Von Apfelbaum bis Zittergras - Gartenbau zwischen Havel und Spree - Gartenbauverband Berlin ...
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INHALT VORWORT 4 FRIEDHOFSGÄRTNEREI 30 Veckenstedt GmbH Gärtnereibetriebe 32 Naturgewordene Erinnerung FÜR DEN GENUSS 6 Geschichte des Obst- und Gemüseanbaus FÜR DIE ZUKUNFT 34 OBSTBAU UND GEMÜSEBAU 8 Geschichte um die königliche Lehranstalt und Obstgut Müller 10 die Begründung der deutschen Obstzüchtung Mehr Arbeit für geringere Erträge – und trotzdem Bio FORSCHUNG UND TECHNIK 36 Gut Herrenhölzer Mönnich & Streit GbR 12 Leibniz-Institut für Agrartechnik Genießer mögen die Selbstpflücke und Bioökonomie e. V. (ATB) 38 Vom Bauchgefühl zur Wissenschaft WEINBAU 14 Leibniz-Institut für Gemüse- Weinbau Wolkenberg 16 und Zierpflanzenbau e. V. 40 Rebstöcke, wo einst Bagger das Land fraßen Blick in die Tiefe der Pflanzen NACHHALTIGKEIT 42 FÜR DIE SEELE 18 Baumschule Lorberg 44 Geschichte des Gartenbaus und der Friedhofskultur Das Überleben in der Großstadt erlernen BLUMEN, ZIERPFLANZEN UND DIENSTLEISTUNGEN 20 AUSBILDUNG 46 Nadja Meyer Ausbildung zum Gärtner 48 Agentur für Floristik und Raumgestaltung 22 Die Welt ein Stück grüner machen Ein Rahmen aus Phantasie Hermann Rothe Gartenbau 24 Farbtupfer für die Großstadt NETZWERK GARTENBAU BRANDENBURG 50 Institutionen und Ansprechpartner BAUMSCHULEN 26 Baumschule Marzahna 28 “Absolution“ für den gefällten Riesen IMPRESSUM 51 3
HERZLICH WILLKOMMEN, liebe Garten-Freundinnen und -Freunde, liebe Gäste aus Berlin und Brandenburg, liebe Reisende aus nah und fern. Die Region Berlin-Brandenburg wäre ohne ihren Gartenbau nur halb so grün. Ohne ihre Gemüse- und Obstprodukte wie Beelitzer Spargel, Werderaner Obst, Spreewälder Gurken oder Wesendahler Äpfel wäre sie nur halb so kulinarisch. Ohne die gärtnerisch geprägten Kulturlandschaften wie das Havelland und den Spreewald oder ohne ihre Parks in der Tradition von Peter Joseph Lenné wäre sie nur halb so anziehend und lebenswert. Mehr noch: Ohne den Gartenbau wären die Städte trostlose Betonwüsten. Gleichzeitig ist er ein nicht zu übersehender Wirtschaftszweig: Etwa 300 Betriebe arbeiten in Berlin und Brandenburg, nicht wenige davon sind seit über 100 Jahren hier verwurzelt. Jeder fünfte landwirtschaftliche Arbeitsplatz findet sich im Gartenbau. Im Verbund mit vor- und nachgelagerten Branchen steht er für eine Wertschöpfung von etwa 200 Millionen Euro. Nicht so leicht in Zahlen zu fassen ist das Wirken des Gartenbaus für eine gesunde, vielfältige Umwelt und für ressourcenschonende Nahrungsquellen. Hier ist der Gartenbau essentiell und unbezahlbar. Um dies zu erhalten und weiterzuentwickeln, organisieren sich die Gärtner in unserem Gartenbauverband Berlin- Brandenburg e. V. Wir sorgen für Zusammenhalt und Wissensaustausch, kommunizieren mit Politik und Öffentlichkeit, um das Gewicht unseres Wirtschaftszweiges zu stärken. Es geht uns um Öffentlichkeit und Anerkennung, die sich in fairen Preisen für die Produkte und Leistungen der Gärtnerinnen und Gärtner ausdrücken. Die Region Berlin-Brandenburg wäre ohne ihren Gartenbau nur halb so grün – und halb so interessant. Wenn Sie wissen möchten, warum in einem ehemaligen Braunkohletagebau Spitzenweine wachsen, was Gehölze in der Baumschule lernen, wie Gärtner dem Klimawandel trotzen oder welche Fragen Forscher den Pflanzen stellen, dann lesen Sie die Geschichten in diesem Heft. Stellvertretend für die ganze Branche erzählen Ihnen Gärtnerinnen und Gärtner, was sie tun – für unseren Genuss, für unsere Seele und für unsere Zukunft. Dr. Klaus Henschel Präsident des Gartenbauverbandes Berlin-Brandenburg e. V. 4
OBST GEMÜSEBAU von Hochstämmen über Zwergobst bis Prinzessin von Oranien-Nassau zum modernen Obstanbau begründete den Gemüsebau in der Mark Der Obstbau war lange das Kerngebiet des Gartenbaus. Hin- Der Gemüseanbau in Schwante kann bis 1665 zurückverfolgt weise zur Baumveredlung können bis zu den Zisterzienser- werden, bis in die Zeit Luise Henriettes (1627–1667), geborene mönchen zurückverfolgt werden, die im 12. Jahrhundert aus Prinzessin von Nassau-Oranien, verheiratet mit dem Kurfürsten Frankreich nach Brandenburg kamen. Bis ins 16. Jahrhundert Friedrich Wilhelm. Luise Henriette begründete die landwirt- waren lose, auf der Wiese verteilte Hochstämme, heute schaftliche Produktion im Gebiet Oranienburg und Schwante. Streuobstwiesen, die einzige Kulturform des Obstbaums. In Neben dem Schlossgarten Oranienburg ließ sie auch Küchen- der Renaissance legte man Wert auf regelmäßig angeord- gärten anlegen, einen davon im Gebiet Schwante in Fehlefanz nete Baumpflanzungen. Spalier- und Zwergobst wurden im (heute Vehlefanz). französischen Barock zur Vollkommenheit entwickelt. Wäh- rend des Niedergangs des märkischen Weins entwickelte sich der Obstanbau weiter. Mit der industriellen Entwicklung wurde es ökonomisch luk- rativer, die Früchte anzubauen. Besonders in der Region um Werder an der Havel wurde der Obstanbau zu einem ein- träglichen Erwerbszweig. Zu den ältesten Obst- und Wein- baubetrieben im Werderschen zählt die Familie Lindicke. Schon im 17. Jahrhundert waren die Lindickes in Werder im Weinbau aktiv. Bis heute hält Familie Lindicke die Tradition des Obst- und Weinanbaus durch aktive Produktion und Nach dem Dreißigjährigen Krieg war das Land verwüstet und Vermarktung aufrecht. es fehlte an allem Lebensnotwendigen. Luise Henriette verwal- tete persönlich die Mustergüter. Hauptprodukte waren Spargel und Kartoffeln. Es ist überliefert, dass sie die ersten Knollen zu- sammen mit ihrem Mann pflanzte. Eine brandenburgische Pre- miere erfuhr auch der Blumenkohlanbau durch die Kurfürstin. Die erste preußische Gärtner-Siedlung wurde 1919 während der Weltwirtschaftskrise durch einen Verein für die Gärtner- Ansiedlung in Schwante geschaffen. Noch heute existiert am Standort Vehlefanz eine Chicoree- und Gemüsejungpflanzen- produktion, eine der größten Produktionsstätten in Deutschland. 7
