Verantwortung tragen - Zukunft gestalten - Nachhaltigkeitsbericht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - Bundesregierung
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Verantwortung tragen - Zukunft gestalten Nachhaltigkeitsbericht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Verkehr www.bmvbs.de Mobilität Bauen Wohnen Stadt Land Verkehr Mobilität Bauen Wohnen Stadt www.bmvbs.de Land Verkehr Mobilität Bauen Wohnen Stadt Land Verkehr Mobilität Bauen www.bmvbs.de
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS Grußwort Schlage nur so viel Holz ein, wie der Wald verkraften kann! So viel Holz, wie nachwachsen kann!“ Mit diesen Worten veranschaulichte Hans-Karl von Carlowitz in einem Buch über die Forstwirtschaft be- reits im Jahre 1713 das Vorgehen, das wir heute als nachhaltiges Han- deln bezeichnen. Motivation für Carlowitz war damals das umfang- reiche Abholzen von Wäldern durch den Bergbau, das zu Problemen bei der Holzversorgung führte. Heute stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Zukunftsfähigkeit unseres Handelns in vielen Bereichen. Auch wenn der Begriff der Nachhaltigkeit gelegentlich überstrapaziert wird, so kann an der Not- wendigkeit nachhaltigen Handelns kein Zweifel bestehen. Die Bundesregierung stellt sich dieser Aufgabe. „Jede Generation muss ihre Aufgaben selbst lösen und darf sie nicht den kommenden Genera- tionen aufbürden. Zugleich muss sie Vorsorge für absehbare zukünf- tige Belastungen treffen.“ So lautet eine Grundregel der Nachhaltig- keitsstrategie der Bundesregierung. Bei den Entscheidungen, die wir heute für Wirtschaft, Umwelt und Ge- sellschaft treffen, müssen wir immer auch das Wohlergehen künftiger Generationen im Auge haben. Es muss uns darum gehen, Umwelt, Le- bensqualität und sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft zu erhal- ten. Das gilt für die kommunale und Landesebene genauso wie für den Bund. Vor allem darf Nachhaltigkeit kein schmückendes Etikett sein, sondern muss in der Praxis anhand klarer Bewertungsregeln ganz konkret verankert werden und nachweisbar sein. Genau hieran arbeiten wir. In den Bereichen Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung stellen wir uns einer großen Bandbreite von Zukunftsthe- men, bei denen Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle spielt. Wir tragen dabei die Verantwortung, zum Teil gegensätzlich erscheinende Anfor- derungen auszutarieren und Mobilität, Bauen und Wohnen zukunfts- fest zu machen. Und wir setzen Anreize zu nachhaltigem Verbraucher- verhalten. Auf viele Beispiele wird in dem vorliegenden Nachhaltig- keitsbericht hingewiesen. Nachhaltiges Handeln darf nie ein bloßer Appell an andere sein. Sie fängt bei uns selbst an. Deshalb ist es mir ebenso wichtig, diesem Prin- zip auch in unserem eigenen Verwaltungshandeln Rechnung zu tra- gen. Dieser Nachhaltigkeitsbericht behandelt daher nicht nur interes- sante Projekte und langfristige Strategien, sondern verdeutlicht auch, wie wir uns selbst als Teil der Bundesverwaltung zu einer „nachhalti- gen Verwaltung“ entwickeln. Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich eine interessante Lektüre und neue Anregungen, im eigenen Lebens- und Arbeitsumfeld Mög- lichkeiten nachhaltigen Handelns zu finden! Dr. Peter Ramsauer MdB Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS Inhalt Einleitung ........................................................................................ 7 1. Nachhaltige Mobilität .................................................................. 9 1.1 Mehr Effizienz, neue Technologien, weg vom Öl 1.2 Leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur 1.3 Reduzierung der Flächeninanspruchnahme 1.4 Mehr Schutz vor Verkehrslärm 1.5 Elektrifizierung der Antriebe 1.6 Positive Entwicklungen in der Schifffahrt und im Luftverkehr 1.7 Klima schonend mobil mit ÖPNV und Rad 2. Nachhaltig Bauen, Umbauen und Sanieren ............................ 25 2.1 Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm 2.2 Wohnungsbestand altersgerecht umbauen 2.3 Der Bund als Vorbild für Nachhaltigkeit und Baukultur 2.4 Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) 2.5 Vom Energiesparen bis zum Plus-Energie-Haus 3. Integrierte Stadtentwicklung und Raumordnung ................ 29 3.1 Die Stadt von morgen bauen 3.2 Maßgeschneidert: Unsere Programme der Städtebauförderung 3.3 Raumordnungspolitik zur Anpassung an den Klimawandel 4. Kurs auf Nachhaltigkeit .............................................................. 34 4.1 Nachhaltigkeit braucht Struktur 4.2 Im Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern 4.3 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 4.4 Schöpfung bewahren - Ressourcen schonen 5. Auf einen Klick ............................................................................. 44 Abbildungsverzeichnis ............................................................... 45
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 7 Einleitung Der Begriff „Nachhaltige Entwicklung“ steht seit der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro und der Veröffentlichung des Abschlussdokuments, der Agenda 21, im Mittelpunkt der Politik. Für die Agenda 21 bedeutet Nachhaltigkeit nicht nur der zukunftsfähige Umgang mit regionalen und globalen Ökosystemen, sondern auch nachhaltiges Wirtschafts- wachstum, Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialer Zu- sammenhalt und internationale Verantwortung. Im April 2002 wurde die nationale Nachhaltigkeitsstrategie „Perspek- tiven für Deutschland“ verabschiedet. Man spricht vom Zieldreieck der Nachhaltigkeit: • Ökologische Nachhaltigkeit bezeichnet eine Lebensweise, die keinen Raubbau an der Natur betreibt, sondern die natürlichen Lebensgrundlagen nur in dem Maße beansprucht, wie diese sich regenerieren oder ersetzen lassen. • Ökonomische Nachhaltigkeit bedeutet, dass eine Gesellschaft wirtschaftlich nicht über ihre Verhältnisse lebt, da dies zwangs- läufig zu Nachteilen für kommende Generationen führen würde. • Soziale Nachhaltigkeit zielt auf Generationengerechtigkeit. Dazu gehören die Gewährleistung sozialer Sicherheit und die Umsetzung von Chancengleichheit.
