WENIGER MOBIL? - Bayerisches Staatsministerium für Wohnen ...
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ERGEBNISSE AUS BEOBACHTUNGEN PER REPRÄSENTATIVER BEFRAGUNG UND ERGÄNZENDEM MOBILITÄTSTRACKING IN BAYERN BIS ENDE JUNI AUSGABE 05.08.2020 01 WENIGER MOBIL? Wie sich die Mobilität während der Corona-Pandemie ändert In Kooperation mit Bundesweites Projekt gefördert durch WZB
2 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 Projekt: 7362 – MOBICOR beauftragt durch das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr Bonn, August 2020 Version 1.0 Text: Marc Schelewsky Layout und Grafik: Astrid Blome, Birgit Geisler und Sigrid Phiesel Folgende Zitierweisen werden empfohlen: Langform: Schelewsky, Marc (2020): Mobilitätsreport Bayern, Entschleunigt mobil? Wie sich die Mobilität während der Corona-Pandemie ändert. Ausgabe 01, 05.08.2020, Bonn Kurzform: infas, WZB (2020): Mobilitätsreport Bayern 01, Bonn
3 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 AUF EINEN BLICK: DIE WESENTLICHEN ERGEBNISSE IM ÜBERBLICK Der vorliegende Bericht basiert auf den Die aus Homeoffice und Kurzarbeit Daten der ersten Erhebungswelle der MOBICOR- resultierenden Zeitbudgets werden unterschied- Studie, die von Ende Mai bis Ende Juni 2020 über lich verwendet. Die Personen im Homeoffice computergestützte Telefoninterviews (CATI) mit haben einen höheren Anteil an Freizeit- und 1.243 Befragungsteilnehmern durchgeführt Einkaufswegen als die Befragten in Kurzarbeit, wurde. die weniger mobil sind. Bei den Auswirkungen des Lockdowns Entsprechend verändern sich die Mobili- auf das Verkehrsverhalten können zwischen tätskennziffern. Personen aus Haushalten mit städtischen und ländlichen Regionen, zwischen niedrigem Status haben ihre Mobilität deutlicher dem ökonomischen Haushaltsstatus und der eingeschränkt als die Personen aus höheren Status- beruflichen Situation Unterschiede beobachtet gruppen. Sie absolvieren pro Tag einen Weg weniger werden. und legen dabei zehn Kilometer weniger zurück. Auf dem Land sind die Auswirkungen Die Mobilitätskennziffern der aktuellen der Situation am Arbeitsplatz weniger Erhebung liegen unterhalb der Ausgangsniveaus ausgeprägt als in der Stadt. Für 53 Prozent der der MiD. Es wurden 25 Prozent weniger Wege Befragten in ländlichen Regionen hat sich zurückgelegt, die Verkehrsleistung verringerte die Situation am Arbeitsplatz nicht verändert. sich dadurch um 20 Prozent auf 35 Kilometer pro In städtischen Regionen sind Homeoffice unter Person und Tag. Auch die tägliche Unterwegszeit knapp einem Drittel und Kurzarbeit mit hat sich auf 76 Minuten reduziert. Die Definition 14 Prozent der Befragten ausgeprägter als auf eines Weges richtet sich nach der MiD. dem Land. Starke Einbußen zeigen sich im ÖV, der Große Unterschiede zeigen sich in der gerade mal 40 Prozent der gewöhnlichen Ver- Betrachtung nach ökonomischem Haushalts- kehrsleistung erbringt. Der motorisierte Individu- status. Ist der Haushaltsstatus hoch, geben mit alverkehr (MIV) hingegen scheint sich schneller 44 Prozent fast doppelt so viele der Befragten an zu normalisieren. Selbstfahrer haben inzwischen von zu Hause aus arbeiten zu können als die mehr als 80 Prozent des Ausgangsniveaus aus Befragten mit niedrigem Haushaltsstatus. Um- der MiD erreicht. gekehrt liegt hier der Anteil an Kurzarbeit mit 16 Prozent deutlich über dem Niveau der öko- nomisch besser gestellten Haushalte mit zehn Die Erhebung steht unter dem Eindruck Prozent. der ersten Lockerungen des Lockdowns, es kann somit bereits eine langsame Rückkehr zur Normalität beobachtet werden. Für den ÖV scheint die Normalisierung zeitlich verzögert stattzufinden. Offen ist, ob das Niveau von vor der Pandemie wieder erreicht werden kann.
4 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 HINTERGRUND UND EINORDNUNG DER zahlen liegen weiterhin unter dem gewohnten STUDIE Niveau. Andere Bereiche des alltäglichen Lebens hingegen werden inzwischen fast wieder wie ge- Über 50.000 Covid-19-Infektionen meldete das wohnt frequentiert. Zu Lebensmittelgeschäften Robert Koch-Institut (RKI) am 29.07.2020 für und Supermärkten gibt es keine Alternativen; auf Bayern. Die erforderlichen Maßnahmen, um im den öffentlichen Verkehr hingegen, insbesondere Kampf gegen eine weitere Verbreitung des Virus in Städten und zu den warmen Jahreszeiten, kann erfolgreich zu sein, haben Einfluss auf nahezu alle mit Verweis aufs Fahrrad oder Auto gut verzichtet Lebensbereiche und verändern unseren Alltag. Ob werden. es dabei um geschlossene Bildungseinrichtungen und Einrichtungen für Kinderbetreuung wie Kitas Welche Auswirkungen sich durch die Pandemie geht, der verstärkten Arbeit aus dem Homeoffice und den Lockdown im Verkehrsverhalten ab- oder dem alltäglichen Weg zum Supermarkt, die zeichnen und ob diese Veränderungen mittel- Auswirkungen sind überall wahrnehmbar, zum bis langfristig bestehen bleiben, das untersucht Beispiel durch den Mund- und Nasenschutz, der das MOBICOR-Projekt. Deutschlandweit und in an vielen Orten bereits zum gewohnten Bild ge- regionalen Vertiefungsstudien für Bayern, Ba- hört. den-Württemberg und Hessen wird untersucht, welche Einflüsse die Corona-Pandemie auf Ar- Der öffentliche Verkehr ist von den Auswirkungen beit, Freizeit und Konsum ausübt und in welchen der Pandemie besonders betroffen. Durch Hygi- Wechselbeziehungen solche Veränderungen mit enemaßnahmen wird eine langsame Rückkehr dem Mobilitätsverhalten stehen. Um Verände- zur Normalität versucht. Das scheint aber nur rungen in ihrer zeitlichen Entwicklung verstehen mit Verzögerung zu gelingen, denn die Fahrgast- zu können, ist die Studie als Panel angelegt und 25 % weniger Wege als vor der Corona-Pandemie werden derzeit durchschnittlich zurückgelegt.
