Wettbewerbsperspektiven für den Strommarkt in der Energiewende - energie.de

Die Seite wird erstellt Louis-Stefan Neumann
 
WEITER LESEN
Wettbewerbsperspektiven für den Strommarkt in der Energiewende - energie.de
ZUKUNFTSFRAGEN

Wettbewerbsperspektiven für den Strommarkt in der
Energiewende
Hubertus Bardt und Esther Chrischilles

Ohne Wettbewerb lassen sich technologische Lösungen konzipieren, aber für effiziente und innovative Schritte zur Errei-
chung der Ziele der Energiewende sind wettbewerbliche Strukturen zwingend notwendig. Die zukünftige Gestaltung des
Regelrahmens für den Strommarkt muss daher wieder stärker wettbewerblichen Grundprinzipien folgen, sowohl bei der
Reform des EEG – die Novelle ist nur ein erster Schritt –, als auch beim Entwurf von Regeln für ein Szenario nach der Förde-
rung der Erneuerbaren. Aus diesem Grund sollten die Weichen dafür nicht ad hoc und aus tagespolitischem Anlass heraus
gestellt werden. Vielmehr ist eine ordnungspolitische Orientierung für diese grundlegenden Entscheidungen notwendig.

Mit der Energiewende werden die ordnungs-
politischen Grundlagen der Stromwirtschaft
neu definiert [1]. Dazu gehören insbesonde-
re die politischen Vorgaben zum Ausstieg
aus der Kernenergie sowie das Ziel, den
Strombedarf maßgeblich durch erneuerbare
Energien zu decken. Neben dem Ordnungs-
recht ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG) das zentrale Element, mit dessen Hil-
fe insbesondere der Umbau der Stromver-
sorgung gelingen soll.

Damit werden wesentliche Parameter des
Stromangebotes dem Wettbewerb entzo-
gen. Das gilt bspw. für die Durchsetzung
bestimmter Technologien, aber auch der
für eine Marktordnung entscheidende
Preismechanismus für Strom wird durch
die Förderung zunehmend gestört. Innova-
tionen und Effizienz können nur in wettbe-
werblichen Strukturen erreicht werden. Der
Wettbewerb um die besten Ideen und die                  Die EEG-Novelle ist ein wichtiger Schritt hin zu einer wettbewerblichen Förderung erneuerbarer
                                                        Energien                                                               Foto: Tijana | Fotolia.com
günstigsten Lösungen bietet die Anreize für
Verbesserungen, die für eine erfolgreiche
Energiewende notwendig sind.                    ob als Erzeuger von fossil oder erneuerbar             zipien des zukünftigen Regelsystems ein-
                                                produziertem Strom auf der Angebots- oder              heitlich für alle Anbieter gelten. Auf Dauer
Herausforderungen                               als Verbraucher auf der Nachfrageseite. Eine           kann es keine Spaltung der Marktregeln für
und Prinzipien                                  solche Orientierung muss auch über Legis-              erneuerbare und konventionelle Anlagen
                                                laturperioden und wechselnde Regierungs-               geben.
Dabei stehen insbesondere folgende Heraus-      konstellationen hinweg verlässlich bleiben.                 Technologieneutralität: Das Marktumfeld
forderungen und Prinzipien im Mittelpunkt:           Wettbewerb: Der zukünftige Strom-                 darf damit auch keine dauerhafte Differenzie-
                                                markt muss für alle Anbieter und Techno-               rung für spezifische Technologien vorsehen.
     Langfristigkeit: Die Konzeption für ein    logien in seinen wesentlichen Elementen                Für eine Übergangszeit werden Sonderre-
Marktdesign muss langfristig angelegt sein.     wettbewerblich organisiert sein. Es muss               geln oder Förderungen insbesondere erneu-
Eine klare Ordnungspolitik soll perspekti-      langfristig berechenbare Zahlungsströme                erbarer Energien notwendig sein. Aber auch
visch den laufenden Eingriff in die Märkte       für die Bereitstellung von erneuerbaren als            innerhalb dieser Frist sollten Differenzierun-
und damit das Primat der Prozesspolitik         auch fossilen Stromerzeugungskapazitäten               gen auf das Notwendige begrenzt werden.
ersetzen. Investitionen in energiewirtschaft-   geben, die perspektivisch auch ohne Förde-             Zudem sind diese Förderungen degressiv zu
liche Anlagen haben eine Laufzeit von           rung (außer dem Preissignal des Emissions-             gestalten und die Sonderregeln mit einer kla-
mehreren Jahrzehnten. Damit muss eine           handels) generiert werden können.                      ren Exit-Strategie zu versehen.
klare Orientierung für Marktteilnehmer mit           Einheitlichkeit: An die Forderung des                  CO2-Markt: Der europäische Markt für
langfristigen Investitionen gesetzt werden –    Wettbewerbs schließt sich an, dass die Prin-           Treibhausgas-Emissionsrechte bleibt der

   28                                                                                      ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 9
Wettbewerbsperspektiven für den Strommarkt in der Energiewende - energie.de
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                              ZUKUNFTSFRAGEN