OBST GEMÜSE Mit 917 Hektar Anbaufläche ist der Apfel das bestimmende In Brandenburg bauen gärtnerische Unternehmen auf Obst im Land Brandenburg. Angesichts des Klimawandels 6.500 Hektar Gemüse an. Geerntet werden davon jährlich und gleichzeitig steigender Lohnkosten müssen die Betriebe rund 90.000 Tonnen. Den bedeutendsten Flächenanteil Wege finden, ihre Erträge zu steigern und gleichzeitig durch haben die Landkreise Potsdam-Mittelmark, Oberhavel und moderne Anbaumethoden zu sichern. Dazu gehören eine Dahme-Spreewald. Zusammen stellen diese Landkreise effiziente Bewässerung und Düngung im Sommer, Hagel- über 70 Prozent der Freilandgemüseflächen Brandenburgs. schutznetze sowie eine Frostschutzberegnung im Frühjahr. Die Hauptkultur ist Spargel mit einer Ertragsfläche von 4.000 Hektar. Neben Niedersachsen und Nordrhein-West- Im Jahr 2020 wurden 24.560 Tonnen Äpfel geerntet. Zu den falen gehört Brandenburg zu den wichtigsten spargel- führenden der 30 im Einzelhandel angebotenen Sorten in anbauenden Bundesländern. Im Jahr 2020 wurden 19.900 Brandenburg gehören Jonagold, Idared und Pinova. Haupt- Tonnen der weißen Stangen geerntet. Während in Potsdam- anbaugebiete sind Potsdam-Mittelmark mit 370 Hektar, Mittelmark mit 94 Prozent und in Oberhavel mit 98 Prozent in Märkisch-Oderland beträgt die Fläche 265 Hektar und um der Spargelanbau dominiert, sind im Landkreis Dahme- Frankfurt (Oder) bewirtschaften Apfelanbauer 265 Hektar. Spreewald mit 45 Prozent die traditionsreichen Einlegegur- Weitere bedeutende Obstarten in Brandenburg sind Süß- ken vorherrschend. Möhren wachsen auf 500 Hektar und kirschen mit einer Fläche von 340 Hektar und einem Er- Speisekürbisse auf 230 Hektar. trag von 610 Tonnen. Weiterhin wachsen Sauerkirschen auf In den Gewächshäusern wächst auf 55 Hektar Gemüse. 83 Hektar, auf denen 440 Tonnen geerntet wurden. Die Knapp ein Drittel entfällt auf den Landkreis Potsdam- Erdbeerfläche beträgt 280 Hektar, in den Handel und die Mittelmark. Den größten Anteil haben Tomaten mit rund Verarbeitung gelangten 2.000 Tonnen. Eine zunehmen- 60 Prozent, gefolgt von Salatgurken mit 14 Prozent und Pap- de Bedeutung haben Strauchbeeren, die inzwischen auf rika mit 13 Prozent. Insgesamt wurden in den Gewächshäu- 1.151 Hektar wachsen, die Erntemenge betrug 2.680 Tonnen. sern 16.800 Tonnen Gemüse geerntet. Auch im Gemüsebau Einen bedeutenden Anteil haben die Kulturheidelbeeren tragen moderne Produktionsverfahren wie die Abdeckung mit 387 Hektar Fläche sowie Sanddorn mit 343 Hektar und mit Folien, effiziente Tropfbewässerung oder der Einsatz Aronia mit 200 Hektar Fläche. von Nützlingen dazu bei, den Ertrag zu sichern, die Arbeit Obstgärtner produzieren im Rahmen des Integrierten Pro- zu erleichtern und die Ressourcen zu schonen. duktionsverfahrens schmackhafte, gesunde Lebensmittel im schonenden und verantwortungsvollen Umgang mit der Natur. Darüber hinaus richten die Obstbauer Blühstreifen für Bienen sowie Nisthilfen für Vögel ein. Gezielt angelegte Hecken und Feldgehölze bieten zusätzlich Lebensräume für Kleintiere und Insekten. Damit fördern die Gärtner die biolo- gische Vielfalt und tragen so zum Erhalt unserer Kulturland- schaft und einer Stabilisierung der Ökosysteme bei. 9
OBSTGUT MÜLLER Mehr Arbeit für geringere Erträge – und trotzdem Bio Ob man nun bei den alten Römern anfängt, in der Bibel per Hand bearbeitet. Auch die Schläuche für die Tröpfchen- oder bei Schneewittchen – den Apfel gibt es seit Men- Bewässerung müssen höher und damit aufwändiger schengedenken. Und es wird ihn wohl bis in alle Ewigkeiten verlegt werden, um beim Jäten nicht zu stören. Im Kampf geben. Was nicht heißt, dass die Apfelerzeuger den Din- gegen Schädlinge, darunter der tückische Apfelwickler, gen einfach ihren Lauf lassen. Die absolute Mehrheit der dürfen keine Insektizide gesprüht werden. Einziger Aus- Brandenburger Obstgärtner betreibt integrierte Landwirt- weg ist das Aufhängen kleiner Pappkärtchen, die für die schaft, nutzt also Methoden, die möglichst geringe Aus- Insekten verwirrende Gerüche verströmen. Jeder wirkungen auf die Umwelt haben. zweite oder dritte Baum bekommt solch ein Kärt- chen; das sind Tausende auf der 20 Hektar Einige gehen noch einen Schritt weiter, so unter großen Apfelanlage. Und nicht zuletzt das anderem das Obstgut Müller in Wesendahl Ausdünnen, bei dem, wenn im Frühsommer östlich von Berlin. Anke Wollanik und deren zu viele winzige Äpfel an den Zweigen hän- Tochter Cathleen Schirmer haben sich ent- gen, der Behang reduziert wird, funktioniert schlossen, ihren Betrieb komplett auf Bio- anders. Das ginge zwar chemisch – aber für Bio- Erzeugung umzustellen. Im Herbst 2022 werden Erzeuger nur mechanisch und teilweise mit der Hand. sie ihren Kunden im Hofladen und den Händlern, die von ihnen beliefert werden, die erste bio- Nicht zu vergessen: Die Erträge unter Bio-Konditionen zertifizierte Ernte anbieten. Bis dahin gelten die schon sind geringer als auf konventionell erzeugenden Anlagen. nach den neuen Standards erzeugten Früchte noch als „Während man in Brandenburg mit durchschnittlich 40 Umstellungsware. Tonnen Äpfeln pro Hektar rechnet, muss sich der konse- quente Bio-Gärtner manchmal mit 20 Tonnen zufrieden- „Ob wir dieses Risiko ein- geben“, kalkuliert Anke Wollanik. Auf die Frage, warum gehen sollten, hat uns sie den Schritt in Richtung Bio dennoch gegangen ist, ein paar Jahre beschäf- antwortet sie überzeugend: „Wir sind Teil der Natur und tigt“, so Anke Wollanik, müssen uns um sie sorgen. Mit den erforderlichen Preis- die nach ihrem Garten- erhöhungen werden wir ein paar Kunden verlieren – aber bau-Studium an der Ber- durch die neue Qualität auch viele dazugewinnen. Da bin liner Humboldt-Uni das ich optimistisch.“ Obstgut von ihren Eltern Franz und Jutta Müller Ähnlich begründet sie auch ihre Liebe zum Beruf als Obst- übernommen hat. „Im- gärtnerin: „Wir leben mit den Jahreszeiten, arbeiten inten- merhin ist der Aufwand deutlich höher.“ So kommen keine siv in den Monaten, in denen uns die Sonne die Energie chemischen Unkrautvernichter zum Einsatz. Das bedeutet, gibt und nehmen uns in den dunkleren Wochen etwas dass das insgesamt achtköpfige Stamm-Team des Obst- zurück. Solche Harmonie schenken nur wenige Berufe. gutes zur Hacke greift und die Räume zwischen den Stäm- Und jedes Jahr birgt andere Herausforderungen – es wird men, also dort wo nicht maschinell gejätet werden kann, nie langweilig.“ 10
Für den Genuss Obstgut Müller Dorfstr. 1 OT Wesendahl / 15345 Altlandsberg E-Mail: info@obstgut-franz-mueller.de www.obstgut-franz-mueller.de 11
