Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2019 - April 2020 ...

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Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2019 - April 2020 ...
Tätigkeitsbericht des Beauftragten der
Bundesregierung für Aussiedlerfragen
und nationale Minderheiten
2. Amtsjahr April 2019 - April 2020
Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2019 - April 2020 ...
Inhalt
Vorwort des Beauftragten............................................................................................................................................................................... 3
Lebenslauf von Prof. Dr. Bernd Fabritius................................................................................................................................................. 4

I.       Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler ............................................................................................................................... 5

         1.      Politische Vertretung im Bereich der (Spät-)Aussiedlerzuwanderung...................................................................... 5
         2.      Vorsitz im Beirat für Spätaussiedlerfragen........................................................................................................................... 10
         3.      Ansprechpartner für Selbstorganisationen der Vertriebenen und (Spät)Aussiedler...................................... 11
         4.      Informationsarbeit des Beauftragten ..................................................................................................................................... 13
         5.      Vertriebenenpolitik .......................................................................................................................................................................... 14
         6.      Kriegsfolgenrecht .............................................................................................................................................................................. 16

II.      Deutsche Minderheiten im Ausland ............................................................................................................................................. 18

         1.      Deutsche Minderheiten in Staaten der ehemaligen Sowjetunion............................................................................ 21
                 1.1.       Deutsche Minderheit in der Russischen Föderation............................................................................................                                               23
                 1.2.       Deutsche Minderheit in der Republik Kasachstan................................................................................................                                             24
                 1.3.       Deutsche Minderheit in der Ukraine...........................................................................................................................                              26
                 1.4.       Deutsche Minderheit in der Kirgisischen Republik..............................................................................................                                             27
                 1.5.       Deutsche Minderheit in der Republik Usbekistan................................................................................................                                             28

         2.      Deutsche Minderheiten in Europa .......................................................................................................................................... 29
                 2.1.       Deutsche Minderheit in Ungarn ....................................................................................................................................                         30
                 2.2.       Deutsche Minderheit in Polen ........................................................................................................................................                      31
                 2.3.       Deutsche Minderheit in Rumänien .............................................................................................................................                              34
                 2.4.       Deutsche Minderheit in anderen Staaten Mittelost- und Südosteuropas ................................................                                                                       37
                 2.5.       Deutsche Minderheit in Dänemark .............................................................................................................................                              38

III. Nationale Minderheiten ...................................................................................................................................................................... 40

         1.      Dänische Minderheit........................................................................................................................................................................           42
         2.      Friesische Volksgruppe....................................................................................................................................................................            45
         3.      Sorbisches Volk....................................................................................................................................................................................   47
         4.      Deutsche Sinti und Roma...............................................................................................................................................................                48
         5.      Regionalsprache Niederdeutsch.................................................................................................................................................                        50

Impressum ........................................................................................................................................................................................................... 54
Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2019 - April 2020 ...
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2019 - 2020                                                                                  3

Vorwort des Beauftragten
Mit diesem Bericht informiere ich Sie über die Tätig-
keit im zweiten Jahr meiner Amtszeit als Beauftragter
der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und natio-
nale Minderheiten. Dieses Amt habe ich am 11. April
2018 angetreten.

Im zweiten Amtsjahr gab es intensiven Austausch
mit allen von mir betreuten Personenkreisen: mit
Aussiedlern, Spätaussiedlern und Vertriebenen, den
nationalen Minderheiten in Deutschland sowie den
deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa,
der früheren Sowjetunion und Dänemark. Viele be-
gonnene Projekte sind abgeschlossen worden oder
ein gutes Stück vorangekommen; andere konnten
angestoßen werden. Ich habe einige deutsche Min-
derheiten zum ersten Mal besuchen können, so zum
Beispiel die Karpatendeutschen in der Slowakei, aber
auch die deutsche Minderheit in Usbekistan. Ich habe
erstmals an der Domowina-Hauptversammlung
der Sorben teilnehmen und das traditionelle Biike-
brennen der Friesen persönlich erleben dürfen. Die
persönlichen Begegnungen mit den Menschen vor Ort        Prof. Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für
sind für meine Amtsausübung unverzichtbar. Ich er-       Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten
halte so nicht nur einen unmittelbaren Eindruck von
dem vielfältigen kulturellen Reichtum der Angehöri-
gen der deutschen Minderheiten oder der nationalen       Benachteiligungen im Rentenrecht ein. In vielen
Minderheiten, vielmehr erlebe ich ganz unmittelbar       Gesprächen mit politischen Verantwortungsträgern,
ihr großes Engagement und kann mich ihrer Sorgen         aber auch auf Informationsveranstaltungen für und
oder Bedürfnisse vor Ort annehmen. Auch vermittelt       mit betroffenen Bürgern habe ich mit konkreten Vor-
das einen glaubhaften Eindruck vom Engagement der        schlägen für eine gerechte rentenrechtliche Behand-
Bundesregierung für die betreuten Personenkreise.        lung der Aussiedler und Spätaussiedler geworben. Ich
                                                         habe dabei den Eindruck gewonnen, dass diese Pro-
Die Arbeit in den Beratenden Ausschüssen für die         blematik auch im Parlament und in den Ministerien
anerkannten nationalen Minderheiten und in den           mehr und mehr erkannt wird und habe die begründe-
Regierungskommissionen mit den Regierungsver-            te Hoffnung, dass sich bald Verbesserungen ergeben.
tretern der Länder, in denen deutsche Minderheiten
leben, kommt gut voran. Es ist erfreulich zu sehen,      An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich den Ehren-
wie herausgehoben die Minderheiten, ob nun als           amtlichen danken, die sich für die Belange der von
anerkannte nationale Minderheiten in der Bundes-         mir betreuten Personenkreise in ihrer Freizeit mit
republik Deutschland oder als Deutsche Minderheiten      großem Engagement einsetzen.
im Ausland, von den politischen Verantwortungs-
trägern der Mehrheitsgesellschaft in ihrer kulturellen   Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Identität als Bereicherung wahrgenommen und durch
unterschiedliche Maßnahmen gestärkt werden.
Im Bereich der Aussiedler, Spätaussiedler und Ver-
triebenen setze ich mich seit Beginn meiner Amtszeit
für die Beendigung der personenkreisspezifischen         Ihr Prof. Dr. Bernd Fabritius
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Lebenslauf von Prof. Dr. Bernd Fabritius

■   Bernd Fabritius wurde am 14. Mai 1965 im sieben-                      wahr. 2017 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der
    bürgischen Agnetheln (rum. Agnita) geboren                            West-Universität Temeswar verliehen.
    und siedelte im Jahre 1984 gemeinsam mit Eltern
    und Geschwistern in die Bundesrepublik Deutsch-                   ■    Von 2007 bis März 2014 war Bernd Fabritius
    land über.                                                            Bundes­vorsitzender des Verbandes der Sieben­bürger
                                                                          Sachsen in Deutschland e.V. und Präsident der
■   Von 1985 bis 1988 studierte Fabritius Sozialverwal-                   ­weltweiten Föderation der Siebenbürger S­ achsen.
    tung an der Bayerischen Beamtenfachhochschule                          Seit 2010 Vizepräsident des Bundes der Vertriebe-
    (Dipl.-Verwaltungswirt FH), von 1989 bis 1991                          nen, wurde er im Jahre 2014 zu dessen Präsident
    Politikwissenschaften an der Hochschule für Politik                    gewählt.
    in München und von 1991 bis 1995 Rechtswissen-
    schaft an der Ludwig-Maximilians-Universität                      ■   Seit 2010 ist Bernd Fabritius stellvertretender Lan-
    München. Nach Referendariat in München und den                        desvorsitzender der Union der Vertriebenen und
    USA (Federal Court of California) legte er 1997 das                   Aussiedler der CSU und Mitglied des Bundesvor-
    zweite Staatsexamen ab und wurde Rechtsanwalt.                        stands der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung
    2003 wurde er in einem Kooperationsverfahren                          von CDU und CSU. Von 2013 bis 2017 gehörte er
    der Universitäten Tübingen und Hermannstadt                           dem Deutschen Bundestag, der Parlamentarischen
    (Sibiu) im Europäischen Verwaltungsprozessrecht                       Versammlung des Europarates sowie der Interparla-
    promoviert. Seither lehrte er öffentliches und                        mentarischen Union an.
    europäisches Prozessrecht an der Europäischen
    ROGER-Universität sowie der juristischen Fakul-                   ■   Am 11. April 2018 wurde er vom Bundeskabinett
    tät der Lucian-Blaga-Universität in Hermannstadt                      zum Beauftragten der Bundesregierung für Aus-
    und nahm zahlreiche Lehraufträge an der Fach-                         siedlerfragen und nationale Minderheiten berufen.
    hochschule der Sächsischen Verwaltung in Meißen