zentrale Mechanismus zur Integration der          weiterzuentwickeln und damit an ein sich          stellt, deutlich mehr als noch im Vorjahr [4].
Kosten von CO2-Emissionen in die Strom-           grundlegend veränderndes Stromversor-             Damit steigt auch die Gefahr von staatlichen
erzeugung. Damit werden politisch defi-           gungssystem der Zukunft anzupassen. Bei-          Eingriffen, die wettbewerbliche Strukturen
nierte Emissionsziele erreicht und Kosten         de Reformen müssen mit klarem Blick auf           weiter verzerren würden.
in das Entscheidungskalkül der Investoren         die notwendige Konvergenz der Marktstruk-
eingepreist. Weitere Förderungen sind da-         turen konzipiert werden.                          Dabei ist festzuhalten, dass sich der Energy-
mit auf Dauer nicht notwendig und sollten                                                           Only-Markt im Wesentlichen bewährt hat.
vermieden werden.                                 Versorgungssicherheit und                         Ergänzend scheint es notwendig, das Preis-
     Versorgungssicherheit: Der zukünftige        Wettbewerb mit VOLL-Optionen                      signal für Versorgungssicherheit expliziter
ordnungspolitische Ansatz muss Finanzie-                                                            zu machen und die Verbindlichkeit derar-
rungsmöglichkeiten für notwendige Kapa-           Mit steigenden Anteilen erneuerbarer              tiger Angebote zu erhöhen. Dazu erscheint
zitäten eröffnen, um die Versorgungssicher-        Energien wird das Stromversorgungsystem           ein theoretisch durchdachter Großentwurf
heit der Stromverbraucher sicherzustellen.        grundlegend verändert. Ein zentrales Pro-         für eine einmalige und grundlegende Umge-
Dies kann über die Nutzung der Zahlungs-          blem der zukünftigen Gestaltung des Strom-        staltung des Strommarkts weniger sinnvoll
bereitschaft für Versorgungssicherheit            marktes betrifft das sog. Missing-Money-           als eine schrittweise Weiterentwicklung der
realisiert werden. Verbraucher ohne eine          Problem. Anders als bisher wird der Markt         bewährten Strukturen.
solche Zahlungsbereitschaft können für ein        zunehmend von kapitalintensiven Erzeu-
niedrigeres Niveau an Versorgungssicher-          gungsoptionen dominiert, umgekehrt liegen         Aufbauend auf dem Energy-Only-Markt und
heit optieren, was den Kapazitätsbedarf in        die variablen Kosten von bspw. Wind- und          den bereits bestehenden Derivatemärkten
den Spitzenzeiten senken und damit die Si-        Solarstrom bei annähernd null. Durch einen        sollte daher ein erweiterter Optionsmarkt
cherheit der Versorgung erhöhen kann.             grenzkostenbasierten Preisbildungsmecha-          entwickelt und als Kernelement der Beprei-
     Nachfrageflexibilisierung: Zur Stabilisie-   nismus, wie er in Deutschland existiert, und      sung von Versorgungssicherheit aufgebaut
rung des Ausgleichs von Stromerzeugung            in dem nur die tatsächlich gelieferte Strom-      werden. Futures und Optionen auf Strom
und -verbrauch ist nicht nur Flexibilität bei     menge vergütet wird (Energy-Only-Markt),          werden heute bereits an der Strombörse
der Stromproduktion und gegebenenfalls            entsteht ein senkender Effekt auf die Bör-         gehandelt. Mit einer Erweiterung der Pro-
-speicherung, sondern auch bei der Nachfra-       senpreise. Im Ergebnis sinken nicht nur die       dukte auf Optionen, die den Wert, den Ver-
ge notwendig. Die Flexibilisierung der Nach-      Einsatzzeiten von konventionellen Kraftwer-       sorgungssicherheit hat (Value of Lost Load
frage (Demand Side Management) muss in            ken, sondern auch deren Deckungsbeiträge.         – VOLL), stärker offenlegen, lässt sich ein
zukünftige Marktmodelle integrierbar sein.                                                          Element einer marktgerechten Kapazitäts-
     Europäisierung: Ohne einen europäi-          Aber auch für Investitionen in erneuerbare        sicherung etablieren. Demnach sollte der
schen Strombinnenmarkt können wichtige            Energien bietet das aktuelle Strommarkt-          Strommarkt in und nach der Energiewende
Effizienzvorteile und Wettbewerbswirkun-            design möglicherweise keine nachhaltige           in drei wesentliche Teile gegliedert sein (sie-
gen nicht realisiert werden [2]. Zukünftige       ökonomische Basis. Auch sie können jen-           he Abb.), die nachfolgend erläutert werden.
Marktmodelle dürfen einem Strombinnen-            seits der Förderung keine ausreichenden
markt nicht entgegenstehen, sondern müs-          Deckungsbeiträge erwirtschaften, wenn An-         VOLL-Optionsmarkt
sen europafähig sein.                             bieter mit Grenzkosten von nahe null preis-
     Evolution: Weiterentwicklungen des           setzend sind [3]. Die zu beantwortende em-        Auf diesem Optionsmarkt bieten Betreiber
Strommarktes müssen auf dem bestehen-             pirische Frage ist jedoch, wie oft dies zutrifft   von Stromerzeugungsanlagen Optionen
den wettbewerblichen Energy-Only-Markt            bzw. wie oft nicht doch (insbesondere in ei-      auf sichere Lieferungen aus gesicherter
aufbauen. Nur so können Strukturbrüche            nem stärker europäisch integrierten Markt)        Leistung an – bspw. aus konventionellen
vermieden und Transformationsrisiken mi-          ein fossiles Kraftwerk oder ein Speicher          Kraftwerken. Da auch hier ein gewisses
nimiert werden. Eine schrittweise evolutio-       mit positiven Grenzkosten preissetzend            Ausfallrisiko besteht, ist jedoch eine gewis-
näre Weiterentwicklung sollte marktnah er-        ist. Zudem ist entscheidend, wie hoch die         se Sicherheitskapazität zurückzubehalten.
folgen und revidierbar sein. Das Wissen und       Knappheitspreise für Strom in den Stunden         VOLL-Optionen können angeboten werden
die Erfahrungen der Marktteilnehmer sind          werden können, in denen fossile Kraftwer-         von allen, die in Engpasssituationen siche-
dabei als Veränderungsquelle mindestens           ke zum Einsatz kommen. Steigen die Preise         re Leistung verfügbar machen und damit
ebenso wichtig wie externe Expertise.             ausreichend stark an, ist auch in weniger         Strom produzieren können. Dies sind fossile
                                                  Stunden der notwendige Deckungsbeitrag            Kraftwerke, Speicher, aber auch erneuerba-
Dies muss in einem energiepolitischen Ge-         der Investitionen erwirtschaftbar.                re Anlagen. Über virtuelle Kraftwerke kön-
samtkonzept zusammengeführt werden,                                                                 nen nicht nur regelbare Biomasseanlagen,
das aus zwei Elementen besteht: Zum ei-           Die niedrigen Börsenstrompreise führen            sondern auch die Stromerzeugung durch
nen muss die Förderung der erneuerbaren           jedoch aktuell zu einer Debatte, ob genü-         Wind und Sonne einen Beitrag leisten. Mit
Energien mit stärkerem Blick auf Effizienz          gend Anreize für Investitionen in gesicherte      technischem Fortschritt und einer verbes-
und Integration reformiert werden. Zum            Kraftwerksleistung getätigt werden können.        serten Speicher- und Steuerbarkeit erneu-
anderen ist es gleichzeitig notwendig, die        Nach Aussage des BDEW seien 43 % aller ge-        erbarer Energien kann zudem die Options-
existierenden Regeln des Strommarktes             planten Kraftwerksneubauten in Frage ge-          marktfähigkeit dieser Anlagen steigen.

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 9                                                                                    29
Wettbewerbsperspektiven für den Strommarkt in der Energiewende - energie.de
ZUKUNFTSFRAGEN

                                                                                                Nur ein Teil dieser Sicherheitskapazität
                                                                                                muss weiterhin stillgelegt bleiben, um im
                                                                                                Falle von kurzfristigen Ausfällen und Netz-
                                                                                                schwankungen zugeschaltet zu werden.
                                                                                                Ansonsten wird die Versorgungssicherheit
                                                                                                in Engpasssituationen über das gezielte
                                                                                                Abschalten von Verbrauchern hergestellt,
                                                                                                die sich nicht mit Optionen bzw. Futures für
                                                                                                Strom aus gesicherter Leistung eingedeckt
                                                                                                haben. Mit der Weiterentwicklung der be-
                                                                                                stehenden Options- und Futuresmärkte zu
                                                                                                Märkten mit Produkten, die eine explizit
                                                                                                physische Lieferverpflichtung und entspre-
                                                                                                chende Zugangsvoraussetzungen besitzen,
                                                                                                wird Versorgungssicherheit explizit handel-
                                                                                                bar gemacht und erhält einen Preis.

                                                                                                Konventionelle und steuerbare Anlagen, die
                                                                                                über gesicherte Leistung verfügen, können
                                                                                                sich zusätzlich zu dem bisherigen Termin-
                                                                                                und Spotmarkt aus dem VOLL-Optionsmarkt
Abb.    Erweiterung des Strommarktes um VOLL-Produkte
                                                                                                bzw. dem VOLL-Futuresmarkt finanzieren.
                                                                                                Diese Märkte kommen dann zu positiven
                                                                                                Marktpreisen, wenn eine Zahlungsbereit-
Die Nachfrager kaufen sich mit einer              kaufen Arbeit aus der gesicherten Leistung    schaft für Versorgungssicherheit vorliegt.
VOLL-Option die Sicherheit der zukünfti-          auf, die sie durch ungesicherte Arbeit am     Ist dies nicht der Fall, ist auch keine Inves-
gen Stromversorgung zu einem bestimm-             Spotmarkt ergänzen können.                    tition in die Bereitstellung notwendig. Es
ten Zeitpunkt. Dabei müssen sie heute den                                                       ist aber davon auszugehen, dass sich eine
Strom noch nicht einkaufen, sondern sie           Dazu lösen sie entweder zuvor gekaufte Op-    Nachfrage nach Versorgungssicherheit ein-
können die Option auf gesicherte Leistung         tionen ein oder kaufen direkt am Futures-     stellen wird, wenn bspw. Lieferanten nicht
bei Bedarf auf den Futuresmärkten in eine         markt. Damit erhalten sie nicht nur Ver-      differenziert abschaltbarer Verbraucher,
tatsächliche Stromlieferung umsetzen. Im          sorgungssicherheit wie am Optionsmarkt,       insbesondere auf Haushaltsebene, zunächst
Falle von unplanmäßiger Nicht-Lieferung           sondern ebenfalls die feste Kontrahierung     Strom aus gesicherter Leistung nachfragen,
muss eine ex-ante definierte Pönale des           der Strommengen. Eine Ausübung von Op-        um die Versorgung der Kunden zu gewähr-
Anbieters gezahlt werden. In solchen Fäl-         tionen auf Strom aus gesicherter Leistung     leisten.
len kommen die Sicherheitskapazitäten             ähnelt dann der Nutzung von Leistungs-
zum Tragen, die in der Summe eine Back-           zertifikaten [5]. Diese dienen als Differen-   Am Spotmarkt kann es in Situationen mit
up-Kapazität darstellt. Unterschiedliche          zierungsmerkmal für die Bestimmung der        Überschüssen an Strom aus nicht gesicher-
Schadensersatzniveaus können gegebe-              in einer Engpasssituation abzuschaltenden     ter Leistung zu Preisen von oder nahe null
nenfalls eine weitere Differenzierung auf          Verbraucher in einem Markt für Strom aus      kommen. Dies wird umso häufiger vor-
dem Optionsmarkt mit sich bringen, mit            beliebigen Quellen, unabhängig von der Si-    kommen, je mehr Wind- und Solaranlagen
dem unterschiedliche Wertigkeiten von             cherheit der installierten Leistung.          installiert sind. Es sei denn, die neuen Fi-
Versorgungssicherheit handelbar gemacht                                                         nanzierungsmöglichkeiten reizen mehr In-
werden.                                           Spotmarkt                                     novationen hin zu einer verbesserten Spei-
                                                                                                cher- und Steuerfähigkeit an. Umgekehrt
VOLL-Futuresmarkt                                 Auf dem Spotmarkt findet weiterhin keine      kann der Spotmarkt in Knappheitssituati-
                                                  Differenzierung zwischen Strom aus gesi-       onen sogar Höchstpreise generieren, die ei-
Hier wird Strom aus gesicherter Leistung          cherter und ungesicherter Leistung statt.     nen weiteren Finanzierungsbeitrag leisten.
gehandelt. Dabei gelten dieselben Zugangs-        Hier werden sowohl verbleibende Strom-        Anlagen, die mit ungesicherter Leistung
regeln für Anbieter wie auf dem Options-          mengen aus Kraftwerken mit gesicherter        Strom erzeugen, haben originär nur den
markt, so dass Versorgungssicherheit über         Leistung als auch Strom aus fluktuieren-      Spotmarkt zur Finanzierung zur Verfü-
die Sicherheitskapazität und die Beschrän-        den Kraftwerken angeboten. Dazu können        gung – abgesehen von einer temporären
kung des Zugangs auf Anlagen mit gesicher-        auch Strommengen aus nicht genutzten und      Förderung. Zusätzlich könnten sie dann in
ter Leistung hergestellt werden kann. Die         nicht mehr einlösbaren Optionen gehören,      den Options- und Futuresmarkt eintreten,
VOLL-Futures sind verknüpft mit einer phy-        sowie ein Teil des Stroms aus den zurückge-   wenn Produktion gespeichert, gesteuert
sischen Lieferverpflichtung. Die Nachfrager       haltenen Sicherheitskapazitäten.              oder zu gesicherten Leistungsbündeln zu-

