Zeitung Rheinland-Pfalz - Erziehungsfachkräfte streiken für bessere Bezahlung (S. 3-4) - GEW Rheinland-Pfalz
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- Zeitung Rheinland-Pfalz 5-6/2018 Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz • www.gew-rlp.de Erziehungsfachkräfte streiken für bessere Bezahlung (S. 3-4)
Editorial / Inhalt Struwwelpeter wir auf Veränderungen drängen müssen. Das gehört zu den manchmal nicht so als Schüler/in, dann später als Lehrkraft: Wenn vorne eine/r steht, die/der bis ins Günter Helfrich angenehmen Pflichten einer Redaktion. Detail jeden Schritt im Lernprozess glaubt lenken zu können (oder gar zu müssen, Was ist mit dem Lernkulturwandel? weil das in manchen Seminaren so er- Zurück zu den innovativen Unterrichts- lernt wurde) und nicht versteht, dass es projekten: Die Forderung rennt bei uns immer viele Wege zur Erschließung einer offene Türen ein, waren (und sind) wir Thematik gibt, kann nur Bulimielernen doch seit Jahren, Jahrzehnten ein Medi- entstehen. Reinstopfen, wieder raus… und um, das sich den Lernkulturwandel auf die möglichst bald vergessen. Fahnen geschrieben hat. Wir freuen uns Ist doch irgendwie total traurig, wenn über neue Ideen, können diese jedoch man sieht, wie begeistert die meisten natürlich nicht – wie oben bereits gesagt kleinen Kinder in die Schule kommen und - selbst entwickeln, auch wenn wir keine wie desillusioniert viele diese dann Jahre Schon wieder Halbzeit: Bereits in zwei abgehobenen Schreibtischbesserwisser, später verlassen. Jahren steht der nächste Gewerkschafts- sondern langjährige Praktikerinnen und Nun die interessante Frage an unsere tag unseres Landesverbandes an, und Praktiker sind. Leserinnen und Leser, zu der wir gerne Zu- manchmal werden wir noch daran erin- Nebenbei bemerkt: Nicht jeder / jedem schriften hätten: Wie sieht es aktuell aus nert, dass einzelne Anträge abschließend haben die diesbezüglichen Veröffent- mit der Lernkultur in unseren Schulen? zu bearbeiten seien. lichungen gefallen, waren sie auch mit Tatsächlich etwas verändert oder schon So auch die Redaktion vor einiger Zeit. (indirekter) Kritik am bisherigen didak- wieder verpufft? Der Gewerkschaftstag solle beschließen, tischen Handeln bzw. der Aufforderung Interessieren wird das gewiss auch zwei in unserer Landeszeitung vermehrt „inno- verbunden, die eingefahrenen Wege zu Wissenschaftler, die die Diskussion um vative Unterrichtsprojekte vorzustellen“, verlassen. eine inhaltliche Schulreform entscheidend hieß es 2016 sinngemäß in einem An- „Lernkulturwandel“, „Lebendiges Ler- vorangetrieben haben und die (da sind trag, der uns doch etwas erstaunte. Was nen“, „Eigenverantwortliches Lernen“, wir schon stolz drauf!) ihre ersten Ver- existiert da teilweise an Vorstellungen „Projektlernen“, „Handlungsorientierter öffentlichungen (und danach noch ganz, über unsere Arbeit? Haben wir etwa ein Unterricht“ usw. sind Stichworte aus ganz viele) u.a. in unserer GEW-Zeitung vielköpfiges Profiteam mit großem wis- unseren zahlreiche Veröffentlichen zur Rheinland-Pfalz hatten. senschaftlichen Beraterstab wie große Thematik. Dahinter steht die in der Re- Die Rede ist von Prof. Dr. Rolf Arnold aus Fachzeitschriften? formpädagogik verwurzelte Überzeugung, Kaiserslautern, der uns immer wieder Eine rhetorische Frage. Natürlich nicht. dass Lernen ein Abenteuer sein kann (und eloquent die theoretische Fundierung für Wir machen den Job fast ausschließlich auch Privileg ist) – viel zu schade, um den den Lernkulturwandel erläutert hat, sowie ehrenamtlich und leben stark davon, was Kindern die Freude daran durch tradierte Dr. Heinz Klippert aus Landau, dessen uns angeboten wird. Das ist auch gut so, Lernzieldressur auszutreiben. Wie erfolg- Schulentwicklungsprogramme bundes- denn dadurch bekommen Mitglieder, die reich freies Lernen sein kann, haben nicht weit und sogar international für Furore etwas zu sagen (bzw. zu schreiben) haben, zuletzt die hervorragenden Ergebnisse der und – das ist gewiss sein besonderer Ver- ein Forum, das zunehmend genützt wird. so genannten „Struwwelpeterschulen“ dienst – für konkrete Veränderungen im Was aus der Organisation kommt, hat ein- bei Vergleichstests gezeigt: Was selbstbe- Unterrichtsalltag gesorgt haben. deutig Priorität; den verbleibenden Platz stimmt und mit Freude gelernt wird, bleibt Anlässlich des 70. Geburtstages unseres füllen wir aus zahlreichen Quellen, die viel eher hängen als ein aufgezwungenes immer noch umtriebigen langjährigen uns zu Verfügung stehen. Wobei ehrlich Pflichtprogramm. GEW-Kollegen Heinz Klippert hat ihn gesagt werden muss: Wir bringen fast Wer sich für eine andere Lernkultur ein- unser Redaktionsmitglied Paul Schwarz, alles, aber nicht alles. Manchmal gibt es setzt / eingesetzt hat, tut diese nicht aus sein publizistischer Weggefährte, für diese Ansinnen, die wir aus ganz unterschied- theoretischen Hirngespinsten, sondern Ausgabe ausführlich interviewt. lichen Gründen ablehnen oder bei denen aus eigenen Erfahrungen heraus. Erst GEW-ZEITUNG Rheinland-Pfalz Inhalt Editorial Seite 2 Tarifrunde Seiten 2 - 4 Frühkindliche Bildung Seite 5 Jugendhilfe Seite 6 - 7 Schulen Seiten 8 - 16 Politik Seite 16 Kultur Seite 17 Recht Seiten 18 - 19 Generation 60+ Seite 20 - 21 Tipps + Termine Seite 21 - 23 Kreis + Region Seite 23 Schulgeist Seite 24 2 GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 5-6 / 2018
Tarifrunde Landesweiter Warnstreik an Kitas 1.000 Kita-Beschäftigte demonstrierten in Kirchheimbolanden Das Wetter war sehr schlecht, das Klima dagegen sehr gut: Weitaus mehr Erzieherinnen und Erzieher aus den Kitas des Landes als erwartet sind am 22. März einem Warnstreikauf- ruf der GEW gefolgt. Sie zogen in einem Demonstrationszug lautstark und ausgestattet mit GEW-Fahnen, GEW-Jacken und selbst gebastelten Plakaten von der Stadthalle in Kirch- heimbolanden zum proppenvollen Römerplatz, wo die Kund- gebung stattfand. Bereits im Vorfeld hatte der GEW-Landesvorsitzende Klaus-Peter Hammer darauf hingewiesen, dass die Erzieherinnen und Erzie- her es als Provokation empfinden, dass die kommunalen Arbeit- geber auch in der zweiten Verhandlungsrunde der laufenden Tarifverhandlungen kein Angebot vorgelegt und die Forderung der Gewerkschaften nach 6% mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro, als nicht finanzierbar zurückgewiesen haben. „Alle wissen, Wittlich und ehrenamtliche GEW-Funktionärin, zu den Strei- dass die Steuereinnahmen von Bund und Kommunen aufgrund kenden. Während Münch sich insbesondere mit den