Waldstrategie 2050 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - Herausforderungen und Chancen für Mensch, Natur und Klima - BMEL
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Waldstrategie 2050 Nachhaltige Waldbewirtschaftung – Herausforderungen und Chancen für Mensch, Natur und Klima
INHALTSVERZEICHNIS INHALT Zusammenfassung 4 1 Hintergrund 8 2 Ausgangslage 10 3 Leitbild 2050 16 4 Handlungsfelder und Meilensteine 18 4.1 Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel 19 4.2 Biodiversität und Waldnaturschutz 24 4.3 Holzerzeugung und -verwendung 28 4.4 Erholung, Sport und Gesundheit 34 4.5 Boden und Wasser 38 4.6 Waldentwicklung, nachhaltige Bewirtschaftung und Jagd 43 4.7 Waldeigentum und neue Wertschöpfung 46 4.8 Waldarbeit, Digitalisierung und Technologie 50 4.9 Forschung und Entwicklung 52 4.10 Kommunikation und Information 54
VORWORT Liebe Leserinnen und Leser, unsere Erde wird gerne als „blauer Planet“ bezeichnet. Unsere Waldlandschaft ist heute geprägt durch ein Das stimmt aber nicht ganz. Denn wenn wir unsere Erde kleinräumiges Mosaik unterschiedlicher Waldflächen, betrachten, dann sehen wir neben unseren Ozeanen mit das seinen Ursprung in der Vielfalt der Standorte und unseren Wäldern das zweite bedeutende Ökosystem. der vielfältigen Bewirtschaftung verschiedener Waldbe- Ganze 30 Prozent der Erdoberfläche sind grün, weil sitzformen hat. Die biologische Vielfalt unserer Wälder sie von Wald bedeckt sind. Deutschland ist mit einem ist somit Merkmal einer Kulturlandschaft, die sich Waldflächenanteil von rund 32 Prozent (11,4 Millionen über mehrere Jahrhunderte entwickelt hat. Doch durch Hektar) eines der waldreichsten Länder Europas. den Klimawandel sind die Wälder massiv geschädigt: Unsere Waldzustandserhebung 2020 bestätigt, dass es In unseren Wäldern wird ein enormer Kohlenstoffvor- den Wäldern in Deutschland so schlecht geht wie seit rat gespeichert und ein erheblicher Prozentsatz unseres Jahrzehnten nicht. Dürre, Hitze und Schädlinge machen CO2-Ausstoßes ständig gebunden. Der Wald in Deutsch- ihnen besonders in der jüngeren Vergangenheit zu land bindet rund 57 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente schaffen und bedrohen ihre Leistungsfähigkeit. Um pro Jahr. Etwa genauso viel setzen alle Nutzfahrzeuge unsere Wälder zu erhalten, müssen wir sie verstärkt zu in Deutschland im gleichen Zeitraum frei. Damit ist der klimastabilen Mischwäldern umbauen. Und hierfür Wald unser wichtigster Klimaschützer. In den zurück- dürfen wir nicht in Jahren, sondern müssen in liegenden Jahren konnten der Wald, seine nachhaltige Generationen denken. Bewirtschaftung und die Holzverwendung insgesamt die Treibhausgas-Bilanz in Deutschland um bis zu Das Ziel dieser Waldstrategie ist es, die Wälder in 14 Prozent verbessern. Deutschland mit ihren vielfältigen Ökosystemleistungen für den einzelnen Menschen und die Gesellschaft, die Der Wald ist aber auch ein wichtiger Hort der heimischen Natur sowie die Wirtschaft zu erhalten und an die sich Biodiversität, Ursprung für die Bereitstellung zahlreicher ändernden klimatischen Bedingungen anzupassen. sogenannter Ökosystemleistungen und Arbeitgeber. Der Damit ist sie Ausdruck unserer Verantwortung für den Wald liefert den für das Klima und die Bioökonomie Wald, die Waldbesitzenden und künftige Generationen, wichtigsten nachwachsenden Rohstoff Holz. Die Ver- die wie wir auf seine Leistungen angewiesen sind. wendung von Holz schont endliche Ressourcen und ist die Grundlage für eine weitverzweigte Wertschöpfungs- Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre. kette, die weiter an Bedeutung gewinnen wird. Damit Herzlichst Ihre sichern Waldbewirtschaftung und Holzverwendung Ein- kommen und Beschäftigung gerade auch in ländlichen Julia Klöckner Regionen. Und schließlich ist der Wald auch als Natur- Bundesministerin für Ernährung raum für Erholung, Sport und Gesundheit erlebbar. und Landwirtschaft 3
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050 Der Wald in Deutschland wächst – aber er braucht Unterstützung Zusammenfassung der Waldstrategie 2050 Mit einem Waldflächenanteil von rund 32 Prozent ist schaftung der Wälder im Klimawandel. Die Folgen des Deutschland eines der waldreichsten Länder Europas. Klimawandels sind nicht nur für den Wald gravierend, Seit 1990 konnte die Waldfläche um mehr als 200.000 sondern auch für die von ihm bereitgestellten Ökosys- Hektar ausgeweitet werden. Von den 11,4 Millionen temleistungen sowie für die Waldbesitzenden. Zur Be- Hektar Wald in Deutschland sind 48 Prozent Privatwald wältigung dieser Herausforderungen braucht es die Hilfe und 19 Prozent im Eigentum von Körperschaften (z. B. von Bund und Ländern für die nachhaltig wirtschaften- Kommunen). Die übrigen Waldflächen sind im Eigentum den Forstbetriebe. der Länder (29 Prozent) und des Bundes (4 Prozent). Ökosystemleistungen des Waldes Laubbäume wachsen auf 45 Prozent der Waldfläche; Bu- che (16 Prozent) und Eiche (11 Prozent) sind hierbei die Die Wälder in Deutschland – sowie weltweit – sind we- wichtigsten Arten. Insbesondere durch den seit Anfang gen ihrer vielfältigen Ökosystemleistungen wichtig für der 1990er-Jahre mit öffentlichen Geldern geförderten das Wohlergehen und die Bedürfnisse der Menschen. Die Waldumbau hat der Laubbaumanteil stetig zugenom- biologische Vielfalt des Waldes, sowie die Pflege und das men. Mischwälder prägen mit einem Flächenanteil von Management des Walds durch die Waldbesitzenden und 76 Prozent den deutschen Wald. Die jüngeren Wälder die Forstleute sind die Grundlage für die Sicherung und (bis ca. 20 Jahre alt) sind zu 85 Prozent aus natürlicher Bereitstellung der Ökosystemleistungen. Deren Bedeu- Verjüngung hervorgegangen. tung für die Gesellschaft verdeutlichen folgende Zahlen: Die Extremwetter der Jahre 2017 bis 2020 stellen als →→ Klimaschutz: In den Wäldern Deutschlands sind Folge des Klimawandels eine deutliche Zäsur in der Wal- gegenwärtig 2,6 Milliarden Tonnen Kohlenstoff dentwicklung dar: Stürme und Dürren in Verbindung in Biomasse, Totholz und Boden gebunden. Die mit extremer Hitze begünstigten großräumige Massen- jährliche Kohlenstoffspeicherwirkung des Waldes vermehrungen von Borkenkäfern und anderen Schäd- beläuft sich aktuell auf 57 Millionen Tonnen CO2 lingen, die die Waldbewirtschaftung beeinträchtigen. Bis und die der stofflich genutzten Holzprodukte auf Ende des 2. Quartals 2021 sind dadurch ca. 187 Millionen 4,2 Millionen Tonnen CO2. Bei der Bewertung der Kubikmeter Schadholz angefallen, 277.000 Hektar sind Treibhausgas-Minderungspotenziale ist die ganz- wiederzubewalden. heitliche Bewertung der Wirkungen von Wald, Waldbewirtschaftung und Holzverwendung in Bezug Der Klimawandel ist eine existenzielle Herausforderung auf Kohlenstoffspeicherung und Substitution von für die Menschheit. Eine ambitionierte Klimaschutz- energieintensiven Materialien und Energieträgern politik zur Minderung der Treibhausgas-Emissionen ist mit nachteiliger Ökobilanz erforderlich. In den daher von zentraler Bedeutung, nicht nur für den Erhalt zurückliegenden Jahren konnte dadurch die Treib- der Wälder. Die zentralen Herausforderungen für die hausgas-Bilanz in Deutschland um bis zu 14 Prozent Waldpolitik in Deutschland sind: die Auswirkungen des verbessert werden. Das entspricht knapp 80 Prozent Klimawandels auf die Wälder und die Waldwirtschaft, der Emissionen des Straßenverkehrs im Jahre 2016. die Anpassung der Wälder an den Klimawandel, der Schutz der Biodiversität sowie die nachhaltige Bewirt- 5