5 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 erhebt entlang von drei Erhebungswellen Daten keiten gewidmet. Im ersten Fall ließe sich eine zum Alltag und zum Verkehr. Verschiebung der Anteile der Wegezwecke beob- achten, im zweiten Fall würde die Unterwegszeit Der vorliegende Bericht basiert auf den Daten der sinken. Doch diese Zeitbudgets sind nicht gleich- ersten Erhebungswelle, bei der von Ende Mai bis mäßig verteilt, darauf wird in folgenden Abschnitt Ende Juni 2020 über 1.243 computergestützte der Blick gerichtet. Telefoninterviews (CATI) mit Befragungsteilneh- mern aus Bayern durchgeführt wurden. Es wur- Die Abbildung auf Seite 5 zeigt die Veränderun- den 2.727 Wege erfasst, die als Grundlage für die gen bei der Berufsausübung, die in Folge des Lock- Analyse des Verkehrsverhaltens genutzt werden. downs stattgefunden haben. Dabei wird einmal Das Erhebungskonzept orientiert sich dabei am der Vergleich zwischen Bayern und der bundes- MiD-Design, um eine direkte Vergleichbarkeit der weiten Erhebung dargestellt, zum anderen wird Daten zu gewährleisten. Die Untersuchung für zwischen städtischen und ländlichen Regionen Bayern erfolgte durch eine regionale Aufstockung unterschieden. Aufgeführt sind neben Kurzarbeit des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, und Homeoffice auch andere Auswirkungen der Bau und Verkehr und ist Teil des bundesweiten Corona-Krise auf die Arbeitssituation, wie der Ab- MOBICOR-Projekts, das von infas gemeinsam mit bau von Überstunden oder vorgezogener Urlaub. dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialfor- Sonderurlaub mit Gehaltsfortzahlung, unbezahl- schung (WZB), MOTIONTAG, NutsOne und dem te Freistellung oder Kündigungen sind nicht dar- Nexus Institut bearbeitet und vom Bundesminis- gestellt, diese Maßnahmen haben nur geringe An- terium für Bildung und Forschung (BMBF) geför- wendung gefunden und blieben bislang eher die dert wird. Ausnahme. Das erste Ergebnis: Trotz der hohen Zahlen an infizierten Menschen in Bayern im Ver- ZEITBUDGETS UND VERÄNDERTE ARBEITS- gleich zum restlichen Bundesgebiet sind die Kon- SITUATION Ein Arbeitsweg dauert durchschnittlich 29,2 Mi- nuten, für Hin- und Rückweg wird jeden Tag fast Änderung der Arbeitssituation im Mai/Juni 2020 Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich eine ganze Stunde aufgewendet. Dieses Zeitbud- get steht den Menschen im Homeoffice zusätz- 51 53 49 lich zur Verfügung, wenn sie nicht ins Büro fahren, 45 sondern sich nur an den heimischen Schreibtisch setzen müssen. Das gilt ebenso für die Berufstäti- 32 32 29 gen in Kurzarbeit. Bei der „Kurzarbeit null“ beträgt 27 21 „der Arbeitsausfall 100 Prozent“. Damit wird die 18 18 18 20 Arbeit für eine vorübergehende Zeit vollständig 13 14 11 10 8 7 9 eingestellt, wie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales informiert (BMAS, Fragen und Ant- unverändert Homeoffice Abbau Überstunden Kurzarbeit Urlaub vorgezogen worten zu Kurzarbeit und Qualifizierung). Neben der Pendelzeit zur und von der Arbeit entfallen zu- sätzlich bis zu 40 Stunden Arbeitszeit pro Woche. Es stehen somit Zeitbudgets zur Verfügung, die Deutschland (im Mai) Bayern (im Mai/Juni) entweder für andere Wege aufgebracht werden Wohnort in Bayern: Stadtregion ländliche Region können oder sie werden komplett anderen Tätig- Befragte, die zurzeit berufstätig sind; MOBICOR in Bayern;Welle 1 im Mai/Juni 2020
6 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 sequenzen für die Arbeitssituation deutlich gerin- nen wird dagegen häufiger der Urlaub vorgezo- ger ausgeprägt. Über die Hälfte der Befragten hat gen. Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied bislang ohne solche Veränderungen weiterarbei- zu den bisher untersuchten Bundesländern Hes- ten können. Die Inanspruchnahme von Kurzarbeit sen und Baden-Württemberg. Dort scheint die liegt mit 13 Prozent in Bayern unter dem bundes- Möglichkeit zum Homeoffice fast ein städtisches weiten Ergebnis. Andere Auswirkungen auf die Privileg zu sein. In Hessen ist der Anteil der Befrag- Arbeitssituation sind in Bayern ebenfalls geringer ten im Homeoffice in städtischen Regionen mit ausgeprägt als im bundesweiten Vergleich. Zur 42 Prozent doppelt so hoch wie in ländlichen Regi- Einordnung dieser Zahlen sei angemerkt, dass die onen. In Baden-Württemberg ist dieses Verhältnis offizielle Statistik der Bundesagentur Regionalstatistischer für Arbeit Regionstyp (RegioStar 2) mit drei zu zwei ebenfalls deutlicher ausgeprägt für die Mobilitäts- und Verkehrsforschung für Bayern im April 2020 eine relative Betroffen- als in Bayern. Dabei müssen jedoch die abwei- heit von Kurzarbeit von etwa 21 Prozent DK der Be- chenden Erhebungszeiträume beachtet werden. rufstätigen angibt. Der Wert liegt deutlich über In Hessen und Baden-Württemberg und ebenso den Angaben der Befragten der MOBICR-Studie. Kiel in der bundesweiten Erhebung startete die Feld- Gründe für diese Differenz können durch den ab- phase etwaRostock zwei bis drei Wochen früher. Die hohe weichenden Erhebungszeitraum erklärt werden Dynamik, die aufgrund von Lockerungen der Maß- oder sie können stichprobenbedingt sein, das ist Hamburg nahmen Schwerin des Lockdowns entsteht, muss bei den an dieser Stelle nicht zu klären. Vergleichen bedacht werden. Bremen Im Vergleich städtischer und ländlicher Regionen Es lassen sich weitere PL Effekte im Hinblick auf die lassen sich nur geringe Unterschiede erkennen. zur Verfügung stehenden Berlin Zeitbudgets und deren Die Möglichkeit zum NL Homeoffice ist inHannover städti- Verwendung Potsdam erkennen. Die Unterwegszeit hat Magdeburg schen Regionen etwas stärker ausgeprägt, aber sich deutlich reduziert. Während die MiD 2017 Bielefeld ebenso die Kurzarbeit. In den ländlichen Regio- für die Vergleichsmonate Mai/Juni in Bayern eine Cottbus Essen Dortmund Halle/S. Düsseldorf Kassel Leipzig Erfurt Durchschnittliche Unterwegszeit Köln in Bayern im Zeitraum Mai/Juni 2020 Chemnitz Dresden Angaben in Minuten Bonn BE MOBICOR MiD 2017 Frankfurt/M. CZ Wiesbaden 76,4 91,8 Stadtregion Mainz LU 75,1 80,0 ländliche Region Nürnberg Mannheim Nürnberg 120 Saarbrücken Stadtregionen 100 -15,4 FR Stuttgart Stadtregionen- -4,9 Differenz grenzen 80 Ulm ländliche 60 Regionen AT München München Freiburg i.Br. 40 CH 20 100 km 100 km © BBSR Bonn 2018 0 Ländliche Regionen Datenbasis: Laufende Raumbeobachtung des BBSR Stadtregionen Geometrische Grundlage: Einheitsgemeinden und Gemeindeverbände (generalisiert), 31.12.2016 © GeoBasis-DE/BKG MOBICOR in Bayern, Stadtregionengrenze Welle 1 im Mai/Juni 2020 Bearbeitung: BBSR, A. Milbert; Grundkonzeption: BMVI © BBSR Bonn 2018