Für den Genuss Gut Herrenhölzer Mönnich & Streit GbR Spargelanbau und -vertrieb Gutsstr. 1 14789 Bensdorf E-Mail: gut-herrenhoelzer@t-online.de www.herrenhoelzer.de GUT HERRENHÖLZER MÖNNICH & STREIT GBR Genießer mögen die Selbstpflücke Als schnurgerade parallele Linien ziehen sich die „Was es da so alles zu tun gab und dass es nie langweilig Spargeldämme vielerorts in Brandenburg über die Hügel. Im wurde, das beeindruckte mich“, erzählt er heute. zeitigen Frühjahr akkurat aufgerichtet und mit Folie geschützt, von April bis zum Johannistag Ende Juni bevölkert von zahllo- Aktuell baut das Gut auf 100 Hektar Bleichspargel und auf sen Erntehelfern, ab Spätsommer überzogen vom zarten Grün fünf Hektar Grünspargel an. „Nicht zu vergessen unsere der austreibenden Pflanzen, im Herbst gelblich und im Winter zehn Hektar Erdbeeren der verschiedensten Sorten, die dann nur noch zu ahnen. von Mai bis August tragen“, ergänzt Wolter. “Von denen steht der größere Teil in Folien-Tunneln. Die Tendenz Um Bensdorf, in der westlich von Potsdam gelegenen Mark ist steigend, denn so geschützt, müssen wir zum Bei- Brandenburg, gehören die Spargelanlagen zum Gut Her- spiel keine Fungizide gegen Schimmelpilze und keine renhölzer. Dieses Gut besteht in dieser oder jener Form Herbizide gegen Unkraut einsetzen - also sehr um- schon seit rund vier Jahrhunderten. Geschäftsführer und weltfreundlich. Und wenn wir die Folien von den Mitinhaber ist Ekhard Wolter. Dass er mal in die Land- Überdachungen oder den Dämmen nicht mehr wirtschaft will, wusste er schon als kleiner Junge, als sein brauchen, dann holt sie ein professioneller Ent- Vater, Brigadier in der LPG, unter der Eiche vor Wolters Haus sorger hier ab und kümmert sich ums fachge- seine Leute zur täglichen Arbeitsberatung zusammenrief. rechte Recycling.“ Um den Wasserverbrauch so 12
Auf die Tische der Genießer kommen Spargel und Erdbeeren aus Bensdorf auf den verschiedensten Wegen. Der Großteil der Ernte wird jeden Morgen an die 60 in der Region ver- teilten Verkaufshütten geliefert oder direkt im Hofladen an- geboten. „Bei den Erdbeeren habe ich mich von den jungen Leuten hier am Hof überzeugen lassen, dass wir es mal mit Selbstpflücke probieren. Und tatsächlich kamen jede Menge Beerenliebhaber und füllten sich ihre Körbe.“ Für den Betrieb bedeutet das unter anderem, dass weniger als die bisher 350 Saisonarbeitskräfte gebraucht werden. Diejenigen, die man im Ausland anheuern konnte, finden so geräumigere Unter- künfte vor. Vom Gut Herrenhölzer werden übrigens nicht nur Spargel, gering wie möglich zu halten, hat das Gut von Beregnung Erdbeeren und Heidelbeeren angepflanzt, sondern auch Feld- auf die unterirdische Tröpfchen-Bewässerung umgestellt, früchte und Leguminosen, also bodenverbessernde Hülsen- bei der das kostbare Nass über einen Loch-Schlauch in früchte. Die Früchte der Lupine oder der Serradella werden geringstmöglicher Menge direkt an die Wurzel von an Saatgutfirmen verkauft, die sie in Samenmischungen für Erdbeer- oder Spargelpflanze befördert wird. bienenfreundliche Blühstreifen verwenden. 13
Für den Genuss 14
WEINBAU Im Land Brandenburg gibt es 31 Winzer, die auf 35 Hektar Wein anbauen. 95 Prozent der Rebflächen konzentrieren sich in den südlichen Landesteilen auf die Lausitz, rund um die Havelseen und in Ostbrandenburg. Besonders wichtig für den Brandenburger Weinbau und die Entwicklung ihrer jeweiligen Gemeinden sind die Weinbauvereine. Ziel der Fachgruppe Weinbau im Gartenbauverband ist es, den In- teressen der jungen weinbautreibenden Betriebe und Ver- eine im Land, Gehör zu verschaffen sowie den heimischen Weinbau einer breiten Öffentlichkeit bekannter zu machen, wie zum Beispiel durch die Organisation der Brandenburger Jungweinprobe. Da klassische Sorten aufgrund ihrer Anfälligkeit gegen pilz- liche Erreger einen hohen Aufwand zum Pflanzenschutz erfordern, wurden in Brandenburg viele moderne pilz- widerstandsfähige (PiWi-) Sorten gepflanzt, wie Johanniter (als Riesling-Ersatz), Solaris und Helios (als Müller-Thurgau- Ersatz) sowie Muscaris und Saphira als neue Bukettsorten. Die rote PiWi-Sorte Regent ist die mit knapp über 5 Hektar am meisten angebaute Rebsorte in Brandenburg, auch Pinotin, Rondo und Cabernet Cortis sind von Bedeutung. An klassischen Weißweinsorten findet man Riesling, Müller- Thurgau, Ruländer, Weißburgunder, Kernling und andere. Weitere klassische Rotweinsorten sind Dornfelder und Cabernet Dorsa. 15
Für den Genuss Weinbau Wolkenberg Dreifertstr. 9 03044 Cottbus E-Mail: info@wolkenberg-gmbh.de www.wolkenberg-gmbh.de 16
WEINBAU WOLKENBERG Rebstöcke, wo einst Bagger das Land fraßen „Vor einiger Zeit kam ein junger Mann angeradelt und zeigte edlen Tröpfchen aus. Das sind in durchschnittlichen Jah- sich beim Anblick unserer Reben verblüfft“, erzählt Bettina ren rund 30.000 Flaschen. Welche Rebsorten ab 2010 auf Muthmann, Geschäftsführerin des Weingutes Wolkenberg. dem Brandenburger Weinbau-Neuland gepflanzt werden „Er war Winzer im Rheinischen und wollte Urlaub sollten, wurde gemeinsam mit den Exper- vom Wein machen. In Brandenburg wähnte er ten der Hochschule Geisenheim und der sich sicher. Aber unser Wegweiser machte ihn BTU Cottbus festgelegt. Und so wachsen dann doch neugierig. Er kostete sich durch unse- auf dem heute inzwischen 6,2 Hektar gro- re Weine und war begeistert.“ ßen Areal rund 26.600 Rebstöcke, darunter die Weißweine Grauburgunder, Weißbur- Der Wolkenberg bei Cottbus zählt zu den gunder, Kernling, Schönburger und Roter Exoten des deutschen Weinbaus. Zwar wuch- Riesling sowie die Roten Rondo, Cabernet sen in der Nähe vor Jahrhunderten schon mal Dorsa und Spätburgunder. Rebstöcke, aber ein klassisches Anbaugebiet ist die Region nicht. Im wahrsten Sinne des Wortes tiefschür- Diese Raritäten erzählen eine völlig neue Weinbau- fende Eingriffe in die Landschaft unternahm der Braun- geschichte aus Brandenburg. Und die doch schon mit kohleabbau. Dörfer mussten Anfang der Neunziger den eigener Tradition. So betreibt das Weingut an allen Baggern weichen, zum Beispiel der Ort Wolkenberg. Als Sonntagen von Mai bis Oktober eine Besenwirtschaft. die kohlefördernden Ungetüme ans andere Ende des Weinfreunde können ein paar Schoppen genießen, noch aktiven Tagebaus Welzow weiterzogen, wurde re- mit dem Team fachsimpeln und ihren Blick über die kultiviert. Jenem Nordhang, der der Mittags- und außergewöhnliche Landschaft streifen lassen: Nachmittags-Sonne zugewandt ist, verpasste die durch die Rebreihen, hinunter zu den Feldern schwere Technik eine Neigung von elf Grad und im flachen Tal und hinüber zu den Baggern, eine Höhe von 30 Metern. Nun stand dessen Zu- die in der Ferne noch Kohle abbauen. kunft als Weinberg nichts mehr im Wege. Eines nur: Dem geschundenen Boden musste neues Leben einge- haucht werden. „Über spezielle Pflanzen und den Elefan- ten-Dung des Cottbuser Zoos gelangen bestimmte Mikro- organismen in die Erde, die sie immer fruchtbarer und dem gewachsenen Boden ähnlicher machen“, erklärt Bettina Muthmann diesen zusätzlichen Aufwand. Die Chefin kam auf Umwegen zu Weinbau. Fachlichen Bei- stand findet sie durch ihren Co-Geschäftsführer, den Oeno- logen Martin Schwarz. In seiner Meißner Weinmanufaktur am Mariaberg baut er die Trauben vom Wolkenberg zu 17
