COVID-19: Strategien der Schulentwicklung in der Krise - Ergebnisse einer Schulleitungsbefragung in Österreich

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COVID-19:
     Strategien der
    Schulentwicklung
      in der Krise
          Ergebnisse einer
Schulleitungsbefragung in Österreich
              Working Paper

           Livia Jesacher-Rößler
          Esther Dominique Klein

            September 2020

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Livia Jesacher-Rößler
Esther Dominique Klein

COVID-19: Strategien der
Schulentwicklung in der Krise

Ergebnisse einer Schulleitungsbefragung in Österreich

Working Paper

Stand:
September 2020

Herausgeber:
Arbeitsbereich Schulentwicklungsforschung und Leadership
Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung
Universität Innsbruck
Fürstenweg 176
A-6020 Innsbruck

Zitation:
Jesacher-Rößler, L. & Klein, E. D. (2020). COVID-19: Strategien der Schulentwicklung in der Krise.
Ergebnisse einer Schulleitungsbefragung in Österreich. Working Paper, Innsbruck: Arbeitsbereich
Schulentwicklungsforschung und Leadership, Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung,
Universität Innsbruck. DOI: 10.25651/1.2020.0010.

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COVID-19: Strategien der Schulentwicklung in der Krise
                            Ergebnisse einer Schulleitungsbefragung in Österreich

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung .......................................................................................................................... 4
Executive Summary ........................................................................................................................ 6
1              Einführung ...................................................................................................................... 8
    1.1        Besondere Herausforderungen – besondere Chancen ................................................. 8
    1.2        Das Gesamtprojekt......................................................................................................... 8
    1.3        Teilprojekt 1: Die Schulleitungsbefragung ...................................................................... 9
2              Ausgangslage............................................................................................................... 10
    2.1        Herausforderungen für das Schulmanagement im Kontext des Distanzunterrichts ..... 10
    2.2        Bedingungsfaktoren ..................................................................................................... 14
3              Design der Schulleitungsbefragung ............................................................................. 20
    3.1        Stichprobe .................................................................................................................... 20
    3.2        Erhebungsinstrument ................................................................................................... 21
    3.3        Analyse unterschiedlicher Subgruppen innerhalb der Stichprobe ............................... 24
    3.4        Auswertung .................................................................................................................. 27
4              Ergebnisse ................................................................................................................... 28
    4.1        Ziele und Orientierungen im Distanzunterricht ............................................................. 28
    4.2        Strategien im Umgang mit dem Distanzunterricht ........................................................ 30
    4.3        Zusammenarbeit mit der Schulaufsicht bzw. dem Schulerhalter ................................. 41
    4.4        Wahrnehmung des Distanzunterrichts ......................................................................... 42
5              Diskussion .................................................................................................................... 49
    5.1        Kapazitäten der Schulen im Kontext der Krise ............................................................. 49
    5.2        Schulformen gingen unterschiedlich mit der Krise um ................................................. 54
    5.3        Klein- und Kleinstschulen unterscheiden sich kaum von anderen Schulen ................. 55
    5.4        Besondere Herausforderungen von Schulen an städtischen und nicht-städtischen
               Standorten? .................................................................................................................. 56
    5.5        Geringere Erwartungen und weniger strategisches Vorgehen an sozialräumlich
               benachteiligten Standorten........................................................................................... 57
6              Fazit.............................................................................................................................. 59
7              Literatur ........................................................................................................................ 62
8              Abbildungsverzeichnis.................................................................................................. 68
9              Verzeichnis der statistischen Abkürzungen.................................................................. 69

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COVID-19: Strategien der Schulentwicklung in der Krise
                   Ergebnisse einer Schulleitungsbefragung in Österreich

Zusammenfassung

COVID-19: Strategien der Schulentwicklung in der Krise. Ergebnisse einer Schulleitungsbe-
fragung in Österreich
Im Kontext der COVID-19-Pandemie wurde in Österreich ab dem 16. März 2020 der Präsenzun-
terricht an allen Schulformen eingestellt. Das schulische Angebot sollte durch Distanzunterricht
fortgeführt werden. In der Folge waren Schulen und Schulverwaltung mit der Aufgabe konfrontiert,
Strategien für den Umgang mit dem Distanzunterricht zu entwickeln.
Das Gesamtprojekt: Krisenkulturen im Bildungssystem
Im Projekt „COVID-19 - Herausforderungen und Chancen für die Schulentwicklung“ sollen diese
Strategien analysiert werden. Dazu werden eine quantitative Online-Befragung von Schulleitun-
gen, eine Dokumentenanalyse der behördlichen Informationen an Schulen sowie Interviews mit
Schulleitungen, Mitgliedern der Schulverwaltung und anderen relevanten Akteuren durchgeführt.
Die Schulleitungsbefragung: Einzelschulische Ziele und Strategien im Distanzunterricht
Der vorliegende Bericht dokumentiert die Ergebnisse der Schulleitungsbefragung, in der die ein-
zelschulischen Ziele und Strategien sowie die Wahrnehmung des Distanzunterrichts in der eigenen
Schule im Vordergrund standen.
An der Online-Befragung, die im Juni und Juli 2020 durchgeführt wurde, haben sich 532 Schullei-
tungen von allgemeinbildenden und berufsbildenden öffentlichen Schulen aus allen österreichi-
schen Bundesländern beteiligt. Etwa die Hälfte der teilnehmenden Schulleitungen waren an einer
Volksschule tätig, ein weiteres knappes Drittel an einer Neuen Mittelschule. Die übrige Stichprobe
verteilt sich auf die weiteren Schulformen. Zwei Drittel der Schulleitungen leitete eine Schule im
nicht-städtischen Raum (Gemeinden mit maximal 10.000 Einwohner*innen).
Strategisches Vorgehen, aber kaum Nutzung systematischer Informationsquellen
Die Befunde verweisen darauf, dass das Ziel, schulische Standards auch im Distanzunterricht auf-
rechtzuerhalten, unter den Schulleitungen stark ausgeprägt war. Eine Reduktion der Anforderun-
gen als Reaktion auf die komplexeren Bedingungen wurde von der Mehrheit der Schulleitungen
abgelehnt.
Strategien für den Distanzunterricht wurden in der Mehrheit der Schulen schul- oder zumindest
fach- bzw. jahrgangsweit abgestimmt. Kooperationsstrukturen im Kollegium konnten in einem
Großteil der Schulen im Distanzunterricht aufrechterhalten werden. Die Vorbereitung der Lehr-
kräfte auf die Herausforderungen des Distanzunterrichts erfolgte vor allem über die Ausgabe von
Informationsmaterialien sowie individuell durch die Lehrkräfte selbst. Nur an einem kleinen Teil der
Schulen und mit Blick auf spezifische Bereiche gab es schulweite Fortbildungsangebote.
Um sich über das Vorgehen im Distanzunterricht und dessen Wirkungen zu informieren, nutzten
die Schulleitungen vor allem individuelle Kommunikationswege mit Lehrkräften und Eltern. Syste-
matischere Formen der Informationsbeschaffung (z. B. über Online-Befragungen) wurden nur an
wenigen Schulen verfolgt.
Nur ein geringer Anteil der Schulleitungen gab darüber hinaus an, für den Distanzunterricht zusätz-
liche Ressourcen von Schulaufsicht oder Schulerhalter bekommen zu haben; hierbei handelte es
sich vorwiegend um technische Ausstattung mit digitalen Endgeräten und Lernsoftware.
Wahrnehmung des Distanzunterrichts überwiegend positiv
Die teilnehmenden Schulleitungen nahmen die Thematisierung des Distanzunterrichts durch ihre
Lehrkräfte eher als positiv wahr. Vor allem inhaltliche und methodische Themen sowie die