Bundesbeauftragter Prof. Dr. Bernd Fabritius mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender beim Neujahrsempfang
2020 in Schloss Bellevue
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I. Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler
1. Politische Vertretung im Bereich der                 Fabritius: „Im Jahr 2019 hat die Bundesrepublik 7.155
   (Spät-)Aussiedlerzuwanderung                         Landsleute als Spätaussiedler und Familienangehörige
                                                        in Deutschland begrüßt. Die Zuzugszahlen steigen in
Seit den 1950er Jahren sind mehr als 4,5 Millionen      den letzten Jahren wieder leicht an – dies ist erfreulich.
(Spät-)Aussiedler gemäß den Bestimmungen des            Die Bundesregierung wird hiermit ihrer besonderen
Bundesvertriebenengesetzes in der Bundesrepublik        Verpflichtung gegenüber den Deutschen aus Russland,
Deutschland aufgenommen worden - davon ca. 2,1          den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion und
Mio. aus den osteuropäischen Staaten und ca. 2,4 Mio.   in Mittel- und Osteuropa gerecht. Das Tor wird auch in
aus der ehemaligen Sowjetunion bzw. ihren Nach-         Zukunft offenbleiben. Ich freue mich auf jeden, der in
folgestaaten. Die Aufnahme und Wiederbeheimatung        seiner historischen Heimat Deutschland ankommt.“
der Spätaussiedler ist Teil der besonderen Verantwor-
tung Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg und         Der Beauftragte für Aussiedlerfragen und nationale
seinen Folgen. Diese Verantwortung umfasst auch         Minderheiten der Bundesregierung nimmt die poli-
die Solidarität mit den Deutschen in den Ländern        tische Vertretung im Bereich des Aussiedlerzuzugs
Mittel- und Osteuropas und den Nachfolgestaaten der     wahr. Hierzu gehört die Initiierung, Begleitung und
ehemaligen Sowjetunion. Nach einer Hochphase von        Koordinierung der Aussiedlerpolitik der Bundesregie-
Zuzügen nach dem Zusammenbruch des Eisernen             rung. Er hat die gesetzlichen Regelungen des Ver-
Vorhangs, in der pro Jahr Hunderttausende Aussiedler    fahrens zur Aufnahme von Spätaussiedlern und ihrer
in Deutschland aufgenommen wurden, lassen sich          Angehörigen in der Praxis kontinuierlich im Blick.
derzeit jährlich nur noch wenige Tausend als Spätaus-   Sollten neue gesetzliche Regelungen nötig sein, setzt
siedler registrieren.                                   sich der Beauftragte für die Entwicklung entsprechen-
                                                        der Vorschläge ein und wirbt im politischen Raum für
                                                        deren Verabschiedung.
   AUFNAHME VON SPÄTAUSSIEDLERN 2019
                                                        Soziale Gerechtigkeit
   Januar                                     529       Nach wie vor gilt in diesem wichtigen Tätigkeitsfeld
                                                        das Hauptaugenmerk des Beauftragten seit Beginn sei-
   Februar                                    562       ner Amtszeit der Abschaffung der personenkreisspezi-
                                                        fischen Benachteiligung im Fremdrentenrecht, um die
   März                                       404       bestehende soziale Ungerechtigkeit bei Aussiedlern
                                                        und Spätaussiedlern zu beheben. In den 1990er Jahren
   April                                      516
                                                        hatten gesetzliche Änderungen zu Kürzungen von
   Mai                                        573       Renten und Rentenansprüchen bei Spätaussiedlern ge-
                                                        führt. Begründet wurde dies u. a. durch unterschied-
   Juni                                       569       liche Rentenhöhen in Ost- und Westdeutschland.
                                                        Deren Anpassung ist seither zwar erfolgt, die unter-
   Juli                                       850       schiedliche Bewertung der Aussiedlerrenten wurde
                                                        jedoch beibehalten. Die drohende Altersarmut sowie
   August                                     618
                                                        das Gefühl der Ungleichbehandlung rufen daher im
   September                                  718       Personenkreis erheblichen Unmut hervor.

   Oktober                                    785       So hat der Beauftragte u.a. in mehreren Pressemit-
                                                        teilungen darauf aufmerksam gemacht, dass das
   November                                   553       aktuelle Rentenpaket der Bundesregierung mitsamt
                                                        der Grundrente zwar zu begrüßen sei, aber dessen un-
   Dezember                                   478
                                                        geachtet immer noch den Bereich der Aussiedler und
   Gesamt                                    7.155      Spätaussiedler unberücksichtigt lässt und sie weiterhin
                                                        einer höheren Gefährdung durch Altersarmut aussetzt.
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Teilerfolg erzielt – Nachbesserungen dringend nötig
Auch nach Grundrentenpaket der Bundesregierung:
Altersarmut bei deutschen Spätaussiedlern

Koalitionsbeschluss vom 10.11.2019                           Lösung der vom Beauftragten der Bundesregierung
Nach dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD               für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten vor-
soll eine Grundrente in der Rentenversicherung ein-          geschlagenen Korrekturen in der rentenrechtlichen
geführt werden, um die Lebensleistung von Menschen           Eingliederung deutscher Aussiedler und Spätaussiedler
anzuerkennen, die jahrzehntelang gearbeitet, Kinder          vor. Ohne entsprechende Korrekturen würden alle
erzogen und Angehörige gepflegt haben. Die Grund-            Betroffenen, die nicht unter den Anwendungsbereich
rente soll auch einen Beitrag zum Schutz von Altersar-       der neuen Grundrente fallen, nach wie vor von der
mut leisten. Dabei soll auch die besondere Lebenslage        angemessenen Berücksichtigung der eigenen Lebens-
im Osten berücksichtigt werden.                              leistung in der Alterssicherung ausgeschlossen bleiben.

