Pädagogische Hochschule Weingarten
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Pädagogische Hochschule Weingarten Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen 2008 Wissenschaftliche Hausarbeit von Jürgen Hauser Boxen als Schulsport: pädagogisch-didaktische Überlegungen zur Wiedereinführung des Boxtrainings in Schulen Fach: Sport Dozent: Professor König Eingereicht von: Jürgen Hauser Eingereicht am: 30.01.2008
Jürgen Hauser – Herrenstr. 41 – 88 212 Ravensburg – Tel. 0751/1 65 33 Freiberuflicher Boxtrainer mit B- und C -Trainer-Lizenz │ E-Mail: j.houser@web.de Bedanken möchte ich mich vor allem bei Markus Regele und Stefan Käser, deren (wissenschaftliche) Arbeiten für „Boxen als Schulsport“ grundlegend sind. Stefan Käser und Sonja Tuor danke ich außerdem herzlich dafür, dass sie mir eine Woche ihr Dachzimmer in Basel zur Verfügung stellten, um für diese Arbeit in Klausur zu gehen. Mein besonderer Dank gilt auch Markus Glaser und Marco Ricciardo, die mich in all der Zeit im Kings Gym vertreten haben. Widmen tue ich diese Arbeit allen Boxneugierigen, dem Sohn von Sonja und Stefan, der bald auf die Welt kommt, und meinem Bruder Heinz, ohne den es für mich das Kings Gym nicht gäbe. Hiermit versichere ich, dass die Arbeit selbst angefertigt, nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt und alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken, gegebenenfalls auch elektronischen Medien, entnommen sind, durch Angabe der Quellen als Entlehnung kenntlich gemacht habe. Entlehnungen aus dem Internet habe ich durch einen datierten Ausdruck belegt. Ravensburg, den ………………….…………………. Unterschrift ……………………………..……………
(Kings Gym) Jürgen Hauser vs Giovanni Saravo (VFB Friedrichshafen) Mein Abschiedskampf beim „Box´nBlues“ im Konzerthaus Ravensburg am 7.12.2002
Zur Einstimmung – Zitate zum Boxen: „Beim Amateurboxen können, ähnlich wie bei anderen Sportarten, Unfälle höchstens durch äußere, unvorhergesehene Einwirkungen eintreten, doch wird dieses Risiko andererseits durch den hohen körperlichen und sittlichen Wert des Sports aufgewogen.“ (Moraltheologen des Vatikans, 1962, in Funke „Acht Jahre Langzeitstudie Amateurboxen“) „Und was den Irrtum anbetrifft, daß das Boxen rohe Instinkte entstehen lasse, so kann dieser nur in dem Kopfe neidischer Schwächlinge oder geistig Minderwertiger existieren. Fern davon ist es ein veredelnder Sport, einer, der, während er den Sinn des Selbstschutzes entwickelt, auch die schöne Eigenschaft der Barmherzigkeit in uns zur Blüte bringt.“ (Georges Carpentier, Meine Methode des Boxens) „Boxen ist ein Sport für jeden. Für den einen dient es der Konditionierung, für den anderen ist der Wettkampf das Schönste. Für alle aber ist es ein Weg, um Körper und Geist zu schulen und durch Zusammenarbeit mit einem Partner die Höhen und Tiefen der Sportart zu erfahren.“ (K.-H. Wehr, Generalsekretär der AIBA, Weltverband des Olympischen Boxens) „Die Erfahrungen aus den psychologisch begleiteten Boxtrainings in England und den USA belegen eindrucksvoll, wie die Werte des Boxens entscheidende Führungsqualitäten stärken: Mut, Selbstverantwortung, Zielstrebigkeit, Präzision, Siegeswille, Ehrlichkeit, Selbstvertrauen, Entschlossenheit, Respekt, Disziplin, Selbstbeherrschung, Würde, Beharrlichkeit, Selbst- erkenntnis, Autonomie, körperliche Gesundheit.“ (Kai Hoffmann in „Boxen&Managen) „Meine Untersuchung zeigt, dass das Boxtraining ein sportpädagogisch nutzbares Mittel ist, um aggressives Verhalten von Schülern zu modifizieren und somit Gewalt vorzubeugen. Das Boxtraining macht den Schülern Spaß und bietet eine willkommene Abwechslung zum konventionellen Sportunterricht.“ (Markus Regele in seiner Arbeit „Gewaltprävention im Sportunterricht – Schüler fordern und fördern durch Boxtraining“, 2002) „Unsere Gesellschaft versäumt es, in den Schulen bereits boxsportliche Übungen in den Unterricht einzubauen, dafür zu werben und Interesse zu entwickeln. Wichtiger als fragliche Meistertitel sollte es sein, junge Menschen aus den Übungsstunden mit Freude und Selbstvertrauen zu entlassen, ihr Bewegungsrepertoire (Motorik) zu schulen, ihnen ihre Aggressionen zu nehmen, sie in sportliche Bahnen zu lenken. Es gibt beispielhafte Projekte zur Resozialisierung Straffälliger, aber die Erziehung zur Selbstdisziplin müsste früher und breiter im Alltag unserer Jugendlichen ansetzen.“ (Riem, Kleymann in „Fitnessboxen“) „Wenn die Götter einen der ihren entsandt haben, den Menschen zu demonstrieren, daß Boxen eine Kunst des 20. Jahrhunderts ist, dann konnte nur Ali dieser Abgesandte sein...“ (Michael Kohtes in „Boxen – Eine Faustschrift“)
Vorwort Wenn Sie der Titel dieser Arbeit „Boxen als Schulsport“ verwundert oder befremdet: Hier geht es um eine ganz neue Art des Boxens, wie sie in Deutschland erst seit Mitte der 90er Jahre aufkommt. Es ist eine Art des Boxens, bei der Fitness, Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung im Mittelpunkt stehen und nicht der Wettkampf. Die Sinngebungen sind dadurch ganz andere. Da „Boxen“ über Jahrtausende rein als Wettkampfsport kultiviert wurde, muss das erst mal klar gedacht werden, um eine neue Perspektive einnehmen und „Boxen“, von dem hier die Rede ist, neu denken zu können. Seit 25 Jahren betreibe ich den Boxsport aktiv und in dieser Zeit hat mir das Boxen neben physischer und psychischer Fitness vor allem Selbstbewusstsein gegeben und vermittelt, was „Respekt“ bedeutet. Boxen ist für mich Passion und Sinnbild des Lebens. Um die positiven Effekte des Boxsports weitergeben zu können, gründete ich 1999 die Boxschule „Kings Gym“ in Ravensburg. Mit der Idee, Boxsport stärker in Schulen bringen zu können, nahm ich schließlich 2003 auch das Lehrerstudium an der PH Weingarten auf. Im Laufe meines Studiums hat es sich immer weiter konkretisiert: Ich möchte mich für „Boxen als Schulsport“ in Baden-Württemberg und Deutschland einsetzen. Hierfür haben sich mit dem Start der landesweiten Schulprojekte „Boxen“ in Niedersachsen und Hamburg im September 2007 die Bedingungen deutlich verbessert. Vor allem ist eine öffentliche Aufklärungsarbeit über Boxen bei Eltern, Lehrern und Politikern, aber auch der Aufbau einer Infrastruktur für Lehrer- bzw. Trainerausbildungen notwendig. Dabei dient mir das wissenschaftlich und empirisch begleitete Hamburger Projekt „Box-Out“ als Vorbild. Durch die jahrelangen Erfahrungen als Betreiber des Kings Gym, Boxtrainer (mit C- und B-Lizenz) sowie mit meiner pädagogischen Ausbildung, bringe ich beste Voraussetzungen für die Leitung eines landesweiten Projekts in Baden-Württemberg mit. Mit Box-Out, einer Mischung aus Fitness-, Leichtkonktakt- und Olympisch Boxen, käme in jedem Fall mehr Bewegung und ein toller Sport in die Schulen Baden-Württembergs ...