hohen der brummenden Wirtschaft schon seit Jahren sprudeln und nach Belastungssituationen in der Kita-Arbeit und in der Jugendhilfe den Prognosen weiter steigen werden. Eine angemessene Beteili- auseinandersetzte, wies Schaaf-Peitz auf den Fachkräftemangel gung der Beschäftigten an der positiven Haushaltsentwicklung ist in sozialpädagogischen Berufen hin und mahnte dringend eine weitere Aufwertung dieser Berufe an. GEW-Geschäftsführer Peter Blase-Geiger bezeichnete in seinem Resümee die Streikveranstaltung, die mit Reden und musika- lischer Begleitung durch die Gruppe Maigold bei guter Stimmung in der Stadthalle von Kirchheimbolanden begonnen hatte, als „vollen Erfolg“. Blase-Geiger wies darauf hin, dass die Teilneh- merinnen und Teilnehmer aus allen Landesteilen nach Kirchheim- bolanden gekommen waren und viele Kitas mit Einschränkungen arbeiten mussten bzw. komplett geschlossen blieben. Spontan hatten sich auch einige Mitglieder der Gewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt auf der Kundgebung eingefunden und erhielten kräftigen Applaus für die Unterstützung des ge- meinsamen Anliegens. Die Tarifverhandlungen wurden nach den Osterferien fortgesetzt; bis zum Redaktionsschluss dieser GEW-Zeitung gab es noch kein Ergebnis, über das aber u.a. auf überfällig. Die Gehälter der Beschäftigten im öffentlichen Dienst den Homepages von GEW-Bund und -Land unverzüglich und müssen wachsen, wenn Bund und Kommunen als Arbeitgeber ausführlich informiert wird. attraktiv sein wollen“, so Hammer. „Gerade im Bildungs- und bh/gh/pm Erziehungsbereich, der überall händeringend Fachkräfte sucht, Fotos S. 1 + S. 3-5: Thorsten Kind ist es unabdingbar, dass die Entgelte steigen.“ Björn Köhler vom Bundesvorstand der GEW, der bei den Tarif- verhandlungen mit dem Bund und den Kommunen Verhand- lungsführer der GEW ist, bezeichnete bei der Kundgebung unter großem Beifall der Kita-Beschäftigten den rheinland-pfälzischen Warnstreik als „deutliche Warnung an die Arbeitgeber“, in den laufenden Verhandlungen endlich ein akzeptables Angebot vorzulegen. Köhler kritisierte die kommunalen Arbeitgeber, die einerseits gute Qualifikationen und hohen Einsatz von ihren Beschäftigten verlangten, andererseits aber nicht bereit seien, die Bezahlung im Öffentlichen Dienst der Entwicklung in der Wirtschaft anzupassen. Neben Björn Köhler vom Bundesvorstand der GEW sprachen Christine Münch, Erzieherin und Personalratsvorsitzende aus Kirchheimbolanden, sowie Erni-Schaaf-Peitz, Kita-Leiterin aus GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 5-6 / 2018 3
Frühkindliche Bildung Kita-Ausbau: „Ohne Qualitätsausbau kommen wir nicht weiter“ Anette Stein, Direktorin des Programms In Ihrer neuesten Untersuchung konnten Es wird immer noch nicht genügend in- „Wirksame Bildungsinvestitionen“ der sie feststellen, dass sich die Kita-Qualität vestiert, um Kitas qualitativ zu verbessern. Bertelsmann Stiftung, ist sich sicher: sogar von Landkreis zu Landkreis unter- In den vergangenen Jahren wurde vor Die Kitas in Deutschland brauchen scheidet. allem in den quantitativen Ausbau der Standards. Warum das zu mehr Bil- Wir sind sehr überrascht über das Ergeb- Kita-Plätze investiert. Positiv ist zwar, dass dungsgerechtigkeit führt, erklärt sie im nis. Es darf nicht sein, dass ein Wohnort die Qualität nicht schlechter geworden, Interview mit Vincent Hochhausen. über die Bildungschancen von Kindern sondern bundesweit leicht gestiegen entscheidet. Wir wissen selbst noch nicht, ist. Das ist eine große Leistung. Aber es Die Bertelsmann-Stiftung kritisiert die warum es solche Unterschiede gibt. Auch muss jedem Politiker klar werden: Ohne Kita-Qualität. Warum? die Kommunen und Landkreise nicht. Qualitätsausbau kommen wir nicht weiter. Wir haben in Deutschland keine Qualitäts- Möglicherweise ist es ein unerwünschter standards. In den 16 Bundesländern gibt Nebeneffekt aufgrund landesrechtlicher Wie viel würde den Bund der Qualitäts- es unterschiedliche oder gar keine Regu- Regulierungen zur Personalausstattung ausbau kosten? lierung. Es macht zwar keinen Sinn, alles der einzelnen Länder. Ein kindgerechter Personalschlüssel einheitlich zu regeln, da die Situation der kostet 4,9 Milliarden zusätzlich pro Jahr. Kitas vor Ort überall anders ist. Aber wir Inwiefern? Ausreichend Zeit für Kita-Leitungen 1,3 brauchen einheitliche Standards für den Die Finanzierung des Kita-Personals führt Milliarden Euro und qualitatives Essen Personalschlüssel, Zeit für Leitungsauf- zu unterschiedlichen Betreuungssituatio- 750 Millionen Euro. Zwei Sachen haben gaben, Fachberatung, Fort- und Weiter- nen vor Ort. In Brandenburg werden bei- wir noch nicht kalkuliert: Fort- und Wei- bildung sowie eine gesunde Verpflegung. spielsweise Pauschalen an die Träger für terbildung der pädagogischen Fachkräfte Das müssen alle Politiker auf ihre Agenda ihr Kita-Personal bezahlt. Unterschieden und steigender Bedarf an Kindertages- nehmen. wird nur zwischen den Betreuungszeiten betreuung seitens der Eltern. Bei der bis zu sechs Stunden oder mehr als sechs Mangelt es in allen Bundesländern an der Bund-Länder-Konferenz berechneten die Stunden. In der Realität sieht das anders Kita-Qualität? Minister, dass die Qualitätssteigerung in aus. In vielen Regionen werden die Kinder Es gibt kein Bundesland, wo alles gut allen Bereichen zwischen zehn und elf länger betreut. Das führt dann zu ungüns- funktioniert. In Bezug auf den Personal- Milliarden Euro kosten würde. Das sind tigeren Personalschlüsseln. schlüssel ist Baden-Württemberg das ein- realistische Zahlen. zige Bundesland, das einen kindgerechten Aber es gibt doch die Möglichkeit, feh- Die OECD-Studie „Bildung auf einen Blick Betreuungsschlüssel erfüllt: Idealerweise lende Gelder beim Land zu beantragen? 2016“ zeigt, dass Deutschland viel mehr sollte eine Fachkraft rechnerisch für 3 Es gibt unterschiedliche Verfahren. In in den tertiären Sektor investiert als in Krippenkinder oder 7,5 Kindergarten- Bayern können Kommunen Ausgaben den frühkindlichen Bereich. Investieren kinder verantwortlich sein. Bundesweite geltend machen, wenn die Kitas mit ihren wir also falsch? Schlusslichter sind Mecklenburg-Vor- finanziellen Mitteln nicht auskommen. Wir müssen Ausgaben erhöhen, aber pommern mit 13,7 Kindergartenkindern Aber selbst hier gibt es Unterschiede in dürfen nicht bei der Hochschule kürzen. und Sachsen mit 6,5 Krippenkindern pro Nieder- und Oberbayern. Die Akteure auf Auch in diesem Bereich fehlt Geld. Wir Fachkraft. Das ist nicht kindgerecht. Landesebene sind gefragt, einheitliche brauchen grundsätzlich mehr Investitio- Vorgaben zu machen und die Unterschie- nen in die Bildung. Sie bemängeln in Ihren Studien auch die de auszugleichen. fehlende Zeit für Leitungsaufgaben. Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht Bundesweit muss jede zehnte Kita kom- In den vergangenen Jahren haben sich in: didacta Infodienst – Das Bildungsdos- plett ohne Leitungszeit auskommen. überall die Ausgaben für die frühe Bildung sier für Politik und Bildungsverwaltung, Wenn Leitungen keine Zeit für ihre Ar- stark erhöht. Warum gibt es dennoch so Ausgabe 4/2017, S. 2-3, www.didacta.de beiten eingeräumt wird, leidet entweder hohe Defizite? die Qualität der Kita oder sie selbst als Person. Es müssen in der täglichen Ar- beitszeit Gespräche mit Eltern geführt, administrative Büroarbeiten erledigt und vor allem auch die Qualitätsentwicklung im Kita-Team gesteuert werden. Notfalls irgend ein Foto Warnstreik müssen die Leitungen das in ihrer Freizeit machen, was zu Burn-out führen kann. Eine andere Möglichkeit ist, dass sie sich aus der Gruppe zurücknehmen, worunter die Kinder leiden. GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 5-6 / 2018 5
Jugendhilfe „Betriebswirtschaft darf Soziale Arbeit nicht dominieren“ Prof. Löhe referierte in Koblenz vor zahlreichen Akteuren der Kinder- und Jugendhilfe Die Anbieter Sozialer Arbeit stehen vor formen setzten betriebswirtschaftliche großen Herausforderungen. Die Zahl Kenntnisse voraus. der Hilfebedürftigen steigt und die Pro- blemlagen von Kindern, Jugendlichen In einem weiteren Schritt zeigte der Re- und Familien nehmen zu, berichteten ferent aber auf, dass die Ökonomisierung die TeilnehmerInnen einer Veran- von Sozialer Arbeit per se irreführend ist, staltung, die der GEW Bezirk Koblenz weil der Markt sozialer Dienstleistungen durchgeführt hat. In der Folge würde nicht nach originären Marktbedingungen der Ruf nach Hilfsangeboten, wie etwa organisiert ist. Eine Entscheidungsfindung der sozialpädagogischen Begleitung nach rein marktwirtschaftlichen Prinzipi- einer Familie oder der ambulanten en, wie es betriebswirtschaftliches Denken oder stationären Unterbringung eines verlange, verbiete sich deswegen. Denn in jungen Menschen, lauter. Aufgrund nur der Sozialen Arbeit gibt es bis auf wenige begrenzt vorhandener Haushaltsmittel Ausnahmen, nämlich dann, wenn es sich steige der Druck auf die Jugendämter um Selbstzahler handelt, keine klassische und die Anbieter von Jugendhilfemaß- Anbieter-Kunde-Beziehung, sondern ein nahmen, Angebote der Jugendhilfe sozialrechtliches Leistungsdreieck (siehe effizient und ökonomisch zu gestalten. Abbildung). Neben einem Jugendamt, das als Auftraggeber eine Maßnahme Julian Löhe, Prof. für Sozialmanagement finanziert, und dem jeweiligen Träger, der an der Hochschule Rosenheim, hält be- eine Maßnahme durchführt, ist noch eine triebswirtschaftliches Denken und Han- hilfesuchende Person beteiligt. Zwischen Julian Löhe, Prof. für Sozialmanagement deln in der Sozialen Arbeit grundsätzlich diesen dreien müsse jeweils individuell an der Hochschule Rosenheim für unerlässlich. Die Verschiebung demo- ausgehandelt werden, welche Hilfe am grafischer Balancen führt laut Löhe zur sinnvollsten sei. Geschehe dies nicht, sei che Hilfemaßnahme bewilligt wird, ist in Legitimationskrise des Wohlfahrtsstaates. der Erfolg einer Hilfemaßnahme vorne- jedem einzelnen Fall nach fachlichen Ge- Bei Verwendung öffentlicher Gelder wür- weg stark gefährdet. sichtspunkten zu entscheiden“, so Löhe. den deshalb Effektivität und Effizienz als Betriebswirtschaft und Soziale Arbeit Denn nicht die preiswerteste Leistung, zentrale Kriterien zur Vergabe von Mitteln müssten sich regelmäßig auf Augenhöhe die ein Jugendhilfeträger möglicherweise angesehen. Da zudem viele sozialwirt- begegnen, so der Professor für Sozial- unter Konkurrenzdruck anbietet, sei auto- schaftliche Unternehmen enorm gewach- wirtschaft. Betriebswirtschaft sei dabei matisch die am besten geeignetste. „Es sen seien, würden betriebswirtschaftliche aber nicht die Profession, die nachhaltig gilt unter allen Angeboten die Maßnah- Kenntnisse zwingend benötigt, damit die soziale Probleme lösen könne. Deshalb me auszusuchen, die am besten auf die Leitung großer Unternehmen gelingen müsse diese der Sozialen Arbeit „dienen“ Bedürfnisse des Hilfesuchenden passt“, kann. Auch die Themen Auslagerung von und dürfe sie nicht dominieren. „Die meint der Experte. Die Betriebswirtschaft Leistungen und Veränderungen in Rechts- Entscheidung eines Jugendamtes, wel- könne der Sozialen Arbeit schlussendlich Volkswirtschaftliche Bedeutung Sozialer Arbeit „Die Branche der Sozialwirtschaft hat bei Fokussierung auf die Leistungs- erbringung bezüglich Beschäftigung, Vermögen, Ressourcen und angebote- ne Dienstleistungen einen erheblichen Stellenwert. In der freien Wohlfahrts- pflege sind ungefähr 1,6 Millionen Menschen beschäftigt. Zusätzlich sind dort 2-3 Millionen ehrenamtlich tätig. Die Caritas und die Diakonie zählen mit 520.000 und 450.000 Beschäftigten zu den größten nicht staatlichen Arbeit- gebern.“ (Quelle: Vortrag Löhe) 6 GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 5-6 / 2018
Jugendhilfe nur nutzen, wenn sie sich an deren fachli- Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen chen Zielen ausrichte, die Leistungen der geleistet wird, in fest verankerte Qualitäts- Sozialen Arbeit sichtbar werden lasse und kriterien transformiert und gesichert wer- dieser dabei helfe, fachliche Qualität zu den kann. Um auf dem Fachkräftemarkt identifizieren. bestehen zu können, seien attraktivere Prof. Löhe wies am Ende seines Vortrags Beschäftigungsbedingungen notwendig. noch auf den enorm großen volkswirt- Dazu werden unbefristete Vollzeitstel- schaftlichen Wert hin, den Soziale Arbeit len genauso gezählt wie das Bezahlen für die Gesellschaft hat. Aus dieser Tatsa- von Tariflöhnen. Hier wird aufgrund der che konstatiert er sowohl ein Mitsprache- Zersplitterung der Anbieter in der Kin- recht als auch eine Verantwortung für die der- und Jugendhilfe mehr einheitliches Branche Soziale Arbeit. Jeder gut inves- Vorgehen angemahnt, indem Kostenträ- tierte Euro in der Kinder- und Jugendhilfe ger beispielsweise Garantiebeträge für helfe nicht nur den Betroffenen, sondern Personalkosten gewähren sollen. Anbieter „Eine Gesellschaft, die in sozialem Frieden auch dem Staat, weil dieser so hohe Fol- von Maßnahme könnten sich vernetzen leben, ihren Mitgliedern gleiche Chancen gekosten vermeiden