Änderung mit Wirkung vom 1.1.2021,                           Der Bundesbeauftragte setzt sich weiter dafür ein, dass
für alle bisherigen und neuen Rentner                        alle deutschen Aussiedler und Spätaussiedler in Pläne
Auch die Lebensleistung der deutschen Aussiedler und         der Regierung für mehr Renten- und Generationenge-
Spätaussiedler wird berücksichtigt.                          rechtigkeit einbezogen werden. Seine Vorschläge zur
                                                             Lösung der Altersarmut und zur Wiederherstellung
Die Grundrente soll für Bestandsrentner und für Neu-         der Generationengerechtigkeit bei diesem Personen-
rentner zum 1.1.2021 eingeführt werden. Rentner, die         kreis sind Folgende:
33 bzw. 35 Beitragsjahre (Grundrentenzeiten) geleistet
haben und deren Beitragsleistung (einschließlich der
im Rentenkonto nach dem Fremdrentengesetz - FRG -            1. Abmilderung der Kürzung der
berücksichtigten Werte für Zeiten im Herkunftsgebiet)           FRG-Entgeltpunkte
aus Bezugswerten unter 80% aber über 30% des Durch-
schnittseinkommens liegt (durchschnittlicher Entgelt-
punktewert zwischen 0,3 und 0,8) sollen künftig für          1.a) Aktuelle Situation
diese Zeiten einen Zuschlag als Grundrente erhalten. Die
Höherbewertung beträgt das Doppelte des persönlichen         Die Altersarmut der Spätaussiedler hat im Wesentli-
EP-Durchschnittswertes, begrenzt auf maximal 0,8 EP          chen ihre Ursachen in den Änderungen des Fremdren-
für 33 bzw. 35 Jahre. Die Grundrentenzeiten setzen sich      tengesetzes (FRG) der 1990er Jahre. Insbesondere die
zusammen aus Pflichtbeitragszeiten für versicherte           zum 6. Mai 1996 eingeführte Deckelung der Anzahl
Beschäftigung und Tätigkeit, Pflichtbeitragszeiten auf       der Entgeltpunkte (EP) aus FRG-Zeiten auf 25 EP bzw.
Grund von Kindererziehung, Pflege und aufgrund der           40 EP (§ 22b FRG) sowie die Einführung des Faktors 0,6
Antragspflichtversicherung für Selbstständige, renten-       (§ 22 Abs. 4 FRG) bei einem Rentenbeginn ab 1. Okto-
rechtliche Zeiten wegen des Bezuges von Leistungen bei       ber 1996 durch das Wachstums- und Beschäftigungs-
Krankheit und Rehabilitation, Berücksichtigungszeiten        förderungsgesetz vom 25. September 1996 führt zu ar-
wegen Kindererziehung und Pflege sowie Ersatzzeiten          mutsbegründenden Altersrenten bei Spätaussiedlern.
(wie anerkannte Zeiten nach dem Fremdrentengesetz            Auf dieser Grundlage beträgt der maximal für einen
etc.). Durch diese Regelungen ist sichergestellt, dass die   FRG-Berechtigten erreichbare Brutto-Rentenanteil in
meisten Aussiedler und Spätaussiedler, deren Alters-         Westdeutschland 826,25 € (25 EP x 33,05 € = aktueller
sicherung durch die drastischen personenkreisspezi-          Rentenwert ab 1. Juli 2019) bzw. in Ostdeutschland
fischen Kürzungen der 90er Jahre (40%-Kürzung der            797,25 € (25 EP x 31,89 € = aktueller Rentenwert ab 1.
FRG-Werte, Deckelung auf 25/40 EP) besonders häufig          Juli 2019). Bei Ehegatten und in einer eheähnlichen
von Altersarmut bedroht sind, von den Regelungen der         Gemeinschaft lebenden Berechtigten liegt der Wert
neuen Grundrente miterfasst werden.                          in Westdeutschland bei 1.322,00 € und in Ostdeutsch-
                                                             land bei 1.275,60 €. Für die Kranken- und Pflegever-
Nachbesserungen aus Gründen der Generationen-                sicherung fallen noch Abzüge in Höhe von rund 10%
gerechtigkeit auch für Aussiedler und Spätaussied-           an, so dass sich die Zahlbeträge weiter um rund 10%
ler dringend angezeigt                                       reduzieren.
Der aktuelle Koalitionsbeschluss sieht noch keine
Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2019 - April 2020 ...
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2019 - 2020                                                                          7

Damit liegen diese aus den Herkunftsgebieten der Aus-     führen, weil in den meisten Fällen dann keine Grund-
und Spätaussiedler maximal erreichbaren Rentenhöhen       sicherung und kein Wohngeldzuschuss mehr erforder-
faktisch weit unter der anerkannten Armutsgrenze.         lich wären. Die Betroffenen würden zwar weiterhin
                                                          im Bereich der Armutsgrenze leben, hätten aber nicht
Obwohl sie überwiegend ihr gesamtes Leben berufs-         das Gefühl, dem Staat zur Last zu fallen oder durch
tätig waren und dichte Erwerbsbiografien aufweisen,       das Vertreibungs- und Aussiedlungsschicksal um die
sind die Betroffenen im Alter auf ergänzende staat-       selbst durch harte Arbeit erworbene Alterssicherung
liche Transferleistungen, wie Grundsicherung und          gebracht worden zu sein.
Wohngeld und zusätzlich auf die Unterstützung durch
die eigenen – somit doppelt belasteten - Kinder ange-
wiesen. Dies führt zur Verbitterung im Personenkreis      2. Verteilung der Belastungen bei Rentenbezug
und widerspricht der Generationengerechtigkeit sowie         aus dem Ausland
dem Eingliederungsgedanken des FRG.

Der Faktor 0,7 bzw. später 0,6 wurde mit Blick auf die    2.a) Aktuelle Situation
damals sehr niedrigen DDR-Renten nach der Wieder-
vereinigung für FRG-Renten zur Vermeidung von             Einer zusätzlichen Belastung sind die Spätaussiedler
sozialen Ungleichheiten eingeführt. Mittlerweile hat      ausgesetzt, die Rentenleistungen aus den Herkunfts-
das Rentenniveau jedoch in den Neuen Bundesländern        gebieten beziehen. Dies ist derzeit infolge von Sozial-
einen Wert von über 95,81% des Westniveaus erreicht.      versicherungsabkommen sowie auf der Grundlage
Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt und geboten,       der Anwendung europäischer Normen möglich,
bei der Deckelung der Entgeltpunkte - sofern diese        insbesondere in Polen, Rumänien, Ungarn, Tsche-
überhaupt beibehalten wird – zumindest eine höhere        chien, der Slowakei, Kroatien, Serbien, Slowenien, den
Grenze einzuführen, zumal es sich bei dem betroffe-       Baltischen Staaten, den Nachfolgestaaten Jugoslawiens
nen Personenkreis um deutsche Staatsangehörige han-       (soweit nicht EU-Mitglied) und in Bulgarien. In einigen
delt, die durch ihre vorteilhaften demographischen        Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion bieten
Eigenschaften zum Steuer- und Beitragsaufkommen           innerstaatliche Rechtsvorschriften grundsätzlich die
erheblich beigetragen haben bzw. beitragen.               Möglichkeit der Beantragung von Rentenleistungen
                                                          und deren Überführung ins Ausland, so in der Russi-
                                                          schen Föderation und in Aserbaidschan.
1.b) Lösungsansatz
                                                          Die Möglichkeit der Beantragung einer ausländischen
Die Deckelung der Entgeltpunkte in § 22 b FRG sollte      Rente ist zwar ausdrücklich positiv zu bewerten, weil sie
angesichts der immer deutlicher werdenden system-         die Rentenversicherungsträger durch Anrechnungsmög-
bedingten Altersarmut der FRG-Berechtigten aufgeho-       lichkeiten (§ 31 FRG) entlastet, die Nachteile werden der-
ben werden, zumindest aber sollte die Grenze anre-        zeit aber einseitig auf die FRG-Berechtigten abgewälzt.
chenbarer Entgeltpunkte auf 30 EP bei Einzelpersonen
bzw. 50 EP bei Ehepaaren und in einer eheähnlichen        Die Nachteile für Betroffene sind vielfältig: Das aus-
Gemeinschaft lebenden Berechtigten angehoben wer-         ländische Rentenantragsverfahren gestaltet sich kom-
den. Dies würde für die Betroffenen eine monatliche       pliziert, alle mit der Umsetzung verbundenen Kosten
Bruttorente in Höhe von 991,50 € in Westdeutschland       und sonstigen Belastungen (Wechselkursschwankun-
und 956,70 € in Ostdeutschland ermöglichen. Bei Ehe-      gen / Lebensbescheinigung / Kontogebühren bei der
gatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben-      Annahme einer Auslandsüberweisung / zusätzliche
den Berechtigten würden die Bruttorenten zusammen         Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge / unregel-
1.652,50 € (West) bzw. 1.594,50 € (Ost) erreichen. Dies   mäßige Zahlungseingänge) werden dem FRG-Berech-
würde auch zum systemübergreifenden Bürokratieab-         tigten zugewiesen, obwohl der einzige „Nutznießer“
bau, zur Entlastung der Sozialgerichte von Verfahren      dieser Leistungsmöglichkeit der Rentenversicherungs-
und Kosten sowie zu einer Entlastung der Kommunen         träger bzw. der Grundsicherungsträger ist.
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Die Betroffenen empfinden dies als ungerecht, weil        Kindererziehung ist ein wesentlicher Beitrag zum
sie die Nachteile und den Brutto-Netto-Unterschieds-      Fortbestand des Rentensystems, weil Kinder die künf-
betrag als Verlust tragen müssen, der Rentenversiche-     tigen Beitragszahler sind. Kinder von Spätaussied-
rungsträger aber durch die Zahlung aus dem Ausland        lern leben in Deutschland und erbringen die gleiche
die deutsche FRG-Rente in der festgestellten Brutto-      Beitragsleistung, wie in Deutschland aufgewachsene
höhe zum Ruhen bringt (§ 31 FRG) und damit enorme         Kinder. Daher ist die Erziehungsleistung der Eltern
Einsparungen erzielt.                                     im Rentensystem auch gleich zu bewerten. Eine Un-
                                                          gleichbehandlung ist ungerecht.