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport Inhaltsverzeichnis 1. Anspruch und Sinn dieser Arbeit 1.1. Einführung und persönlicher Bezug zum Thema „Boxen“ 2 1.2. 15 (gute) pädagogisch-didaktische Gründe für die Einführung von Boxtraining olympischer Art in Schulen 12 1.3. Aufbau dieser Arbeit 14 2. Der Boxsport – Entstehung, Entwicklung und Bedeutung in der Gegenwart 2.1. Geschichte des Boxsports von der Antike bis zur Gegenwart 16 2.2. Boxen heute 18 2.3. Boxen ist nicht gleich Boxen: Boxen als Schulsport Profiboxen/Olympisches Boxen/Leichtkontaktboxen/Fitness-Boxen 19 3. Wirkungen des Boxtrainings auf Psyche und Physis 3.1. Boxen zur positiven Charakter- und Persönlichkeitsbildung 28 3.2. Physisch-sportliche Effekte des Boxtrainings 34 3.3. Psychisch-pädagogische Effekte des Boxtrainings 41 4. Bezug zum Bildungsplan 2004 (Baden-Württemberg) 44 5. Fazit: „Boxen als Schulsport“ macht Sinn 46 6. Literaturverzeichnis und Anlagen 6.1. Literaturverzeichnis und wichtige Internetadressen 47 6.2. Anlagen 49 Pädagogische Hochschule Weingarten 1
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport 1. Kapitel: Anspruch und Sinn dieser Arbeit 1.1 Einführung ins Thema und persönlicher Bezug Nebenstehende Reaktion des Professors auf das Einreichen des Themas „Boxen als Schulsport“ „Was ´Boxen als Schulsport´ ? – Das wollen wir aber nicht wirklich. ist sicherlich keine Einzelmeinung, sondern Die Schüler schlägern doch schon genug …“ bringt die Sicht vieler Pädagogen, Eltern und Politiker zum Ausdruck, wenn sie mit Der Professor des Prüfungsamtes diesem Thema konfrontiert werden: „Sollen wir die Schüler sich jetzt auch noch schlagen lassen?“ Boxen ist umstritten. Für die einen ist Boxen abstoßend, brutal und primitiv, für die anderen faszinierend, anmutig und schön. Vorurteile und Ablehnung einerseits stehen Interesse und Zustimmung andererseits gegenüber. Kaum ein anderer Sport ruft stärkere Widersprüche hervor und polarisiert so sehr wie Boxen. Dabei ist zu fragen: Nimmt die Gewalt (Schlägern) vielleicht gerade deshalb zu, weil es das sportliche Kämpfen und Sich Messen (Boxen) zu wenig gibt? Welches Boxen ist überhaupt gemeint, das Profiboxen oder das Amateurboxen? Wird der Boxkampf oder das Boxtraining betrachtet? Geht es um Boxen als Wettkampf- und Hochleistungssport oder Fitness- und Breitensport? Oder, aufgrund der aktuellen Diskussion um Jugendgewalt, ist Boxtraining tatsächlich ein wirksames Mittel für den Abbau von Aggressionen und die Prävention/Verhinderung von Gewalt? Auch die obige Reaktion des Professors zeigt doch nur, dass es zu wenig Unter- scheidungsvermögen gibt, Fragen und Widersprüche da sind. Da wir Menschen vor allem dann kommunizieren, wenn etwas nicht klar ist, bin ich fast schon dankbar dafür. Es gilt etwas zu klären, zu differenzieren, pauschale Vorurteile gegen das Boxen zu widerlegen und die vielen positiven Wirkungen des Boxsports heraus zu stellen. Das möchte ich mit dieser Arbeit tun. Pädagogische Hochschule Weingarten 2
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport Ein Vierteljahrhundert bin ich nun mit dem Boxsport verbunden: 1983 begann ich mit dem Boxtraining, von 1988 bis 2002 bestritt ich 87 Wettkämpfe als Amateurboxer und seit 1999 betreibe ich als freiberuflicher Trainer und Vorstand das „Kings Gym“ 1 in Ravensburg, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Boxsport und Boxkultur in der ganzen Vielfalt zu fördern und für ein besseres Image des Boxsports in der Öffentlichkeit zu sorgen (vgl. Vereinsstatuten). Boxen ist meine Passion und Sinnbild des Lebens geworden. Dabei habe ich erst mit 18 Jahren den Boxsport kennen gelernt, nachdem ich bei einem Zweiradunfall beide Beine schwer gebrochen, Elternhaus und Familienbetrieb kurz nach der Kfz- Lehre nicht gerade in Freundschaft verlassen und auf eigenen Füßen zu stehen hatte. Der Boxsport hat mir dafür viel Kraft, Orientierung und Selbstvertrauen gegeben. Um diese Erfahrungen weitergeben zu können, aber auch, weil „Bewegte Schule“ und „Boxschule“ gut zusammen passen und Bewegung und Boxsport in Schulen bringen will, habe ich im Herbst 2003 das Lehrerstudium aufgenommen. In jedem Fall würde Boxtraining eine gute Möglichkeit dafür bieten, dass Schülerinnen und Schüler „ihre Kräfte beim kontrollierten Raufen und Kämpfen messen“ können. (Bildungsplan 2004 von Baden-Württemberg, S.115) Boxen ist wohl in der Gesellschaft deshalb so umstritten, weil in den Medien nur „Profiboxen“ und zu wenig „Olympisches Boxen“ vorkommt. Es wird zu wenig unterschieden wie zwischen Boxkampf und Boxtraining. Auch wenn die aus Show und Spektakel resultierenden Vorurteile gegenüber dem Boxsport, es nicht gerade leicht machen, für „Boxen als Schulsport“ zu wirken, möchte ich hier nicht gegen das Profiboxen schreiben. Immerhin hat es das Boxen hierzulande wieder „salonfähig“ gemacht. Das würde auch den vielen herausragenden Sportlern nicht gerecht, allen voran Muhammad Ali, der nicht nur sportlich im Boxen „Der Größte“ war, sondern wie Nelson Mandela oder Mahatma Gandhi auch politisch Großartiges geleistet hat (wir verdanken ihm außerdem unseren Namen 2 ). 1 Kings Gym Ravensburg e.V., eingetragen im Amtsgericht: VR 994, Infos: www.kings-gym.com 2 When We Were Kings (1996): DVD. Oskarprämierter Dokumentarfilm von Leon Gast. Hinter den Kulissen des legendären „Rumble in the Jungle“ Ali vs Foreman. 30.10.1974. Kinshasa. Pädagogische Hochschule Weingarten 3