   30                                                                                 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 9
Wettbewerbsperspektiven für den Strommarkt in der Energiewende - energie.de
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                          ZUKUNFTSFRAGEN

sammengefasst werden kann. Dies ist eine         dass in Zukunft nicht mehr eingespeiste        Anbieter geöffnet werden. So entstehen zu-
der wesentlichen technologischen Heraus-         Mengen, sondern vor allem der erzielte         sätzliche Effizienzvorteile durch den erhöh-
forderungen der erneuerbaren Energien.           Wert des eingespeisten Stroms gefördert        ten Wettbewerb und die unterschiedlichen
                                                 wird. So entsteht für die Anlagenbetrei-       natürlichen Bedingungen im europäischen
Der klassische Terminmarkt dient der Steu-       ber der Anreiz, erneuerbaren Strom dann        Binnenmarkt. Gegenebenfalls kann das Alt-
erung von Einkaufs- und Absatzrisiken über       einzuspeisen, wenn er einen möglichst ho-      EEG über einen Tilgungsfonds und damit
die Zeit. Ein Optionsmarkt mit verpflichten-     hen Wert hat und entsprechend gebraucht        über Steuerzahlungen abgewickelt werden.
der physischer Lieferung macht zusätzlich        wird. Das Ziel einer EEG-Reform muss die
die Sicherheit explizit handelbar. Bei Fu-       Senkung von Kosten, die Steuerung des Zu-      Das EEG europäisch denken!
turesgeschäften aus gesicherter Leistung ist     baus und die Sicherung des Wettbewerbs in
diese bereits inkludiert. Damit wird durch       der Stromerzeugung sein. Dazu sind nach        Die am 1.8. in Kraft getretene EEG-Novelle
den VOLL-Optionsmarkt differenziert zwi-          Ansicht der Autoren folgende Maßnahmen         nimmt Teile der hier skizzierten Anforde-
schen einem Preis für Sicherheit und einer       notwendig [6]:                                 rungen auf. Dies trifft, neben der Übertra-
Preisdifferenz für Lieferungen aus gesicher-                                                     gung des Konzepts des atmenden Deckels
ter (oder bei einem additiven ungesicherten           Für die temporäre Unterstützung er-       auf die Windenergie, auch auf die Beschrei-
Futuresmarkt auch aus ungesicherter) Leis-       neuerbarer Energien sollte ein Aufschlag       bung eines Ausbaukorridors inklusive Ober-
tung im Zeitablauf.                              auf die am Markt erzielten Erlöse gezahlt      grenze zu. Auch die Differenzierung der För-
                                                 werden [7]. Dabei werden die erzielten Er-     dersätze innerhalb der Technologien wird
Voraussetzungen für die Realisierung eines       löse am Options- und Futuresmarkt mit          reduziert, zwischen ihnen bleibt sie jedoch
solchen Konzepts betreffen insbesondere           berücksichtigt, da dadurch der Anreiz zur      hoch. Die verpflichtende Direktvermark-
die Steuerungsmöglichkeit der Nachfrage.         Schaffung von sicheren Leistungspaketen         tung und die Versteigerung der Förderung
Es ist zentral, dass im Engpassfall einzelne     erhöht wird. Die Förderung wird als prozen-    sind vorgesehen, wenn auch erst zum Ende
Verbraucher abgeworfen werden können,            tualer Aufschlag auf die Markterlöse bis zu    der Legislaturperiode.
die keinen Strom aus gesicherter Leistung        einer fixen absoluten Obergrenze definiert.
kontrahiert haben. Dies ist bei industriellen    Damit gibt es keine Vergütung bei fehlen-      Den Kern der Förderung bildet jedoch eine
Verbrauchern weiterentwickelt als in Privat-     den Markterlösen, aber einen Anreiz zur        gleitende Marktprämie, die die Marktpreis-
haushalten. Dort ist – wenn Smart Grids die      Optimierung und eine Kostenkontrolle hin-      schwankungen weitgehend ausgleicht. Eine
zentralen Abschaltmöglichkeiten schaffen –        sichtlich des Fördervolumens.                  wertmäßige Förderung im Sinne eines Auf-
auch eine Kombination aus gesicherter und             Die Förderung sollte dem Prinzip der      schlags auf den Markterlös wird nicht rea-
ungesicherter Leistung in Paketverträgen         Auktionierung von Zuschlägen folgen. Dazu      lisiert. Das Preissignal kommt damit auch
denkbar, für die entsprechend andere Preise      werden Kapazitätsmengen entsprechend           weiterhin nicht bei den Anbietern erneu-
gezahlt werden müssen.                           dem Ausbauplan der Energiewende defi-          erbarer Energien an. Eine grundlegende
                                                 niert und für diese schrittweise der Zugang    Marktsteuerung wird damit nicht realisiert.
Das hier skizzierte Modell des VOLL-Op-          zur Förderung versteigert. Dies ist zunächst   Auch wird die Europäisierung nicht weiter
tionsmarktes integriert erneuerbare und          in technologiespezifischen Paketen mög-        vorangetrieben. Im Kern bleibt das EEG ein
fossile Kraftwerke in einem Modell, sofern       lich, der Anteil der technologieneutralen      Instrument einer national gedachten Ener-
langfristig eine bessere Steuerbarkeit und       Zuschläge sollte aber kontinuierlich anstei-   giewende.
Speicherbarkeit der erneuerbaren Energi-         gen und deutlich vor Mitte des Jahrhunderts
en erreicht wird. Für den Übergang in ein        100 % erreichen.                               Die EEG-Novelle ist ein wichtiger Schritt in
solches System ist aber auch kurzfristig              Die ausgeschriebenen Kapazitäts-          die Richtung einer wettbewerblichen Förde-
eine Veränderung des Förderregimes für           mengen werden nach oben gedeckelt und          rung erneuerbarer Energien. Sie müsste je-
erneuerbare Energien notwendig. Denn das         schrittweise reduziert, da spätestens Mitte    doch um weitere Elemente ergänzt werden,
bisherige EEG bietet keine ausreichenden         des Jahrhunderts kein weiterer Zubau erfol-    um auf einen zukunftsfähigen Strommarkt
Anreize für eine Integration erneuerbarer        gen soll. Dann muss eine sichere Leistung      hinzuwirken [8]. Dazu gehört insbesondere:
Energien in den Markt.                           aus erneuerbaren und fossilen Quellen im
                                                 Rahmen des Optionsmarktmodells realisiert           Die im EEG 2.0 angelegten Instrumen-
Förderung Erneuerbarer im                        worden sein. Die indirekte Förderung der       te der Marktprämie und der Auktionierung
Transformationsprozess                           erneuerbaren Energien besteht dann noch        sollten umfassend eingeführt werden.
                                                 in den höheren Arbeitspreisen, die fossile          Es ist ein klarer Ausstiegspfad mit ei-
Damit die erneuerbaren Energien lang-            Kraftwerke aufgrund der Kosten des Emis-       ner Abnahme von Förderanteilen und einer
fristig erfolgreich sind und international       sionshandels verlangen müssen.                 Reduktion von Technologiedifferenzierun-
durchsetzungsfähig sein können, müssen                Die Finanzierung der Förderung sollte     gen zu formulieren.
sie kompatibel zu marktwirtschaftlichen          über den Bundeshaushalt erfolgen. Der Fi-           Das EEG muss besser in den europäi-
Strukturen sein. Darauf muss das Förder-         nanzbedarf wird über den im Auktionsver-       schen Wettbewerb integriert werden und
system systematisch vorbereiten. Es sollte       fahren minimierten Zuschlag verringert.        damit eine effizientere Stromproduktion er-
daher dahingehend umgestaltet werden,            Gleichzeitig soll der Zugang für europäische   möglichen.