ZUSAMMENFASSUNG →→ Nachwachsender Rohstoff Holz: Die Waldwirtschaft Das Leitbild für den Wald in Deutschland in Deutschland konnte im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2019 jährlich rund 73 Millionen Kubikmeter Wälder und ihre nachhaltige Bewirtschaftung sollen Rohholz zur Verfügung stellen. Auch aufgrund des auch in Zukunft die für die Gesellschaft wichtigen effizienten Rohstoffeinsatzes von Reststoffen wie Leistungen erbringen und dabei einen hohen Grad an etwa Landschaftspflegematerial, Sägenebenproduk- biologischer Vielfalt aufweisen. Dies stellt die Waldbesit- ten oder Altholz liegt der gesamte Holzrohstoffein- zenden, die Waldpolitik und die Ressourcenpolitik Holz satz mit rund 127 Millionen Kubikmetern pro Jahr vor besondere Herausforderungen, die sich durch die deutlich über dem Rohholzeinsatz. Der nachhaltig er- Folgen des Klimawandels zusätzlich verschärft haben. zeugte klimafreundliche Rohstoff Holz ist die Grund- Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirt- lage für eine weitverzweigte Wertschöpfungskette schaft (BMEL) setzt sich mit der Waldstrategie 2050 mit dem Bausektor als wichtigstem Absatzmarkt. Im daher für folgendes Leitbild bis zum Jahr 2050 ein: Jahr 2018 fanden im Cluster „Wald und Holz“ rund 1 Millionen Menschen Arbeit und Einkommen. Die Wälder in Deutschland sind mit ihren vielfältigen →→ Erholung, Sport und Gesundheit: Über 55 Millionen Ökosystemleistungen für den einzelnen Menschen und die Menschen, beziehungsweise 70 Prozent der Bevöl- Gesellschaft, die Natur sowie die Wirtschaft erhalten und kerung, nutzen den Wald zur Erholung mindestens an die sich weiter ändernden klimatischen Bedingungen einmal im Jahr aktiv. Im Bevölkerungsdurchschnitt angepasst. Sie sind in einer Weise im staatlichen, körper- ergeben sich rund 28 Besuche pro Person und Jahr. schaftlichen und privaten Waldbesitz weiterentwickelt Jährlich gibt es in Deutschland schätzungsweise und integrativ bewirtschaftet, dass ihre Stabilität, ihre 2,3 Milliarden Waldbesuche. Die Bedeutung des Wal- biologische Vielfalt, ihre Produktivität und ihre vielfälti- des für die physische und psychische Gesundheit der gen Schutzleistungen sowie ihre Erlebbarkeit zum Wohl Bevölkerung ist unschätzbar hoch. der gesamten Gesellschaft nachhaltig gewährleistet sind. →→ Trinkwasser: Über 40 Prozent der Fläche aller Was- Damit bleiben auch für künftige Generationen die gleichen serschutzgebiete liegen im Wald, das sind rund Chancen und Nutzungsoptionen erhalten. Die Ökosys- 2,1 Millionen Hektar Waldfläche (18 Prozent Flä- temleistungen des Waldes werden angemessen von der chenanteil). Trinkwasser aus dem Wald ist besonders Gesellschaft honoriert. sauber, 98 Prozent der im Wald gewonnenen Wasser- menge hat Trinkwasserqualität. 6
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050 Die Waldstrategie 2050 beschreibt in zehn Handlungs- Die nachfolgenden zehn zentralen Meilensteine zielen feldern, was zu tun ist, um das „Leitbild Wald 2050“ zu auf die Anpassung der Wälder an den Klimawandel, den erreichen. Hieraus abgeleitete 59 Meilensteine bilden Klimaschutz, die nachhaltige Holzerzeugung und -ver- konkrete Zwischenziele bis 2030 ab. Dies ermöglicht, den wendung, die Biodiversität und den Waldnaturschutz, Fortschritt zu bewerten, Schlussfolgerungen zu ziehen die Erholungsnutzung sowie die Unterstützung der und das weitere Vorgehen daraus zu entwickeln. Waldbesitzenden. Zentrale Meilensteine bis zum Jahr 2030 1 Maßnahmenpläne zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel sowie zum 6 Ein Konzept für effizienten Waldnatur- schutz ist etabliert und wird umgesetzt. Risiko- und Krisenmanagement liegen Um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu vor und werden umgesetzt. erhöhen enthält das Konzept konkrete Schwerpunkte, die eine systematische 2 Für Wälder, die besonders von Trocken- heit bedroht sind (derzeit geschätzt über Planung erlauben. 2,85 Millionen Hektar), sind Umbaupläne erarbeitet. In einem Drittel davon sind 7 Die Verjüngung standortgerechter, arten- reicher und klimaresilienter Mischwälder Umbaumaßnahmen bereits eingeleitet. aus Naturverjüngung, Saat und Pflanzung erfolgt im Wesentlichen ohne Schutzmaß- 3 Der Wald, seine nachhaltige Bewirtschaf- tung sowie die Holzverwendung tragen nahmen vor dem Verbiss durch Wild. weiterhin zur Erreichung der Klima- schutzziele der Bundesregierung bei. 8 Systeme zur Honorierung der vielfältigen Ökosystemleistungen des Waldes sind etabliert und werden umgesetzt. Dazu 4 Der Trend zu mehr Holz im Wohnungsbau hat sich fortgesetzt; die Holzbauquote gehört die Honorierung des Klimaschut- zes, des Waldnaturschutzes sowie der im Wohnungsneubau (Genehmigungen Erholungsnutzung.1 mit überwiegend verwendetem Baustoff Holz) erreicht 30 Prozent. Der Holzbedarf wird überwiegend durch Holz aus nach- 9 Maßnahmen zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel, ihrer naturnahen haltiger, heimischer Waldbewirtschaftung Bewirtschaftung sowie der Bewältigung gedeckt. der durch Extremwetterereignisse verur- sachten Folgen des Klimawandels werden 5 Die biologische Vielfalt im Wald hat sich weiter verbessert. Hierzu gehören durch Förderprogramme verstärkt unter- stützt. Das Risiko- und Krisenmanage- die naturnahe Waldbewirtschaftung, ment sind Bestandteile der Förderung.1 ein kleinräumig stark wechselndes Mosaik unterschiedlicher Waldflächen, die Rücksichtnahme auf Habitat- und 10 Der kleinstrukturierte Privat- und Körper- schaftswald wird durch die Förderung von Lebensraumstrukturen und der Verzicht forstwirtschaftlichen Zusammenschlüs- auf nährstoffzehrende, beziehungsweise sen und anderen Formen überbetrieb- bodenschädigende Nutzung. licher Kooperation weiterhin besonders unterstützt. Die Förderung ist auf die Entwicklung und langfristige Sicherung stabiler und leistungsfähiger überbe- trieblicher organisatorischer Strukturen ausgerichtet. 1 Zusammenfassung mehrerer Meilensteine. 7