2.b) Lösungsansatz                                        Ist der Vater, nicht aber die Mutter Spätaussiedler,
                                                          muss bei gemeinsamer Erziehung von Kindern die
Um den FRG-Berechtigten einen Aufwandsausgleich           Zuordnung von Kindererziehungszeiten zum Vater
zu schaffen und auch einen Anreiz dafür zu geben, die     durch die Abgabe einer übereinstimmenden Erklä-
Antragsverfahren in den Herkunftsgebieten durchzu-        rung innerhalb eines Jahres nach Zuzug erfolgen.
führen, bzw. nicht im Rahmen EU-rechtlich zulässiger      Ansonsten gehen diese Kindererziehung- und Kinder­
Gestaltung (Art. 50 EU-VO 883/2004) darauf zu ver-        berücksichtigungszeiten verloren, weil die Mutter
zichten, wird ihnen ein Teil der ausländischen Rente      nicht zum anspruchsberechtigen Personenkreis des
belassen und zwar dann, wenn die deutsche FRG-Rente       FRG gehört.
gemäß § 22 Abs. 4 FRG um 30 bzw. 40 % gekürzt wird.
Der FRG-Berechtigte darf so einen entsprechenden An-      Diese Erklärungsfrist von einem Jahr nach Zuzug
teil der Leistung aus dem Herkunftsgebiet als Ausgleich   nach Deutschland ist zu kurz bemessen, weil die
behalten. Zugleich spart der Rentenversicherungsträger    wenigsten Spätaussiedler im ersten Jahr des Zuzuges
durch real entstehende Anrechnungsmöglichkeiten           mit diesem Sachverhalt konfrontiert werden und es
gemäß § 31 FRG laufend Ausgaben in Höhe von 70 bzw.       deswegen versäumen, die Erklärung rechtzeitig ab­
60 Prozent der Leistung aus dem Herkunftsgebiet - ein     zugeben.
Vorteil, der ihm ohne diese Regelung bisher entgeht. Da
die FRG-Rente nur zu 60% gezahlt wird, soll die aus-
ländische Rente auch nur zu 60% angerechnet werden.       3.b) Lösungsansatz:
Diese Regelung dürfte durch das deutliche Übersteigen
des generierten Anrechnungsbetrages gegenüber dem         Die Vervielfältigung der Entgeltpunkte für Kinder-
eingeräumten Selbstbehalt bei dem Rententräger im         erziehungszeiten im Herkunftsgebiet mit dem Faktor
­Ergebnis zu einem erheblichen Überschuss führen.         0,6 wird ersatzlos gestrichen.

                                                          § 28 b FRG wird dahingehend ergänzt, dass in den
3. Beseitigung der Benachteiligungen bei                  Fällen, in denen ein Elternteil nicht zum anspruchs-
   Anerkennung von Kindererziehungszeiten                 berechtigten Personenkreis des FRG gehört, bei
   vor der Vertreibung im Herkunftsgebiet                 gemeinsamer Erziehung durch Vater und Mutter für
                                                          eine Zuordnung der Erziehungszeiten im Herkunfts-
                                                          gebiet zum Vater eine übereinstimmende Erklärung
3.a) Aktuelle Situation                                   nicht erforderlich ist, sondern die Anerkennung der
                                                          Kindererziehungszeiten bei dem FRG-berechtigten
Nach aktuellem Recht wird die Kindererziehungszeit        Spätaussiedler erfolgt.
im Herkunftsgebiet vor der Vertreibung bei Berech-
nung der Rente lediglich mit 60% des im Bundesgebiet
geltenden Wertes anerkannt. Das führt zu einer nicht
begründbaren Benachteiligung für Eltern aus dem
Personenkreis der Spätaussiedler, die ihre Kinder
noch im Herkunftsgebiet erzogen haben.
Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2019 - April 2020 ...
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2019 - 2020                                                                                                   9

4. Sozialversicherungsabkommen/                                         Dennoch werden insbesondere Spätaussiedler aus
   Rechtshilfeabkommen                                                  Russland seitens der Grundsicherungsträger dazu
                                                                        aufgefordert, Renten beim Russischen Rentenfond zu
                                                                        beantragen. Seit dem 1.1.2015 sind Rentenzahlungen
4.a) Aktuelle Situation                                                 auf Konten der Berechtigten in Deutschland nur noch
                                                                        möglich, wenn bereits vorher entsprechende Renten
In Folge von Sozialversicherungsabkommen (SVA) und                      gezahlt wurden. Bei neu entstehenden Rentenansprü-
in Anwendung von europäischen Vorschriften erfol-                       chen ist hingegen nur noch eine Zahlung der Rente auf
gen tatsächliche Rentenzahlungen aus dem Ausland                        ein russisches Konto möglich.
an Aussiedler und Spätaussieder und führen damit
zum Ruhen des FRG-Anspruches in der tatsächlich
ausgezahlten Höhe und zu erheblichen Einsparungen                       4.b) Lösungsansatz
auf Seite der Rentenversicherungsträger.
Mit den meisten Nachfolgestaaten der Sowjetunion                        Es wäre für die FRG-Berechtigten und für die Ren-
bestehen derzeit keine SVA und auch kaum Rechts-                        tenversicherungsträger von Vorteil, mit den Her-
hilfeabkommen. Der Rechtsverkehr ist daher äußerst                      kunftsstaaten nachhaltige und rechtsverbindliche
umständlich und für die Betroffenen mit hohem fi-                       Regelungen zu vereinbaren, um die Zahlungen aus den
nanziellem und bürokratischem Aufwand verbunden.                        Herkunftsgebieten der Spätaussieder zu ermöglichen.

Beauftragter Fabritius mit (v.l.n.r.) dem LmDR-Vorsitzenden Johann Thießen, Dr. Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundesministerium
für Arbeit und Soziales, der Bundesvorsitzenden der Siebenbürger Sachsen, Herta Daniel, sowie Peter-Dietmar Leber, Bundesvorsitzender der
Banater Schwaben bei einer Informationsveranstaltung zur Rentengerechtigkeit im Oktober 2019 in Nürnberg
Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2019 - April 2020 ...
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Auf vielen Informationsveranstaltungen hat Bundes-     Bekenntnis zur christlichen Selbstverortung.
beauftragter Fabritius das Gespräch mit politischen    Neben der sozialen Gerechtigkeit liegt dem Aussied-
Entscheidungsträgern, aber auch mit Betroffenen        lerbeauftragten insbesondere die gesellschaftliche
gesucht, die unter den personenkreisspezifischen       Wiederbeheimatung der Spätaussiedler am Herzen.
Benachteiligungen im Rentenrecht leiden. So u.a. bei   Das Amtsverständnis ist überkonfessionell, der Be-
einer Konferenz zur sozialen Gerechtigkeit für Spät-   auftragte unterstützt gleichwohl die eigene religiöse
aussiedler mit Vertretern der Landsmannschaften in     Selbstverortung eines Großteils der Spätaussieder im
Nürnberg im Oktober 2019 sowie bei Veranstaltun-       Christentum.
gen in München, in Kaufbeuren und in Neu-Ulm im
Februar 2020.                                          So besuchte der Beauftragte beispielsweise auch im
                                                       Jahr 2020 die Jahrestagung der Konferenz für Aus-
                                                       siedlerseelsorge in der EKD und würdigte die beson-
                                                       dere Rolle, die eine Zugehörigkeit zur christlichen
                                                       Gemeinschaft im Aussiedlungsgebiet, aber auch bei
                                                       der Wiederbeheimatung nach einer Rückkehr in die
                                                       Bundesrepublik Deutschland spielt. Wie der Beauf-
                                                       tragte in seinem Grußwort darlegte, ist der christliche
                                                       Glaube für viele Aussiedler und Spätaussiedler unver-
                                                       zichtbar.

