EH - Werkstatt - Evangelische Hochschule Ludwigsburg

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EH - Werkstatt - Evangelische Hochschule Ludwigsburg
Nr. 9 | 2021

                   EH - Werkstatt
            Evangelische Hochschule Ludwigsburg
      Diakonie – Pädagogik – Pflege – Religion – Soziales

50 Jahre Evangelische Hochschule Ludwigsburg:
              unglaublich sozial!

    70-er Jahre                            90-er Jahre                           2010-er Jahre

                                                                        www.eh-ludwigsburg.de

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                           50 Jahre EH Ludwigsburg – Der Jubiläumsfilm
 Prof. Dr. Norbert Collmar: Wie wir wurden, was wir sind? - 50 Jahre Evang. Hochschule Ludwigsburg
EH - Werkstatt - Evangelische Hochschule Ludwigsburg
Inhalt
Vorwort

Wie wir wurden, was wir sind. – Wurzeln der Evangelischen Hochschule                       ``2
Ludwigsburg seit 1876
50 Jahre EH in globalem Kontext – Eine Spurensuche                                          `
                                                                                           `9
Von 2021 in die Zukunft – Wo stehen unsere Studiengänge 2030?                              `
                                                                                          `13
Die Studiengänge „Bildung und Erziehung im Kindesalter“ im Jahr 2031 –                     `
                                                                                          `13
Eine stabile wissenschaftliche Disziplin und eine Profession im Werden
Die Studiengänge Diakoniewissenschaft: Diakonische Praxis im                               `
                                                                                          `16
sozialen Wandel
Master „Management, Ethik und Innovation im Nonprofit-Bereich“ (MEINB)                    `
                                                                                         `18
Inklusive Pädagogik und Heilpädagogik im Dialog: 10 Jahre vor und zurück                  `
                                                                                         `19
Our Partner Universities                                                                 ``22
Pflege – Pflegewissenschaft an Hochschulen in Deutschland                                ``24
Schwere Geburt in nachholender Modernisierung

Religions- und Gemeindepädagogik – wohin geht die Reise?                                 ``26
Masterstudiengang Religionspädagogik / Gemeindepädagogik                                  ``27
Wenn wir in die Glaskugel schauen – 2030 und danach –                                    ``28
wie wird der Bachelor Studiengang Soziale Arbeit aussehen?
Unser MASA: Divers und politisch                                                         ``29
Lebenslanges Lernen wertschätzen: Anrechnung von vor dem Studium                         ``33
erworbenen Kompetenzen möglich!
Hochschule und Digitalisierung                                                           ``35
Hauptberuflich Lehrende der EH mit Publikationsliste                                     ``37
Informationen des Prüfungsamtes                                                           `
                                                                                         `40

Impressum                                               Fotonachweis
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Herausgeber                                             © Jacob Lund/127377480, © Comofoto/273498906,
Rektor Prof. Dr. Norbert Collmar                        © Bits and Splits/68881702, © Song_about_sum-
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Redaktion                                               Bildarchive der Stiftung Karlshöhe, der Vorgängereinrich­
Ulrike Faulhaber                                        tungen, EH-Archiv Dieterle, Faulhaber, Fuchs, Kolb, Weimann,
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EH - Werkstatt - Evangelische Hochschule Ludwigsburg
Vorwort

          Prof. Dr. Norbert Collmar, Rektor

Liebe Leserinnen und Leser,

  „Zukunft braucht Herkunft“, so hat der Philosoph Wie schnell solche Änderungen gehen können, hat
Odo Marquart formuliert. Einfacher formuliert die von der Corona-Pandemie beschleunigte Digi-
könnte ich auch sagen: wir verstehen Menschen, In- talisierung gezeigt.
stitutionen und uns selbst auf dem Weg in die Zu-
kunft besser, wenn wir die Vergangenheit bewusst      Die Arbeit der Evangelischen Hochschule Lud-
mitbedenken. Herkunft und Zukunft der Evangeli- wigsburg wurde und wird von vielen Menschen
schen Hochschule und ihrer Studiengänge sind das getragen und unterstützt. Manche von Ihnen sind
Thema dieser EH Werkstatt.                          seit Jahrzehnten in und für die Bildung für sozi-
                                                    ale und pädagogische, pflegerische und kirchli-
   1971 wurden in Baden-Württemberg erstmals che Handlungsfelder engagiert. Ihnen allen, den
Fachhochschulen gegründet. Oft waren es keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Freun-
vollständigen Neugründungen sondern es wurden dinnen und Freunden sowie den Förderern der
bestehende Ausbildungsstätten in Fachhochschulen Hochschule in Kirche und Diakonie, Politik und
umgewandelt. Auch die Evangelische Landeskirche Gesellschaft, Stadt und Land möchte ich danken.
in Württemberg und ihre Diakonie standen vor der Die vielfältigen Angebote der Hochschule sind nur
Entscheidung, was wird aus der Höheren Fachschu- möglich, weil sich viele Menschen hier engagieren
le für Sozialarbeit in Ludwigsburg, was aus der Hö- und engagiert haben.
heren Fachschule für Sozialpädagogik in Reutlingen,
was wird aus der Diakonenausbildung der Karlshö-
he Ludwigsburg und was aus dem Diakonieseminar
Denkendorf. Die rückblickende Antwort lautet: die     Prof. Dr. Norbert Collmar, Rektor
Evangelische Hochschule Ludwigsburg.

  Die Studiengänge blicken voraus in die Zukunft,
in die Jahre nach 2030. Gibt es bleibende Aufgaben
und Strukturen, was könnte sich ändern (müssen)?

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EH - Werkstatt - Evangelische Hochschule Ludwigsburg
Wie wir wurden, was wir sind. – Wurzeln der Evangelischen Hochschule
Ludwigsburg seit 1876

   Das 19. Jahrhundert war geprägt von wirtschaft-    indem sich eine große Zahl engagierter Privatper-
lichen, politischen und sozialen Umwälzungen. Die     sonen und Pfarrer insbesondere aus dem Pietismus
bisherige Sozial- und Wirtschaftsform wurde zu-       zusammenschlossen, um ihr Engagement vor Ort
nächst langsam dann aber immer schneller aufgelöst.   zu bündeln. So entstanden in einem längeren Pro-
Nach den napoleonischen Kriegen folgten Agrar-        zess Einrichtungen der Inneren Mission, die den
krisen und Missernten. Die beginnende Industriali-    entstandenen sozialen und kirchlichen Verwerfun-
sierung, Verstädterung und Bevölkerungswachstum       gen durch freie christliche Liebestätigkeit entge-
führten zu Massenarmut, Verelendung, Frauen- und      gentreten wollten.
Kinderarbeit, Straßenkindern aber auch zu kirchli-
cher Entfremdung der entstehenden Industriearbei-       Nicht unerwähnt bleiben darf, dass auch Arbeits-
terschaft im Königreich Württemberg.                  felder der heute sogenannten Gemeindepädagogik als
                                                      Initiativen von Christenmenschen im Verlauf des 19.
  Kirche und Staat bildeten noch eine Einheit und im Jahrhunderts außerhalb der verfassten Kirche, aber für
Grundsatz waren gottesdienstliche und diakonisch- die Kirche entwickelt und aufgebaut wurden. Hier-
soziale Aufgaben in dieser Einheit geteilt. Soziale zu gehören die mehrheitlich durch Laien initiierten
Aufgaben lagen beim Staat. Kirchliche Praxis war auf Sonntagschulen, die heutigen Kindergottesdienste.
Verkündigung und Gottesdienst verengt. Diakonie Auch die Evangelische Jugendarbeit hat ihre Wurzeln
gewann vielmehr in freien Initiativen Gestalt. Trotz außerhalb der verfassten Kirche in Jünglingsvereinen,
kommunaler und staatlicher Anstrengung waren die der Jugendbewegung und in Kreisen für die Bibellese.
Kommunen mit ihren Spitälern und Armenhäusern Die sozial-diakonischen und die missionarisch-ge-
angesichts der Krisen im 19. Jahrhundert überfordert. meindepädagogischen Initiativen waren beide durch
                                                      die Motivation zu Rettung der Menschen verbunden:
  In Württemberg entstanden viele lokale Initiativen, Rettung aus materieller und geistlicher Not.