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050 Zentrale Leitlinie für eine nachhaltige schaftsbild, die Agrar- und Infrastruktur und die Erholung Waldpolitik der Bevölkerung (Schutz- und Erholungsfunktion) zu erhalten, erforderlichenfalls zu mehren und seine ord- Von der Bundesregierung werden der Wald in Deutsch- nungsgemäße Bewirtschaftung nachhaltig zu sichern. land und seine Bewirtschaftung unter Beachtung der Darüber hinaus soll die Forstwirtschaft gefördert und Gleichrangigkeit der drei Säulen der Nachhaltigkeit ein Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit (Ökonomie, Ökologie und Soziales) langfristig als wichti- und den Belangen der Waldbesitzenden herbeigeführt ge Landnutzungsform für eine nachhaltige Entwicklung werden. Weiterhin ist insbesondere das Bundesna- erachtet und als solche in der Deutschen Nachhaltig- turschutzgesetz mit § 5 Absatz 3 für die Waldstrategie keitsstrategie gewürdigt. Im Jahr 2011 hat die Bundes- von Bedeutung. Dieser gibt vor, dass bei der forstlichen regierung daher die erste Nationale Waldstrategie mit Nutzung des Waldes das Ziel zu verfolgen ist, naturnahe einem Zeithorizont bis zum Jahr 2020 verabschiedet. Vor Wälder aufzubauen und diese ohne Kahlschläge nachhal- dem Hintergrund der sich stetig ändernden Herausfor- tig zu bewirtschaften. Zudem ist ein hinreichender Anteil derungen zum Erhalt des Waldes und seiner nachhal- standortheimischer Forstpflanzen einzuhalten. tigen Bewirtschaftung ist eine Weiterentwicklung der Waldstrategie notwendig. Aufgrund der Langfristigkeit Beteiligung von Wissenschaft, Ländern, der Entwicklungszyklen in Waldökosystemen hat das Verbänden und Zivilgesellschaft Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Strategie weiterentwickelt und die neue Strategie mit Die Entwicklung der vorliegenden Waldstrategie 2050 des dem Zeithorizont bis zum Jahr 2050 angelegt. Die Wald- Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft strategie hat, neben der Nachhaltigkeitsstrategie, Schnitt- stützt sich auf eine gemeinsame Evaluierung der Wirk- mengen mit zahlreichen anderen nationalen Konzepten samkeit der Waldstrategie 2020 durch Bund und Länder. und Strategien der Bundesregierung wie insbesondere Analysen und Empfehlungen der Wissenschaft sind über dem Klimaschutzplan 2050, der Nationalen Strategie zur die Begleitung des Prozesses durch das Thünen-Institut biologischen Vielfalt, der Nationalen Bioökonomiestrate- und Stellungnahmen des Wissenschaftlichen Beirats für gie und der Charta für Holz 2.0. Aufeinander abgestimmt Waldpolitik beim Bundesministerium für Ernährung unterstützen sie gemeinsam den Kurs für eine nachhaltige und Landwirtschaft eingeflossen. Zur Beteiligung der Zi- Entwicklung Deutschlands. vilgesellschaft hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im September und Oktober 2019 vier Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirt- Anhörungen zur Diskussion möglicher Ziele und Inhalte schaft zeigt mit der Waldstrategie 2050 auf, was v. a. der Nationalen Waldstrategie 2050 durchgeführt – hierzu auf Ebene des Bunds, aber auch anderer für den Wald waren insgesamt 47 Verbände eingeladen. Außerdem Verantwortlichen notwendig ist, damit der Wald an den wurden die Ergebnisse des Nationalen Waldgipfels vom Klimawandel weiter angepasst wird. Dies ist erforderlich, 25. September 2019 ausgewertet und die Erkenntnisse um nachhaltig alle von der Gesellschaft nachgefragten aus dem Generationendialog Wald zwischen etablierten Leistungen zu liefern und den großen Beitrag von Wald, Akteuren und jungen Erwachsenen auf fünf Foren zwi- Waldwirtschaft und Holzverwendung, insbesondere für schen August 2019 und Januar 2020 aufgegriffen. Im April den Schutz des Klimas, zu erhalten und wo möglich zu 2021 wurden Länder und Verbände zudem zum Entwurf verbessern. Weitere Veränderungstreiber, die berücksich- der Waldstrategie konsultiert und um Stellungnahme tigt werden, sind der wachsende Bedarf an Ressourcen, gebeten – die Anmerkungen und Hinweise wurden zur die Globalisierung der Märkte, die Digitalisierung und weiteren Überarbeitung genutzt. nicht zuletzt geänderte gesellschaftliche Ansprüche an den Wald. Nachfolgend werden der Zustand des Waldes und seine Ökosystemleistungen zusammenfassend dargestellt Gesetzlicher Rahmen (Kapitel 2). Darauf aufbauend ist das Leitbild zur strategi- schen Ausrichtung künftiger Nationaler Waldpolitik 2050 Das Bundeswaldgesetz gibt im § 1 den Rahmen für die formuliert (Kapitel 3). In zehn Handlungsfeldern sind die Waldstrategie und die in Deutschland gesetzlich ver- Herausforderungen, die mit der Erfüllung des Leitbildes ankerte Multifunktionalität der Wälder vor. In diesem verbunden sind, identifiziert und mit konkreten Meilen- Sinne ist der Wald wegen seines wirtschaftlichen Nutzens steinen als Zwischenschritte bis zum Jahr 2030 untersetzt (Nutzfunktion) und wegen seiner Bedeutung für die Um- (Kapitel 4). Die hier beschriebenen Meilensteine haben welt, insbesondere für die dauernde Leistungsfähigkeit keine präjudizierende Wirkung für die Planung der öf- des Naturhaushaltes, das Klima, den Wasserhaushalt, die fentlichen Haushalte. Reinhaltung der Luft, die Bodenfruchtbarkeit, das Land- 9
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050 Wald in Deutschland Gesamtfläche Deutschland Die häufigsten Baumarten im deutschen Wald (bezogen auf die Holzbodenfläche) Mit einem Waldflächenanteil von rund 32 Prozent (11,4 Millionen Hektar) ist Deutschland eines der wald- 25,3 % Fichte reichsten Länder Europas. Seit 1990 konnte die Wald- fläche um mehr als 200.000 Hektar ausgeweitet werden. 22,9 % Kiefer Von den 11,4 Millionen Hektar Wald in Deutschland sind Waldfläche 18,1 % sonstige 48 Prozent Privatwald und 19 Prozent im Eigentum von 32 % Laubbaumarten Körperschaften (z. B. Kommunen). Die übrigen Waldflä- 11,4 Mio. ha 16,1 % Buche chen sind im Eigentum der Länder (29 Prozent) und des HAUPTBAUMARTEN 2017 Bundes (4 Prozent). Insgesamt gibt es in Deutschland ca. 10,5 % Eiche 1,8 Millionen private Waldbesitzende. Die meisten davon 7,1 % sonstige sind sogenannte Kleinstprivatwaldbesitzende mit einer Nadelbaumarten durchschnittlichen Waldfläche von rund 2,5 Hektar. Quelle: KI (2019) © FNR 2021 WALDFLÄCHEN NACH EIGENTUMSART 2012 4% Staatswald Bund 48 % Viertel des Waldes (24 Prozent der Fläche) ist älter als 403.464 ha Privatwald 100 Jahre. Die Hälfte der Waldfläche (51 Prozent) ist mit 5.485.679 ha zuwachskräftigen Bäumen im Alter von 21 bis 80 Jahren 29 % bewachsen. Dieser Flächenanteil reduzierte sich seit Staatswald Land 2012 um 3.309.537 ha 7 Prozent. Dagegen stieg der Flächenanteil von Bäumen > 1.000 ha 