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 9                                                                              31
Wettbewerbsperspektiven für den Strommarkt in der Energiewende - energie.de
ZUKUNFTSFRAGEN

     Die Förderung sollte auf einen Zuschlag
auf den Markterfolg umgestellt werden, um                   Energiewende-Index Deutschland
Anreize aus den Knappheitssignalen der
Preise wirken zu lassen.                                    2020: Aktives und glaubwürdiges
Optionsmarktmodell prämiert                                 Management unverzichtbar
Versorgungssicherheit
und forciert die Markt-                                     Thomas Vahlenkamp, Michael Peters und Katharina Frunzetti
integration Erneuerbarer
                                                            Eine objektive und faktenbasierte Analyse zu liefern – das ist der Anspruch des
Mit dem integrierten Optionsmarktmodell                     Energiewende-Indexes Deutschland 2020, den McKinsey & Company im Herbst
ist ein Vorschlag für eine wettbewerbliche                  2012 an dieser Stelle erstmals veröffentlicht und seither regelmäßig aktualisiert
Organisation des Strommarktes vorgelegt                     hat. Die Bilanz nach den ersten zwei Jahren ist ernüchternd: Trotz des massi-
worden, der zudem Versorgungssicherheit                     ven Ausbaus der erneuerbaren Energien ist das Erreichen elementarer Ziele der
prämiert und die Marktintegration erneuer-                  Energiewende nicht mehr realistisch. Damit die Ernüchterung nicht in dauer-
barer Energien voranbringt.                                 haftem Misserfolg endet, muss die Politik die Energiewende künftig besser ma-
                                                            nagen. D. h., Ziele und Maßnahmen müssen häufiger hinterfragt und zeitnäher
Literatur                                                   angepasst werden, damit sich weitere Fehlentwicklungen vermeiden lassen. Die
                                                            Energiewende ist eine komplexe und nicht vollständig vorhersagbare Aufgabe.
[1] Bardt, H.: Stromerzeugung zwischen Markt und            Ein aktives Management ist daher unerlässlich.
Regulierung. In: Weltenergierat Deutschland (Hrsg.)/
Energie für Deutschland. Berlin 2012, S. 7–24.              In der ersten Veröffentlichung des Energie-        sionen bis 2020 im Vergleich zu 1990 um
[2] Zachmann, G.: Electricity without borders: a plan to    wende-Indexes im September 2012 wurden            40 % zu reduzieren. Einen großen Beitrag
make the internal market work. Brüssel 2013.                fünf der insgesamt 15 untersuchten Indika-        zur Verringerung der CO2e-Emissionen in
[3] IZES – Institut für ZukunftsEnergieSysteme: Leit-       toren mit Blick auf ihre Zielerreichung als       Deutschland hat der rapide Ausbau der er-
ideen für ein Design eines Stromsystems mit hohem           „realistisch“ bewertet, zwei Indikatoren als      neuerbaren Energien bereits geleistet: Ihr
Anteil fluktuierender Erneuerbarer Energien. Saarbrü-       „kritisch mit Anpassungsbedarf“ und acht          Anteil am Stromverbrauch stieg von 6 % im
cken 2012.                                                  Indikatoren als „unrealistisch“. Heute, zwei      Jahr 2000 auf 31 % im ersten Halbjahr 2014.
[4] BDEW – Bundesverband der Energie- und Wasser-           Jahre später, sieht die Bilanz auf den ersten     Das 2010 im Energiekonzept verankerte
wirtschaft, Hildegard Müller: 43 Prozent aller Kraft-       Blick geringfügig besser aus (Abb. 1): Für        Ziel von 35 % im Jahr 2020 wird damit vo-
werksneubauten sind in Frage gestellt. Pressemittei-        sechs Indikatoren ist die Zielerreichung „re-     raussichtlich deutlich übererfüllt. Dennoch
lung vom 7.4.2014, Hannover 2014.                           alistisch“, für neun „unrealistisch“.             wird Deutschland das für 2020 gesteckte
[5] enervis/BET: Ein zukunftsfähiges Energiemarktde-                                                          CO2e-Klimaziel kaum mehr erfüllen kön-
sign für Deutschland. Berlin 2013.                          Allerdings sind einige positive Veränderun-       nen. Zudem ist es äußerst fraglich, ob die
[6] Bardt, H.; Chrischilles, E.: Marktwirtschaftliche       gen der Indikatoren auf Anpassungen der           untergeordneten Umwelt- und Klimaziele
Stromerzeugung und Energiewende – Ein integriertes          Ziele oder der Methodik zurückzuführen.           in den Bereichen Primärenergieverbrauch,
Optionsmarktmodell für erneuerbare und fossile Ener-        Besonders auffallend ist dies z. B. beim Aus-      Stromverbrauch und Ausbau Wind Offshore
giequellen. In: IW-Positionen – Beiträge zur Ordnungs-      bau der Transportnetze: Die EnLAG-Ziele           erreicht werden können:
politik, Nr. 64, Köln 2014.                                 sind laufend an den Baufortschritt angepasst
[7] Kopp, O.; Engelhorn, T.; Onischka, M.; Bode, S.;        worden. Ergebnis: Für den entsprechenden               Die CO2e-Emissionen in Deutschland
Groscurth, H.-M.: Wege in ein wettbewerbliches Strom-       Indikator ist heute eine „realistische“ Zieler-   sind 2013 insgesamt erneut um 1,2 % auf
marktdesign für erneuerbare Energien. Mannheim              reichung zu konstatieren. Vor zwei Jahren         951 Mio. t gestiegen. Im 1. Halbjahr 2014
2013.                                                       lautete das Urteil noch „Zielerreichung un-       sind diese jedoch wieder gesunken. Haupt-
[8] Bardt, H.: EEG 2.0 – Ein zweiter Schritt muss folgen.   realistisch“. Vor allem aber ist die Mehrzahl     treiber hierfür war allerdings die im Vor-
In: IW policy papers, 5/2014, Köln.                         der Indikatoren in den Bereichen Umwelt-          jahresvergleich deutlich mildere Witterung.
                                                            und Klimaschutz sowie Wirtschaftlichkeit          Insgesamt ist beim Thema Emissionen eine
Dr. H. Bardt, Geschäftsführer, E. Chrischil-                immer noch weit von ihren angestrebten            paradoxe Entwicklung zu beobachten: Der
les, Economist, Institut der deutschen Wirt-                Zielen entfernt. Für vier von fünf bzw. drei      Ausbau der erneuerbaren Energien in der
schaft Köln                                                 von fünf Indikatoren ist die Zielerreichung       Stromerzeugung hat die Preise sowohl für
bardt@iwkoeln.de                                            „unrealistisch“ (siehe Abb. 1)                    CO2-Zertifikate als auch für Strom im Groß-
chrischilles@iwkoeln.de                                                                                       handel sinken lassen. Die Konsequenz ist
                                                            Erreichen des CO2e-Klimaziels                     eine erhöhte Nachfrage nach deutschem
                                                            für 2020 nicht mehr realistisch                   Strom. Aufgrund der sinkenden Großhan-
                                                                                                              delspreise wird diese Nachfrage jedoch
                                                            Ursprünglich startete die Energiewende mit        immer seltener durch CO2-effiziente Gas-
                                                            dem Ziel, die CO2-Äquivalent (CO2e)-Emis-         kraftwerke, sondern immer häufiger durch

    32                                                                                              ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 9
Wettbewerbsperspektiven für den Strommarkt in der Energiewende - energie.de
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                                   ZUKUNFTSFRAGEN

CO2-intensive Stein- und Braunkohlekraft-
werke gedeckt.
     Um das 40 %-Ziel der Bundesregierung
aber noch zu erreichen, müssten die CO2e-
Emissionen bis 2020 jährlich um 3,5 % sin-
ken: Seit 2000 gingen sie jährlich jedoch in
Deutschland im Schnitt nur um ca. 0,7 %
zurück, trotz des erheblichen Ausbaus der
erneuerbaren Energien. Der jährliche Rück-
gang von CO2e-Emissionen müsste sich
also um den Faktor 5 erhöhen – ein kaum
erreichbares Ziel. Selbst eine Rückkehr zu
den höchsten Verringerungsraten der ver-
gangenen 25 Jahre – 2,3 % p. a. zwischen
1990 und 1995 – wäre bei Weitem nicht
ausreichend. Zudem war in dieser Periode
ein Einmaleffekt der Haupttreiber: der Zu-
sammenbruch der sehr ineffizienten DDR-
Energiewirtschaft.
     Dass ein Erreichen des 2020er-Kli-
maziels nahezu unmöglich ist, lässt sich          Abb. 1   Zweijahresvergleich - Entwicklung der Indikatoren                       Quelle: McKinsey

