WOHNUNGS-BEDARFS- PROGNOSE - Erfurt.de
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IM AUFTRAG DER STADT ERFURT AMT FÜR STADTENTWICKLUNG UND STADTPLANUNG BEARBEITUNG: Beatrice Diez Tobias Jacobs Karl-Liebknecht-Str. 141, 04275 Leipzig Tel: 0341/92610550 E-Mail: info@timourou.de www.timourou.de
INHALT EINLEITUNG ______________________________________________________________________________ 2 1 BEVÖLKERUNGSPROGNOSE DER STADT ERFURT ___________________________________ 4 2 HAUSHALTSPROGNOSE DER STADT ERFURT _______________________________________ 8 3 WOHNUNGSBEDARFSPROGNOSE DER STADT ERFURT ___________________________ 11 3.1 WIE VIELE WOHNUNGEN WERDEN ZUKÜNFTIG BENÖTIGT? _______________________________ 12 3.2 WOHNUNGEN IN EIN- UND ZWEIFAMILIENHÄUSERN ______________________________________ 13 3.2.1 BISHERIGE ENTWICKLUNGEN ______________________________________________________________ 13 3.2.2 WIE VIELE WOHNUNGEN IN EIN- UND ZWEIFAMILIENHÄUSERN WERDEN NACHGEFRAGT? 17 3.2.3 WELCHE WOHNUNGEN IN EIN- UND ZWEIFAMILIENHÄUSERN WERDEN NACHGEFRAGT? 18 3.3 GESCHOSSWOHNUNGEN __________________________________________________________________ 19 3.3.1 WIE VIELE GESCHOSSWOHNUNGEN WERDEN NACHGEFRAGT? ___________________________ 19 3.3.2 WELCHE GESCHOSSWOHNUNGEN WERDEN NACHGEFRAGT? ____________________________ 20 3.4 EIN VERGLEICH MIT DEM ISEK ERFURT 2030 _______________________________________________ 23 3.5 EXKURS: AUSWIRKUNGEN DER ERWEITERUNG DES ERFURTER KREUZES __________________ 27 4 WOHNBAUFLÄCHENBILANZ _______________________________________________________ 31 4.1 NEUBAUPOTENZIALE IN ERFURT ___________________________________________________________ 31 4.2 QUANTITATIVE BILANZ INSGESAMT ________________________________________________________ 32 4.3 QUALITATIVE BILANZ INSGESAMT __________________________________________________________ 33 4.4 QUALITATIVE BILANZ NACH TEILMÄRKTEN _________________________________________________ 34 4.5 QUALITATIVE NACHFRAGE NACH ZEITRÄUMEN ____________________________________________ 35 5 STRATEGISCHE ANSÄTZE DER WOHNBAUFLÄCHENENTWICKLUNG ______________ 38 ANHANG _______________________________________________________________________________ 41 -1-
Einleitung EINLEITUNG Erfurt als das Zentrum von Thüringen ist ein at- Haushaltsverkleinerungsprozess, der zu einer Zu- traktiver Wohnstandort, stellt zahlreichen Men- nahme der Nachfrage auch bei gleichbleibender schen vielfältige Arbeitsplätze zur Verfügung, bie- Einwohnerzahl führt, berücksichtigt werden. Wei- tet verschiedenen Nachfragergruppen unter- terhin gilt es wohnungspolitische Ziele zu diskutie- schiedliche Angebote zur Bildung, gesundheitli- ren, zum Beispiel in welchem Umfang der nach chen Versorgung, Freizeitgestaltung etc. Über wie vor angespannte Wohnungsmarkt von Erfurt Thüringen hinaus ist die Bedeutung von Erfurt je- entspannt werden soll. Eine Entspannung tritt ein, doch geringer, was sich unter anderem in ver- wenn mehr neue Wohnungen entstehend als gleichsweise geringeren Wanderungsverflechtun- neue Haushalte hinzukommen. gen gegenüber Westdeutschland oder dem Aus- land widerspiegelt. Bei all diesen Untersuchungen und Überlegungen ist handlungsleitend, dass im Stadtgebiet Erfurt Wie auch viele andere deutsche Großstädte steht eine Vielfalt an Wohnformen für alle unterschiedli- Erfurt einem zunehmenden Sterbeüberschuss chen Nachfragergruppen – welche von einkom- aufgrund der weiteren Alterung der Gesellschaft mensschwächeren bis hin zu vermögenden Haus- gegenüber. Gleichzeitig nimmt das Zuzugsvolu- halten reichen – erhalten und geschaffen werden men ab und die Suburbanisierung ins Umland zu. soll. Dabei rückt zunehmend die Frage nach den Folglich verringerte sich das Einwohnerwachstum richtigen Qualitäten der Wohnungsangebote in in den letzten Jahren. Aufgrund der Covid-19-Pan- den Fokus der Betrachtung. demie verzeichneten sogar einige Großstädte erstmals seit vielen Jahren wieder einen (leichten) Für die Aktualisierung der Haushalts- und insbe- Einwohnerrückgang. So auch Erfurt. Dort ging die sondere Wohnungsbedarfsprognose ergeben Einwohnerzahl im Jahr 2020 um 243 im Vergleich sich daraus folgende Arbeitsschritte: Basierend zum Vorjahr zurück.1 auf der neuen kommunalen Bevölkerungsprog- nose von 2021 wird eine Haushaltsprognose be- Nicht zuletzt für den möglichen Fall, dass sich aus rechnet, um die voraussichtliche Entwicklung der diesem neuerlichen Bevölkerungsrückgang in den Nachfrage am Wohnungsmarkt abbilden zu kön- kommenden Jahren ein Trend entwickeln könnte, nen. Anschließend wird zwei Fragen nachgegan- wäre angesichts der derzeit vielschichtigen ge- gen: planten und in Umsetzung befindlichen Bauvor- haben die weitere "Richtigkeit" der Haushalts- und • Wie viele Wohnungen werden zukünftig benö- Wohnungsbedarfsprognose aus dem Jahr 2018 tigt (quantitative Aspekte)? zu überprüfen sowie auch die Ausweisung weite- • Welche Wohnungen werden zukünftig benö- rer Bauflächen. tigt (qualitative Aspekte)? Aus diesem Grund gilt es, die aktuellen Woh- Damit die Qualitäten beurteilt und bewertet wer- nungsmarktentwicklungen hinsichtlich ihrer mög- den können, wird eine nachfrageorientierte Sicht- lichen Auswirkungen auf die prognostizierte zu- weise eingenommen. Wesentlich dabei ist eine künftige Nachfrageentwicklung zu überprüfen Unterscheidung zwischen Wohnungen in Ein- und und Schlüsse für eine aktualisierte Wohnungsbe- Zweifamilienhäusern sowie Geschosswohnungen. darfsprognose zu ziehen. Dabei sollen zum einen Dieser voraussichtlichen Nachfrageentwicklung die Ursachen der verringerten Bevölkerungszu- werden derzeit bekannte Neubaupotenziale ge- nahme – wie zum Beispiel den verminderten Zu- genübergestellt und anhand dieser Wohnbauflä- zug oder die Suburbanisierung – näher unter- chenbilanz lassen sich strategische Ansätze für sucht werden. Zum anderen müssen aber auch die zukünftige Wohnbauflächenentwicklung in Er- generelle Trends, wie zum Beispiel der furt ableiten und diskutieren. _________________________________________________________________________________________________________________________ 1 Nach Angaben der Abteilung Statistik und Wahlen der Stadtverwaltung Erfurt. -2-