Für die Seele 18
WURZELN DES GARTENBAUS Treptower Gärtnerei - Soldatenkönig kaufte frisches Gemüse Selbständige Berliner Erwerbsgärtnereien entwickelten sich erst mit der bürgerlichen Gesellschaft. Zu ihnen gehört die Baumschule Späth, 1720 von Christoph Späth gegründet. Sie ist der älteste produzierende Gewerbebetrieb Berlins. Im Laufe der Generationen entwickelten die jeweiligen Firmen- inhaber aus der anfangs kleinen Obst- und Gemüsegärtne- rei die einst größte Sortimentsbaumschule der Welt mit bis zu 2.200 Mitarbeitern. Durch diese Wirtschaftskraft war der Baumschulexperte in der Lage, Pflanzen neu zu züchten, dar- unter viele Wildobstsorten, von Aronia bis Zierquitte, und die Pflaumensorte ´Anna Späth´. Ihr Stammsitz in Berlin-Treptow FRIEDHOFSKULTUR prägt den Ortsteil Baumschulenweg. Einzelgräber bis Gemeinschaftsanlagen Es ist überliefert, dass der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. gern bei Christoph Späth in der Gärtnerei vorbei schaute, um Deutschland hat eine einzigartige Friedhofskultur. Sie ge- frisches Gemüse zu erhalten. Der Betrieb wurde Hoflieferant. hört seit 2020 zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO. Friedrich II. engagierte ihn zum Schneiden von Hecken in Zu den historisch besonders wertvollen Friedhöfen zählt Sanssouci. auch der Bornstedter Friedhof in Potsdam-Bornim mit über 500 historischen Grabstätten. Bekannt ist der Familienfried- hof der Familienstiftung Hofgärtner Hermann Sello – eine große Besonderheit in Deutschland, weil dies ein privater Teil des Friedhofs – ein Erbbegräbnisplatz ist. Hier findet man auch die Gräber von Peter Joseph Lenné, Friedrich Ludwig Persius und Reinhold Persius, die vor allem in Potsdam ihre Spuren hinterlassen haben. Zu den Friedhofsgärtnern, deren Wirken weit zu- rückverfolgt werden kann, gehört die Familie Spillner in Potsdam. Der Gartenbaubetrieb wurde 1764 bei einer Volkszählung das erste Mal erwähnt. Den Wandel der Fried- hofskultur in Deutschland hat Familie Spillner wesentlich mitbestimmt. Immer beliebter werden heute gärtnerbetreu- te Grabfelder wie „Gärten der Erinnerung“ und „Memoriam Gärten“. 19
Für die Seele 20
BLUMEN UND ZIERPFLANZEN, DIENSTLEISTUNGEN Die größte Gruppe der Gartenbaubetriebe ist in der Zier- pflanzenproduktion und -vermarktung tätig. Sie kultivieren auf 100 Hektar Blumen und Zierpflanzen. Vorrangig in Gewächshäusern bauen 70 gärtnerische Unter- nehmen Frühjahrsblüher, Beet- und Balkonblumen sowie Zimmerpflanzen und in geringem Umfang auch Schnitt- blumen an. Um die Verkaufsreife termingerecht zu erreichen, nutzen die Gärtner moderne Technik. Klimaführung, Bewässerung, Düngung, Belichtung, Schattierung und Verdunklung werden oft vollautomatisch gesteuert. Nach Ernte und Aufbereitung sowie Sortierung und Kennzeichnung erfolgt die Vermark- tung der Zierpflanzen über regionale Blumengroßmärkte der Region und den Großhandel an den Blumeneinzelhandel und andere Anbieter. Neben unternehmerischen Ideen brauchen die Gärtner auch Mut für Investitionen in moderne Produktionsanlagen. Dazu gehören Gewächshäuser mit licht-, wärme- und arbeitstechnisch optimalen Konstruktionen, Klima- und Düngecomputern, Energieschirmen und energie- sparenden Heizungsanlagen. So belaufen sich die Kosten für den Bau von Niedrigenergiegewächshäusern auf 180 EUR/m². Die Mehrzahl der Zierpflanzenbauunternehmen sind Einzel- handelsgärtnereien. Sie produzieren und verkaufen nicht nur Pflanzen, sondern sie bieten auch zahlreiches Zubehör, wie Erden, Pflanzgefäße und Dekomaterialien. Gefragt sind diese Gartenfachleute auch mit ihren vielfältigen Dienstleistungen wie z.B. Gartengestaltung und -pflege, Innenraumbegrünung, Obstbaumschnitt, Überwinterung von Kübelpflanzen oder Umtopfarbeiten. 21
AGENTUR FÜR FLORISTIK UND RAUMGESTALTUNG NADJA MEYER Ein Rahmen aus Phantasie Der romantische Heiratsantrag auf einem Turm, die Gala für zusammen und gründete 2002 meine Agentur für Floristik & 2.000 Gäste in einem Ballsaal, die Hochzeit mit Grusel-Faktor, Raumgestaltung. Nach drei Jahren Pionierarbeit und schnell die nostalgische Party im Orient-Express – nichts ist für Nad- anlaufender Mund-zu-Mund-Propaganda hatte ich meine ja Meyer und ihr Team zu anspruchsvoll oder zu abwegig. ersten Ziele erreicht.“ Heute gehören zum Betrieb neben Ihre in Potsdam ansässige Agentur für Floristik und Raum- dem Lager und der Werkstatt in Luckenwalde Showrooms in gestaltung kann allem das passende Ambiente verleihen. Potsdam und Berlin. Dorthin kommen die Kunden, lassen sich Mit Blüten und Pflanzen, aber nicht nur damit. Zum Fundus inspirieren und beraten. Die meisten haben noch ziemlich der Agentur gehört vom robusten hölzernen Leiterwagen unklare Vorstellungen vom passenden Ambiente. Da frage bis zu edlen silbernen Pokalen, von glänzenden Stoffen bis ich sie erst einmal aus – nach dem Kleid der Braut oder dem zu Biergartenstühlen alles, was ein Ereignis auch optisch zum Thema des Kongresses, nach dem Ort des Geschehens und Event werden lässt. nicht zuletzt nach dem Budget. Später unterbreite ich mit- hilfe einer Datenbank aus tausenden Bildern Vorschläge, an „Ich bin ein Blumenmädchen“, untertreibt die erfolg- denen wir solange basteln, bis die Veranstalter sagen „Ja, so reiche Unternehmerin manchmal. Unrecht hat sie den- schön soll es aussehen!“. noch nicht: Im elterlichen Blumenfachgeschäft in Lu- ckenwalde lernte sie Floristin und stand im Lädchen, um Rund 300 Veranstaltungen jährlich betreut die Agentur mit Sträuße und Kränze zu binden. „Aber irgendwann wur- ihren drei festen Mitarbeitern. Denen zur Seite stehen ver- de mir klar, dass das nicht für Jahrzehnte mein Ding ist. traglich gebundene Aushilfen und Handwerker. Manchmal, Ich schrieb auf, wovon ich träumte, nahm allen Mut beispielsweise wenn das Frühlings-Blüten-Labyrinth in einer Shoppingmall über Wochen frisch bleiben soll, sind auch Floristen vor Ort eingebunden, um die Kreation zu gießen und zu pflegen. Doch auch die schönsten Blumen sind vergänglich. Bleibt da Raum für Nachhaltigkeit? „Unbedingt“, meint die Floristin. „Der Vintage-Stil kommt uns da sehr entgegen. Und selbst Upcycling, das vermeintlichen Müll in neue Zusammenhän- ge stellt, passt zu uns.“ Bliebe die Gretchenfrage: Wie hält es Nadja Meyer ganz pri- vat mit der Floristik? „Ich hatte schon hunderte Brautsträuße in der Hand – aber noch nie meinen eigenen. Und unser Zuhause schmückt mein Liebster mit seinen Kreationen.“ 22