8 NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS Das Kyoto-Protokoll wurde 1997 als Inzwischen ist das Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung das inter- Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung nationale Leitbild für das 21. Jahrhundert. Die Jubiläumskonferenz in der Klimarahmenkonvention der Rio im Jahr 2012 - zum zwanzigsten Jahrestag des sogenannten „Erd- Vereinten Nationen (UNFCC) be- gipfels“ von 1992 - soll nach dem Willen der Vereinten Nationen der schlossen. Das Protokoll trat am 16. Weltöffentlichkeit die Ziele und Maßnahmen für eine nachhaltige Ent- Februar 2005 in Kraft und enthält wicklung nochmals verdeutlichen. völkerrechtlich verbindliche Ziel- werte für den Ausstoß von Treib- Peter Ramsauer: „Aufgrund meiner Herkunft und meiner beruflichen hausgasen in den Industrieländern Prägung ist die Bewahrung der Schöpfung für mich Aufgabe und Verpflich- bis 2012. tung zugleich. Nachhaltigkeit ist für mich deshalb ein Lebensprinzip.“ Auf der Weltklimakonferenz der Der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung leitet und Vereinten Nationen in Kopenha- verantwortet die Arbeit des Fachressorts und dessen insgesamt 69 gen (7. - 19. Dezember 2009) konnte nachgeordneten Behörden mit rund 26.000 Beschäftigten. kein verbindliches Klimaabkom- men verabschiedet werden, son- An seinen zwei Standorten Berlin und Bonn hat das Ministerium insge- dern nur die sogenannte „Kopen- samt knapp 1.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zusammen mit hagen-Vereinbarung“ (Copenha- den nachgeordneten Behörden tragen sie Verantwortung für einen gen Accord). Luft- und Seeverkehr Gesamtetat von über 26 Milliarden Euro. Vertreter des Ministeriums sind nicht Bestandteil der Kopen- nehmen zudem die Interessen des Bundes als Eigentümer bzw. Mitei- hagen-Vereinbarung; entgegen gentümer bei Unternehmen im Verkehrs-, Bau- und Wohnungsbe- der Forderung der EU konnten hier reich, zum Beispiel bei Flughafen- und Wohnungsbaugesellschaften, keine (sektorspezifischen) CO2-Re- wahr. duktionsziele vereinbart werden. Ein Jahr nach dem Kopenhagener Klimagipfel fand in Cancún/Me- xiko (29. November - 10. Dezember 2010) die Nachfolgekonferenz mit 194 beteiligten Staaten statt. Es wurde ein Verhandlungspaket be- schlossen, dass als wichtiger Mei- lenstein auf dem Weg zu verbindlichen globalen Klima- schutzmaßnahmen gilt. „Je früher in der Nachhaltigkeitspoli- tik und in der Klimapolitik die Wei- chen richtig gestellt werden, desto einfacher lassen sich notwendige Veränderungen durchsetzen.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der 10. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung am 27.09.2010 in Berlin
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 9 1. Nachhaltige Mobilität 1.1 Mehr Effizienz, neue Technologien, weg vom Öl Mobilität ist eine Voraussetzung für Beschäftigung, Wohlstand und persönliche Freiheit. Zugleich müssen der Energie- und Ressourcen- verbrauch und die durch den Verkehr verursachten Belastungen für Mensch und Umwelt minimiert werden. Die zentrale Herausforde- rung einer nachhaltigen Verkehrspolitik besteht deshalb darin, den Verkehr so zu organisieren, dass Mensch, Umwelt und Klima so wenig wie möglich belastet werden. Durch gute politische Rahmenbedingungen soll Mobilität ermöglicht und nicht verhindert werden. Mobilität muss auch in Zukunft für alle bezahlbar bleiben und ein Höchstmaß an Sicherheit gerade für die schwächeren Verkehrsteilnehmer bieten. Unser Ziel ist ein leistungsfä- higes und zugleich sicheres und umweltfreundliches Verkehrssystem, in dem jeder Verkehrsträger seine Stärken zur Geltung bringen kann und in dem die Verkehrsträger bestmöglich miteinander verzahnt sind.
10 NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS Mit dem Aktionsplan Güterverkehr und Logistik sorgen wir beispiels- weise dafür, dass Gütertransporte, wo immer dies möglich und wirt- schaftlich sinnvoll ist, auf Schiene und Wasserstraße realisiert werden. Wir wollen geeignete Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbe- werb innerhalb der Verkehrsträger und zwischen diesen schaffen, und wir setzen dabei auf den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Der Verkehrssektor leistet in Deutschland bereits heute einen aktiven Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz. Es ist gelungen, den Energie- verbrauch und den Ausstoß an Treibhausgasen pro zurückgelegtem Kilometer in den vergangenen Jahren deutlich zu senken. Die Entkopplung von Verkehrswachstum und Energieverbrauch steht auch in den kommenden Jahren ganz oben auf der Agenda. Die Sicherstellung einer zuverlässi- gen, wirtschaftlichen und umwelt- *¾WHUWUDQVSRUWLQWHQVLW¦W verträglichen Energieversorgung %UXWWRLQODQGVSURGXNW *ØWHUEHIÒUGHUXQJVOHLVWXQJ *ØWHUWUDQVSRUWLQWHQVLWÀW ist eine der größten Herausforde- SUHLVEHUHLQLJW (QHUJLHYHUEUDXFK (QHUJLHYHUEUDXFK MH 7RQQHQNLORPHWHU rungen des 21. Jahrhunderts. Des- halb hat die Bundesregierung 2010 ein Energiekonzept vorgelegt. Darin wurde erstmals auch ein Energieeinsparziel für den Ver- kehrssektor vereinbart: „Im Ver- kehrsbereich soll der Endenergie- =LHO verbrauch bis 2020 um rund 10 Pro- =LHO zent und bis 2050 um rund 40 Pro- zent gegenüber 2005 zurückgehen.“ 'DWHQ RKQH )OXJYHUNHKU 5RKUOHLWXQJ XQG 1DKYHUNHKU GHXWVFKHU /.: NP
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 11 Nachdem die Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen erfolgreich Seit dem 01.07.2009 wird bei Neu- gesenkt werden konnten, gilt es nun, weitere Fortschritte bei der Ab- wagen der CO2-Ausstoß bei der senkung der CO2-Emissionen und bei der Steigerung der Energieeffi- Kfz-Steuer berücksichtigt. zienz zu erzielen. Anteil der CO2- Emissionen 2008 Darüber hinaus bieten niedrige Geräuschgrenzwerte für Kraftfahrzeuge die größte Chance, bereits die Entstehung Energiewirtschaft 9% 5% von Verkehrslärm und entsprechende Belästigungen flä- Verarbeitendes Gewerbe 17% 41% chendeckend zu vermeiden. Verkehr Haushalte und Kleinverbraucher Dieser erfolgreich eingeschlagene Weg aus Effizienzstei- Industrie gerung und wachsendem Anteil an alternativen Antrie- 18% 11% Andere ben und Kraftstoffen soll fortgesetzt werden. Effizienzsteigerungen im Verkehrssystem haben positive ökologische Effekte, indem sie den Bereits seit 2006 fördert die Bun- Energieverbrauch und die Belastungen für Klima und Umwelt redu- desregierung den nachträglichen zieren. Sie können dazu beitragen, die Kosten für die Mobilität zu sen- Einbau von Partikelminderungssy- ken, Unternehmen und Verbraucher finanziell zu entlasten, die Wett- stemen in Diesel-Pkw. Rund bewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken und die Nachhaltigkeits- 500.000 Pkw wurden bis Ende ziele im Verkehrssektor zu erreichen. Mehr Effizienz und mehr alterna- 2009 nachgerüstet. 2010 haben wir tive Kraftstoffe und Antriebe markieren die Erfolge auf dem Weg „weg das Förderprogramm auf leichte vom Öl“. Nutzfahrzeuge ausgeweitet. Elektrifizierung Elektrifizierung Reduktion R Re duktion Reduktion Reduktionn der Antriebe: CO2 Mineralöl- Mineralöl- BZ&H2 Batterie; BZ &H2 Emissionen missionen verbrauc verbrauchh Synthetische Sy nthetische Kraftstoff-- K Kraftstoff Hybrid- Hybrid- i Biokraftstoffe v verbrauc verbrauchh Technologie Technologie logie ((z.B. BTL) z.B. BT L)) Beimischung Erdgas Erd gas herkömmlicher herkömml icher Biokraftstoffe Verbesserung Verbe b sserung herkömmlicher herkömml kömmlicher Antriebe heute mittelfristig mittelfris lfristig llangfristig angfristig ffossil fossi il erneuerbar e erneuerb baar So wird Deutschlands Abhängigkeit von Ölimporten gesenkt und so werden die Versorgungssicherheit und die Unabhängigkeit von der Ölpreisentwicklung gestärkt.
