ZIRKULÄR STATT LINEAR - Wie wir die Wirtschaft in neue Bahnen lenken - Prognos AG
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ZIRKULÄR STATT LINEAR Wie wir die Wirtschaft in neue Bahnen lenken Mai 2019 Prognos trendletter Mai 2019 2
DEUTSCHLAND IN 10, 20 ODER 30 JAHREN: GLOBALER, DIGITALER, GRÜNER, ÄLTER Wo steht Deutschland in 10, 20 oder 30 Jahren? Video mit Prognos-Direktor Finden Sie wertvolle Daten zur Zukunft Deutsch- Dr. Oliver Ehrentraut lands und Europas im Prognos Deutschland „Deutschland geht es gut Report. Von Experten für Entscheider aus Politik, und so wird es bleiben!“ Wirtschaft und Gesellschaft erstellt. Alle vier Jahre. Seit 1964. Erfahren Sie im Video mehr über den großen Jetzt bestellen unter: Deutschland Report. www.prognos-deutschlandreport.com youtu.be/w34XD26Ok7g Wir geben Orientierung. www.prognos.com Impressum _ Herausgeber: _R edaktionsleitung: _ Konzept, Produktion & Illustrationen: Prognos AG Felizitas Janzen, Julia Thurau STÜRMER & DRÄNGER – Visuelle Kommunikation Unternehmenskommunikation St. Alban-Vorstadt 24 _R edaktionsteam: _ Bildnachweise: 4052 Basel | Schweiz Christian Böllhoff, Dr. Bärbel Birnstengel, Platnum/Annegien van Doorn (Cover), Foto Koroll (1, 2, 5, 9-13, 17, 19, 20 -22), Dr. Jan-Philipp Kramer, Jan Tiessen Fotolia/Uwe (2), MIREIA GONZALEZ EIB (7- 8), Zoonar/Arcadi Bulva/Alamy Stock Telefon: +41 61 32 73 - 310 Photos (10), Moldovan Manuel/Alamy Stock Foto (10), shutterstock pictive (10), Fax: +41 61 32 73 - 300 Kontakt: trendletter@prognos.com shutterstock/photka (10), shutterstock/mega Pixel (10), luckyraccoon/Alamy E-Mail: info@prognos.com _M itarbeit: Stock Foto (10), luckyraccoon/Alamy Stock Fito (10) shutterstock/Lucky Team www.prognos.com Corina Alt, Mirjam Buck, Marieke Eckhardt, Lukas Studio (11), Fotolia/bugarskipavle3 (12), Fotolia/Mark (14 -15), Adobe Stock/ twitter.com/prognos_ag Haberland, Hanne Hagedorn, Sinikka Hemmi, H-J-Walther (16), De Kringwinkel (17), Prognos/Hanne Hagedorn (19), Fotolia/ _ Hinweise: Dr. Jochen Hoffmeister, Sarah Kühne, Alexander Africa Studio (20), Zöhre Kurc und Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH (25), Stefan Auszug/Nachdruck bei Nennung Labinsky, Sebastian Läster, Jannis Lambert, Oliver Lühr, Obermeier/vbw (25), Deutsche Energie-Agentur (25), vbw (25), Prognos (25) der Quelle gestattet. Katharina Schüle, Hannah Milena Seichter, Richard Simpson, Björk Smith, Yannick Vogel, Michael Wasner, _ Druck & Vertrieb: _ Auflage: www.prognos.com/trendletter Druckzone GmbH & Co.KG Print: 9.000 Exemplare, Digital: 9.500 Leser Antonia Wentrot, Johann Weiß
Editorial Take, make, use, … … dispose. Das sind die Prinzipien unseres linearen Wirtschaftsmodells: Mit der Circular Economy ist es wie mit allen tiefgreifenden Verände- Unternehmen verarbeiten Rohstoffe und machen daraus Produkte, die rungen: Sie spaltet; in Gläubige und Zweifler. Beide übertreiben. Und wir kaufen, verwenden und am Ende in den Müll schmeißen. Es ist ein Übertreibungen erinnern uns stets an die vermeintlich genialen An- Modell, das zunehmend in Frage steht. sätze, über die entweder die Zeit hinweggegangen ist oder bei denen wir das Gefühl hatten, dass sich durch sie zwar viel geändert hat, aber Denn dass dieses lineare Wirtschaftsmodell ein Problem hat, ist of- nicht unbedingt zum Besseren. fensichtlich. Gehen wir mit den Ressourcen weiter so um wie bisher, brauchen wir in Zukunft eine zweite Erde. Die Auswirkungen des jahr- Lassen wir es nicht so weit kommen! Versuchen wir es in Sachen hundertelangen Take, Make, Use, Dispose werden immer augenfälliger. Circular Economy doch mal mit pragmatischem Optimismus. Nüch- Umweltprobleme verschärfen sich. Verteilungskonflikte nehmen