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                   Ergebnisse einer Schulleitungsbefragung in Österreich

Interaktion mit Schüler*innen und Eltern im Distanzunterricht wurden aus der Sicht der Schulleitun-
gen in der Mehrheit der Schulen von den Lehrkräften eher positiv thematisiert. Lediglich die tech-
nische Ausstattung von Lehrkräften und Schüler*innen wurde durch die Lehrkräfte tendenziell ne-
gativer adressiert. Auch die Schulleitungen selbst berichteten vor allem infrastrukturelle Herausfor-
derungen des Distanzunterrichts; pädagogisch-didaktische Fragen sowie Kompetenzen und Ein-
stellungen von Lehrkräften und Schüler*innen mit Blick auf das Lehren und Lernen mit digitalen
Medien wurden als weniger herausfordernd wahrgenommen. Auch die Zusammenarbeit mit den
Eltern und Erziehungsberechtigten wurde im Schnitt positiv bewertet.
Schulleitungen gingen je nach Schulform unterschiedlich mit dem Distanzunterricht um
Strategien im Umgang mit dem Distanzunterricht wurden an Neuen Mittelschulen deutlich häufiger
schul-, fach- oder jahrgangsweit abgestimmt, als an den anderen Schulformen. Volksschulleitun-
gen nutzten signifikant seltener systematische Vorgehensweisen zur Informationsbeschaffung und
arbeiteten auch seltener mit Sozialpädagog*innen zusammen, als Schulleitungen der anderen
Schulformen. Die Größe der Schulen hatte hierauf keinen Einfluss; auch zwischen Klein- bzw.
Kleinstschulen und dem Rest der Stichprobe ergaben sich mit Blick auf die Strategien im Umgang
mit dem Distanzunterricht nur vereinzelte Unterschiede. Darüber hinaus war die Wahrnehmung
des Distanzunterrichts durch die Volksschulleitungen weniger positiv als durch die Leitungen an-
derer Schulformen: Sie schätzten die Thematisierung von Unterrichtsfragen durch ihre Lehrkräfte
signifikant weniger positiv ein und sahen auch signifikant höhere Herausforderungen beim Lehren
und Lernen mit digitalen Medien. Lediglich die Zusammenarbeit mit den Eltern wurde tendenziell
günstiger eingeschätzt, als an den anderen Schulformen.
Schulleitungen an sozialräumlich benachteiligten Standorten schätzten Distanzunterricht
weniger positiv ein
Schulleitungen an sozialräumlich benachteiligten Standorten verfolgten zwar ebenfalls das Ziel,
schulische Standards zu sichern; sie gaben aber auch in deutlich höherem Maße an, Anforderun-
gen mit Blick auf die Situation ihrer Schüler*innen abgesenkt zu haben. Sie berichteten zudem
seltener schul-, fach- oder jahrgangsweite Strategien im Kontakt mit Eltern und Erziehungsberech-
tigten und nutzten seltener deren Feedback, um sich über Maßnahmen und Wirkungen im Distan-
zunterricht zu informieren. Darüber hinaus schätzten sie die Thematisierung unterrichtsbezogener
Aspekte durch ihre Lehrkräfte weniger wohlwollend ein und hatten auch eine etwas weniger posi-
tive Sicht auf die Zusammenarbeit mit den Eltern und Erziehungsberechtigten. Weitere Analysen
zeigen, dass sowohl der Fokus auf das Absenken von Anforderungen, als auch die negativere
Wahrnehmung des Distanzunterrichts mit geringeren Erwartungen an die (schulische) Leistungs-
fähigkeit ihrer Schüler*innen korrelierten.

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                   Ergebnisse einer Schulleitungsbefragung in Österreich

Executive Summary

COVID-19: Strategies for School Improvement During the Crisis. Results of a Principal Sur-
vey in Austria
In the context of the COVID-19 pandemic, face-to-face instruction was discontinued in all types of
schools in Austria as of 16 March 2020, and instruction was continued through distance learning.
As a consequence, principals and administrators were confronted with the task of developing strat-
egies for dealing with distance learning.
The research project: Crisis cultures in the education system
These strategies are analyzed in the research project “COVID-19 – Challenges and opportunities
for school improvement”. The analysis comprises a quantitative online survey of principals, a doc-
ument analysis of official administrative documents, and interviews with principals, members of the
school administration, and other relevant actors.
The principal survey: Individual school goals and strategies in distance learning
This report illustrates the results of the principal survey, which focused on individual school goals
and strategies as well as the perception of distance learning by principals. The online survey was
conducted in June and July 2020. Altogether, 532 principals of public general and vocational
schools from all Austrian states participated. About half of the participating principals worked at a
primary school (Volksschule), about one third led lower track middle schools (Neue Mittelschule).
The rest was distributed among the other school types. Two thirds of the principals led a school in
a rural area (communities with less than 10,000 inhabitants).
Strategic approaches, but little use of systematic sources of information
The findings indicate that the principals strongly emphasized the goal of securing academic stand-
ards in distance learning, whereas a lowering of requirements in response to the more difficult
situation of students was rejected by the larger part of the sample.
Strategies for distance learning were coordinated school- or at least subject- or grade-wide, and
collaborative structures among teachers were maintained in the majority of schools during distance
learning. To prepare teachers for the challenges of distance learning, principals mainly distributed
information material; teachers moreover sought professional development individually. School-
wide professional development was only offered in a minority of the schools, and only in specific
areas.
To stay informed about the approaches taken by teachers and the effects of these approaches,
principals mainly used individual communication with teachers and parents. More systematic forms
of data collection (e. g. via online surveys) were only used in a few schools.
Moreover, only a minority of the principals stated that they had received additional resources for
distance learning from the school administration; these resources mainly were technical equipment
and learning software.
Perception of distance learning predominantly positive
The participating principals reported that their teachers addressed the distance learning in a mostly
positive way. In the majority of the schools, the teachers were confident about the content and
methodology of distance learning and the interaction with students and parents. Only the technical
equipment of teachers and students was addressed in a less positive way in some schools. The
principals themselves reported mainly infrastructural challenges; didactical questions as well as
competencies and attitudes of teachers and students were perceived as less challenging.

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                    Ergebnisse einer Schulleitungsbefragung in Österreich

Moreover, the principals confirmed a good collaboration between schools and parents in the con-
text of distance learning.
Principals dealt with distance learning in different ways depending on the school type
Comparisons between the school types showed that the strategies for dealing with distance learn-
ing were more often coordinated across the school, subject or grade in the lower track middle
schools than in the other school types. Primary school principals, on the other hand, were less
likely to use systematic forms of data collection, and also collaborated less frequently with social
workers than principals of the other school types. Furthermore, primary school principals had a less
positive view of distance learning than the principals of other school types: Their teachers were
less confident about issues of distance learning, and they also reported higher challenges with
digital media. Only the collaboration with the parents tended to be perceived as more positive at
primary schools than at the other school types.
Principals at schools serving disadvantaged communities perceived distance learning less
positively
Principals at schools serving disadvantaged communities emphasized the goal of securing aca-
demic standards, but also stated to a much greater extent that they had lowered requirements in
response to the situation of their students. They were less likely to have school-, subject-, or grade-
wide strategies for the communication with parents, and made less use of feedback from parents
to stay informed about distance learning. Furthermore, they reported that their teachers addressed
instructional aspects of distance learning in a less positive way, and also had a less positive view
of the collaboration with parents. Further analyses showed that both the focus on lowering require-
ments, and the negative perception of distance learning were correlated with lower expectations
towards the academic abilities of their own students.