7 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 mittlere Unterwegszeit von über 85 Minuten pro KURZARBEIT, HOMEOFFICE UND WEITER WIE Tag ausweist, beträgt die ermittelte Unterweg- BISHER szeit der MOBICOR-Untersuchung für Bayern nur 76 Minuten. Das sind rund zehn Minuten pro Tag Ist der ökonomische Haushaltsstatus hoch, be- oder über zwölf Prozent weniger als zuvor. Der steht eher die Möglichkeit von zu Hause aus zu Unterschied zwischen städtischen und ländli- arbeiten. 44 Prozent der Befragten mit hohem chen Regionen hat sich gegenüber der MiD 2017 ökonomischen Haushaltsstatus arbeiten derzeit deutlich verringert und beträgt nur noch eine Mi- im Homeoffice, aber nur zehn Prozent von ihnen nute. Bei der MiD 2017 lag der Unterschied noch in Kurzarbeit. Umgekehrt arbeitet nur jeder fünf- bei zwölf Minuten. In den städtischen Regionen te Befragte mit niedrigem ökonomischen Haus- sind die Auswirkungen der veränderten Arbeits- haltsstatus von zu Hause aus, aber 16 Prozent situationen auf die Unterwegszeit mit einer Ab- davon in Kurzarbeit, wie die Abbildung auf Seite nahme von über 15 Minuten pro Tag deutlicher 7 zeigt. Diese Unterschiede bestehen gleicherma- ausgeprägt als in den ländlichen Regionen, auch ßen bei den Befragten, die auf Anordnung ihren wenn nur leichte Unterschiede im Umfang von Urlaub vorgezogen haben. Der Anteil ist unter den Homeoffice und Kurzarbeit zu sehen sind. Verglei- Befragten mit niedrigem ökonomischen Haus- che dazu die Abbildung auf Seite 6. haltsstatus mit zwölf Prozent deutlich ausge- prägter als unter den Befragten mit hohem öko- Die Auswirkungen der Pandemie auf die arbeits- nomischem Haushaltsstatus mit gerade einmal bedingte Mobilität sind vor allem in ländlichen 5 Prozent. Bemerkenswert ist zudem, dass 62 Pro- Regionen Bayerns geringer ausgeprägt als in den zent der Befragten mit niedrigem ökonomischem anderen Bundesländern. Ebenso zeigen die Erwar- Haushaltsstatus angeben, weiter wie bisher zu tungen an negative Auswirkungen der Pandemie arbeiten. Viele Tätigkeiten, die mit einem niedri- für die nächsten 6 Monate in Bayern ein geringe- gen ökonomischen Haushaltsstatus verbunden res Ausmaß. Dazu zählen ernsthafte Geldsorgen, Einschränkungen des Lebensstandards, Verlust des Arbeitsplatzes, Verdienstausfälle, gesundheit- liche Einschränkungen oder eine Einschränkung Veränderungen der Arbeitssituation nach ökonomischen Haushaltsstatus der Bürger- und Freiheitsrechte. Bis zu einem Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich Drittel liegen die Werte für Bayern unter den bun- desweiten Erwartungen für diese Auswirkungen. 62 Trotz der großen Belastung und deutlichen Ein- 52 schränkungen im Alltag stellen sich der Blick nach 44 vorne und die damit verbundenen Erwartungen 42 eher positiv dar. Das zeigt sich ebenso im allge- meinen Befinden der Befragten, denen es im Ver- gleich zu den bundesweit Befragten besser geht. 21 21 82 Prozent der Befragten aus Bayern geben an, es 16 14 12 10 gehe ihnen gut oder sehr gut und nur vier Prozent 8 5 treffen die Aussage, es gehe ihnen eher schlecht niedrig mittel hoch bis ziemlich schlecht. Auf Bundesebene sind es ökonomischer Haushaltsstatus dagegen nur 74 Prozent, denen es gut oder sogar Homeoffice Kurzarbeit sehr gut geht. Unterschiede zwischen Stadt und Urlaub vorgezogen weiter wie bisher Land sind in dieser Frage nicht erkennbar. MOBICOR in Bayern, Welle 1 im Mai/Juni 2020
8 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 sind und zum Dienstleistungssektor oder zum Trotz des höheren Anteils an Homeoffice und dem Gesundheitswesen gehören, können nicht ins Wegfall eines Teils der Arbeitswege, hat sich die Homeoffice verlegt werden. Zu denken ist vor al- tägliche Unterwegszeit in den höheren Status- lem an Alten- oder Krankenpflege, Arbeit im Ein- gruppen mit 92 Minuten pro Tag kaum verringert zelhandel oder für Verkehrsunternehmen. (vgl. Abbildung auf Seite 8). In der mittleren Sta- tusgruppe lässt sich nur ein geringer Rückgang Die Berufstätigen mit hohem Status sind hinge- verzeichnen, bei der unteren Statusgruppe hat gen deutlich weniger von Änderungen der Ar- sich die tägliche Unterwegszeit dagegen um mehr beitssituation betroffen als die Vergleichsgrup- als 25 Prozent reduziert und beträgt nur noch pen. 42 Prozent von ihnen arbeitet genauso wie 61 Minuten pro Tag. Dabei werden deutlich we- bisher. Hierbei sollte darauf hingewiesen werden, niger Wege zurückgelegt. Bei 1,8 Wegen pro Tag dass 29 Prozent aller Personen, die derzeit von zu ist das für diese Gruppe ein Rückgang von über Hause aus arbeiten, angeben, es habe sich nichts 40 Prozent im Vergleich zu den MiD-Werten. an der Arbeitssituation geändert und sie arbeiten Bei den beiden anderen Statusgruppen fällt der weiter wie vor der Corona-Pandemie. Das sagen Rückgang mit 16 Prozent bzw. 20 Prozent etwas auch 17 Prozent der Personen, die angeben, sich moderater aus. Hier liegt die Anzahl der Wege aktuell in Kurzarbeit zu befinden. mit 2,6 bei der mittleren und 2,8 bei der hohen Statusgruppe. Nahezu ebenso deutlich reduziert Mobilitätskennziffern im Mai/Juni 2020 und Veränderungen gegenüber den MiD-Ausgangswerten von Mai/Juni 2017 Rückgang in Prozent gegenüber dem MiD-Ausgangswert für Mai/Juni ökonomischer Status 16 bis 30 bis 50 bis 65 Jahre gesamt niedrig mittel hoch 29 Jahre 49 Jahre 64 Jahre und älter 78 % 73 % 78 % 85 % 84 % 83 % 87 % 65 % Unterwegsquote 2,4 1,8 2,6 2,8 2,3 2,6 2,9 1,7 Wege pro Tag 35 29 36 38 28 35 49 22 Kilometer pro Tag 76 61 75 92 66 80 95 55 Unterwegszeit pro Tag in Minuten 15 10 5 0 Rückgänge in Prozent -5 gegenüber dem MiD- -10 Ausgangswert für -15 Mai/Juni -20 -25 -30 -35 -40 -45 MOBICOR in Bayern, Welle 1 im Mai/Juni 2020 und Ausschnitt aus der regionalen MiD für Personen ab 16 Jahren im Mai/Juni
9 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 31 % Vier von zehn Befragten weichen auf das Auto als Alternative zum ÖV aus und 18 Prozent auf das Fahrrad.
