Welternährung - Herausforderung und Lösungsansätze - Prof. Dr. Matin Qaim Lehrstuhl für Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung - Grain Club
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Welternährung – Herausforderung und Lösungsansätze Prof. Dr. Matin Qaim Lehrstuhl für Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung Grain-Club-Symposium, 28.03.2012, Berlin
Weltweit hungern fast 1 Mrd. Menschen Quelle: FAO (2011). Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 2
Hunger ist ein Verteilungsproblem Maßnahmen zur Armutsreduktion: Empfehlung •Wirtschaftswachstum •Ausbildung •Infrastruktur •Soziale Sicherung Entwicklungs- zusammenarbeit Regierungsführung vor Ort Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 3
Hunger ist auch ein Produktionsproblem Empfehlung Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 4
Entwicklungen seit den 1960er Jahren Quelle: FAO (2012). Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 5
Preisentwicklungen, 1960-2000 Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 6
Preisentwicklungen seit 2000 Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 7
Entwicklung der Hungerzahlen Quelle: FAO (2010). Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 8
Längerfristige Nachfragetrends Bevölkerungsentwicklung Heute 2030 2050 Weltbevölkerung (Mrd.) 7,0 8,3 9,3 Industrieländer (Mrd.) 1,2 1,3 1,3 Entwicklungsländer (Mrd.) 5,8 7,0 8,0 Steigende Einkommen in den Entwicklungsländern: •Es werden pro Kopf mehr Lebensmittel nachgefragt. •Konsum tierischer Produkte steigt. Die Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermitteln wird voraussichtlich bis 2050 um 70% steigen. Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 9
Nutzung von Bioenergie • Bioenergie vom Acker gewinnt an Bedeutung. • Trend steigt durch: durch hohe Rohölpreise politische Förderung (nicht nur EU und USA) Foto: F. Isermeyer • Prognose bis 2020: 15% des globalen Maises und Pflanzenöls, 30% des Rohrzuckers zu Biosprit Bis 2050 könnte sich die Nachfrage nach Agrarprodukten (für Nahrung, Futter und Bioenergie) verdoppeln. Dies entspräche einem jährlichen Wachstum von 1,8%. Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 10
Kann die Nachfrage gebremst werden? Veränderung von Konsumpräferenzen: • Weniger Fleisch in reichen Ländern • Weniger Verschwendung (Wegwerfproblematik) • Politisch nur bedingt steuerbar Veränderung von Politik: • Bessere Logistik zur Reduktion von Nachernteverlusten • Umkehr in der Bioenergiepolitik (aber selbst ohne Subvention wird Bedeutung weiter zunehmen) Nachhaltigere Konsummuster sind wichtig. Das Phänomen einer stark steigenden Nachfrage ändert sich dadurch nicht grundlegend. Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 11
Wie kann die Agrarproduktion gesteigert werden? Globale Produktion = Ackerfläche X Ertrag • Begrenztes • Bewässerung Potential noch • Chemische Inputs vorhanden • Technischer • Aber steigende Fortschritt ökologische Kosten Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 12
Entwicklung des Getreideertrags (global) Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 13
Versäumnisse in der Agrarforschung Das Wachstum der weltweiten Agrarforschungsausgaben ist seit den 1990er Jahren deutlich zurückgegangen. Jährliches Wachstum der öffentlichen Agrarforschung 1980-1990 1990-2000 Industrieländer +2,30% -0,58% Afrika +1,25% +0,82% Vor allem in den Industrieländern liegt die oberste Priorität der Forschung auch nicht mehr auf Ertragssteigerung. Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 14
Ertragseffekte des Klimawandels bis 2050 Quelle: CSIRO (2010). Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 15
Herausforderungen bis 2050 Klimawandel Nachfrage- 7 prognose Ressourcen- )a knappheit h 6 /t ( ga rt 5 r e st ti n4 h cs h cr 3 u D Agrarforschung re ti 2 und Technologie e w tl e1 W 0 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 16
Lösungsansätze… Ertragssteigerung als essentielle Voraussetzung für die Welternährung wieder erkennen Agrarforschung deutlich ausdehnen Welche Technologien / Welche Modelle der Landwirtschaft? Technologien müssen nachhaltig sein Nachhaltige Landwirtschaft ≠ Low-external input Nachhaltig erfordert, dass knappe Ressourcen so effizient wie möglich genutzt werden Knappheiten verändern sich, so dass Systeme von gestern heute und morgen oftmals nicht mehr nachhaltig sind Knappheiten unterschieden sich standörtlich Nachhaltigkeit erfordert Nutzung der modernen Wissenschaft Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 17