HINWEISE ZUR INTERPRETATION UND DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE Bei der Erstellung der Wohnungsbedarfsprognose weiteren Berechnungen, Summenbildungen etc. für die Stadt Erfurt wurden Daten teilweise unter- kann es jedoch zu erheblichen Unstimmigkeiten ALLGEMEINE HINWEISE schiedlicher Stichtage und Quellen ausgewertet, kommen und die Nachvollziehbarkeit von Berech- verschiedene Annahmen getroffen, Schätzverfah- nungen erschweren. Deswegen werden hier ren eingeführt und zahlreiche Rechenschritte exakte Werte angegeben, die jedoch eher als durchgeführt. Im Ergebnis werden rechnerisch er- Größenordnungen aufzufassen sind. mittelte exakte Werte angegeben. Da generell bei einer Erstellung von Prognosen Die Realität wird von diesen Berechnungen mög- stets Annahmen getroffen werden, geben Progno- licherweise abweichen. Beispielsweise könnte sen teilweise mehr Aufschluss über die Zeit, in der eine Wohnbaufläche weniger dicht bebaut wer- sie erstellt wurden, als über das, was in der Zu- den als angenommen, womit tatsächlich das Neu- kunft erwartet wird. Nichtsdestotrotz wurden mit baupotenzial etwas geringer ausfallen würde. Er- dieser Wohnungsbedarfsprognose eine bestmög- fahrungsgemäß gleichen sich in der Summe die liche Objektivität angestrebt und sofern möglich einzelnen Abweichungen jedoch weitgehend aus, die getroffenen Annahmen fundiert abgeleitet. sodass die berechneten Werte ein realistisches Mengengerüst abbilden, das aber nicht ganz Zuletzt folgt an dieser Stelle ein kurzer Lesehin- den exakten Werten entspricht. weis: In der Regel beziehen sich die getroffenen Aussagen auf die Jahre von 2020 bis 2040. Dabei Um nicht den Eindruck von Scheingenauigkeiten werden rechnerisch die Daten vom Dezember zu erwecken, könnte man die Ergebnisse auch 2019 und Dezember 2040 zueinander in Bezie- runden oder Spannen angeben. Dies wäre für ei- hung gesetzt. nen einzelnen Wert unproblematisch, bei -3-
Kapitel 1 1 BEVÖLKERUNGSPROGNOSE DER STADT ERFURT In den letzten Jahren nahm die Einwohnerzahl in • Die Lebenserwartung der Männer steigt bis Erfurt stetig zu und Ende 2019 waren 2040 um 3,1 Jahre und die der Frauen um 2,2 214.417 Einwohner mit Hauptwohnsitz in der Jahre.4 Landeshauptstadt gemeldet. Damit jetzt Entschei- • Bis 2040 steigen die Außenwanderungsge- dungen zu zukünftigen Infrastrukturmaßnahmen winne stetig, denn insbesondere gegenüber und Fachplanungen getroffen werden können, ist dem Umland, Mittelthüringen und Ost- eine Bevölkerungsprognose wichtig. Deutschland verringern sich die Verluste, und gegenüber dem EU-Ausland steigen die Ge- Von der Stadt Erfurt wurde eine neue Bevölke- winne. rungsprognose für den Prognosezeitraum von • In der Prognose mitberücksichtigt wurde ein 2019 bis 2040 berechnet.2 Kern einer Prognose potenzieller Neubau von insgesamt ist die Setzung von inhaltlichen Annahmen, die 7.754 Wohnungen bis 2040. Dieser Neubau dann rechnerisch in die Zukunft projiziert werden. führt zu veränderten Umzügen zwischen den Prognosegebieten, jedoch nicht zu mehr Zu- ANNAHMEN zügen von außerhalb ( siehe Abb. 1).5 Um Annahmen zur zukünftigen Entwicklung der Die Summe der Ergebnisse auf der Ebene der natürlichen und räumlichen Bevölkerungsbewe- Prognosegebiete ergibt das gesamtstädtische Er- gung ableiten zu können, wurden die Entwicklun- gebnis für Erfurt. gen der letzten Jahre vertiefend analysiert. Als räumliche Gliederung dafür wurden zuvor sieben Da Geburten und Sterbefälle im Gegensatz zu sogenannte Prognosegebiete gebildet ( siehe An- den Zu- und Wegzügen weniger Schwankungen hang Abb. 38). Bei der Basisvariante wurden auf unterliegen, lassen sich diese relativ verlässlich dieser räumlichen Ebene folgende Annahmen ge- vorausberechnen. Im Hinblick auf die Wande- troffen: rungsbewegungen sind jedoch unterschiedliche Szenarien denkbar. Um eine positivere Wande- • Die Geburtenrate je Frau bleibt bis 2040 kon- rungsbewegung aufgrund von mehr Zuzügen ab- stant und als Ausgangswert wurde der Mittel- bilden zu können, wurde die obere Prognoseva- wert von 2016 bis 2019 verwendet.3 riante berechnet. _________________________________________________________________________________________________________________________ 2 Stadtverwaltung Erfurt, Kommunalstatistische Hefte, Heft 113 - Erfurter Statistik, Bevölkerungsprognose bis 2040 3 In den Großwohnsiedlungen wurden 2016 oder/und 2017 überdurchschnittlich viele Kinder geboren, was im Wesentlichen mit dem vorherigen Zuzug von Geflüchteten zusammenhängt. Somit handelte es sich dabei um einen Sondereffekt, weshalb dort die zukünf- tigen Geburtenraten normativ festgelegt wurden. 4 Die Lebenserwartung hängt von vielen Faktoren ab, wie Lebensstandard, Ernährung, Einkommen und Bildung. Aus diesen Gründen liegt die Lebenserwartung beispielsweise in den Großwohnsiedlungen unter dem gesamtstädtischen Durchschnitt von Erfurt. 5 Die Anzahl der neu gebauten Wohneinheiten ergibt sich aus einer Auflistung aller bekannten Bauvorhaben im Bauleitplanverfahren sowie nach § 34 BauGB (Planung und Bau mit Stand: November 2020). -4-
ABB. 1 ANGENOMMENE AUSWIRKUNGEN DER NEUBAUVORHABEN IN DER AKTUELLEN BEVÖLKERUNGSPROG- NOSE VON ERFURT Einwohner in neugebauten Wohnungen 4.000 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 Datengrundlage: Stadt Erfurt Darstellung: Timourou ERGEBNISSE STADT ERFURT ab und in der oberen Prognosevariante um + 4.788 Personen zu. Mit einem Plus von Im Ergebnis der getroffenen Annahmen nimmt 2.000 Einwohnern liegt die 2. regionalisierte Be- die Einwohnerzahl in den Jahren von 2020 bis völkerungsvorausberechnung des Thüringer Lan- 2040 in der Basisvariante um - 436 Personen desamtes für Statistik dazwischen ( siehe Abb. 2). ABB. 2 TATSÄCHLICHE UND VORAUSBERECHNETE EINWOHNERENTWICKLUNG IN ERFURT Ist-Werte Stadt 2. rBv Einwohner mit Hauptwohnsitz 250.000 Basisvariante obere Prognosevariante 240.000 230.000 218.605 219.032 219.318 214.417 216.832 220.000 210.000 213.961 213.964 213.870 213.835 200.000 202.270 190.000 180.000 170.000 160.000 150.000 Datengrundlage: Stadt Erfurt, Thüringer Landesamt für Statistik Berechnungen/Darstellung: Timourou -5-