könne. und bei den Ansätzen von Personalkosten einräumen und Partizipation ermöglichen In verschiedenen Workshops wurde an- Absprachen treffen. Schließlich fordert die will, muss Kinder- und Jugendhilfe so schließend diskutiert, welche Hürden Praxis, einen Stellenschlüssel zu kalkulie- ausstatten, dass diese den Bedürfnissen den Akteuren in ihren Einrichtungen im ren, der genügend Zeit für intensive Be- von Familien, Kindern und Jugendlichen Prozess der Ökonomisierung begegnen, ziehungsarbeit und fachlichen Austausch gerecht werden kann. Sie darf Jugendhilfe welche fachlichen Standards es sind, die mit Kolleginnen und Kollegen lässt. nicht in finanziellen Zwängen ersticken. die Arbeit und das jeweilige Angebot Nur wenn Bund, Länder und Gemeinden ausmachen, und wie die Soziale Arbeit Politisch aktiv werden bereit sind, mehr Geld für die Kinder- mehr Einfluss in Politik und Öffentlichkeit Maria Schäfer, Initiatorin der Veranstal- und Jugendhilfe bereitzustellen, können gewinnen kann. Es wurde angeregt, dass tung und Expertin für Jugendhilfe in Betroffene die Hilfen erhalten, die sie be- die Jugendämter an einem positiven der GEW, forderte zum Abschluss die nötigen, um schwierige Lebenssituationen Image arbeiten und ihre Leistungsange- Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Ver- zu bewältigen.“ bote und deren großen Nutzen öffentlich anstaltung auf, politisch aktiv zu werden. Bernd Huster (Gewerkschaftssekretär) besser darstellen. Den Jugendhilfeeinrich- tungen wurde vorgeschlagen, eine gute Außendarstellung über soziale Medien sicher zu stellen und sich in der Region gut zu verankern. Der Wert Sozialer Ar- beit wird nach Auffassung der Fachleute besonders deutlich, wenn eine gute Vernetzung im Sozialraum vorhanden ist und enge Kontakte zu Politikern vor Ort bestehen. Strukturelle Hürden, wie etwa die Tatsache, dass keine Hilfe ohne vor- herige schriftliche Kostenzusage möglich ist, werden teilweise kritisch gesehen, da sie die Autonomie der Sozialarbeiter vor Ort einschränken. Kenntnisse darüber, wie ein Jugendamt und ein Familiengericht vor Ort arbeiten, sollten unbedingt vor- handen sein, etwa um Hilfen schnell und so wenig bürokratisch wie möglich organi- sieren zu können. Schließlich müssen die Träger von Jugendhilfemaßnahmen, die in direktem Kontakt zu den hilfeberechtigten Personen stehen, aus fachlicher Sicht notwendige Unterstützungsmaßnahmen gegenüber den Ämtern auch einfordern. Als ärgerlich wird empfunden, dass vorgeschriebene Aufgaben wie die Do- kumentation von Maßnahmenverläufen unzureichend finanziert würden. Es müsse auch überlegt werden, wie die wichtige Beziehungs- und Bindungsarbeit, die in Fotos: GEW GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 5-6 / 2018 7
Schulen Dr. Paul Schwarz im Gespräch mit dem Schulreformer Dr. Heinz Klippert Praktische Unterrichtsentwicklung stärker in den Blick nehmen Der Landauer Reformpädagoge Dr. methoden ausprobieren: Gruppenarbeit, Heinz Klippert vollendete am 19. Planspiele, Rollenspiele, Hearings, Debat- März sein 70. Lebensjahr. Mit seinen ten, Projektarbeit, Entscheidungsspiele, konkreten Anregungen zum Aufbau Betriebspraktika und vieles andere mehr. einer neuen Lernkultur hat er in Handlungsorientierter Unterricht war Deutschland viel bewegt, nicht nur das große Thema. Das Ernüchternde durch seine Tätigkeit beim EFWI, dem dabei war nur, dass sich viele Schüle- Lehrerfortbildungsinstitut der evan- rinnen und Schüler mit der geforderten gelischen Kirchen in Landau, sondern Selbstständigkeit und Kooperationsarbeit auch durch seine mehr als 400.000 erstaunlich schwer taten. Diese Erfahrung verkauften Bücher im Beltz-Verlag, hat mich in der Folgezeit bewogen, die seine vielen Vorträge in Deutschland Unterrichtsentwicklung stärker in den und im Ausland, z.B. in deutschen Blick zu nehmen, also das Methodenler- Auslandsschulen weltweit, auch durch nen mit Schülerinnen und Schülern, den seine Beratungsarbeiten und Unter- handlungsorientierten Unterricht, die richtsentwicklungs-Projekte in Berlin, Lehrerkooperation und das schulinterne NRW, Hessen, Niedersachsen, Saarland Innovationsmanagement. Diese Arbeits- und neuerdings Baden-Württemberg. felder beschäftigen mich bis heute. Unser Redaktionsmitglied Dr. Paul Schwarz Paul Schwarz hat Heinz Klippert häufig interviewt den Schulreformer Dr. Heinz auf seinem Reformweg begleitet und Wenn du die früheren und die heutigen Klippert durch seine neun Filme über Klipperts Unterrichtskonzepte vergleichst: Welche Programm viel zur Verbreitung einer Fortschritte bzw. Veränderungen siehst die fortschrittlichsten Handreichungen neuen Lernkultur in deutschen Schulen du? und Arbeitspläne nur wenig. Die meisten beigetragen. Lehrkräfte brauchen nach meinem Ein- Fortschritte sehe ich vor allem auf der pädagogischen Metaebene. Wir haben druck vor allem eines: Alltagstaugliche mittlerweile neue Bildungspläne und Hilfen, Verfahren und Routinen. Da gibt Du bist Bestseller-Autor und höchst er- es noch viele blinde Flecken. Bildungsstandards, die ganz fraglos in die folgreicher Unterrichtsreformer. Was hat richtige Richtung gehen. Konzeptionell dich seinerzeit bewogen, die Unterrichts- Spätestens seit PISA sind Ganztagsschulen haben wir also kräftig dazugewonnen. entwicklung zum Kern deiner Arbeit zu und integrierte Gesamtschulen verstärkt Kompetenzorientierter Unterricht ist machen? im Gespräch. Ablenkungsmanöver oder mittlerweile ein Muss. Ähnliches gilt für Ich habe mich bereits Anfang der 1970er- kooperatives Lernen, Methodenschulung Zukunftsperspektive? Jahre als Student der Wirtschaftswis- oder die verschiedensten Formen des Ich bin ein Befürworter der Ganztags- senschaften mit bildungsökonomischen freien und selbstgesteuerten Arbeitens. schulen, allerdings nur, wenn sie in Fragen beschäftigt. Damals wie heute An pädagogischen Konzepten mangelt verbindlicher und rhythmisierter Form ging es darum, wie man der drohenden es also nicht. angeboten werden. Gerade Kinder aus deutschen Bildungskatastrophe ent- Die eigentliche Schwachstelle ist die bildungsfernen Milieus brauchen den gegenwirken kann. Mehr Lehrer, mehr unzureichende Umsetzung der vorhan- rhythmisierenden Ganztag mit einer Chancengerechtigkeit, mehr Durchlässig- denen Konzepte. Der deutsch-finnische möglichst bunten Schülermischung, wenn keit und zeitgemäßere „Schlüsselqualifi- Bildungsreformer Rainer Domisch hat sie ihre vorhandenen Potenziale stärker kationen“ – das waren und sind zentrale das in einem Vortrag einst auf Formel freisetzen sollen. Auch