12 NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS Elektromobilität: Vielfalt der technischen Möglichkeiten Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz im Verkehrsbereich • Förderung technologischer Innovationen, insbesondere Fortent- wicklung konventioneller Antriebstechnologien sowie alternativer Kraftstoffe im Rahmen der „Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie“ und Entwicklung neuer elektrischer Antriebe mit Batterie und Brennstoffzelle (www.now-gmbh.de); • Optimale Nutzung der Kapazitäten bestehender Verkehrswege durch Verkehrsmanagementsysteme und effizientes Baustellen- management im Bereich der Bundesfernstraßen; • Vorrang Erhalt vor Neu- und Ausbau der Verkehrswege, um den Substanzverlust der Verkehrsinfrastruktur zu stoppen und das effi- ziente Funktionieren des Gesamtverkehrssystems dauerhaft zu ge- währleisten; • Gezielte Prioritätensetzung beim Aus- und Neubau von Verkehrsin- frastruktur zugunsten derjenigen Investitionen, die am dringend- sten erforderlich sind und bei denen der höchste gesellschaftliche und wirtschaftliche Nutzen erzielt wird; • Verbesserte Organisation von Güterverkehr und Logistik auf der Grundlage des Aktionsplans Güterverkehr und Logistik; • Stärkung des Wettbewerbs im Verkehrssektor, zum Beispiel durch die geplante Zulassung des Fernbuslinienverkehrs.
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 13 Ziel aller dieser Maßnahmen ist die weitere Entkopplung von Ver- kehrswachstum und Energieverbrauch. 3HUVRQHQWUDQVSRUWLQWHQVLW¦W %UXWWRLQODQGVSURGXNW 3HUVRQHQEHIÒUGHUXQJV 3HUVRQHQWUDQVSRUWLQWHQVLWÀW SUHLVEHUHLQLJW OHLVWXQJ (QHUJLHYHUEUDXFK (QHUJLHYHUEUDXFK MH 3HUVRQHQNLORPHWHU =LHO =LHO
14 NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 1.2 Leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur Eine verantwortungsvolle Verkehrspolitik muss durch gezielte Infra- strukturinvestitionen Rahmenbedingungen für eine sichere und rei- bungslose Mobilität sicherstellen. Investitionen in die Verkehrsinfra- struktur sichern zudem die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen und sorgen für die Stärkung strukturschwacher Räume. Verantwortungs- volle Verkehrspolitik bedeutet aber auch, die infrastrukturpolitischen Entscheidungen mit den Zielen der Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Die Bedeutung von Neubaumaßnahmen nimmt gegenüber Erhal- tungs- und Ausbaumaßnahmen immer weiter ab. Bereits heute liegt der Schwerpunkt der Investitionen im Bereich der Erhaltung und Mo- dernisierung der Bestandsnetze von Straße, Schiene und Wasserstraße. Im aktuellen Bundesverkehrswegeplan 2003 ist ein Anteil von 56 Pro- zent der Investitionen für die Erhaltung des Verkehrsnetzes vorgese- hen. Der Bau neuer Infrastrukturprojekte ist oftmals mit hohen Zerschnei- dungswirkungen verbunden.
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 15 Der sinkende Anteil der Neubaumaßnahmen trägt zum Erhalt unzer- schnittener Lebensräume und zur Begrenzung des Flächenverbrauchs Wiedervernetzung von Lebens- bei, zu der sich die Bundesregierung im Rahmen der Nationalen Nach- räumen haltigkeitsstrategie und der Nationalen Strategie zur biologischen Beim Neu- und Ausbau von Bun- Vielfalt verpflichtet hat. desfernstraßen ist es inzwischen gängige Praxis, Zerschneidungen Angesichts des prognostizierten Wachstums insbesondere im Güter- von regelmäßig genutzten We- verkehr wird es allerdings nicht möglich sein, auf Neu- und Ausbau- gen für Tiere zu vermeiden. Hier- maßnahmen zukünftig generell zu verzichten. zu werden so genannte Querungs- hilfen wie zum Beispiel Amphi- biendurchlässe oder Grünbrük- ken gebaut. Solche Querungshil- fen helfen auch bereits bestehen- de Zerschneidungen durch Stra- ßenbau zu beseitigen und so die Lebensräume zahlloser Tierarten wieder zu vernetzen. Derzeit gibt es in Deutschland 51 Grünbrücken, weitere 20 sind im Bau, mindestens weitere 55 Grün- brücken werden derzeit geplant. Allein 18 Grünbrücken wurden oder werden als Wiedervernet- zungsmaßnahme errichtet. Durch den Ausbau wichtiger Verkehrsachsen und durch die gezielte Beseitigung von Engpässen auf stark belasteten Verkehrsverbindun- gen können die Leistungsfähigkeit erhöht, Staus reduziert und CO2- Emissionen vermindert werden. Die Beachtung von Nachhaltigkeitskriterien ist Teil der Investitions- strategie des BMVBS. In der Bundesverkehrswegeplanung werden be- reits Lärm- und Abgasbelastungen (inklusive CO2) als Bestandteile der Nutzen-Kosten-Analyse betrachtet. Außerdem werden in Umweltri- siko- und Flora-Fauna-Habitat-Verträglichkeitseinschätzungen (FFH) weitere Umwelt- und Naturschutzaspekte erfasst. Gegenstand der Be- wertungen sind die Auswirkungen geplanter Verkehrsprojekte auf die Schutzgüter Natur und Landschaft, Wasser und Boden, Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen. Damit wollen wir gewährleisten, dass schon in einem frühen Planungsstadium mögliche Konflikte identifiziert und gelöst werden können. Nachhaltigkeit wird auch bei der Erarbeitung des nächsten Bundesver- kehrswegeplans bis 2015 eine wichtige Rolle spielen. Mit der Strategi- schen Umweltprüfung (SUP) sind Regelungen geschaffen worden, die auch in der Bundesverkehrswegeplanung künftig Anwendung finden werden. Die Beteiligung von Öffentlichkeit sowie die Prüfung von Al- ternativen werden dadurch noch stärker in der Bundesverkehrswege- planung verankert.
16 NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 1.3 Reduzierung der Flächeninanspruchnahme Die unbebaute, unzerschnittene und unzersiedelte Fläche ist eine be- grenzte Ressource. Ziel der Bundesregierung ist es deshalb, die Inan- spruchnahme neuer Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar (ha) pro Tag zu begrenzen. Die Verkehrsflächen wachsen bundesweit seit Anfang der 1990er Jahre gleichmäßig mit 22 ha pro Tag. Damit verbunden ist aber auch eine deutlich intensivere Nutzung der Verkehrsinfrastruktur für Fernver- kehr durch erhöhte Verkehrsleistungen. Die tägliche Zunahme der Ge- bäude- und Freiflächen weist einen stetigen Rückgang auf und ist im Zeitraum 2006 bis 2009 auf 32 ha bzw. auf 26 ha im Jahr 2009 gesun- ken. Das Thema Flächenneuinanspruchnahme ist und bleibt ein wichtiges Handlungsfeld der weiteren Zusammenarbeit von Bund und Ländern zur nachhaltigen Entwicklung.