10 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 hat sich die tägliche Verkehrsleistung. Sie liegt fragten besonders stark von geschlossenen Aus- insgesamt um 20 Prozent niedriger als in den bildungseinrichtungen betroffen sind. 58 Prozent Vergleichsmonaten Mai und Juni der MiD 2017. der Befragten dieser Altersgruppe sind noch Schü- Insbesondere bei der hohen Statusgruppe ist ler, weitere 24 Prozent studieren. Für Homeschoo- die tägliche Verkehrsleistung um 30 Prozent auf ling oder Online-Seminare müssen die eigenen 38 Kilometer gesunken. Zuvor lag sie bei fast 54 vier Wände nicht verlassen werden, die Befragten Kilometern pro Tag. Das kann durchaus mit der dieser Altersgruppe sind also aufgrund der äu- teilweisen Inanspruchnahme des Homeoffice in ßeren Anlässe weniger mobil. Da 50 Prozent der Verbindung stehen. Befragten der jüngeren Altersgruppe der unteren Statusgruppe zugeordnet sind, erklären sich da- Die Unterwegsquote, das Verkehrsaufkommen durch mitunter die Effekte bei der Differenzierung und die Verkehrsleistung haben sich über alle Al- nach ökonomischem Status. tersgruppen reduziert. Die Unterwegsquote be- schreibt den Anteil der Befragten mit außerhäus Die Veränderungen der Mobilitätskennziffern (vgl. lichen Aktivitäten am Berichtstag oder auch Abbildung S.8) sprechen für einen Rückgang und „mobile Personen“. Die Seniorinnen und Senioren eine Verlangsamung der Mobilität. Die verringerte verzeichnen den größten Rückgang in ihrer Mobi- Mobilität insgesamt wurde durch die deutlichen lität. Die Unterwegsquote hat sich um mehr als Einschränkungen im Alltag, wie Kontaktverbote, 15 Prozent auf nunmehr 65 Prozent reduziert. Schließungen oder Homeoffice hervorgerufen. Das heißt, nur zwei von drei Personen dieser Al- Die sich daraus ergebenden Veränderungen der tersgruppe verlassen mindestens einmal pro Tag Wegeparameter zeigen ein verändertes, aber das Haus. Bei den unter 30-Jährigen zeigt sich nicht ausschließlich ein reduziertes Mobilitäts- ein ganz anderes Muster. Sie sind mit 85 Prozent verhalten an, das sich z.B. in längeren Freizeitaus- nahezu genauso häufig an einem durchschnitt- flügen mit dem Fahrrad oder zu Fuß ausdrückt. lichen Tag außerhäuslich unterwegs wie zuvor, Es werden 25 Prozent weniger Wege zurückge- allerdings mit einem großen Rückgang bei den legt. Die Verkehrsleistung verringert sich um 20 pro Tag zurückgelegten Wegen und Kilometern. Prozent auf 35 Kilometer pro Person und Tag. Die In diesen Zahlen zeigt sich, dass die jüngeren Be- Unterwegszeit hingegen reduziert sich nur um Zur Stichprobe Bayern Von Ende Mai bis Ende Juni 2020 wurden mit 1.243 Personen computergestützte Telefon-Interviews (CATI) durchgeführt. Die Befragung ist als Panelstudie angelegt und die bereits interviewten Personen werden im Herbst 2020 erneut befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Bevölkerung Bayerns im Alter ab 16 Jahren. Grundlage ist eine spezielle Festnetzstichprobe in Bayern, die durch regionale Fälle aus der bundesweiten MOBICOR-Studie ergänzt wurde. Diese Ergänzung enthält auch Interviews aus einer Mobil- funkstichprobe, die im Dual-Frame-Verfahren erhoben wurde. Dabei werden Festnetz- und Mobilfunknummern kombiniert genutzt.
