Waldstrategie 2050 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - Herausforderungen und Chancen für Mensch, Natur und Klima - BMEL

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Waldstrategie 2050 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - Herausforderungen und Chancen für Mensch, Natur und Klima - BMEL
Waldstrategie 2050
Nachhaltige Waldbewirtschaftung – Herausforderungen und Chancen für
Mensch, Natur und Klima
Waldstrategie 2050 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - Herausforderungen und Chancen für Mensch, Natur und Klima - BMEL
INHALTSVERZEICHNIS

INHALT

Zusammenfassung 4

1		 Hintergrund         8

2		 Ausgangslage 10

3		 Leitbild 2050        16

4		 Handlungsfelder und Meilensteine            18

4.1		   Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel 19

4.2		   Biodiversität und Waldnaturschutz 24

4.3		   Holzerzeugung und -verwendung 28

4.4		   Erholung, Sport und Gesundheit 34

4.5		   Boden und Wasser 38

4.6		   Waldentwicklung, nachhaltige Bewirtschaftung und Jagd 43

4.7		   Waldeigentum und neue Wertschöpfung 46

4.8		   Waldarbeit, Digitalisierung und Technologie 50

4.9		   Forschung und Entwicklung 52

4.10    Kommunikation und Information 54
Waldstrategie 2050 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - Herausforderungen und Chancen für Mensch, Natur und Klima - BMEL
VORWORT

Liebe Leserinnen
und Leser,
unsere Erde wird gerne als „blauer Planet“ bezeichnet.       Unsere Waldlandschaft ist heute geprägt durch ein
Das stimmt aber nicht ganz. Denn wenn wir unsere Erde        kleinräumiges Mosaik unterschiedlicher Waldflächen,
betrachten, dann sehen wir neben unseren Ozeanen mit         das seinen Ursprung in der Vielfalt der Standorte und
unseren Wäldern das zweite bedeutende Ökosystem.             der vielfältigen Bewirtschaftung verschiedener Waldbe-
Ganze 30 Prozent der Erdoberfläche sind grün, weil           sitzformen hat. Die biologische Vielfalt unserer Wälder
sie von Wald bedeckt sind. Deutschland ist mit einem         ist somit Merkmal einer Kulturlandschaft, die sich
Waldflächenanteil von rund 32 Prozent (11,4 Millionen        über mehrere Jahrhunderte entwickelt hat. Doch durch
Hektar) eines der waldreichsten Länder Europas.              den Klimawandel sind die Wälder massiv geschädigt:
                                                             Unsere Waldzustandserhebung 2020 bestätigt, dass es
In unseren Wäldern wird ein enormer Kohlenstoffvor-          den Wäldern in Deutschland so schlecht geht wie seit
rat gespeichert und ein erheblicher Prozentsatz unseres      Jahrzehnten nicht. Dürre, Hitze und Schädlinge machen
CO2-Ausstoßes ständig gebunden. Der Wald in Deutsch-         ihnen besonders in der jüngeren Vergangenheit zu
land bindet rund 57 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente         schaffen und bedrohen ihre Leistungsfähigkeit. Um
pro Jahr. Etwa genauso viel setzen alle Nutzfahrzeuge        unsere Wälder zu erhalten, müssen wir sie verstärkt zu
in Deutschland im gleichen Zeitraum frei. Damit ist der      klimastabilen Mischwäldern umbauen. Und hierfür
Wald unser wichtigster Klimaschützer. In den zurück-         dürfen wir nicht in Jahren, sondern müssen in
liegenden Jahren konnten der Wald, seine nachhaltige         Generationen denken.
Bewirtschaftung und die Holzverwendung insgesamt die
Treibhausgas-Bilanz in Deutschland um bis zu                 Das Ziel dieser Waldstrategie ist es, die Wälder in
14 Prozent verbessern.                                       Deutschland mit ihren vielfältigen Ökosystemleistungen
                                                             für den einzelnen Menschen und die Gesellschaft, die
Der Wald ist aber auch ein wichtiger Hort der heimischen     Natur sowie die Wirtschaft zu erhalten und an die sich
Biodiversität, Ursprung für die Bereitstellung zahlreicher   ändernden klimatischen Bedingungen anzupassen.
sogenannter Ökosystemleistungen und Arbeitgeber. Der         Damit ist sie Ausdruck unserer Verantwortung für den
Wald liefert den für das Klima und die Bioökonomie           Wald, die Waldbesitzenden und künftige Generationen,
wichtigsten nachwachsenden Rohstoff Holz. Die Ver-           die wie wir auf seine Leistungen angewiesen sind.
wendung von Holz schont endliche Ressourcen und ist
die Grundlage für eine weitverzweigte Wertschöpfungs-        Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.
kette, die weiter an Bedeutung gewinnen wird. Damit          Herzlichst Ihre
sichern Waldbewirtschaftung und Holzverwendung Ein-
kommen und Beschäftigung gerade auch in ländlichen           Julia Klöckner
Regionen. Und schließlich ist der Wald auch als Natur-       Bundesministerin für Ernährung
raum für Erholung, Sport und Gesundheit erlebbar.            und Landwirtschaft

                                                                                                                       3
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Zusammenfassung

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Waldstrategie 2050 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - Herausforderungen und Chancen für Mensch, Natur und Klima - BMEL
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050

Der Wald in Deutschland
wächst – aber er braucht
Unterstützung
Zusammenfassung der Waldstrategie 2050

Mit einem Waldflächenanteil von rund 32 Prozent ist         schaftung der Wälder im Klimawandel. Die Folgen des
Deutschland eines der waldreichsten Länder Europas.         Klimawandels sind nicht nur für den Wald gravierend,
Seit 1990 konnte die Waldfläche um mehr als 200.000         sondern auch für die von ihm bereitgestellten Ökosys-
Hektar ausgeweitet werden. Von den 11,4 Millionen           temleistungen sowie für die Waldbesitzenden. Zur Be-
Hektar Wald in Deutschland sind 48 Prozent Privatwald       wältigung dieser Herausforderungen braucht es die Hilfe
und 19 Prozent im Eigentum von Körperschaften (z. B.        von Bund und Ländern für die nachhaltig wirtschaften-
Kommunen). Die übrigen Waldflächen sind im Eigentum         den Forstbetriebe.
der Länder (29 Prozent) und des Bundes (4 Prozent).
                                                            Ökosystemleistungen des Waldes
Laubbäume wachsen auf 45 Prozent der Waldfläche; Bu-
che (16 Prozent) und Eiche (11 Prozent) sind hierbei die    Die Wälder in Deutschland – sowie weltweit – sind we-
wichtigsten Arten. Insbesondere durch den seit Anfang       gen ihrer vielfältigen Ökosystemleistungen wichtig für
der 1990er-Jahre mit öffentlichen Geldern geförderten       das Wohlergehen und die Bedürfnisse der Menschen. Die
Waldumbau hat der Laubbaumanteil stetig zugenom-            biologische Vielfalt des Waldes, sowie die Pflege und das
men. Mischwälder prägen mit einem Flächenanteil von         Management des Walds durch die Waldbesitzenden und
76 Prozent den deutschen Wald. Die jüngeren Wälder          die Forstleute sind die Grundlage für die Sicherung und
(bis ca. 20 Jahre alt) sind zu 85 Prozent aus natürlicher   Bereitstellung der Ökosystemleistungen. Deren Bedeu-
Verjüngung hervorgegangen.                                  tung für die Gesellschaft verdeutlichen folgende Zahlen:

Die Extremwetter der Jahre 2017 bis 2020 stellen als        →→ Klimaschutz: In den Wäldern Deutschlands sind
Folge des Klimawandels eine deutliche Zäsur in der Wal-        gegenwärtig 2,6 Milliarden Tonnen Kohlenstoff
dentwicklung dar: Stürme und Dürren in Verbindung              in Biomasse, Totholz und Boden gebunden. Die
mit extremer Hitze begünstigten großräumige Massen-            jährliche Kohlenstoffspeicherwirkung des Waldes
vermehrungen von Borkenkäfern und anderen Schäd-               beläuft sich aktuell auf 57 Millionen Tonnen CO2
lingen, die die Waldbewirtschaftung beeinträchtigen. Bis       und die der stofflich genutzten Holzprodukte auf
Ende des 2. Quartals 2021 sind dadurch ca. 187 Millionen       4,2 Millionen Tonnen CO2. Bei der Bewertung der
Kubikmeter Schadholz angefallen, 277.000 Hektar sind           Treibhausgas-Minderungspotenziale ist die ganz-
wiederzubewalden.                                              heitliche Bewertung der Wirkungen von Wald,
                                                               Waldbewirtschaftung und Holzverwendung in Bezug
Der Klimawandel ist eine existenzielle Herausforderung         auf Kohlenstoffspeicherung und Substitution von
für die Menschheit. Eine ambitionierte Klimaschutz-            energieintensiven Materialien und Energieträgern
politik zur Minderung der Treibhausgas-Emissionen ist          mit nachteiliger Ökobilanz erforderlich. In den
daher von zentraler Bedeutung, nicht nur für den Erhalt        zurückliegenden Jahren konnte dadurch die Treib-
der Wälder. Die zentralen Herausforderungen für die            hausgas-Bilanz in Deutschland um bis zu 14 Prozent
Waldpolitik in Deutschland sind: die Auswirkungen des          verbessert werden. Das entspricht knapp 80 Prozent
Klimawandels auf die Wälder und die Waldwirtschaft,            der Emissionen des Straßenverkehrs im Jahre 2016.
die Anpassung der Wälder an den Klimawandel, der
Schutz der Biodiversität sowie die nachhaltige Bewirt-