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Die Initiativen und entstehenden Einrichtungen                   schen Dienst zu Krankenpflegern ausgebildet. Die
wie auch der Aufbau kommunaler und staatlicher                     Brüder erhalten wöchentlich 28 Unterrichtsstun-
Strukturen brauchte Personal. Das Personal war                     den. Der Unterricht beinhaltet insbesondere theo-
aber nicht vorhanden, ja es gab nicht einmal gere-                 logische Inhalte sowie allgemeinbildende Fächer,
gelte Ausbildungen dafür. So wurden immer wieder                   wie Deutsch, Mathematik usw., die auf die Würt-
Ausbildungseinrichtungen gegründet, z.B. 1854 die                  tembergische Volksschule und die Lehre in einem
Stuttgarter Diakonissenanstalt für die Krankenpfle-                Handwerk aufsetzen2. Auf die diakonische Arbeit
ge, 1856 eine „Bildungsanstalt für Kleinkinderpfle-                mit und für Menschen wurde insbesondere durch
gerinnen“ in Großheppach. gegründet. Es fehlten                    den praktischen Dienst vorbereitet. Insgesamt
aber Männer und eine Ausbildung für Männer,.                       sollen die Brüder befähigt werden, „an der Ret-
                                                                   tung des evangelischen Volkes aus leiblicher und
I. Von 1876 bis 1971                                               geistlicher Not durch brüderliche Handreichung
                                                                   und Verkündigung des Evangeliums mithelfen zu
1. Wurzel: 1876 Gründung der „Evangelischen Brüder-                können.“3 Die Diakonenausbildung nahm in ihrer
Kinderanstalt Karlshöhe“                                           fast 150 jährigen Geschichte stetig die sich ändern-
                                                                   den gesellschaftlichen Herausforderungen an und
  Die Diakonenausbildung der Karlshöhe Ludwigs-                    entwickelte sich weiter. Die Ausbildungszeit wurde
burg mit ihren Vorläufern im Mathildenstift und in                 auf drei Jahre verlängert. 1908 wurde die neu ein-
einem „Krankenwärterbildungsverein“ mit „Diako-                    geführte staatliche Anerkennung als Krankenpfle-
nenhaus“ in Ludwigsburg ist die älteste Wurzel der                 ger erlangt, 1926 die kirchliche Prüfung und Zu-
Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Sie wurde                    lassung als Gemeindehelfer. Ab 1930 wurde eine
mit staatlicher Unterstützung in enger Anlehnung                   Wohlfahrtspflegeschule integriert. Diese musste, als
an das Hamburger Raue Haus konzipiert. § 1 der                     aus der Wohlfahrtspflege die nationalsozialistische
Statuten legt die Ziele fest:                                      Volkspflege wurde, geschlossen werden. Im Dezem-
                                                                   ber 1944 veröffentlichte die Landeskirche die erste
  „Die Anstalt Karlshöhe hat die vereinigte Auf-                   Diakonenordnung. „Der Dienst des Diakons ist ein
gabe einer Brüderbildungsanstalt und einer Kin-                    kirchlicher Dienst. Er umfaßt die Ämter des Ge-
derrettungsanstalt (…). Als Brüderanstalt sucht sie                meindediakons und des Anstaltsdiakons.“ (§ 1 Abs.
für die verschiedenen Zwecke der inneren Mission
junge Männer vorzubereiten, namentlich für den                     2 Vgl. Wilhelm Rupp, Erster Jahresbericht der evangelischen Brüder-
Dienst in Kinderrettungsanstalten, in Lehrlings-,                  und Kinder-Anstalt Karlshöhe, Reutlingen 1877, 17f.
Gesellen- und anderen Herbergen, in Irren- und                     3 Rupp, Erster Jahresbericht der Brüder- und Kinder-Anstalt
Krankenhäusern, in Armen- und Strafanstalten, in                   Karlshöhe, a.a.O., 19.

evangelischen Vereinen und Gesellschaften, sowie
in ähnlichen sonstigen Werken.“1
                                                                                               1876
  Deutlich ist die Qualifizierung und Verberufli-
chung für die sozialen und diakonischen Initiati-
ven. Die theoretische und praktische Ausbildung
dauerte in der Anfangszeit in der Regel zwei Jahre.
Die Brüder waren zugleich nachmittags praktisch
in der Erziehung der Kinder eingesetzt. Einige
werden durch theoretischen Unterricht und prakti-
                                                                                Gründung der „Evangelischen
                                                                                    Brüder- Kinderanstalt
1 Statuten der evangelischen Brüder- und Kinder-Anstalt Karlshö-
he bei Ludwigsburg, Stuttgart 1878, 3.                                                  Karlshöhe“
                                                                                                                                    3
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1). Ab 1951 kam die Ausbildung der Katecheten              beitsbereiche wissen. Die Wohlfahrtspflegerin soll
hinzu (vgl. unten Nr. 3). Bis ins Jahr 1971, als die       gleich eine Basis in der Gemeinde haben.“4 Auf po-
diakonische und kirchliche Ausbildungslandschaft           litischen Druck des Nationalsozialismus musste der
neu geordnet wurde, blieb die Diakonenausbildung          „staatliche Zug“ wie bei der Karlshöhe aufgegeben
in dieser Grundstruktur erhalten.                          werden. Der diakonisch-gemeindliche Zug wurde
                                                           weitergeführt. Beide Züge müssen nun getrennt
2. Wurzel: Gründung der Evangelische Diakonieschule        betrachtet werden. 1951 hat die Landeskirche die
Stuttgart 1910/1917                                       Ausbildungen neu konzipiert.

  1910 wurden in Stuttgart von der Evangeli-               2.1 Von der Evangelischen Wohlfahrtsschule über
schen Gesellschaft zunächst Kurse nur für Frauen           die Evangelischen Höhere Fachschule für Sozialar-
eingerichtet. Aus diesen Kursen wurden während             beit Ludwigsburg zur Evangelischen Fachhochschule
des Ersten Weltkriegs 1916/17 die Evangelische             (1951-1973)
Diakonieschule Stuttgart für Frauen, die 1923 als
Wohlfahrtsschule staatlich anerkannt wurde. Die      Bereits 1947 wurde die Wohlfahrtsschule in Wer-
jungen Frauen kamen aber nicht aus der württem-    nau neu gegründet und 1951 nach Ludwigsburg
bergischen Volksschule plus Lehre wie die Diako-   verlegt. Hier wurde sie mit der ebenfalls wiederge-
ne, sondern sie hatten in der Regel einen höheren  gründeten Wohlfahrtsschule der Karlshöhe verei-
Schulabschluss. Das war eine sozial ganz andere    nigt und in Trägerschaft der Landeskirche weiter-
Gruppe als die Diakone.                            geführt. Das Angebot der zunächst zweijährigen
                                                   Wohlfahrtsschule wurde 1960 auf drei Jahre aus-
  Die Diakonieschule vermittelte Vollausbildungen gedehnt und Anfang der 60er Jahre wurde daraus
in der diakonischen Arbeit, in der Gemeindearbeit eine Schule für Sozialarbeit und dann eine „Höhere
und in der sozialen Arbeit. „Nach wenigen Jahren Fachschule für Sozialarbeit“. Diese wurde 1970 / 71
wurde die Ausbildung in zwei Züge geteilt, deren in eine Fachhochschule für Sozialarbeit im Aufbau
einer heute (1967, N.C.) noch das Evangelische Di- umgebaut und 1973 mit der entstehenden Fach-
akonieseminar in Denkendorf ist – der andere Zug hochschule in Reutlingen fusioniert.
war der sogenannte >staatliche< zur Ausbildung
der Wohlfahrtspflegerinnen. Der Unterricht in der
Unterstufe war für beide Züge gemeinsam. Motiv: 4 Gerda Schaible, Die Geschichte unserer evangelischen Sozialschule,
die Gemeindehelferinnen sollten die Grundlagen in: prisma. Zeitschrift der Studierenden, Ehemaligen und Freun-
                                                   de der Höheren Fachschule für Sozialarbeit Ludwigsburg, Nr. 14,
der sozialen Ausbildung kennen und um deren Ar- 1967, S.3f.

