durch den Abrieb ih-                                                                                               maresistente und artenreiche Wälder zu fördern.                             werden, bevor neue gebaut werden.
                                                                      rer Wanderschuhe am Fels. Auf Gletschern im italienischen Val di                                                                                                                                                                        3. D ie letzten Süsswasserperlen müssen ge-
Leuchtend orange und ledrig, giftgrün und trompetenartig oder sil-    Sole entdeckten Wissenschaftler:innen der Universität von Mailand                                                                                             Veronika Hribernik, CIPRA International                                     schützt werden. Intakte Flüsse und Fluss-
bergrau und buschig: Flechten gibt es in vielen Farben und Formen.    grosse Mengen davon. Projekte wie «Stop the ALPs becoming                                                                                                                                                                                 abschnitte    sowie   Gebirgsbäche    dürfen
Sie sind eine Symbiose zwischen Alge und Pilz, die mit ihrem Feh-     Plastic Mountains» vom European Research Institute in Turin/I oder                                                                                                                                                                        nicht der Energiegewinnung dienen.
len oder Vorkommen Hinweise auf den Grad der Luftverschmut-           die Aktion «Refill your bottle» auf dem Ploseberg in Brixen/I ver-                                                                                                                                                                      4. D ie sogenannte «Kleinwasserkraft» ist nur
zung gibt. Weltweit besiedeln rund 25’000 Flechtenarten die raues-    suchen, die hochgelegene alpine Umwelt zu schützen – eine der                                                                                                                                                Es dauert bis zu fünf        für lokal begrenzte Bedürfnisse in isolierten
                                                                                                                                           Fotos: jggrz / pixabay (S. 8), Peter Krimbacher (S. 9); Grafik: Melanie Maecker-Tursun

ten Standorte, nacktes Felsgestein zum Beispiel. Heute sind viele     letzten in Europa, die noch nicht vollständig von Plastikpartikeln                                                                                                                                           Jahre, bis der prächtige     Lagen sinnvoll. Sie gehört nicht in regionale
der einst häufigen Rindenflechten aufgrund der Luftverschmutzung      durchsetzt ist.                                                                                                                                                                                              Alpenbockkäfer (Rosalia      oder nationale Energieplanungen.
insbesondere durch Schwefeldioxid selten geworden, oder sogar                                                                                                                                                                                                                      alpina) schlüpft.          5. E s gilt, das Wissen und die Zusammenar-
ganz verschwunden. Mehr als die Hälfte der in Deutschland heimi-                                                                                                                                                                                                                                                beit zur Wasserkraftnutzung länderüber-
schen Flechten werden laut Roter Liste als gefährdet eingestuft, in                                                                                                                                                                                                                                             greifend auszubauen.
der Schweiz wird derzeit ebenfalls untersucht, wie gefährdet baum-
und erdbewohnende Flechten sind.                                                                                                                                                                                                                                                                              Das Positionspapier zur Wasserkraftnutzung
In den Alpen wurden in einer länderübergreifenden Studie 3’163                                                                                                                                                                                                                                                enthält auch detaillierte Herleitungen der For-
Flechtenarten nachgewiesen. Daraus entstand LICHALP, eine um-                                                                                                                                                                                                                                                 derungen und einen breiten Fundus an Hinter-
fassende Online-Datenbank der bisher bekannten alpinen Flech-                                                                                                                                                                                                                                                 grundinformationen.
tenarten mit deren geographischer Verbreitung sowie zahlreichen
Bildern. Diese Informationen können dabei helfen, die Auswirkun-                                                                                                                                                                                                                                              www.cipra.org/positionen
gen des Klimawandels und den Grad der Umweltverschmutzung in
den Höhenlagen besser zu beforschen.

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Unter der Lupe Versteckte Schätze der Alpen - CIPRA
SZENEALPEN           10 8 / 2 0 21                                                                                                                                                                     Globale Elite neben Bergbauern und Flüchtlingen: Der Film DAVOS
                                                                                                                                                                                                        zeigt die ungleiche Verteilung von Macht und Ressourcen.