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                   Ergebnisse einer Schulleitungsbefragung in Österreich

1     Einführung

Im Kontext von COVID-19 haben viele europäische Länder auf Distanzunterricht umgestellt, um
eine weitere Ausbreitung des COVID-19-Virus zu verhindern und die Lehrkräfte und Schüler*innen
zu schützen. Auch in Österreich wurde an allen Schulformen ab dem 16. März 2020 der Präsenz-
unterricht weitgehend eingestellt (BMBWF, 2020e); Ausnahmen sollten nur im Sinne der Notbe-
treuung für Schüler*innen erfolgen, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiteten.

1.1    Besondere Herausforderungen – besondere Chancen

In der Folge standen Lehrkräfte und Schulleitungen vor der besonderen Aufgabe, Lernangebote
über den Distanzunterricht aufrechtzuerhalten. Diese Situation stellte die Schulen einerseits vor
große Herausforderungen, in denen alternative Lehr-Lernarrangements zu gestalten, neue Formen
der kollegialen Kooperation zu entwickeln und zusätzliche Kompetenzen und Fertigkeiten auf Sei-
ten der Lehrkräfte zu erwerben waren. Damit bot die Situation den Schulen andererseits aber auch
die Möglichkeit, neue Konzepte zu entwickeln, die bestehenden Strategien zu prüfen und Entwick-
lungsbedarfe festzustellen.
Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang nicht nur dem Engagement und
Einsatz jeder einzelnen Lehrkraft, sondern auch dem Krisenmanagement im Kontext des Distan-
zunterrichts zu. Damit rücken verschiedene Akteure in den Vordergrund. Hierzu gehören selbst-
verständlich Schulleitungen, aber auch die Bildungsverwaltung in Form von Schulerhaltern, Bil-
dungsdirektionen und Bildungsministerium, denen einerseits die Aufgabe zukommt, Entscheidun-
gen für alle Schulen zu treffen, andererseits und insbesondere aber auch, die Schulen in ihrer
Arbeit so zu unterstützen und mit Ressourcen zu versorgen, dass diese in der Lage sind, die Her-
ausforderungen im Kontext des Distanzunterrichts produktiv zu meistern. Der Umgang der Schulen
mit den Herausforderungen ist somit letztlich auch ein Gradmesser für die Güte der Zusammenar-
beit zwischen Schulen und Schulverwaltung bzw. die Unterstützung der Schulen durch die ihnen
übergeordneten Ebenen.

1.2    Das Gesamtprojekt

Das Projekt „COVID-19 – Herausforderungen und Chancen für die Schulentwicklung“ wirft insofern
einen Blick auf das strategische Management von Schule und Schulentwicklung im Kontext der
COVID-19 Pandemie. Dabei wird der Fokus auf drei verschiedene Forschungsfragen gelegt. Der
vorliegende Bericht bezieht sich ausschließlich auf die erste Forschungsfrage.

       Teilprojekt 1: Wie sind die Schulleitungen bei der Gestaltung des Angebots für den
 ?     Distanzunterricht an ihrer Schule vorgegangen und wie wurde der Distanzunterricht
       von ihnen wahrgenommen?

Um einen Überblick in der Breite zu erhalten, wurde im ersten Teilprojekt eine standardisierte On-
line-Befragung konzipiert. Die Einladung zur Befragung wurde an alle Schulleitungen von allge-
meinbildenden und berufsbildenden Schulen in Österreich versandt. Insgesamt haben sich mehr
als 500 Schulleitungen an der Befragung beteiligt. Die Ergebnisse dieser Befragung stehen im
Fokus dieses Berichtes.

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                   Ergebnisse einer Schulleitungsbefragung in Österreich

 ?     Teilprojekt 2: Wie wurde die Arbeit der Schulen im Kontext der COVID-19-Pande-
       mie durch die Bildungsverwaltung koordiniert?

Um diese Frage zu beantworten, werden im zweiten Teilprojekt aktuell die Informationsschreiben
des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung mittels einer kategoriengeleite-
ten Dokumentenanalyse in den Blick genommen und inhaltsanalytisch ausgewertet.

       Teilprojekt 3: Wie wurde die Krise durch die unterschiedlichen Akteure im Bildungs-
 ?     system rekonstruiert und wie wurde auf sie geantwortet? Wie wurde die Zusammen-
       arbeit zwischen Schulen, Bildungsverwaltung und weiteren relevanten Akteuren
       des Bildungssystems von den beteiligten Akteuren wahrgenommen?

Zuletzt soll die Wahrnehmung der Zusammenarbeit anhand von leitfadengestützten Interviews mit
Führungspersonen der verschiedenen Ebenen des Schulsystems sowie weiteren relevanten Akt-
euren analysiert werden. Die Erhebungen sind für das Schuljahr 2021/22 geplant.

1.3   Teilprojekt 1: Die Schulleitungsbefragung

In diesem Bericht stehen die Ergebnisse der quantitativen Schulleitungsbefragung und damit die
einzelschulischen Ziele und Strategien im Distanzunterricht sowie die Wahrnehmung von Heraus-
forderungen und Chancen im Vordergrund.
In den nachfolgenden Kapiteln werden zunächst die Anforderungen an das Schulleitungshandeln
im Kontext von COVID-19 knapp theoretisch verortet und es werden verschiedene Bedingungs-
faktoren theoretisch gerahmt, die bei den Analysen herangezogen werden. Dazu gehören die ver-
schiedenen Schulformen sowie Unterschiede zwischen nicht-städtischen und städtischen Schul-
standorten; ein besonderer Blick wird außerdem auf die Situation an Schulen an sozialräumlich
benachteiligten Standorten geworfen. In Kapitel 3 werden die Stichprobe und Erhebungsinstru-
mente der Studie skizziert. Kapitel 4 enthält die Ergebnisse der Schulleitungs-Befragung. Der Be-
richt schließt mit einer Diskussion und einem Blick auf Implikationen und Empfehlungen.

   Die hier vorgestellte quantitative Erhebung ist Teil einer internationalen Ver-
   gleichsstudie in Österreich (alle Bundesländer), Deutschland (Nordrhein-
   Westfalen) und der Schweiz (Stadt Zürich), an der neben den Autorinnen des
   vorliegenden Berichts auch Prof. Dr. Kathrin Racherbäumer (Universität Sie-
   gen) und Prof. Dr. Nina Bremm (Pädagogische Hochschule Zürich) beteiligt
   sind. Die in diesem Bericht dargestellten Erhebungsinstrumente sind in die-
   sem Projektverbund entstanden.

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2     Ausgangslage

Am 16. März 2020 zwangen die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie das österreichische Bil-
dungsministerium zu einem drastischen Schritt: Obwohl es technisch gesehen keine Schulschlie-
ßung gab, wurde der Präsenzunterricht bis auf wenige Ausnahmen, die eine Notfallversorgung für
Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen sicherstellen sollten, eingestellt. Die Beschulung
sollte fortan über Distanzunterricht erfolgen.