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport Boxen ist a priori weder gefährlich noch gesund, auf das „Wie“ kommt es an, vor allem im Jugendbereich. Von Anfang an gehörte es zur Philosophie im Kings Gym, Boxen nicht nur als Kampf-, sondern auch als Fitness- und Breitensport – noch dazu in den zwei Disziplinen Muay-Thai 3 und Klassisch 4 – anzubieten. Unser Publikum ist sehr bunt, jede/r ist willkommen: Fitte und Unfitte, Dicke und Dünne, Kleine und Große, Menschen ohne und mit Handicaps – ca. 150 Menschen unterschiedlichster Art, Berufe, sozialer Herkunft und Nationalität „boxen sich besser durchs Leben“ – und über ein Drittel, ca. 60, sind Kinder und Jugendliche 5 . Die Trainingsgruppe „Fitness-Boxen“ im Kings Gym 2007 Entgegen der landläufigen Meinung, Boxen sei brutal und primitiv, zeichnen meine Erfahrungen aus 25 Jahren aktivem Boxsport, etlichen Boxvereinen von Rot-Weiß Stuttgart und BC Wangen über Hertha BSC Berlin und VFB Friedrichshafen bis hin zur jahrelangen Arbeit im Kings Gym ein ganz anderes Bild: 3 Muay-Thai-Boxen ist ein über 1000 Jahre alter, traditioneller Kampf- bzw. Volkssport in und aus Thailand, der neben Fausttechniken auch Fuß-, Knie-, Ellbogen- und Clinchtechniken enthält. 4 Mit „Klassisch“ ist im Kings Gym das Olympische Boxen gemeint, mit Bezug auf die griechische Antike, wie es dann im 17. Jahrhundert in den Fechtschulen Englands als „Fechten mit den Fäusten“ oder The Noble Art of Self-Defence“ wiederentdeckt und erstmals in den „Queensberry Rules“ von 1867 geregelt wurde. 5 Siehe Anhang: Daten, Fakten und Zahlen des Kings Gym (Stand: 01.01.2008) Pädagogische Hochschule Weingarten 4
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport Im Boxtraining begegnen sich Männer und „Boxen ist ein Sport für jeden. Für den einen Frauen sowie Mädchen und Jungen dient es der Konditionierung, für den anderen ist der Wettkampf das Schönste. Für alle aber gegenseitig mit Achtung und Rücksicht, ist es ein Weg, um Körper und Geist zu schulen und durch Zusammenarbeit mit einem es macht sie fit und gesund, Partner die Höhen und Tiefen der Sportart zu erfahren.“ gibt Selbstvertrauen, und im Kampf (K.H.Wehr, AIBA, Association Internationale de Boxe Amateure) „Eins-gegen-Eins“ lernen sie viel über sich und das Leben, vor allem die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung oder was Respekt und die Einhaltung von Regeln sich selbst und anderen gegenüber bedeutet. Im Kinder- und Jugendboxen, aber auch in Box-AGs 6 mit Jugendeinrichtungen und Schulen zeigt sich, dass gerade bei jungen Menschen ein regelmäßiges Boxtraining mannigfaltig positive Effekte für die Persönlichkeitsentwicklung mit sich bringt: Kinder- und Jugendgruppe im Kings Gym 2007 Es befriedigt das archaische Bedürfnis zu kämpfen, es trägt zu Aggressionsabbau und Gewaltprävention bei und es stärkt die Sozial-, Selbst- und Handlungs- kompetenz in direkter und fairer Auseinandersetzung mit einem Partner. Außerdem: Boxen ist „in“ und vor allem bei Schülern beliebt. Beispielsweise ergab die Auswertung von 334 Fragebogen einer Umfrage in Hamburg im Rahmen des landesweiten Schulprojekts „Box-Out“7 , dass als zweit beliebteste Sportart, gleich hinter Fußball (65,9%), mit 53,9% Boxen steht, gefolgt von Basketball mit 43,7%. Boxer wie Henry Maske, die Klitschkos, Regina Halmich und Arthur Abraham sind populär. Das Interesse zeigt sich auch an der starken Präsenz in den Medien und anhand hoher Einschaltquoten bei Profiboxen im privaten wie öffentlich-rechtlichen Fernsehen seit Anfang der 90er Jahre. 6 Box-AG mit Martinshaus Kleintobel, Jugendhilfe in der Diakonie, 2002. Siehe Zeitschrift „visAvis“ der Zieglerschen Anstalten, April 2002, S.21, oder „Boxen gegen Gewalt – Für Zivilcourage“, 2006 7 Siehe Anlage: Box-Out Projekt „Boxen, Bildung, Perspektive“, Infos: www.box-out.de; Pädagogische Hochschule Weingarten 5
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Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport Nicht zuletzt, „kämpfen“ ist ein Urbedürfnis des Menschen und Boxen spricht viele Schüler wohl deshalb an, weil es stark an ihre Lebenswelt anknüpft, in der sie sinnbildlich auch „kämpfen“ müssen – um Bildung, Perspektiven, Respekt, soziale Anerkennung und Wertschätzung. Das geht auch aus der Shell-Studie 2006 hervor, die seit 1952 die Veränderungen in Werten, Gewohnheiten und Verhalten von Jugendlichen empirisch erforscht und evaluiert. 8 Warum sollte dieses Interesse nicht genutzt werden? Im Kontext jüngster Berichte über die Zunahme von Jugendgewalt 9 und die Vorkommnisse in der Münchner U- Bahn, ist meines Erachtens das Thema „Boxen als Schulsport“ heute wieder aktueller denn je. Diese Überzeugung bringen auch Riem und Kleymann in ihrer ganz aktuellen Publikation „Fitnessboxen“ (2008) 10 explizit zum Ausdruck: „Unsere Gesellschaft versäumt es, in den Schulen bereits boxsportliche Übungen in den Unterricht einzubauen, dafür zu werben und Interesse zu entwickeln. Wichtiger als fragliche Meistertitel sollte es sein, junge Menschen aus den Übungsstunden mit Freude und Selbstvertrauen zu entlassen, ihr Bewegungsrepertoire (Motorik) zu schulen, ihnen ihre Aggressionen zu nehmen, sie in sportliche Bahnen zu lenken ... Es gibt beispielhafte Projekte der Resozialisierung Straffälliger, aber die Erziehung zu Selbstdisziplin müsste früher und breiter im Alltag unserer Jugendlichen ansetzen. Viele Boxvereine geben sich alle Mühe, in Ferienfreizeiten, Schüler- projekten oder Arbeitsgemeinschaften wenigstens etwas zu bewegen ...“ (a.a.O., S.101) Diesem Statement kann ich mich voll und ganz anschließen. „Boxen als Schulsport“ ist sicherlich kein „Allheilmittel“, aber es kann einen wichtigen Beitrag nicht nur für die Prävention von Gewalt und den Aggressionsabbau, sondern vielmehr noch für eine positive Persönlichkeitsentwicklung leisten (siehe 1.2, 15 Gründe für …). Das tut es auch zunehmend: 8 Siehe Shell Jugendstudie 2006; Infos: www.shell-jugendstudie.de 9 z.B. Spiegel 2/2008, S.20 ff. 10 Riem/Kleymann (2008): Fitnessboxen – move&box. Meyer&Meyer Verlag. Aachen Pädagogische Hochschule Weingarten 7