                      «Solarenergie
                        ermöglicht,
                        bedarfsorientiert                                                                                                                                                               Wem Davos gehört
                        zu arbeiten»
                            Olivier Verdeil ist Leiter der Photovoltaik-Abteilung                                                                                                                  Einmal im Jahr rücken im Schweizer Nobel­skiort Davos alle Gegensätze dieser Welt so nah
                            am französischen Nationalen Institut                                                                                                                                   zusammen wie nirgends sonst. Von jenen, die unsere Welt gestalten ist es dort nur ein Steinwurf
                            für Solarenergie (INES). Ein Interview über                                                                                                                            zu den Betroffenen, beobachtet die Filmemacherin Julia Niemann.
                            die Vor- und Nachteile der Nutzung von
                            Solarenergie in den Bergen.                                                                                                                                            Die Reichen und die Machtlosen kommen sich während des alljähr-          schen uns immer mehr ausbreiten, der Erdboden aber begrenzt ist,
                                                                                                                                                                                                   lichen Weltwirtschaftsforums in Davos sehr nah – und doch spre-          nehmen wir Tieren ihre natürlichen Lebensräume weg. Wir treiben
                                                                                                                                                                                                   chen sie kein Wort miteinander. Davoser Bauern müssen ihre Höfe          sie in die Enge und vernichten damit auch natürliche Barrieren, die
                                                                                                                                                                                                   und damit einen jahrhundertelang gelebten, sparsamen Umgang              uns eigentlich vor ihren Erregern schützen würden.
Herr Verdeil, warum ist eine Photovoltaikanlage                        Es gibt Photovoltaikanlagen auf Lawinenverbauungen,                                                                         mit den Ressourcen von Land und Forst aufgeben, weil sich ihre           Der Schneefall während des Weltwirtschaftsforums 2018 war so
in den Bergen effizienter als im Flachland?                            Staumauern und sogar schwimmende Solarpanels                                                                                Arbeit nicht mehr lohnt. Flüchtlinge aus aller Welt treffen im Davoser   stark, dass der Konferenzort fürchten musste, von Lawinen begra-
Da Photovoltaik-Technologien temperaturempfindlich sind, ermög-        auf Bergstauseen. Was ist Ihre Meinung zu diesen                                                                            Transitzentrum aufeinander, weil sie in ihrer Heimat keine Lebens-       ben zu werden. Der Verkehr stockte. Der Lärm der Schneeräumung
lichen kühlere Temperaturen eine höhere Produktivität. Die Reinheit    Installationen?                                                                                                             grundlage mehr haben. All das gehört zum Panorama des Ortes, an          fiel selbst den wichtigsten Leuten ins Gespräch. Die Mächtigen
der Luft und die Höhenlage sind günstige Faktoren. Je höher man        Die doppelte Nutzung bestehender Infrastruktur ist eine gute Idee.                                                          dem die Köpfe der Weltwirtschaft die globale Ressourcenverteilung        schlitterten die Davoser Promenade entlang und nicht selten brach-
kommt, desto dünner wird die atmosphärische Schicht und desto          Aber manche Lawinenverbauungen sind weit von den Orten des                                                                  massgeblich bestimmen.                                                   te der eisige Boden jene zu Fall, die auf der Karriereleiter immer nur
weniger filtert sie die Strahlung. Schneebedeckter Boden reflektiert   Verbrauchs und der Einspeisung ins Stromnetz entfernt, was sie                                                              Der Begriff Ressource geht auf das lateinische «resurgere» zurück,       nach oben gestiegen waren. Der Mensch kann sich die Umstände
mehr Lichtenergie.                                                     möglicherweise technisch und finanziell unrentabel machen kann.                                                             was soviel bedeutet wie «wieder aufstehen» oder «wiedererstehen».        schon ziemlich gut zurechtbiegen, aber am Ende hat die Natur das
                                                                       Photovoltaik-Anlagen auf Staudämmen könnten die Vorteile einer                                                              Ressourcen sind unserem Sprachgebrauch nach also etwas, das              letzte Wort. 