13 % im Alter über 120 Jahre und abnehmendem Zuwachs um 500–1.000 ha 6 % 12 Prozent. Der Holzvorrat in den Wäldern Deutschlands 200–500 ha 8 % 100–200 ha 6 % hatte 2017 mit 3,9 Milliarden Kubikmetern oder 50–100 ha 6% 358 Kubikmetern pro Hektar einen neuen historischen gesamt 20–50 ha 10 % Höchststand erreicht. Der Totholzvorrat ist zwischen 11.419.124 ha < 20 ha 50 % den Jahren 2012 und 2017 um 14 Prozent auf 22,2 Kubik- meter pro Hektar angestiegen. Treuhandwald 2 % Die Extremwetter der Jahre 2017 bis 2020 stellen als Folge des Klimawandels eine deutliche Zäsur in der Waldent- 19 % wicklung dar: Nach den Stürmen und Dürren in Verbin- Körperschaftswald dung mit extremer Hitze und einer dadurch begünstigten 2.220.445 ha großräumigen Vermehrung von Borkenkäfern sowie von weiteren die Waldbewirtschaftung beeinträchtigenden Schädlingen sind bis zum Ende des 2. Quartals 2021 ca. Quelle: BWI3 (2014) © FNR 2019 187 Millionen Kubikmeter Schadholz angefallen, auf rund 277.000 Hektar ist der Wald wiederherzustellen. Vielerorts Auf mehr als der Hälfte der Waldfläche wachsen Nadel- sind Bäume vertrocknet und ganze Waldflächen abgestor- bäume, wobei Fichte (25 Prozent) und Kiefer (23 Prozent) ben. Hauptsächlich sind Fichten betroffen. Es zeichnet den größten Anteil haben. Laubbäume finden sich auf sich derzeit jedoch ab, dass neben weiteren Nadelbaumar- 45 Prozent der Waldfläche, Buche (16 Prozent) und Eiche ten auch Laubbäume durch die fortdauernde Trockenheit (11 Prozent) sind die wichtigsten Arten (Thünen- beeinträchtigt sind. Der Wassermangel hat aber auch Institut 2019). Insbesondere durch den seit Anfang der darüber hinaus zu deutlichen Zuwachsverlusten und 1990er-Jahre mit öffentlichen Geldern geförderten geringer Vitalität der Bäume in ganz Deutschland geführt. Waldumbau hat der Laubbaumanteil stetig zugenom- men. Zwischen den Jahren 2012 und 2017 ist der Laub- waldanteil durch Waldumbau um 0,4 Prozent-Punkte weiter angestiegen. Mischwälder prägen mit einem Flächenanteil von 76 Prozent den deutschen Wald. Die jüngeren Wälder (bis ca. 20 Jahre alt) sind zu 85 Prozent aus natürlicher Verjüngung hervorgegangen. Knapp ein 11
AUSGANGSLAGE Herausforderung Klimawandel Die Bedeutung der Ökosystemleistungen des Waldes für die Gesellschaft verdeutlichen folgende ausgewählte Der Klimawandel ist eine existenzielle Herausforderung Kennzahlen: für die gesamte Menschheit. Eine ambitionierte Klima- schutzpolitik zur Minderung der Treibhausgas-Emissionen →→ Klimaschutz: In den Wäldern Deutschlands sind ist daher von zentraler Bedeutung, nicht nur für den Erhalt gegenwärtig 2,6 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in der Wälder. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Biomasse, Totholz und Boden gebunden. Die jährli- Wälder, der Schutz der Biodiversität sowie die nachhaltige che Kohlenstoffspeicherwirkung des Waldes beläuft Bewirtschaftung der Wälder im Klimawandel sind die zen- sich aktuell auf 57 Millionen Tonnen CO2 und die der tralen Herausforderungen für die Waldpolitik in Deutsch- stofflich genutzten Holzprodukte auf 4,2 Millionen land. Der fortschreitende Klimawandel und damit der Er- Tonnen CO2. Waldbewirtschaftung und Holzverwen- halt bzw. der Ausbau des Beitrags von Wald und Holz zum dung, insbesondere bei langlebigen Produkten und Klimaschutz werden die Waldentwicklung und damit auch einschließlich Substitution, verbessern die Treibhaus- die Nutzung voraussichtlich für die nächsten Jahrzehnte gas-Bilanz Deutschlands somit um bis zu 14 Prozent. entscheidend prägen. Daher ist es von übergeordnetem →→ Nachwachsender Rohstoff Holz: Die Waldwirtschaft Interesse, dass der Klimaschutzplan 2050 der Bundesre- in Deutschland konnte, nach Berechnungen des gierung umgesetzt wird und die Reduktionsziele für die Thünen-Instituts, im Durchschnitt der Jahre 2010 bis Begrenzung der Treibhausgas-Emissionen erreicht werden. 2019 jährlich rund 73 Millionen Kubikmeter Rohholz Die Folgen des Klimawandels sind nicht nur für den Wald zur Verfügung stellen. Auch aufgrund des effizienten gravierend, sondern auch für die von ihm bereitgestellten Rohstoffeinsatzes von Reststoffen, wie z. B. Land- Ökosystemleistungen und für die Waldbesitzenden. Vor schaftspflegematerial, Sägenebenprodukte oder Alt- diesem Hintergrund und im Rahmen der vorliegenden holz liegt der gesamte Holzrohstoffeinsatz mit rund Strategie wird Forstwirtschaft in Deutschland umfassen- 127 Millionen Kubikmeter pro Jahr jedoch deutlich der – im Sinne von Waldwirtschaft – verstanden. über dem Rohholzeinsatz. Der nachhaltig erzeugte, klimafreundliche Rohstoff Holz ist die Grundlage für Ökosystemleistungen des Waldes eine weitverzweigte Wertschöpfungskette mit dem Bausektor als wichtigstem Absatzmarkt. Im Jahr 2018 Die Wälder in Deutschland – sowie weltweit – sind fanden im Cluster „Wald und Holz“ rund 1 Millionen wegen ihrer vielfältigen Ökosystemleistungen wichtig Menschen Arbeit und Einkommen. für das Wohlergehen und die Bedürfnisse der Menschen. →→ Erholung, Sport und Gesundheit: Über 55 Millionen Hierzu gehören: Menschen bzw. 70 Prozent der Bevölkerung nutzen →→ „Basisleistungen“ wie der Nährstoffkreislauf und die den Wald für Erholung mindestens einmal im Jahr Bodenbildung; aktiv. Im Bevölkerungsdurchschnitt ergeben sich rund →→ „Versorgungsleistungen“ wie die erneuerbaren Res- 28 Besuche pro Person und Jahr; jährlich gibt es in sourcen, welche Wälder liefern (v. a. Holz, Trinkwas- Deutschland schätzungsweise 2,3 Milliarden Waldbe- ser, Wildfleisch); suche. Die Bedeutung des Waldes für die physische und →→ „Regulationsleistungen“ – typischerweise Schutzleis- psychische Gesundheit der Bevölkerung ist unschätz- tungen – wie der Klimaschutz, der Schutz des Men- bar hoch. schen vor Stürmen und Hitze, Überflutungen, Lawinen, →→ Trinkwasser: Über 40 Prozent der Fläche aller Was- Geröllschlag, Lärm sowie Luftverschmutzung und serschutzgebiete liegen im Wald, das sind rund →→ „kulturelle Leistungen”, mit denen Wälder zum 2,1 Millionen Hektar Waldfläche (18 Prozent Flächen Wohlbefinden von Menschen beitragen, wie die un- anteil). Trinkwasser aus dem Wald ist besonders mittelbare Nutzung der Wälder für Erholung, Sport sauber, 98 Prozent der im Wald gewonnenen Wasser- und Gesundheit, kontemplative, ästhetische und spi- menge hat Trinkwasserqualität. rituelle Naturerfahrungen bis hin zum Bildungsort. 12
