Ziele und Anforderungen - 1.1 Einführung 1.2 1.3 Vorgehensweise 1.4 Künftige Entwicklungen und Zukunftstrends 1.5 Gesetzliche und planerische ...
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1 Ziele und Anforderungen 1.1 Einführung 8 1.2 Leitbild und Ziele – Mobilität 2030 9 1.3 Vorgehensweise 14 1.4 Künftige Entwicklungen und Zukunftstrends 15 1.5 Gesetzliche und planerische Rahmenbedingungen 19 7
Kapitel 1 Ziele und Anforderungen | Regionaler Nahverkehrsplan des RMV 1.1 Einführung Der Regionale Nahverkehrsplan (RNVP) des RMV ist das des formalen Rahmens werden in einer „Vision“, die sich auf den zentrale Instrument zur Steuerung der weiteren Entwicklung Zeitraum nach 2030 bezieht, wichtige langfristige Entwicklungen des öffentlichen Regional- und Nahverkehrs im Verbundraum. vorgezeichnet, soweit sie heute schon absehbar sind. Mit ihm werden wichtige Weichenstellungen und Schwerpunkt- setzungen für die zukünftige Ausgestaltung des öffentlichen Der RNVP als strategisches Instrument zielt darauf ab, in Verkehrsangebots sowie der dazugehörigen Dienstleistungen transparenter Weise den Rahmen für ein nachhaltiges und vorgenommen. Der RNVP wird für den Zeitraum bis Ende 2030 attraktives Mobilitätsangebot für alle zu setzen, dabei der fortgeschrieben. Dabei weist die Perspektive dort, wo Tragweite gestiegenen Bedeutung und den gestiegenen Anforderungen und Komplexität der Aufgaben besonders weitreichend sind, an den ÖPNV Rechnung zu tragen, die Bedürfnisse der auch über das Jahr 2030 hinaus. Der RNVP trägt somit der Kunden noch klarer in den Fokus zu nehmen und die gesamte mittelfristigen geplanten Entwicklung des regionalen ÖPNV, Bandbreite der Handlungsfelder im regionalen ÖPNV dem Planungshorizont langfristiger Projekte wie auch den abzudecken. So kann der Verbund die positive Entwicklung der Veränderungen gesetzlicher Grundlagen Rechnung. Region weiter stützen und stärken. Mit der nun vorgelegten, am 18. November 2020 durch seinen Aufsichtsrat beschlossenen zweiten Fortschreibung des Planes will der RMV die in seiner „Mobilitätsstrategie 2030“ verankerten Leitbilder und Ziele als Mobilitätsverbund weiter schärfen. Dies erfolgt in der bewährten Struktur, in der zunächst für Faktoren wie Leistungsangebot, Infrastruktur, Fahrzeuge, Wettbewerb, Qualität, Tarif oder Vertrieb der Ist-Zustand beschrieben wird. Dabei wird erstmalig auch die Digitalisierung als wesentliches Entwicklungsthema betrachtet. Auf die Bestandsaufnahme folgen die Standards, die den angestrebten Soll-Zustand in den einzelnen Themenbereichen beschreiben. Anschließend wird ein Abgleich zwischen Soll und Ist vorgenommen und aus der Bewertung desselben weiterführende Maßnahmen abgeleitet. Wie schon die erste enthält auch diese Fortschreibung ergänzende „Bausteine“, in denen Themen vertieft und Praxisbeispiele kurz dargestellt werden. Ebenfalls außerhalb 8
Kapitel 1 Ziele und Anforderungen | Regionaler Nahverkehrsplan des RMV 1.2 Leitbild und Ziele – Mobilität 2030 Der RMV ist derzeit mit einer Situation konfrontiert, in der sich zum einen die Dynamik, mit der sich Region und ÖPNV entwickeln, in Form Flatrates / deutlicher Fahrgastzuwächse zusehends niederschlägt. Zum anderen ist einfacher Tarif die bestehende Infrastruktur soweit an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt, dass weitere Zuwächse kaum mehr aufgenommen werden können. Angebotsstruktur Gleichzeitig werden vom ÖPNV substanzielle Beiträge erwartet, wenn es Innovationen Infrastruktur M-Plattform um die Verbesserung der Luftqualität in Städten und den Klimaschutz geht. Der Klimaschutz greift dabei als Querschnittsaufgabe in alle Bereiche einer Mobilitätsstrategie ein. All dies findet in einer Zeit statt, die maßgeblich von den Auswirkungen der Digitalisierung geprägt ist – und damit zugleich das Potenzial mit sich bringt, die Mobilität grundlegend zu verändern. Qualität / Finanzierung Der Verbund nimmt die Herausforderungen an, die ihm die stei- Abbildung 1: Struktur des Strategiekonzeptes „RMV-Mobilität 2030“ gende Bedeutung des ÖPNV stellt. Im strategischen Konzept „RMV-Mobilität 2030“ hat er Voraussetzungen und Maßnahmen benannt, um die Zahl der Kundinnen und Kunden des RMV bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent zu erhöhen. Die Prognose der Verkehrsnachfrage (vgl. Kapitel 5.1) zeigt, dass dieser Wert bis 2030 bei Eintreten der angenommenen sozioökonomischen 1. Tarif 5. Innovationen Entwicklung, einer Anpassung der Verkehrsangebote sowie Vision vom einfachen Tarif (Flatrate, E-Tarif Effizienzgewinne und Vereinfachung einer weitgehend stabilen Verkehrsleistung im motorisierten sowie „Einsteigen und Losfahren“) des Systems Individualverkehr (MIV) erreicht werden könnte. 2. Infrastruktur 6. Generelle Mobilitätsplattform Die grundlegende Struktur der RMV-Mobilitätsstrategie ist in Höhere Schlagzahl in der Umsetzung und alles aus einer Hand Abbildung 1 dargestellt. mehr neue Infrastruktur 2030+ 7. Verbundgrenzen Die in „RMV-Mobilität 2030“ aufgestellten und im Folgenden 3. Qualität Mobilitätsbedürfnissen gerecht werden vorgestellten Leitbilder und Ziele bilden eine wesentliche Herstellung adäquater Qualität und vor allem Grundlage dieser Fortschreibung des RNVP, die in der Strategie Gewinn an Qualität 8. Finanzierung benannten Schwerpunkte werden aufgenommen und vertieft. neue Wege der Finanzierung, angepasst 4. Emissionsreduktion an die Mobilitätsentwicklung schrittweise zu einem emissionsfreien ÖPNV 9