2.1    Herausforderungen für das Schulmanagement im Kontext des Distanzun-
       terrichts

Die Schulen mussten vor diesem Hintergrund „über Nacht“ für eine gänzlich neue Situation und
unter erschwerten Bedingungen, die auch verschiedene lange bestehende Baustellen im Bildungs-
system offenlegten, neue Ansätze entwickeln. Längst nicht alle Schulen und Schüler*innen haben
ausreichenden Zugang zu WLAN und zur für den Distanzunterricht benötigten Hardware
(Brandhofer et al., 2019). Auch zeigen Erhebungen des BMB (2017), dass sich die infrastrukturelle
Ausstattung je nach Schulform stark unterscheidet. So sind Bundesschulen, allen voran berufsbil-
dende höhere Schulen, am besten ausgestattet, während Schulen in Gemeindeträgerschaft, ins-
besondere Volksschulen, geringere Werte angeben (vgl. Lassnigg et al., 2019, S. 107). Auch hin-
sichtlich des Engagements der Schulen im Bereich digitaler Konferenzen (gemessen an der Verga-
behäufigkeit des Gütesigels „Digitalisation Award“) zeigt sich, dass im Bereich der Pflichtschulen
die Auszeichnungsquote sehr gering (weniger als 1 % an VS und weniger als 3 % an NMS) und
an den Bundesschulen (AHS 8 % und 15 % bei den technischen BHS) deutlich höher ist (ebd.).
Neben den Unterschieden bei den Schulformen treten auch deutliche Diskrepanzen zwischen den
Bundesländern auf. Während Wien insgesamt höhere Werte, auch für die Pflichtschulen, erreicht,
zeigen Kärnten, Tirol und Vorarlberg geringe Werte auf (vgl. ebd.). Darüber hinaus verweisen Be-
funde aus der TALIS-Studie der OECD darauf, dass sich Lehrkräfte in Österreich weniger gut da-
rauf vorbereitet fühlen, Lernarrangements im Kontext digitaler Medien anzubieten, als Lehrkräfte
aus anderen Ländern (OECD, 2020).
Doch nicht nur der Umgang mit digitalen Medien stellte im Kontext des Distanzunterrichts eine
besondere Herausforderung dar. Schulen waren außerdem in bedeutend höherem Maße als im
Präsenzunterricht dahingehend gefordert, klare, explizite und gut strukturierte Erwartungen an
Lehrkräfte, Schüler*innen und deren Eltern zu formulieren, schüler*innenzentrierte Lernangebote
zu gestalten, das emotionale Wohlbefinden der Schüler*innen und Lehrkräfte im Blick zu behalten
und darauf hinzuwirken, dass Bildungsdisparitäten durch den Distanzunterricht nicht vergrößert
werden (Morgan, 2020).
Die Schulen befanden sich insofern im Frühjahr 2020 in einer Krise, als deren hauptsächliche Ur-
sachen die insgesamt ungewohnte Situation, eine teilweise unzureichende Ressourcenausstat-
tung, geringe Erfahrungen und der emotionale Stress der Pandemie bzw. die damit verbundenen
zeitweise geltenden Kontaktsperren ausgemacht werden können. Hinzu kam, dass es für die Schu-
len keine Planungszeit gab, sondern die Strategien entwickelt werden mussten, während sie be-
reits eingesetzt wurden. Das englische Sprichwort „Building the plane while flying it“ traf hier also
im wahrsten Sinne des Wortes zu. Verstärkt wurde dies durch eine anhaltende Welle neuer Aus-
sendungen (gesetzliche Vorgaben, Erlässe und Empfehlungen) seitens des Bundesministeriums
für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) sowie der Bildungsdirektionen in den Bundes-
ländern.

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2.1.1    Die Rolle von Krisenmanagement
Im Kontext der COVID-19-Pandemie war insofern eine schnelle und umfassende operative Neu-
ausrichtung der einzelnen Schulen sowie des gesamten Schulsystems notwendig. Damit hatte die
Umstellung auf Distanzunterricht nicht nur Auswirkungen auf die Arbeit der einzelnen Lehrkräfte
bzw. die Situation der Schüler*innen und ihrer Familien, sondern war insbesondere auch eine Her-
ausforderung für die Führungsakteure im Schulsystem, denen in dieser Situation eine besondere
Bedeutung zukam:
        Jede Krise erfordert zu ihrer Bewältigung eine Managementperspektive, also die bewusste
        Gestaltung, Führung und Steuerung einer Organisation […], um die Krisensituation mög-
        lichst schnell, vollständig und für die Zukunft nachhaltig zu überwinden. Krise ohne Ma-
        nagement ist also nur schwer vorstellbar. (Töpfer, 2014; S. 241; Hervorhebung im Original)
Töpfer (2014) verweist dabei insbesondere auf die Bedeutung der oberen Management-Ebenen,
deren systematisches Vorgehen für die erfolgreiche Bewältigung von Krisensituationen unverzicht-
bar sei. Ihre Aufgabe bestehe erstens im Sinne eines operativen Managements darin, schnell auf
die Krise zu reagieren, Kommunikationsstrukturen aufrecht zu erhalten und Arbeitsstrukturen und
-prozesse so umzugestalten, dass ein Stillstand umgangen werden kann und die Organisation wei-
ter in der Lage bleibt, ihre Ziele zu verfolgen. Sie muss zweitens im Sinne des strategischen Ma-
nagements analysieren, welche Schritte notwendig sind, um die Organisation in der Zukunft besser
auf vergleichbare Krisen vorzubereiten (ebd.; Sandhu, 2013; Schreyögg & Ostermann, 2014).
Sandhu (2013) hebt im Zusammenhang mit organisationalem Krisenmanagement weiter hervor,
dass Krisen „kulturell-geprägte Konstruktionen“ sind und diese vor allem dann entstehen, wenn
unterschiedliche institutionelle Logiken in Konflikt stehen. Institutionelle Logiken definieren kultu-
relle Rahmenbedingungen, die u. a. festlegen, wie Organisationen sich in bestimmten Situationen
verhalten (ebd., S. 109). Organisationale Orientierungen manifestieren sich vor allem in Sensema-
king- (Weick, 1995) bzw. Framingprozessen (Weber & Glynn, 2006). Unter Sensemaking werden
Prozesse verstanden, bei denen neue Handlungsweisen so in bestehende Routinen und Abläufe
eingepflegt werden, dass sie für die Akteure sinnvoll erscheinen. Dies gelingt meist durch den
Einsatz kontextualisierter Handlungsrahmen („frames“), die den Akteuren helfen, die neuen Situa-
tionen einzuschätzen. Dabei greifen die Akteure häufig auf bewährte Antwortmuster zurück und
interpretieren (Krisen-)Situationen entlang ihrer eigenen Erfahrungswelt (Sandhu, 2013). Sandhu
betont außerdem, dass Akteure erst dann Bewältigungsstrategien einsetzen können, wenn Krisen
als eben solche wahrgenommen bzw. geframt wurden.
Schulen agieren im Wechselspiel mit ihren institutionellen Umwelten. Die Frage, nach welchen
institutionellen Logiken sie auf Krisen reagieren, hängt daher damit zusammen, wie sie selbst die
Krisen für sich framen bzw. wie die Krisen von außen geframt werden und welche Erwartungshal-
tungen daher an Schulen bzw. Schulleitungen in Bezug auf Krisenmanagement gestellt werden
Daraus lässt sich ableiten, dass im Bildungsbereich unterschiedliche Akteure angesprochen wer-
den. Krisenmanagement muss zum einen durch die Schulleitungen als oberes Management der
einzelnen Schulen erfolgen (BMBWF, 2019a). Im operativen Sinne müssen Schulleitungen durch
die Schaffung von Strukturen und Prozessen die eigene Schule „arbeitsfähig“ halten und im stra-
tegischen Sinne für die eigene Schule prüfen, welche Charakteristika gegebenenfalls die Reaktion
auf die Krise erschwert haben könnten und für die Zukunft zu entwickeln sind – im aktuellen Fall
also beispielsweise, ob Unterstützungs- und Kooperationsstrukturen sinnvoll ausgestaltet sind, ob
Lehrkräfte in bestimmten Bereichen Fortbildungsbedarfe haben, usw.
Zum anderen spielen auch die Bildungsadministration sowie Schulerhalter eine entscheidende
Rolle.