viele Migranten- Optionen. In meiner Diplomarbeit bin gebracht: „Die Deutschen sind Welt- kinder profitieren von den erweiterten ich diesem Zusammenhang zwischen meister im Konzipieren immer neuer sprachlichen und sozialen Begegnungen. Wirtschaftswachstum und Bildungsarbeit Programme und Modelle, aber sie sind Allerdings muss dann auch gewährleistet dann näher nachgegangen und habe u.a. ziemliche Dilettanten im Bereich der sein, dass qualifiziertes und anregendes die Notwendigkeit aktivierender Lehr- und praktischen Umsetzung“. Dem kann ich gemeinsames Lernen stattfindet. Diese Lernverfahren entdeckt. Diese Anstöße nur zustimmen. Veränderungen brauchen Bedingung ist vielerorts leider nicht ge- haben mich nach Beendigung meines wir daher vor allem im Unterricht selbst, geben. Die Notlösung mit den nachmit- Studiums veranlasst, als „Seiteneinstei- beim Unterrichtsskript sowie bei der Lern- täglichen Betreuungsangeboten durch ger“ in den hessischen Schuldienst zu organisation und Lernmoderation. Viele schulfremde Honorarkräfte sichert dieses wechseln und ganz bewusst an eine neu Stunden verlaufen heute nämlich noch gemeinsame Lernen gewiss nicht. gegründete integrierte Gesamtschule zu ähnlich lehrer- und stoffzentriert wie vor Ähnlichen Etikettenschwindel beobachte gehen. Dort konnte ich neue Unterrichts- dreißig oder vierzig Jahren. Da helfen auch ich bei zahlreichen Integrierten Gesamt- 8 GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 5-6 / 2018
Schulen schulen und Gemeinschaftsschulen. Kinder. Damit soll der Vielfalt in den Auf der letzten Bildungsmesse in Hanno- Zwar bin ich vom Grundsatz her für diese Klassenzimmern begegnet werden. Die ver war viel von Individualisierung und Schultypen, die sich Integration, Chan- Lehrkräfte sollen Lerntheken aufbauen, Digitalisierung die Rede. Sind das die cengerechtigkeit und neue Lernverfah- unterschiedlichste Materialien und Auf- Problemlöser der Zukunft? ren auf die Fahnen geschrieben haben. gaben entwickeln und jedem einzelnen Ich habe meine Zweifel. Zu den Tücken Allerdings irritieren mich bis heute die Schüler als Berater und Coaches zur Seite der Individualisierung habe ich bereits rigiden Differenzierungsanstrengungen, stehen. Für mich ist das die programmier- gesagt, dass der Vorbereitungs- und die vielerorts unternommen werden. Da te Überforderung. Daher brauchen wir Betreuungsaufwand für die Lehrkräfte wird spätestens ab Klasse 7 nicht nur äu- dringend einen anderen Ansatz. Einen schnell überhandnimmt. Hinzu kommt das ßere Differenzierung auf mindestens zwei Weg, der alltagstauglich ist und den Lehr- pädagogische Dilemma, dass viele Schüler Niveaus betrieben, sondern häufig auch kräften – ganz im Sinne der GEW - die und Schülerinnen in Phasen der Alleinar- noch ausgeprägte Binnendifferenzierung. nötige Zeit- und Arbeitsökonomie sichert. beit häufig überfordert sind, andererseits Das treibt die Schülerinnen und Schüler Ich plädiere deshalb seit Jahr und Tag aber auch nicht den Mumm haben, die auseinander. Wie das mit dem erklärten dafür, die Förderarbeit stärker auf die Lehrkraft oder irgendwelche versierten Integrationsanspruch zusammengeht, Schülerqualifizierung zu konzentrieren. Mitschüler anzusprechen. Von daher führt verstehe ich nicht. Das heißt: Auf den systematischen Auf- die propagierte Individualisierung sehr bau grundlegender Lern- und Sozialkom- schnell in die Sackgasse. Immer mehr Eltern schicken ihre Kinder petenzen auf Schülerseite sowie einen John Hattie hat diese drohende Hilflosig- auf Privatschulen. Ist das eine Reaktion darauf gestützten integrationsfördernden keit sehr schön belegt. Ähnliches gilt für auf die mangelnde Unterrichtsqualität in Arbeitsunterricht in den Fächern. Das ist das neue Wunderwerk der Digitalisierung. den staatlichen Schulen? machbar und lohnend. Der Grundgedanke Zwar bin ich überzeugt davon, dass die dabei ist der: Wenn die Schülerinnen und Bei manchen Eltern mag das durchaus ein digitalen Arbeitsmittel wie Computer, Schüler methodisch und sozial fit sind Motiv sein. Für viele Eltern gilt jedoch, Smartphones, Whiteboards usw. den Un- und der Fachunterricht differenzierte dass sie ihre Kinder in erster Linie vor der terricht zukünftig sehr bereichern können Arbeits- und Interaktionsanlässe für den Proletarisierung des Gymnasiums und der – vorausgesetzt, die technischen und me- Klassenverband bietet, dann ist selbstre- Realschulen schützen wollen. Sie möchten thodischen Voraussetzungen werden in guliertes Arbeiten und Kooperieren nicht für ihre Kinder eine gewisse Exklusivität den Schulen geschaffen. Bereichern heißt länger eine Utopie. Das bestätigen die von sichern und schicken sie daher in spezi- aber nicht gewährleisten! Auch zukünftig mir betreuten Unterrichtsentwicklungs- ell profilierte Privatschulen: kirchliche, werden nach meiner Ansicht konventio- projekte in mehreren Bundesländern. anthroposophische, internationale usw. nelle Lehr- und Lernverfahren nötig sein, Die Schülerinnen und Schüler helfen, Vielen dieser Eltern geht es also mehr die dem Lernen der Kinder Struktur und beraten, kontrollieren und erziehen sich um Exklusivität und Prestige als um die Tiefe geben und das Erfahrungslernen und wechselseitig; die Lehrkräfte können sich Art und Qualität des Unterrichts. Gleich- das Miteinander in den Klassen betonen. stärker zurücknehmen und beobachten. wohl glauben viele von ihnen, dass die Digital gestützte Selbstlernprozesse kön- Das begünstigt Lehrerentlastung und Privatschulen moderneren und besseren nen diese Arbeitsweise anreichern, aber Schülerintegration Wichtig auch: Dieses Unterricht böten. Das ist insofern ein nicht ersetzen. Miteinander- und Voneinander-Lernen Missverständnis, als die meisten Privat- nützt erwiesenermaßen allen: den Schwä- schulen bestenfalls kleinere Klassen, Inklusion, Abschaffung der Förderschulen. cheren wie den Stärkeren. Das zeigt so- mehr Flexibilität und intensivere Betreu- Wie realistisch und bildungswirksam ist wohl die neuere Lernforschung als auch ungsangebote in die Waagschale werfen diese Reforminitiative? die jüngsten PISA-Studie. können. Der landläufige Unterricht ist in der Regel kaum anders als in den staatli- chen Schulen. Schließlich wirkt die Leh- rerausbildung egalisierend. Andererseits sind die Privatschulen einem erhöhten Innovationsdruck ausgesetzt, wenn sie sich auf dem Bildungsmarkt behaupten wollen. Das betrifft gewiss auch die Lehr- und Lernverfahren. Privatschulen, die hier innovativ sind, können den staatlichen Schulen schnell den Rang ablaufen. Wie können bzw. sollten Lehrkräfte mit der wachsenden Heterogenität in den Klassen umgehen? Die aktuellen Zauberworte heißen Indivi- dualisierung, Differenzierung, Freiarbeit Heinz Klippert: „Veränderungen brauchen wir vor allem im Unterricht selbst.“ und lehrerseitige Intensivbetreuung der Fotos: GEW-Bildarchiv GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 5-6 / 2018 9