Für die Seele Nadja Meyer - Agentur für Floristik und Raumgestaltung Friedrich-Ebert-Straße 88 14467 Potsdam E-Mail: info@nadjameyer.de www.nadjameyer.de 23
Für die Seele Hermann Rothe Gartenbau Clayallee 282 14169 Berlin E-Mail: Hermann@Rothe-Gartenbau.de www.rothe-gartenbau.de 24
HERMANN ROTHE GARTENBAU Farbtupfer für die Großstadt Immer wieder ein Feuerwerk: Weihnachtssterne und Alpen- Das Stück Natur unter Lutz Grilles Händen ist auf 5.500 veilchen im Herbst, Tulpen, Primeln und Stiefmütterchen Quadratmetern von Glas überdeckt. Diese Gewächshäuser im Winter, Pelargonien und Petunien im Frühling… In den sind der Arbeitsplatz von acht Gärtnerinnen und Gärtnern Gewächshäusern der Rothe-Gartenbau GmbH in Berlin-Zeh- sowie sieben Lehrlingen. Rothe ist in Berlin einer der letzten lendorf sind die Pflanzen der nächsten Saison regelmäßig zu privaten Ausbildungsbetriebe für künftige Zierpflanzen- Tausenden am Start. Nachdem die winzigen Sämlinge unter gärtner. Zum Team gehören außerdem noch Floristinnen der Obhut der Zierpflanzengärtner an Statur gewonnen ha- und Gärtner im Verkauf und Außendienst, Handwerker, ben, treten sie - manche schon in voller Pracht, andere kurz Fahrer, Bürokräfte. Insgesamt sind in Produktion und Verkauf vorm Erblühen - ihren Weg in Blumenkästen, auf Fenster- 44 Mitarbeiter zu Gange. bänke und Beete der Kundschaft an. Einige andere Pflanzen, beispielsweise Kräuter und Gemüse zieht die Gärtnerei nicht Als Geschäft eher zweitrangig, aber als Service beliebt ist selbst heran, aber kauft sie bei Kollegen und vervollständigt es, dass ein Teil der Gewächshäuser rund 1.000 Kübeln aus damit ihr Angebot im Gartencenter. Höhepunkt im De- Berliner Gärten ein winterliches Obdach bietet. Wer Pflan- zember ist die Weihnachtsschau, während der in mehreren zen nicht auf Dauer besitzen und pflegen möchte, sondern Gewächshäusern alles grünt und blüht und leuchtet, was sie nur mal für ein paar Tage als Dekoration für Messestand Adventsstimmung verbreitet. „Wir sind nicht die größten oder Firmenevent braucht, der wird bei der Gärtnerei Rothe und nicht die billigsten“, umreißt Inhaber Lutz Grille seinen ebenfalls fündig. Kaum zu glauben, dass Kundenwünsche Betrieb. „Aber wir laden ein, Pflanzen zu erleben.“ Lutz Grille auch mal ratlos machen können: „Eine Filmge- sellschaft, die für Szenenbilder Grünes suchte, brauchte für Im Herbst 2021 feiert Rothe-Gartenbau das 125-jährige ein heruntergekommenes Büro mal richtig hässliche und Bestehen; mit Lutz Grille ist die vierte Generation am Werk. verkümmerte Zimmerpflanzen. Das war dann wirklich ein Er weiß von den Wirren und Tragödien des 20. Jahrhunderts Problem.“ zu erzählen, die seinem heutigen Betrieb und der darin auf- gegangenen Gärtnerei Grille zu schaffen machten. Viele Dokumente zur Historie des Betriebes aus Großvaters Zeiten hat er aufbewahrt: das Tagebuch eines Gärtner-Lehrmädchens von 1947 mit filigranen Pflanzenzeichnungen, Medaillen von Gartenschauen und Keramik-Töpfe aus den 30er Jahren, sowie Jahrzehnte alte Bromelien und Geweihfarne. Grille bekennt: „Es war für mich eine Selbstverständlichkeit, Gärtner zu wer- den. Ohne Druck aus der Familie.“ Das Schöne an diesem Beruf? „Wo auch immer ich über meine Arbeit erzähle – stets haben meine Gesprächspartner, positive Assoziationen. Ich bin privilegiert, Natur zu schaffen.“ 25
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BAUMSCHULEN Auf etwa 1.100 Hektar werden in 50 Baumschulen Gehölze für unterschiedliche Bedarfe produziert. Diese Bäume und Sträucher werden später an den Straßen, in Parks und in den privaten Gärten unserer Städte gepflanzt. Ebenso bilden sie die Alleen vieler Landstraßen oder sind wichtig für die Ver- jüngung unserer Wälder. Der Standortvorteil der heimischen Produktion liegt dabei vor allem darin, dass die Gehölze bereits an regionale Bedingungen mit ihren speziellen Boden- und Klimaverhältnissen angepasst sind. Ein solcher Baum ist das Ergebnis jahrzehntelanger Züch- tungsarbeit in den Baumschulbetrieben. Und natürlich auch Ausdruck einer guten Pflege am Endstandort. Dabei ist das äußere Gestaltungsbild der Bäume nur ein Merkmal. Insbe- sondere an Straßen und im verdichteten Stadtraum sind an die Lebensfähigkeit eines Gehölzes hohe Anforderungen gestellt. So müssen die Stadtbäume oft mit wenig Wurzel- raum auskommen, langen Trockenperioden und Hitzezeiten trotzen und nicht selten eine Menge Streusalz vertragen. Ihre Zweckmäßigkeit ist natürlich nicht das Einzige, was Pflanzen aus Baumschulen ausmacht. In erster Linie bringt die gärtnerische Leidenschaft der Baumschulgärtner wun- derbare und farbenreiche Gehölze hervor, die nicht nur positive Umwelteigenschaften besitzen, sondern auch den Betrachter erfreuen und Wohlbefinden schenken. Vitale Gehölze sind für die Bewältigung der Herausforderun- gen des Klimawandels von besonderer Bedeutung. Um dies noch stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, wurde mit der Baumpflanzaktion #einheitsbuddeln anlässlich des Tags der Deutschen Einheit eine große Mitmachaktion ins Leben gerufen. So wurden im Land Brandenburg mit dem #einheits- buddeln allein im Jahr 2020 30.000 Bäume gepflanzt. 27
Für die Seele Baumschule Marzahna Schönefelder Str. 8 b 14929 Marzahna E-Mail: baumschule-marzahna@t-online.de www.baumschule-marzahna.de 28