                                                       Oftmals bieten Gemeinden wesentliche Unterstüt-
                                                       zung bei der Wiederbeheimatung der nach Deutsch-
                                                       land zugezogenen Aussiedler und Spätaussiedler.
                                                       Gegenseitige Unterstützung und Verankerung im
                                                       Glauben halfen bei der Ankunft in einem neuen,
                                                       eventuell ungewohnten Umfeld. Beauftragter Fabriti-
                                                       us bat die Kirchen ausdrücklich um Fortsetzung und,
                                                       wo immer möglich, auch um Ausbau ihres Engage-
                                                       ments und dankte für das bisher Geleistete. Gefasste
                                                       Beschlüsse zur Abwicklung gezielter Aussiedlerseel-
                                                       sorge bat Fabritius zu revidieren.

                                                       2. Vorsitz im Beirat für Spätaussiedlerfragen

                                                       Zur politischen Vertretung in aussiedlerpolitischen
                                                       Angelegenheiten zählt auch der Vorsitz des Beauftrag-
Broschüre „Die bleibende Verantwortung für             ten im Beirat für Spätaussiedlerfragen. Dieser wurde
deutsche Aussiedler und Spätaussiedler“                im Jahr 2005 beim Bundesinnenministerium einge-
                                                       richtet, umfasst 16 Mitglieder aus Staat, Kirche und Ge-
                                                       sellschaft und erfüllt die Aufgabe, die Bundesregierung
Um das Problem der personenkreisspezifischen Be-       sachverständig zu beraten. Der Beirat tagt mindestens
nachteiligung im Rentenrecht einem weiteren Kreis      einmal jährlich. Zu den im Beirat diskutierten Themen
bekannt zu machen sowie zur Erläuterung der Hinter-    gehören beispielsweise Probleme im Aufnahmever-
gründe, hat Beauftragter Fabritius im September 2019   fahren für Spätaussiedler, die womöglich eine Ände-
die Informationsbroschüre „Die bleibende Verant-       rung des Bundesvertriebenengesetzes erfordern, oder
wortung für deutsche Aussiedler und Spätaussiedler“    Fragen der gesellschaftlichen und sozialen Wiederbe-
veröffentlicht.                                        heimatung der Spätaussiedler und ihrer Familien.
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2019 - 2020                                                                                         11

Im November 2019 fand unter Leitung des Beauftragten             verabschiedet, die Thematik der Aussiedlerbenachtei-
Fabritius die zweite Sitzung in der vierjährigen Amtspe-         ligung bei der Alterssicherung aus Gründen der Gene-
riode des Beirats für Spätaussiedlerfragen statt.                rationengerechtigkeit im aktuellen Grundrentenpaket
                                                                 zu lösen. In diesem Zusammenhang stellte der Be-
                                                                 auftragte den Mitgliedern des Beirats seine Broschüre
                                                                 „Die bleibende Verantwortung für deutsche Aussiedler
                                                                 und Spätaussiedler“ vor.

                                                                 3. Ansprechpartner für Selbstorganisationen
                                                                    der Vertriebenen und (Spät-)Aussiedler

                                                                 Schließlich ist der Beauftragte Ansprechpartner für
                                                                 sämtliche Selbstorganisationen der Vertriebenen und
                                                                 (Spät-)Aussiedler. Insbesondere steht er mit dem Bund
                                                                 der Vertriebenen (BdV), den Landsmannschaften und
                                                                 deren jeweiligen Orts-, Kreis- und Landesgruppen
                                                                 sowie ihren Jugend- und Studentenvertretungen in
Sitzung des Beirats für Spätaussiedlerfragen beim Bundesminis­   engem Austausch.
terium des Innern, für Bau und Heimat
                                                                 Der Beauftragte versteht sich als Bindeglied zwischen
Themen der Sitzung waren u.a. die aktuellen Ent-                 Politik und den Organisationen, welche die Belange
wicklungen in Spätaussiedleraufnahmeverfahren                    der Aus- und Spätaussiedler vertreten. Durch einen
und der Sachstand der Urkundenproblematik bei                    engen Kontakt, der sich auch in regelmäßigen Arbeits-
Eintragungen von standesamtlichen Vorgängen an-                  treffen widerspiegelt, konnten die Betroffenen ihre
erkannter Spätaussiedler in Personenstandsregister.              Anliegen dem Beauftragten vortragen und wurden in
Auf Anregung des Spätaussiedlerbeirates hatte das                die Entwicklung der Grundsätze der Aussiedler- und
Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat                 Minderheitenpolitik einbezogen.
die zuständigen Innenministerien der Länder und
Senatsverwaltungen für die besondere Situation der
Spätaussiedler bei der Urkundenbeschaffung sensibi-
lisiert. Ergänzend wurde durch einen Namensartikel
des Bundesbeauftragten in der Fachzeitschrift für das
Standesamtswesen1 über die zu treffende Auslegungs-
entscheidung informiert.

Ein weiterer Schwerpunkt der Beratungen stellte der
derzeitige Stand der Bemühungen um die Beseitigung
der personenkreisspezifischen Benachteiligungen im
Rentenrecht dar. Auf Antrag des Jugendvertreters der
Deutschen Jugend in Europa (DJO), Edwin Andreas
Drotleff, wurde nach detaillierten Beratungen ein-
stimmig eine Aufforderung an die Bundesregierung

1 Fabritius, Bernd, Zur Bewertung von Personen-
  standsurkunden deutscher Aussiedler und Spät-
  aussiedler, in: Das Standesamt. STAZ 10/2019, S.
  308-309.                                                       Bundesbeauftragter Fabritius mit Staatsministerin Carolina Trautner
                                                                 (Bayern)
12                                                                                     TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2019 - 2020

Bei vielen Gelegenheiten hat sich der Beauftragte mit              Innern, für Bau und Heimat zahlreiche Vertreter der
den Vertretern der mitgliederstärksten Spätaussied-                russlanddeutschen Gemeinschaft zu einem Dialog-
lerverbänden und Landsmannschaften ausgetauscht                    forum empfangen. Beauftragter Fabritius dankte
bzw. gemeinsame Termine mit ihnen durchgeführt.                    aus diesem Anlass den geladenen Vertretern für den
So begleitete er beispielsweise die Spitzen der Verbän-            Beitrag der Russlanddeutschen zum deutschen Ge-
de im März 2020 zu einem gemeinsamen Gespräch                      meinwesen und betonte erneut die Einstandspflicht
mit der neu ernannten bayrischen Staatsministerin                  der Bundesregierung für das erlittene Unrecht der
für Familie, Arbeit und Soziales, Carolina Trautner.               Deutschen aus und in der ehemaligen Sowjetunion.
Auch an einer durch ihre Breitenwirkung bedeutsa-
men Dialogveranstaltung der Abteilung Heimat des                   Auch im Jahr 2019 nahm der Bundesbeauftragte an
Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat,                 der traditionellen Gedenkfeier der Landsmannschaft
zu der die Spitzen aller Landsmannschaften und                     der Deutschen aus Russland im Grenzdurchgangs­
Gliederungen des BdV, insbesondere Jugendvertreter                 lager Friedland teil. Fabritius erinnerte daran, dass das
eingeladen wurden, nahm der Beauftragte im Januar                  Schicksal der Deutschen aus Russland Teil der gesamt-
2020 teil.                                                         deutschen und der gesamteuropäischen Geschichte
                                                                   sei. Anlässlich des Jahrestags des sogenannten Stalin-­
Traditionell besonders bedeutsam sind die Bezie-                   Erlasses aus dem Jahr 1941 sprach Bundesbeauftragter
hungen des Beauftragten zur Landsmannschaft der                    ­Fabritius im Rahmen der Gedenkfeier „Gemeinsam
Deutschen aus Russland e. V (LmDR), der die Inte-                   gedenken“ der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung
ressen von 2,4 Mio. Deutschen aus der ehemaligen                    in der Weihnachtskirche in Berlin-Spandau. Im Okto-
Sowjetunion vertritt. So hat Beauftragter Fabritius                 ber 2019 besuchte der Beauftragte das Kulturfestival
den Bundesvorstand der LmDR im Juni 2019 im                         des J­ ugend- und Studentenrings der Deutschen aus
Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat                    ­Russland.
zu einem konstruktiven und freundschaftlichen Ge-
spräch empfangen. Im Rahmen des vertrauensvollen                   Im November 2019 empfing Fabritius den kurz zuvor
und freundschaftlichen Gesprächs wurden unter                      neu gewählten Bundesvorsitzenden des Verbandes
anderem die Intensivierung der Jugendarbeit, die                   der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V., Rainer
Stärkung der Verbandsstrukturen sowie Maßnahmen                    Lehni. Fabritius und Lehni besprachen u.a., wie die
der Informations- und Aufklärungsarbeit besprochen.                grenzüberschreitende verständigungspolitische Arbeit
                                                                   intensiviert und der Jugendverband der Siebenbürger
Im Juni 2019 wurden im Bundesministerium des                       Sachsen (SJD) strukturell gestärkt werden könnte. Auch