ABB. 3 VORAUSBERECHNETE ENTWICKLUNG DER EINWOHNER NACH ALTERSGRUPPEN IN ERFURT - Basisvariante Einwohner mit Hauptwohnsitz in den Jahren von 60.000 2020 bis 2040 45 bis -2.939 unter 65 50.000 30 bis -5.213 unter 45 40.000 65 bis +2.662 unter 80 30.000 18 bis +1.032 unter 30 20.000 6 bis +55 unter 18 über 80 +5.154 10.000 0 bis 0 unter 6 -1.186 Datengrundlage: Stadt Erfurt Berechnungen/Darstellung: Timourou Neben der Einwohnerentwicklung ist für zukünf- Großwohnsiedlung Süd/Ost (- 201 Personen bzw. tige Fachplanungen die voraussichtliche Entwick- - 1 %) zu. Obwohl der natürliche Saldo in der In- lung nach Altersgruppen ebenso relevant. Den Er- nenstadt Nord relativ ausgeglichen ist, verursa- gebnissen der Basisvariante nach setzt sich zu- chen die Binnenwanderungsverluste einen Rück- künftig der Alterungsprozess fort, was an der gang um - 796 Personen bzw. - 3 %. Ein entgegen- deutlichen Zunahme an Senioren im Alter von 65 gesetzter Prozess kann im dörflichen Prognosege- Jahren und mehr erkennbar ist ( siehe Abb. 3). Wei- biet beobachtet werden. Dort können zwar Bin- terhin auffällig ist ein Rückgang der Kinder unter nenwanderungsgewinne verzeichnet werden; 6 Jahren, welcher trotz einer konstanten Gebur- diese können aber die Außenwanderungsverluste tenrate durch den Rückgang der Frauen im gebär- und den Sterbeüberschuss nicht ausgleichen. Im fähigen Alter verursacht wird (Echoeffekt der ge- Ergebnis nimmt die Einwohnerzahl um burtenschwachen Jahrgänge der 1990er-Jahre). - 1.212 Personen bzw. - 3 % ab. ERGEBNISSE PROGNOSEGEBIETE Allein die beiden Prognosegebiete Innenstadt Mitte/West (+ 2.015 Personen bzw. + 6 %) und In- Der vorausberechnete Rückgang in der Basisvari- nenstadt Ost (+ 2.983 Personen bzw. + 12 %) ver- ante in den Jahren von 2020 bis 2040 um zeichnen Einwohnergewinne, wenn auch aus un- - 436 Personen führt in fünf von sieben Prognose- terschiedlichen Gründen. Ausschlaggebend für gebieten ebenfalls zu einer rückläufigen Einwoh- die Innenstadt Mitte/West sind die hohen Binnen- nerzahl. und Außenwanderungsgewinne, welche deutlich höher als der leicht negative natürlichen Saldo Die Großwohnsiedlung Nord ist sowohl absolut ausfallen. In der Innenstadt Ost hingegen wird mit (- 2.423 Personen) als auch relativ (- 8 %) am 2.619 Wohnungen der meiste Neubau angenom- stärksten vom Rückgang betroffen ( siehe Abb. 4). men, was die Wanderungsbewegungen begüns- Verursacht wird dies durch einen hohen Sterbe- tigt. Trotzdem verliert die Innenstadt Ost Einwoh- überschuss, welcher trotz Außen- und Binnen- ner an andere Prognosegebiete, auch wenn die wanderungsgewinnen nicht ausgeglichen werden Außenwanderungsgewinne und der Geburten- kann. Diese Konstellation trifft auch auf die Innen- überschuss dies kompensieren können. stadt Süd (- 787 Personen bzw. - 3 %) sowie -6-
ABB. 4 VORAUSBERECHNETE ENTWICKLUNG DER EINWOHNER NACH PROGNOSEGEBIETEN IN ERFURT - Basisvariante Einwohner mit Hauptwohnsitz in den Jahren 50.000 2020 bis 2040 dörflich - 1.212 45.000 40.000 Innenstadt + 2.015 Mitte/West 35.000 Großwohnsiedlung 30.000 Nord - 2.423 25.000 Innenstadt Nord - 796 20.000 Innenstadt Ost + 2.983 15.000 10.000 Innenstadt Süd - 787 5.000 Großwohnsiedlung 0 Süd/Ost - 201 Datengrundlage: Stadt Erfurt Darstellung: Timourou -7-
Kapitel 2 2 HAUSHALTSPROGNOSE DER STADT ERFURT Für die Vorausberechnung der Wohnungsnach- Grundlage der Ergebnisse der Basisvariante um frage sind weniger die Einwohner als vielmehr die + 3.830 Haushalte zu und auf Grundlage der Er- Haushalte ausschlaggebend. Aus diesem Grund gebnisse der oberen Prognosevariante um wurde von Timourou basierend auf der aktuellen + 6.900 Haushalte ( siehe Kasten „Wie wurde die Haus- Bevölkerungsprognose der Stadt Erfurt eine haltsprognose berechnet?“ und Abb. 5). Im Vergleich zur Haushaltsprognose berechnet. Ziel dabei war es, Bevölkerungsprognose bewirkt demzufolge der die Entwicklung der zukünftigen Haushaltszahlen Haushaltsverkleinerungsprozess unabhängig von als auch der Haushaltsstrukturen abzubilden. der Variante einen Anstieg der Wohnraumnach- frage. Den Berechnungen nach nimmt die Anzahl der Haushalte in den Jahren von 2020 bis 2040 auf ABB. 5 VORAUSBERECHNETE ENTWICKLUNG DER ZAHL DER HAUSHALTE IN ERFURT statistische Privathaushalte Ist-Werte Stadt Basisvariante obere Prognosevariante 140.000 119.715 121.205 122.557 115.583 118.008 120.000 102.422 116.354 117.042 118.212 119.351 100.000 80.000 60.000 40.000 20.000 0 Datengrundlage: Stadt Erfurt Berechnungen/Darstellung: Timourou WIE WURDE DIE HAUSHALTSPROGNOSE BERECHNET? INFORMATION Haushalte werden statistisch nicht erfasst, son- Bei der Berechnung der Haushaltsprognose flos- dern müssen anhand der Einwohnermeldedatei sen entsprechend der aktuellen kommunalen Be- ermittelt („generiert“) werden. Die Abteilung Sta- völkerungsprognose die vorausgeschätzte Anzahl tistik und Wahlen der Stadtverwaltung Erfurt führt der Einwohner und die Entwicklung der Alters- entsprechend mithilfe eines Rechenprogramms struktur ein sowie die aktuellen Haushaltsstruktu- (HHGen) jährlich eine Haushaltsgenerierung ren nach HHGen. Hinsichtlich der zukünftigen durch. Auf Basis der wohnberechtigten Bevölke- Veränderung der Verteilung nach Haushaltsgröße rung (Haupt- und Nebenwohnsitz, ohne Heime) wurden Annahmen getroffen, die den demogra- werden die Anzahl der statistischen Privathaus- phischen Effekt (z. B. mehr Senioren und weniger halte sowie die Verteilung nach Haushaltsgrößen Familien) und den Verhaltenseffekt (Trend zum generiert. längeren Alleine-Leben) berücksichtigen. -8-
ABB. 6 VORAUSBERECHNETE ENTWICKLUNG DER HAUSHALTE NACH HAUSHALTSGRÖßE IN ERFURT - Basisvariante Anteil in % Haushaltsgröße 120% 1,83 2,00 1,82 1,81 1,79 1,77 1,80 5 und mehr 2,5% 2,4% 2,4% 2,3% 2,3% Personen 100% 6,3% 6,3% 6,2% 6,1% 6,0% 1,60 4 Personen 11,3% 11,2% 11,1% 10,9% 10,7% 1,40 80% 1,20 3 Personen 29,5% 29,1% 28,2% 27,2% 30,4% 60% 1,00 2 Personen 0,80 40% 0,60 1 Person 49,4% 50,6% 51,2% 52,5% 53,8% 0,40 20% 0,20 Haushalts- größe 0% 0,00 2019 2025 2030 2035 2040 Datengrundlage: Stadt Erfurt Berechnungen/Darstellung: Timourou Hinweis: Anzahl der Heime und Anstalten konstant Angesichts einer älter werdenden Bevölkerung Haushalten führt. Allerdings wird in der Innen- und dem anhaltenden Trend zum längeren Al- stadt Ost der Haushaltsverkleinerungsprozess leine-Leben steigt den Ergebnissen der Haus- etwas gedämpft, da gleichzeitig die Anzahl an haltsprognose nach der Anteil an 1-Personen- Familien überdurchschnittlich stark steigt. Haushalten bis 2040 auf 53,8 % ( siehe Abb. 6). Da • In der Innenstadt Süd, der Großwohnsiedlung dies vor allem zulasten der 2-Personen-Haushalte Süd/Ost und in den dörflich geprägten Gebie- geschieht, sinkt dort der Anteil auf 27,2 %. Zudem ten führt der Haushaltsverkleinerungsprozess führt insbesondere der Rückgang an Kindern und trotz sinkender Einwohnerzahl zu einer Zu- Jugendlichen zu einem abnehmenden Anteil an nahme an Haushalten. In allen drei Prognose- größeren Haushalten mit 3 und mehr Personen. gebieten werden ein weiterer Alterungspro- In der Folge sinkt die durchschnittliche Haushalts- zess und ein anhaltender Trend zum längeren größe