Kapitel 1 Ziele und Anforderungen | Regionaler Nahverkehrsplan des RMV Klimaschutz – zentrale Querschnittsaufgabe Neue Wege der Finanzierung – Mehr ÖPNV Der verkehrswissenschaftliche Beirat der Bundesregierung in allen Bereichen des ÖPNV kostet mehr Geld hat hier beispielsweise Abgaben als „Nutznießerfinanzierung“ Das Bewusstsein, sich möglichst klimaneutral zu verhalten, Der politisch und gesellschaftlich geforderte umfangreiche bei Eigentümern und Arbeitgebern und eine „Verursacher- verstärkt sich. Das von der Bundesregierung verabschiedete Ausbau des ÖPNV erfordert eine auskömmliche und aufgrund finanzierung“ durch Nutzung der Parkraumbewirtschaftung vor- Klimapaket greift diese Entwicklung auf. Es enthält mehrere für seiner langen Planungsphasen und Umsetzungsprozesse lang- geschlagen. Auf Basis dieser Vorschläge sollen weitere alter- den ÖPNV relevante Punkte wie die Einführung einer CO2-Be- fristig gesicherte Finanzierung. Hier sind die öffentliche Hand native Finanzierungsmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Wirkung preisung auch für den Verkehrssektor, eine stärkere Förderung und insbesondere der Bund gefordert, den neuen Stellenwert untersucht und zielgerichtete Lösungen angestrebt werden. Sie für die Erneuerung und den Ausbau des Schienennetzes sowie des ÖPNV mit adäquater Finanzierung zu unterstützen. dienen der langfristigen Sicherung der Finanzierung des ÖPNV. von Bussen mit elektrischen, wasserstoffbasierten oder Bio- gas-Antrieben, die Unterstützung von Modellprojekten und Da mit einer immer stärkeren, reinen Nutzerfinanzierung allein Attraktive Angebote über Verbundgrenzen hinaus Erprobungsanwendungen oder die Anpassung des Rechts- durch den Fahrgast die Nahverkehrsangebote keinesfalls finan- Seit Verbundgründung im Jahr 1995 hat sich das Mobilitäts- rahmens zugunsten neuer, digitaler Mobilitätsdienste mit dem ziert werden können, müssen neben dem Ausbau herkömm- verhalten der Bevölkerung in der Region Frankfurt Rhein-Main Ziel einer integrierten, Ressourcen schonenden Multimodalität. licher Finanzierungsquellen auch neue Quellen erschlossen stark verändert. Dabei spielen Verbund- und Landesgrenzen werden. So fließen beispielsweise in Wien die Einnahmen aus zunehmend eine immer geringere Rolle. Doch auch hier er- Das Konzept RMV-Mobilität 2030 mit dem Ziel, bis 2030 der Parkraumbewirtschaftung dem ÖPNV zu. Auch die finan- warten die Kunden neben den Verbundvorteilen „Ein Fahrplan – 30 Prozent mehr Fahrgäste zu befördern, leistet einen aktiven zielle Beteiligung der Nutznießer einer guten ÖPNV-Anbindung, Ein Fahrschein – Ein Fahrpreis“ Informations-, Buchungs- Beitrag zum Klimaschutz. Maßnahmen zum Klimaschutz sollen wie sie unter anderem in Wien, Amsterdam und Kopenhagen sowie Zahlungsmöglichkeiten aus einer Hand – und das einfach deshalb in allen Bereichen verstärkt geprüft beziehungsweise praktiziert wird, ist eine detaillierte Untersuchung wert. Eines und über die Grenzen hinweg. entwickelt werden: haben alle immer wieder zitierten ausländischen ÖPNV-Vor- zeigeregionen gemeinsam: Die finanzielle Unterstützung für Längst fühlt sich die Bevölkerung weiter Teile Unterfrankens, Beim Infrastrukturausbau und dem Einsatz von Antriebstech- öffentliche Mobilität ist ungleich höher als in Deutschland. der Bergstraße und Rheinhessens der Metropolregion Frankfurt nologien wird verstärkt auf Emissionssenkung am Fahrzeug Während die Proportion Einnahmen/Zuschuss in Deutschland Rhein-Main verbunden, unabhängig vom jeweiligen Bundes- geachtet durch Abkehr vom Dieselantrieb hin zu oberleitungs- durchschnittlich bei 70 zu 30 Prozent liegt, verhält sich dieser land. Annähernd 60.000 Menschen pendeln mittlerweile täglich oder batteriebasiertem Elektroantrieb und Brennstoffzellen- im sonstigen Europa genau umgekehrt proportional. Auch hier aus Bayern nach Hessen, viele aus der Stadt Aschaffenburg antrieb. Der nachhaltig produzierte Anteil am Bahnstrommix ist vor allen Dingen der Bund gefragt. und den beiden Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg. soll massiv steigen. Die äußerst stark steigenden Immobilien- und Mietpreise in den Städten führen zu einer verstärkten Abwanderung Tarif- und Fahrplanangebote sollen dazu motivieren, den ÖPNV häufiger und verstärkt auch für Freizeitaktivitäten zu nutzen. Dies wird durch entsprechendes Marketing und klimabezogene Sachinformation über das eigene Verkehrsverhalten unterstützt. Deutsch- Deutschland Hessen Hessen RMV RMV Frankfurt Frankfurt Nicht zuletzt werden auch Anstrengungen zur Verbesserung land 2008 2017 2008 2017 2008 2017 2008 2017 der CO2-Bilanz in allen Bereichen des eigenen Wirtschaftens, unter anderem beim besonders energieintensiven Betrieb der Wege pro Person 3,4 3,1 3,4 3,2 3,4 3,1 3,5 3,3 und Tag (Anzahl) IT-Server unternommen. Anteil mobiler Personen 90 85 90 85 90 85 94 87 (über alle Tage, in Prozent) Unterwegszeit pro Person 1:19 1:19 1:16 1:20 1:16 1:22 1:27 1:30 und Tag (h:min) Tagesstrecke pro Person 39 39 38 39 38 40 37 34 und Tag (km) Tabelle 1: Zentrale Mobilitätsgrößen 2008 und 2017 für Durchschnittliche Deutschland, Hessen, RMV-Gebiet und Stadt Frankfurt/Main 11,5 12,6 11,2 12,2 11,2 12,9 10,6 10,3 Wegelänge (km) (vgl. [MiD 2017] u. [MiD 2008]), Stand 06/2019 10