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport In viel stärkerem Maße als jemals zuvor, gibt es seit der Jahrtausendwende 2000, nicht erst seit der Berliner Rütli-Schule, überall in Deutschland – wie in Niedersachsen, Hamburg, Berlin, Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein- Westfalen – Initiativen und Projekte für Boxsport in Schulen, die oftmals auf das persönliche Engagement von Boxtrainern und Sportlehrern (die Boxer waren) zurückgehen und von den Landesboxverbänden, der GEW, dem Opferverein „Weißer Ring“ oder teilweise von der Landespolitik unterstützt werden. In Niedersachsen wurde sogar „das Boxtraining als Teil des schulischen Sportangebots zugelassen.“ Das führte in der Ausgabe Juni 2007 des Magazin „BoxSport“ zu der Überschrift: „Boxen macht immer mehr Schule“ (siehe Anlage). In der Tat hat „Boxen als Schulsport“, nahezu zeitgleich mit der Anmeldung meiner Hausarbeit, durch den Start der landesweiten Projekte in Niedersachsen und Hamburg im September 2007 eine neue Stufe erreicht. Beide Projekte setzen rechtzeitig ab der 6. Klasse an, sind voll im Gange, machen Mut und weisen in die Zukunft (siehe Anhang). Aufgrund der größeren Öffentlichkeitswirksamkeit und des Projektcharakters kann das Hamburger Schulprojekt „Box-Out“ 11 als Vorbild für andere landesweite Schulprojekte „Boxen“ betrachtet werden. Es ist breit angelegt, wird von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft begleitet, in den Medien beachtet, evaluiert und von seinem Leiter Christian Görisch, Ex-Amateurboxer und Diplom- sportwissenschaftler, stark vorangetrieben. Mit „Box-Out“ ist ein griffiger Name gefunden, eine „Corporate Identity“, dem ich mich gerne mit „Box-Out Baden- Württemberg“ anschließen würde (siehe 5.). Außer in Schulen wird mit Boxsport in Sozial- und Jungenprojekten gearbeitet, allen voran das auch von Medien beachtete Boxcamp 12 von Ex-Boxer Lothar Kannenberg, das „straffällige“ Jugendliche mit spektakulären Methoden auf den rechten Weg bringt. Ebenso ist die Forschungsgruppe Jungenarbeit (for ju)13 zu erwähnen, die u.a. eine Box-Instructor-Ausbildung für Menschen in sozialen Berufen oder Seminare „Sich besser durchs Leben boxen“ anbietet. 11 Box-Out e.V., Infos: www.box-out.de 12 Boxcamp Kannenberg, Infos: www.durchboxen.de 13 Box-Instructor-Ausbildung, Infos: www.forju.de Pädagogische Hochschule Weingarten 8
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Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport Die mehrfach mit Sozialpreisen ausgezeichnete „Work and Box Company“ 14 um Rupert Voss zeigt unter dem Motto „Menschen bewegen“ sehr erfolgreich, wie jungen Männern überwiegend mit Migrationshintergrund durch handwerkliche Ausbildung und Boxtraining statt Strafvollzug wieder Berufs- und Lebensperspektiven eröffnet werden können (dazu soll dieses Jahr ein Dokumentarfilm in die Kinos kommen, siehe Jahresbericht 2006/2007). Sicherlich wird in all diesen Projekten eine effektive Arbeit geleistet, aber die jungen Männer (für Mädchen und junge Frauen gibt es nichts) sind dann schon sehr tief in den Brunnen gefallen und nur sehr aufwändig da wieder rauszuholen. Da es meiner Ansicht nach – gemäß der Maxime: Auf den Anfang kommt es an! – gilt, früher anzusetzen, auch für Mädchen und junge Frauen, ist den Schulprojekten „Boxen“ die Priorität einzuräumen. Last but not least wurde erstmals im Wintersemester 2007/2008 an der PH Weingarten von Patrick Singrün eine reguläre Veranstaltung „Fitness-Boxen“ für Sportstudenten angeboten, die großen Anklang fand. Dadurch gehen die Überlegungen in die Richtung, „Boxen“ fest ins Ausbildungsprogramm der PH Weingarten aufzunehmen, was einer weiteren Verbreitung dieser olympischen Sportart in Schulen zu gute käme. Als Boxtrainer mit C- und B-Lizenz und durch meine pädagogische Ausbildung sehe ich für mich in der Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung bezüglich „Boxen als Schulsport“ ein wichtiges Arbeitsfeld. Meines Erachtens wird „Boxen als Schulsport“ in Zukunft eine immer größere Rolle spielen, weil Kämpfen und „sich messen“ ein Urbedürfnis des Menschen ist und ohnehin in der einen oder anderen Form zum Leben gehört – im Kampf um Perspektiven, Anerkennung, Wertschätzung und Berufsziele. 14 Work and Box Company, München/Taufkirchen. Infos: www.hand-in.de Pädagogische Hochschule Weingarten 10
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport Für Boxen als Schulsport sind die Arbeiten von Markus Regele 15 (2002) und Stefan Käser 16 (2003) – beide aktive Amateurboxer und Sportlehrer – von großer Bedeutung. Auch zu dieser Zeit war Gewalt ein großes Thema und Regele kommt, untermauert durch eine wissenschaftlich-empirische Studie, zu dem Schluss: „Meine Untersuchung zeigt, dass das Boxtraining ein sportpädagogisch nutzbares Mittel ist, um aggressives Verhalten von Schülern zu modifizieren und somit Gewalt vorzubeugen.“ Zudem: „Das Boxtraining macht den Schülern Spaß und bietet eine willkommene Abwechslung zum konventionellen Sportunterricht.“ Gleichwohl gelte „… dass das Boxtraining nicht allein für die Verhaltensänderung verantwortlich sein kann. Sie ist immer auch in Abhängigkeit vom Umfeld bzw. von der Umwelt und vor allem auch vom Trainer/Sportlehrer zu sehen.“ (a.a.O., S.118 f.) Diesem Fazit schließe ich mich an. Ebenso dass „das Boxtraining nicht allein für die Verhaltensänderung verantwortlich“ sein kann. Dazu gehört, dass sich Schule ändert. Aber auch hierfür gibt es in Deutschland (nicht nur in Finnland) heraus- ragende Vorbilder von Schulen, die gelingen – siehe „Treibhäuser der Zukunft“ 17 und der „Deutsche Schulpreis“ 18 . Bleibt nur zu wünschen, dass nicht nur Boxen, sondern auch „Schulen, die gelingen“ immer mehr „Schule machen“. 15 Regele, Markus (2002): Gewaltprävention im Sportunterricht – Schüler fordern und fördern durch Boxtraining. Schriftliche Hausarbeit zur ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien. Bayrische Julius-Maximilians-Universität. Würzburg 16 Käser, Stefan (2003): Integrationsmöglichkeiten des ´boxe éducative´ in den Schweizer Schulsport – Am Beispiel des Wahlfachsports der Gymnasialstufe. Diplomarbeit zum Erlangen des Turn- &Sportlehrer-Diploms II. Institut für Sport und Sportwissenschaften der Universität Basel 17 Kahl, R. (2005). Treibhäuser der Zukunft. Wie in Deutschland Schulen gelingen. DVD Filme mit Buch. 2. überarbeitete Auflage. Hamburg. Beltz Verlag. Oder: www.archiv-der-Zukunft.de 18 Fauser, P. u.a. (Hrsg.) (2007). Der Deutsche Schulpreis 2006. Was für Schulen! Gute Schulen in Deutschland. Seelze-Velber. Kallmeyer mit Klett Verlag. Oder: http://schulpreis.bosch-stiftung.de Pädagogische Hochschule Weingarten 11