Was sind die Vorteile von Solarenergie                                 vorhandenen Netzanbindung der Wasserkraftanlage nutzen. Bei                                                                 sich ständig selbst erneuert. Darin versteckt sich bereits eine Hal-
in Bergregionen im Vergleich zu Wasserkraft                            schwimmenden Photovoltaikanlagen stellt sich die Frage nach der                                                             tung, die als selbstverständlich nimmt, was uns von Mensch und
oder Windenergie?                                                      visuellen Beeinträchtigung und dem Produktionsausfall durch die                                                             Natur gegeben wird. Allen ökonomischen Überlegungen geht ein
Solarenergie könnte überall installiert werden. Etwa auf Dächern,      starke Verschattung in steilen Lagen. Aber wenn der Standort be-                                                            «Es gibt» voraus. Es gibt die Welt und das Geld, es gibt die Natur
Strassen oder Seen – im Gegensatz zur Wasserkraft, die einen gro-      reits industrialisiert, nicht touristisch genutzt und von geringem In-                                                      und ihre Gesetze, es gibt den Menschen und seine Fähigkeiten.
ssen Fluss benötigt. Die Windenergie erfordert zuverlässige und        teresse für die Artenvielfalt ist – warum nicht?                                                                            Von Wirtschaft spricht man dann, wenn das, was es gibt, verwertet
vorhersehbare Standortbedingungen. Das passt mit Bergregionen,                                                                                                                                     und umverteilt wird. Aber was, wenn das Gegebene irgendwann
wo die Bedingungen sehr unterschiedlich sind, nicht sehr gut zu-       INES und CIPRA Frankreich arbeiten zusammen                                                                                 nicht mehr einfach da ist?
sammen.                                                                mit anderen Partnern an einem Projekt zur                                                                                                                                                                                          UNBEQUEME
                                                                       Solarthermie und Photovoltaik namens ENERB’Alpes.                                                                           KANN WIRTSCHAFT MEHR SEIN ALS                                                                          ERZÄHLERIN
Was sind die Risiken und Herausforderungen bei                         Was sind die Ergebnisse?                                                                                                    DIE BLOSSE AUSBEUTUNG NATURGEGEBENER
der Installation dieser Systeme in den Bergen?                         Die Herausforderung besteht darin, die Systeme so zu konstruie-                                                             ODER HUMANER RESSOURCEN?                                                                  Julia Niemann, Jahrgang 1987, lebt und arbeitet
Schnee auf den Platten reduziert die Produktion. Sind sie schräg       ren, dass ein Informationsfeedback in Echtzeit erfolgt. Das gewähr-                                                         Es gilt, den Begriff Ökonomie anders zu denken, hinaus über die                           in Wien als Autorin, Regisseurin und Produzentin
montiert, erleichtert das die Räumung. Allerdings sollten sie so ge-   leistet eine ordnungsgemässe Überwachung und Wartung zum                                                                    ihm axiomatisch vorangestellten Prinzipien der Nutzenmaximie-                             des Filmkollektivs «European Film Conspiracy».
plant werden, dass sich nicht direkt über dem Gebäudeeingang           Beispiel auf hochgelegenen Hütten, die nicht an das Stromnetz an-                                                           rung, der Knappheit, der Bedarfsdeckung, der Wirtschaftlichkeit.                          Für die Produktion des preisgekrönten Dokumen-
Dachlawinen lösen. Es gibt spezielle Systeme, die einen Rückstrom      geschlossen sind. ENERB’Alpes beleuchtet die Vor- und Nachteile                                                             Aber ist das Weltwirtschaftsforum in Davos der richtige Ort dafür?                        tarfilms DAVOS (Österreich, 2020) verbrachte sie
in die Module erzeugen, der die Oberfläche erwärmt, wodurch der        der Solarenergie in den Bergen und zeigt Lösungen auf. Autono-                                                              Dessen Teilnehmer:innen haben die Signale durchaus gehört. Sie                            über ein Jahr in der höchstgelegenen Stadt Eu-
Schnee abrutscht. Es sollten verstärkte Module verwendet werden,       mie in entlegene Gebiete zu bringen, die keinen Zugang zu Energie                                                           sind bereit für Veränderung – solange sie diejenigen bleiben, die                         ropas, dem alljährlichen Schauplatz des Weltwirt-
                                                                                                                                                Foto: Roy Buri / Pixabay