…Lösungsansätze Ideologische Gegensätze müssen überwunden werden Ein intelligenter Technologiemix wird benötigt (Züchtung, Agronomie, Technik, weniger Chemie) Der modernen Züchtung kommt besondere Bedeutung zu, weil sie hilft: o Erträge zu steigern; o genetisches gegen chemisches Wissen zu ersetzen; o Pflanzen widerstandsfähiger zu machen. Gentechnik kann Effizienz der Züchtung weiter steigern Weltweit werden bereits über 10% der Ackerfläche mit GVOs angebaut; in Europa bisher kaum. Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 18
Welche GVOs bisher? Bt-Baumwolle Ertragseffekte HT-Raps von Bt-Mais: Spanien: +5% HT-Mais USA: +5% HT-Soja Argentinien: +9% Südafrika: +22% Philippinen: +34% Bt-Mais Quelle: Qaim (2009). Andere Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 19
Weltmarktpreise ohne Gentechnik Simulation für 2008 Quelle: Sexton und Zilberman (2011). Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 20
Wo muss die Produktion gesteigert werden? Landwirtschaftliches Wachstum in den Entwicklungsländern ist besonders wichtig, weil: dort fast alle hungernden Menschen leben, dort das gesamte Bevölkerungswachstum stattfindet, dort die Effekte des Klimawandels am stärksten negativ sein werden. Außerdem leben 80% aller Hungernden auf dem Land; landwirtschaftliches Wachstum steigert das Einkommen dieser Menschen und lindert das Armutsproblem. Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 21
Wer sind die Hungernden? Städtische Arme, 20% Fischer, Kleinbauern, Sammler, 50% 10% Landarbeiter, 20% Quelle: Weltbank (2007). Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 22
System of Rice Intensification (SRI) in Osttimor Neue Technologie für Reis Agronomische Innovation: weniger Wasser und externe Inputs, mehr Arbeitskraft Erfordert intensive Beratung Bis zu 50% höhere Erträge Quelle: Noltze, Schwarze, Qaim (2012) Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 23
GVO Baumwolle in Indien 600 Effekte auf das Einkommen 500 GVO Konventionell 400 US$/ha Quelle: Subramanian und Qaim (2010). 300 200 100 0 Alle Haushalte Extrem arm Arm Nicht-arm Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 24
Verbesserte Marktanbindung Zugang zu modernen Supermarktketten 1 Kumulativer Anteil der Haushalte .8 Gemüsebauern in Kenia Quelle: Rao und Qaim (2011) .6 Voraussetzungen: .4 •Straßeninfrastruktur und Transport •Kredit .2 •Spezielles Training 0 0 100 200 300 400 500 Haushaltseinkommen (1000 Ksh/Person) Supermarktbelieferung Traditioneller Markt Welternährungswirtschaft 25 und Rurale Entwicklung
Ernährungssicherheit ≠ Selbstversorgung Nettoexporte im Getreidehandel Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 26
Handel heißt nicht Nahrungsmittelhilfe Nettoexporte, 2010 Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 27
Handelsregeln müssen fair sein und Nachhaltigkeit unterstützen Fairer Zugang für Entwicklungsländer zu europäischen Märkten, auch für verarbeitete Lebensmittel (z.B. Zolleskalation) Standards nicht als versteckte Protektion Effekte europäischer Exporte für lokale Märkte in Entwicklungsländern berücksichtigen (z.B. Geflügel in Westafrika) Umwelteffekte mit berücksichtigen (z.B. Regenwald) Keine Argumente gegen Handel, sondern für Handel nach verbesserten Regeln Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 28
Fazit 1. Hunger ist weit verbreitet und zunehmend. Es gibt sowohl ein Verteilungs- als auch ein Produktionsproblem. 2. Das Angebot wächst langsamer als die Nachfrage. 3. Die notwendige Steigerung der Produktion bis 2050 ist möglich, aber nur durch deutlich mehr Agrarforschung. 4. Innovation im Kleinbauernsektor der Entwicklungsländer verdient besondere Aufmerksamkeit. 5. Aber auch nachhaltige Produktivitätssteigerung in Europa spielt für die Welternährung eine wichtige Rolle. 6. Bei der Frage nach geeigneten Technologien müssen gerade in Europa ideologische Grabenkämpfe überwunden werden. 7. Differenzierte Sichtweise statt Schwarz-Weiß-Malerei und simplifizierter Propaganda. Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung 29
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