bis 2040 auf 1,77. Alleine-Leben erwartet. Der Haushaltsverklei- nerungsprozess in den dörflich geprägten Ge- In den Prognosegebieten verlaufen die Einwohne- bieten ist etwas stärker ausgeprägt, da dort rentwicklung, der Alterungsprozess und der Haus- die Anzahl an Familien etwas stärker abnimmt. haltsverkleinerungsprozess in unterschiedlicher • In der Innenstadt Nord und der Großwohn- Art und Weise. In allen Prognosegebieten wird siedlung Nord ist eine rückläufige Haushalts- sich aber grundsätzlich ein gewisser Haushalts- zahl zu verzeichnen. Ausschlaggebend ist der verkleinerungsprozess fortsetzen, sodass überall Einwohnerrückgang, welcher vor allem die die zukünftige Entwicklung der Haushaltszahlen Großwohnsiedlung Nord betrifft. Weiterhin günstiger ausfällt als die der Einwohnerzahlen. wird in beiden Prognosegebieten ein geringe- rer Haushaltsverkleinerungsprozess erwartet, • In den Jahren von 2020 bis 2040 steigt die da sich die Altersstruktur weniger stark verän- Wohnraumnachfrage in der Innenstadt Ost dert. und in der Innenstadt Mitte/West am stärks- ten ( siehe Abb. 7). Im Wesentlichen ist dies auf Insbesondere im Prognosegebiet Nord fällt der die deutlich steigende Einwohnerzahl zurück- zukünftige Haushaltsverkleinerungsprozess ge- zuführen. Weiterhin wird ein überdurch- ring aus, da dort die Haushaltsgröße bereits jetzt schnittlich starker Anstieg bei den Senioren er- auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau liegt. wartet, was letztendlich zu mehr 1-Personen- -9-
ABB. 7 VORAUSBERECHNETE ENTWICKLUNG DER HAUSHALTE NACH PROGNOSEGEBIETEN IN ERFURT - Basisvariante statistische Privathaushalte in den Jahren 25.000 2020 bis 2040 dörflich + 679 20.000 Innenstadt + 1.784 Mitte/West Großwohnsiedlung 15.000 - 961 Nord Innenstadt Nord - 150 10.000 Innenstadt Ost + 2.022 Großwohnsiedlung 5.000 + 261 Süd/Ost Innenstadt Süd + 198 0 Datengrundlage: Stadt Erfurt Berechnungen/Darstellung: Timourou Da in die Berechnungen der aktuellen Bevölke- • weitere Neubaupotenziale, die sich künftig rungsprognose bereits die tatsächliche und ge- durch konkrete Planungen innerhalb der se- plante Wohnungsneubautätigkeit der kommen- parat analysierten Suchräume für den Woh- den Jahre (Stand November 2020) eingeflossen nungsbau6 ergeben können. ist, sind die durch diese Bautätigkeit ausgelösten Wanderungsbewegungen ebenfalls in der Haus- Hierbei handelt es sich um Reaktionen des Woh- haltsprognose enthalten. nungsmarktes – genauer der Angebotsseite – die zu veränderten Wanderungsbewegungen führen In der Haushaltsprognose nicht enthalten sind können. Sie hängen aber stark vom Handeln der hingegen Eigentümer ab und können zu einem Abweichen der tatsächlichen von der prognostizierten Ent- • veränderte Wanderungsbewegungen durch wicklung in den einzelnen Prognosegebieten füh- einen Generationswechsel (betrifft insbeson- ren. Dies ist nur bedingt prognostizierbar. Es ist dere die Innenstadt Süd und das dörfliche daher sinnvoller, diese Aspekte der Bestandsent- Prognosegebiet), wicklung als strategische Handlungsmöglichkeiten • Bestandsanpassungen und dadurch ausge- zu diskutieren. löste (Binnen)Wanderungen sowie _________________________________________________________________________________________________________________________ 6 Stadtverwaltung Erfurt, Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK) Erfurt 2030, Teil 2 - 10 -
Kapitel 3 3 WOHNUNGSBEDARFSPROGNOSE DER STADT ERFURT Der zukünftige Wohnungsbedarf in der Stadt Er- Weiterhin besteht die Möglichkeit, mit besonde- furt setzt sich aus drei verschiedenen Elementen ren Wohnungsangeboten die Nachfrage zu beein- zusammen, die zu berücksichtigen sind ( siehe Abb. flussen (angebotsorientierte Strategie). Beispiels- 8).Als erstes hängt der Wohnungsbedarf von der weise kann durch die Schaffung von weiteren An- absoluten Entwicklung der Haushalte ab, denn zu- geboten entweder die Nachfrage im Stadtgebiet sätzliche Haushalte ergeben eine zusätzliche besser gehalten oder eine Marktentspannung als Nachfrage nach Wohnungen, weniger Haushalte Folge einer zunehmenden Bestandsausweitung bedeuten Leerstand. Das Ergebnis der Haushalts- erzeugt werden. prognose entspricht somit der quantitativen Nachfrage. Die zusätzliche Nachfrage bedeutet Dies wird als strategisches Zusatzangebot be- nicht automatisch Neubau, denn es können auch zeichnet. Damit verbunden sein kann auch das Wohnungen durch Umnutzungen oder Maßnah- strategische Ziel, den Wohnungsmarkt zu ent- men im Bestand hinzukommen. Des Weiteren ist spannen, indem mehr Wohnungen gebaut wer- zu berücksichtigen, dass es im Zeitverlauf auch zu den als neue Haushalte. Bei einer ausreichenden Wohnungsabgängen durch Zusammenlegung, Rü- strategischen Reserve von ca. 2 bis 3 % ist der ckbau etc. kommen kann. Diese Zahl muss Wohnungsmarkt entspannt, es kommt nicht mehr dann durch neue Wohnungen ausgeglichen wer- zu Knappheitspreisen und das Angebot preiswer- den. Entscheidend ist, dass die Summe der quan- ter Wohnungen nimmt nicht mehr ab ( siehe Kasten titativen Nachfrage passt. „Erhalt und Sicherung des preiswerten Wohnungsbestandes“ in Kapitel 3.3.2). Unabhängig davon gibt es aber auch eine Nach- frage nach neuen Wohnqualitäten und -formen Im Fall der Stadt Erfurt wird entsprechend den Er- (moderne Grundrisse und Ausstattung, altersge- gebnissen der Haushaltsprognose zukünftig ein rechtes Wohnen, ökologische Bauweise, beson- Nachfrageanstieg erwartet. Demzufolge wird dere Wohnlagen, preiswerte Geschosswohnun- der Neubau bereits aus quantitativen Gründen gen etc.) bzw. Wohnformen, die es nicht oder notwendig sein. Mit diesen neuen Wohnungen nicht ausreichend im derzeitigen Wohnungsbe- kann die qualitative Nachfrage bedient werden, stand gibt und diese sich auch nicht in jedem Fall indem passende Wohnungen gebaut werden. Mit durch Umbau und Modernisierung im Bestand Blick auf den gesamten zukünftigen Neubaubar- schaffen lassen. Dazu zählen der Eigenheimbau darf sind diesbezüglich zwei Varianten möglich: ( siehe Kapitel 3.2) und der Geschosswohnungsbau ( siehe Kapitel 3.3). Dies wird als qualitative Nach- frage bezeichnet. ABB. 8 ELEMENTE DES ZUKÜNFTIGEN WOHNUNGSBEDARFS - 11 -