Kapitel 1 Ziele und Anforderungen | Regionaler Nahverkehrsplan des RMV der Bevölkerung in günstigere und weiter vom Arbeitsplatz Ein einfach zugängliches und effizientes System Qualitativ hochwertige Angebote – Grundbedingung entfernte Regionen. Dies bringt eine Steigerung des Verkehrs- durch Innovationen für den Nahverkehr der Zukunft aufkommens mit sich, bietet aber zugleich bei einer attraktiven Innovationen müssen noch stärker genutzt werden, um die Bei der Entscheidung der Kunden für ein Verkehrsmittel spielen Verkehrsanbindung, insbesondere durch den ÖPNV, eine große Erwartungen an den ÖPNV zu erfüllen. Eine Fahrt muss heute Qualität und Verlässlichkeit eine entscheidende Rolle. Diese Chance für den ballungsraumnahen ländlichen Raum. genauso einfach und spontan mit dem Nahverkehr möglich sein beeinflussen stark das individuelle Empfinden für das Preis- wie mit dem Auto: Einsteigen und losfahren, nur das Ziel vor Leistungs-Verhältnis und sind daher ausschlaggebend für die Um der Aufgabe als regionaler Mobilitätsanbieter gerecht zu Augen und darüber hinaus mit der Gewissheit, auch bei Stö- Verkehrsmittelwahl. Deshalb ist es wichtig, aktuelle Defizite werden, ist es erforderlich, sich diesen veränderten Rahmen- rungen oder Änderungen zuverlässig und sorglos anzukommen aufgrund von Personalengpässen, technischen Defekten an bedingungen zu stellen. Für die Kunden ist ein einfacher – immer mit den aktuell wichtigen Informationen individuell Fahrzeugen und Infrastrukturmängeln sowie unzureichender Zugang zum ÖPNV maßgeblich entscheidend. Eine Lösung versorgt. Auch neue Ride-Sharing- und On-Demand-Systeme Information umgehend zu beseitigen. Ein pünktlicher und über Kooperationsverträge ähnlich dem, wie er schon heute eröffnen für die Anbindung des ländlichen Raums sowie im zuverlässiger Betrieb ist die Grundvoraussetzung für jegliche zwischen der Stadt Mainz und dem RMV besteht, wäre eine Stadt-Umland-Gefüge völlig neue Möglichkeiten. Der öffentli- Weiterentwicklung des ÖPNV. Erst wenn dieser pünktlich, Möglichkeit. Das Interesse auf bayrischer und hessischer Seite che Verkehr wird hier individueller und passt sich dank neuer sicher, sauber und mit hoher Informationsqualität angeboten ist groß. Inzwischen ist bei allen Akteuren fest im Bewusstsein Technologien an die Bedürfnisse der Menschen an. wird, können weitere Verbesserungen im Sinne der Fahrgäste verankert, dass die aktuellen und künftigen Herausforderungen umgesetzt werden. Daher hat die Deutsche Bahn AG (DB AG) im Mobilitätsbereich nur gemeinsam und über die Landes- Das inzwischen etablierte Kundenmedium Smartphone für die auf Initiative des und in enger Abstimmung mit dem RMV einen grenzen hinweg gelöst werden können. gesamte Servicekette Informieren, Buchen und Bezahlen hat Maßnahmenkatalog zur Qualitätsverbesserung aufgelegt. Eine die Zugangsbarrieren zum System ÖPNV deutlich reduziert. Der verlässliche Kundeninformation, insbesondere im Störungsfall, Eine übergreifende Mobilitätsplattform – intuitive Zugang für die Kunden über eine Smartphone App und ist dabei das Schlüsselthema. Mobilität aus einer Hand die breitere Verknüpfung mit dynamischen Verkehrsangeboten Die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen werden immer viel- kann zu einer Qualitätssteigerung beitragen. Darüber hinaus steigen die Anforderungen der Fahrgäste. fältiger; die Nachfrage nach multimodalen Angeboten steigt; Erwartet werden mittlerweile moderne, mit WLAN ausgestattete der Zugang zum System soll möglichst einfach gestaltet sein. Innovationsprojekte müssen darauf ausgerichtet werden, das Fahrzeuge, die klimatisiert und barrierefrei im dichten Takt Ziel ist es also, dem Fahrgast das gesamte Portfolio der Mobili- System effektiver zu gestalten und auch neue Finanzierungs- verkehren. tät über eine einheitliche Plattform mit intuitiver, einfacher quellen außerhalb des eigentlichen Ticketverkaufs zu Bedienung anzubieten. erschließen. Die Digitalisierung beschleunigt die Veränderung unserer Ge- sellschaft und insbesondere auch der Mobilität. Sie ist zugleich auch der Schlüssel, um den veränderten Anforderungen an das Verkehrssystem gerecht zu werden. So entwickelt der RMV gemeinsam mit dem Verband Deutscher Verkehrsunter- nehmen und weiteren Partnern die digitale Plattform „Mobility Inside“, über die der gesamte öffentliche Verkehr in Deutsch- land – vom Bus- und Bahnticket über das Leihfahrrad bis zum Car-Sharing-Angebot – gebucht und abgerechnet werden kann. Zielsetzung muss sein, die Plattform durch die Nahver- kehrsbranche für ihre Fahrgäste zu gestalten und dies nicht der Plattformökonomie oder Automobilindustrie zu überlassen (vgl. Kapitel 9.3). 11
Kapitel 1 Ziele und Anforderungen | Regionaler Nahverkehrsplan des RMV Infrastruktur 2030+ – Voraussetzung Neubaustrecke Rhein/Main – Rhein/Neckar für einen leistungsfähigen ÖPNV (Frankfurt – Mannheim) Die begrenzten Kapazitäten auf den Schienenstrecken im S6 Neubaustrecke Gelnhausen – Fulda (Frankfurt West – Friedberg) Ballungsraum Frankfurt Rhein-Main stellen die größte Hürde 1. Baustufe Knoten Frankfurt Hbf/Süd eines weiteren ÖPNV-Wachstums in der Region dar. Die schnelle Umsetzung der lange geplanten Frankfurt RheinMain- Elektronisches Stellwerk plus (FRMplus)-Projekte ist daher dringend erforderlich. Diese Tunnelstammstrecke RTW allein werden aber nicht ausreichen, um den gestiegenen Bedarfs-/ Neubaustrecke Leistungs-GAP Rhein/Main – Rhein/Neckar Mobilitätsbedürfnissen gerecht zu werden. Deshalb muss (Wallauer Spange) schon heute mit der Planung weiterer Maßnahmen begonnen Knoten Frankfurt-Stadion werden, wie beispielsweise eines Schienenringes um Frankfurt S-Bahn-Anbindung Nordmainische S-Bahn oder neuer Infrastruktur für den Fernverkehr im Knoten Frank- Gateway Gardens S6 (Frankfurt West – Fried- furt Hauptbahnhof (Fernbahntunnel). Neben der Erweiterung berg), 2. Baustufe Homburger Ausbaustrecke der Schieneninfrastruktur sollen durch Digitalisierung der Leit- Damm Hanau – Gelnhausen und Sicherungstechnik sowie neue Kreuzungsbahnhöfe die Kapazität der bestehenden