Wir müssen das Spektrum der Wasserstofffarben öffnen.
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INTERVIEW „Wir müssen das Spektrum der Wasserstofffarben öffnen.“ Im Interview mit gwf Gas + Energie spricht sich „Zukunft Gas“-Vorstand Dr. Timm Kehler für deutlich mehr Technologie-Offenheit beim Wasserstoffhochlauf aus und plädiert dafür, hierbei nicht nur auf grünen Wasserstoff zu setzen, sondern auch stärker Erdgas als Basis für die Wasser- stoffproduktion heranzuziehen. gwf: Aktuelle Studien wie etwa die stanziell und zügig voranbringen wollen, Erdgas heute primär den Wärmemarkt “Hydrogen4EU“-Studie kommen zu der für alle Technologien offen sein müssen und die Industrie bedient, wird es künftig Erkenntnis, dass unser wachsender Was- und die Vollelektrifizierung nicht der Kö- zudem für die Wasserstoff- und Stromer- serstoff-Hunger nur gedeckt werden nigsweg der Dekarbonisierung ist. Dabei zeugung verwendet werden. kann, wenn er künftig zunehmend auch ist die Herstellung von Wasserstoff durch aus Erdgas gewonnen wird. Klares Fazit Erdgas nichts Neues. Heute werden be- gwf: Im Kern heißt das, via CCS-Carbon ist außerdem, dass Wasserstoff für die reits große Mengen Wasserstoff in der Capture Storage-Verfahren soll künftig Stahl- und Chemieindustrie sowie den Industrie benötigt – und diese werden aus Erdgas verstärkt klimaneutraler Was- Schwerlastverkehr unverzichtbar ist, und fast ausschließlich aus Erdgas gewonnen. serstoff hergestellt werden. dass hierbei ein Mix aus erneuerbarem Kehler: Das ist richtig. Wenn wir aus Erd- und klimaneutralem Wasserstoff not- gwf: Was heißt in diesem Zusammen- gas Wasserstoff herstellen, entsteht auch wendig ist, um das Netto-Null-Ziel des hang Technologie-Offenheit? CO2. Wird dieses jedoch nicht freigesetzt, Klimagesetzes zu erreichen. Wird Gas da- Kehler: Das heißt zum Beispiel, dass wir sondern mit CCS eingelagert, ist das Ver- mit jetzt zum Game Changer der Energie- mit der Beschränkung auf wenige Ver- fahren klimaneutral. Wichtig ist aber in wende? fahren nicht die Energiewende diesem Zusammenhang zu betonen, Kehler: Sagen wir es mal so: stemmen können. Wir be- dass das nicht eine fixe Idee der Gaslobby Problem erkannt, ist noch nötigen die geballte Kraft ist. Auch Mitglieder des Wasserstoffrats lange nicht Problem ge- aller Technologien. Für machen sich inzwischen für CCS stark. Bei bannt. Die Hydroge- die Nutzung von Erdgas dem Thema ist in den letzten zwei, drei n4EU-Studie zeigt zu- bedeutet dies, dass sich Jahren sehr viel Bewegung reingekom- nächst einmal nur der Energieträger in men, weil immer mehr Experten klar sehr klar und deutlich, den kommenden Jahr- wird, welch großen Beitrag CCS für die dass wir, wenn wir die zehnten weiterentwi- Erreichung der Klimaziele leisten kann. Dekarbonisierung sub- ckeln wird. Während gwf: Wie groß könnte der Beitrag sein? Kehler: Wir haben zweieineinhalb tausend TWh in Deutschland an Energiever- brauch. Ein Fünftel davon ist Strom. Von diesem Fünftel sind gerade mal 30 Pro- zent aus Wind und Sonne, also erneuer- barer Energie. Im Vergleich zum zurückge- legten Weg haben wir also noch den deutlich größeren Teil der Wegstrecke vor uns, um Deutschland zu dekarbonisieren. Effizienz wird neben erneuerbarem Strom eine große Rolle spielen müssen. Aber wir müssen uns auch und vor allem über kli- maneutrale Moleküle unterhalten, um die vielen Sektoren, die wir haben, umfas- Fotos: © Zukunft GAS e.V. send und nachhaltig zu dekarbonisieren. gwf: Fangen wir mit einem der größten an. Wie sieht es mit dem Wärmemarkt aus? Kehler: Wir haben uns mit dem Wärme- markt sehr intensiv befasst. In der Studie 12 gwf Gas + Energie 9/2021
