Wissenschaftskolleg zu Berlin - monitoring-bericht 2022
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Inhaltsverzeichnis 1 Zusammenfassung 3 2 Sachstand 9 2.1 Strategische Erschließung neuer thematischer Bereiche 9 2.1.1 Einführung neuer und Fortführung bestehender strategischer Instrumente 10 2.1.2 Inhaltliche Schwerpunktsetzungen 14 2.2 Umsetzung des Kolleggedankens 15 2.3 Vernetzung im nationalen Wissenschaftssystem 16 2.3.1 Die Fellows 16 2.3.2 Das Kolleg als Institution 17 2.4 Internationale Zusammenarbeit 20 2.5 Die besten Köpfe 22 2.5.1 Auswahl der Fellows 22 2.5.2 Chancengleichheit für Männer und Frauen 25 2.5.3 Nachwuchs für die Wissenschaft 27 3 Rahmenbedingungen 28 3.1 Darstellung der Finanzierung und Entwicklung des Budgets 28 3.2 Flexible Rahmenbedingungen 29 3.2.1 Flexibilisierung der Mittelverfügbarkeit 29 3.2.2 Personalwesen Ist-Stellen nach Entgeltgruppen per 31.12. des Jahres 30 3.2.3 Beteiligungen 31 Anlagen: 32 Einladungen von Fellows im akademischen Jahr 2020/2021 32 Einladungen von Fellows im akademischen Jahr 2021/2022 34 Abendkolloquien und öffentliche Abendveranstaltungen 2021 36 Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats (31.12.2021) 37
Wissenschaftskolleg zu Berlin 1 Zusammenfassung Das Wissenschaftskolleg hat die Aufgabe, der Wissenschaft zu dienen, „indem es anerkannten Gelehrten die Ausführung selbstgewählter Forschungsarbeiten in Berlin ermöglicht“ 1. Außerdem pflegt es die Beziehungen zu seinen früheren Fellows (wissenschaftlichen Mitgliedern) und fördert zeitlich befristet Projekte, insbesondere wenn sie mit früheren Fellows in Verbindung stehen oder der Gewinnung zukünftiger Fellows dienen. Die Arbeitsweise des Wissenschaftskollegs wird durch den Rhythmus der aufeinanderfolgenden akademischen Jahre jeweils von September bis Juni geprägt. Da der Berichtszeitraum dieses Berichtes das Kalenderjahr 2021 umfasst, werden an einigen Stellen Informationen aus zwei aka- demischen Jahren zusammengeführt. An anderen Stellen wird im Sinne größerer Klarheit und Aussagekraft das jeweils betreffende akademische Jahr als Bezugsgröße beibehalten. Das Jahr 2021 war für die Fellows des Wissenschaftskollegs wie bereits das Vorjahr von den Auswirkungen der Pandemie auf das wissenschaftliche Leben geprägt. Gleichzeitig war der Umgang mit einigen der Einschränkungen routinierter, da alle nach einem Jahr Pandemie bereits an die besonderen Bedingungen gewöhnt waren und es gleichzeitig bessere Möglichkeiten gab, das wissenschaftliche Leben unter den gegebenen Bedingungen fortzuführen. 2021 war daher trotz der noch immer grassierenden Pandemie ein sehr veranstaltungsreiches Jahr: Neben den üblichen Dienstagskolloquien konnten viele selbst organisierte Aktivitäten und Initiativen der Fellows stattfinden. Hierzu gehörten Lese- und Arbeitsgruppen mit geschichts- oder literaturwissenschaftlichen Schwerpunkten, zahlreiche Workshops und Tagungen sowie Vortragsveranstaltungen und Podien in und außerhalb des Kollegs. Fortgesetzt wurde das „Three Cultures Forum“, das auch 2021 wieder reizvolle und aktuelle Themen zur interdisziplinären Diskussion stellte. Im November fand die erste Veranstaltung der neuen Reihe „Observatorium“ statt, ein Format, das zukünftig einmal im Jahr stattfindet und sich dem Wissen und der Reflexion über Stand, Zustand und Entwicklungsrichtung einzelner Disziplinen und des Wissenschafts- systems als Ganzem widmet. Weitergeführt wurde außerdem eine Veranstaltungsserie, die sich mit der Theorie und Geschichte der Wissenschaftsfreiheit und der aktuellen Bedrohungslage auseinandersetzt. Die hohe Bereitschaft der Fellows, sich auf interdisziplinäre Gespräche und Arbeitsgruppen einzulassen, war in beiden Gruppen stark ausgeprägt. Zu den besonders gewinnbringenden Effekten zählte dabei das hohe Maß insbesondere an fachlicher und kultureller Diversität, das beide Gruppen prägte: Bei dem Jahrgang 2020/2021 etwa handelte es sich um eine Gruppe, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Teilen der Welt zusammenbrachte – unter anderem aus Osteuropa, Bangladesch, China, Südkorea sowie aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Die stärkere Präsenz afrikanischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im letzten Drittel des Jahres ist unter anderem auf die gerade begonnene Beteiligung des Wissenschafts- kollegs an dem vom Stellenbosch Institute for Advanced Study geleiteten Iso Lomso Programme zurückzuführen. Aus dem Blickwinkel der Gender-Ratio stellte der Jahrgang eine kleine Sensation dar: Es war die erste Fellowkohorte in der Geschichte des Wissenschaftskollegs, in der mehr weibliche als männliche Fellows vertreten waren. Darüber hinaus war der Jahrgang mit 1 Satzung des Wissenschaftskollegs, § 1, Abs.1. MONITORING-BERICHT 2022 3
einem Durchschnittsalter von 44,5 Jahren auch etwas jünger als frühere Gruppen. Das wiederum hatte zur Folge, dass 28 Kinder dabei waren, mehr als je zuvor. Schließlich war auch die Population der eingeladenen Naturwissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, auch dank der gezielten Auswahlarbeit des College for Life Sciences, ungewöhnlich vielfältig: Neben den (Evolutions-)Biologen, die am Kolleg traditionell stark vertreten sind, gab es eine Astrophysikerin, einen Bio-Ingenieur und eine klinisch arbeitende Neurowissenschaftlerin. Hinzu kamen ein Komponist, ein Filmemacher und eine Musiktheaterregisseurin. Bei der Fellowgruppe 2021/2022 handelt es sich ebenfalls um einen sehr diversen, vor allem ungewöhnlich jungen Jahrgang: Von den insgesamt 48 Fellows wird das Spektrum der großen Disziplinfamilien recht ausgewogen abgebildet (Geisteswissenschaften: 18; Naturwissenschaften: 13; Sozialwissenschaften: 10); auch die Künste sind mit sieben Fellows ungewöhnlich breit vertreten. Der Altersdurchschnitt liegt mit 48 Jahren deutlich unter dem der letzten Kohorten. 42 % der Fellows sind weiblich. 14 Fellows sind von einem Arbeitsort außerhalb von Westeuropa oder Nordamerika nach Berlin gekommen. Es macht einen spürbaren Unterschied, dass Fellows mit nicht westlichen Wurzeln in diesem Jahr keine Minderheit darstellen, sondern sich selbstbewusst als prägender Teil der Fellowgemeinschaft fühlen können. So gibt es etwa – nach Jahren einschlägiger Bemühungen – eine (in sich wiederum diverse) Gruppe mit lateinameri- kanischen Bindungen. Entsprechend wurde das Wissenschaftskolleg 2021 als ein Ort wahrgenommen, wo nicht die Dominanz der westlichen academia, sondern die Vielfalt der (Wissenschafts-)Kulturen der Welt erfahrbar ist. Eine solche Konstellation wurde und wird von den meisten Fellows als außer- gewöhnlich und bereichernd empfunden. In Zeiten der Entglobalisierung und weltweiten Entflechtung, in einer Phase globaler Konflikte und eines Krieges in Europa ist eine solche Gemeinschaft wichtiger denn je. Zur Erhöhung der Diversität der Fellowgruppen tragen nicht nur individuelle, sondern auch strukturelle Einladungsentscheidungen der Leitung und des Beirats bei. Als erstes ist hier die bereits erwähnte Kooperation mit dem südafrikanischen Stellenbosch Institute for Advanced Studies und dessen Iso Lomso Programme zu nennen. Dieses Austauschprogramm für afrikani- sche Postdocs sollte eigentlich schon im akademischen Jahr 2020/2021 beginnen. Die Pandemie hat jedoch die Anreise der zwei ersten Fellows verzögert, sodass 2021 zunächst nur ein Iso-Lomso- Fellow ans Kolleg kommen konnte. 