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 17 1.4 Mehr Schutz vor Verkehrslärm Nationales Verkehrslärmschutz- paket II Der durch den Verkehr insgesamt verursachte Lärm stellt für die Men- schen in Deutschland heute die mit am stärksten empfundene Um- Das Bundesministerium für Ver- weltbeeinträchtigung dar. Maßnahmen zum Schutz vor Verkehrslärm kehr, Bau und Stadtentwicklung sind deshalb zu einem selbstverständlichen Bestandteil einer nachhal- hat 2009 das Nationale Verkehrs- tigen Verkehrspolitik geworden. Bei Infrastrukturplanungen werden lärmschutzpaket II vorgestellt. auf allen Ebenen die Belange des Lärmschutzes heute von Anfang an Das Paket bündelt neue und be- berücksichtigt, denn die Akzeptanz der Folgen von Mobilität ist eng reits laufende Maßnahmen zur mit der Berücksichtigung berechtigter Interessen wie einem wirk- Vermeidung und zum Schutz vor samen Lärmschutz verbunden. Verkehrslärm und enthält erst- mals quantitative Lärmminde- rungsziele. Bis zum Jahr 2020 sol- len Lärmbrennpunkte um 20 Pro- zent im Flugverkehr, um 30 Pro- zent im Straßenverkehr und in der Binnenschifffahrt sowie um 50 Prozent im Schienenverkehr ent- lastet werden. Die Maßnahmen des Paketes haben das Ziel, den Lärmschutz schrittweise auszu- Das Nationale Verkehrslärmschutzpaket II baut auf einem ersten weiten und zu verbessern. Hinzu Paket aus dem Jahr 2007 auf, mit dem eine Reihe von Vorschlägen zur kommen die Maßnahmen nach Verbesserung der Lärmsituation rascher und zielgerichtet umgesetzt dem Koalitionsvertrag, wie die be- werden konnte. Dazu gehören: absichtigte Einführung lärmab- hängiger Trassenpreise im Schie- • die Erhöhung der Mittel für die Lärmsanierung an Bundesstraßen nengüterverkehr und die Redu- und an Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes seit 2006 auf zierung des Schienenbonus bei insgesamt 150 Millionen Euro pro Jahr; der Berechnung des Schienenver- kehrslärms. • weitere 100 Millionen Euro aus den Konjunkturpaketen der Bun- desregierung für innovative Lärmsanierungsmaßnahmen an Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes für den Zeitraum 2009 bis 2011; • der Förderzweck Lärmsanierung kommunaler Straßen im Konjunk- turpaket II für die Jahre 2009 bis 2011. Künftig sollen häufiger als bisher Fo- tovoltaikanlagen bei Lärmschutzanla- gen an Bundesfernstraßen zum Ein- satz kommen. Dazu sollen zunächst mehrere Pilotprojekte vorangebracht werden.
18 NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS Im Bereich des Luftverkehrs sind an einigen deutschen Flughäfen durch die Deutsche Flugsicherung (DFS) so genannte „leise“ Anflug- verfahren (Continuous Descent Approach-Gleitanflugverfahren) ein- geführt worden, zum Beispiel in Frankfurt (nachts), Köln/Bonn, Leip- zig/Halle, München und Hannover. Erhebliche Beiträge zur Lärmredu- zierung im Luftverkehr können auch von innovativen Technologien wie beispielsweise dem neuen Getriebefan-Triebwerk ausgehen. Weitere neue und Lärm reduzierende Verfahren werden (zunächst nur am Flughafen Frankfurt) erprobt: • Bei DROps (Dedicated Runway Operations) geht es darum, in fest- gelegten Nächten bestimmte Bahnen zu nutzen. Dadurch soll er- reicht werden, dass die vom Lärm betroffenen Bereiche wechseln und die Bürgerinnen und Bürger abwechselnd durch Fluglärm be- lastet werden. • Mit der vertikalen Optimierung von Startverfahren, einer Art Tem- polimit für die Flugzeuge beim Start, soll eine maximale Geschwin- digkeit unmittelbar nach dem Start nicht überschritten und die überschüssige Energie stärker in Höhengewinnung umgesetzt werden. Dadurch steigen die Maschinen schneller und verursa- chen in den flughafennahen Gemeinden weniger Lärm. • Beim Segmentierten Anflugverfahren sollen zu verkehrsarmen Zeiten, also überwiegend nachts, bevölkerungsstarke Gebiete im Anflug umflogen werden. Diese Verfahren können aber nur An- wendung finden, wenn festgelegte Mindestwetterbedingungen er- füllt sind. Im Umweltkomitee der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) setzt sich Deutschland mit den europäischen Partnern für die Verschärfung der Lärmzulassungsstandards ein. 1.5 Elektrifizierung der Antriebe Die Elektrifizierung der Antriebe ist für eine zukunftsfähige Mobilität von großer Bedeutung. Unser Ziel ist es, Forschung und Entwicklung sowie die Marktvorbereitung solcher neuen Technologien im Ver- kehrsbereich zu unterstützen, durch die mehr Energieeffizienz er- reicht werden kann. Das ist der Kern einer fortentwickelten Kraftstoff- und Mobilitätsstrategie. Elektromobilität mit Batterie und Brennstoffzelle bietet große Poten- ziale zur Verringerung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen. Sie ist neben nachhaltigen Biokraftstoffen der wesentliche Baustein auf dem Weg zu einer größeren Diversifizierung der Energiebasis des Verkehrs. Zugleich wird Strom aus erneuerbaren Energien zu einem wichtigen Energieträger für den Verkehr. Darüber hinaus kann die Elektromobi- lität ein wichtiger Baustein für ein intelligentes Netzmanagement werden. Sie kann die Integration schwankender erneuerbarer Ener- giequellen ins Stromnetz erleichtern, beispielsweise über Wasserstoff
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 19 als Stromspeicher oder indem aufgeladene Autobatterien Strom ins Netz zurückspeisen, wenn sie nicht gebraucht werden. Wir verfolgen bei der Elektromobilität aus den genannten Gründen einen ganzheitlichen Ansatz, um die Potenziale dieser innovativen Technologie vollständig auszuschöpfen und die Marktvorbereitung und Markteinführung von Elektrofahrzeugen voran zu treiben. Die- sem Ziel dient das „Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ (NIP) ebenso wie die Förderung der Bat- terietechnologie mit 500 Millionen Euro in den Jahren 2010 und 2011 aus Mitteln des Konjunkturpakets II. Die acht Modellregionen Elek- tromobilität Im Förderprogramm „Elektromo- bilität in Modellregionen“ fördern wir als zuständiges Ministerium neue Konzepte und konkrete Pro- jekte für moderne Antriebstech- nologien. Im Mittelpunkt steht dabei, dass wir Elektromobilität unter realen Bedingungen ent- wickeln und die Alltagstauglich- keit und Nutzerakzeptanz von Elektrofahrzeugen und Ladeinfra- struktur testen wollen. Modellregion sind: • Hamburg • Bremen/Oldenburg • Rhein-Ruhr (mit Aachen und Münster) • Rhein-Main • Sachsen (mit Schwerpunkten Dresden und Leipzig) • Stuttgart • München • Berlin-Potsdam
20 NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS Peter Ramsauer: „In den acht Mo- dellregionen in ganz Deutschland haben wir bereits erfolgreich unseren großen Praxistest zur Einführung der Elektromobilität gestartet. Ich möchte, dass Elektromobilität im Alltag ankommt - auch bei uns im Ministerium. Wir gehen mit gutem Beispiel voran: Für kurze Dienstfahr- ten in der Stadt gibt es zum Beispiel einen Elektro-Smart. Dieses Auto Im Mai 2010 wurde die „Nationale Plattform Elektromobilität“ gegrün- steht auch meinen Mitarbeiterinnen det, in der Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilge- und Mitarbeitern dienstlich zur Ver- sellschaft in sieben Arbeitsgruppen zusammenarbeiten, um Deutsch- fügung. Übrigens: Der E-Smart fährt land zum Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität zu entwik- mit Ökostrom.“ keln. Ziel ist, dass bis zum Jahr 2020 eine Million und bis 2030 sechs Millionen Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren. Übergabe Zwischenbericht Nationale Plattform Elektromobilität, Berlin 30.11.2010 Parallel zur Marktentwicklung der Elektrofahrzeuge soll eine umfas- sende „Ressourcenstrategie Elektromobilität“ entwickelt werden. Wichtige Rohstoffe des Systems Elektromobilität wie Kobalt, Lithium und seltene Erden sind ebenso endlich wie Erdöl. Daher sollen ressour- censchonende Produktionstechniken und das Recycling von Beginn an mit bedacht werden.