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport 1.2 15 didaktisch-pädagogische Gründe für die Einführung von Boxtraining olympischer Art in Schulen 19 1. Weil Boxtraining nicht nur ein hervorragendes Ganzkörpertraining ist, sondern auch soziales Lernen, Kameradschaft, Respekt und Fairness fördert. 2. Weil durch Boxtraining eine unterhaltsame Freizeitbeschäftigung geschaffen wird, die Erziehungsmängeln und Sportmüdigkeit der Kinder entgegen wirkt und den Fitnessgedanken optimal integriert. 3. Weil „Boxen“ eine ansprechende und beliebte Sportart für Jugendliche ist, die als „cool“ bewertet wird. 4. Weil Boxen ein perfektes Integrationsmittel für Kinder mit Migrationshintergrund ist. Denn: Boxen hat in den Herkunftsländern häufig einen hohen Stellenwert. 5. Weil es bei „Boxen als Schulsport“ nicht um das kommerziell ausgerichtete „Profiboxen“ geht, sondern um eine Mischung von Fitness-, Leichkontakt- und Olympisch-Boxen, und dem olympischen Gedanken, seinen Werten und Normen, dem sportlich-fairen Umgang mit Partnern und Gegnern verpflichtet ist. 6. Weil Boxtraining Mut, Willenskraft, Selbstvertrauen, Disziplin, Selbstkontrolle, Verantwortungsbewusstsein und Widerstandsfähigkeit fördert. 7. Weil es sportlich faires, technisch / taktisches Denken und Handeln fördert. 8. Weil Boxen als Schulsport als absolut ungefährlich einzustufen ist, da selbst olympisches Boxen statistisch-wissenschaftlich eine ungefährliche Sportart ist. Diese Thesen sind entlehnt von Christian Görisch, wie er sie dem landesweiten Schulprojekt „Box- 19 Out“ in Hamburg zugrunde gelegt hat Pädagogische Hochschule Weingarten 12
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport 9. Weil „Kämpfen“ ein Urbedürfnis ist und dieses Bedürfnis beim Boxtraining sich in geordneten Bahnen ausleben kann. Aber schon allein beim Schlagen auf den Boxsack können die Schüler ihre Aggressionen, Stress und Druck abbauen. 10. Weil Boxtraining und die Reflexionen darüber zu einer verminderten Aggression nach außen, gegen andere Personen und Gegenstände beiträgt – Aggressionen lassen sich besser kontrollieren und sozial adäquat besser einsetzen. 11. Weil mit Aggressionen besser umgegangen wird, die Frustrationstoleranz merklich erhöht und damit die eigene Geduld gesteigert wird. 12. Weil das Selbstvertrauen und die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung gesteigert wird. Effekt: Treten Probleme auf, werden stärker eigene Lösungen gesucht und das Vertrauen in die eigene Kompetenz nimmt zu. 13. Weil durch das gemeinsame Boxtraining Regeln und Respekt voreinander – „nicht nur austeilen, sondern auch einstecken“ – gelernt und Freunde im Sport getroffen werden. 14. Weil „Boxen als Schulsport“ auf die sozialintegrativen Aspekte des olympischen Boxens setzt, bei denen Jugendliche die Regeln der Sportart akzeptieren und diese Erfahrungen auf ihr alltägliches Verhalten übertragen. 15. Weil durch Boxtraining mehr als durch viele andere Sportarten den aktuellen körperlichen Defiziten der Kinder und Jugendlichen im Bereich Koordination, Beweglichkeit, Ausdauer und der damit verbundenen Zunahme von Übergewichtigkeit entgegengewirkt werden kann. Pädagogische Hochschule Weingarten 13
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport 1.3 Aufbau dieser Arbeit Im Vergleich zu den praxisorientierten Arbeiten von Markus Regele und Stefan Käser, handelt es sich in meiner Arbeit zwar um eine theoretische Abhandlung, allerdings gründet und resultiert alles, was ich hier über die positiven Aspekte und Wirkungen des Boxsports darlege, auf meinen reichen Erfahrungsschatz von 25 Jahren praktischem (Box)Erleben und über 8-jähriger Trainertätigkeit. Nach diesem einleitenden Kapitel mit meinem persönlichen Bezug zum Thema „Boxen als Schulsport“ und der Vorstellung von 15 (guten) pädagogisch- didaktischen Gründen hierfür, widme ich mich im 2. Kapitel der Geschichte des Boxsports (2.1), wo ich auch kurz auf Boxen im Nationalsozialismus und den Aspekt „Wiedereinführung“ des Boxtrainings eingehe. In diesem Kapitel geht es mir stärker darum, herauszustellen, dass Boxen in heutiger Zeit neu gedacht werden muss, es einen Bedeutungswandel vom reinen Wettkampf- hin zum Fitness-Sport gibt, respektive was mit „Boxen als Schulsport“ gemeint ist. Wichtig in dem Zusammenhang sind die Unterschiede zwischen Profi- und Amateurboxen (manche sehen darin sogar zwei verschiedene Sportarten). Anschließend stelle ich die Eigenheiten von Fitness- und Leichtkontaktboxen sowie einige Regelkenntnisse und Rahmenbedingungen vor. Dem folgt eine mehr persönlich gefärbte, allgemeine Einschätzung über den Einfluss von Boxtraining auf die Charakter- und Persönlichkeitsbildung zu Beginn des 3. Kapitels. Danach gehe ich genauer auf die Wirkungen des Boxtrainings auf Physis (3.2) und Psyche (3.3) ein, die in der Tat sehr reichhaltig sind. Boxtraining ist eines der wenigen Trainingsprogramme, das alle motorischen Hauptbeanspruch- ungsformen – Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination – fordert und damit fördert. Pädagogische Hochschule Weingarten 14
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport Im vierten Kapitel sind die Bezüge zum Bildungsplan 2004 von Baden-Württemberg im Fokus. Hier ist auch das Magisterheft „Ringen – Kämpfen – Raufen“ berücksichtigt. Bezüglich des Aspekts der Gewaltprävention und des Aggressionsabbaus durch Boxtraining, möchte ich auf den Bericht von „Box-Out“ Hamburg in der Anlage verweisen, neben der Arbeit von Markus Regele von 2002 (siehe Einleitung, Magazin Boxsport 2003). Schließlich ziehe ich im fünften Kapitel ein Fazit und blicke mit einem landesweiten Schulprojekt „Box-Out in Baden-Württemberg“ in die Zukunft. Im 6. Kapitel findet sich das Literaturverzeichnis wie auch wichtige Internet- adressen. Nicht zu vergessen, der Anhang, mit einigen Dokumenten, dem Stand des Landesprojekts „Box-Out“ in Hamburg, Infos zu Leichtkontaktboxen sowie einem kleinen Pressespiegel über die Veranstaltungs- und Öffentlichkeitsarbeit des Kings Gym, das Boxen nicht nur für die Jugend und als Breitensport anbietet, sondern auch mit Kultur, Theater und Musik verbindet. „Die literarische Reise durch die Boxgeschichte“ ganz zum Schluss ist einfach nur zum Schmökern … wann, wo und wie oft auch immer. Viel Spaß beim Lesen! Pädagogische Hochschule Weingarten 15