                                                                                                                    5
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ZUSAMMENFASSUNG

→→ Nachwachsender Rohstoff Holz: Die Waldwirtschaft       Das Leitbild für den Wald in Deutschland
   in Deutschland konnte im Durchschnitt der Jahre
   2010 bis 2019 jährlich rund 73 Millionen Kubikmeter    Wälder und ihre nachhaltige Bewirtschaftung sollen
   Rohholz zur Verfügung stellen. Auch aufgrund des       auch in Zukunft die für die Gesellschaft wichtigen
   effizienten Rohstoffeinsatzes von Reststoffen wie      Leistungen erbringen und dabei einen hohen Grad an
   etwa Landschaftspflegematerial, Sägenebenproduk-       biologischer Vielfalt aufweisen. Dies stellt die Waldbesit-
   ten oder Altholz liegt der gesamte Holzrohstoffein-    zenden, die Waldpolitik und die Ressourcenpolitik Holz
   satz mit rund 127 Millionen Kubikmetern pro Jahr       vor besondere Herausforderungen, die sich durch die
   deutlich über dem Rohholzeinsatz. Der nachhaltig er-   Folgen des Klimawandels zusätzlich verschärft haben.
   zeugte klimafreundliche Rohstoff Holz ist die Grund-   Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirt-
   lage für eine weitverzweigte Wertschöpfungskette       schaft (BMEL) setzt sich mit der Waldstrategie 2050
   mit dem Bausektor als wichtigstem Absatzmarkt. Im      daher für folgendes Leitbild bis zum Jahr 2050 ein:
   Jahr 2018 fanden im Cluster „Wald und Holz“ rund 1
   Millionen Menschen Arbeit und Einkommen.               Die Wälder in Deutschland sind mit ihren vielfältigen
→→ Erholung, Sport und Gesundheit: Über 55 Millionen      Ökosystemleistungen für den einzelnen Menschen und die
   Menschen, beziehungsweise 70 Prozent der Bevöl-        Gesellschaft, die Natur sowie die Wirtschaft erhalten und
   kerung, nutzen den Wald zur Erholung mindestens        an die sich weiter ändernden klimatischen Bedingungen
   einmal im Jahr aktiv. Im Bevölkerungsdurchschnitt      angepasst. Sie sind in einer Weise im staatlichen, körper-
   ergeben sich rund 28 Besuche pro Person und Jahr.      schaftlichen und privaten Waldbesitz weiterentwickelt
   Jährlich gibt es in Deutschland schätzungsweise        und integrativ bewirtschaftet, dass ihre Stabilität, ihre
   2,3 Milliarden Waldbesuche. Die Bedeutung des Wal-     biologische Vielfalt, ihre Produktivität und ihre vielfälti-
   des für die physische und psychische Gesundheit der    gen Schutzleistungen sowie ihre Erlebbarkeit zum Wohl
   Bevölkerung ist unschätzbar hoch.                      der gesamten Gesellschaft nachhaltig gewährleistet sind.
→→ Trinkwasser: Über 40 Prozent der Fläche aller Was-     Damit bleiben auch für künftige Generationen die gleichen
   serschutzgebiete liegen im Wald, das sind rund         Chancen und Nutzungsoptionen erhalten. Die Ökosys-
   2,1 Millionen Hektar Waldfläche (18 Prozent Flä-       temleistungen des Waldes werden angemessen von der
   chenanteil). Trinkwasser aus dem Wald ist besonders    Gesellschaft honoriert.
   sauber, 98 Prozent der im Wald gewonnenen Wasser-
   menge hat Trinkwasserqualität.

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BMEL-WALDSTRATEGIE 2050

Die Waldstrategie 2050 beschreibt in zehn Handlungs-        Die nachfolgenden zehn zentralen Meilensteine zielen
feldern, was zu tun ist, um das „Leitbild Wald 2050“ zu     auf die Anpassung der Wälder an den Klimawandel, den
erreichen. Hieraus abgeleitete 59 Meilensteine bilden       Klimaschutz, die nachhaltige Holzerzeugung und -ver-
konkrete Zwischenziele bis 2030 ab. Dies ermöglicht, den    wendung, die Biodiversität und den Waldnaturschutz,
Fortschritt zu bewerten, Schlussfolgerungen zu ziehen       die Erholungsnutzung sowie die Unterstützung der
und das weitere Vorgehen daraus zu entwickeln.              Waldbesitzenden.

          Zentrale Meilensteine bis zum Jahr 2030

          1     Maßnahmenpläne zur Anpassung der
                Wälder an den Klimawandel sowie zum                   6    Ein Konzept für effizienten Waldnatur-
                                                                           schutz ist etabliert und wird umgesetzt.
                Risiko- und Krisenmanagement liegen                        Um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu
                vor und werden umgesetzt.                                  erhöhen enthält das Konzept konkrete
                                                                           Schwerpunkte, die eine systematische

          2     Für Wälder, die besonders von Trocken-
                heit bedroht sind (derzeit geschätzt über
                                                                           Planung erlauben.

                2,85 Millionen Hektar), sind Umbaupläne
                erarbeitet. In einem Drittel davon sind               7    Die Verjüngung standortgerechter, arten-
                                                                           reicher und klimaresilienter Mischwälder
                Umbaumaßnahmen bereits eingeleitet.                        aus Naturverjüngung, Saat und Pflanzung
                                                                           erfolgt im Wesentlichen ohne Schutzmaß-

          3     Der Wald, seine nachhaltige Bewirtschaf-
                tung sowie die Holzverwendung tragen
                                                                           nahmen vor dem Verbiss durch Wild.

                weiterhin zur Erreichung der Klima-
                schutzziele der Bundesregierung bei.                  8    Systeme zur Honorierung der vielfältigen
                                                                           Ökosystemleistungen des Waldes sind
                                                                           etabliert und werden umgesetzt. Dazu

          4     Der Trend zu mehr Holz im Wohnungsbau
                hat sich fortgesetzt; die Holzbauquote
                                                                           gehört die Honorierung des Klimaschut-
                                                                           zes, des Waldnaturschutzes sowie der
                im Wohnungsneubau (Genehmigungen                           Erholungsnutzung.1
                mit überwiegend verwendetem Baustoff
                Holz) erreicht 30 Prozent. Der Holzbedarf
                wird überwiegend durch Holz aus nach-                 9    Maßnahmen zur Anpassung der Wälder
                                                                           an den Klimawandel, ihrer naturnahen
                haltiger, heimischer Waldbewirtschaftung                   Bewirtschaftung sowie der Bewältigung
                gedeckt.                                                   der durch Extremwetterereignisse verur-
                                                                           sachten Folgen des Klimawandels werden

          5     Die biologische Vielfalt im Wald hat
                sich weiter verbessert. Hierzu gehören
                                                                           durch Förderprogramme verstärkt unter-
                                                                           stützt. Das Risiko- und Krisenmanage-
                die naturnahe Waldbewirtschaftung,                         ment sind Bestandteile der Förderung.1
                ein kleinräumig stark wechselndes
                Mosaik unterschiedlicher Waldflächen,
                die Rücksichtnahme auf Habitat- und               10       Der kleinstrukturierte Privat- und Körper-
                                                                           schaftswald wird durch die Förderung von
                Lebensraumstrukturen und der Verzicht                      forstwirtschaftlichen Zusammenschlüs-
                auf nährstoffzehrende, beziehungsweise                     sen und anderen Formen überbetrieb-
                bodenschädigende Nutzung.                                  licher Kooperation weiterhin besonders
                                                                           unterstützt. Die Förderung ist auf die
                                                                           Entwicklung und langfristige Sicherung
                                                                           stabiler und leistungsfähiger überbe-
                                                                           trieblicher organisatorischer Strukturen
                                                                           ausgerichtet.

                                                                              1
                                                                                  Zusammenfassung mehrerer Meilensteine.