die Überlasten tragen können. Das Risiko einer Beeinträchtigung        haben, trägt zu einer lokalen Energiewende bei. Die Solarenergie                                                            verändern dürfen.                                                                         schaftsforums. Als freie Journalistin veröffentlich-
                                                                                                                                                                           Foto: Gerald Kerkletz

durch Unwetter ist in den Bergen natürlich auch vorhanden, dem         ermöglicht es uns, bedarfsorientiert zu arbeiten.                                                                          Die Notwendigkeit, für den Umgang mit den Ressourcen der Welt-                            te sie Texte über Politik und Kultur, unter anderem
kann aber die Montage von Blitzableitern vorbeugen. Für die mit                                                                                                                                    ökonomie neue, tragfähigere Perspektiven zu finden, drängt sich                           in der ZEIT und der Süddeutschen Zeitung.
Photovoltaikanlagen in den Bergen verbundenen Risiken gibt es          Delphine Ségalen                                                                                                            uns allen immer mehr ins Bewusstsein. Auch die Corona-Pandemie
technische Lösungen.                                                   CIPRA Frankreich                                                                                                            ist eine Folge unseres Umgangs mit Ressourcen: Weil wir Men-

10                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             11
Unter der Lupe Versteckte Schätze der Alpen - CIPRA
Versteckte Schätze
in den Alpen                                                                                                                                                                                                                                                                                                             «WENN EIN KRAUT VOR
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         DEINEN AUGEN WÄCHST…»
                                                                  «ES BEGINNT
Ausgediente Ski, Totholz am Waldboden,                            IMMER MIT EINER                                                                                                                                                                                                                                        «Ein grosser Schatz, der oft unbeach-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         tet bleibt, sind die unzähligen Wurzeln
die Weite am Berg: Oft sind es unerwartete                        VERRÜCKTEN IDEE»
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         und Kräuter, die auf dem Boden wach-
Ressourcen, die eine wichtige Rolle in                            «Bei ArtSkitech entwickeln wir Ideen,                                                                                                                                                                                                                  sen. Sie sind oft mangelhaft erforscht und
                                                                  wie man aus alten Skiern Möbel und
unseren Berufsleben spielen. Sechs Menschen                                                                                                                                                                                                                                                                              als uralte Heilmittel bekannt. Ihrer achtsamen
                                                                  ungewöhnliche Konstruktionen machen                                                                                                                                                                                                                    Betrachtung haben wir die Signaturenlehre zu
aus den Alpen erzählen von ihren persön­                          kann. Damit möchten wir zeigen, dass alte                                                                                                                                                                                                              verdanken. So weisen Standort, Habitus und
lichen Schätzen.                                                  Skier mehr sind als Abfall. Denn auch wenn                                                                                                                                                                                                             Blütenfarbe darauf hin, wofür manches Heilkraut
                                                                  sie nicht mehr im Schnee gebraucht werden, sind sie ein sehr                                                                                                                                                                                           gut ist. Einige Pflanzen haben ihrer Heilbestimmung entspre-
Veronika Hribernik                                                spannendes Baumaterial. Mit unserer Arbeit möchten wir Men-                                                                                                                                                                                            chende Namen: Herzgespann, Lungenkraut, oder die kraftge-
und Kristina Bogner,                                              schen zum Nachdenken bringen. Was sind die Dinge, die uns                                                                                                                                                                                              bende Bärwurz. Auch die Art, wie sie wachsen, lässt oft Schlüs-
CIPRA International                                               umgeben? Ist es Müll oder können wir es auf eine andere Art                                                                                                                                                                                            se zur Wirkung ziehen. Wenn der Löwenzahn durch den Asphalt
                                                                  und Weise, vielleicht künstlerisch, wiederverwenden? Ausran-                                                                                                                          «GEH DOCH                                                        wächst, wissen wir: Jede Pflanze, die einen Stein durchbricht,
                                                                  gierte Skier sind nur ein Beispiel dafür, was wir erreichen kön-                                                                                                                      MAL IN                                                           bricht auch einen Stein im Menschen, so wie Nieren- oder
                                                                  nen, wenn wir mit Hand und Hirn anpacken. Man kann vieles                                                                                                                             DEN WALD                                                         Gallensteine. Die Geschichten hinter diesen Kräutern faszinie-
                                                                  erfinden, wenn man nur träumt. Mit dieser verrückten Idee und                                                                                                                         SPAZIEREN!»                                                      ren mich. Meine Motivation ist es, Menschen zu überraschen,
                                                                  dieser einen Ressource zeigen wir, wie ein nachhaltiges Wirt-
«DA OBEN                                                                                                                                                                                                                                                «Wir bieten einen Ort für Men-                                   zum Hinausgehen zu inspirieren und die Umgebung bewusster
                                                                  schaftsmodell aussehen könnte.»
ISCHES                                                                                                                                                                                                                                                  schen, die aufgrund ihrer Erkrankung bei                         wahrzunehmen. Es wächst alles, wann wir es brauchen, wo wir
NO EIFACH»                                                        Thomas Schamasch, Bauingenieur                                                                                                                                                        uns Halt machen müssen. Für den Bau                              es brauchen – vielleicht gar manchmal, weil wir es brauchen.»
                                                                  bei ArtSkiTech, Chartreuse/F                                                                                                                                                          der ‹Schutzhütte› haben wir viele natürli-
«Als Bergbauer sind                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Anna Holzer, Hauswirtschaftslehrerin und
                                                                                                                                                                                                                                                        che Materialen verwendet, von Stein über
die Flächen hier oben                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Kräuterexpertin am Strumerhof, Matrei/A
                                                                                                                                                                                                                                                        verschiedene Holzarten. Die Idee war ein
eine wertvolle Ressource
                                                                                                                                                                                                                                                        Gebäude zu haben, das den Patient:innen
für uns. Sie sind zum Teil
                                                                                                                                                                                                                                                        Orientierung gibt, sie aber auch in der alpi-
recht steil und weisen eine
                                                                                                                                                                                                                                                        nen Welt abholt. Es geht um heilende Archi-
hohe Biodiversität auf. Und in dem Zusam-                                                                                                                                                                                                                                                               «GLETSCHER SIND WÄCHTER
                                                                                                                                                                                                                                                        tektur in einer heilenden Umgebung. Die Al-
menhang natürlich auch die Tierhaltung,                                                                                                                                                                                                                                                                 DES KLIMAWANDELS»
                                                                                                                                                                                                                                                        pen vereinen Gesundheitsfaktoren, die wir
wo man das Futter verwertet und Fleisch
                                              «EIN TOTER BAUM IST                                                                                                                                                                                       hier Wohnenden manchmal gar nicht mehr          «Ihre Entwicklung in der Landschaft      zehnten
oder andere Produkte herstellt. Aus der
                                              EIN GANZES ÖKOSYSTEM»                                                                                                                                                                                     wahrnehmen: Diese Ruhe des alpinen Wal-         ist von Jahr zu Jahr gut sichtbar.       birgt auch
Bergführer-Perspektive ist es für mich sehr
                                                                                                                                                                                                                                                        des, die Luft und diese Erdung zu spüren.       Gletscher sind daher ein sehr wert-      Risiken     für
wertvoll, mit Gästen unterwegs zu sein, ih-   «Abgebrochene Äste, Totholz oder          imme r
                                                                                                                                                                                                                                                        Daher ist die Arbeit in unserer Klinik nichts   voller Klimaindikator zur Überwa-        den Menschen.
nen die Bergwelt zu zeigen, Gipfel zu be-     Aushöhlungen im Baum bieten viel Le-      wieder
                                                                                                                                                                                                                                                        anderes als eine Verneigung vor diesem          chung und zum Verständnis des Kli-       Der Meeresspiegel
steigen, schöne Erlebnisse zu haben.          bensraum für Pilze, Vögel und Insek-      Insekten
                                                                                                                                                                                                                                                        grossen Naturraum, den wir als Ressour-         mawandels. Ausserdem sind sie eine       steigt und wird wei-
                                              ten, die sich dort einnisten und fort-    findet.     Viele