• Die quantitative Nachfrage fällt größer • Die quantitative Nachfrage fällt kleiner aus als die qualitative Nachfrage: Durch aus als die qualitative Nachfrage: In die- die Zunahme der Haushalte werden bei dieser sem Fall werden aus Sicht der Nachfrager Variante aus qualitativen Gründen keine zu- mehr neue Wohnungen benötigt als aus quan- sätzlichen Wohnungen benötigt. Dies gilt aller- titativen Gründen. Folglich entspricht der zu- dings nur dann, wenn der Neubau, welcher künftige Neubaubedarf dem Niveau der quali- aus quantitativen Gründen notwendig ist, tativen Nachfrage. Mit dem Schaffen von auch den Nachfragerwünschen entspricht und neuen Wohnqualitäten und -formen wird so- die qualitativen Bedürfnisse befriedigt. Folglich mit das Wohnungsangebot zusätzlich ausge- entspricht der zukünftige Neubaubedarf dem weitet. Im Ergebnis nimmt das Wohnungsan- Niveau der quantitativen Nachfrage ( siehe Abb. gebot stärker zu als die Anzahl der Haushalte. 9). Darüber hinaus kann das Angebot aus stra- Dies trägt zu einer Marktentspannung bei. Um tegischen Gründen ausgeweitet werden, um beispielsweise eine stärkere Marktentspan- beispielsweise eine Marktanspannung zu erzie- nung zu erzielen, kann darüber hinaus das An- len. gebot aus strategischen Gründen zusätzlich ausgeweitet werden. Abb. 9 BERECHNUNG DES ZUKÜNFTIGEN WOHNUNGSBEDARFS IN EINER WACHSENDEN GEMEINDE 3.1 WIE VIELE WOHNUNGEN WERDEN ZUKÜNFTIG BENÖTIGT? Die quantitative Wohnungsnachfrage basiert auf unabhängig von der Variante zuerst höher ausfällt der Veränderung der Anzahl an Haushalten, wie und im Laufe der Zeit abnimmt ( siehe Abb. 10). sie im Rahmen der Haushaltsprognose ermittelt Demnach werden in den ersten Prognosejahren wurde ( siehe Kapitel 2). Demzufolge bewegt sich mehr Wohnungen benötigt und der Bedarf an der zusätzliche Wohnungsbedarf in der Band- neuen Wohnungen nimmt im Zeitverlauf ab. Mög- breite von + 3.830 bis + 6.900 Wohnungen in liche Wohnungsabgänge durch Zusammenlegung, den Jahren von 2020 bis 2040.7 Mit Blick auf die Umnutzung oder Rückbau sind entsprechend zu Zeiträume ist markant, dass der Nachfrageanstieg kompensieren. _________________________________________________________________________________________________________________________ 7 Die quantitative Nachfrage von + 3.830 Wohnungen entspricht dem Anstieg der Haushaltszahl in der Basisvariante und die Nach- frage von + 6.900 Wohnungen die der oberen Prognosevariante. - 12 -
ABB. 10 QUANTITATIVE NACHFRAGE NACH ZUSÄTZLICHEN WOHNUNGEN IN ERFURT statistische Privathaushalte Basisvariante obere Prognosevariante 8.000 7.000 6.000 5.000 4.000 6.900 3.000 2.000 3.830 1.000 2.350 1.710 1.490 830 1.170 1.140 1.350 690 0 2020 bis 2025 2026 bis 2030 2031 bis 2035 2036 bis 2040 2020 bis 2040 Datengrundlage: Stadt Erfurt Berechnungen/Darstellung: Timourou 3.2 WOHNUNGEN IN EIN- UND ZWEIFAMILIENHÄUSERN Die Nachfrage nach einem Eigenheim wird als der Altersgruppe der 30- bis unter 45-Jährigen, da eine qualitative Nachfrage interpretiert, weil es dies in den meisten Fällen das Alter ist, in wel- sich dabei um besondere Wohnwünsche sowie chem ein bestehender Eigenheimwunsch reali- Anforderungen an den Wohnraum handelt, wel- siert wird. Bevor die zukünftige Nachfrageentwick- che im Bestand nicht ausreichend erfüllt werden lung in Erfurt abgeschätzt wird, erfolgt eine Ana- können. Ausschlaggebend für den Umfang der lyse des bisherigen Bauvolumens. Nachfrage ist die Entwicklung der Einwohner in 3.2.1 BISHERIGE ENTWICKLUNGEN Die Suburbanisierung hat in den letzten Jahren Demzufolge entwickelten sich die Neubauquoten spürbar zugenommen und die Neubautätigkeit in in der Landeshauptstadt entgegen dem allgemei- Erfurt liegt derzeit auf einem relativ niedrigen Ni- nen Trend in Ostdeutschland ( siehe Kasten „Neubau- veau. Eine Auswertung des bisherigen Neubauvo- quoten in ostdeutschen Kreisen“). Wesentliche Ursache lumens von 2011 bis 2012 sowie von 2017 bis für die gestiegene Suburbanisierung wird neben 2018 ergab, dass der reinen Verfügbarkeit von Wohnbauflächen in Erfurt auch das im Vergleich zur Stadt niedrigere • in Erfurt die Neubauquote von 4,4 auf 3,5 Preisniveau im Umland sein. Im Jahr 2019 lagen Wohnungen je 1.000 Einwohner im Alter von für ein Grundstück zum individuellen Wohnungs- 30- bis unter 45-Jährigen gesunken ist, wäh- bau die Kaufpreise in Erfurt bei durchschnittlich rend 250 €/m² und in Sömmerda bei 50 €/m² oder im • im ersten und zweiten Umlandring die Quote von 7,1 auf 7,9 Wohnungen leicht gestiegen ist ( siehe Abb. 11 und Abb. 12). - 13 -
Weimarer Land bei 59 €/m².8 Die Gegenüberstel- führten die aufgezeigten Entwicklungen dazu, lung von 250 und 60 €/m² ergibt beispielsweise dass in Erfurt die Anzahl der neugebauten Woh- für ein 500 m² großes Grundstück eine Differenz nungen in Ein- und Zweifamilienhäusern seit 2008 von fast 100.000 €, welche ausschlaggebend für tendenziell abgenommen haben ( siehe Abb. 13). den Wegzug sein können. Absolut betrachtet ABB. 11 NEUBAUQUOTEN IN AUSGEWÄHLTEN GEMEINDEN VON THÜRINGEN VON 2011 BIS 2012 Datengrundlage: Thüringer Landesamt für Statistik Berechnungen/Darstellung: Timourou ABB. 12 NEUBAUQUOTEN IN AUSGEWÄHLTEN GEMEINDEN VON THÜRINGEN VON 2017 BIS 2018 Datengrundlage: Thüringer Landesamt für Statistik Berechnungen/Darstellung: Timourou _________________________________________________________________________________________________________________________ 8 Siehe Immobilienmarktbericht 2020 für Thüringen, wobei davon auszugehen ist, dass an Erfurt angrenzende Gemeinden höhere Grundstückspreise aufrufen als weiter weg entfernte Gemeinden. - 14 -
ABB. 13 NEUBAU VON WOHNUNGEN IN EIN- UND ZWEIFAMILIENHÄUSERN IN ERFURT SEIT 2008 fertiggestellte Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern 250 200 150 225 236 229 100 212 200 162 165 164 50 106 105 101 80 0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Datengrundlage: Thüringer Landesamt für Statistik Berechnungen/Darstellung: Timourou NEUBAUQUOTEN IM EIGENHEIMBEREICH IN OSTDEUTSCHEN BUNDESLÄNDERN Das Neubauvolumen in kreisfreien Städten und auch vom Wohnungsangebot ab, was mithilfe Landkreisen unterliegt teilweise großen Schwan- zweier Merkmale abgebildet wird: kungen, wobei gewisse Muster erkennbar sind. Für eine systematische Herausarbeitung dieser • Wohnungsmarkttyp:9 Am Wohnungsmarkt ver- INFORMATION Muster und für die Identifikation einflussnehmen- fügbare Flächenpotenziale fallen tendenziell in der Indikatoren wurden für unterschiedliche Zeit- gering dynamischen Märkten größer aus als in räume die Neubauquoten aller ostdeutschen dynamischen Märkten, wo Nutzungskonflikte Landkreise und kreisfreien Städte analysiert. Die häufiger auftreten. Jahre von 2008 bis 2010 stehen dabei für einen • Anteil an Ein- und Zweifamilienhäusern am wirtschaftlich schwachen Zeitraum