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 21 1.6 Positive Entwicklungen in der Schifffahrt und im Luftverkehr KLIWAS Die Binnenschifffahrt ist als umwelt- und klimafreundlicher Ver- Mit dem Forschungsprogramm kehrsträger anerkannt, und sie verfügt noch über freie Kapazitäten. „Auswirkungen des Klimawan- Sie kann daher bereits heute einen erheblichen Beitrag zur Entlastung dels auf Wasserstraßen und Schiff- der Straße sowie zur Sicherung nachhaltiger Mobilität leisten. Moder- fahrt in Deutschland – Entwick- ne Binnenschiffe sind sicher, zuverlässig, energiesparsam und ver- lung von Anpassungsoptionen“ gleichsweise umweltfreundlich. (KLIWAS) sollen die Auswirkun- gen des Klimawandels erkannt und entsprechende Maßnahmen im Bereich von Wasserstraßen und Schifffahrt in Deutschland entwickelt werden. Das Pro- gramm läuft seit 2008. Es ist auf fünf Jahre angelegt und leistet einen wichtigen Beitrag im Rah- men der europäischen und natio- nalen Anpassungsstrategie an Der Anteil der Binnenschifffahrt an den Gesamtverkehrsleistungen den Klimawandel. Dazu haben soll auf 14 Prozent bis 2015 gesteigert werden. Wir unternehmen große wir den Deutschen Wetterdienst, Anstrengungen, um dieses Ziel der Nationalen Nachhaltigkeitsstrate- das Bundesamt für Seeschifffahrt gie zu erreichen. Neben den Investitionen in das Bundeswasserstra- und Hydrographie, die Bundesan- ßennetz schaffen verschiedene Förderprogramme finanzielle Anreize stalt für Gewässerkunde und die für Investitionen in moderne, umweltfreundliche Schiffe und in ener- Bundesanstalt für Wasserbau zu gieeffiziente bzw. emissionsärmere Motoren. Die Sicherheit beim einem Verbund zusammenge- Transport von gefährlichen Gütern wird sukzessive weiter verbessert; schlossen, der mit dem nationalen dieser ist ab 2018 nur noch in Tankschiffen mit Doppelhülle erlaubt. und internationalen Netzwerk zur Klima- und Klimafolgenfor- schung eng zusammenarbeitet. Geleitet und ausgeführt wird das Programm von der Bundesanstalt für Gewässerkunde. Die Bundeswasserstraßen sind nicht nur ein bedeutender Teil unserer Verkehrsinfrastruktur. Sie sind zugleich auch Lebensräume für Men- schen, Tiere und Pflanzen. Deshalb kümmern wir uns nicht nur um gute äußere Bedingungen für eine wirtschaftliche und konkurrenzfä- hige Binnenschifffahrt, sondern auch um eine umweltfreundliche und umweltgerechte Gestaltung der Bundeswasserstraßen.
22 NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS Die Seeschifffahrt ist gemessen an ihrer Transportleistung der um- welt- und klimaverträglichste Verkehrsträger. Gleichwohl sind wir ge- meinsam mit der Seeverkehrswirtschaft bestrebt, die Umwelt- und Klimabilanz der Seeschifffahrt weiter zu verbessern, zum Beispiel Internationale Seeschifffahrts- durch die massive Absenkung des Schwefelanteils in den Schiffstreib- Organisation (IMO) stoffen. Dazu ist Deutschland insbesondere auch in der Internationa- len Seeschifffahrts-Organisation (IMO) aktiv. Die IMO ist eine Sonderorganisa- tion der Vereinten Nationen mit Die angestrebte weitere Verbesserung der Umwelt- und Klimaeffizienz Sitz in London. Die Gründung der der Seeschifffahrt kann durch verschärfte Regelungen oder ökonomi- IMO (damals IMCO) wurde 1948 in sche Anreize erzielt werden. Die ökologischen Innovationen in der Genf beschlossen, das erste Tref- Seeschifffahrt reichen von der Verbesserung der Schiffsform über den fen fand im Januar 1959 statt. Einsatz neuer Unterwasseranstriche bis hin zur Nutzung von Land- Ihr gehören 169 Staaten als Voll- strom in den Häfen. Um den Ölverbrauch und damit die Schadstoff- mitglieder an. Gegenwärtig hat emissionen zu verringern, werden nicht nur alternative Treibstoffe wie die IMO rund 340 Mitarbeiterin- zum Beispiel Gas eingesetzt. Mittlerweile greift man auch wieder auf nen und Mitarbeiter. Weitere die Windenergie zurück und bedient sich dabei modernster Segel, Infos: www.imo.org Drachen oder Flettnerrotoren. Der Luftverkehr wird im Bereich der Primärenergieträger auf abseh- bare Zeit von erdölbasierten Produkten abhängig bleiben. Allerdings können dem Kerosin zukünftig neu entwickelte alternative Kraftstoffe beigemischt werden, wenn sie die Nachhaltigkeits-Kriterien erfüllen. Die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) hat dazu unter Beteiligung Deutschlands im November 2009 eine Deklaration über die Verwendung alternativer Treibstoffe erarbeitet. Auch im Luftraum gibt es nachhaltige Entwicklungen. Mit den euro- päischen Verordnungen zur Schaffung eines einheitlichen europäi- schen Luftraumes (Single European Sky – SES) sind die rechtlichen Grundlagen für ein modernes, effizient gesteuertes, harmonisiertes Luftraummanagementsystem in Europa unabhängig von nationalen Grenzen gelegt worden. Die Angleichung der Luftraumstrukturen, eine gemeinsame flexible Luftraumnutzung und die institutionali- sierte Zusammenarbeit der Flugsicherungsorganisationen über die Grenzen hinweg sind hierbei die wichtigsten Elemente. Ergänzt wird dieser Prozess durch die Harmonisierung der bestehenden nationalen Flugsicherungssysteme im Vorhaben SESAR (Single European Sky Air Traffic Management Research). Kürzere Flugrouten und niedrigere CO2-Emissionen pro Flug sind Beispiele für die nachhaltige Entwick- lung des europäischen Luftverkehrsmanagements.