                                                                                                                                                                  Fotos: v.l. Christ Malär, ZGS, Artskitech, Sven Beham, Alex Papis, Fanny Brun (IGE)
Was das Spezielle an diesem Ort ist? Der
                                                                                                                                                                                                                                                        ce in die Therapie integriert haben. In dem     bedeutende Süsswasser-Ressource          ter steigen und die Anzahl der damit
Raum, der mir grosse Freiheiten gibt, weni-   pflanzen können. Für einen gesunden,      Menschen glauben
                                                                                                                                                                                                                                                        Sinne ist die Klinik eine Schutzhütte, wo die   und werden in einigen Regionen der       verbundenen Naturgefahren wird zu-
ger verschachtelt ist, weniger Grenzen vor-   artenreichen und an den Klimawandel       fälschlicherweise, dass ein
                                                                                                                                                                                                                                                        Patienten:innen ihren Rucksack absetzen,        Welt für die Landwirtschaft und zur      nehmen.»
gibt. Das gibt mir als Bergführer und Bauer   adaptierten Wald sind solche Habitat-     gut bewirtschafteter Wald aufge-
                                                                                                                                                                                                                                                        neu packen und mit neuen Erfahrungen ih-        Bewässerung genutzt. In den Alpen
viele Möglichkeiten, geht aber auch einher    Bäume und die darin beherbergten          räumt sein muss wie ein Garten. Dabei                                                                                                                                                                                                                    Delphine Six, Glaziologin und stell­
                                                                                                                                                                                                                                                        ren Lebensweg weiter gehen können.»             erreicht die Gletscherschmelze ih-
mit Eigenverantwortung. In Zusammen-          Mikrolebensräume sehr wichtig. Sie        liefert Totholz im Wald wichtiges orga-                                                                                                                                                                                                                  vertretende Direktorin des Institut
                                                                                                                                                                                                                                                                                                        ren Höhepunkt im Juli und August,
hang mit mehr Besucher:innen in diesem        steigern die Biodiversität in Wäldern     nisches Material. Ein Habitat-Baum ist                                                                                                                          Marc Risch, Psychiater und «Hüttenwart»                                                  des Géosciences de l’Environnement
                                                                                                                                                                                                                                                                                                        einer allgemein niederschlagsarmen
Lebensraum wird das in letzter Zeit natür-    enorm und machen sie viel resilienter     ein ganzes Ökosystem mit sehr viel                                                                                                                              im Clinicum Alpinum, Gaflei/LI                                                           (IGE), Grenoble/F
                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Zeit. Sie speisen daher auch in der
lich auch schwieriger. Wir stehen vor einem   gegenüber dem Klimawandel. Beim           Leben.»
                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Trockenzeit Flüsse und ermöglichen
Dilemma: Alle suchen das Unverspurte. Je      Spazieren kann man nachschauen,
                                                                                        Kristina Sever, Försterin und                                                                                                                                                                                   damit die Erzeugung von Wasser-
mehr Leute das suchen, desto weniger gibt     was in den verschiedenen Aushöhlun-
                                                                                        Vorsitzende von Pro Silva Slowenien,                                                                                                                                                                            kraft. Als Glaziologin vermesse ich
es davon und wir zerstören es in gewissem     gen so lebt. Ich mag Dendrotelme sehr.
                                                                                                                                     Illustrationen: Jenni Kuck

                                                                                        Grosuplje/SI                                                                                                                                                                                                    Gletscher. Trotz ihrer Grösse wirken
Masse. Gerade als Bergführer ist man da       Das sind mit Wasser gefüllte Löcher
                                                                                                                                                                                                                                                                                                        sie oft zerbrechlich und verändern
natürlich in einem gewissen Zwiespalt.»       im Inneren der Bäume, in denen man
                                                                                                                                                                                                                                                                                                        sich sehr schnell. Ihr beschleunigtes
Kasimir Schuler, Bergbauer                                                                                                                                                                                                                                                                              Abschmelzen in den letzten Jahr-
und Bergführer, Avers/CH
Unter der Lupe Versteckte Schätze der Alpen - CIPRA
SZENEALPEN      10 8 / 2 0 21    IM GESPR ÄCH MIT HERIBERT INSAM                            UNTER DER LUPE                                                                                            SZENEALPEN           10 8 / 2 0 21

«Wir leben in                                                                               Sie färben Gletscher rot und verleihen dem Bergkäse sein
                                                                                             typisches Aroma: Die Vielfalt der Mikroorganismen
                                                                                                                                                                                            Lage ist, eigentlich unser aller Leben zu
                                                                                                                                                                                            ermöglichen. Hätten wir keine Mikroorga-
                                                                                                                                                                                            nismen, hätten wir keine Stoffkreisläufe und