BAUMSCHULE MARZAHNA „Absolution“ für den gefällten Riesen um Jörn Martin. In den beiden Betriebsteilen in Marzahna und in Altes Lager, können sich die Kunden, die aus ganz Brandenburg und Mitteldeutschland anreisen, aussuchen, was bei ihnen grünen und blühen soll: Von der Staude bis zum Obstbaum, Zier- und Formschnittgehölze, Solitäre, Heckenpflanzen oder Beerensträucher und natürlich Bäu- me in großer Auswahl. Selbstverständlich richtet sich das Spektrum auch nach den aktuellen Trends. „Beispielsweise erinnert man sich wieder an die traditionellen Nutzgärten und kauft Obstgehölze“, so Martin. „In vielen Gärten sind die mannshohen Hecken aus den Achtzigern inzwischen vergreist. Glücklicherweise ersetzt sie kaum jemand wieder durch Koniferen, sondern pflanzt lebendige blühende Be- grenzungen.“ Manchmal ist es unumgänglich: Wo gebaut wird, fallen Bäume. Dafür, dass dann an anderer Stelle neue wachsen, Wer keinen grünen Daumen – oder ein allzu großes Gelände – sorgt unter anderem die Baumschule Marzahna im Süden sein Eigen nennt, kauft nicht nur beim Baumschul-Team, von Brandenburg. „Ausgleichspflanzungen gehören zu sondern nimmt auch dessen Dienste in Anspruch. „Manch- unseren Spezialstrecken“, erzählt Inhaber Jörn Martin. „Wir mal begleiten wir einen Garten, wie ein Hausarzt seine Pa- informieren die Kunden darüber, wozu sie per Gesetz ver- tienten“, erzählt Martin. „Dann haben wir zum Kunden ein pflichtet sind, beraten sie bei der Suche nach einem geeig- besonders enges Verhältnis. Wir nehmen ihm aber nicht nur neten Standort, der Auswahl der neuen Bäume und pflanzen die schwere Arbeit ab, sondern überlegen mit ihm, wie sich diese dann auch.“ Für das Fällen einer stattlichen 200-jähri- dieses Stück Natur entwickeln sollte. Wir erleben mit dem gen Eiche muss ein Bauherr schon mit einer „Absolution“ Kunden die Jahreszeiten, das Wachsen und Absterben der von fünf bis sechs jugendlichen Bäumen rechnen. Andere Gehölze. Dieser Wandel ist für mich das Schöne an diesem Gehölze aus der Baumschule Marzahna säumen später mal Beruf“, so Martin. Der Geschäftsführer der Baumschule Alleen oder zieren private Gärten. stammt aus einer alteingesessenen Gärtnerfamilie, hat zu- erst Zierpflanzen- und Gemüsebau gelernt, ist dann Ehe sie an ihrem endgültigen Standort Wurzeln schla- in Hannover auf die Baumschul-Gärtnerei umge- gen, verbringen die Bäume drei bis fünf Jahre auf dem stiegen und bildet mittlerweile selbst aus. weitläufigen Baumschul-Gelände. Den „Kindergar- Vieles läuft bei Martin noch wie seit Jahr- ten“ nebst Veredelung haben die Winzlinge dann zehnten. Anderem, beispielsweise moderner schon hinter sich. Als Schüler sollen sie nun an Statur Bewässerung, der Nutzung von Folientunneln gewinnen und lernen, mit der Welt am Straßenrand oder der Digitalisierung stellt er sich. Nur ei- oder im Vorgarten zurechtzukommen. Ihre „Lehrer“ sind nem einzigen Trend verweigert sich der Gärtner- zwei Gärtnermeister und fünf Gärtner aus dem Team meister energisch: „Ich lege keine Schottergärten an!“ 29
Für die Seele 30
FRIEDHOFSGÄRTNER Die Bestattungskultur erlebt in Deutschland seit einiger Zeit einen Wandel. Die Anzahl der Bestattungsformen außerhalb des Friedhofs und des einzelnen Grabes nimmt zu. Darüber hinaus lassen sich immer mehr Menschen anonym bestat- ten. Die Angehörigen wüschen sich jedoch einen festen Ort für ihre Trauer und Erinnerungen. Deshalb ist es gut, sich bereits zu Lebzeiten mit der „letzten Reise“ auseinanderzu- setzen. Wie soll meine letzte Reise aussehen? Möchte ich anonym bestattet werden, weil ich keinem zur Last fallen will, auf der grünen Wiese? Aber werden meine Hinterbliebenen mich wiederfinden? Soll meine Asche als Schmuckstein, als Dia- mant, Ring oder Anhänger gepresst werden? Wer wird ihn tragen dürfen? Oder soll meine Asche in alle Winde verstreut werden? Werde ich in Erinnerung bleiben? Eine weitere Mög- lichkeit ist der Bestattungswald. Wie sieht es dort im Winter aus? Gibt es eine Busverbindung? Oder möchte ich auf dem Friedhof in der Nähe meiner Angehörigen beerdigt werden? Ich bekomme einen Grabstein, Blumen, Ruhe und jeder kann mich besuchen, wann er will. Um meine Angehörigen nicht mit der Pflege zu belasten, aber dennoch ein gepflegtes Grab zu haben, kann ich mich auch für ein gärtnerisch betreutes Grabfeld auf einem Friedhof entscheiden. Es ist für jeden gut erreichbar, barrierefrei, immer gepflegt, im Winter gestreut und geräumt. 31
Für die Seele Veckenstedt GmbH Gärtnereibetriebe Onkel-Tom-Straße 29 14169 Berlin E-Mail: Veckenstedt.R-P@t-online.de www.gaertnerei-veckenstedt.de 32
VECKENSTEDT GMBH GÄRTNEREIBETRIEBE Naturgewordene Erinnerung Wenn ein Mensch für immer geht, samen Gesprächen helfen wir unserem Gegenüber auch bei wünschen sich die Hinterbliebenen der Bewältigung seiner Trauer.“ einen leisen Ort, an dem sie dem Ver- storbenen begegnen können; solch Dann erst, wenn die Hinterbliebenen ihre Entscheidungen in einen Ort bietet vielen das Grab. Dieses all ihren Facetten durchdacht haben, geht es um die Gestal- Stück Erde ist kein gewöhnliches Beet, tung des Grabes. „Natürlich beziehen wir die aktuellen Trends sondern naturgewordene Erinnerung. in unsere Beratung ein und lassen uns von Landes- oder Bun- Dafür, dass diese Erinnerung immer desgartenschauen anregen“, so Veckenstedt. „Im Zeitgeist lie- wach und inspirierend bleibt, sorgen gen neben den traditionellen Bodendeckern und Randbegrü- auch die Friedhofsgärtner in Berlin und nungen zunehmend Stauden, Gräser und kleine Laubgehölze. in Brandenburg. Das macht die Gräber lebendiger.“ An zwei Standorten in Berlin-Zeh- Was das Interessante an dieser Sparte der Gärtnerei ist, um- lendorf ist das die Friedhofsgärtnerei reißt Dirk Veckenstedt so: „Die Arbeit des Friedhofsgärtners Veckenstedt. Der 1969 als Einzelunter- ist ein Mix aus eigenverantwortlicher Arbeit und Teamwork, nehmen von Gärtnermeister Rolf-Peter unabhängig von Digitalisierung und anderen weitreichenden Veckenstedt gegründete Betrieb wurde 2003 durch dessen Änderungen in der Arbeitswelt. Unsere Kunden sind nicht Sohn Dirk Veckenstedt übernommen. Mit im Boot ist schon nur Rat-, sondern auch Trostsuchende. Sie erwarten von uns die nächste Generation: „Seit 2019 schreibt meine Tochter Na- Lösungen für Probleme und Sorgen, mit denen sie plötzlich tascha mit an unserer Herzblutgeschichte“, so Dirk Veckenstedt konfrontiert werden. Nicht zuletzt versuchen wir, ihnen mit nicht ohne Stolz. unserem Fachwissen und unserer Phantasie hilfreich zur Seite zu stehen - diese Vielfalt auf meist kleinen Flächen umzuset- Der Familientradition folgend werden zwar auch Jungpflan- zen, ist dann die fachliche Herausforderung.