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 23 Der Luftverkehr wird fer- Der Luftraum der sechs Staaten ner ab 2012 in den EU- Belgien, Deutschland, Frankreich, Emissionshandel einbe- Luxemburg, Niederlande und der zogen. Luftfahrzeugbe- Schweiz (genannt FABEC - Functio- treiber sind dann ver- nal Airspace Block Europe Central) ist durch seine Lage im Herzen Eu- pflichtet, für ihre CO2- ropas einer der höchstfrequentier- Emissionen Zertifikate ten und komplexesten der Welt. vorzuhalten. Weitere Op- In ihm werden 55 Prozent aller timierungsmöglichkeiten Flugbewegungen im europäischen gibt es im Bereich der Aus- Luftraum abgewickelt. Er ist ein legung der Flugzeug- zentrales Element der SES-Verord- Triebwerk-Kombination. nungen (Single European Sky), mit Bei neu entwickelten Luft- dem die Effizienz des europäischen fahrzeugen wird zum Bei- Luftverkehrsmanagements auch spiel durch die Verwendung neuartiger Materialien darauf hinge- mit Blick auf steigendes Wachstum arbeitet, das Gesamtgewicht zu reduzieren. Dies ermöglicht deutliche im Luftverkehr weiter verbessert wird. Erste Erfolge wurden bereits Treibstoffeinsparungen und Effizienzgewinne. während der Verhandlungen zum FABEC-Staatsvertrag erzielt, der am 02. Dezember 2010 unterzeichnet wurde. So wurde ein Nachtflug- streckennetz mit 115 verkürzten Routen eingeführt. Dadurch lassen sich rund 1,5 Millionen Kilometer 1.7 Klima schonend mobil mit ÖPNV und Rad Flugstrecke pro Jahr, rund 4.800 Tonnen Kerosin und rund 16.000 Tonnen CO2 einsparen. Öffentlicher Personennahverkehrs (ÖPNV) ist nicht nur für die Daseinsvorsorge, sondern auch für eine nachhaltige Mobilität und den Klima- schutz unerlässlich. Deshalb fördern wir den ÖPNV auf der Straße und auf der Schiene. Ein kundenfreundlicher, effizienter und bezahlba- rer ÖPNV kann seinen Marktanteil im Wettbe- werb mit dem Pkw jedoch noch steigern. Dafür schaffen wir verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen mit einem Beitrag von rund 7,7 Milliarden Euro jährlich. Das ist die Summe aus Regionalisierungsmitteln, dem GVFG-Bundesprogramm1 und dem ÖPNV-Anteil an den Kompensationsmitteln nach dem Entflechtungs- gesetz. Darüber hinaus wird im Rahmen der Förderung der Elektro- mobilität die Entwicklung, Erprobung und Marktvorbereitung von Hybridbussen im ÖPNV unterstützt. 1 Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemein- den (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz-GVFG)
24 NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS Neben dem ÖPNV hat das Fahrrad als emissionsfreies Fortbewegungs- mittel im Rahmen eines integrierten und auf Nachhaltigkeit ausge- richteten Verkehrssystems eine wachsende Bedeutung. In Deutsch- land werden gegenwärtig 10 Prozent aller Wege mit dem Fahrrad zu- rückgelegt. Das sind im Jahresdurchschnitt rund 300 Kilometer pro Einwohner. Damit ist das Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft. Das zeigt ein Blick auf unsere europäischen Nachbarn. Die Niederländer nutzen beispielsweise für 27 Prozent aller Wege das Fahrrad. Mit dem Nationalen Radverkehrsplan 2002 bis 2012 wollen wir die Chancen des Fahrradverkehrs gezielt weiter erschließen. Der Radver- kehr soll so stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken und Schienenverkehr durch Pilotprojekte attraktiver und sicherer werden. Darüber hinaus haben wir weitere Projekte angestoßen wie den Modellversuch „Inno- Der Weg zur Arbeit, Wochenend- vative öffentliche Fahrradverleihsysteme“ zur Förderung entsprechen- ausflüge, Geschäftsreisen, Famili- der Projekte in Städten und Kommunen. enbesuche – sieben Millionen Menschen reisen täglich mit der Bahn durch Deutschland. Denn Bahn fahren ist umweltfreundlich und hat Zukunft. Die Eisenbahn gehört zudem zu den sichersten Verkehrsmitteln. Wir setzen uns daher dafür ein, dass Reisen mit der Bahn noch attraktiver wird. Weitere Informationen: www.nationaler-radverkehrsplan.de
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 25 2. Nachhaltig Bauen, Umbauen und Sanieren Rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs in Deutschland wird für Beheizung, Beleuchtung und Klimatisierung von Gebäuden sowie für Energiekonzept der Bundesre- Warmwasserbereitung eingesetzt. Dies verursacht etwa 20 Prozent gierung der CO2-Emissionen. Im Gebäudebereich können somit enorme Poten- Mit dem Energiekonzept bekennt ziale zur Energie- und CO2-Einsparung gehoben werden. sich die Bundesregierung zu dem Ziel, den Wärmebedarf des Ge- bäudebestandes langfristig zu senken und bis 2050 nahezu einen klimaneutralen Gebäude- bestand zu haben. Klimaneutral heißt, dass die Gebäude nur noch einen sehr geringen Energiebe- darf aufweisen und der verblei- bende Energiebedarf überwie- gend durch erneuerbare Energien 2.1 Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm gedeckt wird. Dafür ist die Ver- dopplung der energetischen Sa- nierungsrate von jährlich etwa 1 Prozent auf 2 Prozent erforder- lich. Bis 2020 soll eine Reduzie- rung des Wärmebedarfs um 20 Prozent erreicht werden. Darüber hinaus streben wir bis 2050 eine Minderung des Primärenergiebe- darfs in der Größenordnung von 80 Prozent an. Durch unser CO2-Gebäudesanierungsprogramm konnte seit 2006 die Um diese ambitionierten Ziele energieeffiziente Sanierung oder Errichtung von rund 2,4 Millionen wirtschaftlich vertretbar zu errei- Wohnungen und damit Investitionen von über 74 Milliarden Euro un- chen, erarbeiten wir mit einem Sa- terstützt werden. Jährlich werden dadurch rund 4,6 Millionen Tonnen nierungsfahrplan eine neue ganz- CO2 eingespart. heitliche Strategie. Die KfW wird außerdem ein neues Förderpro- gramm „Energetische Städtebau- sanierung“ auflegen. Zugleich wurden jährlich bis zu 320.000 Arbeitsplätze in der mittel- ständischen Bauwirtschaft und im Handwerk geschaffen bzw. gesi- chert. Damit ist das Programm eine beispiellose Erfolgsgeschichte dafür, wie staatliches Handeln und private Investitionen gemeinsam für den Klimaschutz und die Sicherung von Arbeitsplätzen wirksam werden.