2021 fand außerdem die erste Auswahlrunde im Rahmen des Yehudit-und-Yehuda-Elkana-Fellowship-Programms zur Förderung der Wissenschaftsfreiheit statt. Das durch die VolkswagenStiftung sowie durch die Marga und Kurt Möllgaard-Stiftung geförderte Programm sorgt dafür, dass das Kolleg in den folgenden drei Jahren jeweils zwei Kurzzeit-Fellows aus Osteuropa zu Gast haben wird. Das Jahr in Zahlen: Im Berichtsjahr 2021 waren insgesamt 74 Fellows am Wissenschaftskolleg zu Gast, verteilt auf zwei akademische Jahre: 2020/2021 mit 37 Fellows und 2021/2022 ebenfalls mit 37 Fellows. 2 35 der 2 Diese Zahlen beziehen sich auf diejenigen Fellows beider Jahrgänge, deren Aufenthaltszeit zumindest zum Teil im Berichtsjahr 2021 lag. Die Gesamtzahl der Fellows beider akademischen Jahre weicht von diesen Zahlen ab. Im akademischen Jahr 2020/2021 waren 39 Fellows am Kolleg, 2021/2022 waren es 49. Der 4 MONITORING-BERICHT 2022
Wissenschaftskolleg zu Berlin 74 Fellows waren Frauen, 19 im akademischen Jahr 2020/2021 und 16 im akademischen Jahr 2021/2022. Bezogen auf das Berichtsjahr entspricht dies einer Quote von 47 %, also 4 % mehr als im Vorjahr. Die mittlere Aufenthaltszeit der Fellows betrug neun Monate. 61 der 74 Fellows des Berichtsjahres waren für ein gesamtes akademisches Jahr, also für zehn Monate, ans Wissenschaftskolleg eingeladen. Das entspricht einer Quote von 82 %. Betrachtet man die Gesamtaufenthaltszeit, also die Fellowship-Monate, so wurden 91,3 % der Fellowship-Monate des Berichtsjahres im Rahmen von zehnmonatigen Vollzeit-Fellowships am Wissenschaftskolleg verbracht. Das ist insofern von Bedeutung, als der Anteil der Ganzjahres-Fellows ein ausschlaggebendes Kriterium für die Kohärenz eines jeden Jahrganges ist. In jedem akademischen Jahr versucht das Wissenschaftskolleg, eine Gruppe von Fellows zusam- menzustellen, in der sich die Disziplinen der Eingeladenen und ihre Forschungsthemen auf möglichst anregende Weise ergänzen und gegenseitig bereichern. Die 74 Fellows des Berichts- jahres verteilten sich wie folgt auf die Disziplinen: Die größte Gruppe bilden die Forschenden aus dem Bereich der Lebenswissenschaften (22 %), gefolgt von den Historikerinnen und Historikern und den Forschenden aus den Sozialwissenschaften mit jeweils zwölf Fellows (16 %). Rang vier und fünf belegen mit je neun Fellows (12 %) die Philosophinnen und Philosophen sowie die Künstlerinnen und Künstler. Acht Fellows (11 %) entfallen auf die Sprach- und Literaturwissen- schaften und vier Fellows (5 %) kommen aus den Rechtswissenschaften. Je zwei Vertreterinnen und Vertreter (3 %) arbeiten in den Kulturwissenschaften und den Naturwissenschaften. Fachzugehörigkeit der Fellows 2020/2021 2021/2022 Summe in % Lebenswissenschaften 7 9 16 21,6 Geschichte 7 5 12 16,2 Sozialwissenschaft 6 6 12 16,2 Philosophie, Theologie 4 5 9 12,2 Künstler 4 5 9 12,2 Sprach- und Literaturwissenschaft 3 5 8 10,8 Rechtswissenschaft 2 2 4 5,4 Kulturwissenschaft 2 0 2 2,7 Naturwissenschaften 2 0 2 2,7 Summe 37 37 74 100 Über die Fachzugehörigkeit hinaus spielen verschiedene Dimensionen von Diversität wie Alter, Geschlecht und Herkunft eine Rolle. Betrachtet man die Herkunft der Fellows im Sinne der Nationalität bzw. des Geburtslandes, so kamen sie aus insgesamt 29 Ländern: 49 Fellows (66,2 %) stammen aus insgesamt 10 europäischen Ländern, wobei die deutschen Fellows mit einem Anteil letztgenannte vergleichsweise hohe Wert resultiert vor allem aus kurzfristigen Nachein-ladungen bedrohter oder geflüchteter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ukraine und Russland. MONITORING-BERICHT 2022 5
von 21 Personen (28,4 %) die größte Gruppe bilden. Nur vier Fellows kamen aus Nordamerika (5,4 %), sieben (9,5 %) aus dem Nahen Osten inklusive Israel und der Türkei. Etwas weniger (5 Personen - 6,8 %) stammen aus Asien, fünf aus Mittel- und Südamerika (6,8 %) und vier aus Afrika (5,4). Zwei Fellows (2,7 %) kommen aus Australien. Sieben der 49 europäischen Fellows (9,5 %) kommen aus Osteuropa (Polen, Russland, Ungarn). Insgesamt zeichnet sich die Fellow-Kohorte des Berichtsjahres bezüglich der Nationalität der Fellows durch zwei Aspekte aus: den hohen Anteil der europäischen, inklusive der aus Deutschland stammenden Fellows und die große Zahl an Fellows aus nicht westlich geprägten Weltregionen. Betrachtet man demgegenüber die Arbeitsorte, so stieg der Anteil der in Nordamerika Arbeitenden verglichen mit ihrer Herkunft in diesem Jahr um das Fünffache: Gut ein Viertel aller Fellows arbeiten in den USA, während der Anteil der tatsächlich aus den USA stammenden Fellows nur bei 5,4 % liegt. Demgegenüber sinkt der Anteil der Fellows mit Arbeitsorten in nicht westlichen Weltteilen ebenso drastisch. Die Arbeitsorte der Fellows liegen in insgesamt 20 Ländern (gegenüber 29 Ursprungsländern). 21 Fellows stammen aus nicht westlich geprägten Wissenschaftssystemen, aber nur zehn arbeiten in ebensolchen. Der Anteil der in osteuropäischen Ländern arbeitenden Fellows liegt bei nur zwei. Die Betrachtung dieser Details ist für das Wissenschaftskolleg in zweierlei Hinsicht von Belang: Zum einen deuten sie auf Mobilitätsdynamiken innerhalb der globalen Wissenschaftsregionen und lassen Rückschlüsse auf die Attraktivität bestimmter Standorte zu. Vor allem aber sind sie für die Diversitätsstrategie im Zusammenhang mit der Fellowauswahl von Belang, da in Zeiten globaler Mobilität der Arbeitsort der Fellows allein kein ausreichendes Indiz darstellt, um Rückschlüsse auf die wissenschaftliche Sozialisierung einer Kandidatin bzw. eines Kandidaten zu treffen (vgl. Die besten Köpfe 2.4.1, S. 22). Die folgende Übersicht zeigt die leichten Abweichungen zwischen der Herkunft (Ursprungsland) der Fellows und ihren Arbeitsorten für das Berichtsjahr 2021. Herkunft der Fellows Arbeitsort der Fellows Anzahl in % Anzahl in % Deutschland 21 28,4 15 20,3 Europa (ohne D) 26 35,1 25 33,8 Nordamerika 4 5,4 19 25,7 Afrika 4 5,4 3 4,1 Asien 5 7 3 4,1 Südamerika 5 7 3 4,1 Australien 2 2,7 3 4,1 Naher Osten 7 9,5 3 4,1 Summe 74 100 74 100 Sieben der insgesamt 76 Fellows des Berichtsjahres waren als Postdoktorandinnen und -dok- toranden des College for Life Sciences (vgl. 2.1.1, S. 12) zu Gast am Wissenschaftskolleg. 6 MONITORING-BERICHT 2022