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050 Die biologische Vielfalt des Waldes, d. h. die Vielfalt der Ökosysteme, die Vielfalt der Arten und die genetische Vielfalt innerhalb der jeweiligen (Wild-)Tier-, Pflanzen- und Pilzarten sowie die Pflege des Waldes und das Ma- nagement der Waldbesitzenden sind die Grundlage für die Sicherung und Bereitstellung der Ökosystemleistungen. Die meisten Leistungen des Waldes werden von der Allge- meinheit i. d. R. kostenfrei direkt oder indirekt genutzt – GESAMTER KOHLENSTOFFVORRAT IN WALD UND wie beispielsweise als Naturgenuss, für individuellen WALDBODEN IN DEUTSCHLAND Sport im Wald oder in der Nutzung von Trinkwasser. Gleichwohl sind oft konkrete zusätzliche Aktivitäten der Waldbesitzenden nötig, um die Leistungen sicherzustel- len und für Dritte zugänglich und nutzbar zu machen: Z. B. ist bei der Anpassung der Wälder an den Klimawan- in Mio. t (bez. auf oberirdische Biomasse del die natürliche Verjüngung eine wichtige Grundlage. Gesamtwaldfläche Totholz und Humusschicht Aber oftmals ist ein aktives Lenken der Waldentwick- Deutschlands) lung und Ressourcennutzung durch gezielte Holzern- Mineralboden und unterirdische Biomasse temaßnahmen und das Einbringen klimaresilienter Baumarten und -herkünfte durch Saat oder Pflanzung notwendig. Gleiches gilt für die Pflege bestimmter schüt- gesamt 2.599 zenswerter Wälder, wie z. B. den Erhalt von Eichenwäl- 2.500 dern. Auch können viele Holzprodukte in der stofflichen 1.230 Verwendung nur höherwertig eingesetzt werden, wenn 2.000 die geernteten Bäume spezifische Eigenschaften und Qualitäten aufweisen, die nur die nur über die gezielte 1.500 Entwicklung eines bestimmten Waldaufbaus und lang- 34 jährige Pflege zu erreichen sind. Schließlich ermöglicht oberirdische Biomasse erst die Anlage von Wegen den Waldbesuch. 1.000 Totholz und Humusschicht Im dicht besiedelten Deutschland sind die vielfälti- Mineralboden 500 und unterirdische gen Ansprüche der Gesellschaft an die ökonomischen, 1.335 Biomasse ökologischen und sozialen Leistungen des Waldes und damit auch an die Waldbesitzenden in den letzten Jahren 0 gestiegen und unterliegen einem ständigen Entwick- lungsprozess. Die Ansprüche der Gesellschaft an den Wald und seine Ökosystemleistungen sind allerdings Zweite Bodenzustandserhebung (2012*) nicht immer kongruent, sondern teilweise mit Zielkon- flikten verbunden. Die zentrale Aufgabe einer langfristig * Für den Boden auf das Jahr 2012 hochgerechnet, für den Bestand gemessen. tragfähigen Strategie für die Waldpolitik in Deutschland Quelle: Thünen-Institut, Kohlenstoffinventur (2019); Grünebeberg et al., ist es daher, auch eine Balance zwischen den unter- Kohlenstoffvorräte und -vorratsänderungen in Waldböden (2019) © FNR 2021 schiedlichen Ansprüchen aufzuzeigen. 13
AUSGANGSLAGE ÖKOSYSTEMLEISTUNGEN DES WALDES Dargestellt sind die Leistungen, die der Wald in Deutschland pro Hektar erbringt. Insgesamt ist ein Drittel Deutschlands (11,4 Mio. Hektar) bewaldet. Basisleistungen 1 Photosynthese 2 Sauerstoffproduktion 3 Kohlenstoffspeicher Biomasse 4 Holzvorrat 5 Biodiversität 6 Bodenbildung 7 Kohlenstoffspeicher Waldboden Versorgungsleistungen 8 Holzzuwachs 9 Stoffliche Holznutzung 10 Energieholz 11 Pilze & Beeren 12 Wildfleisch 13 Trinkwasserschutzgebiet Quellen: BMEL, Thünen-Institut © FNR 2020 fnr.de 14
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050 Regulationsleistungen 14 Luftfilter 15 Klimaschutz 16 Wasserfilter 17 Bodenschutz 18 Biotopfläche 19 Totholz 22 Kulturelle Leistungen 20 Arbeitsplatz 21 Forschung & Bildung 22 Wirtschaft 23 Tourismus 24 Gesundheit & Erholung 25 Bestattung 15
3 → Leitbild 2050 16
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050 Die Waldstrategie 2050 orientiert sich an einem Leitbild, das aus heutiger Sicht angemessen und plausibel erscheint. LEITBILD WALD 2050 Sie muss die verschiedenen Ansprüche an den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der Wälder in Einklang Die Wälder in Deutschland sind mit ihren vielfältigen bringen und dabei sich ändernde externe Faktoren auf- Ökosystemleistungen für den einzelnen Menschen greifen. Dafür wird eine möglichst naturnahe Waldbe- und die Gesellschaft, die Natur sowie die Wirt- wirtschaftung angestrebt, die alle Ökosystemleistungen schaft erhalten und an die sich weiter ändernden bereitstellt. Damit unterstützt das Leitbild der Waldstra- klimatischen Bedingungen angepasst. Sie sind in tegie das Ziel für die nachhaltige Entwicklung 15 (auf einer Weise im staatlichen, körperschaftlichen und Englisch: Sustainable Development Goal, abgekürzt: privaten Waldbesitz weiterentwickelt und integrativ SDG) der Vereinten Nationen, insbesondere im Zusam- bewirtschaftet, dass ihre Stabilität, ihre biologische menhang mit der Förderung der nachhaltigen Bewirt- Vielfalt, ihre Produktivität und ihre vielfältigen schaftung der Wälder, der Wiederherstellung geschädig- Schutzleistungen sowie ihre Erlebbarkeit zum Wohl ter Wälder sowie der Waldmehrung. der gesamten Gesellschaft nachhaltig gewährleistet sind. Damit bleiben auch für künftige Generationen Verschiedene Entwicklungen mit Bezug zum Wald sind die gleichen Chancen und Nutzungsoptionen erhal- bis zum Jahr 2050 weder verlässlich vorhersehbar noch ten. Die Ökosystemleistungen des Waldes werden konkret planbar. Dies betrifft beispielsweise die Ent- angemessen von der Gesellschaft honoriert. wicklung der gesellschaftlichen Bedürfnisse, aber auch den globalen Wandel mit dem weiter fortschreitenden Klimawandel sowie die sich verändernden globalen Aktuelle Herausforderungen und schwer vorhersehbare Wirtschaftsbedingungen und Rohstoffverfügbarkeiten. zukünftige Entwicklungen erfordern ein adaptives Zudem ist die deutsche Waldpolitik eingebunden in Vorgehen, das auf aktuelle Entwicklungen reagiert, neue internationale und europäische Verpflichtungen zur Erkenntnisse und Notwendigkeiten aufgreift sowie – nachhaltigen Waldbewirtschaftung, zur Eindämmung falls erforderlich – Ziele nachjustiert. Die waldpolitische des Klimawandels und zur Erhaltung der biologischen Umsetzung eines langfristigen „Leitbildes für 2050“ wird Vielfalt. Politikentscheidungen für die Wälder, mit ihren zu diesem Zweck in Handlungsfelder gegliedert. Der langen Entwicklungszyklen, müssen daher ausreichend Fortschritt in der Umsetzung soll im Jahr 2030 anhand flexibel sein, um auf die sich ändernden Bedingungen von Meilensteinen überprüft und darauf aufbauend angemessen reagieren zu können. Mit Blick auf diese weitere Umsetzungsschritte geplant werden (Grafik: Unwägbarkeiten wurde deshalb der Detaillierungsgrad Leitbild). Die Überprüfung des Fortschritts wird auch des Leitbildes für 2050 so gewählt, dass dabei eine ausrei- vom Wissenschaftlichen Beirat für Waldpolitik beim chende Flexibilität gewahrt bleibt. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unterstützt. Der Beirat ist mit Vertretern verschiede- ner wissenschaftlicher Fachdisziplinen besetzt, die die ILD FÜR 2050 LEITB gesellschaftlichen Anforderungen an den Wald DLUNGSFELDE HAN R widerspiegeln. Der Beirat prüft die Ziele und Grundsätze der nationalen und internationalen Klimaschutz Waldpolitik. Er unterbreitet Vorschläge für und Klimaanpassung die Weiterentwicklung der waldpolitischen Kommunikation Biodiversität und Rahmenbedingungen und der Instrumen- und Information EN S T E I N E BI Waldnaturschutz gen Erh EIL S2 03 te zur Umsetzung der Waldstrategie. M alt un 0 leist u nd g von Ökosystem ve Stabili t Forschung und Holzerzeugung bau rs Entwicklung und Holzver- tet Förderung, Rahmen- e wendung ausg sierung der Wälder ig Honorierung bedingungen t Waldarbeit, Forschungs- übergreifende Erholung, orierun Digitalisierung förderung Instrumente Sport und weit und Technologie Gesundheit Hon ere rt w n lie ick b t elt eta Eigentum Boden und und neue Wasser Wertschöpfung Waldentwicklung, nachhaltige Bewirtschaftung und Jagd Ber en eitst ung 17 ellung al l ei s t ler Ökosystem