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COVID-19: Strategien der Schulentwicklung in der Krise
                         Ergebnisse einer Schulleitungsbefragung in Österreich

2.1.2     Die Rolle von Schulaufsicht und Schulerhaltern
Schulleitungen haben nur eine eingeschränkte Eigenverantwortung für ihre Schule und verfügen
nicht über ausreichende Ressourcen, um die zuvor beschriebenen Aufgaben alleine zu bewältigen.
Vor diesem Hintergrund ist das Management durch die verschiedenen Ebenen der Bildungsver-
waltung – gemeint sind damit in Österreich einerseits die verschiedenen Ebenen der Schulaufsicht
(Bildungsdirektionen, Bildungsministerium), andererseits aber auch die Schulerhalter1 – ebenfalls
von zentraler Bedeutung. Die Bildungsdirektionen müssen die einzelnen Schulen bzw. Schullei-
tungen im Prozess unterstützen und beraten; das Bildungsministerium muss klare und nachvoll-
ziehbare Entscheidungen treffen und diese an die Schulen kommunizieren, um den Umgang mit
der Krise zu erleichtern; die Schulerhalter müssen an den Schulstandorten entsprechende infra-
strukturelle Bedingungen schaffen, die Entwicklungsprozesse begünstigen.
Zusammengefasst ist es in einem auf erhöhte Eigenverantwortlichkeit der Schulen setzenden Sys-
tem zentral, dass die Schulverwaltung als „Senior Management“ im Rahmen ihrer Möglichkeiten
die einzelnen Schulen bzw. deren Schulleitungen durch klare Richtlinien und die eindeutige Be-
nennung schulischer Gestaltungsspielräume, durch inhaltliche Unterstützung und durch materielle
Ressourcen dazu befähigt, die oben benannten Schritte des Krisenmanagements in der eigenen
Schule anzugehen.
Verschiedene Publikationen aus den letzten Jahren verweisen darauf, dass diese Zusammenarbeit
zwischen Schulen und Schulverwaltung im deutschsprachigen Raum an vielen Stellen noch unzu-
reichend entwickelt und gerade die Unterstützung von Schulen im eigenverantwortlichen Umgang
mit der Entwicklung der eigenen Schule vielerorts eher fragmentiert ist (vgl. im Überblick Klein &
Bremm, 2020). Vereinzelte Berichte von Schulleitungen lassen vermuten, dass dieser Entwick-
lungsbedarf im Schulsystem – wie auch andere Entwicklungsbedarfe bspw. mit Blick auf die Digi-
talisierung – durch die COVID-19-Krise besonders zum Vorschein tritt (z. B. Riss, 2020). Ob es
sich dabei um Einzelmeinungen handelt oder damit eine systemische Herausforderung angespro-
chen ist und wie sich die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Schulverwaltung im Kontext von
COVID-19 insgesamt gestaltet, ist allerdings noch nicht systematisch untersucht worden.
Im deutschen Sprachraum stehen in Publikationen, die im Kontext der COVID-19 Pandemie mit
Blick auf schulisches Arbeiten erschienen sind, bislang vor allem die Schüler*innen und deren Fa-
milien, das Unterrichten bzw. der Umgang mit digitalen Medien sowie die Lehrkräfte im Vorder-
grund (z. B. Fickermann & Edelstein, 2020; Schober et al., 2020a); die Meso- und Makro-Dimen-
sion von Schule im Kontext der Krise wurde bisher höchstens mit Blick auf Reformpotenziale, nicht
aber hinsichtlich des Krisenmanagements, beleuchtet (Hoffmann, 2020; Sliwka & Klopsch, 2020).
Inwiefern Schulen als Organisationen strategisch auf die Herausforderungen reagiert haben und
von der Schulverwaltung hierbei begleitet wurden, wird in der deutschsprachigen Bildungsfor-
schung bislang kaum problematisiert.

2.1.3     Kapazitäten von Schulen im Kontext der Krise
Wenngleich es durchaus Mittel gibt, mit denen die Bildungsverwaltung Einfluss auf die Schulent-
wicklung nehmen kann, ist dieser Einfluss jedenfalls nicht allumfassend. Schulentwicklung kann
von außen zwar angeregt und unterstützt werden, der entscheidende Faktor ist und bleibt aber,
was die Schule selbst aus den Impulsen macht, die sie von außen erhält. Dieser Frage nähert sich
der Ansatz der Kapazitäten organisationalen Lernens (Feldhoff, 2011; Marks et al., 2000; Maag
Merki, 2017). Im Zentrum des Ansatzes steht die Frage, wie viele und welche Kapazitäten Schulen

1
    Hinweis für Leser*innen außerhalb Österreichs: Der Schulerhalter entspricht in Rolle und Verantwortlichkeit dem Schulträger.
    Schulerhalter für allgemein bildende Pflichtschulen sind die Gemeinden, für berufsbildende Pflichtschulen die Länder, und für
    allgemein bildende höhere Schulen und berufsbildende mittlere und höhere Schulen der Bund (BMBWF, 2019b)

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COVID-19: Strategien der Schulentwicklung in der Krise
                   Ergebnisse einer Schulleitungsbefragung in Österreich