Wissenschaftskolleg zu Berlin Entwicklung im Berichtszeitraum Die neuen Wellen der Pandemie Die nach den Grundsätzen der Diversität sehr gelungene Zusammensetzung der Fellowgruppe 2020/2021 hätte sicherlich zu höchst anregenden persönlichen Austauschbeziehungen und unerwarteten Inspirationen geführt, wenn die Möglichkeiten zur Begegnung durch die zweite und dritte Welle der Corona-Pandemie nicht erneut eingeschränkt worden wären. Leider musste der wissenschaftliche Austausch wenige Wochen nach Beginn des akademischen Jahres wieder auf digitale Formate und das Restaurant auf Lieferung und Take-out umgestellt werden. Die Fellows haben diese Ausnahmesituation mit bewundernswerter Contenance und Gelassenheit akzeptiert und versuchten – trotz punktueller Frustrationen –, das Beste aus ihrer Zeit am Kolleg zu machen. Dies äußerte sich etwa in der überaus regen Beteiligung am Kolloquium, zu dem sich wöchentlich ca. fünfzig Fellows und Partner zuschalteten. Auch das monatlich stattfindende interdisziplinäre „Three Cultures Forum“ fand regen Anklang; unter engagierter Mitwirkung der Permanent Fellows wurden hier erneut theoretische und methodische Kernfragen über Disziplinengrenzen hinweg diskutiert, beispielsweise: Was gewinnt, was verliert man durch Wettbewerb? Wie gehen die Wissenschaften mit Ausnahmen um? Wie gehen sie mit der Kategorie race um? Dass die Gruppe trotz der Rahmenbedingungen aufeinander bezogen und aktiv war, zeigte sich darüber hinaus in der Gründung einer Reihe von Diskussionszirkeln, die von den Fellows selber kuratiert wurden und die seit Anfang des Jahres 2021 mit großer Regelmäßigkeit stattfanden. So trafen sich die Philosophen, um gemeinsam Kant zu studieren; auch die Lebenswissenschaftler, Soziologen und Frühneuzeit-Historiker boten jeweils regelmäßige Treffen an, die das Programm für die gesamte Gruppe bereicherten und neue Begegnungsmöglichkeiten schafften. Der Anspruch des Kollegs, Gespräche über Disziplinengrenzen zu ermöglichen, wurde in diesen kleineren Gruppen immer wieder aufgegriffen – so fanden etwa einige der Sitzungen der Life- Science-Gruppe in Kooperation mit der Philosophie-Gruppe statt, und es wurden Themen wie „Specism“ oder „Sexual Selection“ kontrovers diskutiert. Auch im „Different Kind of Book Club“ trafen sich Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, um gemeinsam an Buchprojekten für ein breiteres, nicht akademisches Lesepublikum zu arbeiten. Parallel zum laufenden Fellowjahr liefen die Vorbereitungen für den Fellowjahrgang 2021/2022. Nach einem coronabedingt schwierigen Jahresanfang hat sich mit der Entspannung der allgemeinen Pandemielage im Sommer und Frühherbst auch die Situation am Wissenschafts- kolleg wieder zur Normalität zurückentwickelt und einen fast uneingeschränkten Start des neuen Fellowjahres ermöglicht. Alle eingeladenen Fellows konnten anreisen und dank einer 100%igen Impfquote auch an allen internen Austauschformaten wie dem Kolloquium und dem gemeinsamen Mittagessen sowie an einigen öffentlichen Abendveranstaltungen des Kollegs teilnehmen. Auf die wieder steigenden Inzidenzen im November reagierte das Kolleg mit regelmäßigen Testangeboten auch für Geimpfte und der Einführung einer 2G+-Regelung für alle Veranstaltungen. Bereits im Herbst und Winter 2021 konnten die Fellows die ersten Termine für eine dritte Impfung erhalten. Im Unterschied zu 2020 konnte daher zum Auftakt des neuen akademischen Jahres auch der Berliner Empfang wieder im Präsenzformat stattfinden, bei dem die Fellows einer interessierten Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Als Gastrednerin konnte die international renommierte MONITORING-BERICHT 2022 7
Soziologin und Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny gewonnen werden, die (als eine von damals zwei Frauen) dem ersten Fellowjahrgang des Wissenschaftskollegs 1981/1982 angehörte und einen für Fellows wie Berliner Gäste hochinteressanten Blick auf die Zukunft der Wissenschaften anbot. Mit der Ausbreitung der neuen Omikron-Variante zum Jahreswechsel verständigte sich die Leitung des Kollegs auf zusätzliche Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsrisikos. Neben dem regelmäßigen Testen vor dem Besuch von Veranstaltungen im Kolleg legte sie den Fellows nahe, zunächst ausschließlich wissenschaftliche Gäste zu den gemeinsamen Essen und Kolloquien einzuladen, die in der Regel für mehrere Tage am Kolleg blieben. Auf die Einladung von Tagesgästen hingegen sollte verzichtet werden, um kurzfristige Kontakte zu reduzieren. Auf diese Weise ist es gelungen, den direkten persönlichen Austausch bei den Kolloquien, Arbeits- gruppentreffen, Mittag- und Abendessen bis zum Ende des Jahres aufrechtzuerhalten. Grundsätzlich ließ sich dabei feststellen, dass die vielfach erprobten und zur Routine gewordenen digitalen Formate in der ersten Jahreshälfte den Wert persönlicher Begegnung auch im Kolleg noch einmal besonders deutlich gemacht haben. Personelle und institutionelle Veränderungen Weil das Wissenschaftskolleg eher ein Organismus als eine Organisation ist, wirken personelle Veränderungen stets prägend. Daher bedeutete der Weggang des Sekretars Thorsten Wilhelmy, der sich im März 2021 nach neunjährigem Dienst vom Kolleg verabschiedet hat, eine Zäsur. Das Verfahren zur Einstellung einer Nachfolge wurde zum September 2021 abgeschlossen. Iris Fleßenkämper, zuvor dreizehn Jahre lang Geschäftsführerin des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ an der Universität Münster, hat zum 1. Oktober 2021 das Amt der Sekretarin angetreten. Darüber hinaus wurden 2021 auch die Bibliotheksleitung und die Koordination des College for Life Sciences in neue Hände gelegt. Das Jahr 2021 ist auch von einer Reihe institutioneller Veränderungen geprägt. Eine Wei- chenstellung bedeutet die institutionelle Verselbstständigung des Forums Transregionale Studien. Nach über zehnjähriger Existenz als Projekt des Wissenschaftskollegs hat sich das Forum mit einer dauerhaften Grundfinanzierung des Berliner Senats inzwischen als unabhängige Einrichtung etabliert. Für die weitgehende Entflechtung der beiden Institutionen ist eine Frist bis zum Ende des Jahres 2022 gesetzt. Das Forum soll aber auch danach auf vertraglicher Grundlage weiter in begrenztem Umfang an der Infrastruktur des Wissenschaftskollegs partizipieren. Neue Wege wurden 2021 auch in der Auswahlarbeit beschritten. Dies betrifft zum einen die Formate der Zusammenarbeit mit Permanent Fellows und Beirat. Die Notwendigkeit zur digitalen Kommunikation hat nicht nur negative Auswirkungen gehabt; zu begrüßen ist die Tatsache, dass an den Sitzungen der „Lage“ als erster Auswahlstufe nun nicht nur die Resident, sondern auch die Non-resident Permanent Fellows regelmäßig teilnehmen können. Auch in anderer Hinsicht wurden in der Auswahlarbeit neue Akzente gesetzt, und zwar in drei Bereichen. Erstens haben die Permanent Fellows eine neue Methode zur aktiven Rekrutierung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Afrika angeregt und in einer ersten „Afrika- Lage“ erprobt. Dazu haben nicht nur alle Permanent Fellows, sondern auch zahlreiche ehemalige Fellows und Fachleute aus dem Netzwerk des Kollegs geeignete Personen vorgeschlagen. So enstand eine Liste von 45 zum Teil exzellent ausgewiesenen Kandidatinnen und Kandidaten, aus der für die kommenden Jahre bereits Einladungen generiert wurden. Zweitens wurde für die 8 MONITORING-BERICHT 2022