nach der Fi- Wohnungsbestand: Je größer der Anteil und nanzkrise, während die wirtschaftlichen Entwick- damit das Angebot ist, desto mehr kann die lungen von 2015 bis 2017 positiv verliefen. Die Nachfrage durch Bestandsangebote befriedigt ökonomische Situation schlägt sich in den ost- werden. deutschen Bundesländern auch auf das Bauvolu- men nieder, was mit günstigeren Beschäftigungs- Im Ergebnis ist nicht nur erkennbar, dass 2008 bis verhältnissen, einem höheren Lohnniveau und ei- 2010 die Neubauquoten niedriger als 2015 bis ner optimistischen Zukunftsaussicht zusammen- 2017 lagen, sondern auch, dass charakteristische hängt. Folglich lagen 2015 bis 2017 die Neubau- Spannen an Neubauquoten für die verschiedenen quoten im Mittel höher als 2008 bis 2010 ( siehe Wohnungsmarkttypen abnehmen. Abb. 14 und Abb. 15). Gleichzeitig hängt die Nachfrage _________________________________________________________________________________________________________________________ 9 Basierend auf umfassenden Analysen aller kreisfreien Städte und Landkreise in Deutschland schrieb Timourou 2017 in Zusammen- arbeit mit dem BBSR eine Wohnungsmarkttypologie fort. Dafür wurden sieben Indikatoren herangezogen: Einwohnerentwicklung, Wanderungssaldo, Seniorenanteil, Neubautätigkeitsrate, Angebotsmieten, Kaufkraftindex und Anteil der Leistungsbezieher nach SGB II. Im Ergebnis bringt die Typisierung unterschiedliche Strukturen und Entwicklungsdynamiken deutscher Wohnungsmärkte zum Ausdruck. Weitere Informationen siehe „Lücken in der Leerstandsforschung – Wie Leerstände besser erhoben werden kön- nen“ in BBSR-Bericht Kompakt 02/2017. - 15 -
Erfurt als ein dynamisch, städtisch geprägter hohe Neubauquoten im Eigenheimbereich. Wahr- Wohnungsmarkt hat trotz der rückläufigen Bau- scheinlich stehen demzufolge auch andere Ge- fertigstellungszahlen – was wiederum auch in den biete dieses Typus vor der Herausforderung einer anderen Gebieten dieses Wohnungsmarkttypus zunehmenden Suburbanisierung. Gleichzeitig beobachtet werden konnte – vergleichsweise muss an dieser Stelle auch auf die relativ kleine Fallzahl hingewiesen werden. ABB. 14 NEUBAUQUOTEN IM EIGENHEIMBEREICH NACH WOHNUNGSMARKTTYPEN 2008 BIS 2010 Neubauquote (Wohnungen je 1.000 Einwohner im Alter von 30 bis unter 45 Jahren) 25 Mittelwert: 3,3 Wohnungsmarkttyp untere Spanne: 3,0 dynamisch 20 obere Spanne: 4,9 dynamisch, städtisch geprägt 15 Erfurt dynamisch, 4,9 ländlich geprägt 10 gering dynamisch, städtisch geprägt gering dynamisch, INFORMATION 5 ländlich geprägt sehr gering dynamisch 0 0% 20% 40% 60% 80% 100% Anteil Ein- und Zweifamilienhäuser am Wohnungsbestand Datengrundlage: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Berechnungen/Darstellung: Timourou ABB. 15 NEUBAUQUOTEN IM EIGENHEIMBEREICH NACH WOHNUNGSMARKTTYPEN 2015 BIS 2017 Neubauquote (Wohnungen je 1.000 Einwohner im Alter von 30 bis unter 45 Jahren) 25 Wohnungsmarkttyp Mittelwert: 2,9 untere Spanne: 2,6 dynamisch obere Spanne: 3,9 20 dynamisch, städtisch geprägt 15 dynamisch, Erfurt ländlich geprägt 4,3 10 gering dynamisch, städtisch geprägt gering dynamisch, 5 ländlich geprägt sehr gering dynamisch 0 0% 20% 40% 60% 80% 100% Anteil Ein- und Zweifamilienhäuser am Wohnungsbestand Datengrundlage: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Berechnungen/Darstellung: Timourou - 16 -
3.2.2 WIE VIELE WOHNUNGEN IN EIN- UND ZWEIFAMILIENHÄUSERN WERDEN NACHGEFRAGT? Wie viele Wohnungen im Eigenheimbereich in Er- der 30- bis unter 45-Jährigen wie vorausberech- furt zukünftig gebaut werden, hängt im Wesentli- net entwickelt, umfasst die Nachfrage in den Jah- chen von den drei folgenden Faktoren ab: ren von 2020 bis 2040 dann 2.454 Wohnungen ( siehe Abb. 17 und Anhang Abb. 39). Mit Blick auf den • von der Anzahl der 30- bis unter 45-Jährigen, Zeitverlauf ist eine abnehmende Nachfrageent- • von der Entwicklung der Neubauquoten und wicklung erkennbar. • von dem verfügbaren Wohnbauflächenpoten- zial. Darüber hinaus wäre eine höhere Neubautätig- keit in Erfurt und eine Abnahme der Suburba- Die voraussichtliche Entwicklung der Personen im nisierung möglich, wenn im ausreichenden Um- Alter von 30 bis unter 45 Jahren wurde in der ak- fang passende Wohnbauflächen zur Verfügung tuellen Bevölkerungsprognose berechnet. Den Er- stehen würden. Um eine Größenordnung für die- gebnissen nach nimmt in der Basisvariante die sen strategischen Ansatz zu erhalten, wird in der Anzahl bis 2040 um 5.213 Personen ab ( siehe Variante 2 (Anstieg) kurzfristig die Neubau- Abb. 3). Diese Abnahme findet relativ kontinuierlich quote ausgehend von 2,8 auf 4,3 Wohnungen er- im Zeitraum bis 2035 statt und anschließend höht. Diese Quote entspricht dem Erfurter Mittel- bleibt die Anzahl relativ konstant. wert in wirtschaftlich günstigen Jahren von 2015 bis 2017 ( siehe Kasten „Neubauquote in ostdeutschen Krei- Bei der Berechnung der Bevölkerungsprognose sen“). Im Ergebnis umfasst die Nachfrage im ge- wurde der Durchschnitt der jüngsten Neubauakti- samten Prognosezeitraum 3.649 Wohnungen. vitäten fortgeschrieben. Demzufolge unterliegt die Da die Anzahl an 30- bis unter 45-Jährigen ab- Prognose der Annahme, dass das Niveau der Sub- nimmt, sinkt auch die Nachfrage nach Wohnun- urbanisierung, wie es in den letzten Jahren beo- gen in Ein- und Zweifamilienhäusern im Zeitver- bachtet werden konnte, zukünftig konstant bleibt. lauf. Sollte eine Verringerung der Suburbanisie- Aus diesem Grund wird als Neubauquote in der rung von Erfurt in Zukunft gelingen, würde dies zu Variante 1 (Trend) der Mittelwert von 2016 bis einer positiveren Bevölkerungs- und Haushalts- 2019 mit 2,8 Wohnungen ebenfalls konstant ge- entwicklung als vorausberechnet beitragen. lassen ( siehe Abb. 16). Sofern sich die Altersgruppe ABB. 16 ANNAHMEN ZUR ZUKÜNFTIGEN ENTWICKLUNG DER NEUBAUQUOTEN IN ERFURT Neubauquote (Wohnungen je 1.000 Einwohner im Alter von 30 bis unter 45 Jahren) 7,00 5,9 6,00 5,6 5,00 4,6 4,3 Variante 2 4,00 (Anstieg) 4,1 4,1 Variante 1 3,00 (Trend) 2,7 2,3 2,5 2,8 Ist-Werte 2,00 1,8 1,00 0,00 Datengrundlage: Stadt Erfurt, Thüringer Landesamt für Statistik Berechnungen/Darstellung: Timourou - 17 -