INTERVIEW „Klimaneutral Wohnen 2050“ haben wir zen, und dort wo es sinnvoll und richtig sonst. Wir sind damit aber immer noch uns ganz Deutschland einmal ange- ist, auch viel zu dämmen, all das unter- deutlich günstiger als Strom, der derzeit schaut und die Gebäude differenziert be- stützt die 2030er Ziele. Und klar, wir müs- bei 30 Cent liegt und damit den höchs- trachtet. Denn die Häuser und Wohnun- sen bei alledem immer im Blick behalten, ten Wert weltweit hat. Wir dürfen nicht gen sind nun mal unterschiedlich im Al- dass wir in Richtung grünes Gas gehen. vergessen: Wir müssen bei alledem im- ter, in der Dämmung, im Zustand. Daraus Viele Heizungshersteller haben schon mer auch die Frage der Sozialverträglich- sind 1.760 Sanierungsfahrpläne entstan- heute Geräte im Sortiment, die mit 100 keit und internationalen industriellen den, die diese unterschiedlichen Wohn- Prozent Wasserstoff betrieben werden Wettbewerbsfähigkeit stellen. und Gebäudestrukturen in Richtung Kli- können, oder bringen diese in den nächs- maneutralität bringen. Wenn man diese ten Monaten auf den Markt. Dennoch gwf: Die Frage muss in diesem Zusam- Zahl der simulierten Sanierungsfahrpläne brauchen wir ab Mitte des Jahrzehnts die menhang erlaubt sein: Wie wirtschaftlich auswertet und zu einem Gesamtbild zu- klare Botschaft von Seiten der Heizungs- sinnvoll ist es, dass wir hierzulande weiter sammenzieht, wird klar, dass wir ohne industrie: „Wir sind alle hydrogen ready. 90 Prozent des Biogases verstromen? Gas nicht auskommen werden. Wer es Wir können dem Kunden ein Angebot Kehler: Diese ordnungspolitisch hochbri- trotzdem behauptet, der verkennt die machen, dass er mit 100 Prozent Wasser- sante Frage muss sich Berlin in der Tat Realität. stoffthermen arbeiten kann.“ gefallen lassen. Grundsätzlich ist das eine gute Idee, Biogas für die Verstromung zu gwf: Wieso ist dem so? gwf: In welchen Schritten stellen Sie sich nutzen. Nur aktuell sind wir dabei nicht Kehler:Wir werden nicht so viel moderni- die Ablösung vor? effizient. Wir reden hier nämlich über ei- sieren können, wie einige es sich vorstel- Kehler: Wir haben in Deutschland ein er- nen wirklich bescheidenen elektrischen len. Es gibt Studien, die von Sanierungsra- hebliches Mengenpotenzial an Biogas, Wirkungsgrad bei den meisten Anlagen, ten von jährlich 2,5-3 Prozent ausgehen. wie der DVGW kürzlich mit dem Biogas- der deutlich unter dem von Großkraft- Momentan liegen wir bei unter einem verband herausgearbeitet hat. Wir reden werken liegt. Wenn andernorts immer Prozent. Viele Faktoren sind dafür ent- hier über 300 TWh, die im Raum stehen. behauptet wird, dass Wasserstoff der scheidend: Finanzen, Gebäudestruktur, Davon werden derzeit 100 TWh nur de- Champagner der Energiewende ist, dann aber auch Handwerker und