Wissenschaftskolleg zu Berlin Auswahl der writers in residence eine von der Rektorin geleitete Kommission eingerichtet. Drittens schließlich wurde das Verfahren zur Gewinnung von Schwerpunktgruppen überdacht (s. u. 2.1.): Im Sinne der Empfehlung des Wissenschaftsrats werden wir in Zukunft mithilfe einer Ausschreibung an interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herantreten. Die Ausschreibungen sind auch mit der Hoffnung verbunden, verstärkt Naturwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen zur Bewerbung zu motivieren. 2 Sachstand 2.1 STRATEGISCHE ERSCHLIESSUNG NEUER THEMATISCHER BEREICHE Mit der Einladung von etwa 40 Fellows in jedem akademischen Jahr fördert das Kolleg die Arbeit an Forschungsprojekten aus zahlreichen verschiedenen Fachrichtungen. Über die Fellowauswahl kann das Wissenschaftskolleg nur in begrenztem Maße thematische Bereiche fördern oder Schwerpunkte setzen, trägt aber dafür Sorge, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Disziplinen in einem akademischen Jahrgang vertreten sind. Eine besondere Form der Schwerpunktsetzung bilden die Schwerpunktgruppen – d. h. Gruppen von Fellows, die während eines akademischen Jahres zu einem gemeinsamen Thema am Wissenschaftskolleg arbeiten und dabei regelmäßig kooperieren. Grundgedanke der Förderung von Fokusgruppen ist weiterhin der Wunsch, in ungewöhnlichen disziplinären Konstellationen über originelle und riskante Forschungsfelder nachzudenken. Die Rahmenbedingungen hierfür sind am Wissenschaftskolleg einzigartig, da die Gruppen von einer langen gemeinsamen Präsenzzeit, aber auch von der Einbettung in die disziplinäre Vielfalt der Gesamtgruppe profitieren. In den letzten Jahren gestaltete sich jedoch die Genese von Schwerpunktgruppen zunehmend schwieriger und auch im Berichtsjahr gab es keine Schwerpunktgruppe. Diese Problemdiagnose hat der Beirat zum Anlass genommen, sowohl die Konzeption als auch die Mechanik der Auswahl zu überarbeiten. Dabei wurde auch der Empfehlung des Wissenschaftsrats 2016 Rechnung getragen, die Einwerbung von Schwerpunktgruppen von Vorschlägen ehemaliger Fellows unabhängig zu machen und den Veröffentlichungsmodus auf eine einschlägige internationale, themenoffene Ausschreibung umzustellen. In der neuen Konzeption können weiterhin drei bis fünf Fellows unter einem thematischen Schirm zehn Monate lang zusammenarbeiten, die zusätzlich bis zu drei Kurzzeit-Fellows für bis zu drei Monate einladen und externe Gäste zu Workshops oder anderen Formaten der Zusammenarbeit hinzubitten. Das Themenspektrum für Schwerpunktgruppen ist auch in der Neukonzeption in keiner Weise eingeschränkt; das Programm zielt jedoch auf Vorhaben, die sich der Bearbeitung origineller Fragestellungen widmen, die aus der Sicht der Einzeldisziplinen nicht in den Blick geraten und die eine zehnmonatige Zusammenarbeit in Präsenz erfordern. Die disziplinäre Zusammensetzung der Gruppe soll sich an den inhaltlichen Erfordernissen des Themas orientieren. Um die disziplinäre und kulturelle Vielfalt sowie das multidisziplinäre Gespräch zu fördern, lädt das Kolleg jedoch in der Neukonzeption insbesondere Interessierte aus den Natur- und Technikwissenschaften zur Bewerbung ein und begrüßt Gruppen mit Beteiligten aus unterschiedlichen Wissenschaftskulturen. Die Anforderungen an Heterogenität wurden in MONITORING-BERICHT 2022 9
Übereinstimmung mit den übergreifenden Zielen ebenfalls deutlicher herausgearbeitet, die Gruppenmitglieder müssen nun von unterschiedlichen Institutionen kommen und sollen in Bezug auf Herkunft, Geschlecht und Alter divers sein. Die Ausschreibung im Juli 2021 erfolgte über die Website, einen speziellen E-Mail-Verteiler und Twitter. Die geringe Zahl eingegangener Bewerbungen hat allerdings gezeigt, dass das Ausschreibungsverfahren noch verbessert werden muss. Als Verbesserungsmöglichkeiten sind die Nutzung (a) fachspezifischer Foren in den besonders gesuchten Disziplinen und (b) sozialer Netzwerke mit guter Abdeckung der Wissenschaft (ResearchGate, Academia, LinkedIn) sowie (c) die gezielte Ergänzung des internen Verteilers im Gespräch. Mit dem regulären Instrument der Fellowauswahl sind Schwerpunktsetzungen hingegen nicht möglich und werden aus Diversitätsgründen auch nicht angestrebt. Innerhalb eines Jahrgangs aber können Seminare und Workshops als Möglichkeiten zur Vertiefung einzelner thematischer Bereiche oder besonders interessanter Forschungsprojekte genutzt werden, wobei dies im Berichtsjahr im zweiten Jahr in Folge aufgrund der Pandemie nur in begrenztem Maße möglich war. 2.1.1 Einführung neuer und Fortführung bestehender strategischer Instrumente Yehudit-und-Yehuda-Elkana-Fellowship-Programm zur Förderung des freien wissenschaft- lichen Austauschs aus Mitteln der VolkswagenStiftung sowie der Marga und Kurt Möllgaard- Stiftung Die Bedingungen für die freie Zirkulation von Wissen und für den ungehinderten Austausch wissenschaftlicher Thesen haben sich in den letzten Jahren weltweit verschlechtert. Die Polari- sierung und Verhärtung öffentlicher Debatten nimmt zu und Interventionen von gesellschaft- lichen und politischen Kräften in Forschung und Lehre werden häufiger – bis hin zur Verfolgung, Vertreibung und Freiheitsberaubung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Damit verengen sich Räume für wissenschaftliche Kontroversen, die unerlässliche Voraussetzung für die akademische Arbeit sind. Die Yehudit-und-Yehuda-Elkana-Fellowship bietet Wissenschaftler- innen und Wissenschaftlern, die sich um den freien Austausch von Wissen und Thesen sowie um offene Räume für akademische Kontroversen verdient gemacht haben, eine Einladung von drei bis sechs Monaten ans The New Institute in Hamburg oder das Wissenschaftskolleg zu Berlin. Die Fellowship ist mit einer Förderung von Projekten zum Erhalt des freien wissenschaftlichen Austauschs in Höhe von 50.000 € verbunden. Das Programm wird von der VolkswagenStiftung sowie der Marga und Kurt Möllgaard-Stiftung gefördert. Es kooperiert mit der Einstein Stiftung Berlin. Bewerbungen für die Yehudit-und-Yehuda-Elkana-Fellowships sind nicht möglich; die Förderentscheidung wird ausschließlich aufgrund von Nominierungen getroffen. Das Auswahlgremium unter der Leitung der Rektorin des Wissenschaftskollegs, dem neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Intellektuellen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auch Vertreterinnen und Vertreter der einladenden Institutes for Advanced Study angehören, tagt einmal im Jahr und wählt aus den eingegangenen Vorschlägen die Geförderten für beide Standorte aus. Die Abwägung darüber, an welches der beiden IAS der oder die Geför- derte eingeladen wird, orientiert sich an dem Ziel, den wissenschaftlich jeweils am besten passen- den Kontext für die Fellows zu finden. Das elfköpfige Auswahlgremium arbeitet mit einem Kreis 10 MONITORING-BERICHT 2022