auch an einigen anderen Beispielen oder
drastischen Vergleichen verdeutlichen: Er-
reichbar wäre das Ziel nur, wenn Braunkoh-       tig gewesen, um die für 2020 gesetzten Zie-             wohl Bundeskanzlerin Angela Merkel 2011
lestrom (aktuelle Produktion ca. 160 TWh)        le zu erreichen. Dabei ist zu beachten, dass            das Ziel ausgegeben hatte, die EEG-Umlage
vollständig durch erneuerbare Energien er-       ein Haupttreiber für den geringeren Strom-              bei 3,5 ct/kWh konstant zu halten.
setzt würde; oder wenn sich die verbrauchte      verbrauch tatsächlich nicht Effizienzsteige-
Heizenergie in allen deutschen Haushalten        rungen waren, sondern ein Rückgang des                  Trotz der diesjährigen Reform des EEG wird
halbieren würde und gleichzeitig sämtli-         industriellen Stromverbrauchs um 3,2 %.                 sich die Kostenbelastung durch die Ener-
cher Verkehr in Deutschland CO2-frei wäre        Die Produktion im produzierenden Gewerbe                giewende für Industrie und Verbraucher
– alles Maßnahmen, die sich in den kom-          ging im selben Zeitraum um 0,2 % zurück.                in den nächsten Jahren nicht deutlich ver-
menden fünf Jahren nicht umsetzen lassen         Mit Blick auf die nächsten Jahre dürfte es              ringern (siehe auch Energiewende-Index
dürften.                                         kaum wünschenswert sein, die angestrebte                Februar 2014). Die hohe EEG-Umlage trägt
     Auch im Primärenergieverbrauch liegt        Reduktion des Stromverbrauchs durch ei-                 maßgeblich dazu bei, dass die durchschnitt-
die Entwicklung deutlich entfernt vom ur-        nen weiteren Rückgang in der Produktion                 lichen Haushalts- und Industriestrompreise
sprünglich angestrebten Ziel der Bundesre-       zu erreichen.                                           in Deutschland 46 % bzw. 18 % über dem
gierung, da bestehende Energieeffizienzpo-               Der Ausbau im Bereich Wind Offshore                EU-Durchschnitt liegen. Allein die Über-
tenziale bislang nicht ausreichend realisiert    geht zwar voran, aber immer noch zu lang-               schreitung der Zielvorgabe von 3,5 ct/kWh
worden sind. Legt man ein Wirtschafts-           sam. Auch gemessen an den neuen, ange-                  kostet die deutschen Verbraucher zurzeit
wachstum von 1,6 % p. a. bis 2020 zugrun-        passten Zielen (aktuell 6,5 GW bis 2020)                ca. 10 Mrd. € p. a. Obwohl das EEG-Konto
de, müsste sich die Energieproduktivität in      liegt der Zubau deutlich unter den ursprüng-            zwischen Januar und Juli 2014 von ca.
Deutschland jährlich um 4,3 % verbessern,        lich formulierten Zielen.                               -0,2 Mrd. € auf ca. 1,1 Mrd. € angestiegen
um das 2020er Ziel der Bundesregierung                                                                   ist, erwarten die Übertragungsnetzbetrei-
zu erreichen. Eine solche Steigerungsra-         Kostenziel für EEG-Umlage                               ber, dass die EEG-Umlage weiter steigen
te wurde in den vergangenen Jahren in            in kommenden Jahren                                     könnte. Haupttreiber hierfür sind weiterhin
Deutschland nicht einmal annährend er-           nicht erreichbar                                        fallende Börsenstrompreise und der weite-
reicht. Würde sich die Energieeffizienz wie                                                                re Ausbau der erneuerbaren Energien. Die
im Durchschnitt der Jahre seit 2000 entwi-       Der aktuelle Energiewende-Index zeigt, dass             Prognose reicht je nach Szenario von 5,9 bis
ckeln, müsste die deutsche Wirtschaft bspw.      bislang nicht nur die wichtigsten Umwelt-               6,9 ct/kWh.
um jährlich 3 % schrumpfen, um das 2020er        und klimapolitischen Ziele verfehlt werden,
Ziel zu erreichen – ein unrealistisches und      sondern auch die Wirtschaftlichkeit der                 Die Ergebnisse des
natürlich auch nicht erstrebenswertes            Energiewende weitgehend aus dem Ruder                   Energiewende-Indexes im Detail
Szenario.                                        gelaufen ist: Aufgrund des massiven Aus-
     Der Stromverbrauch sinkt ebenfalls zu       baus der Erneuerbaren ist die EEG-Umlage                Der Energiewende-Index für die ersten sechs
langsam: 2013 wurden 600 TWh verbraucht;         auf fast das Doppelte des ursprünglichen                Monate 2014 sieht nur auf den ersten Blick
11 TWh weniger wären als Etappenziel nö-         Ziels angestiegen (aktuell 6,24 ct/kWh), ob-            geringfügig besser aus als im Halbjahr zu-

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 9                                                                                        33
Wettbewerbsperspektiven für den Strommarkt in der Energiewende - energie.de
ZUKUNFTSFRAGEN

vor: Für sechs Indikatoren ist die Zielerrei-       Bei zehn Indikatoren haben die an jüngsten      Windparks, Haushaltsstrompreise, Industrie-
chung „realistisch“, für neun „unrealistisch“       Zahlen ablesbaren Entwicklungen nicht zu        strompreise und EEG-Umlage eingestuft. Für
(vgl. Abb. 2 bis 4). Für die vergangenen            einer Veränderung der Kategorie-Zuordnung       drei Indikatoren liegen keine aktualisierten
sechs Monate konnte die Zielerreichung des          geführt. Weiterhin als „realistisch“ wird die   Daten vor, so dass der Status im Halbjahres-
Indikators für den Netzausbau allerdings            Zielerreichung bei den Indikatoren Solar-       vergleich unverändert ist („realistisch“: Aus-
erstmals nur eine „realistische“ Bewertung          PV-Ausbau, Anzahl der Arbeitsplätze in der      fall Stromversorgung und Gesicherte Reserve-
erhalten, weil die Ziele von der Regierung          Erneuerbaren-Branche und Anzahl der Ar-         marge; „unrealistisch“: Kosten Netzeingriffe).
zuvor nach unten korrigiert worden waren.           beitsplätze in stromintensiven Industrien
Der Stromverbrauch ist zwar leicht gesun-           bewertet. Nach wie vor als „unrealistisch“      Veränderungen der Zielerreichung
ken, aber nicht ausreichend genug: Die              wird die Zielerreichung bei den Indikatoren     auf „realistisch“
Zielerreichung hat sich von „realistisch“ auf       CO2-Ausstoß, Offshore-Wind-Ausbau, Pri-
nun „unrealistisch“ deutlich verschlechtert.        märenergieverbrauch, Anbindung Offshore-         Beim Indikator Netzausbau wurde das En-
                                                                                                    LAG zuletzt zum ersten Quartal 2014 ange-
                                                                                                    passt, so dass nun 443 km bis Ende 2014
                                                                                                    gebaut werden sollen; unterjährig ist mit
                                                                                                    352 km das Ziel für das erste Quartal 2014
                                                                                                    (338 km) also zu 11 % übererfüllt. Allerdings
                                                                                                    rechnen die Übertragungsnetzbetreiber mit
                                                                                                    einer Fertigstellung von lediglich 40 % der
                                                                                                    EnLAG-Leitungskilometer bis 2016 – ur-
                                                                                                    sprünglich war 2018 als Zielhorizont ange-
                                                                                                    dacht, jetzt angepasst auf 2020.

                                                                                                    Veränderungen der Zielerreichung
                                                                                                    auf „unrealistisch“

                                                                                                    Der Bruttostromverbrauch sank zwar um
                                                                                                    1,1 % im Vergleich zum Vorjahr auf 600
                                                                                                    TWh im Jahr 2013 (Anpassung des Strom-
                                                                                                    verbrauchs im Jahr 2012 auf 607 TWh), al-
                                                                                                    lerdings nicht genug, denn die Zielvorgabe
                                                                                                    für 2013 war 589 TWh. Haupttreiber war
Abb. 2   Umwelt- und Klimaschutz, Wertung H2 2013 und H1 2014                                       eine Reduktion des industriellen Stromver-
                                                                                                    brauchs um 3,2 %, während die Haushalte
                                                                                                    wegen der kalten Witterung 1 % mehr Strom
                                                                                                    verbrauchten und der Verbrauch der übri-
                                                                                                    gen Sektoren (Handel und Gewerbe, öffent-
                                                                                                    liche Einrichtungen, Verkehr und Landwirt-
                                                                                                    schaft) leicht zunahm. Der Indikator ist nun
                                                                                                    mit einer Zielerreichung von 59 % nur noch
                                                                                                    als „unrealistisch“ einzustufen.