Beauftragter Fabritius mit dem Bundesvorstand der Landsmann-       Beauftragter Fabritius bei der Gedenkveranstaltung der OMV in der
schaft der Deutschen aus Russland sowie Mitarbeitern des Bundes-   Weihnachtskirche Berlin-Spandau
ministerium des Innern, für Bau und Heimat
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2019 - 2020                                                                                               13

Beauftragter Fabritius mit den Vertretern der Vertriebenenverbän-   Beauftragter Fabritius mit (v.l.n.r.) Staatsministerin Kerstin Schrey-
de und Landsmannschaften sowie dem Parlamentarischen Staats-        er, Landesbeauftragten Heiko Hendriks, Ministerpräsident Armin
sekretär Stephan Mayer, MdB                                         Laschet, Bundesvorsitzender Herta Daniel sowie dem Veranstalter
                                                                    der Haferlandwoche, Michael Schmidt

eine bessere Vernetzung der Aussiedler- und Spätaus-                Zu Pfingsten 2019 nahm Bundesbeauftragter Fabritius
siedlerverbände war Thema des freundschaftlichen                    in Kooperation mit der Landsmannschaft der Deut-
und konstruktiven Gesprächs. Im Oktober 2019 nahm                   schen aus Russland und dem Jugend- und Studenten-
der Beauftragte an der Festveranstaltung aus Anlass                 ring der Deutschen aus Russland an der bestbesuchten
des 70. Jahrestags der Gründung des Verbands der                    Veranstaltung für Russlanddeutsche, der „Jarmarka“
Siebenbürger Sachsen im Bayerischen Landtag teil und                in Bad Salzuflen, teil. Er sprach seine Anerkennung für
beteiligte sich an der Podiumsdiskussion „Wo sind wir               die Lebensleistung der Spätaussiedler aus der ehema-
daheim?“. Auch den Heimattag der Siebenbürger Sach-                 ligen Sowjetunion aus und machte auf ihre besondere
sen in Dinkelsbühl besuchte Beauftragter Fabritius.                 Eignung als Brücke zwischen alter und neuer Heimat
                                                                    aufmerksam. Fabritius: „Russlanddeutsche sind in
Ebenso nahm Fabritius am Kirchweihfest der Banater                  Deutschland zu Hause und herzlich willkommen!“
Schwaben in Crailsheim teil und gratulierte den Teil-
nehmern zu ihrem aktiven Einsatz für die Pflege von                 Auch mit der Arbeitsgruppe der Vertriebenen, Aus-
Kultur, Brauchtum und Traditionen.                                  siedler und deutschen Minderheiten der Unionsfrak-
                                                                    tion im Deutschen Bundestag steht der Bundesbeauf-
                                                                    tragte in engem Austausch und berichtet regelmäßig
4. Informationsarbeit des Beauftragten                              in deren Sitzungen über aktuelle politische Themen
                                                                    aus seinem Tätigkeitsbereich. Mit Vertretern der
Der Beauftragte ist für die Informationsarbeit zu                   anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag befindet
Aussiedlerthemen in Deutschland verantwortlich.                     sich der Beauftragte im stetigen Austausch.
Er macht auf wichtige Ereignisse und neue Gesetze
aufmerksam und äußert sich zu zentralen aussiedler-
politischen Fragen. Zudem organisiert der Beauftragte
Veranstaltungen mit aussiedlerpolitischen Schwer-
punkten. Des Weiteren wirkt er an der gesellschaft-
lichen Debatte durch Reden und Vorträge mit.
14                                                                                       TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2019 - 2020

5. Vertriebenenpolitik

Einen weiteren Schwerpunkt der Tätigkeit des Beauf­
tragten bilden die Abstimmung der Vertriebenen-
politik der Bundesregierung und die Vertretung der
Anliegen der Selbstorganisationen der deutschen
Heimatvertriebenen. Prägend sind ein enger Kontakt
und eine unmittelbare Abstimmung mit den Vertrie-
benenverbänden in Deutschland. Schätzungsweise
14 Millionen Deutsche wurden kriegs- bzw. kriegs-
folgenbedingt Opfer von Flucht, Vertreibung und
Zwangsumsiedlung. In Deutschland haben sich die
Heimatvertriebenen nach dem Krieg in Landsmann-
schaften und landsmannschaftlichen Organisationen
zusammengeschlossen, um somit ein Sprachrohr in
die deutsche Politik zu haben und die Erinnerung an
die verlorene Heimat, das Brauchtum und die Identi-                  Beauftragter Fabritius mit dem Peitinger Gemeinderat-Fraktions-
tät zu wahren. Ihre Kultur geben sie fortwährend an                  vorsitzenden Peter Ostenrieder, dem Landtagsabgeordneten Harald
                                                                     Kühn, Bürgermeister Michael Asam, Landrätin Andrea J­ ochner-Weiß
ihre Kinder und Enkelkinder weiter, die sich weiter-
                                                                     sowie Vertretern der Sudetendeutschen Landsmannschaft
hin zur angestammten Heimat bekennen (sogenannte
Bekenntnisgeneration). Die Landsmannschaften sind
heute zudem wichtige Brückenbauer zu den außerhalb                   Im September 2019 würdigte Beauftragter Fabritius im
Deutschlands verbliebenen deutschen Minderheiten.                    Rahmen der Fachtagung der Unionsfraktion mit dem
                                                                     Thema „Pioniergeist der Vertriebenen und Aussiedler
                                                                     – Zukunftsfrage für unser Land“ in Hamburg die Leis-
                                                                     tungen der deutschen Heimatvertriebenen, die dank
                                                                     ihres Selbstverständnisses rasch ihren Beitrag zum
                                                                     beginnenden deutschen Wirtschaftswunder leisteten.

                                                                     Anlässlich des Festaktes zum 60-jährigen Bestehen
                                                                     des Bundes der Vertriebenen in Bayern im Novem-
                                                                     ber 2019 blickte der Bundesbeauftragte zurück:
                                                                     „Heute wissen wir, dass die wirtschaftliche Ein-
                                                                     gliederung und die gesellschaftliche Beheimatung
                                                                     dieser heimat­los gewordenen Menschen ein Erfolg
                                                                     waren. Das war sowohl der inneren Einstellung der
                                                                     Heimatvertriebenen als auch der Hilfsbereitschaft
                                                                     und Solidarität des aufnehmenden Landes Bayern
                                                                     geschuldet.“

                                                                     Im Rahmen des Sudetendeutschen Tags in Regens-
Beauftragter Fabritius u.a. mit Valerij Dill, ehemaliger Vize-Pre-   burg sprach Beauftragter Fabritius anlässlich der
mierminister Kirgistans und Vorsitzender des Volksrates der Deut-    Verleihung des Europäischen Karlspreises an die
schen in Kirgistan; Johann Thießen, Vorsitzender der Landsmann-
                                                                     Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde,
schaft der Deutschen aus Russland; Waldemar Weiz, Vorsitzender
                                                                     Charlotte Knobloch. Im Juli 2019 nahm der Beauf-
des Jugend- und Studentenrings der Deutschen aus Russland sowie
Alexander Bem, Veranstalter des „Jarmarka“                           tragte an der bayrischen Landesdelegiertenkon-
                                                                     ferenz der Sudetendeutschen Landsmannschaft
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2019 - 2020                                                                            15

in Grafing teil. Fabritius sprach hier vor allem die
Schwerpunkte Kulturpolitik, Verständigungspolitik
und Jugendarbeit an. Auch besuchte Beauftragter Fa-
britius die Marktgemeinde Peiting, die in besonderer
Weise durch die Aufnahme Sudetendeutscher nach
dem Zweiten Weltkrieg geprägt wurde und legte
gemeinsam mit Bürgermeister Michael Asam, dem
Vorsitzenden der CSU-Fraktion im Gemeinderat, Pe-
ter Ostenrieder, dem Abgeordneten des Bayrischen
Landtags, Harald Kühn, der Landrätin des Landkreises
Weilheim-Schongau, Andrea Jochner-Weiß sowie
Vertretern der Sudetendeutschen Landsmannschaft
einen Gedenkkranz der Bundesregierung an der in
Peiting gelegenen Gedenkkapelle am Kalvarienberg
nieder.