Wissenschaftskolleg zu Berlin von gegenwärtig neun Beraterinnen und Beratern mit Regionalkompetenz zusammen (Berater- kreis), welche über geeignete Kandidatinnen und Kandidaten informieren, eingegangene Kandi- daturen evaluieren und vorschlagsberechtigt sind. Nach einer Sondierungsphase, die bereits im Jahr 2020 begonnen hatte, wurde im Frühjahr des Berichtsjahres mit der Sammlung von Vorschlägen begonnen. Die erste Auswahlsitzung fand im Oktober 2021 statt. Die nunmehr ausgewählten ersten Fellows werden ihre Fellowships zu Beginn des akademischen Jahres 2022/2023, also im September 2022, antreten, sowohl am Wissen- schaftskolleg als auch am The New Institute in Hamburg. Zunächst ist eine dreijährige Pilotphase geplant, in der vier Fellows je Jahrgang (jeweils zwei am Wissenschaftskolleg und am The New Institute) arbeiten werden. Die beiden am Kolleg angesiedelten Elkana-Fellows nehmen an allen regulären Veranstaltungen und an den gemeinsamen Essen teil. Aufgrund ihres Erfahrungshorizonts und ihres mutigen Engagements für die Wissenschaftsfreiheit in ihren Heimatländern geht das Kolleg davon aus, dass sie äußerst anregende Gesprächspartner sein und das intellektuelle Profil der Fellowgruppe um eine wichtige wissenschaftspolitische Komponente ergänzen werden. Gegen Ende der Pilotphase werden die beteiligten Einrichtungen auf der Grundlage der in diesen drei Jahren gemachten Erfahrungen die Entscheidung über die mittel- bis langfristige Fortsetzung und Finanzierung des Programms treffen. Working Futures Unter der Leitung von Permanent Fellow Bénédicte Zimmermann und in Kooperation mit Professorin Lisa Herzog von der Universität Groningen und Professor Andreas Eckert von der Humboldt-Universität zu Berlin widmet sich das Netzwerk Working Futures einem interkul- turellen und interdisziplinären Austausch über die Zukunft der Arbeit. Die 29 internationalen Netzwerkmitglieder unterschiedlicher fachlicher Provenienz, darunter Vertreterinnen und Vertreter aus der Soziologie, Geschichtswissenschaft, Philosophie, Psychologie, Ökonomie, Anthropologie, Politikwissenschaft sowie den Management- und Rechtswissenschaften, diskutieren im Rahmen des Netzwerks aktuelle Wandlungsdynamiken in der Arbeitswelt, die mit den Prozessen der Digitalisierung, Finanzialisierung, Ökologisierung und Demokratisierung einhergehen. Zugleich widmet sich das Projekt den epistemologischen Herausforderungen an die Geschichts- und Sozialwissenschaften, die mit diesen Transformationsprozessen verbunden sind. Das Netzwerk setzte seine Arbeit im Jahr 2021 trotz der pandemiebedingten Einschränkungen des globalen Forschungsbetriebs mit zahlreichen Aktivitäten fort. Einen ersten Arbeits- schwerpunkt bildete die Weiterführung des gemeinsamen Forschungsprojekts zum Thema „Shifting categories. Unsettling the way we think about work“. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher setzen sich im Rahmen des Projekts mit der Frage auseinander, wie Kategorien von Arbeit (z. B. „domestic work“, „platform work“ oder „informal work“) gebildet werden und wie sie sich im Laufe der Zeit verändern. Im Rahmen von insgesamt drei Online-Workshops, von denen einer bereits im Herbst 2020 und zwei weitere im Frühjahr 2021 (25.–26. Februar und 26. März) stattfanden, diskutierten die Forscherinnen und Forscher ihre Arbeitsergebnisse. Das Projekt mündet in die Publikation eines Sammelbandes unter dem Titel Shifting Categories of Work: Unsettling the Ways We Think about Jobs, Labor, and Activities, der 2022 bei Routledge erscheinen wird. Den zweiten Arbeitsschwerpunkt stellte im Jahr 2021 die Organisation und Durchführung einer Summer Academy zum Thema „Sustainable Work“ in Kooperation mit re:work und dem Centre MONITORING-BERICHT 2022 11
Marc Bloch Berlin dar. Sie fand vom 26. bis 29. Mai 2021 pandemiebedingt als Online- Veranstaltung statt und versammelte zehn internationale Doktorandinnen und Doktoranden bzw. Postdocs entlang der vier thematischen Achsen „Sustainable Work and Ecology“, „Sustainable Work and Democracy“, „Sustainable Work and Social Welfare“ sowie „Sustainable Work and Economic Development“. Das dritte Arbeitsfeld des Netzwerks bildete die Veranstaltungsreihe „Past Futures of Work“. Sie widmet sich in theoretischer wie empirischer Perspektive der Frage, wie die Zukunft von Arbeit in der Vergangenheit gedacht wurde und analysiert, welche Wirkungen diese „past futures of work“ in der Gegenwart haben. Ein erster Workshop dieser Reihe fand am 28. und 29. Oktober 2021 als hybride Veranstaltung online und am Wissenschaftskolleg statt und bot Raum für insgesamt fünf Vorträge renommierter internationaler Forscherinnen und Forscher. Eine internationale Konferenz zum Thema fand im Mai 2022 statt. Den vierten Arbeitsbereich stellt schließlich die Fortsetzung einer im Jahr 2019 initiierten Interviewreihe mit Fellows des Wissenschaftskollegs zum Thema „Zukunft der Arbeit“ dar. Die Interviews dienen einer verstärkten Rückbindung des Netzwerks an die Strukturen des Wissenschaftskollegs. Im Jahr 2021 erschienen auf der Webseite des Netzwerks Interviews mit drei Fellows des Jahrgang 2020/2021: Sophie Bernard, Ève Chiapello und Michel Lallement. Ein 2020 geführtes Interview mit der Philosophin Elena Esposito (Fellow 2019/2020) erschien im Juli 2021 in der Ausgabe 16/3 der Zeitschrift Constructivist Foundations. Die Arbeit des Forschungsnetzwerks „Working Futures“ wird kontinuierlich auf der Webseite des Netzwerks auf der Internetpräsenz des Wissenschaftskollegs dokumentiert (https://www.wiko-berlin.de/institution/initiativen-kooperationen/working-futures). College for Life Sciences Seit 2012 fördert das College for Life Sciences (CfLS) junge Lebenswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die sich in der Postdoc-Phase befinden oder als Junior-Gruppenleiterinnen bzw. -leiter arbeiten. Im akademischen Jahr 2021/2022 traten vier der sechs ausgewählten Fellows ihren Aufenthalt zu Beginn des akademischen Jahres an, einer zum Jahresbeginn 2022. Besondere Umstände führten dazu, dass für einen der ausgewählten Kandidaten des