Fachkräfte. zentral genutzt. Wir müssen es schaffen, muss man an der Stelle fragen: Wie lange Ohne eine steigende Zahl an qualifizier- diese großen Potenziale wirkungsvoller wollen wir noch die Perlen vor die Säue ten Handwerkern gibt es bislang keinerlei einzusetzen. Wenn wir sie in die Gasnetze werfen? Rezepte, die darauf hindeuten, dass sich einbringen, haben wir einen Großteil der die Sanierungsrate in irgendeiner Form Wegstrecke Richtung grünes Gas hinter gwf: Sie starten nicht zuletzt deshalb ge- vergrößern oder gar verdreifachen lässt. uns. Zudem brauchen wir momentan rade auch eine Aufklärungskampagne Dann müssen wir damit leben, dass wir nicht nur Elektrolyse-Wasserstoff, son- mit dem Titel „mit Gas geht’s“. Was steckt auch 2050 noch die Häuser haben, die wir dern noch blauen und türkisen Wasser- dahinter? jetzt haben. Dabei haben wir immer noch stoff. Wasserstoff aus Erdgas mit CCS ist Kehler: Der Name ist Programm. Unser fünfeinhalb Millionen Ölheizungen vor da, wie bereits gesagt, erstmal das nahe- Ziel ist es, zu zeigen, dass nur mit Gas die der Brust, die abgelöst werden wollen. liegendste Verfahren, da es technolo- Energiewende sicher und bezahlbar ge- gisch das reifste und in jedem Fall auch lingt. Das sagt auch schon sehr viel über gwf: Der alte Häuserkampf geht also das günstigste ist. die Ausrichtung aus. Anhand der Themen weiter. Wasserstoff, Infrastruktur und grüne Gase Kehler: Ja, aber nachdem es nun mit der gwf: Wird das reichen? wollen wir zeigen, dass sich die Klimaneu- Einführung der CO2-Steuer ein klares ord- Kehler: Wir erwarten, dass auch das The- tralität ebenso erreichen lässt wie mit er- nungsrechtliches Signal gibt, entwickeln ma Methanpyrolyse in 15 Jahren die ent- neuerbarem Strom. Wir wollen hier nicht die Kunden natürlich auch ein Gespür sprechende Skalierung erreicht haben in einen Beautycontest einsteigen, son- dafür und wollen da jetzt raus. Es ist dem- wird. Und bei den Skalierungen der Elekt- dern wollen die Stärken, die wir zusätzlich zufolge keine offene Frage mehr. Die rolyse erwarten wir einen echten Kosten- noch in das Energiesystem einbringen Ausrichtung ist erfolgt und jetzt geht es vorteil, je weiter wir Richtung 100 MW- können, aufzeigen. Und diese Stärken ums Abarbeiten. Wir glauben, dass die Maßstab kommen. Unterm Strich gehen sind Sicherheit und Bezahlbarkeit. Wir CO2-Einsparungen, die jetzt im Rahmen wir davon aus, dass wir einen Wasser- werden zeigen, dass wir hier einen güns- des neuen Klimaschutzgesetzes als Ziel stoffpreis für die Verbraucher von um die tigen Energieträger für Millionen haben, gesteckt wurden, sich auch durch kon- zehn Cent pro Kilowattstunde realisieren der bei jedem zweiten Deutschen im ventionelle, das heißt, bereits existieren- können. Damit liegen wir noch über dem Haus ist. Wir wollen zudem zeigen, dass de Lösungen erreichen lassen. Lösungen, heutigen Gaspreis. Es geht aber um die wir in der Lage sind, die konstruktiven wie beispielsweise Öl ablösen, Solarther- Botschaft, die wir hier platzieren müssen. Fragen der Energiewende anzugehen: mie einführen, Wärmepumpen einset- Die lautet: Klimaschutz gibt es nicht um- Wie kann ich Energie speichern? Wie gwf Gas + Energie 9/2021 13