zu. tern. Realitätsorientiert. Faktengesichert. Gelassen, aber handlungs- Und wir stehen vor der ganz konkreten Frage, ob dieses System, in bezogen. Bescheiden und dennoch hartnäckig. Immer mit leichter dem Ressourcenverbrauch und Wirtschaftswachstum gekoppelt sind, Schlagseite ins Positive. Das war schon immer das beste Rezept im nicht auch zutiefst unökonomisch ist, weil es die Voraussetzungen Umgang mit einer sich verändernden Welt. zerstört, auf die es gebaut ist. Noch ist die zirkuläre Ökonomie kein einheitlich definiertes Wirt- Wie also wäre es mit einem Modell, das den Wert, aber auch die End- schaftsmodell. Sie ist eine Sammlung an Möglichkeiten, die wir nutzen lichkeit der Ressourcen anerkennt? Ein Modell, das danach strebt, sollten – für die Umwelt, für die Wirtschaft, für uns und nachfolgende Rohstoffe so lange und so häufig wie möglich zu nutzen? Ein vielver- Generationen. Die Devise lautet: Redesign, Reduce, Reuse, Recycle! sprechendes Konzept dafür gibt es. In dieser Ausgabe des trendletters wollen wir Orientierungshilfe geben, inspirieren und Antworten lie- Ich wünsche Ihnen jetzt eine spannende Lektüre und freue mich, von fern: willkommen in der Welt der Circular Economy. Ihnen zu hören. Doch eines gleich vorweg: Circular Economy ist kein neues Buzzword. Und sie lässt sich auch nicht auf die Kreislaufwirtschaft reduzieren, Herzlich, Ihr die im Wesentlichen die Abfallwirtschaft meint. Nur weil an die Ket- te Produzieren – Nutzen – Wegwerfen noch Recyceln gehängt wird, läuft längst noch nicht alles rund. Circular Economy ist weitaus mehr als eine lineare Wirtschaft, die sich ein bisschen im Kreis dreht. Bei einem Umstieg in ein zirkuläres Wirtschaftsmodell geht es um einen ganz grundlegenden Systemwandel: Wachstum wird vom Verbrauch begrenzter Ressourcen abgekoppelt. Christian Böllhoff christian.boellhoff@prognos.com Prognos trendletter Mai 2019
Urbane Rohstofflager | Eine gute Idee Eine gute Idee Urbane Rohstofflager smart nutzen Die moderne Industrie- und Digitalgesellschaft basiert auf dem Einsatz endlicher Rohstoffe und seltener Erden, deren Recyclingraten jedoch meist bei unter einem Prozent liegen. Zwar sind Gebäude, Straßen und Schienen ein wichtiges Lager solcher Rohstoffe, doch gibt es kaum Informationen darüber, welche Rohstoffe tatsächlich an welchen Stellen und in welchen Mengen verbaut sind. Ein gezieltes Recycling ist daher schwer möglich. Um diesem Problem zu begegnen, hat bonnorange als kommunales Entsorgungsunternehmen für die Stadt Bonn eine Bestandsaufnahme der verbauten kritischen Metalle durchgeführt und untersucht, wie diese künftig stärker und gezielter recycelt werden können. In der Zukunft könnten Informationen über die verbauten Rohstoffe direkt beim Bau dokumentiert werden. Hier kommt den Kommunen eine Schlüsselposition zu: Neben der Dokumentation eigener Bau- und Abbruchtätigkeiten kann der Verkauf kommunaler Grundstücke an Dokumentationspflichten gebunden werden. Die digitale Methode „Building Information Modeling“ zur Planung, Errichtung und Be- wirtschaftung von Gebäuden ermöglicht darüber hinaus bereits beim Bau eine detaillierte Dokumentation durch den Bauträger. Dies erleichtert nicht nur das Recycling nach dem Abbruch – auch das laufende Instandhaltungsmanagement wird verbessert und somit die Nutzungszeit von Gebäuden und Infrastruktur verlängert. _ Marieke Eckhardt, Düsseldorf marieke.eckhardt@prognos.com Prognos-Beraterin Marieke Eckhardt arbeitet im Team Abfallwirtschaft und Sekundärrohstoffe. Sie interessieren besonders Fragen zum Recycling und seinen Potenzialen für eine moderne und umweltfreundliche Industriegesellschaft. 2 Prognos trendletter Mai 2019