11 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 zwölf Prozent und beträgt 76 Minuten. Darauf sich bei Arbeitswegen, dienstlichen Wegen und wird im nächsten Abschnitt zurückzukommen bei der Begleitung von Personen (Abbildung auf sein. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Seite 11). Die Rückgänge bei den Arbeitswegen Auswirkungen durch die Corona-Pandemie und lassen sich durch Homeoffice und Kurzarbeit er- den Lockdown im Hinblick auf den ökonomischen klären. Aber auch dienstliche Wege sind häufig Haushaltsstatus sehr unterschiedlich ausfallen mit dem Kontakt zu anderen Personen verbun- und nicht über alle Wegeparameter linear mit den, wenn sie nicht der Warenauslieferung oder dem Haushaltsstatus steigen oder fallen. Doch anderen nicht interpersonellen Zwecken dienen. auch in Bayern ergeben sich für die Befragten mit Dienstliche Wege zu Konferenzen, Projekttreffen niedrigem ökonomischem Haushaltsstatus grö- oder Konferenzen können durch Internetdienste ßere Veränderungen in ihrer Arbeitssituation als substituiert werden, sie finden online statt und bei den höheren Statusgruppen. ersetzen die entsprechenden dienstlichen Wege. WARUM GEHEN DIE MENSCHEN VOR DIE TÜR? Die Wege für die Begleitung von Personen haben EIN BLICK AUF DIE WEGEZWECKE sich ebenfalls deutlich verringert. Die eine Milli- onen Wege, die täglich dafür getätigt werden, Das Verkehrsaufkommen hat sich insgesamt um umfassen nur noch 40 Prozent des Ausgangs- 8,7 Mio. Wege pro Tag reduziert. Das ist etwa ein werts der MiD 2017. Mit geschlossenen Schulen Viertel weniger als in den Vergleichsmonaten der und Betreuungseinrichtungen für Kinder und für MiD von 2017. Die größten Rückgänge zeigen ältere Menschen entfallen viele Wege, auf denen Personen zuvor begleitet wurden. Dass sich die Freizeitwege ebenfalls in einem deutlichen Um- fang reduziert haben, lässt sich auf geschlossene Verkehrsaufkommen in Bayern pro Tag im Mai/Juni absolut Freizeit- und Kultureinrichtungen oder Sportver- für Personen ab 16 Jahren anstaltungen zurückführen. Stattdessen wurden Hochrechnung in Millionen Wegen häufig das Fahrrad oder die eigenen Füße zum Freizeitausgleich oder Workout nach dem Home- 10,1 office genutzt. Entsprechend angestiegen sind die durchschnittlich zurückgelegten Entfernungen 8,0 8,3 mit dem Fahrrad, und zwar von etwa zwei Kilome- ter in der MiD 2017 auf mehr als fünf Kilometer in 6,1 der MOBICOR-Umfrage. Die Fußwege haben hier 5,5 5,7 eine bemerkenswerte durchschnittliche Länge 5,2 von deutlich über sechs Kilometern pro Weg, da- 4,2 4,2 gegen waren in der MiD 2017 für Bayern 95 Pro- 2,5 2,5 zent der Fußwege unter fünf Kilometer lang. Aller- dings liegt eine recht „schiefe“ Verteilung vor mit 1,0 starken Ausreißern. Der Median, der als Lagemaß die Hälfte der längeren von den kürzeren Wegen Arbeit/ Ausbildung dienstlich Einkauf Erledigung Freizeit Begleitung teilt, liegt bei 1,5 Kilometern. Andererseits gibt es einige sehr lange Fußwege, die die durchschnitt- liche Wegelänge auf fast 7 Kilometern anheben. MOBICOR MiD Der Radverkehr zeigt in Bayern eine Besonderheit, MOBICOR Bayern und Ausschnitt aus der regionalen MiD für Personen ab 16 Jahren im denn gegenüber der MiD 2017 hat der Modal- Mai/Juni; stichprobenbedingt größere Fehlerspielräume in MOBICOR (+/- 15 Prozent) split-Anteil abgenommen und liegt nun bei zwölf
12 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 Prozent. Dies ist im Vergleich zu den anderen Bun- halten Angaben zu der Anzahl von Besuchen an desländern ein gegenteiliger Trend. Insgesamt ist bestimmten Orten und wie sich diese verändert aber der Rückgang der Verkehrsleistung bei den haben. Als Referenzwert dient der Median für den Freizeitwegen in ähnlichen Anteilen auch in den entsprechenden Wochentag vom 3. Januar bis anderen Bundesländern zu beobachten. Freizeit- 6. Februar 2020. Bei den Orten werden sechs Kate- aktivitäten werden teilweise durch verstärktes gorien unterschieden: Einzelhandel und Freizeit, Shopping kompensiert, so eine Vermutung, denn Läden für den täglichen Bedarf, Parks, Bahnhöfe hier hat die Verkehrsleistung um 0,6 Mio. Kilome- und Haltestellen, Arbeitsstätten sowie Wohnorte. ter zugelegt. Auf Grundlage der Daten haben wir die zeitliche Entwicklung der Frequentierung dieser Orte zwi- An dieser Stelle können die Befragungsergebnis- schen der Kalenderwoche 7 (ab 10. Februar) bis se der MOBICOR-Studie um die Aufenthaltsmes- zur Kalenderwoche 29 (bis 19. Juli) für Bayern be- sungen von Google ergänzt werden. Google hat trachtet (siehe Abbildung auf Seite 12). als Beitrag zur Bekämpfung der Ausbreitung der Pandemie für 135 Länder der Erde und für die Es lässt sich leicht erkennen, dass in der Phase 51 Bundesstaaten der USA Mobilitätsreports ver- des umfassenden Lockdowns zwischen Mitte fasst. Diese werden kontinuierlich aktualisiert, die März und Mitte Mai das öffentliche Leben wei- entsprechenden Kennziffern werden als Daten- testgehend zum Erliegen kam. Selbst Besorgun- download zur Verfügung gestellt. Die Reports ent- gen für den täglichen Bedarf fanden in einigen Aufenthaltsmessungen von Google durchschnittlicher Rückgang gegenüber dem Referenzwert in Prozent nach Kalenderwochen – nur Bayern, Referenztag ist der Medianwert der fünf Wochen vom 3. Januar bis 6. Februar 2020. 20 Wohnquartiere durchschnittliche täglicher Bedarf Rückgänge über 10 den gesamten Zeitraum 0 -33 Bahnhöfe/Haltestellen -10 -4 täglicher Bedarf Arbeitsorte -20 -27 Einzelhandel und Freizeit -24 Arbeitsorte -30 8 Wohnquartiere -40 Bahnhöfe/Haltestellen -50 -60 Einzelhandel und Freizeit -70 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 Kalenderwoche Google LLC „Google COVID-19 Community Mobility Reports“. https://www.google.com/covid19/mobility/ Accessed: .