                1910– 1917                                                   1954-1971

             Gruppenbild eines                                       Evangelische Heimerzieher-
         Gemeindehelferinnen-Kurses,                                schule Reutlingen, ab 1971/73
                 um 1920                                            Evangelische Fachhochschule

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EH - Werkstatt - Evangelische Hochschule Ludwigsburg
2.2 Von der Diakonieschule (bisher diakonisch-ge- 3. Wurzel: Katechetische Seminar der Evangelischen
meindlicher Zug) zum Diakonieseminar Denkendorf Landeskirche in Württemberg (1940-1951)
(1951-1971)
                                                          Der Nationalsozialismus hat auch im Bereich der
  Gegen Ende des Krieges wurde die Diakonie- religiösen Bildung stark eingegriffen. Im Religionsun-
schule aufgrund der Luftangriffe auf Stuttgart nach terricht sollten Teile des Alten Testaments gestrichen
Ludwigsburg verlegt und fand nach kürzerer Unter- und der Unterricht gemäß dem „Sittlichkeitsempfin-
bringung in den Karlshöher Gebäuden in Hoheneck den der arischen Rasse“ gestaltet werden. Das natio-
Unterschlupf. Die Zeit war aber 1951 noch nicht reif, nalsozialistische Kultusministerium legte einen neuen
die Diakonieschule für Frauen mit der Karlshöher Di- Lehrplan für die Volksschule vor, den die Kirche ab-
akonenausbildung zu verbinden. Dies geschah erst 20 lehnte. Die kirchliche Jugendarbeit wurde in die HJ
Jahre später 1971. So wurde die Diakonieschule mit und den BdM integriert. Die evangelischen Kinder-
dem weiblichen Teil des Katechetischen Seminars gärten wurden zurückgedrängt. Die Evangelische Ge-
(vgl. hierzu Nr. 3) verbunden und 1951 unter neuem sellschaft Stuttgart hat im Auftrag der Landeskirche
Namen als „Diakonieseminar Denkendorf“ ins dor- ab 1940 in den Räumen der Karlshöhe, später in der
tige Kloster verlagert. Hier bildete die Landeskirche Gartenstraße Kurse für Ehrenamtliche und neben-
Gemeindehelferinnen und Katechetinnen für ihren amtliche Personen angeboten, daraus entstand das Ka-
eigenen Bedarf in den Kirchengemeinden und -bezir- techetische Seminar, in dem junge Frauen und später
ken sowie im Religionsunterricht aus. Die Plätze im auch Männer für eine kirchliche Unterweisung in den
Diakonieseminar wurden mit Ausnahme der letzten Kirchengemeinden ausgebildet wurden. Das Kateche-
Jahre sehr nachgefragt. Aber in der zweiten Hälfte der tische Seminar hat in der Nachkriegszeit auch haupt-
1960er Jahre stellte sich die Frage, wie angesichts der amtliche Katecheten*innen für den Religionsunter-
anstehenden Akademisierung sowie zunehmender richt qualifiziert und bestand bis 1951. Im Zuge der
Koedukation die Arbeit weitergeführt werden kann. bereits genannten Neugliederung wurde das Kateche-
Das nur für Frauen angebotene Diakonieseminar tische Seminar aufgelöst, die Arbeit aber fortgeführt.
Denkendorf wurde 1971 mit der männlichen Karlshö- Die weibliche Seite wurde mit der Evangelischen Di-
her Diakonenausbildung fusioniert zur „Kirchlichen akonieschule fusioniert zum Diakonieseminar Den-
Ausbildungsstätte für Diakonie und Religionspädago- kendorf und kam nach Denkendorf (vgl. oben 2.2).
gik“ auf der Karlshöhe Ludwigsburg.                     Die männliche Seite wurde mit der Karlshöher Dia-
                                                        konenausbildung (vgl. oben 1.) verbunden. Das heißt
                                                        die Ausbildung der Katecheten, der kirchlichen Reli-
                                                        gionslehrer, war auf der Karlshöhe in und außerhalb
                                                        der Diakonenausbildung. D.h., es wurden Männer auf
                                                        der Karlshöhe für den Religionsunterricht ausgebildet,
                       1971                             die nicht Diakone wurden.

                                                        4. Wurzel: Evangelische Heimerzieherschule Reutlingen
                                                        (1954-1971) ab 1971/73 Evangelische Fachhoch-
                                                        schule 5

                                                          Zu Beginn der 1950er Jahre wurde im „Landesver-
                                                        band der Evangelischen Erziehungsanstalten“, der
            Eine Ausbildungsstätte für
                                                        5 Vgl. zum folgenden G. Häußermann, Bericht über die Gründung
           Diakone und Diakoninnen in                   der Evangelischen Schule für Heimerziehung in Reutlingen, in:
                  Ludwigsburg                           1954 – 1994. 40 Jahre sozialberufliche Ausbildung in Reutlingen,
                                                        Reutlingen 1993, S. 3-12.

                                                                                                                      5
EH - Werkstatt - Evangelische Hochschule Ludwigsburg
sogenannten „Hausväterkonferenz“, deutlich, dass        Gemeindepädagogen an Fachhochschulen in kirchli-
zu wenig ausgebildete Kräfte für die Heimerzie-         cher Trägerschaft auszubilden. „Die Kirche braucht
hung vorhanden waren und eine spezifische Ausbil-       eigene Ausbildungsstätten auf Fachhochschulebene,
dung für die Heimerziehung, mithin die Jugendhilfe,     um in Forschung und Lehre das eigene Verständnis
notwendig ist. Aus dem Kreis der Wohlfahrtspfleger      ihres Dienstes immer neu zu erarbeiten und in der
und der Kindergärtnerinnen wurde mit keinem gro-        Praxis der Gemeindearbeit und der kirchlichen Wer-
ßen Zugang gerechnet und angebotene „Kurzlehr-          ke umzusetzen.“ Die Landessynode beschloss 1971
gänge für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der       und am 1972, die Ausbildung von Sozialarbeitern
Jugendhilfe“ genügten den Anforderungen nicht.          und Sozialpädagogen auf Fachhochschulebene si-
Nach der Diskussion verschiedener Alternativen          cherzustellen, den Trägerverein der Reutlinger Schu-
wurde im März 1954 eine koedukative eigenstän-          le finanziell zu unterstützen und die Aufgaben, die
dige zweijährige Vollzeitschule für Heimerziehung       Studierenden und Dozierenden der Ludwigsburger
in Gebäuden der Gustav-Werner-Stiftung (heutige         Höheren Fachschule / Fachhochschule für Sozialar-
BruderhausDiakonie) geplant, im September reali-        beit (vgl. oben Nr. 2.2) zu übernehmen.
siert und 1956 als Fachschule staatlich anerkannt.
                                                       5. Wurzel: Höhere Fachschule für Sozialpädagogik in
    Das erste Ausbildungsjahr war ein „gelenktes Prak- Aufbauform (1965-1977)
tikum“. Die Fächer Theologie, Berufsethik, Psycho-
logie, Heimerziehungslehre und Jugendhilfe (beides        Für Kindergärtnerinnen wurde in der Schule „An
heute Soziale Arbeit) und Ästhetik sollten folgende     der Kreuzeiche“, Reutlingen eine viersemestrige Hö-
Inhalte haben: „das Heimkind, den Jugendlichen          here Fachschule für Sozialpädagogik in Aufbauform
im Heim, das Heim, den Heimerzieher“. Träger der        eingerichtet, die Jugendleiterinnen, ab 1973 Sozialpä-
Schule wurde der am 29.03.1954 von vielen diako-        dagoginnen mit Fachrichtung Vorschulpädagogik aus-
nischen Einrichtungen gegründete Trägerverein.          bildete. Diese Höhere Fachschule konnte nicht weiter-
Schulleiter war von 1954 bis 1970 Dr. Bernhard          geführt werden und wurde nach einer Übergangszeit
Kraak. Die Schulzeit wurde dann auf drei Jahre ver-     eingestellt. Fachlich hat die Fachhochschule Reutlin-
längert. Bis 1965 haben 145 Frau und 26 Männer die      gen das Thema Vorschulpädagogik weitergeführt.
Schule abgeschlossen. 1969 wurde die Heimerzie-
herschule als Höhere Fachschule für Sozialpädago-       II. Von 1971 bis 2021
gik staatlich anerkannt und bereitete auf Aufgaben in
allen Bereichen der Sozialpädagogik vor. Direkt da-      Von den bislang fünf genannten Ausbildungsstät-
nach wurde der Weg zur Fachhochschule beschritten.