für die Entwicklung haben bzw. welche Kapazitäten Schulen benötigen, damit Lernprozesse wie
im Kontext einer Krisenbewältigung produktiv verlaufen und zur Verbesserung der Schule beitra-
gen können, anstatt zu einem Stillstand zu führen. Dem Ansatz zufolge lassen sich sieben Bereiche
beschreiben, in denen Schulen Kapazitäten benötigen, um lernen zu können (vgl. Feldhoff, 2011;
vertiefend auch Klein, 2019). Eine dieser Kapazitäten ist das oben bereits angesprochene Ma-
nagement bzw. Führung. Daneben beschreibt der Ansatz sechs weitere Kapazitäten, über die ler-
nende Schulen verfügen.
Die Kapazitäten lassen sich auch auf das Krisenmanagement beziehen; mit dem Ansatz können
insofern Kapazitäten beschrieben werden, die Schulen benötigen, um in Krisen arbeitsfähig zu
bleiben bzw. die Krise zur nachhaltigen Stärkung der eigenen Arbeitsstrukturen und -prozesse zu
nutzen. Nachfolgend werden vor diesem Hintergrund die einzelnen Kapazitäten beschrieben und
auf den Kontext der COVID-19-Krise sowie – damit verbunden – den Distanzunterricht bezogen.
   (1) ORGANISATIONSSTRUKTUR: Die Organisationsstruktur umfasst zeitliche, räumliche und
       personelle Strukturen der Schule. Diese müssen so gestaltet sein, dass ein gemeinsames,
       aufeinander abgestimmtes Arbeiten und Lernen möglich ist und Lehrkräfte die schulischen
       Ziele verfolgen können (Feldhoff, 2011). Im Kontext der Umstellung auf Distanzunterricht
       sind die Strukturen von Schule an vielen Stellen aufgelöst worden; an ihre Stelle sollten
       neue Formen treten, über die das gemeinsame Arbeiten systematisch schul- oder zumin-
       dest fach- bzw. jahrgangsweit strukturiert wird.
   (2) GEMEINSAME WERTE UND ZIELE, KOOPERATION: Die zweite Kapazität beschreibt die
       Bedeutung gemeinsamer Ziele und Wertvorstellungen des Kollegiums und einer darauf
       aufbauenden schulweiten Kooperation (Feldhoff, 2011). Diese Dimension ist im Kontext
       des Distanzunterrichts insofern relevant, als die gemeinsamen Werte und Ziele der Schule
       die schulischen Orientierungen im Distanzunterricht und die Gestaltung entsprechender
       Angebote beeinflussen. Zudem ist Kooperation ein zentraler Baustein für die Bewältigung
       der Herausforderungen, die der Distanzunterricht mit sich bringt.
   (3) WISSEN UND FERTIGKEITEN: Ebenfalls relevant für sich entwickelnde Schulen ist, dass
       man sich des Wissens und der Fertigkeiten des pädagogischen Personals bewusst ist,
       diese systematisch nutzt und dort mit einer guten Fortbildungsplanung neues Wissen
       schafft, wo es fehlt (Feldhoff, 2011). Dabei sollte die Professionalisierung im Sinne profes-
       sionellen Lernens bedarfsgerecht und kollaborativ entlang der eigenen Unterrichtserfah-
       rung der Lehrenden gestaltet werden (Bolam et al., 2005; Mitchell & Sackney, 2006). Im
       Kontext des Distanzunterrichts kommt auch dieser Dimension eine zentrale Bedeutung zu,
       denn in dieser Phase sind Schulen noch stärker als sonst gefordert, das Wissen der Lehr-
       kräfte in denjenigen Bereichen, die im Distanzunterricht besonders zum Tragen kommen,
       zu erweitern.
   (4) QUALITÄTSSICHERUNG UND ZIELÜBERPRÜFUNG: Eine weitere Kapazität des organi-
       sationalen Lernens ist, dass Schulen regelmäßig Daten aus verschiedenen Informations-
       quellen nutzen, um zu prüfen, ob das, was sie tun, zielführend ist (Feldhoff, 2011). Auch
       diesem Bereich kommt im Kontext des Distanzunterrichts, in dem sich die Mitglieder der
       Schule nur noch sporadisch austauschen und Prüfungen ausgesetzt sind, eine zentrale
       Bedeutung zu.
   (5) PARTIZIPATION DER LEHRKRÄFTE: Zentral für die Akzeptanz von Zielen und Maßnah-
       men und insofern dafür, ob Lehrkräfte bereit sind, sich im Rahmen organisationaler Lern-
       prozesse zu engagieren ist, dass Entscheidungen in der Schule gemeinsam getroffen wer-
       den und alle Lehrkräfte an diesen Entscheidungen partizipieren können (Feldhoff, 2011).

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          Im Kontext des Distanzunterrichts schließt dies ein, dass die Lehrkräfte grundsätzlich bereit
          sind, Veränderungen mitzutragen und diese auch positiv wahrnehmen.
      (6) AUSTAUSCH MIT DER SCHULISCHEN UMWELT: Eine weitere Kapazität ist der Austausch
          mit der schulischen Umwelt; hierzu gehören beispielsweise die Eltern bzw. Erziehungsbe-
          rechtigten (Feldhoff, 2011). Auch diese Kapazität hat im Kontext des Distanzunterrichts
          eine zentrale Bedeutung, da die Eltern in das Konzept des Distanzunterrichts eingebunden
          werden und Lehrkräfte insofern in höherem Maße in die Zusammenarbeit mit Eltern inves-
          tieren müssen.

2.2     Bedingungsfaktoren

Wie einzelne Schulen auf die COVID-19-Krise bzw. auf die damit verbundenen Herausforderungen
für das schulische Arbeiten geantwortet haben, ist darüber hinaus von verschiedenen inner- und
außerschulischen Rahmenbedingungen abhängig. Diese sind wiederum häufig durch Schulform-
und Standortspezifika beeinflusst.

2.2.1     Schulformen und Qualifizierungen der unterrichtenden Lehrpersonen
Wie Schulen mit Schulentwicklung umgehen, ist – so zeigt sich immer wieder auch empirisch –
entscheidend geprägt durch Merkmale der Schulform (z. B. Demski et al., 2016; Richter & Pant,
2016). Dabei spielen einerseits unterschiedliche schulformspezifische Aufgaben eine Rolle, welche
den Blick auf sich selbst und die Innovationsbereitschaft der schulischen Akteure prägen (Helsper,
2008). Gerade im Kontext des Distanzunterrichts dürften außerdem das Alter der Schüler*innen
an den verschiedenen Formen und damit auch deren Fähigkeit zum selbstständigen Lernen bzw.
ihre Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien eine bedeutende Rolle dafür gespielt haben,
wie einzelne Schulformen auf die COVID-19-Krise reagiert haben. Andererseits haben die ver-
schiedenen Schulformen auch unterschiedliche strukturelle Voraussetzungen für den Umgang mit
neuen Herausforderungen, die nachfolgend ausgeführt werden.
Das österreichische Bildungssystem untergliedert sich in verschiedene Schulformen. Die Schul-
pflicht beginnt in Österreich mit dem sechsten Lebensjahr und dauert neun Schuljahre. Seit 2017
gilt für Jugendliche in Österreich zudem eine Ausbildungspflicht bis zur Vollendung des 18. Le-
bensjahres. Die Verantwortung, ob entsprechenden Ausbildungsmaßnahmen nachgegangen wird,
liegt allerdings bei den Eltern (Linde et al., 2018).
DIE VOLKSSCHULE (VS): Die Volksschule ist eine eigenständige Schulform. Sie untergliedert sich
in Grundstufe I (umfasst Vorschulklasse, 1. und 2. Schulstufe) und Grundstufe II (umfasst 3. und
4. Schulstufe). Weniger als 1 Prozent der Volksschulen werden in Österreich als verschränkte
Ganztagesschulen geführt (vgl. Wohlhart et al., 2016). Außer dem Religionsunterricht und Werken
werden in der Regel alle Unterrichtsgegenstände von einer Lehrperson unterrichtet, die die Klasse
über mehrere Jahre begleitet. Abhängig von der Schüler*innenanzahl unterrichten die Schullei-
ter*innen an Volksschulen vielfach selbst. Falls nicht anders von Seiten des Schulerhalters einge-
richtet, verfügen die Schulleiter*innen über keine zusätzlichen administrativen Unterstützungs-
kräfte. Die Qualitätsentwicklung erfolgt an Volksschulen mittels des Instruments „Schulqualität All-
gemein“ (SQA; vgl. Altrichter et al., 2012a). Am Ende der vierjährigen Volksschule können Schü-
ler*innen entweder eine Neue Mittelschule oder eine allgemeinbildende höhere Schule (Gymna-
sium) besuchen.
(NEUE) MITTELSCHULE (NMS): Die Neue Mittelschule zählt zu den allgemeinbildenden Pflicht-
schulen (APS) und ist eine Schulform für 10- bis 14-Jährige. Ab dem Jahr 2012 wurden alle ehe-
maligen Hauptschulstandorte in einem mehrjährigen, bundesweit begleiteten und auf mehrere

