Wir sind Gesandte an Christi statt - Sonntag der Weltmission 27. Oktober 2019
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Sonntag der Weltmission Die Solidaritätsaktion der Katholiken weltweit 27.Oktober 2019 Fotos: Hartmut Schwarzbach Aktionsheft mit »Wir Liturgischen Hilfen sind Christi statt« Gesandte an 2 Kor 5,20
Inhalt Begegnung mit einer außergewöhnlichen Region Der Nordosten Indiens steht im Mittelpunkt der diesjährigen Aktion zum Sonntag der Weltmission. Als die Wahl auf Nordostindien fiel, war noch nicht bekannt, dass Papst Franziskus den Oktober 2019 zum Außerordentlichen Monat der Weltmission ausrufen und unter das Thema „Getauft und gesandt“ stellen würde. Es hätte kaum bes- ser kommen können. Nordostindien ist wie kaum eine andere Region in Indien geeignet, die Botschaft von Papst Franziskus zu vermitteln. Hier in Deutschland ist die Region vor allem wegen des guten Tees bekannt, der in den Teegärten von Assam angebaut wird. Weniger bekannt ist Nordostindien für seine lebendige, missionarische Kirche, die seit ihren Anfängen vom Engagement der Laien lebt. Wer die auch „Seven Sisters“ genannten sieben Bundesstaaten besucht, trifft Infografik: auf Christen, die von sich sagen: „Wir sind getauft und gesandt.“ Ordensfrauen, die als sogenannte Touring Sisters in die Dörfer gehen Die „Seven Sisters“ 04 und das Leben der Menschen teilen. Jugendliche, die im Glauben die Kraft finden, aus dem Teufelskreis der Schuldknechtschaft auszubre- chen und Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Familien, die A RU N ACHAL P RAD E SH die Nachbarschaft jeden Abend in ihr Haus einladen, um gemeinsam zu beten und Lösungen für die alltäglichen Probleme zu entwickeln. Itanagar Junge Frauen, die sich als Gesundheitshelferinnen ausbilden lassen, Tezpur um in den abgelegenen Dörfern der Bergregion zu helfen. Mutige B r a h m a put r a ASSAM NAGALAND Menschen, die sich in der politisch unruhigen Region für den Frieden Kohima einsetzen. Junge Adivasi, die als Barfußanwälte ihrer Gemeinschaft M E G H A L AYA Shillong helfen, gegen den Menschenhandel auf den Teeplantagen vorzuge- Imphal hen und verschleppte Kinder nach Hause zu holen. M A N I P UR TRIPURA Sie alle setzen auf ihre Weise das Leitwort der missio-Aktion aus dem Aizawl Agartala MIZORAM zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther um: „Wir sind Botschafter an Christi statt.“ Oder, in den Worten einer der Schwestern, die über Wochen unter- wegs sind, um Familien in der kaum zugänglichen Bergregion Arun- 06 REPORTAGE: achals zu besuchen: „Wenn Gott unser Herz bewegt, können wir Mission am Fuße des Himalaya nicht still sitzen. Wir müssen in Bewegung bleiben.“ 10 INFO: Auf eine Tasse Tee Papst Franziskus spricht in seinem Schreiben Evangelii Gaudium von 12 REPORTAGE: der Herausforderung, die „Mystik“ zu entdecken und weiterzuge- Die dunkle Seite der Teegärten ben, die darin liegt, einander zu begegnen. Dieses Heft stellt die Aktion zum Sonntag der Weltmission vor. Es soll neugierig machen auf die Begegnung mit den Menschen und der Kirche in Nordostindien. missio wünscht viel Freude bei der Lektüre und Vorbereitung und dankt schon jetzt für Ihre Unterstützung. 2
Gemeinde- 24 aktionen 24 INFOS UND AKTIONEN: Frauengebetskette, Aktionsartikel, Forum Weltkirche und kontinente-Magazin Liturgische 16 Indische Begrüßung 16 Hilfen und Teepause 18 Gemeindeauflauf 19 Aktion #mymission Tee Abwarten und trinken 20 20 Schwarzes Gold: 26 26 Aufruf der deutschen Bischöfe Kohlearbeiter in Meghalaya 27 Predigtanregungen 22 Indiens unruhiger Nordosten 31 Gemeindemesse Erzbischof Thomas Menamparampil: 35 Wort-Gottes-Feier Der sanfte Friedensstifter 40 Bausteine für Kinderkatechesen 41 Bausteine für Jugendgottesdienste 42 Jugendaktion 2019: Der Fall Paulus Impressum 43 missio-Kunstkalender 3
ARUNACHAL PRADESH NEPAL CHINA MEGHALAYA Die „Seven Sisters“ ASSAM Der Großteil der Fläche Assams liegt im Tal des Brahmaputra zwi schen dem Himalaya im Norden und den Bergen von Meghalaya. Landkarte (mit Teasern zu Seit der Unabhängigkeit Indiens 1947 sind die sieben Schwesterstaaten, Über 1.000 Teeplantagen in der Tiefebene entlang des Flusses „Seven Sisters“, im Nordosten Indiens nur über einen schmalen Korridor mit bilden das größte zusammenhän Zentralindien verbunden. Mehr als 200 indigene Völker leben in der Region, gende Teeanbaugebiet der Welt. die sich in Aussehen, Sprache und Kultur deutlich vom Rest Indiens unter- Im Kaziranga Nationalpark leben scheiden. Ein großer kultureller Reichtum. Doch die indigenen Volksgrup- noch mehr als 2400 Panzernas MIZORAM pen fühlen sich im eignen Land häufig als Bürger zweiter Klasse. Denn die hörner. Das Nashorn ist das Wahr zeichen Nordostindiens. Vielfalt im Nordosten wird von der Regierung in Delhi eher als Bedrohung ARUNACHAL PRADESH gesehen. Immer wieder kommt es zu Spannungen mit der Zentralregierung und Separationsbewegungen. Auch zwischen den Gruppen selbst entladen sich Konflikte oft gewaltsam. Der Anteil der christlichen Bevölkerung in den sieben Bundesstaaten liegt bei rund 90 Prozent in Nagaland und einer kleinen Minderheit von vier Prozent in Assam. In Nagaland, Meghalaya und Mizoram sowie der Berg TRIPURA region Manipurs gehört die Mehrheit der Bevölkerung dem Christentum an. Überwiegend sind es protestantische Gemeinschaften. Die Einwohner der MEGHALAYA Ebenen Assams, Tripuras und des Manipur-Tals sind mehrheitlich Hindus. Der auf einem Hügelplateau gele gene Bundesstaat wird auch das Weitere Informationen zu Volksgruppen und Religionen: „Schottland Indiens“ genannt. www.missio-hilft.de/religionen-nordostindien Hier befindet sich der regen reichste Ort der Welt. Ende des 19. Jahrhunderts begann mit dem deutschen NAGALAND Salvatorianer Pater Otto Hopfenmüller von Shillong aus die Missionsarbeit der katholischen ASSAMIndiens. Kirche im Nordosten Die drei großen indigenen Völker Khasi, Garo und Jaintia leben in INDIEN einer matrilinearen Gesellschaft: Die jüngste Tochter erbt den Besitz. MANIPUR MIZORAM 4 TRIPURA