“ zen wie Eisbegonien unter Glas gezogen; doch den Großteil der Arbeit verrichtet das 16-köpfige Team der Gärtnerei auf vier Friedhöfen in Berlin-Zehlendorf. „Unsere Arbeit beginnt aber nicht erst mit dem Pflanzen“, so Geschäftsführer Dirk Veckenstedt. „Sie beginnt schon mit der Beratung der Trau- ernden. Vor allem, wenn in der Familie nie über den Tod ge- sprochen wurde, stehen die Hinterbliebenen vor einer Mauer aus Entscheidungen: Soll es ein traditionelles Grab sein? Oder eine modernere Variante wie der Memoriam-Garten oder die Ruhegemeinschaft? Wie soll die Grabstätte aussehen? Ist es wirklich der Wille der Familie, die spätere Grabpflege in fremde Hände zu geben oder sich möglicherweise durch eine anony- me Grabstätte gänzlich zu entpflichten? Mit diesen einfühl- 33
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KÖNIGLICHE MÜNCHEBERG GÄRTNERLEHRANSTALT Begründung der deutschen Erste ihrer Art in Europa Obstzüchtung Peter Joseph Lenné ist nicht nur Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Züchtungs- der bekannteste Gartenkünst- forschung wurde im Jahr 1928 durch die ler Deutschlands, er sorgte sich Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung auch um den Nachwuchs und der Wissenschaften in Müncheberg ge- gründete im Jahr 1823 in Pots- gründet. Wichtige Ziele waren dabei die Ertragssteigerung dam die erste Ausbildungsstätte von Nutzpflanzen und die Entwicklung neuer, gegenüber für Gartenkultur in Europa. Schon Erkrankungen und ungünstigen klimatischen Verhältnissen Ende des 18. Jahrhunderts wurde widerstandsfähiger Sorten. Die Züchtungsforschung geht öffentlich die Reform der Gärtnerausbildung gefordert. Ziel bis zum Jahr 1886 zurück, als im Entomologischen National- war es, Kunstgärtner auszubilden. Die Anfänge einer institu- museum, die Erforschung land- und forstwirtschaftlicher tionellen Gärtnerausbildung liegen in den ersten Jahrzehn- Schädlinge begann. Der Naturwissenschaftler Erwin Baur ten des 19. Jahrhunderts. Bis dahin war das Gärtnerwesen legte mit der Institutsgründung den Grundstein für den eng mit der höfischen Gesellschaft verbunden. An fürst- Landes-Sortengarten, dessen Bestände bis in das 19. Jahr- lichen Höfen bildeten Hofgärtner den Nachwuchs aus, be- hundert zurückgehen und der in seiner Form vorzugt allerdings ihre eigenen Söhne und wiesen Lehrlinge in Deutschland einmalig ist. ab, die nicht Hofgärtnersöhne waren. Die „Königliche Gärt- nerlehranstalt“ hatte zum Ziel, die Gartenkunst zu fördern. Im Laufe seiner Geschichte wurden am Dabei wurden auch Erfahrungen vermittelt, die Lenné auf Kaiser-Wilhelm-Institut für Züchtungsfor- seinen weitläufigen Reisen, vor allem nach England, kennen schung und den Nachfolgeinstituten zahl- und schätzen gelernt hatte. reiche Kern-, Stein- und Beerenobstsorten gezüchtet. Die weit verbreitete Apfelsor- te ‚Alkmene‘ ist eine der ersten Sorten- züchtungen des Instituts Müncheberg. 35
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FORSCHUNG UND TECHNIK In der Region Berlin-Brandenburg gibt es zahlreiche Hochschulen und wissenschaftliche Institute, die direkt und indirekt auf den Gartenbau einwirken und wertvolle Forschungsarbeit leisten. Die Humboldt-Universität, das Institut für Agrartechnik und Bioökonomie oder das Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau sind sicherlich die be- kanntesten unter ihnen. Um den Wissenschaft-Praxis-Dialog zu fördern, hat sich das Land Brandenburg gemeinsam mit den berufsständi- schen Vertretungen das Ziel gesetzt, das Instrument der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) zu nutzen, um die landwirtschaftliche und gärtnerische Produktivität zu stärken und nachhaltiger zu gestalten. So wurden in den letzten fünf Jahren fast 20 Millionen Euro in EIP-Projekte investiert. Fast die Hälfte dieser brandenburgischen EIP-Projekte wird in und mit gärtnerischen Unternehmen umgesetzt. Dies un- terstreicht den großen Forschungsbedarf und zugleich das Innovationsvermögen des Gartenbaus. Forschungsthemen sind beispielsweise die Verbesserung der Wassernutzungs- effizienz im Obstbau durch internetgestützte Informati- ons- und Beratungssysteme (AQUA C+), Anbaustrategien zur Überwindung der spezifischen Bodenmüdigkeit bei Apfel und Spargel (NewSoil21) oder die Strategieentwick- lung zur Bekämpfung der Sanddornfruchtfliege (MoPlaSa). Ebenso stehen technische Innovationen zur Optimierung der Prozessabschnitte entlang der Versorgungsketten frischer Lebensmittel im Fokus. Ein Beispiel hierfür sind Untersuchungen zur sicheren Produktion und anschließenden Pasteurisierung von Spreewälder Gurken g.g.A. 37
LEIBNIZ-INSTITUT FÜR AGRARTECHNIK UND BIOÖKONOMIE E. V. (ATB) Vom Bauchgefühl zur Wissenschaft Wie heiß sollten und dürfen Äpfel gewaschen werden, um eine Dauer von nur 30 bis 60 Sekunden kann die Mikroflora möglichst keimarm in einen Obstsalat geschnippelt zu wer- auf der Apfelschale effizient reduziert werden – produkt- den? Lässt sich eigentlich vorausberechnen, wie lange so ein schonend und ohne den Einsatz von Chemie vor und wäh- Obstsalat genießbar bleibt? Wie intensiv sollten die Blüten an rend der Verarbeitung. einem Obstbaum ausgedünnt werden, damit er alle Früchte zur bestmöglichen Qualität reifen lassen kann? Wieviel kühle In den Labors der etwa 250 Beschäftigten des Instituts wer- und sauerstoffarme Luft sollte durch die Kistenstapel eines den während der Messreihen so mancher Apfel und manche Obst- oder Gemüselagers strömen, um Waren lange frisch Tomate zerschnitten oder zerdrückt, wird in Klimakammern zu halten? Wie kann das gemessen werden? Und wie sehen die Atmung der Frucht gemessen oder unter dem Mikros- optimale Folienverpackungen für Lebensmittel aus? Solche kop ihr Keimbefall betrachtet. In anderen Projekten werten und ähnliche Fragen lassen sich von den Gärtnern und Ver- Experten Drohnenaufnahmen von den Obstanlagen des In- arbeitern von Obst und Gemüse natürlich zum Teil mit lang- stituts und der Praxis-Partner aus. Auf den Bildschirmen ist jähriger Erfahrung beantworten. Sozusagen aus dem Bauch dann unter anderem zu erkennen, wo auf einer Apfelplanta- heraus. Doch