Inhalt INHALT Eine gute Idee: Die Transformation organisieren – Standpunkt Urbane Rohstofflager smart nutzen 2 vom Flickenteppich zur Strategie Circular Economy: eine industrie- Staatliche Strukturen können die Trans- politische Zukunftsstrategie Europas 22 Circular Economy – mehr als die formation unterstützen – doch noch Summe ihrer Teile gleichen sie einem Flickenteppich. 13 Aus den Projekten 23 Wird die Circular Economy zur gemein- samen Agenda der unterschiedlichen Technologie aus Deutschland – Rückblick in Bildern 25 Ansprüche und Entwicklungen? 4 Chancen weltweit Deutschland ist Vize-Exportwelt- Der lineare Ansatz funktioniert meister bei Enabler-Technologien. 14 nicht mehr EIB-Präsident Dr. Werner Hoyer Circular Society: im Interview 6 Gemeinsam tüfteln und teilen TECHNOLOGIE Ohne einen gesellschaftlichen AUS DEUTSCHLAND Für eine zirkuläre Union – lernen von Wandel kann die Circular Economy Enabler-Technologien sind Europa! nicht gelingen. 16 Exportschlager_ Seite 14 Die Circular Economy ist in Europa angekommen – zumindest punktuell. 9 Werkstattbericht Prognos-Experten entwickeln ein Modell, Abfälle sind Rohstoffe das die wirtschaftliche Zukunft in einer Die Kreislaufwirtschaft spart Ressourcen, zirkulären Ökonomie beschreiben soll. 18 schont das Klima und sorgt für Innovationen. 10 Eine gute Idee: Wanted: Reparaturbonus Was vom Auto übrig bleibt für Deutschland 20 Höchste Zeit für eine Neuorganisation des Altautorecyclings 11 Der wirtschaftliche Fußabdruck der Circular Economy Ökologie trifft Technologie In der Circular Economy erwirtschaften Mit Circular Agriculture die Bevölkerung europaweit rund 7 Millionen Menschen ernähren und gleichzeitig natürliche 1,2 Billionen Euro. 21 Ressourcen schonen. 12 ÖKOLOGIE TRIFFT TECHNOLOGIE Circular Agriculture_ Seite 12 CIRCULAR SOCIETY Gemeinsam tüfteln und teilen_ Seite 16 Prognos trendletter Mai 2019 3
Wirtschaftlicher Wandel | Fachbeitrag Circular Economy – mehr als die Summe ihrer Teile Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt erleben derzeit „ Würden wir in Deutschland Waschmaschinen wichtige Veränderungen – wird die Circular Economy im gleichen Grad gemeinschaftlich nutzen wie zur gemeinsamen Agenda der unterschiedlichen in der Schweiz, hätten wir etwa 11,8 Millionen Ansprüche und Entwicklungen? Waschmaschinen weniger – das wären 825.000 eingesparte Tonnen Stahl, Kupfer, Kunststoffe Lineares Denken ist überholt. Die Welt beginnt in Kreisläufen zu denken. und andere Ressourcen.“ Circular Economy heißt die eigentlich gar nicht so neue Form des Wirtschaftens, die insbesondere auf der europäischen Ebene zuneh- Fest steht: Die Strategie der Circular Economy gewinnt insbeson- mend an Bedeutung gewinnt. Circular Economy verändert die gesell- dere auf der europäischen Ebene an Bedeutung. Das Kreislaufwirt- schaftlichen Wertvorstellungen und Konsumansprüche und fordert schaftspaket der EU umfasst unter anderem einen Aktionsplan mit daher alle heraus: Wissenschaftler, Produktdesigner, Industrie und Maßnahmen für den kompletten Produktlebenszyklus: von Design, Abfallwirtschaft und nicht zuletzt auch den Verbraucher. Materialbeschaffung, Herstellung und Verbrauch bis hin zur Entsor- gung und zum Markt für Recyclingrohstoffe. Dabei geht die Circular Der Begriff der Circular Economy, wie er von der EU-Kommission ver- Economy von dem Ideal geschlossener Rohstoffkreisläufe aus. Das wendet wird, ist allerdings keinesfalls gleichzusetzen mit der häufig Recycling von Wertstoffen hat allerdings wirtschaftliche, energeti- anzutreffenden Übersetzung „Kreislaufwirtschaft“. Nach deutschem sche und ökologische Grenzen, sodass der Wirtschaftskreislauf auch Verständnis beinhaltet die Kreislaufwirtschaft zwar bereits wichtige künftig auf die Zuführung von