"Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen" - Knauf ...
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34 | PRAXIS ZWEI ZAHNÄRZTE BERICHTEN ... wie es wirklich in den Zahnarztpraxen aussah während des Lockdowns Die deutschen Zahnarztpraxen sind nicht alle gleich gut durch die Krise gekommen, die einen sind „mit einem blauen Auge davongekommen“ (zm 13), die anderen „hat die Krise zusammengeschweißt“ (zm 11). Aber bei allen geht es nun darum, wieder „zurück in die Spur“ zu finden, nicht zuletzt weil es finanziell dann eben irgendwann klemmt. INTERVIEW MIT PRAXISINHABER DR. MARKO KNAUF „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“ Die Praxis von Dr. Marko Knauf in Freiburg ist nach dem Lockdown seit Ende Mai wieder im Normalbetrieb. Die Umsatzeinbußen schätzt er auf 85 Prozent. Im Hotel nebenan herrscht immer noch Geisterstimmung. Herr Dr. Knauf, wie liefen noch wichtiger sei als ohnehin schon. die Wochen des Lockdowns Das war für uns das Signal, unter Verfei- in Ihrer Praxis ab? nerung unserer Sicherheitsmaßnahmen Dr. Marko Knauf: Als der Lockdown wieder notwendige Behandlungen vor- Foto: Knauf im März losging, haben wir schnell zunehmen. Die nicht zwingend not- entschieden, nur noch begonnene wendigen Termine von Risikopatienten Behandlungen abzuschließen und mit zum Beispiel Herz-Kreislauf- oder Schmerzpatienten zu versorgen. Da es Atemwegserkrankungen haben wir zu zunächst keine eindeutigen Hand- diesem Zeitpunkt aber dennoch abge- lungsrichtlinien aus der Politik oder DR. MARKO KNAUF sagt. von Kammer- und KZV-Seite gab, haben einige Kollegen weitestgehend Ihre Region war ein Corona- normal weiter behandelt. Für uns war Hotspot. Wie machte sich ... ist Zahnarzt aus Freiburg/Brsg., aber klar, dass wir runterfahren. Wir das bemerkbar? Baden-Württemberg. haben alle Prophylaxetermine abgesagt Die generelle Stimmung hier war schon und ab dem 23. März auf Notbetrieb anders als in vielen anderen Regionen umgestellt. In meiner Praxis arbeiten in Deutschland, glaube ich. Das lag vier Behandler. Wir haben vormittags auch daran, dass wir die Notsituation und nachmittags Schmerzzonen ein- auch einige Covid-19-Patienten aus im Elsass mit der Knappheit der Intensiv- gerichtet und diese untereinander dem Elsass verlegt wurden. betten so unmittelbar mitbekommen aufgeteilt. haben. Die Lage scheint auch unsere Wann haben Sie wieder Landesregierung überfordert zu haben. Warum haben Sie den Betrieb hochgefahren? Das baden-württembergische Gesund- so schnell reduziert? Circa einen Monat später, als ich aus heitsministerium hat vor Ostern quasi Dazu hat vor allen Dingen unsere Nähe der Uniklinik hörte, dass wieder elektive ein Behandlungsverbot für zahnärzt- zu Frankreich und Italien beigetragen, Operationen stattfinden. Gleichzeitig liche Praxen ausgesprochen, weil wo ich auch Zahnärzte kenne. Dort erschien seitens der DGZMK eine aus- das Ansteckungsrisikos extrem hoch waren die Praxen schon zwei bis drei führliche Stellungnahme, die die Sys- sei – ohne Absprache mit den Standes- Wochen zu, als es bei uns erst losging. temrelevanz der Zahnmedizin noch- vertretern. Die dortigen Kollegen konnten gar mals hervorhob. Darin hieß es, dass nicht glauben, dass wir noch geöffnet eine gute Mundhygiene beziehungs- Die Verunsicherung der Patienten hat haben. Hinzu kommt, dass meine Pra- weise eine gesunde Mundhöhle als das nochmal geschürt. Bei uns klingelte xis neben der Uniklinik liegt, in die ja Immunbarriere in Zeiten von Covid-19 das Telefon heiß. Die Verordnung wurde zm 110, Nr. 13, 1.7.2020, (1300)