                                                                                                                           7
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    Hintergrund

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BMEL-WALDSTRATEGIE 2050

Zentrale Leitlinie für eine nachhaltige                       schaftsbild, die Agrar- und Infrastruktur und die Erholung
Waldpolitik                                                   der Bevölkerung (Schutz- und Erholungsfunktion) zu
                                                              erhalten, erforderlichenfalls zu mehren und seine ord-
Von der Bundesregierung werden der Wald in Deutsch-           nungsgemäße Bewirtschaftung nachhaltig zu sichern.
land und seine Bewirtschaftung unter Beachtung der            Darüber hinaus soll die Forstwirtschaft gefördert und
Gleichrangigkeit der drei Säulen der Nachhaltigkeit           ein Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit
(Ökonomie, Ökologie und Soziales) langfristig als wichti-     und den Belangen der Waldbesitzenden herbeigeführt
ge Landnutzungsform für eine nachhaltige Entwicklung          werden. Weiterhin ist insbesondere das Bundesna-
erachtet und als solche in der Deutschen Nachhaltig-          turschutzgesetz mit § 5 Absatz 3 für die Waldstrategie
keitsstrategie gewürdigt. Im Jahr 2011 hat die Bundes-        von Bedeutung. Dieser gibt vor, dass bei der forstlichen
regierung daher die erste Nationale Waldstrategie mit         Nutzung des Waldes das Ziel zu verfolgen ist, naturnahe
einem Zeithorizont bis zum Jahr 2020 verabschiedet. Vor       Wälder aufzubauen und diese ohne Kahlschläge nachhal-
dem Hintergrund der sich stetig ändernden Herausfor-          tig zu bewirtschaften. Zudem ist ein hinreichender Anteil
derungen zum Erhalt des Waldes und seiner nachhal-            standortheimischer Forstpflanzen einzuhalten.
tigen Bewirtschaftung ist eine Weiterentwicklung der
Waldstrategie notwendig. Aufgrund der Langfristigkeit         Beteiligung von Wissenschaft, Ländern,
der Entwicklungszyklen in Waldökosystemen hat das             Verbänden und Zivilgesellschaft
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
die Strategie weiterentwickelt und die neue Strategie mit     Die Entwicklung der vorliegenden Waldstrategie 2050 des
dem Zeithorizont bis zum Jahr 2050 angelegt. Die Wald-        Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft
strategie hat, neben der Nachhaltigkeitsstrategie, Schnitt-   stützt sich auf eine gemeinsame Evaluierung der Wirk-
mengen mit zahlreichen anderen nationalen Konzepten           samkeit der Waldstrategie 2020 durch Bund und Länder.
und Strategien der Bundesregierung wie insbesondere           Analysen und Empfehlungen der Wissenschaft sind über
dem Klimaschutzplan 2050, der Nationalen Strategie zur        die Begleitung des Prozesses durch das Thünen-Institut
biologischen Vielfalt, der Nationalen Bioökonomiestrate-      und Stellungnahmen des Wissenschaftlichen Beirats für
gie und der Charta für Holz 2.0. Aufeinander abgestimmt       Waldpolitik beim Bundesministerium für Ernährung
unterstützen sie gemeinsam den Kurs für eine nachhaltige      und Landwirtschaft eingeflossen. Zur Beteiligung der Zi-
Entwicklung Deutschlands.                                     vilgesellschaft hat das Bundesministerium für Ernährung
                                                              und Landwirtschaft im September und Oktober 2019 vier
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirt-             Anhörungen zur Diskussion möglicher Ziele und Inhalte
schaft zeigt mit der Waldstrategie 2050 auf, was v. a.        der Nationalen Waldstrategie 2050 durchgeführt – hierzu
auf Ebene des Bunds, aber auch anderer für den Wald           waren insgesamt 47 Verbände eingeladen. Außerdem
Verantwortlichen notwendig ist, damit der Wald an den         wurden die Ergebnisse des Nationalen Waldgipfels vom
Klimawandel weiter angepasst wird. Dies ist erforderlich,     25. September 2019 ausgewertet und die Erkenntnisse
um nachhaltig alle von der Gesellschaft nachgefragten         aus dem Generationendialog Wald zwischen etablierten
Leistungen zu liefern und den großen Beitrag von Wald,        Akteuren und jungen Erwachsenen auf fünf Foren zwi-
Waldwirtschaft und Holzverwendung, insbesondere für           schen August 2019 und Januar 2020 aufgegriffen. Im April
den Schutz des Klimas, zu erhalten und wo möglich zu          2021 wurden Länder und Verbände zudem zum Entwurf
verbessern. Weitere Veränderungstreiber, die berücksich-      der Waldstrategie konsultiert und um Stellungnahme
tigt werden, sind der wachsende Bedarf an Ressourcen,         gebeten – die Anmerkungen und Hinweise wurden zur
die Globalisierung der Märkte, die Digitalisierung und        weiteren Überarbeitung genutzt.
nicht zuletzt geänderte gesellschaftliche Ansprüche an
den Wald.                                                     Nachfolgend werden der Zustand des Waldes und seine
                                                              Ökosystemleistungen zusammenfassend dargestellt
Gesetzlicher Rahmen                                           (Kapitel 2). Darauf aufbauend ist das Leitbild zur strategi-
                                                              schen Ausrichtung künftiger Nationaler Waldpolitik 2050
Das Bundeswaldgesetz gibt im § 1 den Rahmen für die           formuliert (Kapitel 3). In zehn Handlungsfeldern sind die
Waldstrategie und die in Deutschland gesetzlich ver-          Herausforderungen, die mit der Erfüllung des Leitbildes
ankerte Multifunktionalität der Wälder vor. In diesem         verbunden sind, identifiziert und mit konkreten Meilen-
Sinne ist der Wald wegen seines wirtschaftlichen Nutzens      steinen als Zwischenschritte bis zum Jahr 2030 untersetzt
(Nutzfunktion) und wegen seiner Bedeutung für die Um-         (Kapitel 4). Die hier beschriebenen Meilensteine haben
welt, insbesondere für die dauernde Leistungsfähigkeit        keine präjudizierende Wirkung für die Planung der öf-
des Naturhaushaltes, das Klima, den Wasserhaushalt, die       fentlichen Haushalte.
Reinhaltung der Luft, die Bodenfruchtbarkeit, das Land-

                                                                                                                         9
Waldstrategie 2050 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - Herausforderungen und Chancen für Mensch, Natur und Klima - BMEL
2
→

    Ausgangslage

    10
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050

Wald in Deutschland                                           Gesamtfläche Deutschland           Die häufigsten Baumarten
                                                                                                       im deutschen Wald
                                                                                                 (bezogen auf die Holzbodenfläche)
Mit einem Waldflächenanteil von rund 32 Prozent
(11,4 Millionen Hektar) ist Deutschland eines der wald-
                                                                                                 25,3 %                   Fichte
reichsten Länder Europas. Seit 1990 konnte die Wald-
fläche um mehr als 200.000 Hektar ausgeweitet werden.                                            22,9 %                   Kiefer
Von den 11,4 Millionen Hektar Wald in Deutschland sind                  Waldfläche
                                                                                                 18,1 %            sonstige
48 Prozent Privatwald und 19 Prozent im Eigentum von                       32 %                              Laubbaumarten
Körperschaften (z. B. Kommunen). Die übrigen Waldflä-                   11,4 Mio. ha
                                                                                                 16,1 %                   Buche
chen sind im Eigentum der Länder (29 Prozent) und des         HAUPTBAUMARTEN 2017
Bundes (4 Prozent). Insgesamt gibt es in Deutschland ca.                                         10,5 %                    Eiche

1,8 Millionen private Waldbesitzende. Die meisten davon                                          7,1 %             sonstige
sind sogenannte Kleinstprivatwaldbesitzende mit einer                                                       Nadelbaumarten
durchschnittlichen Waldfläche von rund 2,5 Hektar.

                                                                                                Quelle: KI (2019) © FNR 2021
  WALDFLÄCHEN NACH EIGENTUMSART 2012

  4%
  Staatswald Bund                                   48 %    Viertel des Waldes (24 Prozent der Fläche) ist älter als
  403.464 ha                                   Privatwald   100 Jahre. Die Hälfte der Waldfläche (51 Prozent) ist mit
                                             5.485.679 ha
                                                            zuwachskräftigen Bäumen im Alter von 21 bis 80 Jahren
  29 %                                                      bewachsen. Dieser Flächenanteil reduzierte sich seit
  Staatswald Land                                           2012 um
  3.309.537 ha
                                                            7 Prozent. Dagegen stieg der Flächenanteil von Bäumen
                                         > 1.000 ha  13 %   im Alter über 120 Jahre und abnehmendem Zuwachs um
                                         500–1.000 ha 6 %   12 Prozent. Der Holzvorrat in den Wäldern Deutschlands
                                         200–500 ha 8 %
                                         100–200 ha 6 %
                                                            hatte 2017 mit 3,9 Milliarden Kubikmetern oder
                                         50–100 ha    6%    358 Kubikmetern pro Hektar einen neuen historischen
                   gesamt                20–50 ha    10 %   Höchststand erreicht. Der Totholzvorrat ist zwischen
                11.419.124 ha
                                         < 20 ha    50 %    den Jahren 2012 und 2017 um 14 Prozent auf 22,2 Kubik-
                                                            meter pro Hektar angestiegen.