INTERVIEW haben. Salzgitter baut seinen eigenen Elektrolyseur direkt am Standort. Kehler: Für die ganz großen Verbraucher sind solche Ansätze sicherlich richtig. Dem gegenübergestellt muss man sich vergegenwärtigen, dass wir im Gasnetz 1,6 Millionen Industrie- und Gewerbebe- triebe haben, den deutschen Mittelstand. Dieser kann keine eigene Leitung reser- vieren, weil er nun mal nicht so große Gasbedarfe hat. Für den industriellen Mit- telstand müssen wir Lösungen finden, die allgemein funktionieren, und zwar nicht nur in Schaufenstern von Reallabo- ren, sondern in der breiten Masse für die deutsche Industrie. Hier sehe ich die Ge- fahr, dass sich die Politik zu sehr auf ein- zelne, sehr plakative Industrieanwendun- gen konzentriert… gwf: Und wieder nur exemplarisch Prob- lemlösungen aufzeigt. Scheitern wir nicht kann ich sie nutzbar machen? Diese Fra- es gibt mutige und interessierte Ingeni- derzeit auch und vor allem daran, dass gen wollen wir nicht als reine Experten- eure in der Branche, die das Thema anpa- wir uns bei Genehmigungsverfahren und diskussion angehen, sondern sie in die cken möchten. Infrastrukturprojekten verzetteln und öffentliche Diskussion bringen. nicht in der Lage sind, das Gaspedal mal gwf: Worin sehen Sie die größte Heraus- richtig durchzutreten? gwf: Die Hydrogen4EU-Studie stellt au- forderung um H2-ready zu werden? Kehler: Bei allen Infrastrukturprojekten ßerdem fest, dass wir viel mehr Wassers- Kehler: Es ist letztlich eine Frage einer zeigt sich, dass Deutschland leider extrem stoff brauchen werden, als wir bislang smarten Organisation. Auf Knopfdruck langsam ist. Projekte brauchen immer er- dachten. Was heißt das für die Ertüchti- werden wir nicht komplett H2-ready. Wir heblich länger als geplant, ich will jetzt hier gung unserer Netze? müssen einen Prozess in Gang setzen, der gar nicht unseren Berliner Flughafen zitie- Kehler: So wie wir von der Heizungsin- sicherlich nochmal komplexer ist als der ren. Das deutsche Planungsrecht bietet dustrie fordern, dass sie hydrogen-ready Prozess der Marktraumumstellung, den sehr viele Einflussmöglichkeiten und legt wird, müssen wir uns auch selbst fordern wir momentan vollziehen. Hier gibt es eine sehr hohe Komplexität an den Tag. und sicherstellen, dass unsere Netze hyd- beispielsweise das sehr richtungsweisen- Hier muss jetzt endlich die Handbremse rogen-ready sind. In vielen Fällen sind wir de Projekt ‚H2 vor Ort‘, das durch den gelöst werden. Ich hoffe darauf, dass zum das auch schon. Es gibt wenig Zweifel, DVGW entwickelt wurde. Je nach Netzto- Beispiel die Tesla-Fabrik, wo ja auch der dass die großen Transportleitungen 100 pologien und Gegebenheiten werden Staat mitwirkt und er sich anstrengt, das Prozent Wasserstoff transportieren kön- unterschiedliche Routen Richtung Kli- Ganze schnell auf die Beine zu stellen, auf nen. Überall dort, wo Polyethylen liegt, maneutralität nötig sein. Das eine Netz Projekte abstrahlt, die für die Energiewen- und das ist bei mehr als 90 Prozent in wird mit 100 Prozent grünem Methan be- de realisiert werden müssen. Hier zeigt Deutschland der Fall, haben wir keine legt sein, andere Netze mit Mischungen, sich, welche Kraft wirtschaftliches Handeln grundsätzlichen Probleme mit dem