                                                                                                    Veränderungen bei Indikatoren mit
                                                                                                    „realistischer“ Zielerreichung

                                                                                                         Solar-PV-Ausbau: Ausbau im Zielkor-
                                                                                                    ridor. Im ersten Quartal 2014 wurden laut
                                                                                                    BNetzA 0,5 GW zusätzliche Solar-PV-Leis-
                                                                                                    tung installiert. Bei ähnlicher Entwicklung
                                                                                                    in den nächsten Quartalen könnte für dieses
                                                                                                    Jahr der Zubau von 2,5 GW p. a., der vom
                                                                                                    Gesetzgeber vorgesehen ist, vermutlich zum
                                                                                                    ersten Mal unterschritten werden. Ende
                                                                                                    März 2014 waren ca. 36 GW Solar-PV-Leis-
Abb. 3   Versorgungssicherheit, Wertung H2 2013 und H1 2014                                         tung in Deutschland installiert. Das Ziel der
                                                                                                    Bundesregierung wird damit immer noch zu

   34                                                                                     ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 9
Wettbewerbsperspektiven für den Strommarkt in der Energiewende - energie.de
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                                 ZUKUNFTSFRAGEN

36 % übererfüllt – ein leicht geringerer Wert
als im Vorquartal.
      Arbeitsplätze in erneuerbaren Energien:
leichter Rückgang, aber weiterhin über dem
Ziel. In der Erneuerbaren-Branche waren im
Jahr 2013 rd. 371 400 Personen beschäftigt,
1,7 % weniger als im Vorjahr. Im Photovol-
taik-Bereich ist die Zahl der Arbeitsplätze
drastisch gesunken: von 100 300 in 2012 auf
56 000 in 2013. Dieser Rückgang um 44 %
ist überwiegend auf den mehr als halbierten
Zubau in Deutschland zurückzuführen und
somit durch die inländische Marktentwick-
lung geprägt. Die Zielerreichung ist aber mit
115 % nach wie vor „realistisch“.
      Arbeitsplätze in stromintensiven In-
dustrien: leichter Anstieg, im Zielkorridor.
In den stromintensiven Industrien waren im
Dezember 2013 mit rd. 1 590 000 Personen
0,5 % mehr als im Vorjahr (Dezember 2012)
beschäftigt. Die Zielerreichung ist mit 98 %      Abb. 4   Wirtschaftlichkeit, Wertung H2 2013 und H1 2014

nach wie vor „realistisch“.

Veränderungen bei Indikatoren mit                hat: auf 46,1 %. Die Zielerreichung liegt so-         beiden Windparks Deutsche Bucht und Bu-
„unrealistischer“ Zielerreichung                 mit bei 19 % und bleibt „unrealistisch“.              tendiek von Verzögerungen betroffen. Beim
                                                      Industriestrompreise: Preisnachteil              Kabeltransport über das Mittelmeer ken-
     Offshore-Wind-Ausbau: leichter Zubau,        gegenüber EU-Durchschnitt leicht gesun-               terte Mitte Juli ein Transportschiff; dabei
höhere Zielerreichung. Aufgrund einer An-        ken. Die deutschen Industriestrompreise               gingen die Kabel verloren, die für den Netz-
passung der Ziele auf 6,5 GW bis 2020 und        sanken im zweiten Halbjahr 2013 um 0,5 %              anschluss der beiden letzteren Windparks
einer installierten Leistung von 0,6 GW Ende     auf 11,18 ct/kWh, während die Preise im               gebraucht werden. Die Zielerreichung bleibt
des ersten Halbjahrs 2014 steigt die Zieler-     EU-Durchschnitt leicht um 0,3 % gestiegen             bei 175 % und ist extrem „unrealistisch“.
reichung auf nun 58 %, ist damit allerdings      sind. Somit verringert sich die Abweichung                 EEG-Umlage: Die EEG-Umlage steigt
nach wie vor „unrealistisch“.                    vom EU-Durchschnitt auf 18,2 %, die Zieler-           wie angekündigt weiter, Zielerreichung
     Primärenergieverbrauch: leichter An-        reichung erhöht sich auf -15 %, bleibt aber           stark negativ. Die EEG-Umlage ist zu Jahres-
stieg, geringere Zielerreichung. Der Pri-        weiterhin extrem „unrealistisch“.                     beginn 2014 auf 6,24 ct/kWh angestiegen
märenergieverbrauch ist in 2013 um 1,1 %              CO2e-Ausstoß: leichter Anstieg, weiter           und drückt die Zielerreichung noch wei-
auf 13 787 PJ angestiegen (Vorjahreswert         sinkende Zielerreichung. Die CO2e-Emis-               ter ins Negative: Mit -234 % ist sie die am
angepasst auf 13 631 PJ). Wichtigster Ein-       sionen sind 2013 um ca. 1,2 % gegenüber               stärksten „unrealistische“ Zielerreichung in
flussfaktor war die kalte Witterung 2013,        dem Vorjahr auf 951 Mio. t CO2e angestie-             dieser Indikatorengruppe.
die auch temperatur- und lagerbestandsbe-        gen. Haupttreiber hierfür waren die kalte
reinigt (langjährige Mittel) noch einen höhe-    Witterung zu Beginn des Jahres 2013 und               Anpassung von Zielen und
ren Verbrauch vor allem vom Gas (2 % höher       ein Anstieg der Stromerzeugung aus Kohle.             Maßnahmen notwendig
als in 2012) und Steinkohle (4 % höher als       Die Zielerreichung sinkt somit weiter auf
in 2012) aufweist. Die Zielerreichung sinkt      nun 32 % (zuvor 51 %) und ist nach wie vor            Der aktuelle Index zeigt: Damit die Ener-
somit von 62 % auf 44 % und ist nach wie vor     „unrealistisch“.                                      giewende in Deutschland gelingt, muss die
„unrealistisch“.                                      Verzögerte Anbindung Offshore-Wind-               Politik dieses „Jahrhundertprojekt“ künftig
     Haushaltsstrompreise: im EU-Vergleich       parks: nun sind sogar elf Windparks be-               in zwei Aspekten besser managen:
sinkende Strompreise, leicht angestiegene        troffen. Nach Stand Mitte Juli sind elf Wind-
Zielerreichung. Die Haushaltsstrompreise         parks wegen verspäteten Netzanschlusses                    Anpassung von Zielen an die Machbar-
sind in Deutschland zum Ende des zweiten         verzögert. Im Februar 2014 konnte zwar                keit: Wenn sich sehr ambitionierte Klima-
Quartals auf 29,87 ct/kWh angestiegen,           der Offshore-Windpark Riffgat nach zwölf-               ziele, z. B. die Reduzierung von CO2e-Emis-
um 0,5 % gegenüber der letzten Veröffent-         monatiger Verspätung ans Netz gehen (er               sionen um 40 % bis 2020, als unrealistisch
lichung. Die Preise im europäischen Ver-         hatte in der Zwischenzeit Kosten von 100              erweisen, werden sie unglaubwürdig und/
gleich sind allerdings im selben Zeitraum        Mio. € verursacht), allerdings sind nun auch          oder entfalten eine ungewollte Steuerungs-
um 2,2 % angestiegen, so dass die Abwei-         die Windparks Veja Mate über die verspä-              wirkung, z. B. durch Abwanderung von In-
chung vom EU-Durchschnitt abgenommen             tete Konverterplattform Borwin2 sowie die             vestitionen. Die Politik sollte deshalb zum

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 9                                                                                     35
Wettbewerbsperspektiven für den Strommarkt in der Energiewende - energie.de
ZUKUNFTSFRAGEN

 Feedback und Rückmeldung erwünscht

 Der Energiewende-Index bietet alle sechs Monate einen Überblick über den Status der Energiewende in Deutschland. Das Feed-
 back und die Rückmeldung der Leser sind ausdrücklich erwünscht und werden bei der Aktualisierung des Indexes berücksichtigt,
 sofern es um öffentlich zugängliche Fakten geht. Auf der Website von McKinsey besteht die Möglichkeit, den Autoren zum Thema
 Energiewende Feedback zu geben.