Jahres 2022/2023 ein Aufenthalt nur vorgezogen im akademischen Jahr 2021/2022 möglich war. Da ein Biologe, der für den Jahresbeginn 2022 vorgesehen war, kurzfristig absagen musste, konnte dieser Umstand durch den vorgezogenen Aufenthalt ausgeglichen werden. Die maximale Dauer der Fellowships von sechs Monaten wurde von der Hälfte der CfLS-Fellows ausgeschöpft. Vier der sechs Arbeitsprojekte wurden im Jahr 2021, zwei im Kalenderjahr 2022 im Rahmen von Einzelkolloquien dem gesamten Fellowjahrgang vorgestellt. Die Interaktion zwischen der Gesamtgruppe und den CfLS-Fellows wurde von beiden Seiten als überaus positiv beschrieben und ging weit über fachspezifische wöchentliche Treffen und Diskussionen hinaus. Die Leitung einer eigenen Arbeitsgruppe, der Umgang mit Konflikten bei der Entscheidung über Autorenschaft von Publikationen, die Konzeption eigener Lehrveranstaltungen, Bewerbungsverfahren für Universitätsprofessuren und die Beantragung von Fördermitteln sind nur einige der konkreten Themen, die für die CfLS-Fellows von großer Bedeutung sind und häufig gemeinsam diskutiert werden konnten. Die gute Vernetzung der CfLS-Fellows mit der Berliner und Potsdamer Forschungs-Community resultierte in zahlreichen Treffen (z. B. mit den Juniorgruppenleitungen am MPI für Infektionsbiologie) und Einladungen für öffentliche 12 MONITORING-BERICHT 2022
Wissenschaftskolleg zu Berlin Vorträge (z. B. Elisa Domínguez-Hüttinger am Bernstein Center for Computational Neuroscience Berlin, an der TU und HU Berlin; Szabolcs Horvát am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung und an der FU Berlin). Rachel Wheatley konnte gemeinsam mit Prof. Markus Ralser an der Charité Berlin innerhalb der Oxford–Berlin Research Partnership Forschungsmittel für die gemeinsame Betreuung von Dissertationsprojekten einwerben. Gregory Albery wird im Anschluss an seinen Aufenthalt am Wissenschaftskolleg als Gastwissenschaftler bei Prof. Jeschke am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei und an der FU Berlin weiterhin in Berlin forschen können. Kulbhushansingh Suryawanshi hielt u. a. einen Vortrag am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung. Sein als sehr gelungen bewertetes Abendkolloquium am 16.12.2021 und eine gemeinsame Veröffentlichung mit dem Autor Eduardo Halfon und dem Fotografen Guy Tillim in der New York Review of Books zeugen von den erfolgreichen Kooperationen der CfLS-Fellows mit der Gesamtgruppe auch über fachspezifische Themen hinaus. Fellow Forum und Observatorium Das Fellow Forum ist ein Workshopformat, das es ehemaligen Fellows erlaubt, mit dem Wissenschaftskolleg in Kontakt zu bleiben, dort begonnene Gesprächsfäden fortzuspinnen und Brücken zwischen den Jahrgängen zu schlagen. Frühere Fellows können sich für eine entspre- chende Förderung beim Wissenschaftskolleg bewerben. Wegen der Pandemie konnten im Jahr 2021 keine Workshops des Fellow Forums stattfinden; die Serie wird jedoch im Jahr 2022 unter hoffentlich günstigeren Bedingungen wieder aufgenommen. Darüber hinaus wurde seit 2019 über eine Neuausrichtung des Fellow Forums diskutiert. Der Anlass für diese Überlegungen war die Beobachtung, dass die Resonanz der ehemaligen Fellows auf die Möglichkeiten, die das Fellow Forum geboten hatte, in den vergangenen Jahren abnahm. Deswegen wurde die Idee entwickelt, dieses eingeführte Veranstaltungsformat der Ehemaligenarbeit zu einer neuen Form – dem „Observatorium“ – weiterzuentwickeln, das Raum für Inkubationsprozesse schaffen und gleichzeitig über das Kolleg hinaus in das Wissenschaftssystem wirken soll. So kann ein regelmäßig in immer neuen Konstellationen tagendes Forum entstehen, das es erlaubt, aus einer gewissen Höhe auf etablierte Fächer, Felder und Disziplinen zu blicken und diese neu und besser zu verstehen. Ziel ist es insbesondere, Defizite und „blinde Flecken“ von Disziplinen zu identifizieren, kritischen Impulsen und Herausforderungen nachzugehen und aufmerksam auf neue Ideen und Ansätze, auf gerade entstehende Wissenschaftsfelder und wenig erschlossene Wissenschaftsregionen der Welt zu blicken. Von Interesse wären insbesondere Disziplinen, die am Scheideweg stehen oder sich in einer Sackgasse befinden; Ziel könnte es darüber hinaus auch sein, vielversprechende Begegnungen zwischen Disziplinen zu ermöglichen, die bislang nicht miteinander im Austausch standen. Das „Observatorium“ soll zwei Komponenten miteinander verbinden: einerseits sollen (fach-)interne Debatten in der Art eines Workshops stattfinden, andererseits ist ein öffentlicher Teil für ein breites akademisches Publikum geplant. Eine erste Ausgabe des neuen Formats fand am 10.–11. November 2021 statt. Kuratiert von Permanent Fellow Franco Moretti, brachte die Veranstaltung hochrangige Vertreter der Literaturwissenschaft zusammen, um über das Thema „Vom Nutzen und Nachteil der Literaturwissenschaft für das Leben“ zu diskutieren. Im Mittelpunkt stand dabei die wachsende Distanz zwischen der Freude am Lesen, die als die raison d´être der Literatur angesehen werden kann, und literaturwissenschaftlicher Praxis, die das Lesevergnügen entweder ignoriert oder in esoterischer Weise reformuliert. Auf der Grundlage der Erfahrungen dieses Treffens wird für das kommende akademische Jahr von Barbara MONITORING-BERICHT 2022 13
Stollberg-Rilinger und Luca Giuliani ein Observatorium über die Bedeutung des Glaubens für die verschiedenen Theologien vorbereitet. Zukunftsfakultät Das Wissenschaftskolleg unterstützt auch weiterhin die Zukunftsfakultät als Teil des ehemaligen, inzwischen an die Humboldt-Universität umgezogenen Forschungsprogramms Recht im Kontext. Pandemiebedingt konnte sich die Gruppe im Jahr 2021 aber nur virtuell treffen. 2.1.2 Inhaltliche Schwerpunktsetzungen Workshops der Fellows Für die Fellows sind die Workshops eine Möglichkeit, ihre Forschung am Wissenschaftskolleg punktuell stärker in einem spezifischen fachlichen Kontext zu reflektieren, als dies innerhalb der disziplinär breit gefächerten Fellowgruppe möglich ist. Faktisch geht damit eine Schwerpunkt- setzung für das jeweilige Workshopthema und das Arbeitsprojekt des ausrichtenden Fellows einher. Workshops sind Gelegenheiten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von außen kurzzeitig ins Kolleg zu holen. So stellen diese Veranstaltungen auch eine Öffnung dar, die das Kolleg nach außen sichtbarer macht und die gleichermaßen dem Kolleg neue Wissenschaftler- persönlichkeiten von außen nahebringt. Außerdem bieten die Workshops Gelegenheit, neu entstandene Fragen, Themen oder Herangehensweisen in einer größeren Gruppe einschlägig arbeitender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu diskutieren und zu erproben. Aufgrund der Einschränkungen für Reisen und persönliche Zusammenkünfte konnten Work- shops und Seminare im zweiten Jahr in Folge nur in beschränktem Maße stattfinden. Einige Veranstaltungen wurden digital oder hybrid abgehalten. Insgesamt fanden, inklusive des bereits erwähnten Workshops des Fellow Forums, sieben Workshops und Seminare statt, einer davon digital. Das ist etwas weniger als die Hälfte der Workshops des Vorjahres, wobei unzählige kleinere Zusammenkünfte und Treffen von Fellows mit wissenschaftlichen Gästen oder Kolleginnen und Kollegen aus Berlin nicht mitgezählt sind. Es muss nicht betont werden, dass dies letztlich für die Fellows einen substanziellen Verlust im Bereich einer wichtigen Arbeitsform am Kolleg darstellt, den auch digitale Formate nicht wirklich kompensieren können. Folgende Workshops fanden statt: Workshops aus Mitteln der Otto und Martha Fischbeck-Stiftung mit Zuschüssen des Wissenschaftskollegs − 29.