| 35 In Baden-Württemberg hatte das Gesundheitsministerium vor Ostern für Zahnarztpraxen ein Behandlungsverbot erlassen – ohne Absprache mit den Standesvertretern. Das wurde zwar dank Intervention der KZV wieder aufgehoben, aber mit der Situation mussten die Praxen erstmal umgehen. Auch Dr. Marko Knauf – hier mit seinen Kolleginnen Christin Smaczny, Dr. Katrin Baumann und Elena Yocheva. Fotos: Knauf dann aber, auch auf Betreiben der KZV Laufe der Wochen dann eigentlich Sorgen hatten. Bei uns waren dann hin, schnell aufgehoben, da sie zu sehr positiv. auch alle Mitarbeiter in Kurzarbeit. diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr Vorsorglich habe ich mich über Kredite sinnvolll erschien. Wie haben Sie die Praxis und Soforthilfen informiert. Sechs in der Zeit des Lockdowns Wochen nach dem Lockdown stellte Wie ging es Ihrem Praxisteam? organisiert? sich dann aber Erleichterung ein, weil Gab es Fragen, Ängste – und Um das Ansteckungsrisiko in der die Praxis sich wieder füllte. konnten Sie die ausräumen? Praxis zu senken, haben wir Schichten Anfangs herrschte bei meinen Mit- eingeteilt und Teams gebildet, die sich Aber natürlich wird sich die finanzielle arbeitern und Mitarbeiterinnen sehr nicht getroffen haben. Absprachen Delle für März und April erst zeit- große Verunsicherung. Viele hatten liefen bei uns via WhatsApp oder bei versetzt zeigen. Ich gehe davon aus, Angst, dass sie Angehörige durch eine der Übergabe zwischen den Behandlern. dass wir in dieser Zeit 85 Prozent Ansteckung gefährden könnten. Es musste viel koordiniert werden. weniger Umsatz gemacht haben als sonst. Aber ich muss dennoch sagen: Wir haben dann die Hygiene- und Meine Frau als Praxismanagerin hat Im Vergleich zu anderen Branchen Desinfektionsmaßnahmen ausgewei- Praxisrundbriefe und Aushänge ver- wie der Gastronomie, dem Tourismus- tet. Ich habe dem Team vor Augen ge- fasst. Alle zwei bis drei Tage gab es bereich oder dem Messebau sind wir führt, dass wir Zahnärzte immer auf Updates zu den Themen Infektions- Zahnärzte und Zahnärztinnen doch hohem Hygiene- und Sicherheits- geschehen und Kurzarbeit. Es war mit einem blauen Auge davongekom- niveau arbeiten. Im Prinzip behandeln nicht ganz einfach, Arbeitsmaterialien men. Neben unserer Praxis befindet wir Patienten immer so, als hätten sie zu bekommen. Wir haben uns zeitweise sich ein Hotel mit 200 Betten, das ein Infektionsrisiko. Wir sagen ja auch Desinfektionsmittel selber angerührt normaler weise immer voll ist. Da nicht, dass wir nicht mehr behandeln, und uns Schutzmasken im Malerfach- herrscht zurzeit Geisterstimmung, weil es Hepatitis C und HIV gibt, für handel besorgt. Jetzt ist wieder alles wenn man durchs Foyer geht. die wir ja auch keinen Impfstoff vorrätig. haben. Ich habe auch noch einmal be- Wie haben Sie den Kontakt tont, dass wir in der Zahnmedizin von Wie haben Sie als Inhaber zu den Patienten gehalten? Haus aus mit Handschuhen, Mund- diese Wochen erlebt? Wir haben sie über unsere Hompage, schutz und Brille behandeln und somit Am Anfang hatte ich natürlich große Google, Instagram und Facebook über ein sehr viel geringeres Ansteckungs- Angst und Sorge, weil ich die Situation die Öffnungszeiten und Angebote in risiko haben als beispielweise ein Haus- von Kollegen aus Italien vor Augen der Praxis informiert. Wir kommuni- arzt. Dieser Vergleich hat geholfen, hatte, deren Praxen ja schon viele zieren zurzeit sehr aktiv mit unseren glaube ich. Die Stimmung war im Wochen zu waren und die existenzielle Patienten. Das liegt daran, dass ich aus zm 110, Nr. 13, 1.7.2020, (1301)