Primärrohstoffen angewiesen sein Elemente einer zirkulären Wirtschaft, sie ist aber nur ein Teilbereich wird. Dennoch wird sich die nationale Abhängigkeit von Rohstoffim- der Circular Economy. Die Übersetzung „Zirkuläre Wertschöpfung“ porten deutlich verringern lassen, insbesondere bei den strategisch geht aus unserer Sicht über die Kreislaufwirtschaft hinaus und hat wichtigen Metallen. auch den Wert der Produkte und die Erhöhung der Wertschöpfung über den gesamten Produktions- und Recyclingzyklus im Fokus. Grundzüge der Circular Economy Der häufig verwendete Begriff der „Zirkulären Wirtschaft“ beinhal- tet nach unserem Verständnis zusätzlich auch die Veränderung der ■■ Zu Beginn des Produkt- bzw. Rohstoffkreislaufs steht ein nach- gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Konsumansprüche. Diese haltiges Produktdesign (Design for Recycling). Das heißt: Produk- wiederum sind für eine veränderte Nachfrage nach Produkten und te werden ganz oder überwiegend aus Recyclingrohstoffen her- Dienstleistungen aus dem Bereich der Zirkulären Wertschöpfung gestellt, enthalten keine Schadstoffe und können nach Gebrauch letztlich entscheidend. problemlos recycelt werden. So sind beispielsweise Verpackungen, die nur aus einem Material bestehen, recyclingfähiger als jene, die „ Die Circular Economy wird gesellschaftliche aus verschiedenen Komponenten bestehen. Wertvorstellungen und Konsumansprüche ■■ DieProduktion erfolgt abfallarm bzw. abfallfrei. Produktionsaus- verändern.“ schuss und Fehlproduktionen werden direkt wieder dem Recycling bzw. der Grundstoffproduktion zugeführt. Neue Technologien In den vergangenen Jahren sind verschiedene Studien erschienen, kommen zum Einsatz, beispielsweise 3-D-Drucker. Über Rücknah- die sich mit den Wirkungen einer veränderten Lebens-, Wirtschafts- mesysteme und Leasingkonzepte bleiben die Hersteller im Besitz und Produktionsweise auf die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Um- ihrer Produkte bzw. der darin enthaltenen Rohstoffe. welt und unser Konsumverhalten beschäftigen. So ermittelt eine Studie für die Ellen MacArthur Foundation für Europa wirtschaftli- ■■ Produkte werden im Wesentlichen mit Recyclingrohstoffen herge- che Vorteile in Höhe von etwa 1,8 Billionen Euro bis zum Jahr 2030 stellt. Sie sind langlebig, reparaturfähig, modular und bestenfalls – rund 900 Milliarden Euro mehr als unter Beibehaltung des linearen können Teile wiederverwendet werden. Ein namhafter Hausgeräte- Entwicklungspfades. Aktuelle Berechnungen der Prognos zeigen hersteller ist aktuell dabei, in Spanien und Belgien ein Rücknah- ferner: In Europa sind heute in den entsprechenden Branchen mesystem für Haushaltsgeräte aufzubauen, in dem ausgetauschte schon rund 7 Millionen Menschen beschäftigt. Geräte von den Händlern zurückgeholt und anschließend zentral auf ihre Reparaturfähigkeit geprüft werden. Die instandgesetzten Geräte werden anschließend in Sozialkaufhäusern verkauft. 4 Prognos trendletter Mai 2019
Wirtschaftlicher Wandel | Fachbeitrag ■■ Konsumenten müssen umdenken. Das beginnt bei der Akzeptanz Die Circular Economy ist keine Strategie des Verzichts oder der Ein- von Produkten aus Recyclingrohstoffen (cremeweiß statt reinweiß) schränkung, sondern liefert das gemeinsame Verständnis und die Ori- und endet bei Verpackungen, die auf ihre Grundfunktionen redu- entierung für vielfältige Entwicklungen, die derzeit ohnehin stattfin- ziert und wo möglich im Mehrwegverfahren eingesetzt werden. den: Verbraucher, Designer, Industrie, Dienstleister, Handel, Entsorger, Wissenschaft & Forschung Designer Anlagen Verfahren Produkte recyclingfähig Aufbereitung DESIGN Grundstoffe Investitions- Kreislaufwirtschaft Sortierung Rezyklate, Energie