Strecken erhöht werden. Optionen für weitere Angebotsverbesserungen bieten der Ausbau und/ oder Elektrifizierung bestehender Strecken sowie eine Re- 2018 2019 2020 2021 2022 2025 – 2030 ab 2030 aktivierung stillgelegter Strecken. Diese und zahlreiche weitere Maßnahmen werden in den folgenden Kapiteln detailliert beschrieben. Abbildung 2: Bedarfs-/Leistungs-GAP in den 2020er-Jahren Die zurzeit schon in Umsetzung befindlichen Maßnahmen sind von hoher Bedeutung, tragen aber als Einzelmaßnahmen nicht zu einer signifikant höheren Kapazität bei. Erst ab 2030, wenn Barrierefreiheit verkehrenden Fahrzeuge, über die Platzangebote im Fahrzeug fast das gesamte Projekt FRMplus beendet ist, entfalten sie Die Barrierefreiheit ist ein übergeordnetes Ziel. Das deutsche oder die barrierefreie Toilette bis zur Information während der gemeinsam ihre volle Wirkung. Das heißt aber auch, dass bis in Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) definiert die Barriere- Fahrt insbesondere im Störungsfall, müssen in allen Bereichen die Jahre 2025/2030 hinein eine Bedarfs-Leistungs-Lücke klafft freiheit in § 4: „Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, die Anforderungen der Barrierefreiheit erfüllt sein. Dies dient (Abbildung 2). Verkehrsmittel und technische Gebrauchsgegenstände, einerseits den betroffenen Mobilitätseingeschränkten. Anderer- Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle seits entstehen Vorteile für alle Verkehrsteilnehmer durch Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie höhere Bequemlichkeit, Sicherheit und Zuverlässigkeit. andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne Durch die Einführung der „Technischen Spezifikationen für die besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe Interoperabilität“ (TSI) wurden auf europäischer und nationaler auffindbar, zugänglich und nutzbar sind“. Barrierefreiheit betrifft Ebene die gesetzlichen Vorgaben geschaffen und Mindest- somit alle Themenfelder des ÖPNV. Von der Information über anforderungen definiert. Diese gehören zu den Grundlagen für die einzelnen Angebote über die Infrastruktur vor Ort und deren die Planung und Ausschreibung von Infrastruktur, Fahrzeugen Zugänglichkeit, über den barrierefreien Zugang in die jeweils und Verkehrsleistungen. 12
Kapitel 1 Ziele und Anforderungen | Regionaler Nahverkehrsplan des RMV Die „RMV-Offensive 2030“ zum Schließen des Bedarfs- Vision vom einfachen Tarif zum 1. Januar 2020 ein hessenweites Seniorenticket ein- Leistungs-GAP zeigt dazu folgende kurzfristig umsetzbare Die preisliche und strukturelle Ausgestaltung des Tarifs hat geführt. Preislich interessante Flatrates, die verbundweit oder Maßnahmen auf: neben dem Leistungsangebot Einfluss auf das Verkehrsmittel- hessenweit gültig sind, steigern die Attraktivität des ÖPNV und wahlverhalten und die Nutzungshäufigkeit. Der RMV entwickelt die Nutzungshäufigkeit. - zeitliche Erweiterung der Hauptverkehrszeit (HVZ), seinen Verbundtarif einerseits zu einem differenzierten und - wirksamer Einsatz größerer Kapazitäten durch Nutzung noch leistungsgerechteren Tarif für Selten- und Gelegenheitsnutzer, Die Vision eines solchen einfachen Tarifs (Flatrate und ge- vorhandener Reserven, andererseits zu einem preislich attraktiven, einfachen und rechter E-Tarif) erfordert - Schließung der Infrastrukturlücken beispielsweise durch großräumigen Flatrate-Tarif für Stammkunden (Abbildung 3). ein ergänzendes, qualitativ hochwertiges neues Bussystem - die schnelle und unverzügliche Umsetzung der geplanten und (inkl. Freigabe der Standstreifen für Busse auf Autobahnen Die Selten- und Gelegenheitsnutzer erwarten günstige Tarife bei darüber hinaus notwendigen Infrastrukturmaßnahmen, und mehrspurigen Bundesstraßen, ein weiterer Ausbau von kurzen Fahrten und entfernungsabhängige Preise bei einfacher - den Einsatz neuer Ideen und innovativer Lösungen, Ampelvorrangschaltungen usw.), Nutzung. Mit den Pilotprojekten EILO („Einsteigen und Los- - eine generelle, die gesamte Mobilität umfassende Informati- - Ausbau des Express-Bus-Angebotes, fahren“) und RMVsmart werden genau diese Kundenwünsche ons- und Buchungsplattform sowie - Nutzung weiterer Alternativen und Innovationen (zum Beispiel untersucht und Lösungen erarbeitet. Im herkömmlichen Tarif - eine Struktur, die die veränderten Mobilitätsbedürfnisse Einsatz innovativer Antriebstechnologien wie Wasserstoff, wurde bereits die Tageskarte preislich angepasst, so dass sich widerspiegelt. Elektro und Hybrid sowie von Seilbahnsystemen) und diese schon bei einer Hin- und Rückfahrt im Vergleich zu zwei - Aufbau von On-Demand-Verkehrsangeboten als Bestandteil Einzeltickets lohnt. Mit der Einführung der Zwischenpreisstufen Grundvoraussetzungen sind des ÖPNV-Gesamtsystems (vor allem außerhalb oder am zwischen Frankfurt und dem näheren Umland wird ein weiterer Rande der Ballungsräume). Schritt zur Feingliedrigkeit des Tarifes vollzogen. - die Verbesserung der angebotenen Leistungen sowie - eine entsprechende Finanzierung. Die Weiterentwicklung der Verkehrsstationen dient der Um- Der Trend zu Flatrates für Stammkunden, der seinen Anfang im setzung der Barrierefreiheit und der Verknüpfung mit anderen 365-Euro-Ticket in Wien nahm, hält unverändert an. Nach dem Nur die Verwirklichung dieses Bündels an Maßnahmen er- Verkehrsträgern sowie der Einbindung in das Umfeld im Sinne Schülerticket Hessen und dem LandesTicket Hessen wurde möglicht die Realisierung einer vielleicht sogar verbund- oder der Nahmobilitätsstrategie des Landes Hessen. hessenweiten Flatrate für jedermann. Auch die Vision einer 365-Euro-Flatrate