Der Bundesbeauftragte besuchte im Oktober 2019
die Festveranstaltung aus Anlass des 70-jährigen
Bestehens der Landesgruppe NRW der Landsmann-
schaft Ostpreußen in Düsseldorf. Fabritius würdigte
in seiner Festansprache die vielen Opfer in Ost­
preußen. Von 2,5 Millionen Ostpreußen starben
220.000 im Krieg und weitere 240.000 durch Flucht         Beauftragter Fabritius mit dem AGDM-Sprecher Bernard Gaida und
und ­Vertreibung. Gleichzeitig wies er darauf hin,        Beauftragten a.D., Hartmut Koschyk
dass heute wieder etwa 20.000 Deutsche, vorwiegend
aus den anderen Ländern der ehemaligen Sowjet-            schichte vermittelt. Anlässlich der Eröffnung der Aus-
union, im Gebiet um Königsberg (russ. Kaliningrad)        stellung „Die Gerufenen“ in Traunreut erinnerte der
leben.                                                    Beauftragte im Oktober 2019 an die Erfolgsgeschich­te
                                                          der deutschen Siedler in Mittel- und Osteuropa vor den
Des Weiteren besuchte der Bundesbeauftragte den           beiden Weltkriegen im 20. Jahrhundert.
Tag der Heimat der Landesgruppe Niedersachsen
des B
    ­ undes der Vertriebenen im September 2019 in         Einem bis heute dem breiten Publikum weitgehend
Hannover unter dem Motto „Vertriebene für Men-            ­unbekannten Aspekt der deutschen Geschichte wid-
schenrechte und Verständigung“. Auch am Tag der            mete sich der Beauftragte in seiner Rede zur Tagung
Heimat der Unionsfraktion im Landtag von Nord-             „Vertriebene in der DDR“ in Leipzig im November 2019.
rhein-Westfalen sowie am Tag der Heimat des Bundes
der Vertriebenen Leverkusen im Oktober 2019 wirkte
Beauftragter Fabritius mit.

Die Kultur der (Spät-)Aussiedler wird auch in den dafür
zuständigen und gemäß § 96 BVFG im Verantwor-
tungsbereich der Beauftragten der Bundesregierung
für Kultur und Medien geförderten Institutionen
erforscht, gepflegt und einer breiten Öffentlichkeit
zugänglich gemacht. So besuchte der Beauftragte das
Isergebirgsmuseum in Kaufbeuren im Februar 2020,
das seinen Besuchern sudetendeutsche Kultur und Ge-
16                                                                                         TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2019 - 2020

Beauftragter Fabritius bei seiner Gedenkansprache vor dem Ostdeutschen Kreuz auf dem Friedhof Leverkusen-Manfort

6. Kriegsfolgenrecht

Im Bereich der Vertriebenenpolitik gehört die soge-
nannte kriegsfolgenrechtliche Anerkennungsleistung
für ehemalige deutsche Zwangsarbeiter (ADZ) zu den
wichtigsten vertriebenenpolitischen Impulsen: Einen
Betrag von 2.500 € erhalten Deutsche, die als Zivilper-
sonen durch eine ausländische Macht zu Zwangsarbeit
gezwungen wurden, als symbolische Anerkennung
ihres Schicksals. Insgesamt wurden annähernd 47.000
Anträge auf ADZ verzeichnet, deren Bearbeitung vor-
aussichtlich im Juni 2020 abgeschlossen wird. Beauf-
tragter Fabritius hierzu: „Die Anerkennungszahlung
für deutsche zivile Zwangsarbeiter ist eine historische
Leistung. Ich freue mich, dass das BVA hier mit großem
historisch-kriegsfolgenrechtlichen Sachverstand und
vor allem mit Empathie für die Vielzahl unterschied-
licher Einzelschicksale tätig ist.
                                                                                               Beauftragter Fabritius während des Interviews für die Dokumen­
                                                                                               tation „Verschleppt“
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2019 - 2020                                                      17

    ENTSCHEIDUNGEN IM ANTR AGSVERFAHREN

    Bis Ende Mai 2020 wurden 46.190 (d.h. rd. 98,5 % aller Anträge) abschließend bearbeitet:

     38.361    Anerkennungsbescheide

       6.649   Ablehnungsbescheide

       1.180   Verfahrenseinstellungen

     46.868    Anträge insgesamt

Die Anerkennungsleistung, die die ehemaligen zivilen
Zwangsarbeiter erhalten, entschädigt sie nicht annä-
hernd für die menschenunwürdige Behandlung, zu der
sie allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit ge-
zwungen waren; doch hat die Bundesregierung mit der
ADZ-Richtlinie das Unrecht und leiderfüllte Schicksal
der zivilen deutschen Zwangsarbeiter anerkannt.“

Beauftragter Fabritius machte auch als Interview-
partner für die Dokumentation „Verschleppt – das
Schicksal der deutschen Zwangsarbeiter“ (Sende­
termin November 2019) für den Bayrischen Rund-
funk auf das immer noch in weiten Teilen der
­deutschen Gesellschaft unbekannte Thema auf­
 merksam.
18                                                                                       TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2019 - 2020

II. Deutsche Minderheiten im Ausland

Beauftragter Fabritius mit den Teilnehmern der AGDM-Jahrestagung 2019 und dem Parlamentarischen Staatssekretär Stephan Mayer, MdB

Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedler-                 und ihren Vertretern. Eine besondere Rolle nimmt
fragen und nationale Minderheiten ist auch für jene                 die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten
Menschen zuständig, die als Angehörige deutscher                    (AGDM) ein. Sie ist eine 1991 in Budapest gegründete
Minderheiten in den Herkunftsländern der Aussied-                   informelle Arbeitsgemeinschaft, die alle Organisatio-
ler und Spätaussiedler verblieben sind. Es leben noch               nen vereint, die in der FUEN, dem Dachverband der
mehr als 1 Million Deutsche in den Staaten Mittel- und              autochthonen Minderheiten in Europa, zusammen-
Osteuropas sowie in den Nachfolgestaaten der Sowjet-                geschlossen sind und sich als Verbände deutscher
union.                                                              Minderheiten betrachten. Sie wird vom Bundesminis-
Eine der wichtigsten Aufgaben des Beauftragten ist                  terium des Innern, für Bau und Heimat gefördert.
es, als Repräsentant der Bundesregierung in allen
Fragen betreffend die jeweilige deutsche M
                                         ­ inderheit                So nahm Bundesbeauftragter Fabritius auch im
tätig zu werden. Dazu gehört zum Beispiel der Ko-Vor-               Jahr 2019 an der Jahrestagung der AGDM teil, die im
sitz bei den bestehenden zwischenstaatlichen Regie­                 November 2019 in Berlin abgehalten wurde. Vertreter
rungskommissionen für die Angelegenheiten der                       der deutschen Minderheiten aus 19 Ländern kamen zu
jeweiligen deutschen Minderheit sowie die Koordi­                   Beratungen und Gesprächen mit wichtigen politischen
nierung der Hilfen­politik. Von großer Bedeutung ist                Entscheidern in der Bundesrepublik Deutschland zu-
eine enge Zusammenarbeit mit den verschiedenen                      sammen.
Selbstorganisatio­nen der deutschen Minderheiten

Beauftragter Fabritius gratuliert AGDM-Sprecher Bernard Gaida zu    Beauftragter Fabritius mit den Jugendvertretern der AGDM sowie
seiner Wiederwahl                                                   AGDM-Sprecher Bernard Gaida
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2019 - 2020                                                                                    19

                                                                     Aussiedlerbeauftragten aus den Bundesländern zu-
                                                                     sammen. Hierbei regte der Beauftragte an, die zahl-
                                                                     reich vorhandenen Anknüpfungspunkte zu partner-
                                                                     schaftlicher Zusammenarbeit mit den in Deutschland
                                                                     lebenden Vertriebenen, Aussiedlern und Spätaussied-
                                                                     lern sowie den in Deutschland anerkannten nationa-
                                                                     len Minderheiten noch besser zu nutzen.