Schulen Über die Notwendigkeit verstärkter In- Fortbildungsveranstaltungen erzwingen dass eine Gewerkschaft wie die GEW für klusionsbemühungen muss sicher nicht relativ vordergründige Instruktionen und kleinere Klassen, bessere Lehrerversor- länger gestritten werden. Die Frage ist Aussprachen. Innovatives praktisches gung, mehr Anrechnungsstunden, höhere nur, in welchen Schritten und in welchem Handwerkszeug der Lehrkräfte wird unter Besoldung oder mehr Demokratie und Umfang Inklusion tatsächlich gelingen diesen Umständen viel zu wenig eingeübt. Inklusion in der Schule eintritt. Nur: Die kann. Die Behindertenrechtskonvention Lehrertraining, Simulationsspiele, Work- meisten dieser Forderungen verpuffen auf der UN zielt auf ein Mehr an Teilhabe und shops, Unterrichtsbesuche, Fallstudien der Metaebene des bildungspolitischen Menschenwürde, aber nicht um jeden und andere Learning-by-Doing-Angebote Schlagabtauschs. Das ist alles andere als Preis. Von daher sind Behutsamkeit und fehlen meist. Kein Wunder also, dass die befriedigend. Abwägen angezeigt. Uneingeschränkt op- Unterrichtsentwicklung in den Schulen Deshalb würde ich mir wünschen, dass timistisch bin ich bei der Gruppe der lern- wenig Schub erfährt. Hier muss die die GEW sehr viel stärker als bisher auf und verhaltensgestörten Kinder - Seh- und Lehrerbildung dringend umsteuern und die Verbesserung der konkreten Arbeits-, Hörbeeinträchtigte eingeschlossen. Diese bessere Vorleistungen erbringen. Kooperations- und Fortbildungsbedin- sind in der Vergangenheit oft vorschnell gungen der Lehrkräfte abstellt. Wie Uwe auf Förderschulen abgeschoben worden. Viele Lehrkräfte beklagen wachsende Schaarschmitt in seinen diversen Studien Ein Großteil dieser Kinder hat erhebliche Belastungen im Schul- und Reformalltag. zur Lehrergesundheit nachgewiesen intellektuelle und sozial-emotionale Wie ließe sich Lehrerentlastung erreichen? hat, machen den Lehrkräften nämlich Reserven und kann bei frühzeitiger För- vor allem die Friktionen und Störungen Die vorgebrachten Klagen sind in Teilen derung und Integrationsarbeit sehr wohl im alltäglichen Unterricht zu schaffen. sehr berechtigt. Viele Reformen waren in in der Regelklasse gehalten werden. Hier Von daher liegt es nahe, z.B. die unter- der Vergangenheit eher vordergründiger macht das Zurückdrängen der Förderschu- richtszentrierte gewerkschaftliche Lehrer- und zeitintensiver Aktionismus. Da wur- len also durchaus Sinn. fortbildung gezielt auszubauen und dabei den in unzähligen Sitzungen abstrakte Viel schwieriger wird es dagegen bei neue fortbildungsdidaktische Akzente Schulprogramme oder Leitbilder entwi- jenen Kindern, die ausgeprägt geistig zu setzen und der Politik vorzuführen: ckelt, aufwändige Arbeitspläne erstellt, oder auch mehrfachbehindert sind und Mehrtägige Seminare, Erfahrungslernen, schulinterne Evaluationen konzipiert deshalb im gängigen Fachunterricht per Lehrertraining, kollegiale Supervision, oder vielfältige Pflichtfortbildungen zu se nicht mitwirken können. Sie lediglich im Bereitstellung bewährter Lehr- und Lern- den neuen Bildungsplänen oder sonsti- Klassenzimmer sitzen und von speziellen hilfen, gemeinsame Unterrichtsvorberei- gen schulpolitischen Weichenstellungen Förderkräften betreuen zu lassen, hat mit tung, Archivierung innovativer Stunden abgesessen. Ich verstehe gut, dass sich ernsthafter Inklusion wenig zu tun. Viele usw. Da sind gewerkschaftliche Initiativen viele Lehrkräfte dadurch unnötig belas- dieser Kinder sind in spezialisierten För- und Publikationen dringend vonnöten. tet oder auch frustriert fühlen. Was ich derschulen sehr viel menschenwürdiger Wichtig wäre aber auch, dass die GEW allerdings nicht verstehe, ist, dass die aufgehoben als in einer Regelklasse. Im gegenüber der Bildungspolitik und der Lehrkräfte so wenig gegen die unter- Ausland kann man diese unverkrampfte Bildungsadministration vehementer richtlichen Belastungen angehen. Hier Differenzierung der Förderangebote und als bisher für eine fokussierte Unter- sehe ich die größten Chancen. Entlastung Fördereinrichtungen gut beobachten. richtsentwicklung eintritt und geeignete durch konsequente Methodenschulung, Was dort geht, sollte auch bei uns mög- Rahmenbedingungen und Unterstüt- durch Teamentwicklung in den Klassen, lich sein. zungsleistungen des Staates benennt durch verbindliche Regeln und Rituale, und durchsetzt. Das betrifft die Lehrer- durch eingespielte Arbeitsabläufe und Die Lehrerbildung müsste der Motor der ausbildung wie die Lehrerfortbildung, die Arbeitsroutinen – das alles reduziert den Unterrichtsentwicklung sein. Inwieweit ist Lehr- und Lernmittelbeschaffung wie die Arbeitsstress für die Lehrkräfte. Die von das der Fall und was müsste ggf. geändert Lehrerfreistellung, die Prüfungsverfahren mir entwickelten und publizierten Lern- werden? wie die Schulleiterqualifizierung. Für viele spiralen und Trainingsspiralen sichern Schulleiterinnen und Schulleiter wäre Die Lehrerbildung erlebe ich selten als derartige Entlastungseffekte. Ein weiterer es gewiss hilfreich, zum Aufgabenfeld Motor der Unterrichtsentwicklung. Das Entlastungshebel ist die Lehrerkoopera- Unterrichtsentwicklung ein mehrtägiges gilt insbesondere für die Lehrerausbildung tion. Das beginnt bei der arbeitsteiligen Strategieseminar zu durchlaufen, um das an den Hochschulen. Hier ist es nach wie Unterrichtsvorbereitung im Rahmen praktische Innovationsmanagement ge- vor Usus, den erziehungs- und fachwis- schulinterner Workshops und reicht über nauer auszuloten. Dafür könnte sich die senschaftlichen Überbau des Lehrerberufs abgestimmte Lehr-, Lern- und Erziehungs- GEW z.B. stark machen. Von daher spricht zu skizzieren und die praktische Lehrer- stile auf Klassen- und Schulebene bis hin vieles dafür, dass die GEW gut daran tut, arbeit eher zu vernachlässigen. Dieser bis zu kooperationsfördernden Freistel- die praktische Unterrichtsentwicklung Abstraktismus der Lehrerbildung wird lungs- und Unterstützungsmaßnahmen verstärkt in den Blick zu nehmen und den in der zweiten und dritten Ausbildungs- der Schulleitungen. Lehrkräften einen möglichst ermutigen- phase zwar deutlich überwunden, aber den Innovationsservice zu sichern. auch in diesen Phasen kommt der Aufbau Deine Empfehlungen an die GEW? unterrichtspraktischer Handlungskom- Vielen Dank für das Gespräch. petenzen häufig viel zu kurz. Zweistün- Ich kann direkt beim Thema Lehrerentlas- dige Seminare und halb- oder eintägige tung anknüpfen. Natürlich verstehe ich, 10 GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 5-6 / 2018