güter Industrie ABFALL PRODUKTION abfallarm Erfassung Konsumgüter sortenrein reparaturfähig PRODUKT Reparatur langlebig Leasing Sharing Quelle: eigene Darstellung Prognos 2019 Verbraucher ■■ Teilen und mieten statt besitzen. Menschen verzichten zugunsten Start-ups und eine Vielzahl von weiteren Akteuren sind aktuell dabei, gemeinschaftlicher Anschaffungen auf privates Eigentum. Aus- den Ansprüchen an eine nachhaltigere Lebensweise mit passenden leihsysteme für Baugeräte und Werkzeuge werden zunehmend Produkten und Dienstleistungen zu entsprechen. beliebter. Gemietete oder geleaste Maschinen und Geräte halten länger, da die Vermieter ein großes Interesse an wenigen Reparaturen Angesichts der zunehmenden Sensibilisierung für die ökonomischen und einem geringen Wartungsaufwand haben. Mit der Sharing und ökologischen Konsequenzen unserer Konsumgewohnheiten ist Economy entsteht eine völlig neue Wirtschaftsbranche mit einer die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich bei der Circular Economy Vielzahl von Arbeitsplätzen. Mithilfe des Internets wird so Mobilität letztlich um einen sich selbst verstärkenden Prozess mit einer eige- organisiert, werden Waren getauscht, Lebensmittel vor dem Verfall nen und positiven Dynamik handeln wird. Allein die Informationen gerettet oder für getragene Kleidung neue Besitzer gefunden. über das Ausmaß der Vermüllung der Meere haben deutlich gemacht, dass wir als Konsumenten und Produzenten die Bilanzgrenze unserer ■■ Am Ende des Lebenszyklus werden die Produkte einer Entsorgungsinfra- (Produkt-)Verantwortung jetzt neu definieren müssen. Und darüber struktur zugeführt, die durch eine getrennte Erfassung mit anschließen- definiert sich schlussendlich auch die Bedeutung der Circular Economy der Sortierung die Basis für ein hochwertiges Recycling der Materialien für die Zukunft unserer Industriegesellschaft. _ und damit einen funktionierenden Rohstoffkreislauf bildet. Kreislauf- wirtschaft wird untrennbarer Bestandteil der Rohstoffwirtschaft. Dr. Jochen Hoffmeister, Düsseldorf jochen.hoffmeister@prognos.com Die Circular Economy als neue Herausforderung für die Kreislaufwirtschaft – für Prognos-Partner Dr. Jochen Hoffmeister eine entscheidende Fragestellung für die Zukunftsfähigkeit der Branche, die er seit mehr als 25 Jahren berät. Prognos trendletter Mai 2019 5
Circular Economy | Interview Der lineare Ansatz funktioniert nicht mehr Mit vielfältigen Finanzierungs- und Beratungsange- höchstens zehn Prozent deponiert werden. Um diese Ziele zu erreichen, boten unterstützt die Europäische Investitionsbank müssen entsprechende Projekte mit Geld und Beratung unterstützt werden. Und genau da kommt die EIB ins Spiel. (EIB) Projekte der Circular Economy. EIB-Präsident Dr. Werner Hoyer erklärt, warum die Wirtschaft der Außerdem brauchen wir europäische und nationale Rechtsvorschrif- Zukunft zirkulär sein muss. ten, die dem Privatsektor geeignete Anreize für Investitionen in Rich- tung Circular Economy setzen. Vor allem müssen wir einen Markt für Die Europäische Investitionsbank, der Sie als Präsident seit vie- Sekundärrohstoffe wie Plastik aufbauen. Seit Chinas Einfuhrverbot len Jahren vorstehen, gehört zu den wichtigsten Partnern für die sammeln sich in Europa massenweise minderwertige Kunststoffabfälle Circular Economy. Warum hat die EIB hier in den vergangenen an, die recycelt werden müssen. Dafür brauchen wir eine Nachfrage. Jahren so viel getan? Weil wir nur mit der Circular Economy nach- haltigen Wohlstand erreichen werden. Die wachsende Weltbevölkerung Die Circular Economy kann Europa einen entscheidenden Wett- konsumiert immer mehr und verbraucht dafür knappe, endliche Res- bewerbsvorteil verschaffen. An welchen