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Generationen aufgeteilten Prozess in Neue Mittelschulen überführt. Neben der Auflösung eines
dreigliedrigen Leistungsgruppensystems wurden im Zuge der Mittelschulreform weitere Maßnah-
men gesetzt, um binnendifferenzierende Förderung zu forcieren. Unter anderem wurden neue Ko-
operationsstrukturen und Arbeitsweisen wie etwa Team-Teaching-Modelle (vgl. Krammer et al.,
2018; Petrovic & Svecnik, 2015) eingeführt sowie neue Verantwortungsrollen auf Ebene eines mitt-
leren Managements (z. B. Lerndesigner*innen etc.; vgl. Knapp et al., 2020) geschaffen. Des Wei-
teren wurden sogenannte Kind-Eltern-Lehrer-Gespräche konzipiert, um einen regelmäßigen Aus-
tausch über die Stärken der Lernenden mit den Erziehungspartnern zu institutionalisieren (vgl.
Häbig, 2018). Die Qualitätsentwicklung dieses Schultyps erfolgt ebenfalls mittels SQA. Die Logik
der Neuen Mittelschulreform glich einer Middle-top-down-Struktur, bei der die strategische Umset-
zungsverantwortung bewusst lokal den Schulleiter*innen und ihren Kollegien übertragen wurde.
Damit sollte gewährleistet werden, dass
      […] die länderspezifischen Ausformungen der NMS den Kernideen entsprechen und län-
      derübergreifend eine weitgehende Einheitlichkeit gegeben ist. Innerhalb der Rahmenvor-
      gaben sollte den Schulstandorten Platz für eigene Entwicklungen und Ausformungen ein-
      geräumt werden, wodurch auch ihnen eine wesentliche Rolle in der Umsetzung der NMS
      zukam. (Petrovic & Svecnik, 2015, S. 13)
Je nach Schulgröße sind die Schulleitenden vom Unterricht freigestellt. Ob die Schule über eine
administrative Unterstützungskraft verfügt, ist auch bei dieser Schulform davon abhängig, ob der
Schulerhalter eine solche finanziert. In der Regel ist dies nicht der Fall.
Wie auch die Volksschulen werden die Neuen Mittelschulen von Gemeinden bzw. Gemeindever-
bänden erhalten oder sind in privater Trägerschaft (BMBWF, 2019b). Ausnahmen bilden nur jene
Neue Mittelschulen, die als sogenannte Praxisschulen an Pädagogische Hochschulen angeschlos-
sen sind und als Bundesschulen geführt werden.
SONDERSCHULEN (SO): Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) können in
Österreich entweder in integrativer Form in einer Regelschule oder in einer Sonderschule unter-
richtet werden. Sonderschulen zählen zu den APS. Die Sonderschule umfasst zehn Sparten mit
jeweils neun Schulstufen, wobei die letzte Schulstufe als Berufsvorbereitungsjahr dient. Mit Zu-
stimmung der Schulbehörde und mit Einwilligung des Schulerhalters ist der Sonderschulbesuch
maximal zwölf Schuljahre lang möglich (BMBWF, 2019b). Die adäquate sonderpädagogische För-
derung der Schüler*innen erfolgt durch die Anwendung spezifischer Lehrpläne. Sowohl an Son-
derschulen als auch im integrativen Unterricht sind sonder- bzw. inklusionspädagogisch ausgebil-
dete Lehrkräfte tätig (ebd.).
POLYTECHNISCHE SCHULEN (PTS): Auch die PTS zählt zu den APS. Sie wird in der Regel von
jenen Schüler*innen zwischen 14 und 15 Jahren besucht, die nach ihrer Schulpflicht eine Lehre
beginnen möchten. Die PTS umfasst die 9. Schulstufe und wird ebenfalls von Gemeinden bzw.
Gemeindeverbänden erhalten. Diese Schulform ist entweder als selbstständige Schule oder in or-
ganisatorischem Zusammenhang mit einer anderen allgemeinbildenden Pflichtschule organisiert.
Polytechnische Schulen haben die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben im österreichischen Bildungssys-
tem (vgl. Lassnigg et al., 2019). Die Angebote der PTS-Standorte unterscheiden sich zwischen
technischen (z. B. Elektro, Bau, Holz) und wirtschaftlichen/sozialen/kommunikativen Fachberei-
chen (z. B. Tourismus, Dienstleistungen, Handel und Büro). Merkmale, die die PTS besonders
auszeichnen, sind ihre engen Kooperationen mit Wirtschaftsbetrieben sowie eine praxisnahe Be-
rufsorientierung. Da PTS vielfach Kleinschulen sind, unterrichten Lehrpersonen mehr als an ande-
ren Schulformen auch fachfremd.
ALLGEMEINBILDENDE HÖHERE SCHULEN (AHS): Die allgemeinbildenden höheren Schulen las-
sen sich in eine Langform und eine Oberstufenform unterteilen. Beide Formen sind, sofern nicht in

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privater Trägerschaft, Bundesschulen (BMBWF, 2019b). Die AHS-Langform (Gymnasium) besteht
aus der Unterstufe (5.-8. Schulstufe) und der Oberstufe (9.-12. Schulstufe). Sie bildet somit neben
den Neuen Mittelschulen eine der zwei Schulformen, die nach der Volksschule besucht werden
können. Die selektive Auswahl der Schüler*innen erfolgt meist entlang der Schulnoten, die die
Schüler*innen in der vierten und z. T. auch schon im 2. Halbjahr der dritten Schulstufe (Volks-
schule) vorweisen konnten. AHS-Oberstufengymnasien beginnen mit der 9. Schulstufe und enden
in der Regel mit der 12. Schulstufe, wobei es allerdings einzelne Ausnahmen gibt (ebd.).
In den vergangenen Jahren wurden an den AHS vor allem Reformen der Oberstufe implementiert.
Als größtes Reformvorhaben kann die Einführung der zentralisierten Reifeprüfung gesehen wer-
den.2 Diese wurde erstmals im Schuljahr 2014/15 flächendeckend durchgeführt. Durch die verän-
derten Testformate stieg der Kooperationsbedarf in den Fachteams an (vgl. Mayrhofer &
Schallenberg, 2012; Singer, 2016).
Schulleiter*innen der AHS verfügen über unterschiedliche administrative Unterstützungskräfte: Ad-
ministrator*in, Sekretariatskräfte und z. T. Rechnungsführer*innen. Verglichen mit Volksschulen
und Neuen Mittelschulen verfügen AHS allerdings über weniger pädagogisches Unterstützungs-
personal (vgl. Lassnigg et al., 2019, S. 102). Darüber hinaus werden verschiedene schulische Ver-
antwortungsbereiche einzelnen Lehrpersonen übertragen, die hierfür z. T. zusätzliche Vergütun-
gen (Mehrdienstleistungen) erhalten. Auch die Schulform AHS arbeitet mit dem Qualitätsentwick-
lungsinstrument SQA.
BERUFSBILDENDE PFLICHTSCHULEN ODER BERUFSSCHULEN (BPS): Berufsbildende Pflicht-
schulen oder Berufsschulen sind jene Schulen, an denen Lernende, die eine Lehre machen, einen
berufsbegleitenden fachlich einschlägigen Unterricht erhalten. Die Dauer der Schulzeit beläuft sich
auf die Dauer des Lehrverhältnisses. Dieser Zeitraum kann zwischen zwei und vier Jahren variie-
ren. Diese Schulform folgt unterschiedlichen Organisationsformen je nach Branche bzw. entspre-
chend den Vereinbarungen zwischen Wirtschaft und Schulverantwortlichen. Die Organisationsfor-
men sind:
       •    Ganzjährig (mindestens ein voller Schultag oder zwei Halbtage pro Woche)
       •    Lehrgangsmäßig (mindestens 8-wöchige Blockveranstaltungen)
       •    Saisonmäßig (in bestimmten Jahreszeiten geblockt)