ASSAM MEGHALAYA ARUNACHAL PRADESH Die Bewohner in Arunachal Pradesh gehören mehrheitlich indigenen Volksgruppen an. Die Nyishi, das größte Volk, schmücken ARUNACH AL P RAD ESH ihre traditionellen Hüte mit dem MIZORAM bunten Schnabel des Nashornvo gels, heute meist eine Kunststoff ASSAM kopie. Die meisten Menschen in dem Himalaya-Bundesstaat leben von der Landwirtschaft, MEGHALAYA besonders dem Anbau von Obst, aber auch Gewürzen wie Kardamom. Itanagar BHUTAN ARUNACHAL PRADESH TRIPURA Tezpur MIZORAM B r a h m a put r a ASSAM A S SAM NAGALAND Kultur und Reportagen) MEGHALAYA ME GHA LAYA Kohima NAGALAND Shillong Das Nagaland verdankt seinen ARUNACHAL PRADESH TRIPURA Namen den rund 16 Volksgruppen, deren verschiedene Völker unter dem Begriff „Naga“ zusammen MIZORAM Imphal gefasst werden. Seit der Gründung Indiens streben die Nagas nach Unabhängigkeit. Heute gibt es ASSAM M ANIP UR ein Friedensabkommen mit der indischen Zentralregierung. Doch BANGLADESCH der Konflikt,MANIPUR der immer wieder gewaltsam aufflammt, ist nicht MEGHALAYA gelöst. NAGALAND TRIPURA Aizawl Agartala TRIPURA MIZORAM MIZORAM MYANMAR ASSAM MANIPUR In Manipur kommt es wie in Assam und Nagaland immer wieder zu NAGALAND Spannungen und Unruhen. Separa tistische Gruppen und gewaltsame ethnische Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Volks TRIPURA gruppen lassen den Bundesstaat Tripura, von Bangladesch weit nicht zur Ruhe kommen. Experten gehend umschlossen, besteht sprechen von „permanenter Unord größtenteils aus bewaldetem nung“ und „Instabilität“. MIZORAM Hügelland. Die Mehrheit der Bevölkerung sind Bengalen. Hinzu Das „Land der blauen Berge“ ist kommen verschiedene zu einem Großteil mit Bambus MANIPURindigene Völker. Die Bevölkerung lebt von wäldern bewachsen. Zahlreiche der Landwirtschaft wie dem Anbau Flüsse und Seen prägen die Land von Zuckerrohr, Reis, Kartoffeln, schaft. „Mi-zo-ram“ bedeutet so Kautschuk NAGALAND und Tee. viel wie „Land der Hochländer“. In Mizoram liegt die Alphabetisie rungsrate bei über 90 Prozent, auf Platz zwei hinter Kerala. TRIPURA 5
Lange war christlichen Missionaren der Zutritt in die unwegsame Bergwelt strengstens verboten. Heute ist die katholische Kirche in vielen Dörfern des Bundes- staates Arunachal Pradesh ein gern gesehener Gast. Mit dem Glauben bringt sie auch Entwicklung zu den Menschen. Dafür nehmen Priester und Ordensschwes tern oft große Mühen auf sich. Mit Erfolg. Schon im Morgengrauen hatte sich Schwester Agnes aufgemacht, um an einer Tauffeier teilzunehmen. Zuerst ging es mit dem Geländewagen mehrere Stunden lang über enge, kurvenreiche Straßen die Berge hoch. Immer wieder blockierten Erdrutsche, die im Schritttempo umfahren werden muss- ten, den Weg. Dann setzte Regen ein. Mehr- fach geriet das Auto auf dem matschigen Untergrund gefährlich nahe am Abgrund ins Schlittern. Schließlich erreichte der Wagen sein Ziel, das Dorf Yangte. Vor der Kirche hat sich im Nieselregen die Gemeinde versammelt. Die Gesichter der Menschen erinnern eher an Tibeter als an Inder. Sie gehören zur Volksgruppe der Nyishi, dem größten von 30 indigenen Völkern in Arunachal Pradesh. Heute sind in Arunachal Pradesh rund 30 Prozent der Menschen Chris- ten. Im Bistum Itanagar, dem größeren der beiden Bistümer, gehören rund neun Prozent Schwester Agnes Haokip arbeitet der Menschen zur katholischen Kirche. Die als „Touring Sister“ in der Bergregion des Schwester Agnes hat sie gerade noch recht- meisten sind Nyishi. Bundesstaates Arunachal Pradesh. zeitig entdeckt. Ein halbes Dutzend Blutegel Einige Männer tragen die traditionellen klettert an ihrer Wade hoch. Mit einem Ast Kopfbedeckungen der Nyishi: Helme mit dem versucht sie, die nur zwei Zentimeter lan- Schnabel des Nashornvogels, heute meist nur gen Würmer abzustreifen. Vergebens. Erst eine Nachahmung aus Kunststoff und in einer der beherzte Griff eines Mädchens, das die Scheide eine Machete. Auch Frauen sind in Ordensfrau den matschigen Pfad hinauf zu Tracht erschienen, mit Gürteln aus runden einer kleinen Kirche begleitet, löst die hartnä- Metallschellen. Es ist ein besonderer Tag im ckigen Blutsauger von ihrem Bein. Dorf Yangte. Die Gemeinde hat sich in der Die Franziskanerschwester Agnes Haokip Kirche zu einer Taufe zusammengefunden. besucht mehrmals im Jahr Dörfer im Bistum Itanagar im Bundesstaat Arunachal Pradesh. Taufe in Nyishi-Gemeinde Als „Touring“ bezeichnen die Ordensfrauen Während der Tauffeier treten mehrere Müt- die Einsätze, in denen sie oft zu Fuß mehrere ter mit ihren Babys vor den Altar. Der Pfarrer Dörfer aufsuchen und Hausbesuche machen. benetzt die Stirn eines jeden Kindes mit Tauf- Die „Touring Sisters“ beten mit den Men- wasser und spricht den Namen laut aus. Dann schen, leisten medizinische Hilfe, werben für stimmt die Gemeinde einen feierlichen Gesang den Schulbesuch und teilen während des in der Nyishi-Sprache an. Auch Schwester ein- bis zweiwöchigen Einsatzes das einfache Agnes singt mit, obwohl die Sprache für sie Leben der Bergbevölkerung. noch etwas ungewohnt ist. Die 36-jährige 7
Pater John Pudussery (2. v. r.) leitet eine Schule und besucht als Pfarrer regelmäßig Nyishi-Dörfer. arbeitet erst seit eineinhalb Jahren im Bistum Itanagar. Sie gehört zur Volksgruppe der Kuki, die im Nordosten Indiens beheimatet ist. Nach der Taufe kommen einige Frauen mit ihren Kleinkindern zu Schwester Agnes und suchen ihren Rat. Die Ordensfrau hilft, wo sie kann. Der nächste Arzt ist weit ent- fernt. Es gibt nur wenige Krankenhäuser und Gesundheitsstationen. Besonders Kinder sterben oft an Krankheiten, die, rechtzeitig erkannt und behandelt, leicht heilbar wären. „Es macht mich traurig, wenn ich zu spät ich eine Frau, die mit ihren Kindern in einer Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. Denn gerufen werde und nichts mehr tun kann“, völlig verwahrlosten Hütte lebte. Die Frau litt die nächste liegt manchmal eine Tagesreise erklärt Schwester Agnes. unter Kinderlähmung und konnte den Haus- weit entfernt. Auch die Don-Bosco-Schule Manchmal lässt sich die Not von Men- halt nicht allein führen“, berichtet Schwester bietet Schülern eine Möglichkeit der Unter- schen jedoch schon mit einfachen Mitteln lin- Agnes. „Sie war nicht mehr in der Lage, ihre bringung. dern. „Bei einem meiner Hausbesuche fand Kleidung zu wechseln oder die ihrer Kinder. Meine Mitschwester und ich kamen jedes Popsongs und Nyishi-Tanz Wochenende. Wir versorgten die Familie Über dem Schulhof wummern die Bässe medizinisch und wir badeten die Frau und indischer Bollywood-Songs aus Lautspre- die Kinder. Wir wuschen die Kleidung und cherboxen. Vor versammelter Schulge- säuberten die Hütte.“ meinschaft tanzen Mädchen und Jungen Schließlich baten sie die Katholiken aus in grünen und pinken Hemden. Nach ihrer dem Dorf um Hilfe, um ein neues Haus zu Darbietung werden sie mit stürmischem bauen. Viele halfen. „Heute hat die Familie ein Applaus entlassen. stabiles Haus, das so viel besser sauber zu hal- Unter den begeisterten Zuschauern ist ten ist als die Hütte zuvor“, erzählt die Fran- auch Pater John Pudussery. Der Direktor der ziskanerin. „Das macht mich sehr glücklich.