Schulen Im Gespräch mit Landtagsparteien in Rheinland-Pfalz für den Schuldienst zu interessieren. Fachkräftemangel an Schulen im Fokus Zur Forderung der GEW nach einer gerechten Besoldung für Grundschul- Eine GEW-Delegation mit Carmen Zur- Spanisch aufzuwerten, um die Sprache als lehrkräfte nach A13 wurde kontrovers heide, Stefan Jakobs und Klaus-Peter 2. Fremdsprache an rheinland-pfälzischen diskutiert. Die GEW-Delegation hob die Hammer hatte am 20.02.18 die Gele- Schulen als verlässliches Angebot zu eta- Wertigkeit professioneller Arbeit der genheit, mit der bildungspolitischen blieren, wie das die meisten Bundeslän- Kolleginnen und Kollegen, u.a. im Umgang Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, der bereits tun. Nur so wird es auch für mit Heterogenität, an unseren Grund- Helga Lerch, ein ausführliches und sehr ausgebildete Lehrkräfte interessant, sich schulen hervor. lebendiges Gespräch über die zentra- len Forderungen der GEW zum Thema Fachkräftemangel zu führen. Man war sich darin einig, dass es in Rheinland- Pfalz einen großen Nachholbedarf gibt, um den Fachkräftemangel zu beheben. Beide Seiten bekräftigten, dass es wichtig sei, mit benachbarten Bundesländern konkurrenzfähig zu bleiben, damit Ab- wanderungen von Lehrkräften verhin- dert werden können. Inwieweit die dazu gehörenden Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden können, hängt nicht nur von Entscheidungen des Landtags ab, sondern auch von den Mitteln, die das Land ggf. vom Bund erhalten wird, sollte das Kooperationsverbot fallen. Ein besonderes Anliegen von Frau Lerch war die Aufwertung des Faches Spanisch als 2. Fremdsprache in der Sekundarstufe 1. Auch aus Sicht der GEW ist es sinnvoll, Großes Verständnis für GEW-Forderungen bei SPD Christiane Grenda, Christiane Herz, Sabine Dazu gehören ebenso die Schaffung von Rheinland-Pfalz fest eingestellt werden Weiland und Klaus-Peter Hammer führten mehr Planstellen und eine fortlaufende können. Hierzu gehöre auch die flexiblere am 01.03.18 mit Vertreterinnen der SPD- und flexiblere Einstellung während des Anerkennung von 2. Staatsexamen von Landtagsfraktion Bettina Brück, Giorgina Schuljahres und eine deutliche Erhöhung Bewerber/innen anderer Bundesländer. Kazungu-Haß, und Dr. Anna Köbberling ein der Beamtengehälter. Hier hatte die GEW Jede Maßnahme, die dazu beiträgt, dass Gespräch über den Forderungskatalog der betont, dass man alles Erdenkliche unter- sowohl schnellere als auch feste Einstel- GEW zur Behebung des Fachkräfteman- nehmen müsse, damit mehr Lehrkräfte in lungszusagen gemacht werden können, gels an rheinland-pfälzischen Schulen. Die GEW-Vertreter/innen machten in dem Gespräch deutlich, dass es sehr dringend ist, dass die Landesregierung mehr Maß- nahmen ergreift, um gegen den Fachkräf- temangel an den rheinland-pfälzischen Schulen vorzugehen, der in den nächsten Jahren besonders an den Grundschulen und Förderschulen gravierender werden wird. Dringend seien Maßnahmen, die dazu beitragen, dass weniger Lehrkräfte in andere Bundesländer abwandern und dass mehr Lehrkräfte nach Rheinland- Pfalz kommen. So wäre z.B. die Erhöhung der Anwärter/innenbezüge auf mindes- tens 1.500 Euro ein richtiger Schritt. GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 5-6 / 2018 11
Schulen sind richtige Maßnahmen. Man müsse kei- Anerkennung des 2. Staatsexamens an- Schulbereich sehen auch die Vertreterin- ne Angst haben, dass auf einmal zu viele derer Bundesländer. Bei der Abschaffung nen der SPD-Landtagsfraktion dringenden Personen über eine Planstelle eingestellt von sachgrundlosen Befristungen im Handlungsbedarf. pm würden, da der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren immer größer werden wird und wir froh sein können, so viele ausgebildete Lehrkräfte wie möglich in Rheinland-Pfalz zu halten. Seitens der SPD hatte man großes Ver- ständnis für die benannten Forderungen, jedoch müsse man immer den Landes- haushalt und die Schuldenbremse im Blick haben. So sieht man z.B. so schnell noch keine Möglichkeit, alle Lehramtsstudien- gänge auf 10 Semester anzupassen, weil es z.Z. nur schwer finanzierbar sei und man die Finanzmittel für die Verbesse- rung der pädagogischen Versorgung der Schulen bräuchte. Die GEW widersprach dieser Aussage, da die Entwicklung in anderen Bundeslän- dern eindeutig in Richtung Aufwertung Auch mit Daniel Köbler, bildungspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der Grünen, des Grundschullehramtes gehe und kam es zu einem fachlichen Austausch. In einem konstruktiven Gespräch waren sich sich Rheinland-Pfalz dem nicht entzie- GEW und Grüne einig, dass der Fachkräftemangel besonders an Grund- und Förder- hen könne. Unstrittig waren die GEW schulen eines derzeit dringendsten Probleme ist. Der Beruf der Grundschullehrkraft Forderungen bezüglich der flexibleren muss dringend aufgewertet werden. Auch muss die Wechselprüfung zum Grundschul- Wechselprüfungen und einer flexibleren lehramt flexibilisiert werden. GEW im Gespräch mit dem Institut für Lehrergesundheit Etablierung eines präventiven Gesundheitsmanagements „Wir sind uns einig im Ziel: Etablierung se Rheinland-Pfalz in engem Kontakt, die dem Schulträger vorgelegt, der diese auch eines präventiven Gesundheitsmanage- im Bedarfsfall mit herangezogen wird. Das in Kopie an die Schulleitung weiterleitet; ments in den rheinland-pfälzischen IfL berät, unterstützt, gibt Hilfestellungen, der örtliche Personalrat hat Anspruch Schulen“, so die Vertretung der GEW und aber letztlich ist die Dienststellenleitung auf die gleiche Information. Sollte Be- des Instituts für Lehrergesundheit. Unter in der Verantwortung, die sie auch nicht ratungsbedarf bezüglich der Interpreta- Leitung von Prof. Dr. Letzel (IfL) und Dieter wegschieben kann. tion der Messdaten und des möglichen Roß (GEW) wurde in einem zweistündigen Ausführlich wurde am Beispiel vermu- Handlungsbedarfs bestehen, kann das IfL Gespräch ausführlich über den Stand der teter Schadstoffe im Schulgebäude und helfen. Soweit Maßnahmen mit festgeleg- Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes im -gelände die