Was- andere wiederum mit 100 Prozent Was- von privaten Unternehmen entfalten kann. serstofftransport im Verteilnetz. Sicher- serstoff. Es kommt auf die Netzausstat- Der Staat, wenn er als Bauherr auftritt, ist lich gibt es eine Vielzahl von technischen tung und die Kundenbedarfe an. Alle Fak- immer gehemmt und eingegrenzt durch Herausforderungen, die es zu meistern toren müssen ermittelt und untersucht viele, im Sinne der Steuerzahler sicherlich gilt, sei es Sensorik, Kompressorstationen werden, was viel Organisation erfordert richtige Regeln. Deswegen sollte auch gel- oder alte Netzsegmente, die noch nicht und somit eine der größten Herausforde- ten: Wir brauchen jetzt so viel Markt wie auf der Höhe der Zeit sind und moderni- rungen ist. Die technologische Herausfor- möglich, um die Ziele des Klimaschutzes siert werden müssen. Ich habe aber in derung ist ebenfalls hoch, aber gestaltbar. bestmöglich zu erreichen. der Branche noch keinen einzigen Inge- nieur getroffen, der gesagt hätte, die Her- gwf: Was sagen Sie Richtung Industrie? gwf: Dennoch: eine neue innovative Inf- ausforderung sei zu groß. Im Gegenteil, Thyssen Krupp will seine eigene Leitung rastruktur kostet Geld. Schießen bei den 14 gwf Gas + Energie 9/2021
INTERVIEW von Ihnen skizzierten H2-ready-Umbau- nologie fokussiert. Wenn wir dem Nutzer maßnahmen dann nicht wieder erneut alle Möglichkeiten bieten, um die Gebäu- die Kosten ins Kraut? de CO2-arm zu gestalten, dann wird der Kehler: Die Bundesnetzagentur hat einen Markt sich seinen Weg suchen. Die Lö- klaren Auftrag: Kosten möglichst niedrig sung wird sich durchsetzen, die jeweils zu halten. Seit zehn Jahren haben die die geringsten CO2-Vermeidungskosten Kunden konstante Gaspreise, was stark hat. Im Bestand, da bin ich mir sehr sicher, auf die Arbeit der Bundesnetzagentur zu- wird das dann oftmals eine nicht-elektri- rückzuführen ist. Sie macht also einen sche Lösung sein. guten Job. Sie ist aber eben nicht die Bundesnetz-Innovationsagentur. Hier ist gwf: Wie sollte der Wandel angegangen sie möglicherweise auch nicht der richti- werden? ge Ansprechpartner. Wir müssen es Kehler: Der erste Faktor ist die Stärkung schaffen, in die Regulatorik eine Innovati- der europäischen Perspektive. Nur im eu- onskomponente einzubinden. Netzbe- ropäischen Kontext können wir erfolg- treiber brauchen die Freiheit, Netzinno- reich sein. Mit dem ETS, dem EU-Emissi- vationen entwickeln zu dürfen und zu onshandel, haben wir gute Mechanismen können. Im Ausland ist dies durchaus eingeführt, sind aber diesen Weg nicht denk- und machbar. Dies ist aber auf poli- konsequent zu Ende gegangen. Die Po- tischer Ebene zu diskutieren und nicht tenziale innerhalb Europas müssen wei- mit der Agentur in Bonn. terentwickelt werden, vielleicht mit einer europäischen Wasserstoff-Union, sodass gwf: Warum wird keine Steuer auf eFuels der Handel von grüner Energie über das Aber nun haben wir einen sehr wirksa- eingeführt? Wenn eFuels begünstigt wür- Thema Wasserstoff in den Fokus genom- men CO2-Preis, der europaweit funktio- den, würde ein gezielter Anreiz geschaf- men wird. Ich erinnere hier sehr gerne an niert. fen. Das Ganze könnte möglicherweise die Ursprünge der Europäischen Union. einen