ABB. 17 ERGEBNISSE DER VORAUSBERECHNETEN QUALITATIVEN NACHFRAGE NACH WOHNUNGEN IN EIN- UND ZWEIFAMILIENHÄUSERN IN ERFURT 20 bis 20 bis 20 bis 20 bis 20 bis 20 25 26 30 31 35 36 40 20 40 20 20 20 20 20 pro pro pro pro pro Jahr insgesamt Jahr insgesamt Jahr insgesamt Jahr insgesamt Jahr insgesamt Variante 1 125 748 118 590 112 561 111 554 117 2.454 (Trend) Variante 2 169 1.017 182 911 173 866 171 855 174 3.649 (Anstieg) Berechnungen/Darstellung: Timourou 3.2.3 WELCHE WOHNUNGEN IN EIN- UND ZWEIFAMILIENHÄUSERN WERDEN NACHGEFRAGT? Mit den bisherigen Berechnungen wurde das Nachfrage nicht ins Umland zieht, um dort mit ei- Mengengerüst der zukünftigen Nachfrageentwick- nem größeren ökologischen Fußabdruck und zu- lung im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser sätzlichem Pendlerverkehr ein Eigenheim zu abgeschätzt. Der Großteil der Nachfrager wird ein bauen, ist der verstärkte Bau des „Erfurter Hau- klassisches frei stehendes Einfamilienhaus auf ei- ses“ denkbar. Wesentliche Merkmale sind auf der nem ungefähr 500 bis 600 m² großen Grundstück einen Seite das Beibehalten der Charakteristika schwerpunktmäßig in dörflichen Wohnlagen „Eigentum, Individualität und Selbstbestimmung“ bauen wollen. Das Siedlungswohnen entspricht und auf der anderen Seite eine dichtere Bauweise dem typischen Bild der bisherigen Bauweise. auf kleineren Grundstücken mit ca. 250 bis 350 m² in Form von Reihen- und Doppelhäusern ABB. 18 zu entwickeln. Solch ein kompakter Eigenheimbau SIEDLUNGSWOHNEN IN ERFURT sollte individuell gestaltet sein sowie eine hohe städtebauliche und nachbarschaftliche Qualität in zentralen/innerstädtischen und ruhigen Wohnla- gen bieten. Da bisher das Angebot in Erfurt durch das Siedlungswohnen dominiert wird, muss die Akzeptanz der Nachfrager für das Erfurter Haus erst geschaffen werden. Um das Erfurter Haus am Markt etablieren zu können, sind positive gebaute Beispiele ausschlaggebend. Denkbar ist auch eine Mischung von Ein- und Zweifamilienhäusern in Darstellung: Büro für urbane Projekte und Timourou kompakter Bauweise sowie Mehrfamilienhäusern. ABB. 19 Die angebotenen Grundstücke für das Siedlungs- wohnen stehen in Konkurrenz zu den Angeboten „ERFURTER HAUS“ im Umland, welche zwar weiter entfernt, aber da- für günstiger sind. Weiterhin wird beim klassi- schen frei stehenden Einfamilienhaus im Ver- gleich zu Reihen- und Doppelhäusern mehr Flä- che beansprucht. Mit dem erhöhten Flächenver- brauch entstehen zahlreiche Ziel- und Interes- senskonflikte, darunter vor allem gegenüber dem nachhaltigen Bauen und Klimaschutz sowie der Energieeffizienz. Damit trotzdem ausreichend An- gebote für die eigenen vier Wände im Stadtgebiet Darstellung: Büro für urbane Projekte und Timourou von Erfurt zur Verfügung stehen und die - 18 -
3.3 GESCHOSSWOHNUNGEN Die qualitative Nachfrage nach Geschosswohnun- wie gemeinschaftliches Wohnen. Insofern sind so- gen geht von Haushalten aus, die bereits in der gar bei Wohnungsmärkten mit Leerständen neue, Stadt wohnen, die aber andere Wohnformen durch Neubau oder Umnutzung entstehende, wünschen, als sie bisher nutzen und die derzeit Wohnungen erforderlich, um die Nachfragerwün- am Wohnungsmarkt nicht oder nicht ausreichend sche zu befriedigen. vorhanden sind bzw. sich auch nicht in jedem Fall durch Umbau und Modernisierung im Bestand Mit diesem Gutachten wird ein Kompromiss ange- schaffen lassen. Dazu gehören zum Beispiel spezi- strebt, bei dem die qualitativen Nachfragerwün- fische Wohnungsqualitäten wie Barrierefreiheit, sche bedient, aber gleichzeitig auch die Bestands- hohe energetische Standards, moderne Grund- ausweitung auf das erforderliche Maß begrenzt risse und Ausstattungen, besondere Wohnlagen werden sollte. oder die Eigentumsbildung sowie neue Formen 3.3.1 WIE VIELE GESCHOSSWOHNUNGEN WERDEN NACHGEFRAGT? Die Größenordnung der qualitativen Nachfrage größeren, kleineren, günstigeren oder besseren hängt von einer Reihe nicht exakt berechenbarer Wohnung. Im Fall von Erfurt wird angenommen, Faktoren ab, wie den Qualitäten des vorhandenen dass fast 2,3 % der jährlichen Umzüge im Mehrfa- Bestandes, der Größe des Leerstandes, den Ein- milienhausbereich neue Wohnungen im Sinne der kommen der Haushalte oder dem Anteil an- qualitativen Nachfrage nachfragen. spruchsvoller und kommunikativer Haushalte als den wesentlichen Trendsettern für neue Wohn- Im Ergebnis kann für Erfurt von einer qualitativen formen. Um diese Größenordnung abbilden zu Nachfrage in den Jahren von 2020 bis 2040 von können, wird ein Schätzverfahren angewendet. rd. 4.000 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern Dieses basiert auf anteiligen Umzugsquoten, da ausgegangen werden. Diese Nachfrage nimmt im Umzüge innerhalb einer Stadt zu einem großen Zeitverlauf von 185 Wohnungen im Jahr 2020 auf Teil wohnungsmarktbedingt sind, das heißt, An- 192 Wohnungen im Jahr 2040 etwas zu ( siehe Abb. lass für einen Umzug ist die Suche nach einer 20). ABB. 20 VORAUSBERECHNETE ENTWICKLUNG DER QUALITATIVEN NACHFRAGE NACH GESCHOSSWOHNUNGEN IN ERFURT Wohnungen 200 180 192 187 188 190 185 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Berechnungen/Darstellung: Timourou - 19 -
3.3.2 WELCHE GESCHOSSWOHNUNGEN WERDEN NACHGEFRAGT? Bei der Schaffung zusätzlicher Wohnungen geschaffen werden kann. Aus diesem Grund soll- – unabhängig davon, ob im Bestand oder Neu- ten neugebaute Wohnungen immer altersgerecht bau – sind bestimmte Objekt- und Lagequalitäten sein, zumal auch von jüngeren Haushalten bei- ausschlaggebend. spielsweise schwellenfreie Wohnungen nachge- fragt werden. Unter Objektqualitäten zählen im Wesentlichen moderne Grundrisse, passende Wohnungsgrö- Diese Objektqualitäten können den qualitativen ßen sowie durchschnittliche oder gehobene Aus- Bedarf aber erst dann decken, wenn auch die La- stattungsmerkmale (insbesondere im Bad und in gequalitäten stimmen. Aus Sicht der Nachfrager der Küche sowie von Balkonen und Terrassen). bieten sich zentrale bzw. integrierte und gleichzei- tig möglichst ruhige Wohnlagen der Kernstadt an. Schwerpunktmäßig werden 2- und 3-Raum-Woh- nungen für Singles und Paare benötigt sowie er- Ergänzend zum frei finanzierten Wohnungsbau ist gänzend 4- und 5-Raum-Wohnungen für Familien. der geförderte Neubau unter bestimmten Voraus- Diese Aussage stützt sich auf Ergebnissen der setzungen sinnvoll ( siehe Kasten „Erhalt und Sicherung Haushaltsprognose: des preiswerten Wohnungsbestandes“). • Singles und Paare oder 1- und 2-Personen- An dieser Stelle sei auch auf ein aktuell virulentes Haushalte dominieren nach wie vor die Nach- Problem hingewiesen, nämlich dem Auseinan- frage am Wohnungsmarkt. Folglich werden vor derdriften von Wohnungsmarkt und Immo- allem 2- und 3-Raum-Wohnungen benötigt. bilienmarkt. Angesichts des weiter anhaltenden Ein Anstieg der 1-Personen-Haushalte bedeu- Null-Zins-Umfeldes