wirtschaftlichen, politi- sourcen. Aber der lineare Ansatz nach dem Motto „produzieren, konsu- schen und gesellschaftlichen Stellschrauben muss stärker gedreht mieren und wegwerfen“ funktioniert nicht mehr. Das müsste jedem klar werden, damit Europa diese Position halten kann? Die Circular sein. Er ist teuer und schlecht für die Umwelt. Nach unserer CO2-Bilanz Economy erfordert ein völliges Umdenken. Wenn es künftig überhaupt müssen wir nun auch auf unsere Ressourcenbilanz achten, also die keinen Abfall mehr geben soll, müssen alle mitziehen – staatliche Menge an Rohstoffen, die wir verbrauchen. Laut EU-Kommission gibt Stellen, die geeignete Regeln und Anreize schaffen, Unternehmen, die es bereits 27 wirtschaftskritische Rohstoffe, die knapp werden könnten. neue Verfahren, Geschäftsmodelle und Produkte entwickeln, und Ver- braucher, die ihr Konsumverhalten ändern, um Abfall zu vermeiden. Durch unser Konsumverhalten versinken außerdem die Meere allmäh- lich im Plastikmüll. Deswegen hat die EIB mit der französischen Agence Innovationen können die notwendige Umstellung auf eine Circular Française de Développement und der deutschen Kreditanstalt für Wie- Economy stimulieren. Global Player sind jedoch oft zu behäbig, deraufbau die Clean-Oceans-Initiative ins Leben gerufen. kleineren Unternehmen fehlt das notwendige Kapital oder der Zu- gang zum Markt – wie kann die EIB hier unterstützen? Ich wür- Die Circular Economy ist auch wirtschaftlich sinnvoll: Schätzun- de die Global Player nicht ganz ausschließen. Es gibt schon Konzerne, gen zufolge könnte sie der Europäischen Union über zehn Jahre ein die über innovative Geschäftsmodelle nachdenken. Der „New Plastics Wachstum von bis zu vier Prozent generieren (ING 2015) und bis Economy“-Initiative der Ellen MacArthur Foundation haben sich 290 2030 etwa zwei Millionen neue Arbeitsplätze schaffen (Europäische Organisationen angeschlossen, darunter viele der weltweit größten Kommission 2014). Verpackungshersteller, Einzelhändler und Recyclingunternehmen. Sie wollen Kunststoffverpackungen recyceln oder ganz vermeiden und so Kurz: Die Circular Economy ist gut für die Umwelt und gut für die Wirt- eine Kreislaufwirtschaft für Plastik fördern. Die EIB hat diese Vereinba- schaft. Deshalb hat die EIB in den letzten fünf Jahren mehr als zwei rung ebenfalls unterzeichnet. Milliarden Euro dafür bereitgestellt. Und wir wollen in diesem Bereich noch viel mehr tun. Aber es stimmt, dass vor allem kleinere Firmen oft vor Herausforderun- „ Die Circular Economy ist gut für die gen stehen. Viele Projekte der Circular Economy sind vergleichsweise klein und aufgrund ihrer Risiken für Geschäftsbanken nicht akzepta- Umwelt und gut für die Wirtschaft.“ bel. Deshalb entwickelt die EIB nun neue Finanzprodukte, die speziell auf solche Projekte zugeschnitten sind. Dazu gehört auch die Investi- Europa ist Vorreiter der Circular Economy. Wie kann Europa diese tionsplattform für Biokreislaufwirtschaft, die wir gemeinsam mit der Position halten und weiter ausbauen? Erstens stellt die EU mit ih- Europäischen Kommission ins Leben gerufen haben. Außerdem bieten ren Regeln bereits in allen Sektoren die Weichen für eine nachhaltige wir im Rahmen des Europäischen Fonds für strategische Investitionen Circular Economy. Zweitens kann die EU den so wichtigen europäischen (EFSI) und InnovFin Finanzierungsinstrumente mit Risikoteilung über Binnenmarkt mit Maßnahmen zur Circular Economy weiter vertiefen. eine EU-Garantie an. Die Europäische Kommission hat in ihren Strategien und Richtlinien Innovative Projekte der Circular Economy sind zudem meist komplex; ehrgeizige Ziele für eine Circular Economy gesteckt. So sollen bis 2035 ihre Technologien sind unerprobt, und auch Angebot und Nachfrage mindestens 65 Gewichtsprozent aller Siedlungsabfälle recycelt und sind unsicher. Daher bietet die EIB nicht nur Finanzierung, sondern 6 Prognos trendletter Mai 2019