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport 2. Kapitel: Der Boxsport – Entstehung, Entwicklung und Bedeutung in der Gegenwart 2.1. Geschichte des Boxsports von der Antike bis zur Gegenwart Wie alt das Boxen tatsächlich ist, lässt sich nicht auf 100 Jahre genau datieren. Weinmann sagt: „Die Kunst mit den Fäusten zu kämpfen Jahrtausende alt“ (Weinmann, S. 93) 20 . Sie wurde im Laufe der Zeit zu unterschiedlichen Zwecken benutzt. Das Boxen galt als hervorragendes Mittel zur Erziehung der Jugend, wurde aber zeitweise auch als gewalttätiges Spektakel verpönt und war auch schon verboten. Die ersten Belege boxender Männer hat man in den Ruinen eines 7000 Jahre alten sumerischen Tempels gefunden, der Zeichnungen von Menschen mit Handschuh ähnlichen Schützern an den Händen enthält. Aus der ägyptischen Geschichte ist bekannt, dass dort bereits vor 5000 Jahren Faustkämpfe stattgefunden haben. Auch Homer schildert in der Ilias einen Boxkampf. „Im 7. und 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung breitete sich der Faustkampf im heutigen Griechenland besonders stark aus“ (Ellwanger, S.12) 21 und große Wettkämpfe fanden alsbald zu Ehren der Götter statt, die bekanntesten unter ihnen die Olympischen Spiele. Seit 668 v. Chr. stand das Boxen auf dem Olympischen Programm und kann deshalb als eine der ältesten Olympischen Sportarten überhaupt bezeichnet werden. Von den Römern ist ebenfalls bekannt, dass sie boxten. Im europäischen Mittelalter gehörte das Boxen zum Freistilringen und wurde in den Fechtschulen gelehrt. Deshalb tauchen in den Fechthandbüchern der damaligen Zeit Faustkampftechniken auf, die allerdings als allgemeine 20 Weinmann, Wolfgang (2004): Das Kampfsportlexikon – Von Aikido bis Zen. 6.Auflage. Verlag Weinmann. Berlin 21 Ellwanger, Siegfried und Ulf (1998): Boxen basics. Pietsch Verlag. Stuttgart Pädagogische Hochschule Weingarten 16
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport Raufkunst keine besondere Wertung erhalten. Damals muss wohl die Bezeichnung „Fechten mit den Fäusten“ entstanden sein. Im England des 17. Jahrhunderts entwickelte sich das moderne Boxen. „Der Fechtlehrer James Figg gilt als Begründer der ‚manly art of self-defence’, bei der mit bloßen Fäusten gekämpft wurde“ (Weinmann 2004, 93). Er legte sich 1719 auch den Faustkampftitel „Meister von England“ zu. Im Jahre 1743 stellte der Engländer Brougthon feste Kampfregeln auf. Damit wurden gleiche Bedingungen geschaffen und es war möglich, Kämpfe nach einer bestimmten Zeit zu beenden. Die ersten Boxmeisterschaften fanden 1867 statt, wofür ein gewisser Marquess of Queensberry „Regeln für das Boxen mit Handschuhen aufgestellt“ hatte (Ellwanger, S.15). Diese Regeln – Verbot von Elementen aus Ringen und Raufen, Boxhandschuhe, Rundenzahl, Runden- und Pausenzeiten – wurden zwar bis heute mit dem Anspruch des sportlich fairen Wettkampfs ständig erneuert, können aber durchaus als Grundlage des modernen Boxens, wie wir es heute kennen, betrachtet werden. 1904 wurden zum ersten Mal bei Olympischen Spielen der Neuzeit Boxwettkämpfe ausgetragen und die 1. Deutsche Amateurmeisterschaft wurde am 5. Dezember 1912 in acht Gewichtsklassen in Hamburg veranstaltet. Gegenwärtig treten die Amateurboxer in 11 Gewichtsklassen von Halbfliegen- (bis 48kg) bis Superschwergewicht (über 91kg) an und kämpfen über eine Distanz von 4x2 Minuten. Die Gewichtsklassen wurden eingeführt, um annähernd die gleiche Schlagkraft zu gewährleisten. Außerdem wurden verschiedene Altersklassen eingeführt, die aktuellen Bezeichnungen in Deutschland für die so genannten Jugendklassen sind: Schüler (10-12 Jahre), Jugend (12-14 Jahre), Kadetten (14-16 Jahre) und Junioren (16-18 Jahre). Außer den Jugendklassen gibt es nur noch die Klasse „Männer“, die bis zum Jahre 2003 noch „Senioren“ hieß, dann aber sinnvollerweise geändert wurde, respektive „Frauen“ (18-37 Jahre). Geleitet wird der Amateurboxsport von einem Weltverband, der AIBA (Association Internationale de Boxe Amateur = Internationaler Amateurboxverband). Dieser wurde 1946 gegründet und ihm hatten sich bis 1995 schon 183 nationale Boxverbände angeschlossen. Der Amateurboxsport in Deutschland ist dem DBV Pädagogische Hochschule Weingarten 17
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport (Deutscher Boxverband) unterstellt. Der Vollständigkeit wegen muss hier natürlich auch das Berufsboxen erwähnt werden, das zwar die gleichen Ursprünge wie das Amateurboxen hat, aber durch die Professionalisierung und die Medien aus ganz anderen Intentionen heraus betrieben wird. Teilweise herrscht hier eine „Verrohung“, die viele Menschen vom Boxsport abschreckt. Zum Boxen während des Naziregimes möchte ich nur sagen, dass Max Schmeling als der Weltmeister im Schwergewicht als Sportidol herhalten musste, obwohl er mit einer „Nicht-Arierin“ verheiratet war. Und selbstverständlich wurde auch das Boxtraining in Schulen zur Wehrertüchtigung missbraucht, wie so vieles in dieser Zeit. Es wäre vermessen, daraus ein Gegenargument herzuleiten. Da sich „Boxen als Schulsport“ am Olympischen Boxen orientiert und die Unterschiede im folgenden Punkt 2.3 dargelegt werden, gehe ich hier auf diese Geschichte nicht weiter ein. 2.2 Boxen heute: der ganzheitlichen Fitness wegen Stattdessen möchte ich hier noch eine ganz junge Entwicklung aufzeigen, die meiner Meinung nach in einigen Jahrzehnten auch zur Geschichte des Boxsports und zu dem hier behandelten Thema von Boxen als Schulsport gehören wird. Wie zuvor bereits die „Jogging-Welle“, die „Aerobic-Welle“ und die „Bodybuilding- Bewegung“, so kam auch „Fitness-Boxing“ aus den USA Mitte der 90er Jahre nach Deutschland und traf hier zusammen mit dem von Henry Maske, Axel Schulz, Graciano „Rocky“ Roccigiani und Regina Halmich ausgelösten Boxboom. Erst seit etwas mehr als 10 Jahren wird nun immer populärer, was bis dahin nur die richtigen Boxer wussten: Boxtraining macht richtig fit. Boxtraining ist eines der wenigen Trainingsprogramme, das alle motorischen Hauptbeanspruchungsformen – Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination – fordert und damit fördert. Da auch schon beim Schlagen auf den Boxsack Konzentration auf den Punkt erforderlich ist sowie Mann und Frau auf harmlose Art und Weise aufgestaute Aggressionen und Stress loswerden können, kann Boxtraining als optimal für Körper, Seele und Geist bezeichnet werden (siehe dazu auch 3. Kapitel). Durch diese Verlagerung von Boxtraining weg vom Wettkampf hin zu ganzheitlicher Fitness, nähert sich der Boxsport wieder dem griechischen Ideal der Kalokagathia, des vollkommenen Einklangs von Körperschönheit und Geisteskraft. Pädagogische Hochschule Weingarten 18