erheblichen Nachfragschub auslö- Sie ist als Montanunion gestartet. Warum gwf: Ein zu hoher CO2-Preis könnte aber sen und die Energiewende beschleuni- sollte Wasserstoff nicht der nächste gro- auch zu einer De-Industrialisierung füh- gen. ße Impuls für ein zusammenwachsendes ren, sprich, dass die Industrie Deutsch- Kehler: Dem kann ich nur zustimmen. Wir Europa sein? land den Rücken kehrt. brauchen eine deutlich stringentere Aus- Kehler: Die oberste Maxime muss sein: richtung an CO2-Einsparungen. Leider la- gwf: Und der zweite Faktor? Wir müssen Lösungen finden, die die In- den wir die Diskussion viel mit anderen Kehler: Zum Zweiten sollten wir uns in je- dustrie in Deutschland hält. Sprich, dass Facetten auf, wie geopolitische Zusam- dem Fall sehr konsequent an der CO2- die steigenden CO2-Kosten, die steigen- menarbeit, industrielle Forderungen, Einsparung ausrichten. Dazu zählt auch, den Aufwendungen für den Klimaschutz Nachhaltigkeit, Entwicklungshilfe etc. In dass wir entsprechend offen Technologi- nicht unsere Wirtschaft und unsere glo- Großbritannien wird das Thema Klima- en einführen müssen. Das ist Grundvor- bale Position belasten. Es braucht wirk schutz viel pragmatischer behandelt. aussetzung in allen Sektoren. Ich gewin- same marktorientierte Förderungsme- Dort zählt am Ende schlichtweg, wie viel ne keinen Schönheitspreis, wenn ich im chanismen. Carbon Contracts for Diffe- Tonnen CO2 in einem Jahr eingespart Gebäude eine Tonne CO2 einspare, die rence halte ich für eine sehr kluge Lösung. werden. Es gibt keine langen und um- ich woanders deutlich günstiger einspa- Das Abwandern von Industrien ins Aus- fangreichen Diskussionen über den Koh- ren kann. Das führt mich zum dritten land muss unbedingt verhindert werden. leausstieg, dort wird alles über den CO2- Punkt: Wir sollten sicherstellen, dass der Unternehmen in Grenznähe, die viel Gas Preis geregelt. Dies führt auch dazu, dass CO2-Preis-Mechanismus funktioniert. Der verbrauchen, sollen sich nicht etwa in der Klimaschutz zu sehr überschaubaren CO2-Preis ist das wirksamste Werkzeug, Tschechien oder Polen nach neuen Kosten realisiert wird. Strom kostet für die beste Lösung, um Klimaschutz kos- Standorten umsehen, weil es dort keinen Privatverbraucher wesentlich weniger als tengünstig umzusetzen. In der aktuellen CO2-Preis gibt. Das gilt auch für die ge- in Deutschland und hat die Hälfte des Diskussion gibt es dagegen noch einige samte Union. Von daher sind solche Me- CO2-Fußabdrucks. Das ist beispielsweise Widerstände, aber wir müssen durchhal- chanismen, wie der europaweite Carbon auch ein Effekt: Großbritannien leistet ten, gegenhalten und durchsetzen. Ge- Border Adjustment Mechanism (CBAM), sich nicht 34 Milliarden Euro pro Jahr an nauso lief es auch beim ETS. Die erste außerordentlich zu begrüßen, weil sie EEG-Umlage. Diesen Pragmatismus ha- Phase war voller intensiver Diskussionen, nachhaltig die Standorttreue fördern und ben wir in Deutschland auch im Gebäu- darüber dass es nicht gehen würde und die Industrie in Europa und in Deutsch- desektor verloren. Wir sind sehr auf Tech- man ein anderes System schaffen müsse. land halten. gwf Gas + Energie 9/2021 15
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