gelten Immobilien als attrak- tet nicht, dass mehr 1-Raum-Wohnungen be- tive Kapitalanlage, entsprechend stark ist der Ka- nötigt werden, denn auch Singles bevorzugen pitalzufluss, der Bau und Verkauf von Immobilien in der Regel ein zweites Zimmer zum Schlafen. ist lukrativ. Viele Projektentwickler bauen derzeit • Im Vergleich dazu fällt die Nachfrage nach grö- mit Blick auf einen renditestarken Verkauf, nicht ßeren Wohnungen zwar deutlich geringer aus, jedoch auf eine langfristige, an der Wohnungs- allerdings ist auch das Angebot an 4- und 5- nachfrage orientierte Bestandspolitik. Damit be- Raum-Wohnungen knapper. Angesichts der steht die Gefahr, dass auch Wohnungen gebaut aktuellen Neubaupreise sind die größeren werden, die nicht der qualitativen Nachfrage – wie Wohnungen teurer. Daher sollte es sich dabei zum Beispiel Mikroappartements – entsprechen. um eine Angebotserweiterung im begrenzten Nicht jedes gerade angedachte Immobilienprojekt Maße handeln. ist aus Sicht der Nachfrager am Erfurter Woh- nungsmarktes langfristig auch sinnvoll. Wichtige Nachfragergruppen sind Senioren, da barrierefreier Wohnraum im Bestand nur bedingt - 20 -
ERHALT UND SICHERUNG DES PREISWERTEN WOHNUNGSBESTANDES Für den Erfurter Wohnungsmarkt ist aufgrund der Einkommensausfälle nicht vom Einkommen ande- geringen Leerstandsquote ein knappes Woh- rer Haushaltsmitglieder abgefedert werden kön- nungsangebot charakteristisch. Damit einher ge- nen. Folglich fällt die Mietbelastungsquote bei Sin- hen Knappheitspreise und steigende Mieten, die gles höher aus, gefolgt von Alleinerziehenden. vor allem die Versorgung einkommensschwacher Um eine breitere soziale Mischung zu erhalten, Haushalte mit Wohnraum erschweren. kann der geförderte Wohnungsbau in zentra- len/innerstädtischen Lagen sinnvoll sein. In Erfurt wird zukünftig die Wohnraumnachfrage INFORMATION weiter zunehmen. Je nach Variante der Haushalts- Wie viele geförderte Wohnungen in Erfurt zukünf- prognose werden allein aus quantitativen Grün- tig benötigt werden, hängt im Wesentlichen davon den + 3.830 bis + 6.900 zusätzliche Wohnungen ab, wie sich die Mietpreise im Bestand und das benötigt. Damit zukünftig die Knappheitspreise Einkommen der Haushalte entwickeln werden. verringert werden können, müsste die Angebots- Angesichts der corona-bedingten Wirtschaftskrise ausweitung über diesem Niveau liegen. Damit in ist kurzfristig nicht von einem weiteren Einkom- Verbindung steht wiederum die Frage: Wie hoch mensanstieg, wie er in den letzten Jahren be- darf der Leerstand in Erfurt sein? ( siehe Kasten obachtet werden konnte, auszugehen. „Wohnungsleerstand in Erfurt in Kapitel 5“) Wichtiger als die Schaffung von neuen preiswer- Angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen – ten Wohnungen ist der Erhalt von preiswerten und darunter insbesondere die steigenden Bau- Wohnungen im Bestand, da dort die größten kosten – kann beim frei finanzierten Neubau kein Mengeneffekte erzielt werden können. Besonders preiswerter Wohnraum geschaffen werden. Miet- wichtig ist ein nur moderater Mietpreisanstieg preis- und belegungsgebundene Wohnungen nach der Modernisierung, welcher durch eine För- durch den sozialen Wohnungsbau sind daher derung von Bestandsinvestitionen wie der ener- eine wichtige Ergänzung am Wohnungsmarkt. getischen Sanierung erreicht werden kann. Ergän- Dieser sollte sich schwerpunktmäßig mit 2- und 3- zend dazu kann die mittelbare Belegung ein sinn- Raum-Wohnungen an 1- und 2-Personen-Haus- volles Instrument – vor allem für Genossenschaf- halte richten: Erfahrungsgemäß handelt es sich ten – sein. Eine wichtige Rolle würden dabei die bei einkommensschwächeren Haushalten vorran- Großwohnsiedlungen spielen. gig um 1-Personen-Haushalte, weil zum Beispiel - 21 -
ALTERSGERECHTES WOHNEN Ein besonderer Zusatzbedarf besteht im Bereich Wesentlich bei der Betrachtung ist, dass ab des altersgerechten Wohnens aufgrund der wei- ca. 80 Jahren auch die Pflegebedürftigkeit deutlich teren Alterung der Erfurter Bevölkerung. Die Zu- ansteigt, womit der Verbleib in der bisherigen nahme an 80-Jährigen und älter verläuft im Prog- Wohnung in einigen Fällen nicht mehr möglich ist. nosezeitraum nicht gleichmäßig, sondern in de- Um eine Größenordnung für diesen Effekt zu er- mographischen Wellen ( siehe Abb. 21): Die starken halten, wurde überschlägig die zukünftige Entwick- Jahrgänge der 1930er-Jahre sind jetzt über lung der stationär zu versorgenden Pflegebedürfti- 80 Jahre alt, was zu dem aktuellen Anstieg der Se- gen berechnet. Hierfür wurden die Pflegequoten nioren führt. Danach kommen die schwächeren in stationären Einrichtungen nach Altersgruppen Jahrgänge der 1940er-Jahre und anschließend von Thüringen von 2017 auf Erfurt übertragen wieder stärkere der 1950er-Jahre. Im Ergebnis und bis 2040 konstant gelassen ( siehe Anhang Abb. nimmt die Zahl der 80-Jährigen und älter in den 40). Im Ergebnis dieser Überschlagsrechnung Jahren von 2020 bis 2040 um rd. 5.000 Senioren nimmt die Nachfrage nach Plätzen in Alten-und zu. Mit diesem Anstieg steigt auch die Nachfrage Pflegeheimen in den Jahren von 2020 bis nach altersgerechten Wohnungen, das heißt, 2040 um 884 zu ( siehe Abb. 22). Nicht alle stationär Wohnungen, in denen ambulante Pflege möglich zu versorgenden Pflegebedürftigen haben ihre ist. Wohnung aufgegeben, weil sie eventuell nur vo- rübergehend auf eine stationäre Versorgung an- Der Großteil der Senioren wird in einer „norma- gewiesen sind. Aus diesem Grund wurde die zu- INFORMATION len“ Wohnung alt. Aus diesem Grund sind Be- sätzliche Anzahl an stationär zu versorgenden standsanpassungen – wie die Schwellenfreiheit, Pflegebedürftigen in Dauerpflege berechnet. Die der Einbau einer ebenerdigen Dusche etc. – be- Anzahl an zusätzlich 763 Pflegebedürftigen sonders wichtig. Weitere Wohnformen wie Wohn- zeigt für den gesamten Prognosezeitraum eine gemeinschaften/Wohnprojekte und das betreute Obergrenze an frei werdenden Wohnungen Wohnen stellen Sonderwohnformen bzw. Ni- an. Um diese Zahl verringert sich der quantitativ schenprodukte dar. notwendige Wohnungsbedarf. ABB. 21 VORAUSBERECHNETE ENTWICKLUNG DER 80-JÄHRIGEN UND ÄLTER IN ERFURT - Basisvariante Anteil an allen Einwohnern absolut Anteil in % 20.000 Anzahl insgesamt 12% 18.000 10% 16.000 14.000 rd. + 5.000 Senioren 8% 12.000 10.000 6% 8.000 4% 6.000 + 2,3 Prozentpunkte 4.000 2% 2.000 0 0% Datengrundlage: Stadt Erfurt Berechnungen/Darstellung: Timourou - 22 -
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