“ Schule feiert heute seinen 52. Geburtstag. 600 Am nächsten Tag ist Schwester Agnes Schülerinnen und Schüler der Don-Bosco- wieder zurück in der Kleinstadt Palin. Hier Schule haben dafür tagelang Theaterszenen, betreuen die Franziskanerinnen ein Inter- Sketche und einen Big-Band-Auftritt geprobt. nat für Mädchen. Die Kinder besuchen die Am Ende des Programms tanzen Schülerinnen benachbarte Don-Bosco-Schule. Für viele Kin- in traditioneller Tracht der Nyishi mit den der sind diese Unterbringungen oft die einzige typischen Nashornvogel-Kappen. Glückliche Mutter mit ihrem neu getauften Baby in dem kleinen Bergdorf Yangte. Die meisten Katholiken im Bistum Itanagar gehören zu den Nyishi. Stephen Toku Taju (rechts) kam in der Schule mit dem Christentum in Berührung. Sein Vater Kame Taku (links) war einst animistischer Priester. Heute ist er Katholik. 8
Selbstbewusst und glaubensstark: Mary Ama Tassar macht eine Ausbildung als Wirtschafts prüferin. „Wir bestärken unsere Schüler, ihre Orna- nellen Nyishi-Häuser ist das Haus von Familie mente und Trachten zu tragen“, erklärt Pater Tassar ein Bambushaus auf Stelzen. In der John, der ursprünglich aus Kerala stammt. Mitte des Raumes brennt ein Feuer. „Wir sind nicht gegen die indigenen Kulturen. In einem Nebenraum hat Hausherr Taro Wir unterstützen und ermutigen sie, weil wir Tassar einen eigenen Gebetsraum eingerich- als Kirche nicht außerhalb ihrer Kultur stehen tet. Neben Bildern von Jesus, Mutter Teresa wollen.“ und Papst Franziskus hängt hier um ein Kreuz Neben seiner Arbeit als Lehrer und Direk- ein großer erleuchteter Rosenkranz. Gemein- tor besucht Pater John regelmäßig als einer sam beten die Familien den Rosenkranz und von drei Pfarrern an den Wochenenden sprechen Fürbitten. Danach nehmen alle auf mehrere Nyishi-Gemeinden. Die Pfarrei ist für dem Boden um das Feuer Platz. Taros Frau 32 Dörfer zuständig. Oft wird er dabei von Rina serviert ein Reisgericht auf Bananen- Schülerinnen und Schülern begleitet. „In der blättern. Nyishi-Kultur gibt es viele gute Qualitäten, die Voller Stolz erzählt sie Schwester Agnes, mit den Werten des Christentums gut verein- dass ihre Tochter Mary gerade für eine beson- bar sind“, führt er aus. „Die möchten wir ver- ders gute Leistung bei ihrer Ausbildung aus- tiefen und die Dinge, die nicht vereinbar sind, gezeichnet wurde. Die 20-Jährige hatte ihren nungsprüfung gehört zu den wichtigsten wie Kinderehen und Polygamie, beenden.“ Abschluss an der Don-Bosco-Schule in Palin Aufgaben in einem Unternehmen, damit Besonders in der Förderung von Mädchen gemacht und absolviert jetzt eine Ausbildung Korruption und Misswirtschaft keine Chance sieht Pater John eine wichtige Aufgabe. „Ich zur Wirtschaftsprüferin im Bundesstaat Assam. haben“, erklärt die junge Frau ihre Motiva- muss immer wieder miterleben, wie brillante, „Unter 3.000 Studentinnen hat sie in diesem tion für die Wahl ihrer Ausbildung. vielversprechende Schülerinnen, kaum haben Jahr die beste Abschlussnote erreicht“, berich- Später möchte Mary in ihre Heimat sie die 9. Klasse vollendet, verheiratet werden. tet Rina Tassar stolz. zurückkehren und als Wirtschaftsprüferin Im Alter von 15 Jahren verabschieden sie sich arbeiten. Und sie plant eine ehrenamtliche in ein Leben als Hausfrau, oft als Zweit- oder Glaube und Entwicklung Berufsberatung für Jugendliche. Denn sie Drittfrau“, berichtet er. Umso mehr freut er Mary Ama Tassar hatte lange recherchiert, möchte jungen Menschen helfen, sich besser sich, wenn es einer Schülerin gelingt, ihren um eine passende Ausbildung zu finden. „Ich über Studien- und Berufsmöglichkeiten infor- eigenen Weg zu gehen. fand Wirtschaft schon immer spannend. Aber mieren zu können. mir fehlten Informationen über Berufe und Ihr Glaube spielte für Mary auch dabei Hausandacht Ausbildungen“, erzählt die junge Frau, die eine entscheidende Rolle. „Der Glaube ist für Am Abend nimmt Schwester Agnes an einer jetzt in Guwahati, der größten Stadt in Nord- mich wie Salz. Er bringt Geschmack in jede Andacht in einem Haus einer Familie teil. ostindien, das „Institut für Wirtschaftsprüfer Phase meines Lebens. Mir hat mein Glaube Jeden Abend kommen mehrere Familien in in Indien“ besucht. geholfen, mich selbst zu finden“, sagt Mary. einem anderen privaten Haus zusammen, Schließlich hat Mary durch ein Video auf um gemeinsam zu beten. Wie alle traditio- YouTube gefunden, was sie suchte. „Rech- ARUNACHAL PRADESH Schüler und Laien als Glaubensboten Der Bundesstaat Arunachal Pradesh ist der die ersten Glaubensboten“, erzählt Stephen Gedanken finde ich auch im Christentum. nördlichste der Sieben-Schwester-Staaten. Toku Taju. Der heute 41-Jährige ist viele Für mich ist die Fähigkeit, zu vergeben, eine Er grenzt an Bhutan, China und Myanmar. Jahre als Katechist tätig gewesen. Heute der wichtigsten Qualitäten des christlichen Bis Ende der 1970er-Jahre war Mission in der arbeitet er an einer Neuübersetzung der Glaubens“, erklärt Stephen. „Und dass es sensiblen Grenzregion strengstens verboten. Bibel in die Sprache der Nyishi mit. Auch sein im Christentum Liebe gibt, selbstlose Liebe. Missionare, die es trotzdem wagten, riskier- 81-jähriger Vater, Kame Taku, ein ehema- Diese Idee gefällt mir sehr.“ ten, verfolgt, misshandelt oder eingesperrt liger animistischer Priester, ist heute Katholik. zu werden. „Schon als Kinder lehrte uns mein Vater, Video Es waren Internatsschüler aus Arunachal dass wir Menschen nichts Schlechtes wün- Nyishi-Willkommenstanz Pradeshs Bergdörfern, die in dem kleinen schen dürfen“, erzählt Stephen. „Nach Der 81-jährige Kame Ort Harmutty eine Schule besuchten und unserem traditionellen Glauben kann das Taku singt dazu ein Lied. ihre Familien in den Schulferien für das Chri- einem Menschen schweres Leid zufügen. stentum begeisterten. „Wir Schüler waren Stattdessen sollten wir vergeben. Diesen www.missio-hilft.de/tanz-nordostindien 9