13 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 dieser Wochen um bis zu 20 Prozent vermindert Entfernung, zwölf Prozent aller Fußwege sind län- statt. In diesem Zeitraum sanken ebenfalls die ger als sechs Kilometer. Diese entfallen zum Groß- Besuche von Einzelhandelsgeschäften und Frei- teil auf Freizeitwege: 40 Prozent aller Freizeitwe- zeiteinrichtungen um bis zu 50 Prozent unter das ge sind Fußwege, der Radverkehrsanteil liegt hier Niveau zu Jahresbeginn. Ab Ende Mai tendieren nur bei zwölf Prozent. Und die durchschnittliche die Häufigkeiten der Besuche wieder in Richtung Entfernung, die mit dem Rad zurückgelegt wird, des Ausgangswerts. Besorgungen des täglichen ist mit etwa fünf Kilometern geringer als die der Bedarfs werden sogar etwas häufiger als zuvor Fußwege. Bei den muskelbetriebenen Fortbewe- getätigt. Shopping, so eine mögliche Interpre- gungsarten wird in Bayern das Gehen und Wan- tation, dient als Ausgleich für ein verringertes dern bevorzugt. Freizeitangebot oder ist Ausdruck eines nachho- lenden Konsumverlangens. Das zeigen die Zahlen Die motorbetriebenen Verkehrsmittel verzeich- der MOBICOR-Untersuchung ebenfalls. Ein etwas nen einen deutlichen Rückgang in der Verkehrs- anderes Bild zeigt der ÖV, der zwar weiterhin mit leistung. Die Gründe wurden bereits erläutert: einer geringeren Frequentierung von über 15 Pro- Homeoffice ersetzt die Wege zum Arbeitsplatz, zent konfrontiert wird, aber die Entwicklung der Kurzarbeit in einigen Fällen ebenso. Zusätzlich Besuchszahlen weist in Richtung „Normalität“. Es entfallen Anlässe für dienstliche Wege. Der Kon- lässt sich eine parallele Entwicklung zu den Besu- takt zu Kunden und Partnern erfolgt über Online- chen der Arbeitsorte erkennen, die ebenfalls im Meetings. Messen, Konferenzen oder anderen Vergleich zu den Ausgangswerten eine weiterhin Veranstaltungen wurden ebenfalls ins Netz ver- deutlich niedrigere Frequentierung aufweist. Der legt. Die Universitäten haben deutschlandweit Zusammenhang scheint einfach: Wird vermehrt von zu Hause aus gearbeitet, sinken auch die Be- suche der ÖV-Haltestellen und Bahnhöfen. Bis in Verkehrsleistung pro Tag in Bayern im Mai/Juni absolut für den Juli hinein liegen die Werte um mindestens Personen ab 16 Jahren 15 Prozent niedriger vor dem Beginn der Pande- Hochrechnung in Millionen Personenkilometern mie. Es kann eine Entwicklung erwartet werden, 287 bei dem mit dem Verlassen des Homeoffices und der Rückkehr an den angestammten Arbeitsplatz die ÖV-Nachfrage wieder ansteigt. Offen bleibt 232 dabei, ob dennoch dauerhafte Auswirkungen bei der ÖV-Nachfrage bestehen bleiben. WIE SIND WIR UNTERWEGS? EIN VERKEHRSMITTELVERGLEICH 84 70 75 In Bayern ist weniger das Fahrrad, sondern viel- 34 17 22 17 12 mehr das zu Fuß gehen die präferierte Alternative zu anderen Freizeitaktivitäten, wie zuvor gezeigt. ÖV MIV-Fahrer MIV-Mitfahrer Fahrrad zu Fuß Nur bei den Fußwegen hat die Verkehrsleistung gegenüber der MiD 2017 in den Vergleichsmona- ten Mai und Juni zugenommen, und das um fünf Mio. Kilometer pro Tag bzw. um 42 Prozent, wie die MOBICOR MiD Abbildung auf Seite 13 zeigt. Wie zuvor erwähnt, MOBICOR Bayern und Ausschnitt aus der regionalen MiD für Personen ab 16 Jahren im Mai/Juni; stichprobenbedingt größere Fehlerspielräume in MOBICOR (+/- 15 Prozent) sind darunter zahlreiche Wege mit einer größeren
14 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 ein Online-Semester realisiert, Präsenz war nur um insgesamt 60 Mio. Kilometer pro Tag. Für die für Klausuren erforderlich. Schulen und Betreu- Selbstfahrer beträgt die Verkehrsleistung damit ungseinrichtungen sind geschlossen, wodurch etwa 80 Prozent der MiD-Vergleichswerte für Mai diese Wege und die dazugehörigen Begleitwe- und Juni, bei Mit-Fahrern ist der Rückgang gerin- ge entfallen. Die Besorgungen für den täglichen ger und liegt im Vergleich zur MiD noch bei 93 Pro- Bedarf (Einkauf, Erledigungen) werden verstärkt zent. Dabei unterscheidet sich Bayern ebenfalls im Umfeld zum Wohnort getätigt und möglichst deutlich von den beiden anderen Bundesländern mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Deren Anteil an des MOBICOR-Projekts, in denen die Verkehrsleis- Einkaufs- und Erledigungswege steigt von 31 Pro- tung für MIV-Mitfahrer um 50 Prozent deutlich zent in der MiD 2017 auf 37 Prozent an. Zudem stärker zurückgegangen ist. gibt jeder Vierte an, vermehrt online zu shoppen, das entspricht dem bundesweiten Durchschnitt. Die Zahlen zeigen: In Bayern ist der Autoverkehr Zusätzlich resultiert aus den Veränderungen am sehr ausgeprägt. 85 Prozent der Befragten ge- Arbeitsplatz ein größeres Zeitbudget, das für ben an, das Auto an mindestens einem Tag pro Freizeitzwecke aufgewendet werden kann, auch Woche zu nutzen, deutschlandweit sind es nur wenn dies in Bayern in geringerem Umfang als in 77 Prozent (siehe linke Abbildung auf Seite 14). den Bundesländern Hessen und Baden-Württem- Der Modalsplit-Anteil nach Wegen beträgt für berg erfolgt. 52 Prozent der Freizeitwege werden Fahrer und Mit-Fahrer 60 Prozent und liegt um ein zu Fuß oder mit dem Fahrrad absolviert, wobei die Prozent über dem Anteil der MiD 2017 (siehe rech- Fußwege den weitaus größeren Anteil besitzen. te Abbildung auf Seite 14). Der Modalsplit-Anteil des Fahrrads sinkt hingegen von 14 auf zwölf Pro- Für den motorisierten Individualverkehr (MIV; zent und der öffentliche Verkehr verringert sich Fahrer und Mit-Fahrer) ergibt sich ein Rückgang auf sechs Prozent – ein Verlust von einem Drittel Alltagsnutzung des Auto Umstieg von Bus und Bahn auf andere Verkehrsmittel Angaben in Prozent; Anteile: als Fahrer/in oder Mitfahrer/in Angaben in Prozent; Wege an mindestens einem Tag pro Woche Bayern gesamt 6 9 Deutschland 77 52 49 Bayern 85 8 10 12 14 Baden-Württemberg 82 23 18 MOBICOR MiD Hessen 84 ÖV MIV-Fahrer MIV-Mitfahrer Fahrrad zu Fuß MOBICOR Bayern und Ausschnitt aus der regionalen MiD für Personen ab 16 Jahren im Mai/Juni: rundungsbedingte Abweichungen von 100 Prozent möglich