professionelle Vorgehens- ten Zeitperspektiven durchzuführen sind, Schulbereich gesprochen. weise besprochen. Hier trifft die Verant- muss die Schulleitung (gemeinsam mit Es wurde erneut klargestellt, dass die Lei- wortlichkeit der Dienststellenleitung und dem örtlichen Personalrat) darauf achten, tung einer Schule als Beauftragte des Bil- mit der Zuständigkeit des Schulträgers dass dies geschieht. Erforderlichenfalls dungsministeriums verantwortlich ist für zusammen, was die Angelegenheit nicht kann die Schulleitung die ADD um Unter- die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags, einfacher macht. Die Schulleitung oder stützung ersuchen. Nach Durchführung insbesondere für die Gefährdungsbeurtei- der örtliche Personalrat in Absprache einer Maßnahme ist es wichtig, diese ist lung. Der örtliche Personalrat ist durch das mit der Schulleitung meldet sich bei IfL unter Einbezug der Schule zu evaluieren. Landespersonalvertretungsgesetz (LPers- und benennt die Besorgnisse bezüglich Ist das vorgesehene Ergebnis eingetreten VG) in der Lage, entsprechend initiativ zu möglicher Schadstoffe. Am Runden Tisch oder muss nachgebessert werden? Die werden. Das IfL kann auf Anfrage bei der unter Einbezug des Schulträgers wird das Verantwortung der Schulleitung kann Durchführung der Gefährdungsbeurtei- Messprogramm bzw. werden die Mess- nicht auf den Schulträger delegiert wer- lung und den nachfolgenden Maßnahmen programme abgesprochen, anschließend den, sondern bleibt bei ihr. zur Beseitigung bzw. Minimierung von Be- vom Einrichtungsträger die geeignete Die GEW und auch das IfL sehen die Not- lastungen, Risiken und Gefährdungen Hil- Fachinstitution mit den Messungen be- wendigkeit, weiter gezielt Informations- festellungen und Handlungsempfehlun- auftragt. Die Auftragsausführung sollte veranstaltungen für Schulleitungen und gen geben. Dazu hat das IfL Instrumente in guter Kommunikation mit der Schule örtliche Personalräte anzubieten. Denn entwickelt und ist auch mit der Unfallkas- erfolgen. Die Ergebnisprotokolle werden es gibt noch viele Schulen, bei denen eine 12 GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 5-6 / 2018
Schulen professionelle Gefährdungsbeurteilung noch nicht stattgefunden hat. Das IfL steht auf Anfrage für Info-Veranstaltun- gen zur Verfügung. Es ist anzuraten, die Wirksamkeit solcher Veranstaltungen zu überprüfen. Ausgehend vom Gesundheitsbericht für das Schuljahr 2014/15 wird das breite Dienstleistungsanbot des IfL seitens der GEW positiv gewürdigt. Der Gesundheits- bericht lässt erkennen, dass es zahlreiche Ansatzpunkte gibt, die Verhältnisse zu verbessern und auf Verhaltensänderun- gen hinzuwirken. Man muss, so das IfL, auf die einzelne Schule blicken, um genau die Punkte zu benennen, bei denen beim Verhalten und/oder den Verhältnissen Verbesserungsbedarf besteht, und dort muss der Wille vorhanden sein, das Er- forderliche und Notwendige zu tun. Intern macht das IfL das Bildungsministerium auf Einzelpunkte aufmerksam, es sieht sich aber nicht in der Lage, allgemeine Empfehlungen - das rheinland-pfälzische Schulsystem betreffend - zu geben. d.r. GEW und IfL im Gespräch Foto: Winfried Reinhard GEW-Erfolg: Die neue Lehrkräfte-Wechselprüfungsverordnung In mehreren Gesprächen forderte die Unklar ist allerdings noch die Konzeption zeitnah folgen, um dem Fachkräftemangel GEW das Bildungsministerium nach- der Ausbildungsinhalte an den Seminaren. an Grundschulen entgegen zu wirken. drücklich auf, Maßnahmen gegen den Die GEW weist außerdem darauf hin, Auch KollegInnen aus anderen Lehräm- Fachkräftemangel an Grundschulen zu dass - bezogen auf die Wechselprüfungen tern mit erstem Staatsexamen sollte die ergreifen. Es bestand Einigkeit, dass der - für MentorInnen, FachleiterInnen und Möglichkeit eröffnet werden, ins Grund- Qualitätsanspruch an unterrichtende WechselprüfungsanwärterInnen dringend schullehramt zu wechseln. Durch Nach- Lehrkräfte in der Grundschule nicht Ermäßigungen des Stundendeputats ge- qualifizierung - wie oben beschrieben unterlaufen werden darf. währt werden müssen. - und anschließendem Absolvieren des KollegInnen anderer Lehrämter, die kein Referendariates im Grundschulbereich Von Seiten der GEW wurden konkrete grundschulrelevantes Fach nachweisen könnte dies ermöglicht werden. Vorschläge gemacht, u.a. die Erleichte- konnten, war die Zulassung zur Wechsel- Insgesamt begrüßt die GEW, dass die rung der Wechselprüfung für Lehrkräfte prüfung an die Grundschule bisher nicht Wechselprüfung derzeit einer umfäng- aus anderen Lehrämtern angemahnt. möglich. Auch hier hat das Bildungs- lichen Überarbeitung unterzogen wird, Nun hat das Bildungsministerium mit der ministerium nachgebessert. Nun gilt da wir weitere Änderungsbedarfe sehen. beabsichtigten Änderung der Lehrkräfte- der schwerpunktmäßige Einsatz in den Darüber hinaus fordert die GEW in ihrem Wechselprüfungsverordnung reagiert. Fächern Deutsch oder Mathematik als Katalog zur Behebung des Fachkräfteman- Bisher konnten Lehrkräfte aus anderen Vertretungslehrkraft an einer Grundschu- gels u.a. die Bereitstellung von deutlich Lehrämtern die Zulassung zur Wechsel- le als Zulassungsvoraussetzung. mehr Planstellen an Grundschulen, die prüfung für das Lehramt an Grundschulen Vertretungslehrkräfte anderer Schularten gerechte Besoldung von Grundschullehr- durch ein berufsbegleitendes Studium an ohne Grundschulfach, die bereits Nachfra- kräften, einheitliche Regelstudiendauer, den Universitäten Landau oder Koblenz gen gestellt hatten und eine Absage beka- Einstellungen auch während des Schul- erlangen. Die Standorte beider Univer- men, ist es mit der Neuregelung möglich, jahres sowie die Entlastung der Arbeit an sitäten stellten auf Grund räumlicher die Wechselprüfung für die Grundschule Schulen. Wir werden zur Durchsetzung Entfernungen oft ein Hindernis für am zu machen. unserer Forderungen auch weiterhin in Grundschullehramt interessierte Kolle- Mit den geplanten Maßnahmen des Bil- der Diskussion mit den Verantwortlichen ginnen und Kollegen dar. Hier soll jetzt dungsministeriums ist der erste Schritt im Bildungsministerium bleiben. Abhilfe geschaffen werden: Die Qualifizie- getan, um KollegInnen aus anderen Schul- Für die Landesfachgruppe Grundschulen: rung für das Grundschullehramt kann nun arten für die Arbeit in der Grundschule Carmen Zurheide und Martina Krieger auch an den Studienseminaren erfolgen. zu gewinnen. Weitere Schritte müssen GEW-Zeitung Rheinland-Pfalz 5-6 / 2018 13
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