Die Erfindung des Teebeutels … war ein Versehen. Der New Yorker Teehändler Thomas Sullivan schickt 1908 seinen Kunden Tee in Seidensäckchen. Sie kochen den Tee im Beutel und sind vom Ergebnis so begeistert, dass sie Nachschub bestellen. Teelegende Assamtee Der chinesische Kaiser Shen Nung Der Assamtee wird an beiden Ufern soll schon 2737 vor Christus auf den des Flusses Brahmaputra geerntet. Geschmack gekommen sein. Tropenklima und fruchtbare Böden Als er unter einem Baum ruht, fällt sorgen für ein würzig-malziges ein Teeblatt zufällig in kochendes Aroma. Der Schwarztee findet sich in Wasser. Der Kaiser probiert das vielen englischen und ostfriesischen Getränk und ist entzückt. Teemischungen. Was zuerst: Milch oder Tee? Zuerst die Milch – dann den Tee. Denn Eiweißverbindungen in der Milch bleiben nur bis zu einer Temperatur von 70 Grad stabil und können Bitterstoffe im Tee binden. Wer seinen Tee bitter mag, der sollte zuerst den Tee in die Tasse schütten. auf eine Tasse 10 Tee
Teeanbau in Indien Indien ist nach China der zweitgrößte Teeproduzent der Welt. Assam ist die produktivste Region im Land, in der die Hälfte des indischen Tees produziert wird. Das Getränk ist sehr beliebt. 70 Prozent des Tees trinken die Inder selbst. Assamica-Teepflanze Der Schotte Robert Bruce entdeckt 1823 in Assam eine einheimische Teepflanze. Wenig später beginnen die Briten, Teeplantagen in Nordostindien anzulegen, um nicht länger von China abhängig zu sein. Masala Chai In Indien wird für Tee der Begriff „Chai“ verwendet. Die Inder trinken ihren Schwarztee gerne mit Milch, Zucker und einer Mischung, „Masala“ genannt. Diese kann aus Gewürzen wie Kardamom, Muskat, Pfeffer und Ingwer bestehen. Chai-Wallahs … nennen die Inder die Teeverkäufer, die auf der Straße, auf Bahnhöfen oder im Zug ihren Tee, genannt „Chai“, verkaufen. Die „Wallahs“, Händler, gießen den Chai oft aus großer Höhe in kleine Tontassen oder Gläser. 11
REPORTAGE: BETTINA TIBURZY FOTOS: HARTMUT SCHWARZBACH DIE DUNKLE SEITE DER TEEGÄRTEN E Tee aus Assam ist weltbekannt. Doch auf den in Meer sattgrüner Pflanzen säumt den Weg entlang der Teeplantage. Plantagen im Nordosten Indiens wird nicht nur Vor den Häusern am Rand der Tee- mit Tee gehandelt. Menschenhändler nutzen die gärten fassen sich zwei Mädchen an den Händen. Sie lachen, drehen sich im verzweifelte Lage vieler Teepflückerfamilien aus. Kreis. Schneller, immer schneller. Plötzlich Dagegen machen Ordensfrauen mobil – durch bricht eines der beiden zusammen. Der Teen ager krümmt sich unter Schmerzen auf dem Aufklärung und auch durch ein Evangelisierungs- Boden. Jugendliche eilen herbei, rufen um programm. Hilfe. Das Mädchen rührt sich nicht mehr. Die Szene ist Teil eines Straßentheater- stücks, das Jugendliche vor den Wohnquar- tieren der Teepflückerinnen in einer Tee- plantage aufführen. Eine Gruppe Zuschauer, darunter zahlreiche Kinder, verfolgt auf- merksam das Spiel der Jugendlichen. „Mit dem Stück wollen wir über die Gefahren des Menschenhandels auf den Teeplantagen aufklären“, erzählt Schwester Annie Enchenatil. Die Salesianerin leitet die 12
In einer Teeplantage klären Ordensfrauen mit Straßen theater über die Gefahren des Menschenhandels auf. wurde. Kurz darauf starb Monica. „Die Löhne für die Knochenarbeit sind niedrig: Eltern versuchten nicht einmal, die Ver- 176 Rupien, rund 2,20 Euro pro Tag. antwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Der Arbeitstag der 24-jährigen Teepflü- Sie waren Analphabeten und hatten nie- ckerin Soba Kachap* beginnt um sieben manden, der sie unterstützt“, berichtet Uhr morgens. Dann muss die zweifache Schwester Annie. Die Ordensfrau kennt Mutter pünktlich beim Vorarbeiter antre- viele solcher Geschichten. In den Teegärten ten. Gepflückt wird neun Stunden mit einer Assams blüht das Geschäft der Menschen- halben Stunde Pause dazwischen. Danach händler. müssen die Arbeiterinnen oft weite Wege Entlang des Flusses Brahmaputra bilden zurücklegen, um den Tee wiegen zu lassen. Hunderte Plantagen das größte zusammen- So dauert es oft noch viel länger, bis Soba hängende Anbaugebiet für Tee weltweit. Der wieder bei ihren Kindern ist. Tee aus Assam ist gefragt. Rund 17 Prozent Manche Mütter haben niemanden, der der weltweiten Teeproduktion stammen aus auf die Kinder aufpasst, berichtet Schwester der Region im äußersten Nordosten Indiens. Annie. „Die Mütter erzählten, dass sie den sozial-pastoralen Programme ihres Ordens, Man findet den Schwarztee in englischen Kindern ,eine Art Opium’ geben, damit sie die dem Menschenhandel in den Teegärten und ostfriesischen Teebeuteln. Vom Leid der tagsüber schlafen“, erzählt die Ordensfrau. den Kampf angesagt haben. „Das Theater- Menschen, die ihn produzieren, dürften die Auf Sobas Kinder passt deren Mutter stück handelt von einem wahren Fall.“ Teekonsumenten kaum etwas ahnen. auf. Mit ihr und drei Brüdern lebt Soba in Die 16-jährige Monica Kandulna* einem der Häuser auf der Teeplantage, das stammte aus einer armen Teepflückerfami- dem Plantagenbesitzer gehört. Die hellblau lie. Eines Tages sprach die Familie ein Mann KNOCHENARBEIT getünchten Wände im Inneren sind klamm. an, der anbot, Monica eine bezahlte Arbeit In der stechenden Sonne zupfen Frauen An einer Wand lehnt ein halbes Dutzend als Hausmädchen in Kolkata zu vermitteln. Teeblätter von den Teepflanzen. Auf ihren Säcke mit Reis, Teil der Bezahlung durch den Die Familie willigte ein. Monica arbeitete ein Rücken tragen sie mit einem Trageriemen Plantagenbesitzer. Daneben hängen ein Bild Jahr im Haushalt, als man bei der Frau des um die Stirn befestigt große Körbe. Darin der Jungfrau Maria und ein Rosenkranz. Auf Hauses ein Nierenversagen feststellte. Ihr verschwindet alle paar Sekunden eine Hand- der anderen Seite hat einer von Sobas Brü- * Name von Redaktion geändert Ehemann lockte Monica ins Krankenhaus. voll Blätter. dern einen Kalender mit einem Flugzeug der Ohne das Einverständnis des Mädchens ent- Die Teepflückerinnen gehören zu den indischen Armee befestigt. Außer den Betten nahm man ihr eine Niere und pflanzte sie der Adivasi. Seit rund 150 Jahren pflücken und in den drei Zimmern gibt es kaum Möbel. Ehefrau ein. Als es bei Monica Komplikati- verarbeiten diese ursprünglich aus Zentral Sobas Brüder besuchen die Schule und onen gab, brachte ein Agent sie zurück nach indien stammenden Volksgruppen den das College. „Als meine Mutter älter wurde Hause, wo sie kollabierte. Tee. Doch vom Teehandel profitieren die und nicht mehr schnell genug pflückte, sagte Ein Arzt teilte den Eltern schließlich mit, Menschen, die in der Produktionskette die der Manager, ich soll ihre Arbeit überneh- dass ihrer Tochter eine Niere entnommen härteste Arbeit leisten, am wenigsten. Die men“, erzählt Soba. Damit die Familie nicht 13