für ganz Deutschland kann bei Erfüllung aller genannten Voraussetzungen Wirklichkeit werden. + Ausblick Flatrates Leistungsgerecht differenziert (für Stammkunden) (v. a. für Selten-/Gelegenheitsnutzende) In den nächsten Jahren und Jahrzehnten steht der ÖPNV vor großen Herausforderungen. Diese eröffnen dem System aber ● möglichst einfach und großräumig ● kurze Fahrten preiswerter gleichzeitig hervorragende Chancen: Die Branche kann aktiv ● preislich attraktiv, ggf. solidarisch ● zahlen, was gefahren wird finanziert ● Beispiele: eine nachhaltige und moderne Mobilität gestalten und die ● Beispiele: - Preissenkung Tageskarten in Weichen für einen attraktiven Nahverkehr der Zukunft stellen. - Schülerticket Hessen Frankfurt/VMW Dazu ist es zwingend notwendig, dass alle Akteure – Verkehrs- - Landesticket Hessen, JobTicket - RMVsmart - Seniorenticket Hessen - Zwischenpreisstufen wirtschaft, Verbünde, Politik – an einem Strang ziehen und jeder seinen originären Aufgaben nachkommt beziehungsweise optimale Rahmenbedingungen schafft. Nur so kann der ÖPNV zukünftig seiner Rolle als Herzstück eines vernetzten und Abbildung 3: Differenzierung der Tarifentwicklung klimaschonenden Verkehrssystems gerecht werden. Mit dem Regionalen Nahverkehrsplan und dem Konzept „Mobilität 2030“ legt der RMV die Basis für die Mobilitätsentwicklung der Region Frankfurt Rhein-Main bis 2030. 13
Kapitel 1 Ziele und Anforderungen | Regionaler Nahverkehrsplan des RMV 1.3 Vorgehensweise Einleitend werden das Leitbild und wesentliche Ziele für die Die RNVP-Fortschreibung ist nach dem mehrstufigen Ansatz Fortschreibung des RNVP auf Grundlage des Konzeptes „Überprüfen – Konkretisieren – Fortschreiben“ erfolgt. Der „RMV-Mobilität 2030“ dargestellt sowie künftige Entwicklungen vorhergehende RNVP wurde dahingehend geprüft, ob Inhalte und Zukunftstrends aufgezeigt. Im Weiteren beschreibt der weiterhin Bestand haben, zu aktualisieren oder zu vertiefen RNVP für die Themenfelder Leistungsangebot und Verkehrs- sind und ob neue Entwicklungen aufzuzeigen sind. Der RMV nachfrage, Bahnhöfe und Haltestellen, Streckeninfrastruktur, hat mit der Fortschreibung des RNVP ein Spektrum abzu- Fahrzeuge, Wettbewerb, Qualitätssicherung, Digitalisierung, decken, das über planerische Themen hinausgeht. Tarif, Vertrieb sowie Marketing, Kundeninformation und Dialog zunächst den Bestand („Ist-Zustand“). Daran anschließend Die wesentlichen Arbeitsschritte zur Erstellung des vor- wird in Form von Standards ein „Soll-Zustand“ definiert. Hierzu liegenden Planentwurfs sind im Verlauf des Jahres 2019 werden bestehende Standards für den ÖPNV im RMV benannt, erfolgt. Dabei wurde zum Teil auf Grundlagen und Quellen Änderungen und Ergänzungen gegenüber früheren Standards zurückgegriffen, die vor 2019 entstanden sind. Einige Inhalte herausgestellt sowie neue Standards eingeführt. Im darauf- und Grundlagen wurden im Rahmen des formalen Anhörungs- folgenden Schritt der Bewertung der Bestandsaufnahme wird verfahrens (vgl. Anlage 8) aktualisiert. ein Soll-Ist-Vergleich durchgeführt. Damit werden die wesent- lichen Defizite identifiziert. Darauf aufbauend werden Ziel- konzepte und konkrete Maßnahmen beschrieben und zeitlich eingeordnet. Den Abschluss bilden ein Finanzierungs- und ein Organisationskonzept. Die Vertiefung spezifischer Inhalte, praxisrelevante Beispiele oder Themen, die nicht unmittelbar in den Rahmen und die Struktur des RNVP passen, sind in Form von Bausteinen dargestellt. Diese ergänzenden Beiträge weisen empfehlenden Charakter auf, ohne verbindliche Vorgaben zu beinhalten. Die Bausteine geben teilweise über den Zuständigkeitsbereich des RMV hinaus Hinweise für die Lokalen Nahverkehrs- organisationen (LNO), Verkehrsunternehmen, Kommunen oder andere Akteure am Verkehrsmarkt. Ebenfalls über den (rechtlich vorgegebenen und zeitlichen) Rahmen des RNVP hinaus werden in einer „Vision 2030+“ Maßnahmenvorschläge in frühen Stadien formuliert, für die eine vertiefende Befassung in ergebnisoffener Weise stattfinden soll. 14
Kapitel 1 Ziele und Anforderungen | Regionaler Nahverkehrsplan des RMV 1.4 Künftige Entwicklungen und Zukunftstrends Demografischer Wandel und Siedlungsentwicklung Der Verkehrsmarkt wird sich in den kommenden Jahren mit steigender Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Hessen steigt Dynamik wandeln. Die allgemeinen Megatrends Digitalisierung, bis zum Jahr 2030 der Anteil derjenigen, die 60 bis unter Globalisierung und Urbanisierung sowie Veränderungen im Wirtschafts- 80 Jahre alt sind, auf 25 Prozent der Bevölkerung und das Durchschnittsalter auf 46,2 Jahre (2014 betrug es in Hessen gefüge, neue ökologische Anforderungen und der demografische 43,8 Jahre, vgl. [HSL 2016]). Eine neuere Bevölkerungsvoraus- Wandel werden die Mobilität der Zukunft und den öffentlichen Personen- schätzung der HessenAgentur für 2035 [HA 2019] mit Basisjahr 2017 bestätigt die Entwicklung (vgl. Abbildung 5). Dabei sind nahverkehr bis 2030 deutlich prägen. regionale Unterschiede zu verzeichnen. Sowohl bei der Be- völkerungsentwicklung als auch bei der Altersstruktur ist ein markantes Nord-Süd-Gefälle zu beobachten. So setzt sich in Südhessen das Bevölkerungswachstum im Gegenteil zu den anderen Landesteilen weiter fort (vgl. Abbildung 6). Zugleich ist der Altersdurchschnitt hier geringer. Frankfurt, Darmstadt, Mainz und Offenbach zählen zu den insbesondere für junge Menschen attraktiven „Schwarmstädten“. 4% 6% 7% 8% 10% 14% Demografischer 19% Tarif und Vertrieb, 21% Wandel und 24% Finanzierung Siedlungsentwicklung 26% 25% 24% 27% 80 Jahre und älter 29% 60 bis unter 80 Jahre 27% 26% 26% 24% 40 bis unter 60 Jahre Verkehrsinfra- Gesellschaftlicher struktur, Technologie 20 bis unter 40 Jahre Wandel und und neue Mobilitäts- Nachhaltigkeit angebote 29% unter 20 Jahre 25% 24% 21% 21% 22% 21% 19% 19% 18% 17% 17% Mobilitätsverhalten Markt und und Verkehrsnachfrage Wettbewerb 2000 2017 2025 2035 2040 2050 Projektion Trend Abbildung 5: Bevölkerungszusammensetzung nach Altersgruppen gemäß Vorausschätzung Abbildung 4: Prägende Themenfelder des ÖPNV bis 2030 für Hessen bis 2035 (Projektion) und 2050 (Trend), nach [HA 2019] 15