                                                                        1971-2021

                                                                 Begrüßung einer Gruppe von
                                                                 Studierenden im 1. Semester
  Die EKD empfahl am 23.04.1970 den Landeskir-
                                                                       im Oktober 2021
chen, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Religions- und

6
EH - Werkstatt - Evangelische Hochschule Ludwigsburg
ten arbeiteten nach Neuordnungen 1951 und 1971              II.2. Evangelische Fachhochschule für Sozialwesen
noch die Kirchliche Ausbildungsstätte für Diako-            Reutlingen
nie und Religionspädagogik der Karlshöhe und
die Evangelische Fachhochschule für Sozialwesen               Die aus der Reutlinger Höheren Fachschule für
Reutlingen.                                                 Sozialpädagogik / Fachhochschule (vgl. oben I.4)
                                                            und der Ludwigsburger Höheren Fachschule für
II.1. Kirchliche Ausbildungsstätte für Diakonie und Reli-   Sozialarbeit / Fachhochschule (vgl. oben 2.1) fu-
gionspädagogik der Karlshöhe Ludwigsburg                    sionierten Fachhochschule bot ein achtsemestriges
                                                            Studium an. Sie hatte zunächst 80 Studienanfän-
   Die Kirchliche Ausbildungsstätte für Diakonie            gerplätze, diese wurden für einige Jahre auf 110
und Religionspädagogik der Karlshöhe Ludwigs-               erhöht, um 1984 wieder auf 82 gesenkt zu werden.
burg entstand aus der Fusion der männlichen Di-             Gemäß der StuPO von 1980 beinhaltete das Studi-
akonenausbildung mit dem weiblichen Diakonie-               um drei Studienschwerpunkte:
seminar Denkendorf. Die Diakonen- und ab jetzt                I: Sozialarbeit, soziale Beratung und soziale
(!) Diakoninnenausbildung bestand nun aus einer                  Dienste (Abschluss Dipl. Sozialarbeit)
dreijährigen Fachschule „Jugend- und Heimerzie-              II: Sozialpädagogik, pädagogisch therapeutische
her“ inklusive Anerkennungsjahr als Grundaus-                    Arbeit (Abschluss Dipl. Sozialpädagogik)
ausbildung, an die sich die einjährige, ab 1982 die         III: Sozialpädagogik, vorschulische Erziehung, Frei-
zweijährige Hauptausbildung anschloss. Pro Jahr                  zeitpädagogik, Weiterbildung (Abschluss Dipl.
werden maximal 45 junge Frauen und Männern                       Sozialpädagogik).
aufgenommen, denen vier Ausbildungsgänge of-
fen standen: Gemeindediakonie, Religionspädago-       Die Fachhochschule wurde getragen vom „Evan-
gik, Soziale Diakonie und Kirchliche Jugendarbeit, gelischer Verein für sozialberufliche Ausbildung e.V.“
später auch Pflege. Darauf folgte eine zweijährige und finanziert aus Zuschüssen des Landes Baden-
berufsbegleitende Aufbauausbildung.                 Württemberg und der Evangelischen Landeskirche
                                                    in Württemberg. Sie war engagiert im Weiterbil-
   Bereits Ende der 1980er Jahre wurde deutlich, dungsverbund des Diakonischen Werkes und der
dass ein Fachhochschulabschluss für die horizon- Forschung. Die Gründung fiel zeitlich mit der so-
tale und vertikale Bewegung in der Berufsbiogra- genannten 1968er Bewegung und der notwendigen
phie notwendig ist. 1994 wurde die Evangelische Modernisierung der Nachkriegsdeutschlands zusam-
Fachhochschule für Diakonie der Karlshöhe Lud- men. Der Übergang vom Sozial- zum Kultusminis-
wigsburg gegründet. Die Ausbildung zur Diakon*in terium sowie das noch fehlende Hochschulgesetz
findet nun in zwei Studiengängen statt:             ermöglichte die Hochschulgründung als basisdemo-
  1. Studiengang Sozialarbeit und Diakonie (Dipl.- kratisch inspiriertes Projekt. Die Studierenden waren
      Soz.Arb. und Kirchl. Examen) mit einjährigen von der Frauen-, Friedens- und Ökologiebewegung
      Grundkurs Diakonie (2+8-Modell),              geprägt. Um die staatliche Anerkennung zu erhalten,
   2. Doppelstudium Religionspädagogik und Sozi- mussten aber einige Strukturen wie die Semiparität
      alpädagogik (Dipl. Relpäd. und Dipl. Sozpäd.) in Gremien oder die Benotungskala mit zwei Stufen
      im Umfang von ebenfalls zehn Semestern (geeignet – nicht geeignet) zurückgenommen werden.
      (8+2-Modell).
                                                            III. Die fusionierte Evangelische Hochschule Ludwigs-
  Ab 1997 / 98 wurde eine mögliche Fusion mit               burg (1999-2021)
der Evangelischen Fachhochschule für Sozialwesen
Reutlingen diskutiert und von der Landeskirche               Nach der Gründung der Evangelischen Fach-
forciert.                                                   hochschule für Diakonie in Ludwigsburg begann

                                                                                                               7
EH - Werkstatt - Evangelische Hochschule Ludwigsburg
bald eine konflikthafte Diskussion über die Fusion gebot arrondiert. Die Hochschule hat so aktiven
beider Hochschulen. Im Jahr 1999 wurde die Lud- Anteil an der Akademisierung sozialer Beruf. Das
wigsburger Fachhochschule aufgelöst und ihr Stu- heutige Studienangebot spiegelt dies wider. Die
dienprogramm in die Evangelische Fachhochschule Internationalisierung der EH wurde ausgebaut.
für Sozialwesen Reutlingen integriert. Gleichzeitig Die Studierenden wurden immer diverser. Durch
wurde die Reutlinger Fachhochschule nach Lud- die vom Bundesministerium geförderten Projek-
wigsburg verlegt. Damit ist 1999 die Fachhochschu- te „Studium Diakonat in Teilzeit (StuDiT)“ und
le Reutlingen-Ludwigsburg, die heutige Evangeli- „StuDiT+Anrechnung Sozialer Arbeit“ wurden die
sche Hochschule Ludwigsburg, mit den Instituten Herausforderungen diverser Biographien mit der
für Forschung, Fort- und Weiterbildung sowie An- Konzeption „Studium in individueller Geschwin-
tidiskriminierung entstanden. Nach krisenhaften digkeit“ sowie der „Fachstelle Anrechnung außer-
Anfangsjahren und schweren Einsparanstrengun- hochschulischer Kompetenzen“ beantwortet.
gen begann nach der erfolgreichen Institutionelle
Akkreditierung im Jahr 2006 die Umsetzung der so       Auf der Forschungslandkarte der HRK ist die EH
genannten Bolognareform mit Bachelor- und Mas- mit dem Forschungsschwerpunkt „Diversität, In-
terstudiengängen. Gleichzeitig startete die Interna- klusion und Sozialraum“ vertreten. Die EH liefert
tionalisierung.                                       damit den Nachweis als Einrichtung exzellenter
                                                      Forschung.
   Neben dem Aufbau des Studiengangs Frühkind-
liche Bildung und Erziehung waren die 2000er Jah-
re durch die Debatten und Streiks gegen die Studi- Anzeige
engebühren geprägt. Die Studierenden trugen die
Proteste auch in die Landessynode. Die Hochschule
machte sich auf den Weg der Internationalisierung.
Transmissionsriemen der Internationalisierung wa-
ren die beiden neuen Studiengänge Internationale
Soziale Arbeit und Internationale Religionspädago-
gik (vgl. zu Internationalisierung den Artikel von C.
Grimm). Das Institut für Fort- und Weiterbildung
entwickelte den ersten kostenpflichtigen Weiterbil-
dungsmaster der EH: Organisationsentwicklung. –
Leitung und Beratung in sozialen Organisationen“.
Auch die Forschung und das Forschungsinstitut
entwickelten sich in den 2000er Jahren dynamisch.