Soba mit Töchterchen Ahita. Sie soll es eines Tages besser haben und Lehrerin werden. Manchmal geben sie den Eltern Geld. 1000 Rupien, rund zwölf Euro, sind für eine arme Familie schon sehr viel. Dann bringen sie die Kinder in eine große Stadt wie Delhi oder Bombay, wo Mädchen oft als Hausmäd- chen und Jungen in Hotels arbeiten. Anfangs bekommen die Eltern kleine Beträge zuge- sandt. Sie glauben, alles sei in Ordnung. Aber nach einigen Monaten oder einem Jahr stellen die Agenten die Zahlungen ein. Von den Kindern fehlt dann oft jede Spur. RETTUNGSAKTION Manchmal gelingt es Schwester Annie und ihrem Team, Opfer der Menschenhändler zu retten. Fünfzehn waren es in den letzten drei Jahren. „Wir haben junge Menschen das Haus verliert, brach Soba die Schule ab. halten sie für minderwertig. Oft werden sie in Chennai, Bombay, Delhi wiederfinden Denn es muss mindestens ein Familienmit- diskriminiert. Für die Besitzer der Teeplan- können. Von ihnen haben wir erfahren, wie glied in den Teegärten arbeiten, damit eine tagen sind sie billige Arbeitskräfte, deren in die Bedingungen sind“, erzählt sie. „Von Familie in einem der Häuser wohnen kann. Generationen etablierte Schuldknechtschaft morgens bis abends müssen sie arbeiten. Sie Manchmal blättert Soba die alten Schulbü- sie erhalten wollen. Und den Adivasi selbst werden wie Sklaven behandelt.“ cher durch, erzählt sie. Sie wäre gerne weiter mangelt es oft an Selbstvertrauen. Seit zehn Jahren leitet Schwester Annie zur Schule gegangen. Um das zu ändern, begannen die Sale- das „Auxilium Reach Out“-Programm des sianerinnen, Frauen zu unterrichten. „Wir Ordens, das in 34 Zentren in Nordostindien haben 65 Selbsthilfegruppen gegründet, die sozial-pastorale Arbeit leistet. Dazu gehören MANGELNDE BILDUNG Frauen lesen, schreiben, rechnen gelehrt und die Katechistenausbildung, Hausbesuche, Dabei hatte es Soba noch gut. Viele Frauen ihnen erklärt, wie man ein Konto bei einer Bildung für Mädchen und Frauen, Selbst- auf den Plantagen haben nie eine Schule Bank eröffnet“, erzählt Schwester Annie. hilfegruppen für Frauen und Kinderparla- besucht, können weder lesen noch schreiben. „Jetzt sind sie in der Lage, für sich zu spre- mente. Das nutzen manche aus. „Beim Wiegen der chen. Sie kennen ihre Rechte und haben den Seit 2016 legt der Orden einen Schwer- Teeblätter haben die Arbeiter an der Waage Mut, sie einzufordern.“ punkt auf den Kampf gegen Menschen- die Frauen manchmal getäuscht. Hatte Die Menschenhändler wissen um die handel. „Armut und Menschenhandel jemand zehn Kilo gepflückt, behauptete schwierige Situation der Plantagenarbeiter machen aus Gottes Kindern Sklaven“, erklärt der Arbeiter, es seien nur acht Kilo“, erklärt und suchen gezielt nach kinderreichen Fami- Schwester Annie. „All unsere Aktivitäten Schwester Annie. „Als wir davon erfuhren, lien. „Sie wissen genau, welche Familien ver- richten sich gegen dieses Übel.“ ermutigten wir die Frauen, ihre Rechte ein- schuldet sind und wo sie große und kleine Ziel der Ordensfrauen ist es, 30 gefähr- zufordern.“ Kinder finden können“, berichtet Schwe- dete Dorfgemeinschaften bis 2020 so zu Für ihre Rechte einzustehen, ist für die ster Annie. Sie erzählen den Eltern, dass sensibilisieren, dass Menschenhändler Adivasi nicht selbstverständlich. Die ande- die Tochter oder der Sohn eine gute Arbeit keine Chance haben. Dazu haben die ren Volksgruppen schauen auf sie herab, bekommt, Geld nach Hause schicken kann. Schwestern eine Art Bürgerkomitee gegen Menschenhandel gegründet, das in den Gemeinschaften wacht, gegebenenfalls die Polizei einschaltet, aber auch über » Armut und Menschenhandel machen aus Gottes Kindern sichere Formen der Migration und Arbeits- suche informiert. Sklaven. All unsere Aktivitäten Besondere Hoffnung setzt Schwester richten sich gegen dieses Übel. Annie in die Adivasi-Jugendlichen. „Wir wollen die Jugendlichen fördern, ihr Selbst- Schwester Annie Enchenatil vertrauen stärken und sie zu Führungsper- sönlichkeiten in ihrer Kirchengemeinde und in den Gemeinschaften machen“, erklärt Schwester Annie. Darum haben sie in den Dörfern jugendliche Multiplikatorengruppen gegründet, in denen sie christliche Werte 14
Wer sind die Adivasi? vermitteln und die Jugendlichen ermutigen, In Indien gehören rund 700 indigene Mitte des 19. Jahrhunderts versprachen sich in ihrem Umfeld zu engagieren. Volksgruppen zu den Adivasi, Sanskrit die Briten nach Hungersnöten in Zentral- Vielen Schulabbrechern haben die für „erste Siedler“. Die se Urvölker sind indien Tausenden Menschen eine bes- Schwestern lesen und schreiben beigebracht. die Nachfahren indischer Ureinwohner, sere Zukunft im Nordosten Indiens. Doch Neben Berufsberatung, Aufklärung über die die schon vor der Invasion von Hirten- einmal in Assam angekommen, mussten Gefahren von Drogenkonsum und Umgang völkern aus Zentralasien vor 3.500 Jah- die Menschen den dichten Urwald roden mit Medien werden die Jugendlichen auch ren den indischen Kontinent besiedelten. und Teeplantagen anlegen. Die einheimi- über die Gefahren des Menschenhandels Im Nordosten Indiens werden heute die sche Bevölkerung hatte sich geweigert, aufgeklärt. Und sie verbreiten ihr Wissen indigenen Volksgruppen, die vor rund die Knochenarbeit zu verrichten. Seither unter Gleichaltrigen, auch durch die Auffüh- 150 Jahren von der britischen Kolonial- arbeiten Generationen von Adivasi in den rungen von Straßentheater. macht umgesiedelt wurden, als „Adivasi“ Teegärten, oft in großer Abhängigkeit von Nachdem das Mädchen im Theaterstück bezeichnet. den Plantagenbesitzern. an den Folgen der Nierentransplantation gestorben ist, strömen Nachbarn und ihre Familie herbei. Sie weinen und wehkla- gen. Die Eltern bedauern, ihre Tochter in die Obhut von Leuten gegeben zu haben, die sie nicht kannten. Sie appellieren an die Zuschauer: „Bitte, tut das niemals euren Kindern an!“ SELBSTVERTRAUEN Einer der jungen Schauspieler ist Barnabas Kongadi. Seine Mutter arbeitet auf der Plantage als Teepflückerin. Seine vier jün- geren Schwestern gehen alle zur Schule. Der 23-Jährige hat am Programm der Sale- sianerinnen teilgenommen. „Dadurch ist mir vieles klar geworden“, erzählt Barna- bas. „Es hat mich meiner Religion näher gebracht und meinen Glauben vertieft, auch den Glauben an mich selbst. Und ich habe rausgefunden, was ich mit meinem Barfußanwälte gegen Menschenhandel Leben anfangen will.