                                         Treuhandwald 2 %
                                                            Die Extremwetter der Jahre 2017 bis 2020 stellen als Folge
                                                            des Klimawandels eine deutliche Zäsur in der Waldent-
  19 %                                                      wicklung dar: Nach den Stürmen und Dürren in Verbin-
  Körperschaftswald                                         dung mit extremer Hitze und einer dadurch begünstigten
  2.220.445 ha
                                                            großräumigen Vermehrung von Borkenkäfern sowie von
                                                            weiteren die Waldbewirtschaftung beeinträchtigenden
                                                            Schädlingen sind bis zum Ende des 2. Quartals 2021 ca.
 Quelle: BWI3 (2014) © FNR 2019
                                                            187 Millionen Kubikmeter Schadholz angefallen, auf rund
                                                            277.000 Hektar ist der Wald wiederherzustellen. Vielerorts
Auf mehr als der Hälfte der Waldfläche wachsen Nadel-       sind Bäume vertrocknet und ganze Waldflächen abgestor-
bäume, wobei Fichte (25 Prozent) und Kiefer (23 Prozent)    ben. Hauptsächlich sind Fichten betroffen. Es zeichnet
den größten Anteil haben. Laubbäume finden sich auf         sich derzeit jedoch ab, dass neben weiteren Nadelbaumar-
45 Prozent der Waldfläche, Buche (16 Prozent) und Eiche     ten auch Laubbäume durch die fortdauernde Trockenheit
(11 Prozent) sind die wichtigsten Arten (Thünen-            beeinträchtigt sind. Der Wassermangel hat aber auch
Institut 2019). Insbesondere durch den seit Anfang der      darüber hinaus zu deutlichen Zuwachsverlusten und
1990er-Jahre mit öffentlichen Geldern geförderten           geringer Vitalität der Bäume in ganz Deutschland geführt.
Waldumbau hat der Laubbaumanteil stetig zugenom-
men. Zwischen den Jahren 2012 und 2017 ist der Laub-
waldanteil durch Waldumbau um 0,4 Prozent-Punkte
weiter angestiegen. Mischwälder prägen mit einem
Flächenanteil von 76 Prozent den deutschen Wald. Die
jüngeren Wälder (bis ca. 20 Jahre alt) sind zu 85 Prozent
aus natürlicher Verjüngung hervorgegangen. Knapp ein

                                                                                                                              11
AUSGANGSLAGE

Herausforderung Klimawandel                                   Die Bedeutung der Ökosystemleistungen des Waldes
                                                              für die Gesellschaft verdeutlichen folgende ausgewählte
Der Klimawandel ist eine existenzielle Herausforderung        Kennzahlen:
für die gesamte Menschheit. Eine ambitionierte Klima-
schutzpolitik zur Minderung der Treibhausgas-Emissionen       →→ Klimaschutz: In den Wäldern Deutschlands sind
ist daher von zentraler Bedeutung, nicht nur für den Erhalt      gegenwärtig 2,6 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in
der Wälder. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die            Biomasse, Totholz und Boden gebunden. Die jährli-
Wälder, der Schutz der Biodiversität sowie die nachhaltige       che Kohlenstoffspeicherwirkung des Waldes beläuft
Bewirtschaftung der Wälder im Klimawandel sind die zen-          sich aktuell auf 57 Millionen Tonnen CO2 und die der
tralen Herausforderungen für die Waldpolitik in Deutsch-         stofflich genutzten Holzprodukte auf 4,2 Millionen
land. Der fortschreitende Klimawandel und damit der Er-          Tonnen CO2. Waldbewirtschaftung und Holzverwen-
halt bzw. der Ausbau des Beitrags von Wald und Holz zum          dung, insbesondere bei langlebigen Produkten und
Klimaschutz werden die Waldentwicklung und damit auch            einschließlich Substitution, verbessern die Treibhaus-
die Nutzung voraussichtlich für die nächsten Jahrzehnte          gas-Bilanz Deutschlands somit um bis zu 14 Prozent.
entscheidend prägen. Daher ist es von übergeordnetem          →→ Nachwachsender Rohstoff Holz: Die Waldwirtschaft
Interesse, dass der Klimaschutzplan 2050 der Bundesre-           in Deutschland konnte, nach Berechnungen des
gierung umgesetzt wird und die Reduktionsziele für die           Thünen-Instituts, im Durchschnitt der Jahre 2010 bis
Begrenzung der Treibhausgas-Emissionen erreicht werden.          2019 jährlich rund 73 Millionen Kubikmeter Rohholz
Die Folgen des Klimawandels sind nicht nur für den Wald          zur Verfügung stellen. Auch aufgrund des effizienten
gravierend, sondern auch für die von ihm bereitgestellten        Rohstoffeinsatzes von Reststoffen, wie z. B. Land-
Ökosystemleistungen und für die Waldbesitzenden. Vor             schaftspflegematerial, Sägenebenprodukte oder Alt-
diesem Hintergrund und im Rahmen der vorliegenden                holz liegt der gesamte Holzrohstoffeinsatz mit rund
Strategie wird Forstwirtschaft in Deutschland umfassen-          127 Millionen Kubikmeter pro Jahr jedoch deutlich
der – im Sinne von Waldwirtschaft – verstanden.                  über dem Rohholzeinsatz. Der nachhaltig erzeugte,
                                                                 klimafreundliche Rohstoff Holz ist die Grundlage für
Ökosystemleistungen des Waldes                                   eine weitverzweigte Wertschöpfungskette mit dem
                                                                 Bausektor als wichtigstem Absatzmarkt. Im Jahr 2018
Die Wälder in Deutschland – sowie weltweit – sind                fanden im Cluster „Wald und Holz“ rund 1 Millionen
wegen ihrer vielfältigen Ökosystemleistungen wichtig             Menschen Arbeit und Einkommen.
für das Wohlergehen und die Bedürfnisse der Menschen.         →→ Erholung, Sport und Gesundheit: Über 55 Millionen
Hierzu gehören:                                                  Menschen bzw. 70 Prozent der Bevölkerung nutzen
→→ „Basisleistungen“ wie der Nährstoffkreislauf und die          den Wald für Erholung mindestens einmal im Jahr
    Bodenbildung;                                                aktiv. Im Bevölkerungsdurchschnitt ergeben sich rund
→→ „Versorgungsleistungen“ wie die erneuerbaren Res-             28 Besuche pro Person und Jahr; jährlich gibt es in
    sourcen, welche Wälder liefern (v. a. Holz, Trinkwas-        Deutschland schätzungsweise 2,3 Milliarden Waldbe-
    ser, Wildfleisch);                                           suche. Die Bedeutung des Waldes für die physische und
→→ „Regulationsleistungen“ – typischerweise Schutzleis-          psychische Gesundheit der Bevölkerung ist unschätz-
    tungen – wie der Klimaschutz, der Schutz des Men-            bar hoch.
    schen vor Stürmen und Hitze, Überflutungen, Lawinen,      →→ Trinkwasser: Über 40 Prozent der Fläche aller Was-
    Geröllschlag, Lärm sowie Luftverschmutzung und               serschutzgebiete liegen im Wald, das sind rund
→→ „kulturelle Leistungen”, mit denen Wälder zum                 2,1 Millionen Hektar Waldfläche (18 Prozent Flächen­
    Wohlbefinden von Menschen beitragen, wie die un-             anteil). Trinkwasser aus dem Wald ist besonders
    mittelbare Nutzung der Wälder für Erholung, Sport            sauber, 98 Prozent der im Wald gewonnenen Wasser-
    und Gesundheit, kontemplative, ästhetische und spi-          menge hat Trinkwasserqualität.
    rituelle Naturerfahrungen bis hin zum Bildungsort.

12
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050

Die biologische Vielfalt des Waldes, d. h. die Vielfalt der
Ökosysteme, die Vielfalt der Arten und die genetische
Vielfalt innerhalb der jeweiligen (Wild-)Tier-, Pflanzen-
und Pilzarten sowie die Pflege des Waldes und das Ma-
nagement der Waldbesitzenden sind die Grundlage für die
Sicherung und Bereitstellung der Ökosystemleistungen.