4 → Handlungsfelder und Meilensteine 18
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050 Das Leitbild soll durch spezifische Handlungsfelder, die mit Meilensteinen untersetzt sind, erreicht werden. Die Handlungsfelder und Meilensteine sind gemeinsam auf die Erreichung des Leitbildes gerichtet, sie ergänzen sich gegenseitig und können aufgrund ihrer engen Vernet- zung nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Im Entwicklungsprozess der Waldstrategie 2050 wurden zehn Handlungsfelder identifiziert, die für eine möglichst operationale Umsetzung der Strategie notwendig sind. Die Meilensteine, im Sinne von Etappenzielen, sind als „Ist-Zustand“ für das Jahr 2030 formuliert, ermöglichen auf ein konkretes Ziel ausgerichtetes Handeln sowie die Überprüfung des Fortschritts. Die Meilensteine sind kei- ne abschließende Aufzählung, beeinflussen sich häufig 4.1 Klimaschutz gegenseitig und können auch für mehrere Handlungs- felder relevant sein. Ein Teil der waldrelevanten Belange in Deutschland liegt und Anpassung an den Klimawandel in der Zuständigkeit des Bundes, ein anderer in der Ver- antwortung der Länder. Diese Aufgabenteilung zwischen Bund und den Ländern im Bereich der Waldpolitik hat sich bewährt und wird durch die Waldstrategie 2050 nicht berührt. Neben Bund und Ländern richtet sich Klimaschutz durch nachhaltige die Strategie aber auch an die übrigen waldrelevanten Waldbewirtschaftung gesellschaftlichen Akteure und hier im Speziellen an die körperschaftlichen und privaten Waldbesitzenden. Die Klimaschutzleistung des Waldes umfasst die Ele- mente Waldspeicher, Waldbewirtschaftung und Holz- Der Beitrag des Bundesministeriums für Ernährung verwendung, die in gegenseitiger Wechselwirkung und Landwirtschaft liegt dabei – unter jeweiliger stehen und daher immer im Zusammenhang zu sehen Berücksichtigung der finanzverfassungsrechtlichen, sind. Dies wirkt sich zudem auf die Schonung endlicher haushaltsrechtlichen und beihilferechtlichen Vorga- Ressourcen und die Sicherung von Beschäftigung und ben – insbesondere in der Verbesserung der Rahmen- Wertschöpfung aus. Durch Bewirtschaftung des Waldes bedingungen, der Honorierung von Leistungen, der und die Verwendung von Holz, insbesondere in langle- unterstützenden Förderung der körperschaftlichen und bigen Holzprodukten, kann der Kohlenstoffspeicher privaten Waldbesitzenden, der Forschungsförderung des Waldes um den der Holzprodukte (z. B. beim Bauen sowie dem Einsatz übergreifender Instrumente. Zu mit Holz oder in Möbelstücken) erweitert werden. Zu- Letzterem zählen beispielsweise die Zusammenarbeit sätzliche Klimaschutzeffekte werden durch die stoff- des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirt- liche Substitution energieaufwendig herzustellender schaft mit den Ländern, europäische und internationale Bau- und Werkstoffe auf Basis endlicher Rohstoffe mit Zusammenarbeit, Maßnahmen zur Kommunikation vergleichsweise nachteiliger Ökobilanz und durch die und für einen Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen, energetische Substitution fossiler Brennstoffe erreicht. Bereitstellung von Fachinformationen, Maßnahmen zur Waldbewirtschaftung und Holzverwendung verbessern Förderung von Qualifikation und Fachkräften sowie die die Treibhausgas-Bilanz Deutschlands zurzeit um etwa Fortführung und ggf. Anpassung oder Einführung von 11 bis 14 Prozent. Monitoring-Systemen. Wälder binden durch die Photosynthese der Bäume das In den folgenden Abschnitten werden die Herausfor- Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) und speichern dieses derungen in den einzelnen Handlungsfeldern näher als Kohlenstoff (C) in der Biomasse, d. h. überwiegend beschrieben sowie prioritäre Meilensteine und Verant- im Holz und in Böden (Waldspeicher) und setzen dabei wortlichkeiten benannt, um bestehende Bedarfe anzuge- Sauerstoff frei. Sterben Bäume im natürlichen Prozess hen. Mit der Reihenfolge der Handlungsfelder ist keine ab, wird der Kohlenstoff der Biomasse durch Zersetzung Schwerpunktsetzung oder Priorisierung verbunden. wieder als CO2 der Atmosphäre zugeführt. Die Bilanz dieser beiden Prozesse bestimmt, ob der Wald eine 19
HANDLUNGSFELDER UND MEILENSTEINE Quelle oder Senke für CO2 ist. Der Wald in Deutsch- mit hoher Lebensdauer (z. B. Buche und Eiche) auf den land hat zwischen den Jahren 2012 und 2017 weiter an meisten Standorten naturnäher und enthält eine höhere Vorrat zugenommen und war damit eine CO2-Senke. biologische Vielfalt, dies kann aber auch zu einer Reduk- Der deutsche Wald hat die Atmosphäre jährlich seit dem tion des durchschnittlichen Zuwachses bzw. der zusätzli- Jahr 2012 um durchschnittlich 62 Millionen Tonnen chen Kohlenstoffbindung führen. CO2 entlastet. Damit kompensieren die Wälder sieben Prozent der Emissionen in Deutschland. Diese Zuwachs- Für die Klimaschutzpolitik und die Anrechnung von verhältnisse wurden insbesondere durch die großflächi- Klimaschutzleistungen ist entscheidend, welche zusätz- gen, zuwachsstarken Nachkriegsaufforstungen (insbe- lichen Erfolge in der Treibhausgas-Minderung erzielt sondere mit der Fichte) hergestellt. Diese Waldflächen werden. Dies regeln in der EU die Verordnung zur sind allerdings bald erntereif. Damit verliert der Wald Lastenteilung und die Verordnung zur Einbeziehung der Zuwachs und CO2-Bindungskraft, die in der Folge erst Emissionen und zu Einbindungen von Treibhausgasen nach Jahrzehnten wieder ausgeglichen werden können. aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Wald- Eine Verwendung in dauerhaften Holzprodukten kom- wirtschaft (auf Englisch: Land use, Land-Use Change and pensiert den Verlust von CO2 im Waldspeicher. Substitu- Forestry, abgekürzt: LULUCF). Die LULUCF-Verordnung tionseffekte schlagen sich in anderen Bereichen, wie bei- setzt das