“ Heute studiert Bar- nabas am College. Er will Lehrer werden Sich für die eigene Gemeinschaft einset- Als Shiblal im Mai 2017 Hinweise erhält, und sagt: „Ich möchte möglichst viele arme zen, den Menschenhandel bekämpfen: dass eine Gruppe Kinder mit dem „Inter- Kinder davor bewahren, die Schule abzu- Junge Adivasi wie Shiblal Panika machen city Express“ nach Delhi „verschickt“ wer- brechen. Das ist mein Traum.“ es vor. Der 23-Jährige ist einer von 500 den sollte, macht er sich frühmorgens zum Auch bei den Adivasi-Frauen zeigt das „Barfußanwälten“ in Assam, die sich auf Bahnhof auf. Er findet die Gruppe, ruft die Programm Wirkung. „Meine Mitschwes den Teeplantagen ehrenamtlich enga- Bahnhofspolizei. Die Menschenhändler tern fragten vor Kurzem Mütter, ob sie ihre gieren. „Barfußanwälte“ sind jugend- werden festgenommen, später verurteilt. Kinder zu uns in die Gemeinde schicken liche Adivasi, die lernen, welche Rechte Initiiert und geschult wurden die „Barfuß- könnten, um uns bei einer Arbeit zu helfen. sie haben und wie sie ihrer Gemeinschaft anwälte“ von den Jesuiten (Legal Cell for Die Frauen antworteten: ,Aber Schwestern, helfen können, um gegen den Menschen- Human Rights). Seit Kurzem machen auch ihr habt uns doch erklärt, dass wir unsere handel vorgehen zu können. Frauen mit. Kinder nirgendwohin schicken sollen. Denn es ist gefährlich’“, erzählt Schwester Annie. Und mit einem Schmunzeln fügt sie hinzu: „Das gefiel meinen Mitschwestern und mir.“ Video Straßentheater in Teeplantage www.missio-hilft.de/strassentheater-assam 15
Gemeinde- aktionen Machen Sie und Ihre Gemeinde mit bei der missio-Kampagne zum Weltmissionssonn tag am 27. Oktober. Wir haben dazu einige Ideen und Anregungen zusammengestellt, die sich einzeln realisieren lassen oder miteinander kombiniert werden können – auch mit unseren Aktionsideen rund um das Thema „Mission“. Papst Franziskus hat dazu aufgerufen, sich mit diesem Thema eigens auseinanderzusetzen, und deshalb den Okto ber 2019 zum Außerordentlichen Monat der Weltmission erklärt. Nutzen Sie also gerne das gemeinsame Essen nach dem Sonntagsgottesdienst („Gemeindeauflauf“), um über „Mission heute“ ins Gespräch zu kommen und die Aktionskarten „Meine Mission“ ein zusetzen. Oder beenden Sie Ihre „Touring Mission“ durch die Gemeinde bei einer Tasse indischem Masala-Chai-Tee. Indische Begrüßung und Teepause In der nordostindischen Region Assam, dem größten Tee- anbaugebiet Indiens, tragen die Einwohner oftmals Schals mit einem roten Design, das typisch für diese indigene Volksgruppe ist. In der bergigen Region schützen Schals im Winter vor der Kälte, im heißen Sommer vor der Sonne. Dieser Schal heißt Gamcha. Gäste bekommen einen sol- chen Gamcha mit einem freundlichen „Hearty Welcome“ um die Schultern gelegt – ein Ausdruck der Gastfreund- schaft. Angeboten wird Gästen außerdem zu jeder Gelegenheit REZEPT Tee. Chai-Tee ist das Nationalgetränk Indiens. Fliegende Teehändler, sogenannte Chai-Wallahs, gibt es in Indien an Masala Chai vielen Straßenecken. Mal kurz durchatmen, Pause machen, die Sinne wieder schärfen: Die Inder trinken den köstlichen Chai aus schwarzem Tee, Milch und Gewürzen zu jeder Tageszeit. Für 4 Personen: Eine festgelegte Teezeremonie, wie sie etwa in Japan 650 ml Wasser stattfindet, gibt es in Indien nicht. Und auch das eine 400 ml Vollmilch (alternativ Büffelmilch) Rezept für Chai gibt es nicht: Beinahe jede Familie hat 5 grüne Kardamomkapseln ihr ganz eigenes Rezept für Chai und ihre ganz eigene 6 Gewürznelken Gewürzmischung (Masala). Im Nordosten des Landes wird 2 Sternanis (oder 1 TL Anis) Chai beispielsweise mit Salz verfeinert oder auch mit Zie- 1 Zimtstange genmilch vermischt. Er ist ein an-, aber kein aufregendes 1 Stück Ingwer, frisch, in Scheiben gehackt Getränk. Wohl bekomm’s! 1 gehäufter EL schwarzer Assamtee 3 – 4 EL Zucker, Ahornsirup oder Honig (nach Belieben) 16
Tee Abwarten und PamelaJoeMcFarlane/Getty Images/iStockphoto trinken REZEPT Peda Die schöne Tasse Tee ist für viele Europäer der Inbegriff von Entspannung und Genuss. Wie anders wirkt der Tee mit Pistazien auf die Arbeiterinnen, die ihn unter menschenverachtenden Bedingungen pflücken müssen: Akkordarbeit statt Entschleu- Diese Kekse passen perfekt zu einer Tasse Tee. nigung, Hungerlöhne statt Genuss! Umgerechnet etwa 2,20 Euro erhalten die Arbeiterinnen Zutaten für etwa 16 Stück: für den Ertrag eines langen Tages. Den Plantagenbesitzern 160 g Khoya (Sojamilchtrockenmasse, gehört hier alles. Das Land, die Häuser – und in gewisser gibt es in gut sortierten indischen Lebensmittelgeschäften) Weise auch die Menschen. Nur wer die Akkordvorgaben 100 g Zucker erzielt, darf hier auch wohnen. Wenn eine der Frauen krank 2 Esslöffel Butter wird oder zu alt ist, müssen die Töchter an die Arbeit. ½ Teelöffel Kardamom, gemahlen Seit Jahren engagieren sich Ordensschwestern für die 3 – 4 Safranfäden, in 3 Esslöffel warmer Vollmilch aufgelöst Familien der Teepflücker im nordindischen Assam und sehen 40 g gehackte Pistazien zum Dekorieren sich dabei mit enormen Widerständen konfrontiert: Planta- genbesitzern, die die Armut der Familien ausnutzen, dem Zubereitung: Analphabetismus, der die Ohnmacht der Menschen zemen- 1. Khoya und Butter in einem schweren Topf bei niedriger tiert, und rücksichtslosen Menschenhändlern, die junge Leute Flamme schmelzen, das dauert circa 2 Minuten. unter falschen Versprechungen in die Großstädte des Südens 2. Zucker hinzugeben und 15 Minuten weiterrühren, bis die verfrachten. Masse eindickt und sich langsam vom Topfrand löst und zu Mit Alphabetisierungskursen und Bildungsprogrammen einer Art Teig wird. Vom Herd nehmen. stemmen sich die Schwestern gegen das Unrecht. „Abwarten 3. Daraus 16 Kugeln formen. Mit dem Daumen in die Mitte und Tee trinken,“ heißt es in einem deutschen Sprichwort. In eine Mulde drücken (sodass eine etwas flachere Scheibe Assam aber gilt es, jetzt zu handeln. entsteht). Mit gehackten Pistazien dekorieren. Die Peda Informieren Sie die Gemeindemitglieder über die Situation halten sich in einem luftdichten Behälter im Kühlschrank bis der Teepflückerinnen und rufen Sie sie zu Spenden auf, damit zu einem Monat. die Familien der Teepflückerinnen ein menschenwürdiges Leben führen können. www.missio-hilft.de/assamtee Info-Paket Tee In unserem kostenlosen Infopaket „Tee“ finden Sie: – Das Aktionsheft mit liturgischen Hilfen Zubereitung: – 50 Hefte „Tee trinken und handeln“ 1. Alle Gewürze bis auf den Ingwer im Mörser fein zerstoßen. – 50 Info-Flyer zu Teeprojekt („Bitterer Tee“) 2. Die Gewürze mit Ingwer und Tee in einem Topf bei mittlerer – 50 Aktionskarten „Meine Mission“ Hitze anrösten, bis sie duften. Vorsicht, dass nichts anbrennt! – Plakate „Sonntag der Weltmission“ 3. Mit Wasser aufgießen und aufkochen lassen. Dann die Tempe- und „Tee trinken und handeln“ in DIN A4 ratur reduzieren und unter ständigem Rühren köcheln lassen. (Bestell-Nr. 600999) 4. Milch hinzugeben sowie Zucker, Ahornsirup oder Honig nach Belieben zum Süßen. Weitere 3 Minuten köcheln lassen. Den Masala-Chai-Tee dann durch ein Sieb in eine Kanne gießen. Aus etwa 30 cm in die Becher gießen, dann bildet sich etwas Schaum auf der Oberfläche. 17