15 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 der Anteile gegenüber der MiD 2017. Mit Blick zum motorisierten Individualverkehr bieten soll, auf die Verkehrsleistung treten die Nachfrageein- wie es auf der Website des Bayerischen Staatsmi- bußen des ÖV noch deutlicher hervor. Mit etwa nisteriums für Wohnen, Bau und Verkehr zu lesen 50 Mio. Personenkilometern pro Tag sind die Ver- ist, dann zeigen diese Entwicklungen einen Hand- luste annähernd so groß wie beim MIV, nur dass lungsbedarf an. Derzeit werden öffentliche Ver- die Ausgangsbasis beim ÖV mit 84 Mio. Perso- kehrsmittel verstärkt gemieden. Das gilt nicht nur nenkilometern etwa 200 Mio. Kilometer unter der für Bayern, sondern bundesweit. In Bayern fahren Verkehrsleistung des MIV lag. Die Verkehrsleis- nur 49 Prozent der Befragten weiterhin wie bisher tung des ÖV beträgt somit nur noch 40 Prozent im ÖV, aber 37 Prozent der Befragten weichen auf des ursprünglichen Niveaus. das Auto aus und 18 Prozent auf das Fahrrad (sie- he Abbildung auf Seite 15 rechts). Je länger dieser Werden die Fußwegeanteile herausgerechnet, wie Zustand andauert, desto eher schleifen sich neue in der Abbildung auf Seite 15 links zu sehen, dann Verhaltensroutinen ein und desto schwieriger wird das Verhältnis von MIV zu ÖV noch deutli- wird es, die einmal verloren gegangenen Fahrgäs- cher. Die ÖV-Wege umfassen nur noch ein Zehntel te wieder für den ÖV zurück zu gewinnen. der MIV-Wegeanteile. Zuvor lag dieses Verhältnis bei 1 zu 6,5. Dass drei von vier Wegen mit dem Die Rückgänge der ÖV-Nachfrage sind aus ei- Auto zurückgelegt werden und nur jeder zwölfte nem weiteren Grund kritisch zu bewerten, denn Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln, ist eine be- es kann zu einem sich selbst verstärkenden Pro- denkenswerte Entwicklung. Wenn der ÖV im In- zess führen – eine Abwärtsspirale, bei der der teresse des Umweltschutzes, der Verkehrssicher- öffentliche Verkehr langfristig die Folgen der heit und gleichwertiger Lebensbedingungen im Corona-Pandemie nicht überwinden wird und Freistaat eine möglichst vollwertige Alternative die Fahrgastverluste sich verstetigen. Bleiben die Umstieg von Bus und Bahn auf andere Verkehrsmittel Umstieg von Bus und Bahn auf andere Verkehrsmittel Angaben in Prozent; Wege Angaben in Prozent 49 49 MOBICOR MiD 37 34 8 17 11 15 10 Verhältnis 12 Verhältnis MIV/ÖV: MIV/ÖV: 18 18 67 60 10:1 6,5:1 9 9 ja, auf das Auto ja auf das Fahrrad fahre dann lieber gar nicht nein, fahre wie bisher Basis: ohne Wege zu Fuß Basis: ohne Wege zu Fuß ÖV MIV-Fahrer MIV-Mitfahrer Fahrrad Deutschland (im Mai) Bayern (im Mai/Juni) MOBICOR Bayern und Ausschnitt aus der regionalen MiD für Personen ab 16 Jahren im Mai/Juni
16 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 Fahrgäste aus und sinken die Erlöse, fehlt die fi- rechtlichen Verpflichtungen Deutschlands nach nanzielle Grundlage für Maßnahmen, die den der EU-Effort-Sharing-Entscheidung und der EU- ÖV wieder attraktiv erscheinen lassen könnten. Climate-Action-Verordnung für die sogenannten Diejenigen Fahrgäste, die nicht darauf angewie- „Nicht-ETS-Sektoren“ verstoßen wird, so die Be- sen sind, bleiben dem ÖV fern und es kommt zu rechnungen der Thinktanks Agora Energiewende einem weiteren Nachfragerückgang. Am Ende und Agora Verkehrswende (vgl. Agora Energie- bleiben Bus und Bahn die Verkehrsmittel für die wende, Agora Verkehrswende (2018): Die Kosten sogenannten „Captives“, die Zwangskunden, die von unterlassenem Klimaschutz für den Bundes- keine Alternative zur Verfügung haben. haushalt). Es liegt natürlich nicht allein am ÖV, ob diese Ziele erreicht oder verfehlt werden. Doch FAZIT ebenso mit Blick auf den Erhalt lebenswerter Städte, Partizipationsmöglichkeiten sozial schwa- Sollten sich die Nachfragerückgänge im öffent- cher Menschen oder zur Herstellung gleichwerti- lichen Verkehr verstetigen, dann ließen sich po- ger Lebensverhältnisse in ländlichen Regionen ist litische Zielstellungen, wie die Verpflichtungen ein leistungsstarker ÖV erforderlich. zur Reduktion der CO2-Emissionen auf nationaler und internationaler Ebene, schwerer erreichen Was lässt sich zu den anderen Mobilitätsformen als vor der Corona-Pandemie. Mit großen Belas- sagen? tungen für den Steuerzahler, denn die Verfehlung der Klimaziele ist nicht mehr kostenlos. Zwischen Der Fuß- und Radverkehr: Das aktuelle Plus beim 30 und 60 Milliarden Euro müssen zwischen 2021 Fußverkehr und im Hinblick auf die Wegelängen und 2030 für den Erwerb von Emissionszerti- auch beim Radverkehr, wird kaum bleiben. Die fikaten von Nachbarländern bzw. für Strafzah- Nahraumorientierung wird abnehmen und da- lungen aufgewendet werden, wenn gegen die durch die Nahmobilität. Wird das Wetter schlech- 44 % der Befragten mit hohem ökonomischen Haushalts- status arbeiten derzeit im Homeoffice, aber nur zehn Prozent von ihnen in Kurz- arbeit
17 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 ter und verringern sich die Zeitbudgets für Freizeit Das Niveau: Das alte Mobilitätsniveau wird und Einkauf, werden sich Fuß- und Radverkehr schnell wieder erreicht werden, wenn es nicht wieder auf das ursprüngliche Niveau bewegen. zu einem weiteren Lockdown kommt. Ob dieser Ob ein „etwas mehr als vorher“ bestehen bleibt? dann flächendeckend ausfällt, nur die Infektions- Damit ist durchaus zu rechnen, da positive Erfah- zentren in den Fokus genommen werden oder rungen mit dem Fahrrad oder mit dem zu Fuß ob es überhaupt so weit kommt, ist derzeit nicht gehen sich ebenfalls als Routinen verfestigen absehbar. Bleibt der zweite Lockdown aus und können. Dies gilt umso mehr, wenn während des bewegen wir uns weiter in Richtung Normalität, Lockdowns ein Fahrrad angeschafft wurde. Tat- dann wird sich auch das Verkehrsgeschehen wei- sächlich scheinen