–30.04. Nadine Amsler, Nadir Weber: In den Zimmern der Macht: Körper und Kontaktchancen am frühneuzeitlichen Hof (online am Wissenschaftskolleg) − 23.–24.09. Michael Cant: War and peace since life began: toward a unified evolutionary theory of intergroup relationships Von den Fellows selbst finanzierte Workshops − 30.–31.08. Lars Behrisch: The Future of Liberal Democracy in Europe 14 MONITORING-BERICHT 2022
Wissenschaftskolleg zu Berlin Workshops aus Veranstaltungsmitteln des Wissenschaftskollegs im Zusammenhang mit dem Forschungsnetzwerk Working Futures (vgl. 2.1.1, S. 12) − 26.–26.02. Bénédicte Zimmermann, Lisa Herzog: Shifting categories. Unsettling the way we think about work II − 26.03. Bénédicte Zimmermann, Lisa Herzog: Shifting categories. Unsettling the way we think about work III − 28.–29.10. Andreas Eckert, Lisa Herzog, Bénédicte Zimmermann: Past Futures of Work I Workshop Rahmen der Formate des Fellow Forums − 11.11. Franco Moretti und andere: Vom Nutzen und Nachteil der Literaturwissenschaft für das Leben. Workshop im Rahmen des Observatoriums (vgl. 2.1.1, S. 13). Wissenschaftsfreiheit Das Thema Wissenschaftsfreiheit hat im Berichtszeitraum zu einigen neuen Veranstaltungen und Kooperationen geführt. Im Oktober fand am Kolleg ein öffentliches Diskussionspanel zum Thema „Ist die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland bedroht, und wenn ja, von wem?“ unter der Beteiligung von Peter Strohschneider, Paula-Irene Villa Braslavsky, Maria Sibylla Lotter und Oliver Lepsius als Präsenzveranstaltung statt. Außerdem wurden erstmals die Kandidatinnen und Kandidaten für die neu eingerichteten Yehudit-und-Yehuda-Elkana-Fellowships zur Förderung der Wissenschaftsfreiheit ausgewählt. Die Fellowships werden in Kooperation mit der VolkswagenStiftung und dem The New Institute in Hamburg vergeben (s.o. 2.1.1.). Vier Fellows – zwei pro beteiligtes IAS – wurden eingeladen. Geplant ist in diesem thematischen Zusammenhang zudem ein größerer Workshop mit dem Titel „Academic Freedom Revisited“, der im Frühjahr 2022 in Kooperation mit dem The New Institute und der BBAW organisiert wird. 2.2 UMSETZUNG DES KOLLEGGEDANKENS Die Begegnung und die Diskussion der Fellows untereinander bilden den Kern des Kolleg- gedankens. Im Zentrum der vertieften Begegnung standen dabei weiterhin vor allem zwei Formate des Austauschs: die Dienstags- und Donnerstagskolloquien sowie die täglichen Mittag- bzw. Abendessen. Im Kalenderjahr 2021 fanden 37 Dienstagskolloquien und sechs zusätzliche, vergleichbare Kolloquien an anderen Wochentagen statt. Auf die vielfältigen informellen Formate des Austausches innerhalb der Fellowgruppe ist bereits eingangs hingewiesen worden. Demgegenüber waren die Kontaktmöglichkeiten mit wissenschaftlichen Gästen von außen erneut eher eingeschränkt. Im Berichtsjahr konnten nur acht Fellows das Instrument „Gäste der Fellows“ nutzen und elf Gäste einladen (insgesamt 38 Übernachtungen). Verglichen mit dem Jahr 2019 sank die Anzahl der Gäste der Fellows als Resultat der Pandemie um mehr als 75 %. MONITORING-BERICHT 2022 15
TCF – Das Three Cultures Forum (2020/2021 und 2021/2022) Das im Herbst 2019 begonnene interdisziplinäre Diskussionsformat Three Cultures Forum wurde im Jahr 2021 mit großem Engagement fortgesetzt. Fast schien es, als hätte die pandemische Situation zu einem noch stärkeren inneren Bezug der Jahrgänge geführt. Trotz des zwangsweise digitalen Formats erfreute sich das Forum großer Beliebtheit unter den Fellows. Hier ein Überblick über das Programm des vergangenen Jahres: − 14.01.2021: Is Religion an Evolutionary Adaptation or a Spandrel? − 24.02.2021: Genre, Species, (Ideal)type: On Categorization and the Challenge of Change − 18.03.2021: Turning a Blind Eye? On Exceptions, Anomalies and Outliers − 21.04.2021: Systematizing “Race”: Practices and Theories in an Emerging Modern World − 12.05.2021: “Race” as a Category of Analysis? Debates in Human, Social, and Natural Sciences − 18.11.2021: Living With Diversities − 9.12.2021: Fourty-Two: On the Difficult Art of Formulating Meaningful Answers Dass die Gruppe trotz der pandemischen Rahmenbedingungen gut vernetzt und aktiv war, zeigt sich darüber hinaus in der Gründung von Gesprächskreisen, die von den Fellows selbst kuratiert wurden und im gesamten Jahresverlauf mit großer Regelmäßigkeit stattfanden. Im laufenden Fellowjahr 2021/2022 gibt es beispielsweise zwei Lesegruppen, die sich den Werken von Henry James bzw. Victor Klemperer widmen; auch die Frühneuzeit-Historiker treffen sich regelmäßig zu fachlichem Austausch über laufende Projekte. Ehemaligenarbeit Auch die Einbeziehung der ehemaligen Fellows in die laufende Arbeit des Kollegs und der Kontakt zwischen aktuellen und früheren Fellows gehören zur Umsetzung des Kolleggedankens. Die Einschränkungen durch die Pandemie führten auch in diesem Jahr dazu, dass die traditionellen Alumni-Veranstaltungen des Wissenschaftskollegs, der Berliner Abend (die traditionelle Zusammenkunft der in Berlin ansässigen früheren Fellows mit dem neuen Jahrgang) und das Treffen der ehemaligen Fellows im Fellowclub, nicht abgehalten werden konnten. Lediglich die Mitgliederversammlung des Fellowclubs wurde wegen der anstehenden Vorstandswahlen als digitale Veranstaltung durchgeführt. Das eigentliche Herzstück der Alumniarbeit, der wissenschaftliche Austausch zwischen aktuellen und früheren Fellows über die Jahrgangsgrenzen hinweg, musste einmal mehr verschoben werden. 2.3 VERNETZUNG IM NATIONALEN WISSENSCHAFTSSYSTEM 2.3.1 Die Fellows Im Normalfall nutzen die Fellows während ihres Aufenthaltes am Wissenschaftskolleg die vielfältigen Möglichkeiten, mit Kolleginnen und Kollegen im Berliner Raum und darüber hinaus zusammenzutreffen und zu kooperieren. Diese direkte Zusammenarbeit der Fellows mit hiesigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stellt ein wesentliches Element der Vernetzung des 16 MONITORING-BERICHT 2022