Die meisten Leistungen des Waldes werden von der Allge-
meinheit i. d. R. kostenfrei direkt oder indirekt genutzt –
                                                              GESAMTER KOHLENSTOFFVORRAT IN WALD UND
wie beispielsweise als Naturgenuss, für individuellen
                                                              WALDBODEN IN DEUTSCHLAND
Sport im Wald oder in der Nutzung von Trinkwasser.
Gleichwohl sind oft konkrete zusätzliche Aktivitäten der
Waldbesitzenden nötig, um die Leistungen sicherzustel-
len und für Dritte zugänglich und nutzbar zu machen:
Z. B. ist bei der Anpassung der Wälder an den Klimawan-
                                                              in Mio. t (bez. auf                           oberirdische Biomasse
del die natürliche Verjüngung eine wichtige Grundlage.        Gesamtwaldfläche
                                                                                                            Totholz und Humusschicht
Aber oftmals ist ein aktives Lenken der Waldentwick-          Deutschlands)
lung und Ressourcennutzung durch gezielte Holzern-                                                          Mineralboden und
                                                                                                            ­
                                                                                                            unterirdische Biomasse
temaßnahmen und das Einbringen klimaresilienter
Baumarten und -herkünfte durch Saat oder Pflanzung
notwendig. Gleiches gilt für die Pflege bestimmter schüt-                        gesamt 2.599

zenswerter Wälder, wie z. B. den Erhalt von Eichenwäl-        2.500

dern. Auch können viele Holzprodukte in der stofflichen                             1.230
Verwendung nur höherwertig eingesetzt werden, wenn            2.000
die geernteten Bäume spezifische Eigenschaften und
Qualitäten aufweisen, die nur die nur über die gezielte
                                                              1.500
Entwicklung eines bestimmten Waldaufbaus und lang-
                                                                                       34
jährige Pflege zu erreichen sind. Schließlich ermöglicht                                                                                   oberirdische
                                                                                                                                           Biomasse
erst die Anlage von Wegen den Waldbesuch.                     1.000
                                                                                                                                           Totholz und
                                                                                                                                           Humusschicht

Im dicht besiedelten Deutschland sind die vielfälti-                                                                                       Mineralboden
                                                                500                                                                        und unterirdische
gen Ansprüche der Gesellschaft an die ökonomischen,                                 1.335                                                  Biomasse
ökologischen und sozialen Leistungen des Waldes und
damit auch an die Waldbesitzenden in den letzten Jahren           0

gestiegen und unterliegen einem ständigen Entwick-
lungsprozess. Die Ansprüche der Gesellschaft an den
Wald und seine Ökosystemleistungen sind allerdings                                    Zweite Bodenzustandserhebung (2012*)

nicht immer kongruent, sondern teilweise mit Zielkon-
flikten verbunden. Die zentrale Aufgabe einer langfristig     * Für den Boden auf das Jahr 2012 hochgerechnet, für den Bestand gemessen.

tragfähigen Strategie für die Waldpolitik in Deutschland
                                                              Quelle: Thünen-Institut, Kohlenstoffinventur (2019); ­Grünebeberg et al.,
ist es daher, auch eine Balance zwischen den unter-           ­Kohlenstoffvorräte und -vorratsänderungen in Waldböden (2019) © FNR 2021
schiedlichen Ansprüchen aufzuzeigen.

                                                                                                                                                      13
AUSGANGSLAGE

ÖKOSYSTEMLEISTUNGEN DES WALDES
Dargestellt sind die Leistungen, die der Wald in Deutschland
pro Hektar erbringt. Insgesamt ist ein Drittel Deutschlands
(11,4 Mio. Hektar) bewaldet.

Basisleistungen
1    Photosynthese
2    Sauerstoffproduktion
3    Kohlenstoffspeicher
     Biomasse
4    Holzvorrat
5    Biodiversität
6    Bodenbildung
7    Kohlenstoffspeicher
     Waldboden

Versorgungsleistungen
 8   Holzzuwachs
 9   Stoffliche Holznutzung
10   Energieholz
11   Pilze & Beeren
12   Wildfleisch
13   Trinkwasserschutzgebiet

Quellen: BMEL, Thünen-Institut
© FNR 2020 fnr.de

14
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050

Regulationsleistungen
14   Luftfilter
15   Klimaschutz
16   Wasserfilter
17   Bodenschutz
18   Biotopfläche
19   Totholz

                                       22

                        Kulturelle Leistungen
                        20   Arbeitsplatz
                        21   Forschung & Bildung
                        22   Wirtschaft
                        23   Tourismus
                        24   Gesundheit & Erholung
                        25   Bestattung

                                                                  15
3
→

    Leitbild 2050

    16
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050

                    Die Waldstrategie 2050 orientiert sich an einem Leitbild,
                    das aus heutiger Sicht angemessen und plausibel erscheint.                                                                   LEITBILD WALD 2050
                    Sie muss die verschiedenen Ansprüche an den Erhalt
                    und die nachhaltige Nutzung der Wälder in Einklang                                                                           Die Wälder in Deutschland sind mit ihren vielfältigen
                    bringen und dabei sich ändernde externe Faktoren auf-                                                                        Ökosystemleistungen für den einzelnen Menschen
                    greifen. Dafür wird eine möglichst naturnahe Waldbe-                                                                         und die Gesellschaft, die Natur sowie die Wirt-
                    wirtschaftung angestrebt, die alle Ökosystemleistungen                                                                       schaft erhalten und an die sich weiter ändernden
                    bereitstellt. Damit unterstützt das Leitbild der Waldstra-                                                                   klimatischen Bedingungen angepasst. Sie sind in
                    tegie das Ziel für die nachhaltige Entwicklung 15 (auf                                                                       einer Weise im staatlichen, körperschaftlichen und
                    Englisch: Sustainable Development Goal, abgekürzt:                                                                           privaten Waldbesitz weiterentwickelt und integrativ
                    SDG) der Vereinten Nationen, insbesondere im Zusam-                                                                          bewirtschaftet, dass ihre Stabilität, ihre biologische
                    menhang mit der Förderung der nachhaltigen Bewirt-                                                                           Vielfalt, ihre Produktivität und ihre vielfältigen
                    schaftung der Wälder, der Wiederherstellung geschädig-                                                                       Schutzleistungen sowie ihre Erlebbarkeit zum Wohl
                    ter Wälder sowie der Waldmehrung.                                                                                            der gesamten Gesellschaft nachhaltig gewährleistet
                                                                                                                                                 sind. Damit bleiben auch für künftige Generationen
                    Verschiedene Entwicklungen mit Bezug zum Wald sind                                                                           die gleichen Chancen und Nutzungsoptionen erhal-
                    bis zum Jahr 2050 weder verlässlich vorhersehbar noch                                                                        ten. Die Ökosystemleistungen des Waldes werden
                    konkret planbar. Dies betrifft beispielsweise die Ent-                                                                       angemessen von der Gesellschaft honoriert.
                    wicklung der gesellschaftlichen Bedürfnisse, aber auch
                    den globalen Wandel mit dem weiter fortschreitenden
                    Klimawandel sowie die sich verändernden globalen                                                                      Aktuelle Herausforderungen und schwer vorhersehbare
                    Wirtschaftsbedingungen und Rohstoffverfügbarkeiten.                                                                   zukünftige Entwicklungen erfordern ein adaptives
                    Zudem ist die deutsche Waldpolitik eingebunden in                                                                     Vorgehen, das auf aktuelle Entwicklungen reagiert, neue
                    internationale und europäische Verpflichtungen zur                                                                    Erkenntnisse und Notwendigkeiten aufgreift sowie –
                    nachhaltigen Waldbewirtschaftung, zur Eindämmung                                                                      falls erforderlich – Ziele nachjustiert. Die waldpolitische
                    des Klimawandels und zur Erhaltung der biologischen                                                                   Umsetzung eines langfristigen „Leitbildes für 2050“ wird
                    Vielfalt. Politikentscheidungen für die Wälder, mit ihren                                                             zu diesem Zweck in Handlungsfelder gegliedert. Der
                    langen Entwicklungszyklen, müssen daher ausreichend                                                                   Fortschritt in der Umsetzung soll im Jahr 2030 anhand
                    flexibel sein, um auf die sich ändernden Bedingungen                                                                  von Meilensteinen überprüft und darauf aufbauend
                    angemessen reagieren zu können. Mit Blick auf diese                                                                   weitere Umsetzungsschritte geplant werden (Grafik:
                    Unwägbarkeiten wurde deshalb der Detaillierungsgrad                                                                   Leitbild). Die Überprüfung des Fortschritts wird auch
                    des Leitbildes für 2050 so gewählt, dass dabei eine ausrei-                                                           vom Wissenschaftlichen Beirat für Waldpolitik beim
                    chende Flexibilität gewahrt bleibt.                                                                                   Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
                                                                                                                                          unterstützt. Der Beirat ist mit Vertretern verschiede-
                                                                                                                                          ner wissenschaftlicher Fachdisziplinen besetzt, die die
                                                                            ILD FÜR 2050
                                                                      LEITB                                                                    gesellschaftlichen Anforderungen an den Wald
                                                                          DLUNGSFELDE
                                                                      HAN                R                                                        widerspiegeln. Der Beirat prüft die Ziele und
                                                                                                                                                     Grundsätze der nationalen und internationalen
                                                                                   Klimaschutz                                                         Waldpolitik. Er unterbreitet Vorschläge für
                                                                               und Klimaanpassung
                                                                                                                                                         die Weiterentwicklung der waldpolitischen
                                              Kommunikation                                                         Biodiversität und                     Rahmenbedingungen und der Instrumen-
                                            und Information
                                                                                EN   S T E I N E BI                   Waldnaturschutz
                     gen