Ziel, dass der Sektor nicht zur Quelle von Treib- spielsweise in der Bauwirtschaft, klimawirksam nieder. hausgasen werden darf. Für die Anrechnung der Waldbi- Fichten erweisen sich allerdings als zunehmend anfällig lanz werden die tatsächlichen Treibhausgas-Emissionen gegen Dürre, Windwurf und Borkenkäfer. Vielfach müs- oder -Einbindungen mit der gedachten Fortsetzung der sen sie vorzeitig und außerplanmäßig genutzt werden. Bewirtschaftung der Jahre 2000 bis 2009 als Referenz- Dies kann zu einem erhöhten Aufwand und Wertverlust zeitraum verglichen. Es werden Gut- und Lastschrif- für die Waldbesitzenden sowie einer geringeren Klima- ten aus bewirtschaftetem Wald berechnet, indem die schutzleistung führen, indem Waldstrukturen beein- tatsächlichen Treibhausgas-Bilanzen von der Referenz trächtigt und im Waldboden Umsetzungsprozesse von abgezogen werden. Ist mehr Kohlenstoff eingebunden Humus aktiviert werden sowie wenn Holz dadurch in worden, als die Referenz vorhergesehen hat, entstehen weniger langlebigen Produkten verwendet wird. Gutschriften, im anderen Fall entstehen Lastschriften. LULUCF-Gut- und Lastschriften können sowohl durch Wälder als auch durch Holzprodukte veranlasst werden. KOHLENSTOFFSPEICHERWIRKUNG VON Die Klimaschutzeffekte durch die stoffliche und energe- WALD UND HOLZ tische Verwendung von Holz werden in den Bereichen Industrie und Energie bilanziert. Dies zeigt, dass bei einer 62 Mio. Tonnen ganzheitlichen Bewertung der Wald-Klimaschutz-Leis- tung alle Sektoren berücksichtigt werden müssen. Dieser CO2/Jahr Hintergrund ist für die Verfolgung der Ziele des Klima- Waldspeicher 57,5 Mio. t CO2/Jahr schutzplans 2050, aber auch für die Honorierung von Klimaschutzleistungen des Waldes wichtig. Holzproduktespeicher 4,2 Mio. t CO2/Jahr Wald & Holz im Klimaschutzplan 2050 Im Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung ist fest- gehalten, dass der Sektor LULUCF mit weiteren Maßnah- men – u. a. zum Erhalt des Waldes als CO2-Senke – gesi- Quelle: Umweltbundesamt (2021), Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgas-Inventar 1990–2019, EU-Submission, 90 S. © FNR 2021 chert werden soll. Mit seinem Beschluss vom 2.10.2019 über die Finanzierung der im Klimaschutzpro- gramm vereinbarten Maßnahmen hat das Bundeska- Als CO2-Senke sind Waldspeicher, Waldbewirtschaftung binett den Bedarf an zusätzlichen öffentlichen Mitteln und Holzverwendung wichtige Faktoren beim Klima- für den Erhalt und die nachhaltige Bewirtschaftung der schutz. Diese Elemente sind daher auch Teil des Klima- Wälder sowie der Holzverwendung zum Erhalt ihres schutzplans 2050 der Bundesregierung. Zur Erreichung Klimaschutzbeitrags anerkannt. der Klimaschutzziele werden strukturreiche Wälder mit einem hinreichenden Anteil standortheimischer und Mit der am 24.06.2021 vom Bundestag beschlossenen klimatoleranter Baumarten angestrebt. Ökologische, Änderung des Klimaschutz-Gesetzes wird das Ziel der ökonomische und soziale Zielkonflikte bestehen bei- Klimaneutralität um fünf Jahre auf das Jahr 2045 vorge- spielsweise in der Abwägung von Klima- und Biodiver- zogen. Der Weg dahin wird mit verbindlichen Zielen für sitätszielen. So ist ein steigender Anteil an Laubbäumen die 20er- und 30er-Jahre festgelegt. Das Zwischenziel für 20
BMEL-WALDSTRATEGIE 2050 das Jahr 2030 wird von derzeit 55 auf 65 Prozent Treib- Anpassung der Wälder an den Klimawandel hausgas-Minderung gegenüber dem Jahr 1990 erhöht. Für das Jahr 2040 gilt ein neues Zwischenziel von 88 Prozent Der Wald hat nicht nur in der öffentlichen Wahrneh- Minderung. Neu ist eine Zielvorgabe für den Erhalt und mung, sondern auch faktisch eine zentrale Bedeutung den Ausbau der sogenannten natürlichen Senken wie für die Bindung von CO2 aus der Atmosphäre und die Wälder und Moore. Die Bundesregierung hat im Rahmen entsprechende Speicherung des Kohlenstoffes in der Bio- des Haushalts 2022 ein Klimaschutz-Sofortprogramm be- masse, um einen Beitrag zur Begrenzung des Klimawan- schlossen, das erste Weichenstellungen für die Umsetzung dels zu leisten. Allerdings ist der Waldspeicher, der sich in des neuen Ziels vornimmt. Bäume, Totholz und den Waldboden untergliedern lässt, ein fragiler Speicher. Die zu beobachtende Zunahme der Mit den zunehmenden klimawandelbedingten Schäden Störungen (z. B. durch Windwurf, Trockenheit, Borken- im Wald und ihren wirtschaftlichen Folgen einerseits so- käferbefall) führt vermehrt zum Absterben von Bäumen. wie der Einführung der CO2-Bepreisung über das Brenn- Sofern einzelne Baumarten (z. B. Esche) von Störungen stoffemissionshandelsgesetz andererseits steigt die Not- betroffen sind, kann dies außerdem zu einer Entmischung wendigkeit einer Honorierung der Klimaschutzleistungen strukturreicher Wälder führen und unter Umständen der Wälder in Deutschland. Diese würde es mit ermög- zur Abnahme von Populationsdichten der an bestimmte lichen, die entsprechenden Ökosystemleistungen wei- Baumarten und Strukturen gebundenen Organismen. terhin dem Gemeinwohl im erforderlichen Umfang zur Betroffene Waldflächen können dadurch zeitweise zu Verfügung zu stellen. Je nach Marktlage und Betroffenheit einer CO2-Quelle werden. Zudem zeigen die aktuellen der einzelnen Betriebe wird die Finanzierung zusätzlicher Ergebnisse der Waldzustandserfassung die geringere Leistungen des Waldes aus dem Verkauf von Holz deutlich Vitalität der Bäume mit einem Alter über 60 Jahre. Ältere erschwert. Zudem erfordert ihre Bereitstellung eine län- Bäume sind von den Auswirkungen des Klimawandels gerfristige aufwendige Waldpflege zur Existenzsicherung offensichtlich deutlich stärker betroffen als jüngere Bäu- des Waldes, die über die gesetzlichen Verpflichtungen und me. Einige Baumarten könnten in Regionen mit starker die Sozialbindung des Waldeigentums hinausgehen kann. klimatischer Änderung ihr potenzielles Lebensalter nicht Diese Pflegemaßnahmen werden derzeit unzureichend mehr erreichen. Deswegen nimmt mit zunehmendem durch bestehende Förderinstrumente abgedeckt. Alter und zunehmenden Holzvorräten im Wald das Risiko von Schäden zu. Darüber hinaus könnte der Anwuchser- Sowohl der Klimaschutz als auch der nachhaltige Umbau folg bei der Wiederbewaldung durch Pflanzung, Saat und unseres Energiesystems auf der Erzeugungs- wie auf der Naturverjüngung unter dem zunehmenden Einfluss von Verbrauchsseite sind für unsere Gesellschaft drängende Extremwetterlagen weiter abnehmen. Zukunftsfragen, aber auch von eminenter Bedeutung für die Zukunft von Wald und Waldwirtschaft. Bund und Für die Anpassung an den Klimawandel ist es aufgrund Länder streben daher im Einklang mit den klimaschutz- bestehender Unsicherheiten erforderlich, den Zustand der politischen Zielen des Paris-Abkommens, der