  einer Mikrobenwelt»
                                                                                             ermöglicht unser aller Leben erst, meint Heribert Insam.                                       das Leben würde früher oder später zum
                                                                                             Dem Mikrobiologen schwebt ein alpines Wissenschafts­                                           Ende kommen. Letzten Endes stammen
                                                                                                                                                                                            alle höheren Lebewesen – und damit auch
                                                                                             zentrum zu Kleinstlebewesen vor.                                                               wir – von ihnen ab, nämlich als weiterentwi-
                                                                                                                                                                                            ckelte Symbiosen zwischen Mikroorganis-
                                                                                             Herr Insam, sprechen wir über das              Urbakterien. Sie sehen aus wie Bakterien,       men, den ersten Besiedlern der Erde.
                                                                                             Leben in den Alpen. Was kommt Ihnen            sind aber keine. Archaeen lieben beson-
                                                                                             dabei zuerst in den Sinn?                      ders heisse Habitate in der Tiefsee, wo         Zählen Ihrer Ansicht nach auch
                                                                                             Als allererstes kommt mir als Mikrobiologe     sie Temperaturen bis zu 120 Grad Celsius        Viren zu den Mikroben, beispielsweise
                                                                                             und Skitourengeher Clamydomonas nivalis        überleben können. Es gibt aber auch sol-        SARS-CoV-2?
                                                                                             in den Sinn. Das ist eine Schneealge, die      che, die kälteliebend, also psychrophil sind.   Da scheiden sich in der Wissenschaft tat-
                                                                                             im Frühling, wenn die Sonneneinstrahlung       Und die findet man dann wiederum in alpi-       sächlich die Geister. Die einen sagen, es ist
                                                                                             recht stark wird, plötzlich Gletscher und      nen Höhenlagen.                                 ein Molekül und die anderen sagen, es ist
                                                                                             Schneefelder rot färbt. Viele meinen, das                                                      ein Lebewesen. Wenn man Bakterien oder
                                                                                             sei Saharastaub, aber zumeist ist es tat-                                                      Pilze studiert, kommt man nicht darum he-
                                                                                             sächlich diese Alge. Sie breitet sich sehr          «Viele meinen,                             rum, sich auch die Viren anzuschauen. Im
                                                                                             schnell aus und gibt uns einen Eindruck                                                        Fall des Coronavirus haben wir am Institut
                                                                                             davon, wie belebt selbst Schneefelder sein
                                                                                             können. Man würde meinen, in gefrorenem
                                                                                                                                                          das ist                           die Chance ergriffen, ein grosses Projekt zu
                                                                                                                                                                                            starten. Dabei geht es um Coronaviren im
                                                                                             Wasser gibt es kein Leben, aber diese Or-
                                                                                             ganismen können an der Schneeoberflä-
                                                                                                                                                  Saharastaub.»                             Abwasser. Wir studieren das Vorkommen
                                                                                                                                                                                            dieses Virus im Zulauf von Kläranlagen und
                                                                                             che wachsen.                                                                                   können dadurch sehr deutlich erkennen,
                                                                                                                                                                                            wann sich wieder irgendwo ein Infektions-
           Heribert Insam                                                                    Wie schaffen es diese Mikro­                   Warum haben Sie begonnen,                       Cluster bildet.
         erklärt, welchen                                                                    organismen, in dieser Umgebung                 Mikroben zu erforschen?
     Einfluss Schneealgen                                                                    zu überleben?                                  Ich habe eigentlich zuerst Botanik studiert     Ein Schweizer Forschungsprojekt
       und anaerobe Pilze                                                                    Ganz wichtig ist, dass sie das Gefrieren und   und eine Dissertation angefangen, aufgrund      hat in Permafrost und im Gletschereis
     auf das Leben in den                                                                    Wiederauftauen überstehen. Insbesondere        eines Schädlingsbefalls sind dann jedoch        bislang unbekannte Mikroorganismen
            Alpen haben.                                                                     das Auftauen ist ein Problem. Eiskristalle,    alle dreitausend Hochlagen-Fichtenklone         gefunden. Was passiert, wenn diese
                                                                                             die in den Zellen vorhanden sind, können       eingegangen. Kurzfristig gab es keinen Er-      Mikroben durch die Gletscherschmelze
                                                                                             die Zellen oder Zellmembranen schädigen.       satz, und ich bekam zufällig die Gelegen-       freikommen?
                                                                                             Dadurch können die Protonenflüsse nicht        heit, in einem Forschungsprojekt zur Rekul-     Also ich würde mich vor diesen unbekann-
                                                                                             mehr kontrolliert werden und die Zellen        tivierung von Skipisten mitzuarbeiten. Wir      ten Mikroorganismen nicht fürchten. Die
                                                                                             sterben ab. Organismen, die das Einfrie-       testeten damals ein Abfallprodukt aus der       sind in der Vergangenheit bei Gletscher-
                                                                                             ren und Wiederauftauen überleben, haben        Pharmaindustrie: Mikroorganismen. Das           schmelzen immer schon freigesetzt wor-
                                                                                             ganz besondere Schutzmechanismen, um           waren Pilze, die zur Antibiotika-Produktion     den und wahrscheinlich auch in anderen
                                                                                             das durchstehen zu können. Dazu gehören        verwendet worden waren. Die haben wir           Habitaten vorhanden. Ich wäre da eher
                                                                                             auch so genannte Dauerstadien, wie bei-        als Düngemittel in vielen, vielen Labor- und    entspannt. Wir leben in einer Mikrobenwelt
                                                                                             spielsweise Sporen.                            Freilandversuchen getestet und verbessert.      und unser Immunsystem ist in der Regel in
                                                                                                                                            Wir sind damals auf fast 3’000 Meter Höhe       der Lage, mit solchen Dingen fertig zu wer-
                                                                                             Nicht jeder weiss, was Mikroben                hinaufgegangen, um Skipisten mit diesem         den. Aber natürlich erzählen Mikroorganis-
                                                                                             sind. Können Sie das kurz auf den              Material zu begrünen. Innerhalb von weni-       men, die in alten Gletscherschichten plötz-
                                                                                             Punkt bringen?                                 gen Tagen verfestigte sich der Boden. Da-       lich freigesetzt werden, eine Geschichte.
                                                                                             Wir am Institut verstehen unter Mikroor-       durch konnten relativ langsam wachsende         Ich kann von ihnen auf frühere Pflanzenge-
                                                                    Foto: Carlos Blanchard

                                                                                             ganismen im Wesentlichen Bakterien und         Gräser dort Wurzeln schlagen, welche wie-       sellschaften schliessen oder darauf, wel-
                                                                                             Pilze. Aber es kommen auch noch die Ar-        derum die Erosion verminderten.                 che Tiere möglicherweise in dieser Gegend
                                                                                             chaeen dazu. Das sind ebenfalls einzelli-      Eines hat mich immer schon fasziniert: Die      vorhanden waren. Die Wissenschaft steht
                                                                                             ge Mikroorganismen. Früher hiessen sie         Vielfalt der Mikroorganismen, die in der        auf dem Gebiet erst am Anfang.