                                                                                                                                             Erh

                                                                            EIL                       S2
                                                                                                           03                                               te zur Umsetzung der Waldstrategie.
                                                                        M
                                                                                                                                                 alt
                                un

                                                                                                                0
                           leist

                                                                                                                                                  u nd
            g von Ökosystem

                                                                                                                    ve

                                                                                                                                                   Stabili
                                                             t

                                        Forschung und                                                                          Holzerzeugung
                                                          bau

                                                                                                                       rs

                                       Entwicklung                                                                                und Holzver-
                                                                                                                      tet

                                                                       Förderung,         Rahmen-
                                                            e

                                                                                                                                      wendung
                                                        ausg

                                                                                                                                                          sierung der Wälder
                                                                                                                          ig

                                                                      Honorierung         bedingungen
                                                                                                                         t

                                     Waldarbeit,                      Forschungs-         übergreifende                             Erholung,
    orierun

                                     Digitalisierung                    förderung         Instrumente                               Sport und
                                                         weit

                                      und Technologie                                                                              Gesundheit
Hon

                                                              ere

                                                                                                                    rt

                                                                 w
                                                                  n

                                                                                                            lie

                                                                      ick                                      b
                                                                t

                                                                         elt                               eta
                                             Eigentum                                                                       Boden und
                                              und neue                                                                      Wasser
                                                Wertschöpfung

                                                                            Waldentwicklung,
                                                                        nachhaltige Bewirtschaftung
                                                                                 und Jagd

                                                             Ber                                                       en
                                                                eitst                                               ung                                                                                   17
                                                                         ellung al             l ei s t
                                                                                  ler Ökosystem
4
→

    Handlungsfelder
    und Meilensteine

    18
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050

Das Leitbild soll durch spezifische Handlungsfelder, die
mit Meilensteinen untersetzt sind, erreicht werden. Die
Handlungsfelder und Meilensteine sind gemeinsam auf
die Erreichung des Leitbildes gerichtet, sie ergänzen sich
gegenseitig und können aufgrund ihrer engen Vernet-
zung nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Im
Entwicklungsprozess der Waldstrategie 2050 wurden
zehn Handlungsfelder identifiziert, die für eine möglichst
operationale Umsetzung der Strategie notwendig sind.

Die Meilensteine, im Sinne von Etappenzielen, sind als
„Ist-Zustand“ für das Jahr 2030 formuliert, ermöglichen
auf ein konkretes Ziel ausgerichtetes Handeln sowie die
Überprüfung des Fortschritts. Die Meilensteine sind kei-
ne abschließende Aufzählung, beeinflussen sich häufig

                                                             4.1 Klimaschutz
gegenseitig und können auch für mehrere Handlungs-
felder relevant sein.

Ein Teil der waldrelevanten Belange in Deutschland liegt     und Anpassung an den
                                                             Klimawandel
in der Zuständigkeit des Bundes, ein anderer in der Ver-
antwortung der Länder. Diese Aufgabenteilung zwischen
Bund und den Ländern im Bereich der Waldpolitik hat
sich bewährt und wird durch die Waldstrategie 2050
nicht berührt. Neben Bund und Ländern richtet sich           Klimaschutz durch nachhaltige
die Strategie aber auch an die übrigen waldrelevanten        Waldbewirtschaftung
gesellschaftlichen Akteure und hier im Speziellen an die
körperschaftlichen und privaten Waldbesitzenden.             Die Klimaschutzleistung des Waldes umfasst die Ele-
                                                             mente Waldspeicher, Waldbewirtschaftung und Holz-
Der Beitrag des Bundesministeriums für Ernährung             verwendung, die in gegenseitiger Wechselwirkung
und Landwirtschaft liegt dabei – unter jeweiliger            stehen und daher immer im Zusammenhang zu sehen
Berücksichtigung der finanzverfassungsrechtlichen,           sind. Dies wirkt sich zudem auf die Schonung endlicher
haushaltsrechtlichen und beihilferechtlichen Vorga-          Ressourcen und die Sicherung von Beschäftigung und
ben – insbesondere in der Verbesserung der Rahmen-           Wertschöpfung aus. Durch Bewirtschaftung des Waldes
bedingungen, der Honorierung von Leistungen, der             und die Verwendung von Holz, insbesondere in langle-
unterstützenden Förderung der körperschaftlichen und         bigen Holzprodukten, kann der Kohlenstoffspeicher
privaten Waldbesitzenden, der Forschungsförderung            des Waldes um den der Holzprodukte (z. B. beim Bauen
sowie dem Einsatz übergreifender Instrumente. Zu             mit Holz oder in Möbelstücken) erweitert werden. Zu-
Letzterem zählen beispielsweise die Zusammenarbeit           sätzliche Klimaschutzeffekte werden durch die stoff-
des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirt-           liche Substitution energieaufwendig herzustellender
schaft mit den Ländern, europäische und internationale       Bau- und Werkstoffe auf Basis endlicher Rohstoffe mit
Zusammenarbeit, Maßnahmen zur Kommunikation                  vergleichsweise nachteiliger Ökobilanz und durch die
und für einen Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen,         energetische Substitution fossiler Brennstoffe erreicht.
Bereitstellung von Fachinformationen, Maßnahmen zur          Waldbewirtschaftung und Holzverwendung verbessern
Förderung von Qualifikation und Fachkräften sowie die        die Treibhausgas-Bilanz Deutschlands zurzeit um etwa
Fortführung und ggf. Anpassung oder Einführung von           11 bis 14 Prozent.
Monitoring-Systemen.
                                                             Wälder binden durch die Photosynthese der Bäume das
In den folgenden Abschnitten werden die Herausfor-           Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) und speichern dieses
derungen in den einzelnen Handlungsfeldern näher             als Kohlenstoff (C) in der Biomasse, d. h. überwiegend
beschrieben sowie prioritäre Meilensteine und Verant-        im Holz und in Böden (Waldspeicher) und setzen dabei
wortlichkeiten benannt, um bestehende Bedarfe anzuge-        Sauerstoff frei. Sterben Bäume im natürlichen Prozess
hen. Mit der Reihenfolge der Handlungsfelder ist keine       ab, wird der Kohlenstoff der Biomasse durch Zersetzung
Schwerpunktsetzung oder Priorisierung verbunden.             wieder als CO2 der Atmosphäre zugeführt. Die Bilanz
                                                             dieser beiden Prozesse bestimmt, ob der Wald eine