Wissenschaftskolleg zu Berlin Kollegs mit dem nationalen Wissenschaftssystem dar, konnte aber aufgrund der Einschrän- kungen im Berichtsjahr nur in wesentlich geringerem Umfang stattfinden. Gleichzeitig wurden im Berichtsjahr viele Vorträge und andere Veranstaltungsformate ganz oder teilweise in den digitalen Raum verlegt, sodass die mit der Bindung an einen konkreten Ort einhergehende Einschränkung der Hörerschaft wegfiel und die Veranstaltungen im digitalen Raum prinzipiell überall und potenziell von einem wesentlich größeren Publikum rezipiert werden konnten. Diese Öffnung in den digitalen Raum kann also zumindest partiell auch als ein Gewinn angesehen werden, auch wenn das Wissenschaftskolleg am Prinzip des Austausches in direkter Begegnung vor Ort auch für die Zukunft festhält. 2.3.2 Das Kolleg als Institution Das Wissenschaftskolleg unterhält auf nationaler wie internationaler Ebene eine Reihe von Kooperationen, ist Mitglied in internationalen Netzwerken und durch die Rektorin, die Perma- nent Fellows und die Sekretarin auch institutionell in Gremien anderer Institute eingebunden. Im Folgenden sollen die institutionellen Kooperationen auf nationaler Ebene beschrieben werden, die nicht an anderer Stelle dieses Berichts Erwähnung finden. Freilich waren auch die Koopera- tionsaktivitäten im Jahr 2021 nur in beschränktem Maß und in eingeschränkter Form möglich. Zeitschrift für Ideengeschichte Im Juni 2020 siedelte die Homepage der Zeitschrift für Ideengeschichte (www.z-i-g.de) auf die Webseite des Wissenschaftskollegs über. Die grafisch aufgeräumte und im Stil des Wissenschafts- kollegs neu in Szene gesetzte ZIG-Seite (mit dem digitalen Archiv der vergangenen Ausgaben) wird vom IT-Team des Kollegs gepflegt. Zu jeder neuen Ausgabe finden sich dort flankierend Videoclips, in denen der jeweilige Schwerpunkt im Gespräch mit Autorinnen und Autoren der Zeitschrift vorgestellt und um weitere Facetten ergänzt wird. Viele der Gesprächspartnerinnen und -partner sind Mitglieder des Fellowjahrgangs oder stehen als ehemalige Fellows in freundschaftlicher Verbindung mit dem Kolleg. Die jährliche große Redaktionssitzung der Zeitschrift wurde am 21. Juni 2021 in einem digitalen Hybrid-Format abgehalten. Auch hier durfte die ZIG auf die logistische Unterstützung des Wissenschaftskollegs zählen. Wie bisher erschien die Zeitschrift für Ideengeschichte vierteljährlich bei C.H.Beck. In der Frühjahrsausgabe („Kolonialwaren“, XV/1) wurde im Schwerpunkt die in den postcolonial studies vieldiskutierte Problematik der Provenienz warenökonomisch ausgeleuchtet. In der Sommerausgabe („Jenseits von Straßburg“, XV/2) wurde an einem europäischen Grenzort vor dem ideenpolitischen Horizont des Zweiten Weltkrieges über „Entgrenzung“ nachgedacht. Die Herbstausgabe war in der Nachfolge der Personenhefte der Zeitschrift einer intellektuellen Institution der Bundesrepublik gewidmet („H wie Habermas“, XV/3), im Winter („Falschmünzer“, XV/4) wurde in der Zeitschrift Blütenlese betrieben und der neuesten akademischen Phraseologie im Zeitalter der Fake News nachgespürt. Ihren Ruf als Publikumszeitschrift konnte die ZIG 2021 weiter untermauern. Besonders große Resonanz zog die Ausgabe XV/3, „H wie Habermas“ auf sich. Hier verzeichnete die Zeitschrift lange, teilweise ganzseitige Würdigungen und Besprechungen in den großen überregionalen Tageszeitungen (ZEIT, SZ, FAS, TAZ etc.), auch im Radio gab es zu dieser Ausgabe Features und längere Gespräche (dradio, DLF). MONITORING-BERICHT 2022 17
Insgesamt wurden im Berichtsjahr 15 Beiträge von Fellows und ehemaligen Fellows in den vier Ausgaben der Zeitschrift für Ideengeschichte veröffentlicht. Damit bleibt die Zahl der mit dem Kolleg assoziierten Autorinnen und Autoren kontinuierlich hoch (vgl. 14 Beiträge im Berichtsjahr 2020). Stellvertretend für die enge Verzahnung steht das „Wörterbuch der weitschweifigen Begriffe“ (Heft XV/4), konzipiert vom Wissenschaftlichen Koordinator des Kollegs und ZIG- Redakteur Daniel Schönpflug. Sieben der acht fein ironischen Miniaturen zur semantischen Karriere von akademischen Leuchtvokabeln wie „Ambivalenz“, „Diskurs“, „Digitalisierung“, „Komplexität“ wurden von Fellows des Kollegs verfasst. Das nächste Redaktionstreffen am Wissenschaftskolleg und die Verabschiedung neuer Themen ist für Ende Juni 2022 terminiert – nach zwei Jahren zum ersten Mal wieder im alten Modus der Präsenz. Sommergäste am Wissenschaftskolleg Die Kooperation mit der Jungen Akademie und dem Jungen Kolleg der Akademie der Wissenschaften NRW im Rahmen des Sommergast-Programms am Wissenschaftskolleg wurde nach einer fünfjährigen Laufzeit ausgesetzt. In den vergangenen Jahren bewarben sich, vermutlich bedingt durch die Corona-Pandemie, weniger junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Gleichzeitig war mit dem Programm immer auch eine gewisse logistische Herausforderung verbunden, da alle notwendigen Renovierungsmaßnahmen an den Gebäuden des Wissenschaftskollegs in der Sommerpause stattfinden müssen. Forum Transregionale Studien Die Verbindung zum Forum Transregionale Studien und der Austausch mit seinen Forschungs- programmen, Initiativen und seinen Fellows besteht weiter. Seit dem 1. Januar 2021 wird das Forum Transregionale Studien institutionell durch das Land Berlin gefördert und hat die volle Eigenverantwortung für alle seine institutionellen und administrativen Belange übernommen. Im Jahr 2021 kooperierte das Wissenschaftskolleg mit dem Forum hinsichtlich eines vergrößerten Angebots zum gegenseitigen Austausch der jeweiligen Fellows, außerdem bei der transregionalen Wissenschaftskommunikation und im Bereich des administrativen und wissenschaftlichen Austauschs. Im Rahmen seiner Forschungsprogramme „Europe in the Middle East – The Middle East in Europe“ (EUME), „Prisma Ukraina: Research Network Eastern Europe“ und „re:constitution: Exchange and Analysis on Democracy and the Rule of Law in Europe“ beruft das Forum Postdocs aus verschiedenen Weltregionen als Fellows, die in der Regel für die Dauer eines akademischen Jahres an ihren selbstgewählten Projekten arbeiten und sich in gemeinsamen Seminaren und Workshops oder Konferenzen austauschen. Aus der Anwesenheit der Fellows des Forums und seinen Veranstaltungen haben sich auch im Jahr 2021 viele Gelegenheiten für Fellows des Wissenschaftskollegs ergeben, Kontakte zu knüpfen und an Veranstaltungen teilzunehmen; umgekehrt hat die Arbeit des Forums durch die Einbeziehung von Fellows des Wissen- schaftskollegs gewonnen. Im Jahr 2021 wurde die Kooperation des Wissenschaftskollegs auch im Bereich der Wissenschafts- kommunikation fortgesetzt. Zum Thema „Academic Freedom“ wurde eine Reihe auf dem TRAFO-Blog des Forums eingerichtet, die von ehemaligen und derzeitigen Fellows kuratiert und 18 MONITORING-BERICHT 2022
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