Kapitel 1 Ziele und Anforderungen | Regionaler Nahverkehrsplan des RMV Außerhalb der Metropolregion kommt den Ober- und Mittel- zentren im ländlichen Raum eine wichtige Rolle zu. Sie nehmen dort eine wichtige Versorgungsfunktion für alle Lebensbereiche wahr, die es zu stabilisieren und zu bewahren gilt. Während Marburg-Biedenkopf Marburg-Biedenkopf der Laufzeit der aktuellen Regionalpläne sind die Oberzentren mit Ausnahme von Marburg gegenüber der Prognose zum Teil sogar deutlich gewachsen. Häufig steigt die prozentuale Verfehlung der Prognose mit abnehmender Größe der Ge- Lahn-Dill Vogelsberg Lahn-Dill Vogelsberg meinde. Es ist naheliegend anzunehmen, dass infolge dieser Gießen Entwicklung wichtige Versorgungsfunktionen zunehmend zu Gießen Fulda Fulda den größeren Gemeinden hin verlagert werden. Die Erreich- barkeit dieser Zentren hat daher eine große Bedeutung für die Limburg-Weilburg Limburg-Weilburg Lebensqualität der Bevölkerung. Wetterau Wetterau Wachstum und Verdichtung in den Ballungsräumen sind bei der Hoch- Hoch- taunus Gestaltung des ÖPNV-Angebotes ebenso zu berücksichtigen taunus wie eine ausreichende Verkehrsbedienung im Rahmen der Main-Kinzig Rheingau-Taunus Main-Kinzig Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen. Besondere Bedeutung Rheingau-Taunus Main- Main- Taunus kommt der Steuerung der Siedlungsentwicklung entlang wichti- Taunus Frankfurt Wiesbaden Frankfurt am Main Offenbach am Main Offenbach am Main Bevölkerungentwicklung ger ÖV-Achsen in Kooperation mit der Verkehrsplanung zu. Wiesbaden am Main Bevölkerungentwicklung Offenbach Offenbach 2017 –2017 2035– 2035 Mainz Mainz (Prognostizierte (Prognostizierte (RLP) (RLP) relative relative Änderung Änderung in %) in %) Groß- Groß- Gerau Darmstadt Gerau Darmstadt 5 bis 15 5 bis 15 Darmstadt- Darmstadt- Gesellschaftlicher Wandel und Nachhaltigkeit Dieburg Dieburg Mobilität wird auch zukünftig ein zentraler Bestandteil des 0 bis 50 bis 5 Lebensgefühls und der Freiheit einer Gesellschaft sein, die Odenwald- Odenwald- -5 bis-5 0 bis 0 zunehmend von Individualität, Virtualisierung und Bedeutungs- kreis kreis verlust von Eigentum („nutzen statt besitzen“) geprägt ist. -10 bis-10 -5bis -5 -15 bis-15 -10bis -10 Die Arbeitswelt durchläuft gerade einen Wandel von der Indus- trie- zur Wissensgesellschaft. Damit verbundene Veränderungen der Unternehmensstrukturen führen zu einer Verlagerung der beruflichen Tätigkeit aus den Büros in den häuslichen Bereich. Abbildung 6: Bevölkerungsentwicklung der Städte und Landkreise im RMV-Gebiet 2017 bis 2035. Flexible team- und projektorientierte Arbeitsformen gewinnen Prognostizierte relative Änderung in Prozent, nach [HA 2019], [SL RLP 2019] zusehends an Akzeptanz, es kommt zu einer stärkeren Ver- schmelzung von Arbeit und Freizeit. Zunehmen werden daher auch die Wege aus Freizeitgründen. 2017 waren bereits 29 Pro- zent aller Wege in Hessen Freizeitwege (vgl. Studie „Mobilität in Die Verstädterungsprozesse (Urbanisierung) in Südhessen wer- Die Folgen sind Sub-Urbanisierung mit der Ausdehnung der Deutschland“ 2017, [MID 2017]). den weiter zunehmen. Dabei sind Wachstum und Verdichtung Siedlungsflächen am Rand des Kernraums sowie positive nicht auf einzelne Oberzentren beschränkt, sondern Kenn- Impulse für die Zentren an der Peripherie der Metropolregion, Informations- und Kommunikationstechnologien verändern das zeichen der gesamten Metropolregion Frankfurt Rhein-Main, insbesondere wenn sie wie zum Beispiel in Gießen attraktive Kommunikations- und Einkaufsverhalten und damit auch das da die Verdichtungspotenziale in den Städten zwar genutzt Angebote für Bildung und Arbeit bieten. Damit nimmt die Mobilitätsverhalten. Kunden erwarten unkomplizierte, flexible werden, aber zugleich auch an ihre Grenzen stoßen. Bedeutung der Region zu: Sie ist die „Stadt der Zukunft.“ und spontan nutzbare Verkehrsangebote. 16
Kapitel 1 Ziele und Anforderungen | Regionaler Nahverkehrsplan des RMV Ökologische Themen haben in den vergangenen Jahren in klimaverträglichen und gleichzeitig smarten Verkehrs- Markt und Wettbewerb der öffentlichen Debatte massiv an Präsenz gewonnen – ent- angeboten, die zugleich differenziert ausgestaltet und damit Neue globale Akteure drängen in den nächsten Jahren sprechend wächst auch das Bewusstsein der Bürgerinnen an die persönlichen Bedarfe anpassbar sind. Der ÖV erfährt in verstärkt auf den Mobilitätsmarkt. Neben dem klassischen und Bürger für Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen. Eine diesem Zusammenhang eine öffentliche Aufwertung. Die Band- ÖPNV nutzt auch die Automobilindustrie das Potenzial Entwicklung, die auch im Bereich der persönlichen Mobilität breite alternativer Verkehrsangebote nimmt zu, von Sharing- der Digitalisierung für neue Angebote und entwickelt sich einen Wertewandel auf den Weg gebracht hat. So wird der Pkw Konzepten für die Nahmobilität bis hin zu Radschnellwegen für zum Mobilitätsdienstleister weiter. Getrieben sowohl durch vermutlich als Statussymbol erhalten bleiben, sein