 www.mckinsey.de/energiewendeindex

einen nach wie vor zwar ambitionierte, aber      fen, zeitnah auf solche Veränderungen zu         fähigkeit der deutschen Industrie nicht
deutlich realistischere Ziele vorgeben und       reagieren und politische Maßnahmen anzu-         weiter zu beeinträchtigen. Eine merkliche
zum anderen regelmäßig die Soll-Ist-Abwei-       passen. In der Vergangenheit kamen solche        Kostensenkung in den kommenden Jahren
chungen analysieren – ähnlich wie in einem       Anpassungen sehr spät, wie etwa im Fall der      ist nicht realistisch. Während der Ausbau
unternehmerischen Planungsprozess. Auf           EEG-Vergütungssätze für Solar-PV-Anlagen         der erneuerbaren Energien die politischen
dieser Basis werden dann faktenbasierte          in Deutschland. Auch das Wind-Offshore-           Ziele übererfüllt, bleiben erhebliche Ener-
Entscheidungen darüber möglich, ob Ziele         Ausbauziel wurde erst angepasst, als seine       gieeffizienzpotenziale – vor allem im Gebäu-
und Maßnahmen angepasst und nachge-              Unerreichbarkeit bereits offensichtlich war.      desektor – ungenutzt. Hier muss die Politik
schärft werden müssen.                           Eine ähnliche Entwicklung ist aktuell beim       bestehende Maßnahmen nachschärfen und
      Zeitnahe Anpassung von politischen         Energieeffizienzziel zu erwarten.                  auch neue entwickeln.
Maßnahmen: Im Kontext der Energiewende
treten komplexe technologisch-ökonomische        Auch zukünftig sind ambitionierte Ziele          Doch auch dann ist ein deutlicher Rückgang
Wirkzusammenhänge auf. Bspw. führten             eine notwendige Bedingung für das Gelin-         der CO2e-Emissionen in Deutschland nicht
Überkapazitäten auf dem globalen Markt           gen der Energiewende. Aber erst ein kon-         zu erwarten, z. B. aufgrund des Wegfalls von
für Solarzellen im Jahr 2009 zu einem Preis-     tinuierliches Monitoring des Umsetzungs-         ca. 100 TWh CO2-freien Stroms aus Kern-
verfall – der Preis von Solarzellen aus China    erfolgs und ein daraus zeitnah abgeleiteter      kraftwerken bis Anfang der 2020er Jahre.
sank binnen eines Jahres um fast die Hälf-       Anpassungsbedarf politischer Ziele und           Dies macht eine Absenkung des deutschen
te. Dies wiederum ermöglichte zweistellige       Maßnahmen ermöglichen ein erfolgreiches          CO2e -Klimaziels auf ein ambitioniertes aber
Renditen für den Bau von Solaranlagen in         Management der Energiewende.                     machbares Niveau notwendig.
Deutschland. Die Folge war eine Vervierfa-
chung der zugebauten Solar-PV-Leistung zwi-      Weitere Kostensteigerungen
schen 2008 und 2010. Dies wiederum trug          vermeiden                                        Dr. T. Vahlenkamp, Direktor, K. Frunzetti,
erheblich zur Höhe der heutigen EEG-Umlage                                                        Research Analyst, beide McKinsey & Compa-
bei. Solche Entwicklungen – zumal in dieser      In Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der       ny, Düsseldorf; Dr. M. Peters, Projektleiter,
Intensität – waren und sind kaum prognos-        Energiewende gilt es, weitere Kostensteige-      McKinsey & Company, Berlin
tizierbar. Allerdings ist die Politik aufgeru-   rungen zu vermeiden und die Wettbewerbs-         Thomas_Vahlenkamp@mckinsey.com

4. Jahresforum Geschäftsprozessoptimierung EVU 2014

Das 4. Jahresforum Geschäftsprozessoptimierung EVU 2014 befasst sich         Optimierung der Zusammenarbeit zwischen EVU und Shared Service
mit den Themen effizientere Prozesse für Energieversorger durch neue           Centern durch klare KPI und SLA;
Methoden in LEAN BPM, Shared Services und IT-Implementierung. Das            Durch effektive interne Kommunikation Übergänge fließend gestalten
Forum, welches vom 17.–20.11.2014 in Düsseldorf stattfindet, ist die         und schnell und souverän auf Änderungen reagieren;
einzige Veranstaltung speziell für den Themenkomplex Geschäftsprozess-       Mitarbeiter von umfangreicher Prozessdokumentation überzeugen
optimierung bei Energieversorgern. Es wird unter anderem angesprochen:       und mit einem tiefen prozessualen Verständnis ausstatten;
                                                                             Best Practice-Methoden und Erfahrungen in der Anwendung von Lean
   Ein nachhaltiges Business Process Model and Notation (BPMN) in ei-        Management, SAP HANA und der Etablierung neuer Standards bzw.
   nem flexiblen Markt;                                                      Restandardisierung.
   Konkrete Einblicke in Kooperationen von EVU;
   Wie sich eine Prozesskostenrechnung für Geschäftsprozesse so auf-
   setzen lässt, dass sie Kostentransparenz schafft und durch professio-
   nelles Prozessmanagement effiziente Arbeit ermöglicht;                   Mehr Informationen unter: http://bit.ly/GPO_Forum

   36                                                                                  ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 9
Wettbewerbsperspektiven für den Strommarkt in der Energiewende - energie.de
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                                                INTERVIEW
                                                                                                                     ZUKUNFTSFRAGEN

Wirksame Klimapolitik
Die politischen Instrumente zur Bewältigung des Klimawandels sind vielfältig, konterkarieren aber einander. Das gilt insbe-
sondere für den Emissionshandel sowie das EEG in Deutschland, das marktwirtschaftliche Mechanismen und risikobasier-
tes Investitionsverhalten außer Kraft setzt. Das belastet die Strompreise und gefährdet zunehmend die Versorgungssicher-
heit. Wie im „et“-Interview mit dem Ökonomen Achim Wambach deutlich wird, sollte für eine wirksame Klimapolitik u. a.
das EEG abgeschafft und der Emissionshandel – sektoral wie geographisch – erweitert werden. Bei der aktuellen Diskussion
um die Stromversorgungssicherheit ist es ratsam, auf eine Mengen- statt Preissteuerung und damit auf einen Kapazitäts-
markt abzustellen.

„et“: Staat oder Markt? Für Ökonomen scheint der       ge“ Höhe eines CO2-Preises entschuldigen nicht,    Wambach: Wenn man diesen Begriff wählen
Fall auch beim Klimaschutz klar zu sein: „Der Preis    gar nichts zu tun. Wenn man das Klimaproblem       will, wird es den erneuerbaren Energien tatsäch-
soll es richten“….                                     angehen will, gibt es konzeptuell nur zwei Mög-    lich leicht gemacht. Da sie technologiespezifisch
                                                       lichkeiten: Entweder man legt den Preis für eine   gefördert werden, und dies unabhängig von den
Wambach: … Die Frage ist aber, welcher Preis           bestimmte CO2-Ausstoßmenge fest oder man           vorherrschenden Preisen im Strommarkt, brau-
gemeint ist, der „es richten soll“. Wir haben in       beschränkt die Gesamtmenge der Emissionen.         chen sie sich nicht dem Wettbewerb mit anderen
unserem Gutachten (des wissenschaftlichen              Beides ist zugegebenermaßen eine sehr große        Technologien zu stellen. Der Beirat spricht sich
Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium) ar-         Herausforderung, zumal wir nicht wissen kön-       für eine Abschaffung des EEG aus. Ein Grund für
gumentiert, dass sich die externen Effekte, die         nen, was auf uns zukommt, ob technischer Fort-     diese Haltung liegt in der Struktur des deutschen
sich durch die CO2-Emissionen ergeben, im Preis        schritt beispielsweise dazu führen wird, dass      Systems begründet, denn wir haben mit dem
widerspiegeln müssen. Die Nutzung oder der Ver-        wir weniger CO2 reduzieren müssen oder ob          Verkauf von Emissions-Lizenzen und der paral-
brauch von CO2 hat einen negativen Effekt auf die       die Folgen des Klimawandel heftiger ausfallen,     lelen Förderung der erneuerbaren Energien zwei
Umwelt. Den berücksichtigt ein Einzelner in der        als erwartet. Gerade deshalb brauchen wir ein      konkurrierende Elemente eingebaut. Die beißen
Regel in seinem Entscheidungsverhalten nicht.          flexibles System, und das leistet ein CO2-Preis.   sich, weil die Förderung auf den deutschen Raum
Dies ändert sich, wenn der externe Effekt einge-        Der Stern-Report hat hierfür eine eindrucksvol-    beschränkt ist, Europa aber eine Gesamtmenge
preist wird. Zentral ist allerdings, einen Preis für   le Argumentationslinie hergeleitet. Es gibt eine   für die CO2-Emissionen festgelegt hat. Wenn wir
die CO2-Verschmutzung weltweit zu etablieren, da       Bandbreite für diesen Preis, die man als ver-      sauberen Strom produzieren, verringert das nicht
der Klimawandel ein globales Problem darstellt.        nünftig erachten kann, und bei Dissens auch        den europäischen Gesamtausstoß von CO2.
Externe Effekte in Preisen zu berücksichtigen, ist      Vorschläge für ein Einigungsverfahren. Zudem
übrigens ein altes Konzept in der Ökonomie. Wir        bietet ein CO2-Preis Unternehmen Planungs-         „et“: Die Idee hinter dem EEG war doch die Förde-
kennen es von den Ökosteuern oder in Europa in         sicherheit und wie bei einer Steuer bleibt das     rung der Erneuerbaren. Mittlerweile liefern diese
Form von Verschmutzungslizenzen, dem Emissi-           Geld im Land.                                      in Deutschland mehr als 30 % des Stroms, wenn-
onshandelssystem.                                                                                         gleich nur stochastisch.
                                                       Konkurrierende Elemente:
„et“: Wie bei diesen Systemen dürfte auch eine         EEG und Emissionshandel                            Wambach: Ja, die Impulse wurden gesetzt, die
CO2-Preissetzung für viele Diskussionen sorgen.                                                           Erzeugungspreise für die Solarenergie sind dras-
                                                       „et“: Machen wir es den erneuerbaren Energien      tisch gesunken und auch die Windenergie hat
Wambach: Ja, aber Unsicherheiten über das ge-          zu leicht, wenn die Politik mit einem Instrument   technologische Fortschritte gemacht. Jetzt wäre es
naue Ausmaß des Klimawandels und die „richti-          wie dem EEG die Gewinner bestimmt?                 angebracht, das EEG abzuschaffen. Denn störend