  In diesen Jahren mussten Räume am Ludwigsbur-
ger Bahnhof und bei Wüstenrot angemietet werden.
Im Jahr 2007 konnte das neue Gebäude A eröffnet
und darauf das Gebäude C saniert werden. Ab 2008
konnte die Hochschule die heutigen Gebäude A, B
und C auf dem Campus nutzen.

  Zwischen 2010 und 2020 wurden die Studien-
gänge Inklusive Pädagogik und Heilpädagogik
sowie Pflege entwickelt und damit das Studienan-

8
50 Jahre EH in globalem Kontext – Eine Spurensuche

Internationalisierung ist Querschnittsaufgabe und auf viele Schultern verteilt

                                                                 nale Lehrinhalte sowie auf internationale Austausch-
                            Dr.
                                                                 formate in den Studiengängen an der Ev. Hochschu-
                            Carmen Grimm
                                                                 le Ludwigsburg und ihren Vorgängerinstitutionen.

                                                                  In der Lehre gibt es vor allem in zwei Themen-
                                                                bereichen eine Auseinandersetzung mit internatio-
                                                                nalen Bezügen. Zum einen wird anhand der Lehr-
                                                                pläne seit den 1970er Jahren ersichtlich, dass die
                                                                Auseinandersetzung mit der eigenen (professionel-
  Global vernetzt von Anfang an: Die Evangelische               len) Rolle in der zunehmend globalen Welt in allen
Hochschule Ludwigsburg und ihre Vorgängerinsti-                 Studiengängen von Bedeutung war. Lehrthemen
tutionen blicken auf eine lange Entwicklung inter-              wie Mission und Entwicklungspolitik greifen diese
nationalen Austausches während der vergangenen                  Fragen auf 1. Ein Beispiel finden wir in der Studien-
fünf Jahrzehnte zurück. Um den Prozess unserer                  und Prüfungsordnung der Evangelischen Schule für
Internationalisierung nachzuzeichnen, haben wir                 Heimerziehung Reutlingen von 1971 (Vorläufige
uns auf eine Spurensuche begeben. Hochschulei-                  Studien- und Prüfungsordnung für das Fachhoch-
gene Dokumente sowie Berichte von (ehemaligen)                  schulstudium 1971: 4). Hier ist „Entwicklungshilfe“
Kolleg*innen und Studierenden zeugen von Mu-                    ein möglicher methodischer Schwerpunkt, den Stu-
tigem, Kuriosem und vor allen Dingen von einem                  dierende im Spezialstudium wählen können. Wei-
großen Engagement von Einzelpersonen in der                     tere Beispiele gibt es in Lehrplänen aus den 1980er
Internationalisierung an den Hochschulen in Lud-                Jahre. Hier ist die Beschäftigung mit „Drittwelt-
wigsburg und Reutlingen. Zugleich spiegeln sich in              ländern“ ein politikwissenschaftliches Wahlfach im
wichtigen Entscheidungen und Inhalten die poli-                 Grundstudium (Evangelische Fachhochschule für
tischen und gesellschaftlichen Herausforderungen,               Sozialwesen Reutlingen 1981: 20).
Ziele und Werte der jeweiligen Epochen.
                                                                1 Dies war natürlich nicht nur in den letzten 50 Jahren der Fall:
 Wir laden Sie ein, uns auf unserer Spurensuche zu Bereits 1910 ist „Heidenmission“ ein Fach in der neugegründeten
begleiten und einen Blick zu werfen auf internatio- Diakonieschule (Evangelische Diakonieschule in Stuttgart 1909: 1,
                                                                III).

                                                                                                                               9
Der zweite internationale Themenkomplex in der Engagement Einzelner und nicht über Leistungsan-
 Lehre ist der Bereich von Migration und Integrati- erkennung integrierter Teil eines Studiums.
 on. Auch hier finden wir Beispiele in den Studien-
 gängen in Ludwigsburg und Reutlingen. Mitte der         Für die strukturelle Verankerung von internatio-
 1970er Jahre werden Migrant*innen als Zielgruppe nalen Studieninhalten und -austauschformen waren
 in wenigen Studienkursen explizit erwähnt. Erwähnt die zunehmende Europäisierung der Hochschulland-
 werden nun (1975) „Gastarbeiter“ (Studienpläne der schaft mit u.a. der Lissabon Konvention (1997) und
 Ev. Fachhochschule für Sozialwesen 1975: 13) oder die stärkere Förderung von Internationalisierungspro-
„Kinder ausländischer Arbeitnehmer“ (Studienpläne zessen an Hochschulen durch Institutionen wie die
 der Ev. Fachhochschule für Sozialwesen 1975: 10). Ab Europäische Union und den Deutschen Akademi-
Anfang der 1980er Jahre spielen Migration und Inte- schen Austauschdienst ausschlaggebend. An der 2000
 gration verstärkt auch eine Rolle in der praktischen neu fusionierten Hochschule in Ludwigsburg wurden
Ausbildung. Beispielsweise werden Praxisanteile in der diese Veränderungen sehr früh aufgegriffen. Die An-
 Sozialarbeit mit „ausländischen Arbeiterkindern“ im erkennung von im Ausland erbrachten Studienleis-
 Studium angeboten (Evangelische Fachhochschule tungen wird nun prüfungsrechtlich geregelt (Evan-
 für Sozialwesen Reutlingen 1981: 47 f.).              gelische Fachhochschule Reutlingen- Ludwigsburg
                                                       Studien- und Prüfungsordnung 2000: §18 Abs 2) und
   Eine nachhaltige internationale Kooperation gab das vom BMBF, DAAD und Stifterverband geförder-
 es an der Ev. Fachhochschule für Sozialwesen im te Projekt „Mainstreaming Internationality as a Com-
 Themenfeld Integration von Menschen mit Behin- prehensive Approach (MICA)“ (2005-2007) führt zu
 derung. Die italienische Psychiatriereform von 1978 einer hochschulweiten strukturellen Verankerung von
 (schrittweise Schließung der psychiatrischen An- Internationalisierung, nicht zuletzt mit der Gründung
 stalten), deren theoretische Grundlagen und Um- eines International Offices und der Entwicklung von
 setzungen wurden in Exkursionen nach Italien und internationalen Studiengängen an der Ev. Hochschule
 in internationalen Arbeits- und Forschungsgruppen Ludwigsburg. In Bezug auf EU Fördermittel pro Stu-
 kennengelernt, erarbeitet und reflektiert.            dierende im 5./6. Fachsemester ist die Ev. Hochschule
                                                       Ludwigsburg im Jahr 2008 deutschlandweit auf Platz
   Neben internationalen Studieninhalten sind inter- 19 aller Hochschulen (DAAD 2008: Liste 8b).
 nationaler Austausch von Fachpersonen und Studie-
 renden ein wichtiger Bestandteil von Hochschulin-       Diese hohe internationale Aktivität erhält die Ev.
 ternationalisierung. Austauschformate gab es an den Hochschule Ludwigsburg bis heute aufrecht. Bis heute
Vorgängerhochschulen der EH Ludwigsburg bereits haben Studierende der Ev. Hochschule Ludwigsburg
 seit den 1970er Jahren. Zu nennen sind etwa die über 800 Mal ein Auslandssemester gemacht, pro Jahr-
 Partnerschaft der Karlshöhe Ludwigsburg mit der gang liegen die Zahlen der Auslandsaufenthalte derzeit
 ökumenischen Jugendorganisation „Young Life“, in- bei 15 bis 20 Prozent der Studierenden. Internationale
 nerhalb der u.a. auf Initiative des US-amerikanischen Studierende und Dozierende aus allen Kontinenten
Theologen und Karlshöher Dozenten, Dr. Darrell gehören zum Hochschulleben dazu und prägen einen
 Guder Studienreisen organisiert wurden (Karlshöhe Campus, auf dem internationale Verständigung gelebt
 Ludwigsburg: 16). An der Ev. Fachhochschule für wird. An der Schnittstelle von Kirche, Gesellschaft
 Sozialwesen in Reutlingen gab in den 1980er und und Wissenschaft hat die Evangelische Hochschule
-90er Jahren Austauschprogramme wie zum Beispiel Ludwigsburg über die letzten 50 Jahre hinweg Inter-
 durch Dr. Samir Akel vermittelte Praktika im Liba- nationalisierung zu einem Querschnittsthema ausge-
 non oder eine vom AStA organisierte Studienreise baut. Der Blick nach hinten festigt die Sicht nach Vorn
 nach Budapest, Partnerstadt der Stadt Reutlingen. auf die Spuren, die auch in den zukünftigen Jahren an
 Diese Austauschformate waren jedoch abhängig vom der Evangelischen Hochschule gelegt werden. ■