die Verkaufszahlen für Zwei- ter normalisieren. Die Ausnahmen wurden zuvor räder stark angestiegen zu sein. Der Mai diesen besprochen. Jahres sei der Umsatz stärkste Monat, den die Branche je erlebte, so der Zweirad-Industrie-Ver- Wie es weitergehen könnte? Pandemien möch- band (ZIV) im Gespräch mit der Zeit (Zeit Online te man am liebsten schnell vergessen. Dies war vom 03.07.2020: „Boom für Fahrradbranche hält historisch so und trifft auf die aktuelle Krise glei- an“). chermaßen zu. „Nachhaltigkeitserfahrungen“ werden so vermutlich nicht lange nachhaltig sein. Das Auto: Dieser Schutzraum profitiert und wird Auch weiterhin werden infrastrukturelle und an- dies vermutlich noch längerfristig tun. Und zwar gebotsseitige Maßnahmen erforderlich sein, um aus den gleichen Gründen, aus denen andere noch mehr Menschen zur Nutzung von Bus, Bahn, beim Fahrradfahren oder Zufußgehen bleiben: Rad und Fußverkehr zu motivieren. Man hat sich daran gewöhnt. Vielleicht wurde so- gar ein Auto angeschafft, um gut durch die Krise zu manövrieren. Wer einmal im Auto sitzt, kommt Tageskilometer pro Person nur schwer wieder heraus. Doch die Absatzzahlen Angaben in Mittelwerten für Gebrauchtwagen sowie die Neuzulassungen nach KBA liegen im Mai 2020 deutlich unter den 16.03. Beginn Zahlen für Mai 2019 (KBA, Pressemitteilung Nr. 60 Shutdown 16/2020). Hintergrund sind die negativen wirt- schaftlichen Auswirkungen und Unsicherheiten 50 durch die Pandemie. Der ÖPNV verliert zwar ak- tuell Anteile an den MIV, doch könnte es sich da- 40 bei nur um eine Momentaufnahme handeln, an- statt einem Trend. Wie die Entwicklungen in den 30 nächsten Monaten verlaufen, ist abhängig davon, wie weit es der ÖV schafft, Fahrgäste zurückzu- 20 gewinnen. Andererseits: Wenn in den nächsten Wochen vermehrt aus dem Homeoffice zurückge- 10 kehrt wird, wird dadurch die Autonutzung weiter zunehmen. An dieser Stelle werden die Zahlen der 0 zweiten Erhebungswelle mehr Klarheit schaffen 01.01. 01.02. 01.03. 01.04. 01.05. 01.06 Fahrrad zu Fuß ÖPNV Auto Datenbasis: rund 1.500 Personen im Tracking von MOTIONTAG (Partner im MOBICOR- Projekt), Eigenprojekt für Deutschland gesamt
18 MOBILITÄTSREPORT BAYERN 01 AUSGABE 05.08.2020 Projekt und Methoden basieren die Tracking-Ergebnisse noch auf einem nicht repräsentativen Testsample mit etwa 1.000 Das Forschungsvorhaben „MOBICOR“ wurde vom Beteiligten (siehe Abbildung auf Seite 17). Die auf Bundesministerium für Bildung und Forschung dieser Grundlage bereits ermittelten Eckwerte (BMBF) angeregt und wird auch finanziell als ein wie etwa Aktivitätsquoten oder Tagesstrecken Gemeinschaftsprojekt von WZB, infas, MOTION- entsprechen in ihrer Ausprägung bekannten TAG, Nuts One und Nexus unterstützt. Gegen- Parametern aus repräsentativen Studien. Die so stand der Forschung ist es die Beweglichkeit der erfolgte externe Validierung über die aus der MiD Gesellschaft vor, während und nach der Corona abgeleiteten Erwartungswerte zu „Normalzeiten“ Pandemie zu vermessen, zu analysieren und hin- sprechen für die Nutzugsmöglichkeit der Tracking- sichtlich ihrer Wandelbarkeit zu verstehen. Dabei Ergebnisse. Ab Juni wurde diese Stichprobe sollen qualitative, quantitative sowie neue digita- erweitert und mit der repräsentativen Befragung le Erhebungsmethoden eingesetzt werden. verknüpft. Wichtige Grundprinzipen sind dabei transparente Information, Freiwilligkeit und eine Die Befragungen Auswertung nach den gültigen Datenschutzkrite- rien, um die Identifikation von Einzelfällen auszu- MOBICOR ist als Längsschnittbefragung angelegt schließen. und damit ein echtes Panel. In drei Wellen begin- nend im Mai 2020 sollen zunächst bis zum Jahres- Die von MOTIONTAG entwickelte App zeichnet anfang in einem repräsentativen Ansatz zufällig Smartphone-basiert Bewegungsdaten auf. Gleich- ausgewählte Bürgerinnen und Bürger telefonisch zeitig errechnet sie anhand stetig weiterentwi- sowie online befragt werden. Die bundesweite ckelter Algorithmen weitgehend automatisch Ausgangsstichprobe beträgt 1.500 Interviews. und in Echtzeit die genutzten Verkehrsmittel. Hinzu kommen regionale Aufstockungen mit Dabei werden zehn Verkehrsmittel unterschieden. jeweils 1.000 weiteren Interviews in den Bundes- Es wird die zurückgelegte Entfernung bestimmt ländern Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. sowie die Zeit, die man dafür benötigt hat. Mit Die zugrunde liegenden echten Zufallsstichpro- Unterstützung der Probanden ebenfalls möglich ben basieren auf einem Dual-Frame-Verfahren ist eine Kategorisierung der Aufenthaltsorte. bzw. regional auf einer Festnetzauswahl. Grund- Hierzu planen wir zurzeit Erweiterungen, um auch gesamtheit ist die deutschsprachige Bevölkerung dies in einem höheren Grad zu automatisieren im Alter ab 16 Jahren. Der Fragebogen orientiert und so den Aufwand für die Teilnehmerinnen und sich an der Vorgehensweise der Studie „Mobilität Teilnehmer zu reduzieren. in Deutschland“, die infas zusammen mit Part- nern für das Bundesministerium für Verkehr und Wie wir fortfahren digitale Infrastruktur (BMVI) durchgeführt hat. Damit ist die Anschlussfähigkeit an die Ergebnisse In weiteren Schritten werden wir die begonnenen aus dieser Leitstudie gewährleistet. Analysen vertiefen und das Panel fortführen. Die Berichterstattung erfolgt kontinuierlich jeweils Die App nach dem Abschluss einer Erhebungswelle. Unser besonderes Augenmerk gilt dabei der sozialwis- Zusätzlich setzen wir ab Anfang Juni die Tracking- senschaftlichen Perspektive. Bei Bedarf werden App mobico ein. Sie wird ab August Ergebnisse wir auch Zwischenauswertungen auf Basis des bereitstellen. Für die Monate Januar bis Juni Trackings zur Verfügung stellen.
Kontakt Marc Schelewsky Senior-Projektleiter infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH Tel. +49 (0)228 3822-952 E-Mail: m.schelewsky@infas.de
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