Gemeinde REZEPT auflauf Pulao – indischer Reisauflauf Zutaten für zwei Personen: 3 EL Sojasoße hell 100 g Backpflaumen 2 EL Worcestersoße 2 Bananen Öl Salz 1 Stk. Ingwer frisch Zimt 200 g Langkornreis Gewürznelkenpulver 400 ml Hühnerbrühe 25 ml Orangensaft 2 TL Curry 300 g saure Sahne 1 Zwiebel 1 TL brauner Zucker 200 g Möhren 300 g Blumenkohl, frisch (evtl. 500 g Putenbrust) Zubereitung: 1. Zwiebel fein würfeln, Ingwer hacken. Die Zwiebel in Öl mit 1 TL Curry anschwitzen. Reis und Ingwer dazugeben und nach kurzem Anbraten mit der Brühe aufgießen. 20 min köcheln lassen. 2. Unterdessen das Gemüse putzen, Möhren in Scheiben, Blumenkohl in Röschen teilen. 10 min in Salzwasser garen. 3. Backpflaumen würfeln. Form fetten, Ofen auf 200 Grad vorheizen. 4. Bananen geschält in ein Gefäß geben und mit dem O-Saft und der Sahne pürieren. Mit restlichem Curry, Machen Sie den Sonntag der Weltmission in Ihrer Gemeinde Zucker, Nelken und Zimt abschmecken. zum kulinarischen Fest der Weltkirche. Laden Sie die Gemeinde- 5. Gemüse mit Backpflaumen und Soße unter den Reis mitglieder ein, zum Sonntagsgottesdienst ihren Lieblingsauflauf mischen, wenn gewünscht Putenstreifen unterheben mitzubringen – möglichst frisch aus dem Ofen, dann ist er nach und in die Form füllen. Restliche Soße verteilen und der Messe noch warm. Nach der gemeinsamen Messfeier sind dann 30 min backen. alle Besucher zum Essen eingeladen. Genauso vielfältig wie die Weltkirche wird der Tisch mit den unterschiedlichsten Aufläufen Variante mit Fleisch: gedeckt sein. Ein kulinarischer Genuss und ein geselliges Mitei- Fleisch in etwa 1 cm dicke Streifen schneiden und in der nander sind garantiert. Soja- und Worcestersoße für 1 h marinieren. Anschließend in Öl anbraten. Als Gericht eignet sich ein indischer Reisauflauf. Dazu passt das vegetarische Linsengericht Dal, das in Nordostindien gerne und oft mit Reis gegessen wird. Probieren Sie es einfach einmal aus. Wir wünschen guten Appetit! REZEPT Linsen Dal Zutaten für 4 Personen: 500 g Linsen 120 g rote Currypaste 4 EL Öl 800 ml Kokosmilch 2 EL Ingwer 2 TL Kurkuma 2 rote Zwiebeln 2 TL Currypulver 4 Knoblauchzehen, fein Salz und Pfeffer nach gehackt Geschmack Zubereitung: Zwiebeln, Knoblauch und Ingwer fein hacken und im heißen Öl anbraten. Gewürze und Linsen hinzufügen, bis die Linsen glasig sind. Wasser dazugießen und kochen www.missio-hilft.de/gemeindeaktion lassen, bis die Linsen weich sind. Salzen und pfeffern nach Geschmack. 18
TOURING MISSION JEDER UND JEDE IST MISSION, SAGT PAPST FRANZISKUS. #mymission Zum Außerordentlichen Monat der Weltmission, den Papst #mymission ist eine weltweite Aktion der Päpstlichen Missions- Franziskus für Oktober 2019 ausgerufen hat, laden wir Sie ein, werke im Außerordentlichen Monat der Weltmission. Christinnen Ihre Gemeinde mit den Augen von Papst Franziskus zu betrach- und Christen rund um den Globus setzen ein Zeichen und teilen ten und neu zu entdecken, was es heißt, „getauft und gesandt“ ihre Mission, mit anderen. Für die einen ist Mission, eine große zu sein. Da jede Stadt andere Möglichkeiten aufweist, bietet Schwester zu sein oder stets ein offenes Ohr für seine Mitmen- missio als Orientierungshilfe die Broschüre „Touring Mission“ schen zu haben, für andere, einen möglichst kleinen ökologischen an. An sechs Stationen werden Gedanken aus dem päpstlichen Fußabdruck zu hinterlassen oder sich für Menschenrechte einzu- Schreiben Evangelii Gaudium zum Thema „Mission“ aufgegrif- setzen. Erzählen Sie uns Ihre! Setzen Sie dazu die Karten „Meine fen und durch Impulstexte sowie Gebete vertieft. Orte des Glau- Mission“ ein. bens und des Gedenkens, Orte der Begegnung und der Solidari- www.missio-hilft.de/mymission tät – sie laden ein, hinauszugehen und Ehrenamtliche, Nachbarn und Einwohner näher kennenzulernen. www.missio-hilft.de/touringmission MiaMisio JUGEND AKTIV Was treibt dich an? WAS TRNE?IBT ICH Jugendliche in Deutschland, Europa und der ganzen Welt demonstrie- DICH A ren für ihre Anliegen – für ihre Mission. Dabei stellen sich diese jungen WILL Menschen der Frage nach einer gerechteren Welt. Aber was bedeu- ICH KOHLE tet Gerechtigkeit? Wo begegnen wir Ungerechtigkeiten in unserem WILL SPASS ICH Alltag? Und wo erleben Menschen in anderen Teilen der Erde Unge- WILL LIKES ICH rechtigkeiten? Diesen Fragen können Sie in zwei Gruppenstunden WILL KEINE FREMDEN gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen nachgehen und dabei herausarbeiten, dass jeder scheinbar kleine Beitrag etwas Großes in dieser Welt bewegen kann. Jung und Alt, Mann und Frau, Reich und NGEN. ZIELE. TRÄU ME. HOFFNU Arm … wir alle können die Welt verbessern und sind dazu aufgeru- IS T DEINE MISSION? WAS www.missio-hilf t.de/jugendaktiv fen, uns für „den Nächsten“ starkzumachen. Die Gruppenstunden #mymission finden Sie hier: www.missio-hilft.de/jugendaktiv 19
Schwarzes Gold 20
Lebensgefährlich ist die Arbeit in den illegalen Minen im Bundesstaat Meghalaya. Die Kohlearbeiter steigen auf ungesicherten Bambus- leitern in die Tiefe. Mit Spitzhacken schlagen sie das schwarze Gold aus den engen Tunneln. Eine lebensgefährliche Arbeit. Immer wieder sterben Menschen. Doch die Arbeiter müssen das Risiko eingehen. Die Kohle sichert ihnen und ihren Familien das Überleben. Schwester Blinda und ihre Mitschwestern kümmern sich um die Familien im Kohlerevier. Sie wollen den Menschen helfen, einen Weg aus dem Elend zu finden. Mehr dazu in dieser Multimediageschichte: www.missio-hilft.de/kohlemine-nordostindien 21