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Unter der Lupe Versteckte Schätze der Alpen - CIPRA
SZENEALPEN          10 8 / 2 0 21                                                           IM GESPR ÄCH MIT HERIBERT INSAM                                       UNTER DER LUPE                                                                                           SZENEALPEN        10 8 / 2 0 21

                                                                                                                                                                                                                      Berge als Lehrmeister:
                                                                                                                                                                                                            Der Unterricht in luftigen Höhen
                                                                                                                                                                                                                schärft das Bewusstsein für
                                                                                                                                                                                                              alpine Natur- und Kulturwerte.

                                              aus Abfällen der Landwirtschaft wie Stroh-
                                              oder auch Maisresten. Bakterien und Pilze
                                              bauen die Lignocellulose zu Zuckern und
                                                                                               pia, eine an den Amsterdamer Zoo ange-
                                                                                               gliederte Schau zu Mikroorganismen. Es
                                                                                               hat mich so sehr fasziniert – auch in der
                                                                                                                                                                   Das berg­steigende
                                                                                                                                                                   Klassenzimmer
                                              organischen Säuren um, Archaeen machen           Ästhetik, die dort geboten wurde – dass
                                              dann daraus das Biomethan. Den ersten            ich mir dachte, es wäre schön, so etwas
                                              Schritt der Zerkleinerung von Cellulose-         auch in Innsbruck zu machen; allerdings
                                              Molekülen nennen wir Hydrolyse. Nur weni-        mit mehr Bezug zum Alpenraum. Die drei
                                              ge Organismen können ihn ohne Sauerstoff         Hauptdisziplinen der Biologie sind Botanik,
                                              durchführen, wie zum Beispiel anaerobe           Zoologie und Mikrobiologie. Ich dachte mir:                         Klimawandel, Biodiversität und nachhaltige
                                              Pilze. Die versuchen wir in Biogasanlagen        Für die Botaniker gibt es in Innsbruck den
                                                                                                                                                                   Entwicklung: Wenn es darum geht, junge Menschen
                                              zu etablieren. In der Natur finden wir die-      Botanischen Garten, für die Zoologen den
                                              se anaeroben Pilze im Darm von Wieder-           Alpenzoo – und nun brauchen wir noch et-                            für diese Themen zu sensibilisieren, ist Bildung
                                              käuern, wie es sie auch in den Alpen gibt.       was für die Mikrobiologen. Diesen Gedan-                            über und in den Bergen eine wertvolle Ressource.
                                              Besonders viel Raufutter wie Stroh oder          ken habe ich dann weitergesponnen und
                                              Heu fressen nämlich Tiere, die hoch oben         versucht, meine Kolleginnen und Kollegen
KENNER DER                                    auf den Bergen leben: Steinbock, Gämse,          dafür zu begeistern. Wir haben Mikropia in
KLEINSTLEBEWESEN                              auch verschiedene Vögel. Die beherbergen         Amsterdam gemeinsam besucht und be-                                 Felsen, blauer Himmel und mittendrin eine Gruppe Jugendlicher:        auf. Diese Form der Bildung basiert auf Prinzipien wie Kooperati-
                                              in ihrem Darm solche anaeroben Pilze, die        gonnen, Pläne zu schmieden, wie wir das                             Sie steigen dem Gipfel des Triglav, Sloweniens höchstem Berg,         on, Handlungsfähigkeit, Selbstbestimmung, lebenslangem Lernen,
Heribert Insam leitet die Arbeits-            wir so zu kultivieren versuchen, dass sie        hier umsetzen könnten. Es gibt schon ei-                            entgegen und sichern sich gegenseitig. Ein Lehrer begleitet sie bei   Identifikation mit der alpinen Umwelt als lebendige Ressource und
gruppe für Mikrobielles Ressour-              auch in den Biogasanlagen ihre Arbeit tun.       nen präzisen Zeitplan für «Mikrobalpina»                            dieser etwas anderen Unterrichtsstunde. So oder so ähnlich könnte     der Integration aller Bildungsmöglichkeiten.
cenmanagement an der Universität                                                               oder «MicroMondo», wie unsere Arbeitstitel                          der Alltag einer Alpinen Schule aussehen. Doch die meisten Ju-        Es ist wichtig, jungen Menschen nicht nur Wissen zu vermitteln,
Innsbruck in Österreich. In seiner            Mit Mikroorganismen stellt man                   lauten. Nun versuchen wir, das Projekt ge-                          gendlichen in den Alpen leben auch abseits der Städte einen urba-     sondern auch bergsteigerische Werte und eine positive Einstel-
Forschung beschäftigt er sich mit             aber auch Lebensmittel her, wie zum              meinsam mit der Firma Hollu in Zirl/A um-                           nen Lebensstil, die direkte Abhängigkeit von der Natur nimmt – so     lung zu den Bergen und der Natur im Allgemeinen mitzugeben. Auf
Mikrobieller Ökologie, Bodenmik-              Beispiel Käse. Welche Rolle spielen              zusetzen, die Systemhygiene anbietet und                            scheint es – ab. Die Kehrseite des modernen Lebensstils ist, dass     Moos gehen, dem Wind lauschen, Beeren essen: Bewegen sich