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport 2.3 Boxen ist nicht gleich Boxen: Boxen als Schulsport Profiboxen/Olympisches Boxen/Fitness-/Leichtkontakt-Boxen Da sich das Boxen im Rahmen des Schulsports am Olympischen Boxen, vor allem an dem olympischen Gedanken des sportlich fairen Wettstreits, orientiert, möchte ich das Olympische Boxen (Amateurboxen wird synonym verwendet) und seine Varianten Fitness- und Leichtkontaktboxen – in Abgrenzung zum Profiboxen – betrachten und die wichtigsten Unterschiede erläutern. Boxen als Schulsport ist nicht „Olympisches Boxen“. Dafür sind die Boxvereine und Boxclubs da. Das heißt, wer richtig boxen und Wettkämpfe bestreiten will, der geht in einen Verein. Das muss er sogar. Wer als Amateur offizielle Wettkämpfe in Deutschland bestreiten will, egal ob Kind, Jugendlicher, Mann oder Frau, muss Mitglied eines eingetragenen Boxvereins sein. Ferner gilt: „Startberechtigt ist jedes Mitglied, das die erforderliche Befähigung für den Boxsport besitzt. Diese Befähigung ist als nachgewiesen anzusehen: a) durch eine regelmäßige sechsmonatige Grundausbildung mit mindestens 50 Trainingseinheiten …; b) durch den Besitz eines DBV-Startausweises mit Lichtbild und ärztlicher Boxtauglichkeitsbescheinigung des aktuellen Jahres …“ (WB, S.11 f.) 22 Weiterhin gilt, dass ab dem 30. Lebensjahr eine weitere Wettkampftätigkeit nur mit Zustimmung des Landesverbandsarztes erlaubt und ab dem 37. Lebensjahr jede Wettkampftätigkeit untersagt ist (vgl. WB, S.12 f.). Natürlich kann eine „Kooperation von Schule und Verein“ erfolgen, das heißt, dass Schüler im Anschluss an „Boxen als Schulsport“ in einen Boxverein eintreten. Das ist in den Landesprojekten Hamburg und Niedersachsen auch erwünscht, aber nicht vordergründiges Ziel. Bei „Boxen als Schulsport“ stehen allgemeine Sinngebungen und Ziele des Sports im Mittelpunkt. Hier geht es um physische und psychische Fitness, um Boxen, das der Gesundheit und positiven Persönlichkeitsentwicklung dient, man kann auch sagen: um eine eigene, moderne Art des Boxens. 22 Wettkampfbestimmungen (WB) des Deutschen Boxverbands (DBV), gültig ab Juli 2003 Pädagogische Hochschule Weingarten 19
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport Profiboxen vs Olympisches Boxen „Man muss rigoros auf einer Unterscheidung zwischen Amateur- Auch wenn ich nicht so weit gehen würde, in und Profiboxsport beharren, denn abgesehen von der unterschiedlichen Profiboxen und Amateurboxen zwei unter- Kampfkleidung …, sind es die Verschiedenheiten im Reglement und schiedliche Sportarten zu sehen, so stimme in der Abwicklung von Training und ich dem nebenstehenden Zitat prinzipiell zu. Wettkämpfen, die Profi- und Amateur- boxen, fast als zwei unterschiedliche In jedem Fall geht es darum, das Profiboxen Sportarten erscheinen lassen …“ und das Olympische Boxen zu unterscheiden. Dr. med. Wilhelm Funke Genauso finde ich es aber wichtig, alles dafür zu tun, dass sie sich gegenseitig beflügeln und gemeinsam die positiven Effekte des Boxsports fördern. Das früher wie heute wahrscheinlich größte Problem im Wirken für das Olympische Boxen im Allgemeinen und für „Boxen als Schulsport“ im Besonderen, besteht darin, dass das Bild vom Boxsport in der Öffentlichkeit zu einseitig vom Profiboxen aus den Großmedien geprägt ist. Der „Boxboom“ – ausgelöst durch die Einheit Deutschlands, dem Privatfernsehen und Boxern wie Henry Maske und Axel Schulz – hält nun schon seit Anfang der 90er Jahre an. Wurde er zunächst von den Privatsendern entfacht, wird Profiboxen mittlerweile seit Jahren schon von den öffentlich-rechtlichen Fernseh-Anstalten ARD und ZDF mit viel Glitzer und Glamour spektakulär in Szene gesetzt. Dabei geht völlig unter, dass: - Immer nur eine Art des Boxsports zu sehen ist, das Profiboxen, während über Olympisches Boxen selbst bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen kaum berichtet wird. - Gegenüber Gewinn und Vermarktung bei den Profis, beim Olympischen Boxen die sportlichen Werte und Interessen im Vordergrund stehen. - Die Gegner im Profiboxen, von Pflichtverteidigungen und Meisterschaften abgesehen, oft „handverlesen“ und nicht ebenbürtig sind. - Die Organisations- und Verbandsstrukturen, die Wettkampf- und Sicherheits- bestimmungen im Profi- und Olympischen Boxen total verschieden sind. Pädagogische Hochschule Weingarten 20
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport Außerdem ist nur „Wettkampf“ zu sehen, der zwar eine zentrale Rolle im Boxen als Kampfsport spielt, aber einen völlig einseitigen Eindruck vermittelt, denn Wettkampf macht nur einen kleinen Teil im Verhältnis zum langen individuellen Werdegang und Trainingsprozess eines Boxers aus. Hier ist für die Zukunft, vor allem von den öffentlich-rechtlichen Sendern und den großen Printmedien, eine stärkere Berücksichtigung des Olympischen Boxens und der Olympischen Sportart „Boxen“ an sich zu wünschen. Dass sich Profiboxen und Olympisches Boxen – sowie das daraus abgeleitete Fitness- und Leichtkontaktboxen – grundlegend unterscheiden, unterstreicht das obige Zitat von Dr. med. Wilhelm Funke. Dessen „Langzeitstudie Amateurboxen“ 23 aus den 80er Jahren. Es ist die einzige mir bekannte Untersuchung, die sich explizit aufs Olympische Boxen und nicht aufs Boxen allgemein bezieht, worunter auch drittklassigen Profikämpfe in Übersee fallen. Zur Situation führt er aus: „In unserem Jahrhundert (20. Jahrhundert, Anm. d. Verf.), besonders aber seit Ende des Zweiten Weltkrieges ist der Boxsport und damit auch der Amateurboxsport dauernden Angriffen ausgesetzt … Die ´Langzeitstudie Amateurboxen´ soll zur Klärung der Frage beitrage, ob es beim Amateurboxen Spät-, bzw. Dauer- oder chronische Schäden am Gehirn, oder auch nur evtl. diskrete Anzeichen für solche gibt oder nicht.“ (a.a.O., S. 12) Das konnte eindeutig verneint werden (vgl. S.68 f.). Zu dieser Langzeitstudie Amateurboxen von 1975 bis 1983 kam es, weil: - In der Presse immer wieder Schlagzeilen wie „Boxsport ist Mord“, „Wann kommt endlich Boxverbot?“, „Massaker im Ring“ etc. zu lesen waren. - Medizinwissenschaftler auf Kongressen und in Fachzeitschriften mit Fotos gegen „das“ Boxen agi(ti)erten, die verzerrte, blutverschmierte Gesichter und groggy in den Seilen hängende Profis aus Übersee zeigten. - Darüber hinaus moralische Bedenken galten, dass sich da zwei Menschen, wenn auch gesteuert, schlagen und Schmerzen zufügen. (vgl., a.a.O., S.12) Funke, Wilhelm. (1985): Acht Jahre Langzeitstudie Amateurboxen. Herausgegeben von: DABV – 23 Deutscher Amateur-Box-Verband. Kassel. (Inzwischen DBV, A für Amateur wurde 2002 gestrichen) Pädagogische Hochschule Weingarten 21