26 NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 2.2 Wohnungsbestand altersgerecht umbauen Modellvorhaben „Demografi- scher Wandel – Region schafft Im Zuge der demografischen Entwicklung nimmt der Anteil älterer Zukunft“ Menschen in Deutschland stetig zu. Damit steigt auch die Zahl der mo- bilitätseingeschränkten Haushalte bis 2020 auf rund 3 Millionen2. Der In diesem Modellvorhaben enga- Wohnungsbestand in Deutschland wird diesem Bedarf bisher nicht gieren sich Bund, Länder, Kom- annähernd gerecht. Nur etwa 1 Prozent der 39,1 Millionen Wohnun- munen, Projektträger und Bür- gen sind bisher für eine selbständige Nutzung im Alter geeignet. gerinnen und Bürger gemeinsam für Existenz sichernde Perspekti- Das Wohnen und der Verbleib in der vertrauten Umgebung besitzen ven in ihrer Region. Alle Projekte eine große Bedeutung für den Einzelnen, aber auch für den sozialen geben den Menschen vor Ort Im- Zusammenhalt in unserer Gesellschaft insgesamt. pulse, sich dem demografischen Wandel in ihrer Region zu stellen und ihr zukünftiges Lebensum- feld mitzugestalten. Rund 75 Ein- zelprojekte greifen regionale Potenziale auf und wirken den Folgen des demografischen Wan- dels aktiv entgegen. Die Projekte des Modellvorhabens sind auf die zentralen Probleme in der jeweili- gen Region ausgerichtet. Es geht um zukunftsfähige Ausbildung, Qualifizierung und lebenslanges Lernen, regionale wirtschaftliche Potenziale, neue Formen von Ver- sorgungs- und Betreuungsange- boten, eine gute Erreichbarkeit, Familienfreundlichkeit, soziales Deshalb zählen die Ausweitung des Angebotes an barrierefreien oder Engagement und um die Stär- barrierereduzierten, also altersgerechten Wohnungen sowie entspre- kung der regionalen Identität. chende Investitionen in Wohnumfeld und Infrastruktur zu den vorran- Das Modellvorhaben wird mit 5,7 gigen Anliegen unserer Bau- und Stadtentwicklungspolitik. Während Millionen Euro gefördert. beim Neubau Barrierefreiheit von vornherein mit geringen Mehrko- sten hergestellt werden kann, erfordern Umbaumaßnahmen im Be- stand erhöhten Aufwand. Wir unterstützen mit dem KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ Einzeleigentümer und Wohnungswirt- schaft mit Investitionszuschüssen und zinsverbilligten Darlehen bei der alters- und behindertengerechten Anpassung von bestehenden Wohngebäuden. Die Förderung soll dazu anregen, rechtzeitig alters- gerechte Modernisierungen durchzuführen. Technische Mindestan- forderungen auf der Grundlage der neuen DIN 18 040 für Barrierefrei- heit im Neubau beschreiben dabei erstmals einen Standard für den Abbau von Barrieren im Wohnungsbestand. Damit bilden sie über das Förderprogramm hinaus eine wichtige Orientierung für die Nachhal- tigkeit von Baumaßnahmen im Bestand. Der Bund will als Bauherr bei der Schaffung von Barrierefreiheit Vor- bild sein: Neubauten sowie große zivile Um- oder Erweiterungsbauten des Bundes sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet werden. 2 Quelle: Bericht der Expertenkommission “Wohnen im Alter”, Deutscher Verband für Woh- nungswesen, Städtebau und Raumordnung e. V. 2009, Seite 14
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 27 2.3 Der Bund als Vorbild für Nachhaltigkeit und Baukultur www.nachhaltigesbauen.de Als öffentlicher Bauherr ist sich der Bund mit seinen Bauwerken des öf- Für die breite Information von fentlichen Interesses ebenso wie seiner Vorbildfunktion für Nachhal- Planern, Investoren und Bauher- tigkeit und Baukultur bewusst. Mit der ständigen Weiterentwicklung ren haben wir ein Internetportal unseres Leitfadens Nachhaltiges Bauen durch verbindliche Vorgaben zum nachhaltigen Bauen eröffnet wollen wir diesem Anspruch gerecht werden. Neben aktuellen baupo- und inzwischen umfangreich aus- litischen Anforderungen und neuen Erkenntnissen aus Bauforschung gebaut. Ziel ist die Veröffentli- und Baupraxis enthält der Leitfaden Methoden und Bewertungsre- chung von Nachhaltigkeitsregeln, geln, um die Nachhaltigkeit eines Bauvorhabens nachvollziehbar aus- die Kommentierung aktueller weisen zu können. Entwicklungen, die Informatio- nen zu nationaler und internatio- naler Normung und die Veröffent- 2.4 Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) lichung von Baustoffdaten. Gleichzeitig ist das Portal die In- Die Grundlagen und Vorgaben zur Bewertung von Gebäuden haben formationsplattform des Runden wir im Rahmen unserer Forschungsinitiative Zukunft Bau fortentwik- Tisches Nachhaltiges Bauen. Der kelt und im Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) zusammen- Runde Tisch berät unser Ministe- geführt. Die Regeln gelten für den Neubau von Büro- und Verwal- rium in allen Fragen des nachhal- tungsgebäuden des Bundes. Das System basiert auf einer lebenszyklus- tigen Bauens. orientierten Betrachtung. Von der ersten Planungsidee bis hin zur Überwachung der Ausführung ermöglicht es die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten. Weitere Gebäudekategorien wie Wohn- und Schulgebäude oder auch die Übertragung auf den Gebäudebe- stand sind in Vorbereitung. Der Neubau des Dienstsitzes des Bun- desministerium für Gesundheit (BMG) CALLUX in Bonn wurde mit den entwickelten CALLUX ist der bundesweit größte Berechnungsmethoden des Bewer- Praxistest von Brennstoffzellen- tungssystems Nachhaltiges Bauen Heizgeräten fürs Eigenheim. Wir (BNB) untersucht. Das Gebäude er- unterstützen das Projekt von Part- reichte einen Gesamterfüllungsgrad nern aus der Energiewirtschaft von über 65 % und wurde mit dem und Heizgeräteindustrie im Rah- Nachhaltigkeits-Zertifikat in Silber men des Nationalen Innovations- ausgezeichnet. programms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie Architekt/Planer: Petzinka Pink Architekten, (NIP). Düsseldorf Auditor: Dipl.-Ing. Natalie Eßig, Die Vorteile von Brennstoffzellen- TU München, Heizgeräten liegen zum einen in Dipl.-Ing. Thomas Rühle, der dezentralen Stromproduk- Intep GmbH tion, die mit vergleichsweise ho- Fertigstellung: 2007 hen Wirkungsgraden einhergeht. Zum anderen liefern die Geräte gleichzeitig Wärme, die für die Beheizung der Wohnräume zur Verfügung steht. www.callux.net
28 NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS Bei der Weiterentwicklung der Europäischen Bauproduktenrichtlinie zu einer Europäischen Bauproduktenverordnung wird neben den be- reits bestehenden Anforderungen an Hygiene, Gesundheit und Um- weltschutz bei der Herstellung und Anwendung von Bauprodukten Plus-Energie-Häuser und Elektro- auch eine Anforderung an die nachhaltige Nutzung von Ressourcen mobilität aufgenommen. Deshalb haben wir eine Vielzahl von Planungs- und Bewertungshilfsmitteln im Bauproduktbereich entwickelt und unter- Die TU Darmstadt hat mit Unter- stützt, darunter die nationale Datenbank zur Ökobilanz relevanter stützung der Forschungsinitiative Bauprodukte „Ökobau.dat“ und das Baustoffinformationssystem WE- Zukunft Bau am internationalen COBIS, die unter www.nachhaltigesbauen.de zur Verfügung stehen. Wettbewerb „Solar Decathlon“ des amerikanischen Energiemini- steriums im Jahr 2007 und 2009 2.5 Vom Energiesparen bis zum Plus-Energie-Haus mit Prototypen für Plus-Energie- Häuser teilgenommen und je- Mit der Forschungsinitiative Zukunft Bau unterstützen wir ange- weils gewonnen. Wichtigstes Ziel wandte Forschungen der Baubranche und tragen so zu einer innovati- der Modellhäuser, deren Lei- ven Ausrichtung auf dem europäischen Binnenmarkt und weltweit stungsfähigkeit in zehn Diszipli- bei. Seit 2006 konnten über die Forschungsinitiative 165 Vorhaben ge- nen geprüft wird, ist es, mehr fördert werden. Schwerpunkte sind Energieeffizienz und Einsatz er- Energie zu erzeugen als das Haus neuerbarer Energien im Gebäudebereich, neue Konzepte und unter voller Nutzung verbrau- Prototypen für das energiesparende Bauen, Null- bzw. Plus-Energie- chen kann. Aber auch andere Dis- Haus-Konzepte, neue Materialien und Techniken im Bauwesen, Ver- ziplinen wie Architektur, Behag- besserung der Bauqualität, Bauen vor dem Hintergrund des lichkeit und Komfort, Lichtkon- demografischen Wandels und Technologien für die Modernisierung zepte und Vermarktungsfähigkeit des Gebäudebestands. nehmen den Ansatz des zukunfts- fähigen und nachhaltigen Bauens Die Forschungsinitiative soll Deutschland auf kommende hohe ener- auf. Diese Leistung hat weltweit getische Anforderungen im Neubau vorbereiten. Nach der neuen EU- große Beachtung gefunden. Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden sollen ab 2021 alle Bauten (und bereits ab 2019 die von Behörden als Eigentümer Die Präsentation des Plus-Energie- genutzten Gebäude) so genannte „Niedrigstenergiegebäude“ sein, Hauses in der Europäischen Kul- also Gebäude, deren Energiebedarf fast bei Null liegt. turhauptstadt Essen wurde ge- nutzt, um die prinzipielle Mach- barkeit einer intelligenten Ener- gieversorgung von Gebäude und Elektroauto zu demonstrieren. Das Plus-Energie-Haus wurde dazu um eine Ladestation für ein Elektroauto erweitert. Diese Idee wird in einem eigenen Modellvor- haben in Berlin weiterverfolgt.