heutzutage genügt dieses Bauchgefühl nicht ge trockene und wo feuchte Böden sind, so dass nicht überall mehr. Das Bemühen um Nachhaltigkeit verbietet, dass Ton- gleichermaßen großzügig bewässert werden muss. nen verdorbener Früchte auf dem Müll landen oder dass die Klimatechnik zu viel Energie schluckt. Teilweise müssen die Forschenden des ATB ihre Messgeräte auch erst selbst bauen. Um beispielsweise im Obst-Lager den Luftzug zwischen den Früchten zu ermitteln, wurde ein spezielles Sensorsystem konstruiert. Es besteht aus vier py- ramidenförmig miteinander verbundenen Kunststoffkugeln, in Größe und Position etwa so wie die in Großkisten ver- stauten Äpfel, Zwiebeln oder Orangen. Im Raum zwischen den Kugeln sind Siliziumdioden befestigt. Inmitten ihrer Frucht-„Kollegen“ tief drin in der Kiste erfassen die, wie gut die Luft durch die Kisten strömt und das unerwünschte Rei- fungshormon Ethylen mit sich nimmt. In anderen Projekten reisen solche Stellvertreter-Früchte im LKW mit und senden von unterwegs Daten, die dann über ein Modell den jeweils aktuellen Frischezustand der Ladung berechnen lassen. Und hier treten die Forscherinnen und Forscher des Leibniz-Instituts für Agrartechnik und Bioökonomie e. V. (ATB) Nützlich sind die Forschungs-Resultate für alle entlang des in Potsdam in Aktion. Sie haben beispielsweise in Messungen Lebensweges einer Frucht. Bis hin zum Verbraucher. ermittelt: Mit Hilfe einer Heißwasserbehandlung bei 55°C für 38
Für die Zukunft Leibniz-Institut für Agratechnik und Bioökonomie e. V. (ATB) Max-Eyth-Allee 100 14469 Potsdam E-Mail: atb@atb-potsdam.de www.atb-potsdam.de 39
Für die Zukunft Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) e. V. Theodor-Echtermeyer-Weg 1 14979 Großbeeren E-Mail: igzev@igzev.de www.igzev.de 40
LEIBNIZ-INSTITUT FÜR GEMÜSE- UND ZIERPFLANZENBAU E. V. Blick in die Tiefe der Pflanzen Dass Obst und Gemüse gesund sind, hat sich längst herum- nika Schreiner. „Wir regen die Pflanzen an, ihre eigenen, ganz gesprochen. Doch welche Inhaltsstoffe aus diesen natürlichen natürlichen physiologischen und biochemischen Prozesse Lebensmitteln braucht der Mensch? Welche davon sind be- zu intensivieren oder abzuschwächen.“ sonders kostbar und wie könnte man Pflanzen anregen, mehr von diesen zu produzieren? Das sind einige der Themen, an Ein handhabbares – besser: trinkbares – Ergebnis der For- denen am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau schung ist zum Beispiel der „Halo(phyten)-Smoothie“. „Weil (IGZ) im brandenburgischen Großbeeren geforscht wird. Frischwasser immer rarer werden wird, müssen wir uns inten- siver Pflanzen zuwenden, die mit Salzwasser leben können“, Dort ergründen rund 110 Mitarbeiter, wie Mechanismen und so Schreiner. „Die haben wir zu einem grünen Smoothie Prozesse innerhalb von Pflanzen sowie zwischen Pflanzen und gemixt, der leicht salzig schmeckt.“ deren Umwelt funktionieren. Dieses weite Feld ist gegliedert in vier Kernthemen: „Funktionelle Pflanzenbiologie“, „System Welche Denkansätze haben die Forscher für die bevorste- Pflanze-Mikroorganismen“, „Gartenbausysteme der Zukunft“ henden Jahrzehnte, wenn weitere Milliarden Menschen in und „Pflanzenqualität und Ernährungssicherheit“. Leiterin der die sich ausdehnenden Städte ziehen und die Produktion letztgenannten Abteilung ist Prof. Dr. Monika Schreiner. Das „auf dem Land“ kaum noch ausreicht, wenn weniger Ziel ihres Teams beschreibt sie so: „Uns treibt an, daran mitzu- Anbaufläche und Frischwasser zur Verfügung stehen? wirken, dass vor allem pflanzen-basierte Lebensmittel gesund Dazu Prof. Schreiner: „Die Produktion wird mit in die Städte sind, gut schmecken, nachhaltig erzeugt werden – und das für ziehen. Ich denke an bisher ungenutzte Räume für Pflanzen- alle Menschen in ausreichenden Mengen.“ fabriken: Verkehrsbegleitflächen, Industriebrachen, still- gelegte Tunnelsysteme…“ Um dahinter zu kommen, was in Wurzeln, Blättern, Spross- achsen, Früchten oder Samen abläuft, nehmen die Forscher Und in 100 Jahren? „Wir werden, weil wir uns von der Massen- sie (nicht nur) unter die Lupe. Dazu betreiben sie Versuche im tierhaltung abgewendet haben, durch die Pflanzenwelt und Freiland, in Gewächshäusern und in Klimaschränken, in An- andere Nahrungsquellen eine viel buntere Palette an Lebens- zuchtkammern, in denen Licht, Temperatur und Luftfeuch- mitteln haben.“ tigkeit reguliert werden können, und in den Labors. Es geht einerseits darum, Pflanzen in ihrer Vielfalt als Bio-Lieferant von Inhaltsstoffen zu sehen. Also widmen sich einige Studien bis- lang kaum genutzten, regionalspezifischen Nahrungspflanzen beispielsweise heimischen Hülsenfrüchten oder auf salzhalti- gem Boden lebenden Pflanzen (Halophyten). Andererseits soll geklärt werden, mit welchen natürlichen Umweltreizen die Pflanzen zur Produktion besonders wertvoller Inhaltsstoffe veranlasst werden können. Das wäre zum Beispiel Licht be- stimmter Farbe und Intensität. „Wir betreiben also keine Züch- tung und greifen auch nicht in die Genstrukturen ein“, so Mo- 41
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NACHHALTIGER GARTENBAU Im Gartenbau spielen Umweltschutz und Nachhaltigkeit eine große Rolle. Dieser Ressourcenschutz erfolgt zum Bei- spiel durch die sparsame Verwendung von Wasser, durch klimafreundliche Konzepte zur Energieeinsparung, durch den Erhalt der Biodiversität oder auch durch faire Arbeits- bedingungen für die im Gartenbau tätigen Menschen. Dazu sind Gartenbaubetriebe ständig auf der Suche nach neuen Wegen. Diese können ganz trivial sein, wie bspw. der Einsatz kompostierbarer Schnüre für den Tomatenanbau, oder auch mit komplexen Untersuchungen vorab einher- gehen. Um beispielsweise den Straßen- und Alleebaumbe- stand nachhaltig zu sichern und die Auswirkungen des Kli- mawandels abzumildern, werden geprüfte, klimaangepasste Sorten benötigt. Im Rahmen des EIP-Projektes Trees4Streets werden wurzelechte und klimaangepasste Straßen- und Al- leebäume für die Baumschulproduktion selektiert, geprüft und angezogen. Weitere Beispiele sind die zunehmende Nutzung von Pflanztöpfen aus recyceltem Material, der Ein- satz von Nützlingen bei der Schädlingsbekämpfung oder im Rahmen eines weiteren Forschungsprojektes das Ziel, die Bewässerung so effizient wie möglich zu gestalten. 43
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