An den Berufsschulen unterrichten Lehrpersonen mit unterschiedlichen Qualifizierungen. Für die
fachtheoretischen Unterrichtsgegenstände sind eine universitäre Ausbildung sowie eine mehrjäh-
rige einschlägige Berufspraxis in der Wirtschaft erforderlich, für die fachpraktischen Unterrichtsge-
genstände werden eine einschlägige Berufsausbildung sowie ebenfalls mehrjährige Berufspraxis
vorausgesetzt. Lehrer*innen an Berufsschulen erwerben ihre Lehramtsprüfung (Masterniveau) an
einer PH.
BERUFSBILDENDE MITTLERE (BMS) UND HÖHERE SCHULEN (BHS): Bei diesen Schulformen
handelt es sich um drei-, vier- oder fünfjährige Vollzeitschulen, welche die 9. bis 11. (dreijährige
BMS), 9. bis 12. (vierjährige BMS) oder 9. bis 13. Schulstufe (BHS) umfassen. Sowohl die BMS
als auch die BHS haben die Aufgabe, den Schüler*innen eine berufliche Vorbildung zu vermitteln.
BMS bzw. BHS haben daher je nach Standort unterschiedliche Schwerpunkte mit divergierender
Dauer, z. B. technisch/gewerbliche und kunstgewerbliche Fachschulen, Handelsschulen und Han-
delsakademien oder Fachschulen für wirtschaftliche Berufe.
In der Regel sind die BMS an BHS angeschlossen. Lehrpersonen unterrichten in dieser Konstella-
tion häufig in beiden Schulformen (BMS und BHS). Sowohl an BMS als auch an BHS sind die

2
    vgl. https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulpraxis/zentralmatura.html (zuletzt zugegriffen am 27.08.2020)

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schulischen Organisationsstrukturen differenzierter und die einzelnen Fächer nicht nur in Fach-
gruppen, sondern in Anlehnung an Wirtschaftsbetriebe in Abteilungen bzw. Arbeitsgemeinschaften
unterteilt. Diese werden wiederum von Abteilungsvorständen (insbesondere in den berufsspezifi-
schen Gegenständen) oder von ARGE-Leitenden (klassische Fächer wie Deutsch, Mathematik,
Englisch) koordiniert. Auch an diesen, meist großen, Schulstandorten verfügen die Schulleiter*in-
nen über administratives Unterstützungspersonal (Administrator*in, Sekretariatskräfte, Rech-
nungsführer*in). Wie auch die Polytechnischen Schulen zeichnen sich die BMS und BHS durch
eine besonders enge Kooperation mit außerschulischen, meist aus der Wirtschaft kommenden Bil-
dungspartnern aus. Auch an der BHS wurde die standardisierte Reifeprüfung eingeführt, welche
sich lediglich im Fach Mathematik von den Prüfungen an der AHS unterscheidet. Neben dieser
Reformimplementation gibt es auch an BHS die Bestrebung, die Neue Oberstufenreform einzufüh-
ren. Das Qualitätsentwicklungsinstrument an den BMS und BHS ist QIBB (Qualität in Berufsbilden-
den Schulen), welches in seiner Struktur dem in den allgemein bildenden Schulen genutzten SQA
ähnelt.3

2.2.2     Städtischer und nicht städtischer Standort
Zahlreiche Studien der Schulentwicklungsforschung verweisen darauf, dass neben der Schulform
auch die örtliche Lage an einem städtischen oder nicht-städtischen Standort mit spezifischen Rah-
menbedingungen für die Schulentwicklung einhergeht (z. B. Ainscow & West, 2006).
In Österreich leben mehr Menschen in nicht-städtischen Gebieten als in städtischen.4 Mehr als die
Hälfte der österreichischen Schulen befindet sich ebenfalls in nicht-städtischen Gemeinden. Auch
in Bezug auf die Schulform spielt die regionale Verortung eine Rolle: Während Volksschulen zu 76
Prozent in nicht-städtischen Gemeinden lokalisiert sind, haben 74 Prozent der AHS ihren Standort
in Gemeinden, die mehr als 10.000 Einwohner*innen haben (Stand 2012/2013, Statistik Austria &
Österreichischer Städtebund, 2014). Zwar treten weiterführende Schulen wie Neue Mittelschulen
ebenfalls vermehrt in Gemeinden auf, die weniger als 10.000 Einwohner*innen haben (67 %, ebd.),
dennoch werden sie vielfach von Gemeindeverbänden unterhalten. Dabei schließen sich mehrere
Gemeinden zusammen und verantworten im Kollektiv die Funktionen der Schulerhalterschaft.
AHS, BMS und BHS sind Bundesschulen (BMBWF, 2019b), welche sich häufig in größeren Ge-
meinden finden und entsprechend größere Einzugsgebiete haben.
Während die Frage des Standortes selbst nicht mit unterschiedlichen Organisationsstrukturen ver-
bunden ist, dürften sich durch die divergierenden Standortfaktoren wiederum spezifische Bedin-
gungen für die Schulentwicklung ergeben, z. B. mit Blick auf die Kollegiumsgröße und die Akquise
von außerschulischen Kooperationspartnern, aber auch hinsichtlich der Nähe bzw. Distanz zu den
Eltern bzw. Erziehungsberechtigten der Schüler*innen.
SCHULSPRENGEL: Zudem wird in Österreich der Besuch der Pflichtschulen vielfach über Spren-
gelregelungen koordiniert. Dabei sind bestimmte (allenfalls Gebietsteile von) Gemeinden einem
Schulstandort zugeordnet. In größeren Städten wie etwa Innsbruck oder Linz wurden diese Spren-
gelregelungen allerdings aufgehoben (vgl. Altrichter et al., 2011a). Neue Mittelschulstandorte ha-
ben auch die Möglichkeit, über standortbezogene Schwerpunkte Schüler*innen aus anderen
Schulsprengeln aufzunehmen (vgl. Altrichter et al., 2011b). Sprengelregelungen können eine Aus-
wirkung auf die sozialen Zusammensetzungen der Klassen haben und somit Schulstandorte zu
sozialräumlich benachteiligten Standorten werden lassen (vgl. Weber et al., 2019; siehe auch

3
    vgl. https://qibb.at/home (Zugriff zuletzt am 27.08.2020)
4
    Als städtisch lassen sich laut Statistik Austria und Österreichischer Städtebund (2014) Gemeinden mit mehr als 10.000 Ein-
    wohner*innen definieren. Den geringsten Anteil hat das Burgenland mit nur einer Stadt (Eisenstadt). Wien nimmt als einzige
    Stadt mit mehr als einer Millionen Einwohner*innen eine Sonderstellung ein. Abgesehen von Wien leben in Vorarlberg, ge-
    messen an der Wohnbevölkerung des Bundeslandes, mit rund 52 % die meisten Menschen in urbanen Bereichen.

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