10
Quellen                                                              ``KARLSHÖHE LUDWIGSBURG, 2001. Die Stiftung
``DAAD, 2008. DAAD Förderung 2009* im ERASMUS-                         Karlshöhe von 1876 bis 2001: Eine Jahreschronik, Lud-
 Programm (pro Studierende im 5. Und 6. Hochschulse-                   wigsburg. Verfügbar unter: https://www.karlshoehe.de/fi-
 mester)Liste 8b. Verfügbar unter: https://static.daad.de/             leadmin/Dokumente/Allgemein/2013/ZT-07.pdf [zuletzt
 media/daad_de/pdfs_nicht_barrierefrei/der-daad/foerde-                aufgerufen am 28.09.21]
 rung-nach-daad-mitgliedshochschulen/foerderbilanzen-
 2000-2009/2009-8b.pdf [zuletzt aufgerufen am 28.09.21]
``EVANGELISCHE DIAKONIESCHULE IN STUTT-                                Fa k t bo x Inte r na t io na le
 GART, 1909.
                                                                       S o z ia le A r be it
``EVANGELISCHE FACHHOCHSCHULE FÜR SO-
 ZIALWESEN, 1975. Studienpläne der Evangelischen                      Name des Studiengangs           Internationale Soziale
 Fachhochschule für Sozialwesen.
                                                                                                      Arbeit
``EVANGELISCHE         FACHHOCHSCHULE                   REUT-                         Abschluss       Bachelor
 LINGEN-LUDWIGSBURG, 2000. Studien- und Prü-                                 Regel-Studienzeit        7 Semester
 fungsordnung.                                                          Zulassung zum Som-            Zulassung zum Sommer-
``EVANGELISCHE SCHULE FÜR HEIMERZIE-                                   mer- / Wintersemester          und zum Wintersemester
 HUNG REUTLINGEN, 1971. Vorläufige Studien- und                          Bewerbungsfristen            Variiert, wird auf der
                                                                                                      Homepage veröffentlicht
 Prüfungsordnung für das Fachhochschulstudium.
                                                                       Studienanfängerplätze          15
``EVANGELISCHE         FACHHOCHSCHULE                       FÜR
 SOZIALWESEN REUTLINGEN, 1981. Verzeichnis
 ­                                                                      derzeit Studierende in        gesamt 104
                                                                         allen Fachsemestern:
 der Lernveranstaltungen Wintersemester 1981/82.

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          Ein Unternehmen der eva-Gruppe

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          70435 Stuttgart
          Telefon: 0711.273 01-100
          chancen@neuearbeit.de                                                              www.neuearbeit.de

12
Von 2021 in die Zukunft – Wo stehen unsere Studiengänge 2030?

Die Studiengänge „Bildung und Erziehung im Kindesalter“ im Jahr 2031 – Eine
stabile wissenschaftliche Disziplin und eine Profession im Werden
                                                          2021). Nach der Implementierung erster kindheits-
                         Studiengangsleitung
                                                          pädagogischer Bachelorstudiengänge ab 2004 folgten
                         Bachelor Frühkindliche
                                                          bundesweit in einem dynamischen Prozess zahlreiche
                         Bildung & Erziehung,
                                                          Neugründungen, hinzukamen zeitlich verzögert fach-
                         jetzt neu: Bildung und
                                                          spezifische Masterprogramme. Mit rund hundert Stu-
                         Erziehung im Kindesalter
                                                          diengänge hat sich die Studienganglandschaft kon-
                         (Kindheitspädagogik)
                                                          solidiert und die Grundlagen für eine wissens- und
                         Prof. Jens Müller                wissenschaftsbasierten Qualifizierung sind geschaffen.
                                                          Es haben sich Bachelorstudiengänge der Kindheitspä-
                         Studiengangsleitung              dagogik etabliert, die ein disziplinär konturiertes, kind-
                         Master Frühkindliche             heitspädagogisches Curriculum haben, jedoch je nach
                         Bildung & Erziehung, jetzt       Hochschulstandort für bestimmte Schwerpunktberei-
                         neu: Bildung und Erzie-          che, z.B. wie Leitung, digitale Bildung und Medien,
                         hung im Kindesalter              Traumapädagogik, sprachliche Bildung oder Kinder-
                                                          schutz qualifizieren. Die Landschaft der Masterstu-
                         Prof.in Dr.
                                                          diengänge hat sich in der Gestalt etabliert, dass diese
                         Renate Elli Horak
                                                          klare erziehungswissenschaftlich und multidisziplinär
                                                          angelegte Studienprofile wie z.B. Bildungs- und/ oder
  Wie Peter Cloos von der Universität Hildesheim          Managementforschung aufweisen.
und Edita Jung von der Hochschule Emden/ Leer be-
reits vor 10 Jahren beschrieben, hat sich die Pädagogik     Die Ausweitung fachspezifischer Forschung seit
der Kindheit als wissenschaftliche (Teil-) Disziplin in   Beginn der Implementierung kindheitspädago-
Deutschland weitreichend etabliert (vgl. Cloos u. Jung    gischer Studiengänge hat die wissenschaftliche

                                                                                                                13
Wissensproduktion im Bundesgebiet deutlich len das Integrierte Modell, also die Verzahnung mit
 begünstigt. Beigetragen haben hierzu zahlreiche der ErzieherInnenausbildung. Diese AkademikerIn-
 Promotionen, die mittlerweile auch in Promoti- nen können, nachdem sie zuvor eine berufspraktische
 onsverbünden von Hochschulen für Angewandte Ausbildung abgeschlossen haben, in Bezug auf Auf-
Wissenschaften und Universitäten möglich sind. stiegschancen und Bezahlung einen leichten Vorteil
 Die Ausweitung fachspezifischer Forschung hat für sich reklamieren, ein Umstand, der sich schon seit
 zudem entscheidende Impulse für eine Weiterent- mehr als zehn Jahren abzeichnet (vgl. hierzu Theisen
 wicklung im Bereich der öffentlich verantworten 2017). Insgesamt sind bei den Absolventinnen und
 Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kind- Absolventen des Bachelor- und Masterstudiengangs
 heit freigesetzt.                                     nach wie vor kurze Fristen bei der Berufseinmündung
                                                       zu verzeichnen und die Erwerbsquote ist hoch.
   Die Möglichkeit zur Promotion wird auch von Ab-
 solventinnen und Absolventen des Ludwigsburger          Die Infrastruktur der Studiengänge ermöglicht
 Masterstudiengangs gut genutzt und es ist insgesamt eine kontinuierliche Forschung an den beiden
 bundesweit ein deutlicher Anstieg des wissenschaftli- Kooperationshochschulen, von Evaluationsprojek-
 chen Nachwuchses im Bereich der Kindheitspädago- ten und Forschungsprojekten in Kooperation mit
 gik zu verzeichnen. Etliche unserer Absolventinnen Praxiseinrichtungen oder zivilgesellschaftlichen
 und Absolventen sind als akademische Mitarbeiter Organisationen bis zu großen internationalen For-
 in Forschungsprojekten an Hochschulen und Uni- schungsprojekten. Dies könnte auch dadurch geför-
 versitäten bundesweit tätig und es erscheint nur eine dert worden sein, dass die Lehrdeputate an Hoch-
 Frage der Zeit, bis wir uns über die erste Professur schulen für Angewandte Wissenschaften um ein
‚aus unseren Reihen‘ freuen dürfen.                    Drittel reduziert wurden, um intensiver forschen zu
                                                       können. Die damit verbundenen Fachpublikationen
   In Ludwigsburg besteht der grundständige Bache- leisten u.a. einen Beitrag beim Transfer von Wissen
 lorstudiengang Bildung und Erziehung in der Kindheit in die Praxis.
 als gemeinsames Projekt der Evang. Hochschule und
 der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Beide         Während die Disziplin sich stabilisiert und etab-
 entwickelten zugleich mit kooperierenden Fachschu- liert hat, ist die Profession immer noch eine „Pro-