Prestige- Pendelnde. Wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltige finanzstarke internationale Technologiefirmen als auch durch wert wird allerdings nicht mehr an Hubraum und Leistung, regionale Mobilität ist jedoch die Stärkung des ÖPNV als Rück- Start-Ups hält die Plattformökonomie Einzug in den regionalen/ sondern an seiner Umweltverträglichkeit bemessen werden. grat des Verkehrssystems. lokalen Mobilitätsmarkt. Eine zunehmende Anzahl an Akteuren Auch der öffentliche Sektor sieht sich mit Handlungsbedarf konkurriert um Kunden und Nutzende. Der Mobilitätsmarkt wird konfrontiert: Immissionsgrenzwerte in den Städten zwingen Nachhaltigkeit bezieht sich neben dem ökologischen Bereich, zum Experimentierfeld. Markt und Wettbewerb verändern sich die Behörden, geeignete Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu in dem durch technologischen Fortschritt unter anderem dahingehend, dass bei Unternehmen wie auch Institutionen etablieren. Der Fokus wird einerseits auf der Weiterentwicklung massive Einsparungen der CO2-Emissionen des Verkehrs erzielt immer häufiger aus Konkurrenten „Frienemies“ werden, also neuer Antriebssysteme und dem Ausbau der Elektromobili- werden sollen, auch auf eine dauerhaft tragfähige Finanzierung gleichzeitig Wettbewerber und Kooperationspartner. Lang- tät liegen. Um die Städte lebenswert zu halten, führt im des öffentlichen Verkehrs und auf soziale Teilhabe. Um für fristig wird der völlig unbeschränkte Zugang zu einer Vielzahl Ballungsraum kein Weg daran vorbei, den MIV wirkungsvoll zu möglichst alle Personen den Zugang zum ÖPNV zu erleichtern, unterschiedlicher Mobilitätsangebote – national und global – reduzieren. Durch die gesellschaftlichen Entwicklungen kommt wird der Ausbau der Barrierefreiheit und eines “Design for all“ zu einem neuen Statusmerkmal. es zu einer verstärkten Nachfrage nach umweltfreundlichen, daher einvernehmlich weiter vorangetrieben werden. Mobilitätsverhalten und Verkehrsnachfrage Durch das Bevölkerungswachstum nimmt das Verkehrsauf- kommen weiter zu. Urbanisierung und Zersiedelung sind die Folge. Dadurch kommt es zu einer weiteren Konzentration des Verkehrs mit zunehmenden Stauproblemen in den Ballungsräumen. Nach Angaben des Hessischen Statistischen Landesamtes liegt der MIV-Anteil am Berufsverkehr derzeit bei 2017 2017 68,7 Prozent der Erwerbstätigen (vgl. [HSL 2018]). 75 Prozent 24 % 22 % der im Rahmen der Studie „Mobilität in Deutschland“ Befragten 2008 2008 in Hessen haben jederzeit ein Auto zur Verfügung, 52 Prozent 25 % 24 % MIV-Fahrende nutzen das Auto täglich. Dennoch ist ein leicht rückläufiger 41 % 43 % MIV-Mitfahrende Anteil des MIV am Modal Split im RMV-Gebiet zu verzeichnen 43 % 43 % RMV-Gebiet (vgl. Abbildung 7). Deutschland ÖPV 7% 10 % 11 % Fahrrad 9% 10 % 8% zu Fuß 15 % 15 % 2017 10 % 2017 11 % 24 % 14 % 22 % 2008 2008 14 % 25 % 24 % MIV-Fahrende ÖPV: Alle öffentlichen Verkehrsmittel – auch auf längeren Strecken 41 % 43 % MIV-Mitfahrende 43 % Fern- und Reisebusse, Flugzeug und Taxi) (Nahverkehrsbusse, alle Bahnen, 43 % RMV-Gebiet Basis: Datensatz Wege Deutschland ÖPV 7% 11 % 10 % Fahrrad 9% Abbildung 7:10 % Modal Split im RMV-Gebiet und in Deutschland, 8% Entwicklung zu Fuß zwischen 2008 und 15 2017 % (vgl. [MiD 2008], [MiD 2017], Stand: 06/2019) 15 % 11 % 10 % 14 % 14 % 17
Kapitel 1 Ziele und Anforderungen | Regionaler Nahverkehrsplan des RMV Durch die Fortschritte der Digitalisierung eröffnen sich sowohl Die Gestaltungsspielräume werden durch die Digitalisierung Tarif und Vertrieb, Finanzierung neue Gestaltungsspielräume für die Verkehrsteilnehmer als größer. Zugleich steigen auch die Anforderungen an Infra- Im Bereich Tarif und Vertrieb erfolgt aufbauend auf den zuvor auch neue Organisations- und Steuerungsmöglichkeiten für struktur und Mobilitätsangebote kontinuierlich an. Es entstehen beschriebenen Entwicklungen eine Angebotsintegration weite- Aufgabenträger und Betreiber. Der öffentliche Verkehr wird vielfältige Möglichkeiten zur Optimierung und strukturspezi- rer Verkehrsmittel in den Mobilitätsverbund. in Zukunft individueller, der individuelle Verkehr kollektiver fischen Steuerung der Mobilitätsdienstleistungen. Zunehmend werden. Eine hochgradig mobile Gesellschaft möchte flexibel können umfassende Mobilitätsangebote offeriert werden, die Die Erwartungshaltung an bequemes Reisen („seamless und schnell agieren. Die Verkehrsmittelnachfrage wird verstärkt situationsbezogen integrierte Mobilität unter Berücksichtigung travelling“) mit attraktiven Preisen und Tickets sowie nutzer- multimodal erfolgen. Wichtige Kriterien sind dabei Individuali- individueller Wünsche ermöglichen. Mit einem „situativen freundlichen Buchungs- und Bezahlvorgängen wird zunehmend tät, Privatsphäre, Umweltaspekte sowie der relative Preis. matching“ werden dabei verschiedene Mobilitätsangebote steigen. Die Digitalisierung ermöglicht hier eine Plattformöko- Ebenso steigt die Akzeptanz flexibler und geteilter Angebote. optimal und individuell ergänzt. Klassische Fahrpläne ver- nomie, welche die verschiedenen Angebote vernetzt, um sie „Nutzen statt besitzen“ wird als Devise die Zukunft mitprägen. lieren in diesem Zusammenhang insbesondere im städtischen dem Kunden unkompliziert und flexibel über einen einheitlichen Schienenverkehr mit sehr dichtem Takt zunehmend an Be- Vertriebskanal zur Verfügung zu stellen. Der Ticketvertrieb gilt Verkehrsinfrastruktur, Technologie deutung. Neben der Verfügbarkeit von Angeboten kann auch als eines der wichtigsten Handlungsfelder der Plattformöko- und neue Mobilitätsangebote deren Qualität in den Bereichen Barrierefreiheit und Nachhaltig- nomie, zudem wird ein übergreifendes Mobilitätsmanagement Die heutige Verkehrsinfrastruktur befindet sich in den Ballungs- keit deutlich gesteigert werden. ermöglicht. Dies birgt insgesamt ein großes Potenzial zur Stär- räumen an den Kapazitätsgrenzen. Es besteht für die nächsten kung des ÖPNV als wichtiger Akteur auf dem Mobilitätsmarkt. Jahre daher starker Investitionsbedarf: Die lokalen und regionalen Verkehrsakteure werden sich bundesweit vernetzen und ihre Angebote und Kompetenzen im Gemäß „Mobilität in Deutschland“ verwendeten im Jahr 2017 - Erweiterung unterschiedlicher Verkehrswege, Rahmen einer gemeinsamen Mobilitätsplattform bündeln. 