robiologe, mikrobiologischen Mög-             Mikroben dabei?                                  sich stark an den Sustainable Development                           junge Menschen im Alltag immer weniger körperlich aktiv sind. So      Jugendliche in den Bergen, dann aktiviert das ihre Sinne. Sie hö-
lichkeiten der Abwasserreinigung              Mikroben bauen den Zucker zu Milchsäure          Goals (Nachhaltigkeitsziele der Vereinten                           ist es kein Wunder, dass Jugendliche die Berge zunehmend als          ren, riechen und schmecken die Berge sozusagen. Selbstständiges
und   allgemeiner   Umweltbiotech-            ab, der erste wichtige Schritt bei der Käse-     Nationen) orientiert. Das passt gut zusam-                          unzugänglich, fremd und anstrengend empfinden. Weniger Zeit in        Arbeiten und Beobachten steht dabei im Vordergrund. Die Gebirgs-
nologie. Eines seiner Projekte ist            herstellung. Weiters bringen sie Aromastoffe     men und wir hoffen, dass wir beim Neubau                            den Bergen bedeutet auch einen Mangel an bergsteigerischer Aus-       landschaft wird so zum multidisziplinären Klassenzimmer.
ein Wissenschaftszentrum, das die             in den Käse. Je nach dem Standort einer Kä-      des Firmengebäudes im Jahr 2022 dort                                bildung und den damit verbundenen Werten. Das schwächt den
unsichtbare Welt der kleinsten Le-            serei gibt es ein anderes Konsortium an Mi-      auch die Räumlichkeiten für unsere Welt                             persönlichen Bezug zu den Bergregionen. Wir haben uns deshalb         Matej Ogrin, Präsident von CIPRA Slowenien
bewesen sichtbar machen und auf               kroorganismen. Mit seinen grossen runden         der Kleinstlebewesen finden werden.                                 im internationalen YOUrALPS-Projekt von 2016 bis 2019 das Ziel
allgemein verständliche Weise ver-            Löchern ist beispielsweise der Emmentaler                                                                            gesetzt, ein Modell einer Alpinen Schule und deren Werte zu eta-
mitteln soll, welche Rolle Mikroben           ein typischer Käse, wo Propionibakterien         Auf den ersten Blick haben                                          blieren. Das Projekt fand im Rahmen des Interreg-Alpenraumpro-
für das Leben in den Alpen und da-            zur Gärgas- und Aromabildung beitragen.          wir Menschen wenig mit Mikroben                                     gramms statt.
rüber hinaus spielen.                         Die Käsequalität hängt auch sehr stark da-       gemeinsam. Was könnten wir                                          Das Bildungsmodell der Alpinen Schule wurde entwickelt, um Ju-                ALPINES SCHULMODELL
                                              von ab, was die Kühe oder die Schafe vorher      dennoch von diesen Kleinstlebewesen                                 gendliche durch aktive Lernformen, -methoden und -ansätze ganz-
www.mikrobalpina.org                          gefressen haben, weil sich damit die Mikro-      lernen?                                                             heitlich über alpine Landschaften aufzuklären, das Bewusstsein für            Das Bildungsmodell verbindet Schulen mit nicht-forma-
                                              biota in der Milch ändert. Und dann kommt        Wissenschaftlich betrachtet, dass Diversität                        die Bedeutung einer nachhaltigen Entwicklung der Bergregionen                 len Bildungsorganisationen sowie der lokalen Gemein-
                                              noch dazu: Wo reift der Käse? Die Umwelt         die Resilienz erhöht. Das heisst, die Vielfalt                      zu schärfen und die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Jugendlichen             schaft. Es basiert auf den Prinzipien der Bildung für
                                              hat einen sehr starken Einfluss.                 der Mikroorganismen befähigt die mikrobi-                           zu entwickeln.                                                                nachhaltige Entwicklung der UNESCO und beinhaltet
                                                                                               ellen Gemeinschaften, besser auf neue He-                                                                                                         Beispiele guter Praxis aus der Umweltbildung sowie der
Sie beschäftigen sich unter anderem           Anhand von Beispielen wie diesen                 rausforderungen zu reagieren. Das könnten                           LERNORT BERG                                                                  aktiven Bürger:innenschaft. Die Alpen sind dabei eine
mit mikrobiellem Ressourcen­-                 verstehen auch Laien sehr gut, was               wir vielleicht auch für uns lernen.                                Bildung über und mit Bergen betont positive Beziehungen zwi-                  Quelle von Wissen, Praxis und insbesondere Inspiration
management, also damit, wie man               Mikroorganismen leisten. Eines Ihrer                                                                                 schen Bergregionen und der Gesellschaft. Im alpinen Kontext er-               für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsziele bei
Mikroorganismen besser nutzen                 Projekte dreht sich um Wissensver-                                                                                   möglicht sie jungen Menschen, sich mit Berglandschaften sowie                 jungen Generationen.
kann. Wofür?                                  mittlung – eine Art Zoo für Mikroben.                                                                                deren materiellem und immateriellem Erbe auseinanderzusetzen.
                                                                                                                                                Foto: Nejc Kavka

Zum Beispiel für die Biogasproduktion. Bio-   Wie entstand diese Idee?                         Michael Gams, CIPRA International                                   Sie stellen sich den Herausforderungen der Gegenwart in den Bergen            www.alpine-school.org
gas kann ich aus Abfällen verschiedenster     Ich war vor zirka vier Jahren in Amsterdam       (Interview) und Carlos Blanchard (Fotos),                           und bauen ihre Fähigkeiten, Kompetenzen und Resilienz auf der
Art machen: aus Biomüll von Haushalten,       und besuchte das neu gegründete Mikro-           Innsbruck/A                                                         Grundlage des reichen kulturellen und natürlichen Erbes der Alpen

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Unter der Lupe Versteckte Schätze der Alpen - CIPRA
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