14
fession im Werden“, wie Berlips et al. bereits 2013     ihren Bezugspersonen besondere Aufgaben übernom-
beschrieben haben.                                      men werden (Kooperation mit Grund- und Fachschu-
                                                        len, Qualitäts- und Organisationsentwicklung, Famili-
  KindheitspädagogInnen stoßen seit der Imple-          enbildung und -beratung, Kinderrechte, Kinderschutz
mentierung der Studiengänge bei den Trägern auf         und Partizipation u.a.m.).
eine breite Akzeptanz (vgl. Altermann u. Holmgaard
2016), so dass die Träger seit einiger Zeit begonnen      Zukunft?: Im Tarifsystem werden Kindheitspädago-
haben extra Stellen für KindheitspädagogInnen zu        gInnen seit ein paar Jahren analog zu SozialarbeiterIn-
schaffen und Karrierewege im Beruf aufzuzeigen.         nen eingruppiert. Der Durchbruch der Anerkennung
Die Absolventinnen und Absolventen bringen eine         der Profession gelang im Jahr 2022, als die Hochschu-
spezifische Qualität in Kindertageseinrichtungen        len gemeinsam mit Gewerkschaften und Verbänden
und andere kindheitspädagogische Handlungsfel-          die tarifliche Gleichstellung mit SozialarbeiterInnen
der wie z.B. die Ganztagesbetreuung an Schulen ein,     erreichten. Seitdem werden die Studiengänge noch
indem von ihnen neben der Arbeit mit Kindern und        besser nachgefragt, auch von Männern ;) ■

                          Mein Name ist Amrei und ich studiere Bildung und Erziehung im Kin-
                          desalter (Kindheitspädagogik).

                          Durch den Studiengang, der sehr eng mit der Praxis verknüpft ist, kann
                          ich die gelernte Theorie direkt ausprobieren und Verbindungen zum Be-
                          rufsleben herstellen. Anhand dieser Kombination erhalte ich umfangrei-
                          che und fachspezifische Einblicke, durch die ich sehr viel lerne und mich
                          weiterentwickeln kann.

  Faktbox Bildung und Erziehung im Kindesalter (Kindheitspädagogik)
            Abschlüsse    Bachelor                                  Abschlüsse    Master
      Regel-Studienzeit   Bachelor: 6 Semester                Regel-Studienzeit   Master: 4 Semester
   Zulassung zum Som- Zulassung zum                        Zulassung zum Som- Zulassung zum
  mer- / Wintersemester Wintersemester                    mer- / Wintersemester Wintersemester
     Bewerbungsfristen    wird auf der Homepage              Bewerbungsfristen    wird auf der Homepage
                          veröffentlicht                                          veröffentlicht
 Studienanfängerplätze    B.A. 60                        Studienanfängerplätze    M.A. 30
 zusammen mit der PH                                     zusammen mit der PH
          Ludwigsburg                                             Ludwigsburg
    derzeit Studierende   Bachelor: gesamt 149              derzeit Studierende   Master: gesamt 21
              an der EH                                               an der EH
 Studiengangsleitungen    Bachelor: Prof. Jens Müller    Studiengangsleitungen    Master: Prof.in Dr.
                                                                                  Renate Elli Horak

                                                                                                            15
Die Studiengänge Diakoniewissenschaft: Diakonische Praxis im sozialen Wandel
                                                        Konkretisierung treten nicht in Konkurrenz, sondern
                         Studiengangsleitung
                                                        bereichern sich gegenseitig.
                         Master und Bachelor
                         Diakoniewissenschaft
                                                          Immer wieder zu diskutieren sind strukturelle Fra-
                         Prof. Dr.                      gen. Blickt man auf die letzten 50 Jahre zurück, so
                         Björn Görder                   sieht man schnell, dass die Struktur des Studiums
                                                        nicht in Stein gemeißelt ist. Zulassungsvoraussetzun-
                                                        gen, doppelter Bachelor und das Verhältnis zu den
                                                       „benachbarten“ Studiengängen werden immer wieder
   „Was willst Du, das ich Dir tue?“ Diese Frage Jesu   neu überdacht werden müssen. Dabei müssen gesamt-
 an einen Blinden kann ein Vorbild dafür sein, wie      gesellschaftliche Entwicklungen wie eine zunehmen-
Kirche und Diakonie den Menschen unserer Zeit           de Pluralisierung ebenso berücksichtigt werden wie
begegnen. Dies erfordert zunächst, dass qualifizierte  Veränderungen in der Bildungslandschaft. So ist auch
Mitarbeitende sensibel unterschiedliche Bedürfnisse     die Frage nach einem attraktiven Anschluss an ver-
wahrnehmen: physische und psychische, soziale und       schiedene Masterstudiengänge im Blick zu behalten.
geistliche. Und dann braucht es die Kompetenzen,
 darauf adäquat zu reagieren: beratend und bildend,      Der Bachelorstudiengang Diakoniewissenschaft
mit tragfähigen Netzwerken im Sozialraum, in Seel- wird vermutlich in 10 Jahren nicht dieselbe Form ha-
 sorge und Verkündigung. Diakoninnen und Diakone ben wie heute. Aber es werden weiterhin Diakonin-
werden mit einer doppelten Qualifikation auf diese nen und Diakone mit doppelter Qualifikation und auf
multiperspektivische Aufgabe vorbereitet und kön- wissenschaftlichem Niveau ausgebildet werden. Das
nen zum Segen für Gesellschaft und Kirche werden jedenfalls sollte das Ziel einer evangelischen Hoch-
– als Jugendreferentinnen und Gemeindediakone, in schule sein, die junge Studierende auf einen zeitlosen
 diakonischen Bezirksstellen und Werken und an vie- Auftrag vorbereitet: Menschen in unterschiedlichen
len anderen Orten.                                     Altersgruppen und Lebenslagen im Geiste Jesu zu be-
                                                       gegnen und dabei die vielschichtige Frage im Blick zu
    Dies gehört zur Tradition der Evangelischen haben: „Was willst du, das ich Dir tue?“■
Hochschule – genauso wie die Tatsache, dass Inhalte
und Format des Studiums kontinuierlich weiterent-
wickelt werden. Auf einige Entwicklungsziele hat
 sich die Fachgruppe Diakoniewissenschaft bereits
verständigt: Soziale und theologische Fachlichkeit
 sollen noch stärker als bisher integriert und auf-
 einander bezogen werden. Was bedeutet es, wenn
 eine Beratung oder Vesperkirche im Horizont eines
christlichen Selbstverständnisses durchgeführt wird?
Und wie prägt es unser theologisches Denken und
Reden, wenn wir Begriffe wie Rechtfertigung und
Gottesreich angesichts von Armut, Krankheit oder
Gefängnisstrafen bedenken? In diesem Zuge sollen
 auch die bereits bestehenden Praxisbezüge weiter ge-
 stärkt werden. Schließlich ist dies ein Markenzeichen
 der EH: Wissenschaftliche Reflexion und praxisnahe Ein zentraler Punkt für alle Studierenden: die Bibliothek.

16
den. Für die Hochschule selbst entstehen durch
                                                           den Masterstudiengang Forschungsfelder und ein
                                                           inspirierender Austausch zwischen Wissenschaft
                                                           und den aktuellen Herausforderungen diakoni-
                                                           scher Praxis.