                                                                     Am Abend des ersten Tages der Tagung eröffnete der
                                                                     Bundesbeauftragte in der Botschaft der Republik
                                                                     Kroatien die Ausstellung „Deutsche in Zagreb und
                                                                     Umgebung durch die Jahrhunderte“, die von MP Goran
                                                                     Beus Richemberg, Mitglied des kroatischen Parlaments
                                                                     und Vorsitzenden des Unterausschusses für Minder-
Beauftragter Fabritius mit Staatsministerin Michelle Müntefering     heitenrechte der Parlamentarischen Versammlung des
und AGDM-Sprecher Bernard Gaida im Auswärtigen Amt in Berlin         Europarates, kuratiert wurde. In seinen einleitenden
                                                                     Ausführungen betonte Beus Richemberg die beson-
Zu Beginn der Tagung gratulierte Fabritius dem neu-                  dere Rolle der deutschen Minderheit für die Ent-
gewählten Sprecher der AGDM, Bernard Gaida, zur                      wicklung der Region. Grußworte überbrachten auch
Wiederwahl. Erfreut zeigte sich der Beauftragte über                 der Geschäftsträger der Botschaft, Ivan Bojanić, der
die rege Teilnahme der vielen jugendlichen Vertreter                 Vorsitzende der Deutschen Gemeinschaft in Kroatien,
an der Jahrestagung: „Schließlich sind Sie diejeni-                  Vladimir Ham, sowie Dr. Harald Roth als Direktor des
gen, welche die deutschen Minderheiten in Zukunft                    mitausrichtenden Deutschen Kulturforums Östliches
vertreten und ihnen nicht nur ein Gesicht geben,                     Europa in Potsdam.
sondern auch eine gute Zukunft und ein Mitsprache-
recht in Ihren Heimatländern sichern sollen.“ Mit den                Mit der Vorsitzenden des Ausschusses für Inneres und
Jugendvertretern kam Fabritius bereits am Vortag                     Heimat des Deutschen Bundestags, Andrea Lindholz,
der AGDM-Jahrestagung zu einer Sonderkonferenz                       MdB, sowie Mitgliedern der Arbeitsgruppe der Vertrie-
zusammen, in der er die Bedeutung einer möglichst                    benen, Aussiedler und deutschen Minderheiten der Uni-
frühzeitigen Einbeziehung der Jugend in Verantwor-                   onsfraktion im Deutschen Bundestag unter Vorsitz von
tungsstrukturen der Selbstorganisationen betonte                     Eckhard Pols, MdB, führten die Vertreter der AGDM ge-
und den Teilnehmern Mut machte, sich noch aktiver                    meinsam mit dem Bundesbeauftragten Gespräche über
in ihre Gemeinschaften einzubringen. Im weiteren                     eine vertiefte Vernetzung im politischen Berlin. Die Ab-
Verlauf der Tagung kamen die Teilnehmer auch mit                     geordneten Lindholz und Pols zeigten sich offen für die

Beauftragter Fabritius mit den jugendlichen Teilnehmern des Sommercamps sowie u.a. mit DFDR-Geschäftsführer Benjamin Josza
20                                                                               TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2019 - 2020

Anliegen der AGDM und eine regelmäßige Fortsetzung
der Gespräche. Zum Abschluss der Jahrestagung kamen
die AGDM-Vertreter und Fabritius im Auswärtigen Amt
mit der Staatsministerin für Internationale Kulturpoli-
tik, Michelle Müntefering, MdB, sowie den Vertretern
der Mittlerorganisationen der Deutschen Auswärti-
gen Kultur- und Bildungspolitik zu einem intensiven
und konstruktiven Austausch über die Förderung der
deutschen Kultur in den Staaten Mittel- und Osteuro-
pas sowie der früheren Sowjetunion und Dänemark
zusammen.
                                                          Beauftragter Fabritius beim Informellen Rat der EU-Minister für Dia­spo­
Des Weiteren sprach Beauftragter Fabritius anläss-        ra­fragen in Bukarest.
lich der Eröffnung der AGDM-Wanderausstellung „In
zwei Welten. Deutsche Minderheiten stellen sich vor“      für Diasporafragen, der im Rahmen des rumänischen
im Mai 2019 im Bayrischen Landtag: „Die deutschen         Vorsitzes im Europäischen Rat in Bukarest stattgefun-
Minderheiten können auf vielfältige Weise Brücken         den hat. In seinem Impuls-Statement betonte Fabritius
zwischen Deutschland und ihren Herkunftsländern           einerseits die Notwendigkeit einer Integration der
bauen. In Zeiten zunehmenden Nationalismus und            Zuwanderungsgruppen, die durch innereuropäische
Spannungen zwischen Ost und West ist es von un-           Migration und im Rahmen europäischer Freizügig-
schätzbarem Wert, selbstbewusste Brückenbauer zu          keit in einem anderen Land der Europäischen Union
haben.“                                                   wohnten, andererseits die Wahrung deren eigener
                                                          kultureller Identität als Anknüpfungsmerkmal an die
Unter der Schirmherrschaft des Beauftragten der           eigene Heimat und Kultur, die man gerade in einem
Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale        freien und offenen Europa pflegen müsse. Traditio-
Minderheiten fand im Juli 2019 das Jugendcamp 2019        nelle Herkunftsstaaten müssten zudem vor einem
in Schomlenburg in Siebenbürgen/Rumänien statt.           sogenannten Braindrain geschützt werden. Das könne
Jugendliche aus den Verbänden der deutschen Minder-       durch überzeugende Rückkehrprogramme, die gute
heiten aus elf Ländern trafen sich für zwei Wochen,       Angebote für eigene Staatsangehörige beinhalten
um sich kennenzulernen, sich zu vernetzen und die         müssten, erfolgen. Das sei kein Angriff auf die beste-
deutsche Sprache bei der Erörterung unterschiedlicher     hende Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa, sondern
Themenkreise zu pflegen.                                  berechtigte Wahrnehmung nationaler Interessen. Jede
                                                          andere Herangehensweise perpetuiere und verstärke
In seinem Grußwort zur Eröffnung dieses sechsten          zudem bestehende Unterschiede in Europa.
deutschsprachigen internationalen Sommercamps
für Jugendliche deutscher Minderheiten, das vom           Befragt nach der deutschen „Diasporapolitik“ schil-
Goethe-Institut in Rumänien und dem Institut für          derte Fabritius zuerst das Engagement Deutschlands
Auslandsbeziehungen gemeinsam mit dem Demokra-            zur Unterstützung der deutschen Minderheiten in
tischen Forum der Deutschen in Rumänien und dem           den Staaten Mittel- und Osteuropas, der ehemaligen
dortigen Jugendverband ADJ veranstaltet wird, dankte      Sowjetunion sowie in Dänemark, und betonte die
der Beauftragte den Organisatoren für dieses wich-        historische Verantwortung Deutschlands auch für
tige Angebot an Jugendliche, denen er viel Freude im      das Schicksal dieser Minderheiten nach dem Zwei-
Sommercamp und Selbstbewusstsein beim Leben und           ten Weltkrieg. Deutsche Gemeinschaften in anderen
Weiterentwickeln der eigenen kulturellen Identität        Weltregionen seien aktuell Adressaten der Auswär-
wünschte.                                                 tigen Kultur- und Bildungspolitik, eine Anpassung
                                                          des politischen Ansatzes zur vertieften Einbeziehung
Im Frühjahr 2019 vertrat Beauftragter Fabritius die       und Betreuung dieser Auslandsdeutschen habe er mit
Bundesregierung im Informellen Rat der EU-Minister        Nachdruck in Berlin vorgeschlagen. Alle Beteiligten
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