21 Prozent aller Befragten in Hessen für den Ticketkauf und - (Aus-)Bau von Verkehrsknoten, 49 Prozent der Befragten für Fahrplanauskünfte mobile End- - Erneuerungsbedarf der in den 70er- und 80er-Jahren Komfort, Erreichbarkeit und Servicequalität gewinnen an Be- geräte. Bei beiden Funktionen wird es zeitnah zu einem starken erbauten Schieneninfrastruktur, deutung. Die Digitalisierung hat hier ein neues Anspruchsniveau Zuwachs kommen. - Ergänzung, Erneuerung und Elektrifizierung des geschaffen, sodass zukünftig die nahtlose digitale Servicekette Transportmittelbestandes (Busse, Bahnen etc.), vorausgesetzt und eine Mobilitäts-Komplettlösung erwartet Im Hinblick auf die Finanzierungsfrage sind tendenzielle Auf- - Integration neuer und effizienterer Transportsysteme wird (u. a. ad-hoc-Informationen, Echtzeit-Informationen im wandssteigerungen im öffentlichen Verkehr für Energie und (Metros, Personal-Rapid-Transit-Systeme, Brückenbusse, Rahmen der multimodalen Fahrgastinformation). Personal zu erwarten. Gleichzeitig ist davon auszugehen, Seil- /Magnetschwebebahnen etc.) und dass die Finanzspielräume der öffentlichen Hand und privater - Implementierung der digitalen Infrastruktur für eine Als Ergebnis einer rasanten technologischen Entwicklung Haushalte wieder enger werden, wobei sich der Stellenwert des intelligente Verkehrssteuerung. werden in den kommenden Jahren neue Verkehrsmittel und ÖPNV verändert hat. Darüber hinaus steht die Erneuerung der Mobilitätsangebote entstehen. Zunehmend werden urbane in den 70er- und 80er-Jahren erbauten Schieneninfrastruktur Im hochverdichteten städtischen Raum wird es zur Konkur- Seilbahnen, Wasserbusse und -taxen, XXL-Busse als Ver- und gleichzeitig ein massiver Ausbau an. Zukünftig werden renz um Verkehrsflächen kommen. Die infrastrukturüber- kehrsmittel diskutiert und angeboten. Die Entwicklung daher ergänzende Finanzierungsmöglichkeiten zu prüfen und greifende Vernetzung und die Idee der Smart Cities wird aktiv autonomer Fahrzeuge wird vorangetrieben. Auch für mittlere umzusetzen sein (vgl. Kapitel 1.2). vorangetrieben. Zur Steuerung der Verkehrsnachfrage wird Pendlerdistanzen wird das Fahrrad durch den Bau von Rad- das Mobilitätsmanagement weiterentwickelt werden. Vielver- schnellwegen eine Option. Eine deutliche Zunahme haben sprechend ist auch das Potenzial von Big Data-Analysen und neue Angebote mit Sharing- und Vernetzungscharakter zu den Prinzipien maschinellen Lernens. Beide Ansätze werden verzeichnen. Zu diesen Angeboten gehören Zu- und Abbringer- die Entwicklung aussagekräftiger Prognoseverfahren und einer verkehre, Bike+Ride, Park+Ride, Car-Sharing, Leihräder und intelligenten Verkehrssteuerung weiter vorantreiben. E-Scooter. Diese Angebote werden sich in den kommenden Jahren etablieren. 18
Kapitel 1 Ziele und Anforderungen | Regionaler Nahverkehrsplan des RMV 1.5 Gesetzliche und planerische Rahmenbedingungen Die Fortschreibung des RNVP erfolgt in transparenter Vorgehensweise und gemäß den gesetzlichen Vorgaben. Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und das Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Hessen (HÖPNVG) bilden die wesentlichen gesetzlichen Grundlagen für die Erstellung und Fortschreibung des RNVP. Dabei steht das PBefG nach seiner Novellierung 2016 mit § 12 Absatz 6 PBefG unmittelbar im Kontext mit der Verordnung (EG) Nr. 1370 vom 23.10.2007 als Sondervergaberechtsregime für den Bereich des öffentlichen Personenverkehrs. Außerdem wurde die Erforderlichkeit einer Strategischen Umweltprüfung für die Fortschreibung des RNVP überprüft (vgl. Anlage 10). Durch die Einbindung der kommunalen Aufgabenträger, der Die Fortschreibung des RNVP wurde in einem aktiven und Lokalen Nahverkehrsorganisationen und des Fahrgastbeirates offenen Beteiligungsverfahren erarbeitet, das über die gesetz- gemeinsam mit dem Arbeitskreis Barrierefreiheit soll die Trans- lichen Anforderungen hinausgeht. Beteiligungsverfahren sowie parenz des Verfahrens und die frühzeitige Einbringung von The- Struktur und Ablauf der Erarbeitung wurden frühzeitig mit den men oder Schwerpunkten ermöglicht werden. Zudem soll die Genehmigungsbehörden abgestimmt (vgl. Anlage 8). Entwicklung der Region in interkommunaler Zusammenarbeit gefördert werden. Transparenz und Synergien sollen weiterhin Nach § 14 Abs. 8 Satz 2 des ÖPNVG Hessen ist spätestens durch eine enge Verzahnung lokaler Nahverkehrspläne mit dem nach fünf Jahren eine Entscheidung darüber zu treffen, ob RNVP zum Ausdruck kommen. Als Grundlage für diese Ver- der RNVP neu aufzustellen ist. Der Bezugszeitraum der vor- fahrensweise nach dem Gegenstromprinzip wurden die lokalen liegenden Fortschreibung bis zum Jahr 2030 bleibt von dieser Nahverkehrspläne ausgewertet und Aussagen auf ihre regionale Verpflichtung unberührt. Relevanz für die Fortschreibung geprüft und berücksichtigt (vgl. Anlage 9). 19
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