                                                             Der Studiengang lebt von den Ideen und der
                                                           Begeisterungsfähigkeit der Studierenden. Schon
                                                           deswegen ist nicht vorherzusehen, wohin genau
                                                           die Reise gehen wird. Wir stehen am Anfang eines
                                                           Weges – doch dieser verheißt Spannendes für die
                                                           kommenden Jahre! ■

Der neue Master Diakoniewissenschaft
  Sollte ich für einen Studiengang, der gerade einmal
ein halbes Jahr alt ist eine 10-Jahresperspektive zeich-     Fa k tbo x
nen? Blick ich auf das, was bereits in wenigen Mona-         Dia k o nie w is s e ns c ha f t
ten gewachsen ist, bekomme ich jedenfalls Lust darauf.
                                                                       Name des     Diakoniewissenschaft
                                                                    Studiengangs
  In der Diakonischen Innovationswerkstatt ent-
                                                                       Abschluss    Bachelor
wickeln Studierende ein Projekt, mit dem sie auf
                                                                Regel-Studienzeit   7 Semester; bei Einsegnung
neuartige Weise Menschen unterstützen: In einem                                     ins Diakonat weitere 2
Jugendwerk werden ehrenamtliche Jugendkreislei-                                     Semester im Studiengang
                                                                                    Soziale Arbeit
ter geschult, sensibel mit Krisen und seelsorgerli-
                                                            Zulassung zum Som-      Zulassung zum Winter­
chen Fragen umzugehen. Pflegende Angehörige                 mer- / Wintersemester   semester
tauschen sich unter Anleitung über ihren Alltag aus.              Bewerbungsfrist   wird auf der Homepage
Dabei erfahren sie Wertschätzung für das, was sie                                   veröffentlicht
leisten, und entdecken ihre Kraftquellen. Menschen          Studienanfängerplätze   30
mit Behinderung bekommen digitale Geräte und                derzeit Studierende in  gesamt 38
                                                             allen Fachsemestern:
lernen neue Teilhabemöglichkeiten.
                                                                        Abschluss Master
                                                                Regel-Studienzeit   3 Semester
  So zeichnen sich Wege ab, die in die Zukunft
                                                            Zulassung zum Som-      im Aufbau
führen: Möglichkeiten zu Kooperationen mit di-
                                                            mer- / Wintersemester
akonischen Trägern, Kirchenbezirken oder Kir-                 derzeit Studierende   7 Studierende
chengemeinden; das Potenzial einer Diakoniewis-              Studiengangsleitung    Prof. Dr. Björn Görder
senschaft, die zwischen theologischer und sozialer
Fachlichkeit vermittelt sowie ein praxisnahes Mas-
terstudium, das Absolvent*innen für fachlich und
konzeptionell herausfordernde Tätigkeiten vorbe-
reitet – insbesondere in der Diakonie oder multi-
professionellen Teams im Raum der Kirche. Es ist
damit zu rechnen, dass wie in vielen anderen Berei-
chen Masterabschlüsse an Hochschulen für ange-
wandte Wissenschaften auch für Absolvent*innen
der EH eine zunehmende Bedeutung haben wer-

                                                                                                             17
Master „Management, Ethik und Innovation im Nonprofit-Bereich“ (MEINB)
                                                   Programm „Diversity Management und systemi-
                     Studiengangsleitung           sche Organisationsentwicklung“.
                     Master Management,
                     Ethik und Innovation im         Er stellt Themen in den Mittelpunkt, deren Be-
                     Nonprofit-Bereich             deutung in den kommenden Jahren eher zu- als
                      Prof. Dr. Björn Görder       abnehmen werden: die Gestaltung lernender Or-
                                                   ganisationen in einer dynamischen Umwelt, den
                                                   Umgang mit Heterogenität, die Vermittlung zwi-
                                                   schen Wirtschaftlichkeit und sozialem Auftrag
                                                   und die Entwicklung personaler Leitungskom-
                                                   petenzen. Als Weiterbildungsmaster entspricht
                                                   er der Bedeutung und den Chancen lebenslangen
                                                   Lernens. Die Anforderungen der Umwelt gelten
                                                   natürlich auch für das Studienprogramm selbst: So
                                                   bedürfen auch Inhalte und Lehrformate des Stu-
                                                   diengangs angesichts von Veränderungsprozessen
                                                   wie der Digitalisierung oder der zunehmende Be-
                                                   deutung ökologischer Nachhaltigkeit einer konti-
                                                   nuierlichen Weiterentwicklung.

                                                     Nicht zuletzt weist auch die kooperative Struktur
  Gemeinsam mit den Evangelischen Hochschu-        des Masters in die Zukunft: Die interne Zusam-
len in Freiburg und Darmstadt sowie dem Dia-       menarbeit zwischen Hochschullehre und dem Ins-
koniewissenschaftlichen Institut der Universität   titut für Fort- und Weiterbildung ist dabei ebenso
Heidelberg bietet die EH den Weiterbildungs-       im Blick wie das Netzwerk von Hochschulen im
master MEINB an. Eng verbunden ist dieser          Südwesten. Forschung und Lehre können von sol-
Studiengang mit dem Weiterbildungsprogramm-        chen Kooperationen nur profitieren. ■

18
Inklusive Pädagogik und Heilpädagogik im Dialog: 10 Jahre vor und zurück

                        Studiengangsleitung            Ganzes – so Martin Buber schon vor hundert Jahren
                                                       in seinem Werk “Ich und Du“.
                        Inklusive Pädagogik und
                        Heilpädagogik
                                                           Gleichwohl bleibt, pädagogisch gesehen, die
                        Prof.‘in Kristina Kraft         „Spiegelung im Zwischenmenschlichen“ zentral,
                                                         da nach Ursula Horsch (2007) jeder Mensch –
                                                         vom Lebensbeginn an und durchgehend – auf ein
                                                         dialogisches Echo angewiesen ist. Was bedeutet
                                                         das, wenn Menschen – auf den ersten Eindruck
    Der Studiengang „Inklusive Pädagogik und             hin – schwer erreichbar wirken, bspw. im Spiel mit
 Heilpädagogik“ (IPHP) wurde vor 10 Jahren – im Kindern, die als mutistisch oder als schwermehr-
 Wintersemester 2011/12 – an dieser Hochschu- fach-behindert gelten oder in der Zusammenar-
 le zum ersten Mal angeboten. Den strukturellen beit mit Jugendlichen, die durch traumatisierende
 Kern einer Theorie-Praxis-Verbindung dieses Stu- Fluchterfahrungen gezeichnet sind oder aber in
 dienganges bilden verschiedene Projekt-Module der Begleitung von Menschen im Wachkoma?
– jeweils mit eigener Überschrift –, die durch The-
 orie-Module vorbereitet und durch Projekt-Be-             Für solche Herausforderungen ist der Grundbe-
 gleitseminare unterstützt werden (unsere Modul- griff „Dialog“ theoretisch zu entfalten. Daher wird
„Landkarte“ ist abgebildet auf Seite 5:                  schon im 1. Semester (v.a. im Modul „Basiskate-
                                                         gorien“) dieser Terminus mit seinem Netzwerk
       https://www.eh-ludwigsburg.de/fileadmin/user_up- angrenzender Begriffe (wie z.B. „Reziprozität“ u.
 load/Studium/Studiengaenge/Bachelorstudiengaenge/In- „Resonanz“) und diesbezüglicher praktischer Pro-
 klusive_Paedagogik___Heilpaedagogik/A_Modulhand- bleme (bspw. „Empathiefallen“) erarbeitet. Ziel ist
 buch_IPHP-neu_2017-10-31_03.pdf)                        u.a., Dialog von Kommunikation unterscheiden
                                                         und ihn unter Bedingungen von Ungleichheit re-
   Als Ausschnitt soll die sich bislang bewährte Ar- flektieren zu können (siehe Modul 9: „Perspekti-
 beitsidee der ersten beiden Projekte, für die sich die ven auf Gleichheit und Differenz“).
 IPHP-Studierenden jeweils einen Praxisort zu su-
 chen haben, nachfolgend angedeutet werden. Das 1.
 Projekt (im zweiten Semester) trägt die Überschrift
„Dialogische Annäherung“. Dieses Motto klingt un-
 mittelbar nach einem Auftrag, einem Handeln in
 der Praxis, hat‘s aber in sich … . So gilt nicht nur,
 am Projektort (z.B. in einem Kindergarten) dorti-
 ge 1:1-Kommunikationssituationen zu beobachten,
 sondern existierende bzw. fehlende Bedingungen
 einer dialogischen Qualität, die das Entstehen eines
 gemeinsam geteilten Bedeutungsraumes ermög-
 lichen, aufzuspüren. Zugleich verweist das Motto
„Dialogische Annäherung“ eher auf pädagogische
 Bescheidenheit, denn wenn ein „Ich“ einem „Du“
 begegnen will, kann es dabei immer nur Anteile der        Im dritten Semester gilt es, in einem 2. Projekt
 anderen Person annähernd erfassen, nie das „Du“ als (Überschrift „Fallanalyse“) – u.a. mittels systema-

                                                                                                        19
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