EU und des Waldökosysteme periodisch zu prüfen und mit wald- Bundesklimaschutzgesetzes ambitionierte Ausbauziele für politischen Zielen abzugleichen. Die laufenden und z. T. erneuerbare Energien an. Hierzu soll insbesondere auch unvorhersehbaren Entwicklungen werden die Anpassung die Windenergie einen wesentlichen Beitrag leisten. Die der Wälder zu einer Daueraufgabe im Sinne eines adap- Errichtung von Windenergieanlagen (WEA) erfolgt bisher tiven Managements machen. Die mit dem Klimawandel vorrangig offshore sowie im Offenland. Gleichwohl kann verbundenen Prozesse verändern die Standorte sowie dies aber auch in küstenfernen und waldreichen Regionen die auf den Wald und seine Entwicklung einwirkenden durch den Einbezug von Windenergiestandorten im Wald Faktoren und können auch das bisher vertraute Waldbild erfolgen, zumal nach Abzug aller Ausschlussflächen (z. B. ändern. Dies stellt eine große Herausforderung für die Siedlungsbereiche inkl. Mindestabstand, Naturschutz- Waldwirtschaft, die Waldpolitik sowie die Kommuni- gebiete und Einflugschneisen) häufig nur noch relativ kation zwischen Waldwirtschaft und Gesellschaft dar. wenige Flächen überhaupt als geeignete, windhöffige Abiotische und biotische Störungen, Anpassungen und Standorte für WEA in Frage kommen. Die Entscheidung, ökologische Resilienz prägen seit jeher das Bild des Walds ob Windenergieanlagen (WEA) im Wald zulässig sind, liegt und dieses wird zukünftig noch stärker durch die Zunah- in der alleinigen Verantwortung der Länder. Die Zustän- me von klimabedingten Störungen beeinflusst werden. digkeiten für die Ausweisung von Vorranggebieten für die Zudem ist der Öffentlichkeit die Bedeutung nachhaltiger Windenergie und die Durchführung der Planungsverfah- Waldbewirtschaftung und der Verwendung von Holz als ren sind den jeweiligen Planungsträgern in den Ländern klimafreundlichem Rohstoff und Kohlenstoffspeicher oft zugewiesen. Die Genehmigungsverfahren führen die kaum bekannt oder bewusst. Länder durch. 21
HANDLUNGSFELDER UND MEILENSTEINE Konsequenzen aus den Dürrejahren Meilensteine bis zum Jahr 2030 Die Dürre der Jahre 2017 bis 2020 hat gezeigt, wie sehr der Klimawandel bereits jetzt den Waldumbau und eine Klimaschutz Erhaltung der Waldflächen erschwert. Waldbewirtschaf- tung wird durch den Klimawandel risikoreicher und steht dabei vor großen Herausforderungen: Die Wälder sollten 1.1 so an den Klimawandel angepasst werden, dass sie auch Der Klimaschutzbeitrag von Wald und Holz ist künftig vitale und resiliente Kohlenstoffsenken bleiben. erhalten und ausgebaut: Der Klimaschutzbeitrag Deutschlandweite Studien des Thünen-Instituts zu den durch den Wald, seine nachhaltige Bewirtschaf- Risiken und zum zukünftigen Bedarf an Waldanpassung tung und die Holzverwendung aus nachhaltiger, und Waldumbau schätzen Fläche und regionale Schwer- heimischer Waldwirtschaft ist ausgebaut und wird punkte. Insbesondere für fichtendominierte Waldflächen kontinuierlich dokumentiert. Dadurch tragen Wald unter 600 m ü. NN und buchendominierte Waldflächen und Holz zur Erreichung der Klimaschutzziele der auf Standorten mit für die Buche zu stark eingeschränkter Bundesregierung weiterhin bei. Bodenwasserspeicherkapazität besteht ein hohes Risiko durch Trockenheit und Schaderreger. Die Studien kön- nen wegen ihres Übersichtscharakters aber keine lokalen 1.2 Empfehlungen zur Baumartenwahl und Bewirtschaftung Holzverwendung aus heimischer Waldwirtschaft auf konkreten Waldflächen geben. Wichtige Ansätze hier- ist ausgebaut: Die verstärkte stoffliche Verwen- zu sind u. a. die Auswahl von standortgerechten, überwie- dung von Holz insbesondere beim Neubau und gend heimischen Baumarten und geeigneten Herkünften der Modernisierung von Gebäuden nimmt eine mit nach heutigem Wissen entsprechender Klimavari- wichtige Rolle ein. Die öffentliche Hand erfüllt abilität, die Erhaltung und Entwicklung strukturreicher ihre Vorbildfunktion beim Klima- und Ressourcen- Mischwälder sowie die individuelle Stabilisierung der schutz im besonderen Maße. Effizienzsteigerungen Einzelbäume. Differenzierte regionale und lokale Infor- durch vermehrte Kreislauf- und Kaskadennutzung, mationen zu Standort, Klima und Baumarteneignung die verstärkte stoffliche Verwendung von Laub- sind erforderlich, an denen derzeit die Länder arbeiten. holz einschließlich der Nutzung in der chemischen Diese Informationen sind eine wesentliche Voraussetzung Industrie sowie die Substitution fossiler Ener- für Maßnahmenpläne auf Forstbetriebsebene, um die gieträger durch die energetische Holznutzung Waldbesitzenden dabei zu unterstützen, die Wälder an spielen eine zentrale Rolle. Die Verwendung neuer den Klimawandel anzupassen. Technologien, insbesondere aus dem Bereich der Digitalisierung, trägt zur Weiterentwicklung der Die Entwicklung und Pflege klimaresilienter Wälder Wertschöpfungskette bei. muss den Aspekt der Risikovorsorge verstärkt berück- sichtigen und Abwägungen zur Baumartenwahl und die differenzierte Anpassung von Zieldurchmessern und 1.3 -dimensionen einbeziehen. Seit Anfang der 1990er-Jahre Modell zur Honorierung von Klimaschutzleistun- fördert der Bund gemeinsam mit den Ländern über die gen ist etabliert: Ein nationales Modell zur wissens- Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur basierten und ergebnisorientierten Honorierung der und des Küstenschutzes“ (GAK) die naturnahe Waldbe- Klimaschutzleistung des Waldes in Deutschland ist wirtschaftung. Hierzu gehört insbesondere der Umbau im Rahmen der finanzverfassungsrechtlichen, haus- von Reinbeständen und von nicht standortgerechten hälterischen und beihilferechtlichen Möglichkeiten oder nicht anpassungsfähigen Waldflächen in stabilere entwickelt und umgesetzt. Die Honorierung soll so- Mischwälder. Infolge der Waldschäden hat der Bund die wohl auf den Erhalt und die verstärkte Entwicklung Mittel zur Anpassung an den Klimawandel ab dem Jahr klimaresilienter Wälder (Anpassung) als auch auf die 2020 beträchtlich erhöht. Die Auswirkung der klima- CO2-Bindungsleistung im Wald sowie in stofflich wandelbedingten Schäden auf den Wald und den Holz- verwendeten Holzprodukten durch entsprechende markt werfen dennoch weiter Fragen nach der künftigen Maßnahmen abzielen. Dabei soll eine bundesweit Finanzierung des Waldumbaus und der Waldpflege, der einheitliche Honorierung umgesetzt werden, die für Eignung von Baumarten und der notwendigen Wissens- die Waldbesitzenden einkommenswirksam ist. Ein vermittlung von Erkenntnissen der Forschung an die privater Markt für die Inwertsetzung der Klima- Waldbesitzenden auf. schutzleistung des Waldes ist etabliert und ergänzt das staatliche Modell. 22
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