                                                                                                                    19
HANDLUNGSFELDER UND MEILENSTEINE

Quelle oder Senke für CO2 ist. Der Wald in Deutsch-                        mit hoher Lebensdauer (z. B. Buche und Eiche) auf den
land hat zwischen den Jahren 2012 und 2017 weiter an                       meisten Standorten naturnäher und enthält eine höhere
Vorrat zugenommen und war damit eine CO2-Senke.                            biologische Vielfalt, dies kann aber auch zu einer Reduk-
Der deutsche Wald hat die Atmosphäre jährlich seit dem                     tion des durchschnittlichen Zuwachses bzw. der zusätzli-
Jahr 2012 um durchschnittlich 62 Millionen Tonnen                          chen Kohlenstoffbindung führen.
CO2 entlastet. Damit kompensieren die Wälder sieben
Prozent der Emissionen in Deutschland. Diese Zuwachs-                      Für die Klimaschutzpolitik und die Anrechnung von
verhältnisse wurden insbesondere durch die großflächi-                     Klimaschutzleistungen ist entscheidend, welche zusätz-
gen, zuwachsstarken Nachkriegsaufforstungen (insbe-                        lichen Erfolge in der Treibhausgas-Minderung erzielt
sondere mit der Fichte) hergestellt. Diese Waldflächen                     werden. Dies regeln in der EU die Verordnung zur
sind allerdings bald erntereif. Damit verliert der Wald                    Lastenteilung und die Verordnung zur Einbeziehung der
Zuwachs und CO2-Bindungskraft, die in der Folge erst                       Emissionen und zu Einbindungen von Treibhausgasen
nach Jahrzehnten wieder ausgeglichen werden können.                        aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Wald-
Eine Verwendung in dauerhaften Holzprodukten kom-                          wirtschaft (auf Englisch: Land use, Land-Use Change and
pensiert den Verlust von CO2 im Waldspeicher. Substitu-                    Forestry, abgekürzt: LULUCF). Die LULUCF-Verordnung
tionseffekte schlagen sich in anderen Bereichen, wie bei-                  setzt das Ziel, dass der Sektor nicht zur Quelle von Treib-
spielsweise in der Bauwirtschaft, klimawirksam nieder.                     hausgasen werden darf. Für die Anrechnung der Waldbi-
Fichten erweisen sich allerdings als zunehmend anfällig                    lanz werden die tatsächlichen Treibhausgas-Emissionen
gegen Dürre, Windwurf und Borkenkäfer. Vielfach müs-                       oder -Einbindungen mit der gedachten Fortsetzung der
sen sie vorzeitig und außerplanmäßig genutzt werden.                       Bewirtschaftung der Jahre 2000 bis 2009 als Referenz-
Dies kann zu einem erhöhten Aufwand und Wertverlust                        zeitraum verglichen. Es werden Gut- und Lastschrif-
für die Waldbesitzenden sowie einer geringeren Klima-                      ten aus bewirtschaftetem Wald berechnet, indem die
schutzleistung führen, indem Waldstrukturen beein-                         tatsächlichen Treibhausgas-Bilanzen von der Referenz
trächtigt und im Waldboden Umsetzungsprozesse von                          abgezogen werden. Ist mehr Kohlenstoff eingebunden
Humus aktiviert werden sowie wenn Holz dadurch in                          worden, als die Referenz vorhergesehen hat, entstehen
weniger langlebigen Produkten verwendet wird.                              Gutschriften, im anderen Fall entstehen Lastschriften.
                                                                           LULUCF-Gut- und Lastschriften können sowohl durch
                                                                           Wälder als auch durch Holzprodukte veranlasst werden.
KOHLENSTOFFSPEICHERWIRKUNG VON
                                                                           Die Klimaschutzeffekte durch die stoffliche und energe-
WALD UND HOLZ
                                                                           tische Verwendung von Holz werden in den Bereichen
                                                                           Industrie und Energie bilanziert. Dies zeigt, dass bei einer
                                                      62
                                                  Mio. Tonnen
                                                                           ganzheitlichen Bewertung der Wald-Klimaschutz-Leis-
                                                                           tung alle Sektoren berücksichtigt werden müssen. Dieser
                                                   CO2/Jahr                Hintergrund ist für die Verfolgung der Ziele des Klima-
                          Waldspeicher
                          57,5 Mio. t CO2/Jahr                             schutzplans 2050, aber auch für die Honorierung von
                                                                           Klimaschutzleistungen des Waldes wichtig.
                             Holzproduktespeicher
                             4,2 Mio. t CO2/Jahr                           Wald & Holz im Klimaschutzplan 2050

                                                                           Im Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung ist fest-
                                                                           gehalten, dass der Sektor LULUCF mit weiteren Maßnah-
                                                                           men – u. a. zum Erhalt des Waldes als CO2-Senke – gesi-
Quelle: Umweltbundesamt (2021), Nationaler Inventarbericht zum Deutschen
Treibhausgas-Inventar 1990–2019, EU-Submission, 90 S. © FNR 2021           chert werden soll. Mit seinem Beschluss vom
                                                                           2.10.2019 über die Finanzierung der im Klimaschutzpro-
                                                                           gramm vereinbarten Maßnahmen hat das Bundeska-
Als CO2-Senke sind Waldspeicher, Waldbewirtschaftung                       binett den Bedarf an zusätzlichen öffentlichen Mitteln
und Holzverwendung wichtige Faktoren beim Klima-                           für den Erhalt und die nachhaltige Bewirtschaftung der
schutz. Diese Elemente sind daher auch Teil des Klima-                     Wälder sowie der Holzverwendung zum Erhalt ihres
schutzplans 2050 der Bundesregierung. Zur Erreichung                       Klimaschutzbeitrags anerkannt.
der Klimaschutzziele werden strukturreiche Wälder mit
einem hinreichenden Anteil standortheimischer und                          Mit der am 24.06.2021 vom Bundestag beschlossenen
klimatoleranter Baumarten angestrebt. Ökologische,                         Änderung des Klimaschutz-Gesetzes wird das Ziel der
ökonomische und soziale Zielkonflikte bestehen bei-                        Klimaneutralität um fünf Jahre auf das Jahr 2045 vorge-
spielsweise in der Abwägung von Klima- und Biodiver-                       zogen. Der Weg dahin wird mit verbindlichen Zielen für
sitätszielen. So ist ein steigender Anteil an Laubbäumen                   die 20er- und 30er-Jahre festgelegt. Das Zwischenziel für

20
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050

das Jahr 2030 wird von derzeit 55 auf 65 Prozent Treib-     Anpassung der Wälder an den Klimawandel
hausgas-Minderung gegenüber dem Jahr 1990 erhöht. Für
das Jahr 2040 gilt ein neues Zwischenziel von 88 Prozent    Der Wald hat nicht nur in der öffentlichen Wahrneh-
Minderung. Neu ist eine Zielvorgabe für den Erhalt und      mung, sondern auch faktisch eine zentrale Bedeutung
den Ausbau der sogenannten natürlichen Senken wie           für die Bindung von CO2 aus der Atmosphäre und die
Wälder und Moore. Die Bundesregierung hat im Rahmen         entsprechende Speicherung des Kohlenstoffes in der Bio-
des Haushalts 2022 ein Klimaschutz-Sofortprogramm be-       masse, um einen Beitrag zur Begrenzung des Klimawan-
schlossen, das erste Weichenstellungen für die Umsetzung    dels zu leisten. Allerdings ist der Waldspeicher, der sich in
des neuen Ziels vornimmt.                                   Bäume, Totholz und den Waldboden untergliedern lässt,
                                                            ein fragiler Speicher. Die zu beobachtende Zunahme der
Mit den zunehmenden klimawandelbedingten Schäden            Störungen (z. B. durch Windwurf, Trockenheit, Borken-
im Wald und ihren wirtschaftlichen Folgen einerseits so-    käferbefall) führt vermehrt zum Absterben von Bäumen.
wie der Einführung der CO2-Bepreisung über das Brenn-       Sofern einzelne Baumarten (z. B. Esche) von Störungen
stoffemissionshandelsgesetz andererseits steigt die Not-    betroffen sind, kann dies außerdem zu einer Entmischung
wendigkeit einer Honorierung der Klimaschutzleistungen      strukturreicher Wälder führen und unter Umständen
der Wälder in Deutschland. Diese würde es mit ermög-        zur Abnahme von Populationsdichten der an bestimmte
lichen, die entsprechenden Ökosystemleistungen wei-         Baumarten und Strukturen gebundenen Organismen.
terhin dem Gemeinwohl im erforderlichen Umfang zur          Betroffene Waldflächen können dadurch zeitweise zu
Verfügung zu stellen. Je nach Marktlage und Betroffenheit   einer CO2-Quelle werden. Zudem zeigen die aktuellen
der einzelnen Betriebe wird die Finanzierung zusätzlicher   Ergebnisse der Waldzustandserfassung die geringere
Leistungen des Waldes aus dem Verkauf von Holz deutlich     Vitalität der Bäume mit einem Alter über 60 Jahre. Ältere
erschwert. Zudem erfordert ihre Bereitstellung eine län-    Bäume sind von den Auswirkungen des Klimawandels
gerfristige aufwendige Waldpflege zur Existenzsicherung     offensichtlich deutlich stärker betroffen als jüngere Bäu-
des Waldes, die über die gesetzlichen Verpflichtungen und   me. Einige Baumarten könnten in Regionen mit starker
die Sozialbindung des Waldeigentums hinausgehen kann.       klimatischer Änderung ihr potenzielles Lebensalter nicht
Diese Pflegemaßnahmen werden derzeit unzureichend           mehr erreichen. Deswegen nimmt mit zunehmendem
durch bestehende Förderinstrumente abgedeckt.               Alter und zunehmenden Holzvorräten im Wald das Risiko
                                                            von Schäden zu. Darüber hinaus könnte der Anwuchser-
Sowohl der Klimaschutz als auch der nachhaltige Umbau       folg bei der Wiederbewaldung durch Pflanzung, Saat und
unseres Energiesystems auf der Erzeugungs- wie auf der      Naturverjüngung unter dem zunehmenden Einfluss von
Verbrauchsseite sind für unsere Gesellschaft drängende      Extremwetterlagen weiter abnehmen.
Zukunftsfragen, aber auch von eminenter Bedeutung
für die Zukunft von Wald und Waldwirtschaft. Bund und       Für die Anpassung an den Klimawandel ist es aufgrund
Länder streben daher im Einklang mit den klimaschutz-       bestehender Unsicherheiten erforderlich, den Zustand der
politischen Zielen des Paris-Abkommens, der EU und des      Waldökosysteme periodisch zu prüfen und mit wald-
Bundesklimaschutzgesetzes ambitionierte Ausbauziele für     politischen Zielen abzugleichen. Die laufenden und z. T.
erneuerbare Energien an. Hierzu soll insbesondere auch      unvorhersehbaren Entwicklungen werden die Anpassung
die Windenergie einen wesentlichen Beitrag leisten. Die     der Wälder zu einer Daueraufgabe im Sinne eines adap-
Errichtung von Windenergieanlagen (WEA) erfolgt bisher      tiven Managements machen. Die mit dem Klimawandel
vorrangig offshore sowie im Offenland. Gleichwohl kann      verbundenen Prozesse verändern die Standorte sowie
dies aber auch in küstenfernen und waldreichen Regionen     die auf den Wald und seine Entwicklung einwirkenden
durch den Einbezug von Windenergiestandorten im Wald        Faktoren und können auch das bisher vertraute Waldbild
erfolgen, zumal nach Abzug aller Ausschlussflächen (z. B.   ändern. Dies stellt eine große Herausforderung für die
Siedlungsbereiche inkl. Mindestabstand, Naturschutz-        Waldwirtschaft, die Waldpolitik sowie die Kommuni-
gebiete und Einflugschneisen) häufig nur noch relativ       kation zwischen Waldwirtschaft und Gesellschaft dar.
wenige Flächen überhaupt als geeignete, windhöffige         Abiotische und biotische Störungen, Anpassungen und
Standorte für WEA in Frage kommen. Die Entscheidung,        ökologische Resilienz prägen seit jeher das Bild des Walds
ob Windenergieanlagen (WEA) im Wald zulässig sind, liegt    und dieses wird zukünftig noch stärker durch die Zunah-
in der alleinigen Verantwortung der Länder. Die Zustän-     me von klimabedingten Störungen beeinflusst werden.
digkeiten für die Ausweisung von Vorranggebieten für die    Zudem ist der Öffentlichkeit die Bedeutung nachhaltiger
Windenergie und die Durchführung der Planungsverfah-        Waldbewirtschaftung und der Verwendung von Holz als
ren sind den jeweiligen Planungsträgern in den Ländern      klimafreundlichem Rohstoff und Kohlenstoffspeicher oft
zugewiesen. Die Genehmigungsverfahren führen die            kaum bekannt oder bewusst.
Länder durch.