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport Funke legt sehr viel Wert auf Differenzierung. Es kommt darauf an, wie man Boxen vermittelt und wie es betrieben wird. Gegen den letzten Punkt der moralischen Bedenken merkt er an: „Fragt man jedoch einen Amateurboxer, ob er seinem Gegner absichtlich Schmerz zufügen oder ihn schädigen will, wird er nur verständnislos den Kopf schütteln.“ (a.a.O., S.12) Das zeigt, dass der Boxsport damals vielleicht sogar noch stärker umstritten war als heute, weil man nicht differenzierte. „Da der Mangel an Unterscheidungsvermögen oft schon unendliche Verwirrung gestiftet hat“, möchte ich hier in aller Kürze auf die wesentlichen Unterschiede von Profiboxen und Olympischem Boxen, die Merkmale von Fitness- und Leichtkontaktboxen sowie wichtige Regelkenntnisse und Rahmenbedingungen eingehen. Profiboxen (Berufsboxen) und Olympisches Boxen (Amateurboxen) unterscheiden sich grundlegend in drei Punkten: Profiboxen Olympisches Boxen 1. Kampfdauer/Kampfgewicht/Kampfalter Profis boxen 4 bis 12 Runden (Meisterschaften) à 3 min, Amateure 4 x 2 min. Die meisten Kämpfe werden deshalb im Amateurboxen nicht durch KO (Knock-Out), sondern durch Punktesieg entschieden. 11 Gewichtsklassen bei den Amateuren, stehen 17 Gewichtsklassen bei den Profis gegenüber. International liegt für Amateure die Altersgrenze bei 34, in Deutschland bei 37 Jahren, Profis können dagegen bis ins hohe Alter boxen, bis sie von keinem der vielen Welt- und Bundesverbände mehr eine Genehmigung erhalten. Pädagogische Hochschule Weingarten 22
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport 2. Ausrüstung/Kleidung: Amateure tragen obligatorisch den Kopfschutz (Helm), welcher viele der im Profiboxen häufigen Platzwunden durch Kopfstöße, aber auch die so genannten „Blumenkohlohren“ verhindert. Zusätzlich ein ärmelloses Trikot. Es werden generell 10oz-Wettkampfhandschuhe (1oz=Ounce=28,35 Gramm) mit weißer Trefferfläche und Patentdämpfung benutzt, Profis dagegen tragen härtere 8oz-Boxhandschuhe. 3. Einstellung/Motivation/Organisationsstruktur: Der Profi versucht, mindestens teilweise, vom Sport leben zu können. Deshalb dominiert für ihn Geld, die Bedeutung des Sieges und der Bekanntheitsgrad. Das Ziel des Amateurs ist die sportliche Entwicklung; seine technischen, taktischen und konditionellen Fähigkeiten ständig zu verfeinern und zu perfektionieren. „Beim Berufsboxen geht es um viel Geld, das von allen Beteiligten aber erst verdient Weitere Unterscheidungsmerkmale sind werden muss. Der Sportler muss hohe Leistungen erreichen, ja fast so einmalig das Reglement und die Wertungen. Am sein wie sein Kampfname – ob ´Tiger´ oder deutlichsten sieht dies der Zuschauer ´Gentleman´ – und die Kampfbilanzen sollten nach Möglichkeit viele Siege durch bei einem Wirkungstreffer. Bei den K.O. aufweisen.“ Amateuren wird nämlich sofort (Ellwanger 1998, S. 26). angezählt, bei den Profis hingegen wird erst angezählt, wenn er am Boden oder Ziel des Amateurboxsportes ist es, den verteidigungsunfähig ist. sportlichen Gegner mit technischen Mitteln zu besiegen. Die oft als Gefahr für Mehreren Weltverbänden der Profis – das Boxen angeführte K.O.–Entscheidung, wie WBC, WBA, IBF und WBO – steht die gemeinhin als Synonym für Verrohung, Feindseligkeit und ein Weltverband der Amateure Verletzungen steht, spielt nur noch eine untergeordnete Rolle gegenüber, die AIBA (Association Internationale de Boxe Amateure = (Ellwanger 1998, S. 32). Internationaler Amateurboxverband). In der BRD gibt es auch nur einen Dachverband für die Olympischen Boxer, und das ist der DBV, ihm sind die (20) Landesverbände unterstellt, denen wiederum die Vereine. Es gibt nur einen Deutschen Meister und einen Landesmeister pro Gewicht. Der Württembergische Amateurboxverband (WABV) zählt zum Beispiel 57 Boxvereine und ist in vier Bezirke gegliedert. Baden ist eigenständig. Pädagogische Hochschule Weingarten 23
Jürgen Hauser Wissenschaftliche Hausarbeit Lehramt 2008 Boxen als Schulsport „Leichtkontaktboxen / boxe éducative“ Diese Boxvariante ist interessant für Schulen, den Kinder- und Jugendbereich, da harte Schläge verboten sind und mit Punktabzug und Disqualifikation geahndet werden, aber die positiven Effekte eines klassischen Boxtrainings und spielerisches Kämpfen beinhaltet sind. Ziel ist, den Gegner zu berühren, ohne selber getroffen zu werden. „Light-Contact-Boxing“ orientiert sich am Olympischen Boxen in Bezug auf Ausrüstung, Selbstverständnis, Wettkampf- und Schutzbestimmungen. Es wird seit einigen Jahren in den Schweizer Jugendtrainings praktiziert und – wie in Frankreich als „boxe éducative“ – zunehmend auch wettkampfmäßig ausgeübt. In Deutschland gibt es Leichtkontaktboxen noch gar nicht. Deshalb möchte ich es hiermit ins Gespräch bringen, weil Light-Contact-Boxing meines Erachtens eine sehr geeignete Variante für den Schulsport darstellt: Regeln werden von den Schülern verinnerlicht, indem sie abwechselnd in die Schiedsrichterrolle schlüpfen und es wird von Anfang an gelernt, zwar schnell und gezielt, aber leicht zu schlagen, was gar nicht einfach ist. Darüber hinaus setzen sich Schüler im direkten Dialog intensiv mit ihren Grenzen zu Schmerz und Aggressivität auseinander. Frauenboxen In diesen drei Boxarten dürfen auch Frauen teilnehmen. Seit 1996 ist Frauenboxen im Amateur-, seit 1999 im Profibereich offiziell aufgenommen. Gemischte Kämpfe mit Boxern sind nicht erlaubt. Generell boxen die Damen Rundenzeiten von 2 Minuten, Weltmeisterschaftskämpfe bei den Profis gehen über 10 statt 12 Runden, Amateur-Boxerinnen kämpfen über 3 statt 4 Runden. Zusätzlich gelten Schutzregeln wie Schwangerschaftstest und Abbruch bei Niederschlag oder 2x Anzählen pro Runde Pädagogische Hochschule Weingarten 24
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