                                                                 „Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft
                                                                 und Energie spricht sich für eine Abschaffung des EEG aus. Ein Grund
                                                                 für diese Haltung liegt in der Struktur des deutschen Systems begrün-
                                                                 det, denn wir haben mit dem Verkauf von Emissions-Lizenzen und der
                                                                 parallelen Förderung der erneuerbaren Energien zwei konkurrieren-
                                                                 de Elemente eingebaut. Die beißen sich, weil die Förderung auf den
                                                                 deutschen Raum beschränkt ist, Europa aber eine Gesamtmenge für die
                                                                 CO2-Emissionen festgelegt hat. Wenn wir sauberen Strom produzieren,
                                                                 verringert das nicht den europäischen Gesamtausstoß von CO2.“

                                                                 Prof. Achim Wambach, Ph. D., Vorsitzender des Wissenschaftlichen
                                                                 Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie; Direktor
                                                                 des Instituts für Wirtschaftspolitik, Universität zu Köln

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 9                                                                                             37
ZUKUNFTSFRAGEN
   INTERVIEW

  „Bei der strategischen Reserve sichert der Staat Erzeugungskapazität, die dann, wenn es eng wird im Strommarkt, zu
  hohen Preisen in den Markt geht. Das Investitionskalkül der anderen Erzeuger wird durch diese hohen Preise gesteuert,
  die vom Staat festgelegt werden. Bei einem Kapazitätsmarkt wird vorab definiert, wie viel Erzeugungskapazität beispiels-
  weise in fünf Jahren erforderlich ist. Der Staat steuert die Investitionstätigkeit hier also über die Menge und nicht über
  den Preis. Es spricht einiges für die Mengensteuerung, da sie das Problem der Versorgungssicherheit unmittelbar angeht
  und nicht indirekt über den Umweg von regulierten Preisen in Knappheitszeiten.“

  Prof. Achim Wambach, Ph. D., Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft
  und Energie, Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik, Universität zu Köln

ist nicht nur der genannte konterkarierende Ef-       Wambach: Es gibt durchaus gute Gründe, eine          Wambach: Ja, obwohl das eine äußerst unan-
fekt mit dem Emissionshandel, es gibt Netzproble-     Vorreiterrolle einzunehmen. Wenn man etwas aus-      genehme Vorstellung ist. Aber wenn wir uns
me, Engpässe und mittlerweile immer öfter nega-       probiert sieht man, was geht und was nicht geht.     bemühen, die CO2-Emissionen zu mindern, kann
tive Strompreise, weil die erneuerbaren Energien      So sind etwa nach der Einführung des europäi-        es nicht sein, dass wir verschmutzte Produkte
nicht in den Strommarkt integriert sind. Zudem        schen Emissionshandelssystems in den vergange-       einkaufen müssen, weil unsere Industrie ins Aus-
ist die Förderung durch das EEG weder technolo-       nen Jahren über 15 ähnliche Systeme eingeführt       land abgewandert ist oder weil unsere Industrie
gieneutral noch gibt es überzeugende Evidenz für      worden – u. a. in verschiedenen Bundesstaaten in     dicht gemacht hat und Unternehmen im Ausland
Industrieförderung im eigenen Land.                   den USA und Regionen in China. Das EEG ist aller-    mit geringeren Emissionsstandards produzieren.
                                                      dings heute kein Erfolgsmodell, das man empfeh-      Dann müssten wir in letzter Konsequenz auf das
„et“: Was wäre sinnvoller?                            len würde. Die Herausforderung wäre zu zeigen,       importierte CO2 einen Zoll erheben, der unter dem
                                                      wie Erneuerbare in den Markt integriert werden       Begriff Carbon-Adjustement-Tax läuft. Das will na-
Wambach: Anstatt die Förderung nur auf der            könnten. Oder wie sich der Emissionshandel auf       türlich keiner, aber nachdenken muss man darü-
Ebene der Installation von erneuerbaren Ener-         weitere Sektoren ausweiten lässt, denn im Mo-        ber, falls das gemeinsame „Tit-for-Tat“ nicht mehr
gien anzusetzen, wäre es sinnvoller, mehr Mittel      ment sind in diesem Handel weder Wärme noch          funktioniert.
dort zu investieren, wo wir in Deutschland ohne-      große Teile des Verkehrs mit berücksichtigt. Wenn
hin stark sind, also in der Grundlagenforschung       es Europa gelänge, Lösungen für solche Probleme      „et“: Höhere Energiepreise sind nicht zielführend,
und bei den Forschungsaufwendungen von Un-            zu präsentieren, zu zeigen, wie Verteilungsproble-   insbesondere wenn sich andere Regionen davon
ternehmen. Da die Resultate des technologischen       me gelöst und wie Technologie- und Transaktions-     absetzen, wie die USA oder Mittelosteuropa?
Fortschritts immer unplanbar sind, ist es umso        kosten vermindert werden können, wären das
wichtiger, dass die Strukturen stimmen, langfris-     Blaupausen für andere Länder der Welt.               Wambach: Das ist der Punkt. Es geht nicht da-
tig angelegt sind und dass die Preise die richtigen                                                        rum, höhere Preise in Europa zu setzen, sondern
Signale geben. So bot die selektive Förderung spe-    „Tit-for-tat“ im                                     alle Emissionen zu berücksichtigen, und zwar
zifischer erneuerbarer Energien beispielsweise        internationalen Klimaschutz                          weltweit.
keine Anreize für die Entwicklung von Speicher-
technologien.                                         „et“: Und wenn die Welt nicht mitmacht?              Wie kann Versorgungssicherheit
                                                                                                           garantiert werden?
„et“: Wie würden Sie die Priorität für eine ausge-    Wambach: Da ein solcher Fall immer möglich ist,
wogene Klimapolitik in Europa setzen?                 darf der spieltheoretische „Tit-for-Tat“-Charakter   „et“: Die Versorgungssicherheit beim Strom war
                                                      solcher dynamischen Verhandlungen nicht außer        in Deutschland in der Vergangenheit sehr hoch.
Wambach: Priorität müsste ein tragfähiges Welt-       Acht gelassen werden. Das heißt, man muss auf        Kernenergieausstieg und starke Zunahme wetter-
klimaabkommen haben, denn das Klimaproblem            das „Tat“ vorbereitet sein, also im Auge behalten,   abhängiger erneuerbarer Erzeugungsquellen sind
ist von globaler Dimension. Wenn wir die Emissi-      ob der Verhandlungspartner nachzieht, wenn           dabei, diesen Zustand zu ändern. Mittlerweile hat
onen lediglich in Europa zurückfahren, benach-        man selbst einen Schritt vorgibt. Europa allein      dies Eingang in die energiepolitische Diskussion
teiligen wir im schlimmsten Fall nur unsere eige-     kann das Klima nicht retten und wenn die Welt        gefunden …
nen Industrien und verlagern die Emissionen ins       nicht mitmacht, müssen wir prüfen, ob es nicht
Ausland. Um ein solches Abkommen kümmern              sinnvoller ist, uns auf Strategien zu konzentrie-    Wambach: … Versorgungssicherheit ist ein wich-
wir uns viel zu wenig. Stattdessen kann man be-       ren, wie wir uns an die möglichen Folgen der Kli-    tiges Ziel der Energiepolitik und die Frage lautet,
obachten, wie neuerdings viele Regionen in Eu-        maerwärmung anpassen können.                         wie man sie garantiert. Diese Frage stellen sich
ropa auf lokale Maßnahmen in der Klimapolitik                                                              alle Länder und sie ist auch nicht unmittelbar
setzen.                                               „et“: Hat der Beirat deshalb in einem Gutachten      getrieben durch den hohen Anteil der erneuer-
                                                      von 2012 vorgeschlagen, einen CO2-Zoll zu erwä-      baren Energien, den wir in Deutschland haben.
„et“: Deutschland will Vorreiter im Klimaschutz       gen, falls gemeinsame weltweite Anstrengungen        Erneuere Energien verschärfen aber die Proble-
sein. Könnte sich eine solche Politik nicht auch      zur Klimaverbesserung nicht erreicht werden          matik, weil sie es den konventionellen Erzeugern
auszahlen?                                            können?                                              immer schwerer machen, ausreichende Renditen

   38                                                                                           ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 9
Sie können auch lesen