                                                                                                                      21
HANDLUNGSFELDER UND MEILENSTEINE

Konsequenzen aus den Dürrejahren                            Meilensteine bis zum Jahr 2030
Die Dürre der Jahre 2017 bis 2020 hat gezeigt, wie sehr
der Klimawandel bereits jetzt den Waldumbau und eine        Klimaschutz
Erhaltung der Waldflächen erschwert. Waldbewirtschaf-
tung wird durch den Klimawandel risikoreicher und steht
dabei vor großen Herausforderungen: Die Wälder sollten      1.1
so an den Klimawandel angepasst werden, dass sie auch       Der Klimaschutzbeitrag von Wald und Holz ist
künftig vitale und resiliente Kohlenstoffsenken bleiben.    erhalten und ausgebaut: Der Klimaschutzbeitrag
Deutschlandweite Studien des Thünen-Instituts zu den        durch den Wald, seine nachhaltige Bewirtschaf-
Risiken und zum zukünftigen Bedarf an Waldanpassung         tung und die Holzverwendung aus nachhaltiger,
und Waldumbau schätzen Fläche und regionale Schwer-         heimischer Waldwirtschaft ist ausgebaut und wird
punkte. Insbesondere für fichtendominierte Waldflächen      kontinuierlich dokumentiert. Dadurch tragen Wald
unter 600 m ü. NN und buchendominierte Waldflächen          und Holz zur Erreichung der Klimaschutzziele der
auf Standorten mit für die Buche zu stark eingeschränkter   Bundesregierung weiterhin bei.
Bodenwasserspeicherkapazität besteht ein hohes Risiko
durch Trockenheit und Schaderreger. Die Studien kön-
nen wegen ihres Übersichtscharakters aber keine lokalen     1.2
Empfehlungen zur Baumartenwahl und Bewirtschaftung          Holzverwendung aus heimischer Waldwirtschaft
auf konkreten Waldflächen geben. Wichtige Ansätze hier-     ist ausgebaut: Die verstärkte stoffliche Verwen-
zu sind u. a. die Auswahl von standortgerechten, überwie-   dung von Holz insbesondere beim Neubau und
gend heimischen Baumarten und geeigneten Herkünften         der Modernisierung von Gebäuden nimmt eine
mit nach heutigem Wissen entsprechender Klimavari-          wichtige Rolle ein. Die öffentliche Hand erfüllt
abilität, die Erhaltung und Entwicklung strukturreicher     ihre Vorbildfunktion beim Klima- und Ressourcen-
Mischwälder sowie die individuelle Stabilisierung der       schutz im besonderen Maße. Effizienzsteigerungen
Einzelbäume. Differenzierte regionale und lokale Infor-     durch vermehrte Kreislauf- und Kaskadennutzung,
mationen zu Standort, Klima und Baumarteneignung            die verstärkte stoffliche Verwendung von Laub-
sind erforderlich, an denen derzeit die Länder arbeiten.    holz einschließlich der Nutzung in der chemischen
Diese Informationen sind eine wesentliche Voraussetzung     Industrie sowie die Substitution fossiler Ener-
für Maßnahmenpläne auf Forstbetriebsebene, um die           gieträger durch die energetische Holznutzung
Waldbesitzenden dabei zu unterstützen, die Wälder an        spielen eine zentrale Rolle. Die Verwendung neuer
den Klimawandel anzupassen.                                 Technologien, insbesondere aus dem Bereich der
                                                            Digitalisierung, trägt zur Weiterentwicklung der
Die Entwicklung und Pflege klimaresilienter Wälder          Wertschöpfungskette bei.
muss den Aspekt der Risikovorsorge verstärkt berück-
sichtigen und Abwägungen zur Baumartenwahl und die
differenzierte Anpassung von Zieldurchmessern und           1.3
-dimensionen einbeziehen. Seit Anfang der 1990er-Jahre      Modell zur Honorierung von Klimaschutzleistun-
fördert der Bund gemeinsam mit den Ländern über die         gen ist etabliert: Ein nationales Modell zur wissens-
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur        basierten und ergebnisorientierten Honorierung der
und des Küstenschutzes“ (GAK) die naturnahe Waldbe-         Klimaschutzleistung des Waldes in Deutschland ist
wirtschaftung. Hierzu gehört insbesondere der Umbau         im Rahmen der finanzverfassungsrechtlichen, haus-
von Reinbeständen und von nicht standortgerechten           hälterischen und beihilferechtlichen Möglichkeiten
oder nicht anpassungsfähigen Waldflächen in stabilere       entwickelt und umgesetzt. Die Honorierung soll so-
Mischwälder. Infolge der Waldschäden hat der Bund die       wohl auf den Erhalt und die verstärkte Entwicklung
Mittel zur Anpassung an den Klimawandel ab dem Jahr         klimaresilienter Wälder (Anpassung) als auch auf die
2020 beträchtlich erhöht. Die Auswirkung der klima-         CO2-Bindungsleistung im Wald sowie in stofflich
wandelbedingten Schäden auf den Wald und den Holz-          verwendeten Holzprodukten durch entsprechende
markt werfen dennoch weiter Fragen nach der künftigen       Maßnahmen abzielen. Dabei soll eine bundesweit
Finanzierung des Waldumbaus und der Waldpflege, der         einheitliche Honorierung umgesetzt werden, die für
Eignung von Baumarten und der notwendigen Wissens-          die Waldbesitzenden einkommenswirksam ist. Ein
vermittlung von Erkenntnissen der Forschung an die          privater Markt für die Inwertsetzung der Klima-
Waldbesitzenden auf.                                        schutzleistung des Waldes ist etabliert und ergänzt
                                                            das staatliche Modell.

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