Indiens unruhiger Der sanfte Nordosten Friedensstifter Ein Mann lauter Worte ist er nicht. Doch wenn er mit leiser Stimme spricht, hören ihm alle zu. Seit mehr als 20 Jahren ver mitteln der indische Erzbischof Thomas Menamparampil und sein ökumenisches Friedensteam erfolgreich zwischen ver feindeten Gruppen in Nordostindien. Nicht das Taktieren, Verhandeln und Überzeugen gehören zu seiner Methode, Von „permanenter Unruheregion“ und „instabilen Verhält sondern zuhören, Mitgefühl zeigen und nissen“ ist schnell die Rede, wenn der Nordosten Indiens für Kompromisse werben. Thema ist. Mehr als zweihundert indigene Volksgruppen leben in diesem Teil des Landes, deren Menschen sich kultu rell und sprachlich deutlich von Zentralindien unterscheiden. Seit der Unabhängigkeit Indiens 1947 kämpfen zahlreiche dieser Gruppen für ihre Unabhängigkeit oder Autonomie. Besonders in Nagaland, Manipur und Assam gibt es viele aufständische Gruppen. Die indische Zentralregierung geht gegen sie mit extremer militärischer Härte vor. Seit 1972 steht ein Großteil des Nordostens unter einem Sonder- ermächtigungsgesetz, das es staatlichen Sicherheitskräften erlaubt, exzessiv Gewalt auszuüben, ohne sich dafür strafrechtlich verantworten zu müssen. Die Rebellengruppen ihrerseits begehen massive Menschenrechtsverlet- zungen und bekämpfen nicht allein die Zentralregierung, sondern sehr häufig sich auch gegenseitig. Immer wieder brechen auch zwischen den indigenen Völkern gewalt- same Konflikte aus, bei denen es meist um die Verteilung von Ressourcen, Landrechten, Fragen der Migration sowie um politische Mitsprache geht. So starben 1996 bei einem blutigen Konflikt um Land in Assam zwischen dem Volk der Bodo und den Santhal Hunderte Menschen. 250.000 Dorf- bewohner mussten aus ihren Häusern fliehen. Die zahlreichen Konflikte hemmen die wirtschaftliche Entwicklung die- ser Region und haben tiefe emotionale Wunden hinterlassen. Seit einigen Jahren hat ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Naga-Rebellengrup- pen und der Regierung in Delhi den Konflikt um die Unabhängigkeit leicht entspannt. Ihrer Forderung nach einem unabhängigen „Groß-Nagaland“ mit allen von Naga bewohnten Territorien haben die beiden großen Naga- Rebellengruppen allerdings nicht aufgegeben. 22
» Manche Friedensstifter beginnen mit ‚Vergebung‘, aber wir arbeiten zum Ende darauf hin. Denn dann erleben die Parteien die Vorteile des Friedens bereits. Erzbischof Thomas Menamparampil Die 82 Jahre merkt man ihm nicht an. Mit Dann wirbt das Friedensteam für Kom- sicherem Schritt geht er auf Menschen zu. Die promisse. „Wenn eine Seite beginnt, bei Augen hellwach. Er trägt eine einfache weiße einem kleineren Anliegen nachzugeben, folgt Jugend für Soutane. In einer Pause zwischen zwei Vorträ- gen an einem kirchlichen Ausbildungszentrum oft auch die andere Seite“, erzählt der Erz- bischof. Schließlich können größere Schritte den Frieden nimmt er sich Zeit für ein Interview über seine gemacht werden. „Wir überlassen dann die Friedensinitiativen im Nordosten Indiens. endgültigen Entscheidungen den politischen Die Initiative „Peace Channel“ Alles beginnt 1996. Ein Konflikt um Land Autoritäten, den Regierungen und den bei- zwischen den Volksgruppen Bodo und San- den Konfliktparteien. Wir wollen nicht dieje- thal eskaliert. Tausende Menschen kampieren nigen sein, die entscheiden. Wir ziehen uns Den Teufelskreis der Gewalt zu durch- in provisorischen Flüchtlingslagern. Menam- zurück.“ brechen, dieses Ziel hat sich die Jugend- parampil ist im Jahr zuvor zum Erzbischof von Erst zum Schluss wendet sich das bewegung „Peace Channel“ gesetzt. Guwahati ernannt worden. Er will den ver- Friedensteam dem wichtigen Prozess der Das Bistum Kohima in Nagaland hat die zweifelten Menschen helfen. „Wir beschlos- Vergebung und Heilung zu. „Manche Frie- Friedenserziehung als eine der wich- sen, dass wir bei unseren Hilfsaktionen mit densstifter beginnen mit ‚Vergebung‘, aber tigsten Aufgaben in seiner Diözese defi- anderen Kirchen nicht wetteifern wollten“, wir arbeiten zum Ende darauf hin. Denn dann niert. „Junge Menschen können Dinge erzählt Erzbischof Thomas. erleben die Parteien die Vorteile des Friedens verändern. Die Jugend hat die Kraft, Er wirbt für Abstimmung. Mit Erfolg. bereits“, erklärt Erzbischof Thomas. die Kultur der Gewalt zu stoppen und Hilfsorganisationen verschiedener Konfessi- So konnten die Friedensteams in den ver- Frieden zu schaffen“, erklärt Fr. Anto onen schließen sich zusammen. Jedes Werk gangenen Jahren rund ein Dutzend Konflikte Chowaran, der den „Peace Channel“ leistet, was es am besten kann. Die gemein- zwischen Volksgruppen in Nordostindien 2005 gegründet hat. same Hilfe ist so erfolgreich, dass die Kon- lösen. Für seinen Einsatz ist der Erzbischof fliktparteien um Vermittlung im Streit bitten. sogar für den Friedensnobelpreis nominiert In Kooperation mit Bildungseinrichtun worden. gen, Gemeinden und anderen Institutio Ökumenische Friedensteams Mittlerweile ist Erzbischof Thomas eme- nen hat der „Peace Channel“ Friedens So entsteht das erste ökumenische Friedens- ritiert. Sein Terminkalender ist trotzdem voll. clubs gegründet, in denen Jugendliche team. „Mitglieder waren Leute, die eng mit Er spricht bei internationalen Konferenzen, in gewaltfreier Kommunikation, Metho- den Gemeinschaften verbunden waren, die unterrichtet Novizinnen und Seminaristen den zur Konfliktlösung und Mediation eine Idee von der emotionalen Dimension und schreibt Bücher und Artikel. Besonders geschult werden. Mittlerweile machen in den Gemeinschaften hatten“, erklärt der liebt er es, mit den Menschen in den Dörfern auch Angehörige anderer Religionsge- Erzbischof. „Das Friedensteam sprach zuerst die Messe zu feiern. Natürlich setzt er sich meinschaften mit. Heute ist die Bewe- getrennt mit den Konfliktparteien. Nicht mit seinen ökumenischen Kollegen weiter für gung so erfolgreich, dass sie auch in so, als könnten wir das Problem lösen. Wir Frieden und Versöhnung im Nordosten ein. anderen Bundesstaaten im Nordosten hörten ihnen zu, mit Sympathie für ihr Klagen Manchmal sogar ohne dass die Öffentlichkeit Indiens aktiv ist. 329 Friedenclubs mit und ihr Leid, ohne zu urteilen.“ etwas davon mitbekommt. Leise eben. über 30.000 Jugendlichen setzen sich Erst danach bringt das Friedensteam die heute in Nordostindien aktiv für den Konfliktparteien zusammen. In einem zwei- Frieden ein. ten Schritt ermutigen sie diese, in die Zukunft Im Oktober kommt Erzbischof Thomas zu blicken. Sie sollen sich vor Augen führen, Menamparampil nach Deutschland, um was sie erreichen könnten, wenn das Töten für die missio-Jahresaktion zum Welt aufhört. Die Kinder können wieder sicher missionssonntag über seinen Einsatz für zur Schule gehen. Märkte wieder geöffnet den Frieden und Methoden zur Konflikt werden. lösung zu berichten. 23
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