Circular Economy | Interview auch Beratungsdienste an. Hilfestellung liefern darüber hinaus ver- Die EIB weist den Städten eine besondere Rolle zu. Warum? schiedene Leitfäden, die wir erstellt haben, etwa unser Leitfaden zur Städte können sowohl Wiege als auch Motor der Umstellung auf eine Circular Economy (www.eib.org/circular-economy). Circular Economy sein. Aktuell verbrauchen sie 70 Prozent der welt- weiten Ressourcen und erzeugen 50 Prozent des gesamten Abfalls. Was behindert die Umstellung auf eine Circular Economy? Welche Städte bieten ein enormes Kreislaufpotenzial, da sich hier Menschen, Finanzierungsmodelle oder Förderprogramme sind rückwärts- Unternehmen und Ressourcen auf engem Raum konzentrieren. So- gewandt und gehören Ihrer Meinung nach besser abgeschafft? mit könnten dort auch Ressourcen und Güter effizient gemeinsam Problematisch ist vor allem, dass die neuen Produkte und Dienstleis- genutzt werden. Außerdem können Städte die Umstellung auf eine tungen der Circular Economy auf eine Welt treffen, die noch immer Circular Economy vorantreiben, indem sie selbst mit gutem Beispiel linear denkt. Bei der Kreditprüfung und Risikobeurteilung nach dem vorangehen, etwa bei Gebäuden, Produkten oder Dienstleistungen, die linearen Modell wird die Wertschöpfung der Circular Economy nicht sie anbieten oder nachfragen. angemessen berücksichtigt. So spiegeln etwa die Produktpreise die gesellschaftlichen Kosten des Ressourcenverbrauchs und der Umwelt- Die Möglichkeiten sind vielfältig: modulare Gebäude, die flexibel auf- belastung nicht vollständig wider. Umweltaspekte und der gesamtge- und abgebaut werden können, Car- und Rad-Sharing, urbane Land- sellschaftliche Nutzen müssen aber unbedingt einfließen, wenn man wirtschaft mit organischen Abfällen oder auch Unternehmen, bei de- die Produkte und Geschäftsmodelle der Circular Economy mit denen nen die Abfälle des einen dem anderen als Ausgangsstoffe dienen. In der Linearwirtschaft vergleichen will. einem Leitfaden auf unserer Website informieren wir Städte, wie sie sich in 15 Schritten einer Circular Economy annähern können. Darüber hinaus lässt der Finanzsektor bei der Projektprüfung gern die Risiken der Linearwirtschaft außer Acht. Da sind endliche oder Welches Projekt fehlt? Wo würden Sie persönlich gerne anset- unsichere Ressourcen eben einfach immer verfügbar – das ist nicht zen? Die EIB ist weltweit der größte multilaterale Geldgeber für Klima- realistisch, gerade wenn man die längeren Investitionszyklen dieser finanzierungen. Ich würde daher Projekte der Circular Economy begrü- Investitionen berücksichtigt. Die EIB will hier ein Umdenken fördern. ßen, die gleichzeitig dem Klimaschutz zugutekommen. Bei den meisten Berücksichtigt man sowohl die Risiken der Linearwirtschaft als auch Projekten ist das glücklicherweise der Fall. Durch geeignete Kreislauf- die Wertschöpfung in der Circular Economy, dürften die Geschäfts- lösungen können wir den Klimawandel bekämpfen und zugleich die modelle und Projekte der Circular Economy attraktiver werden. Produktion und den Konsum nachhaltiger und kreislauforientierter ausrichten. Diese Win-win-Möglichkeit müssen wir unbedingt nutzen. Prognos trendletter Mai 2019 7