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 29 3. Integrierte Stadtentwicklung und Raumordnung 3.1 Die Stadt von morgen bauen Peter Ramsauer: „Die Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik des Unsere Städte befinden sich angesichts des Klimawandels sowie des Bundes wird in den Kommunen erst demografischen und des wirtschaftsstrukturellen Wandels in einem richtig anschaulich. Wenn durch Umbruchprozess. Unsere Antwort darauf muss eine ökologisch, wirt- Ortsumfahrungen die Innenstadt schaftlich, sozial und demografisch nachhaltige Stadtentwicklung vom Durchgangsverkehr entlastet sein: wird, wenn die regionalen Unterneh- men durch gute Verkehrsanbindun- • mit einer Stärkung des sozialen Zusammenhalts, gen gestärkt werden oder wenn mit unserer Förderung städtebauliche • mit der Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäude, Missstände im Quartier behoben werden, geht das auf eine Entschei- • mit dem Erhalt der historischen Bausubstanz und Stadtstruktu- dung auf Bundesebene zurück. Aber ren, erst vor Ort werden diese konkret und erlebbar.“ • mit der Wieder- und Umnutzung von Brachflächen, • und mit der Schaffung barrierefreien Wohnraums und der Ge- staltung barrierefreier Wohnumfelder. Eine wichtige Maßnahme in dieser Legislaturperiode wird dabei die Bauplanungsrechtsnovelle sein, die die Innenentwicklung und eine klimagerechte Stadtent- wicklung stärken wird. Nachhaltige Stadtentwick- lungspolitik ist aber nicht nur ein deutsches, sondern ein europäisches Thema. Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2007 konnte die „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ verab- schiedet werden. Die Leipzig Charta leistet einen wich- tigen Beitrag dazu, dass Europa von allen Bürgerinnen und Bürgern positiv in ihren unmittelbaren Lebens- umständen vor Ort wahrgenommen wird.
30 NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 3.2 Maßgeschneidert: Unsere Programme der Städtebauförde- rung Ein Schwerpunkt ist die Stärkung der Innenentwicklung in den Städ- ten und Gemeinden. Das Förderprogramm „Aktive Stadt- und Orts- teilzentren“ von Bund und Ländern ist das Leitprogramm für die In- nenentwicklung. Vorrangiges Ziel ist es, den Funktionsverlusten zen- traler Versorgungsbereiche zu begegnen und diese Bereiche als Wirt- schaftsstandorte, für Kultur und als Orte zum Wohnen, Arbeiten und Leben zu erhalten und zu entwickeln. Im Bund-Länder-Programm Städtebaulicher Denkmalschutz ste- hen die historischen Stadtkerne mit denkmalwerter Bausubstanz im Mittelpunkt. Mit diesem Programm sowie dem Sonderinvestitions- programm nationaler UNESCO-Welterbestätten werden die Ziele der Nachhaltigkeit und der Baukultur wirkungsvoll miteinander ver- bunden. Mit stärkerem Blick auf die regionale Perspektive ergänzt das 2010 neu aufgelegte Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ die Städtebauförderung im ländlichen Raum. Vor allem kleine Gemein- den sollen als Ankerpunkte der Daseinsvorsorge für die Zukunft hand- lungsfähig gemacht werden. Die Investitionszuschüsse sollen dem- entsprechend für interkommunale Netzwerke und für Projekte zur Anpassung der Infrastruktur gewährt werden. Das Programm ist Be- standteil unserer „Initiative Ländliche Infrastruktur“.
NACHHALTIGKEITSBERICHT DES BMVBS 31 Das Städtebauförderungsprogramm „Soziale Stadt“ unterstützt die Aufwertung von benachteiligten Quartieren und die gesellschaftliche Integration. Dies spiegelt den Grundsatz der Städtebauförderung wi- der, sich auf Quartiere mit erhöhten strukturellen Schwierigkeiten zu konzentrieren. Es trägt auf diese Weise dazu bei, die Attraktivität die- ser Stadträume, aber auch der Städte und Gemeinden insgesamt als Wohn- und Wirtschaftsstandorte zu stärken. Energieeinsparung und Klimaschutz sind im Rahmen der Städtebau- förderung zentrale Anliegen von Bund, Ländern und Kommunen. Das Sonderprogramm „Investitionspakt Bund-Länder-Gemein- den“ zur energetischen Sanierung von Schulen, Kindergärten, Sport- stätten und sonstigen sozialen Infrastrukturen in den Kommunen wurde zum Vorbild für das Zukunftsinvestitionsgesetz im Rahmen des Konjunkturpaketes II. Energieeinsparung, Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel werden darüber hinaus im Rahmen des experimentellen Wohnungs- und Städtebaus (ExWoSt) mit zwei Forschungsfeldern untersucht: Energetische Stadterneuerung (in den Ländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt) sowie Urbane Strategien zum Klimawandel. Beide Forschungsfelder unterstützen insbesondere Städte und Gemeinden bei der Erstellung, Fortschreibung und Umsetzung ihrer Stadtentwick- lungskonzepte, beim Anstoßen konkreter Maßnahmen und bei der Einbindung anderer Akteure, insbesondere der Versorgungs-, sowie der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Weitere Programme der Städtebauförderung sind: • „Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“; • „Stadtumbau Ost“ und „Stadtumbau West“ zur Bewältigung der Folgen des demografischen und strukturellen Wandels, insbe- sondere zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Struktu- ren in Gebieten mit erheblichen städtebaulichen Funktions- verlusten.
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