36 | PRAXIS werden sie aus verschiedenen Warte - bereichen teilweise mithilfe von Pagern wie man sie aus manchen Restaurants kennt. Sie vibrieren, wenn man dran ist. Bei den E-Mail-Erinnerungen an einen Ter- min senden wir zurzeit Corona-Infos mit. Die Behandlungen laufen zu 95 Prozent so wie vor dem Lockdown. Das stimmt mich zuversichtlich. Jetzt bleibt abzuwarten, was in den nächsten Monaten passiert. Bei zehn Millionen Menschen in Kurzarbeit wird sich erst noch zeigen, wie viele sich hochwertigen Zahnersatz leisten können. Ich hoffe, dass die Politik es schafft, den Bürgern Zuversicht zu geben und die Foto: Knauf Wirtschaft wieder anzukurbeln. 䡲 Die Fragen stellte Susanne Theisen. In der Freiburger Praxis Knauf.Kollegen meinem Bekanntenkreis immer wieder medizinische Berufsgruppen gibt, die ihre arbeitet ein Team aus 22 Mitarbeitern höre: „Ich mache erst wieder einen Ter- Patienten standardmäßig mit Handschuhen auf 260 Quadratmetern mit sechs min, wenn Corona vorbei ist.“ und Mundschutz behandeln. Behandlungsräumen. Seit Mai 2008 ist Dr. Marko Knauf, geprüfter Experte Ich entgegne dann, dass es nicht vorbei Wie ist die Lage in Ihrer Praxis jetzt? für Implatologie, mit seinen drei Kollegen sein wird, dass wir auch in der Zukunft Wir sind seit Ende Mai wieder im Normal- hier im Einsatz. Schwerpunkte sind mit diesem Virus leben müssen – dass betrieb. Wir haben die Bestellung entzerrt Implantologie, Zahnersatz, Prothetik, Karies oder Parodontitiserkrankungen aber und achten noch etwas mehr darauf, keine Endodontie. Knauf ist im Vorstand der nicht ohne Behandlung zu therapieren Wartezeiten zu haben. Natürlich informie- Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche sind. Ich betone dann auch nochmal, wie ren wir Patienten vor dem Betreten der Prävention und Rehabilitation im Spitzen- hygienisch wir arbeiten und dass es wenige Praxis über Hinweisschilder. Aufgerufen sport (DGzPRsport). INTERVIEW MIT DR. MARTIN HERLINGHAUS „Die Systemrelevanz der Zahnmedizin ist nicht verhandelbar “ Dr. Martin Herlinghaus führt seit 35 Jahren eine Gemeinschaftspraxis mit 16 Mitarbeitern in Verden, Niedersachsen. Als die Corona-Pandemie sich ausbreitet, organisiert er den Betrieb komplett um. Mitarbeiter melden sich krank, es gibt nur noch Notfallbehandlungen, Team-Besprechungen finden im Garten statt. Der wirtschaftliche Schaden ist erheblich: Er und sein Partner arbeiten derzeit mehr, um die Einbrüche zu kompensieren. Je nachdem wie sich die Pandemie entwickelt, bedeutet dies auch eine längere Lebensarbeitszeit. Wie sah Ihr Krisenmanagement sensibilisiert. Am Anfang wussten wir draußen im Garten zur Besprechung. während des Lockdowns aus? relativ wenig. Ich habe trotzdem ver- Zwei Meter Abstand waren mit allen Dr. Martin Herlinghaus : Ich bin sucht, immer offen zu kommunizie- drinnen nicht möglich. relativ früh auf Corona aufmerksam ren, habe Studien gelesen und meinen geworden, hatte mir aber zunächst Kenntnisstand weitergegeben. Für das Wir entschieden uns, auf Notfall- keine Sorgen gemacht, war aber durch Team gründeten wir eine WhatsApp- betrieb herunterzufahren. Dafür teilten den Austausch mit anderen Ärzten Gruppe und trafen uns ab März täglich wir uns in drei Gruppen auf, die an zm 110, Nr. 13, 1.7.2020, (1302)
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