Circular Economy | Interview dass unsere Projekte hohe technische, ökologische und soziale An- forderungen erfüllen. Mit unserer geballten Erfahrung bringen wir neue Projekte auf den Weg. Unsere Berater bereiten gemeinsam mit den Projektträgern Vorhaben und Geschäftsideen so vor, dass sie von der EIB und anderen Investoren finanziert werden können. Wenn ich also ein Projekt hätte, würde ich die EIB bitten, mir bei der Planung zu helfen und mir dann eine ihrer vielen Finanzierungslösungen anzu- bieten. Dadurch könnte ich dann auch aus anderen externen Quellen Geld bekommen. Wie sich gezeigt hat, ziehen Projekte, die von der EIB geprüft und für gut befunden wurden, stets weitere Investoren aus dem Privatsektor an. Wir sind die Crowding-in-Bank. „ Durch geeignete Kreislauflösungen können Wenn Sie an die Kinder von heute denken: Welches Wirtschafts- system wünschen Sie sich für die jüngere Generation? Eine wir den Klimawandel bekämpfen und zugleich Circular Economy und eine Sharing Economy. Also ein System, in dem die Produktion und den Konsum nachhaltiger Produkte und Ressourcen möglichst lange in der Wirtschaft verblei- und kreislauforientierter ausrichten. Diese ben und in dem möglichst wenig verbraucht und weggeworfen wird. Win-win-Möglichkeit müssen wir unbedingt So erhalten wir nicht nur unseren Planeten und seine Ressourcen für nutzen.“ kommende Generationen, wir schaffen auch neue Arbeitsplätze und stärken die Wirtschaft. Und das Potenzial ist erheblich: Nach Schätzungen der Ellen Mac- Arthur Foundation und von McKinsey lassen sich allein durch eine Welches Projekt, welcher Förderantrag hat Sie in der Vergan- Umstellung in den Bereichen Mobilität, Lebensmittel und Bau die genheit besonders gefreut und warum? Stellen Sie sich vor, Sie CO2-Emissionen bis 2030 um 48 Prozent und bis 2050 um 83 Pro- können ihren alten Beistelltisch nicht mehr sehen. Also bringen Sie zent gegenüber dem Niveau von 2012 senken. Ein „Denken in Kreis- ihn einfach zum nächsten 3-D-Druck-Service. Die schreddern ihn und läufen“ wäre also ein wichtiger Schritt, um die Ziele des Pariser Klima- drucken daraus einen neuen. Sie suchen sich einfach das gewünschte schutz-Übereinkommens zu erreichen. Modell aus, gehen dann einkaufen und wenn Sie zurückkommen, steht da schon Ihr neuer Tisch. Für die meisten von uns klingt das noch nach Über die Clean-Oceans-Initiative, die ich bereits angesprochen habe, Zukunftsmusik. Aber tatsächlich ist diese Art der Circular Economy wollen wir außerdem die Plastikverschmutzung der Meere eindäm- im Kommen. 2016 gab die EIB dem niederländischen Hersteller von men. Wenn wir Plastik wiederverwenden und recyceln, statt es nach 3-D-Druckern Ultimaker einen Kredit von 15 Millionen Euro. Mit dem einmaligem Gebrauch wegzuwerfen, können wir nicht nur wertvolle Geld weitet das Unternehmen seine Forschung und Entwicklung aus Ressourcen schonen und den CO2-Ausstoß senken. Wir verhindern und bringt neue Produkte auf den Markt. _ auch, dass unsere Meere weiter mit Plastik zugemüllt werden. Das ist eine Win-win-Chance, die unsere volle Aufmerksamkeit hat und die wir auch unseren Partnern dringend ans Herz legen. Wenn Sie Unternehmer wären – für welches Projekt würden Sie gerne eine EIB-Finanzierung beantragen? Die EIB ist eine be- sondere Einrichtung. Wir sind nämlich mehr als eine Bank. In unse- rer Direktion Projekte und unserer Hauptabteilung Beratungsdienste arbeiten mehr als 600 Volkswirte und Ingenieure. Sie stellen sicher, Dr. Werner Hoyer, EIB-Präsident Der Wirtschaftswissenschaftler Dr. Werner Hoyer war 33 Jahre lang Mitglied des Deutschen Bundestages und hat in dieser Zeit verschie- dene politische Ämter bekleidet. Werner Hoyer war zweimal Staatsmi- nister im Auswärtigen Amt, außerdem Sprecher der FDP-Sicherheits- politik, stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Amerikanischen Parlamentarischen Freundschaftsgruppe, FDP-Generalsekretär und Präsident der Europäischen Liberalen, Demokraten und Reformer (ELDR). 2012 wurde Werner Hoyer zum EIB-Präsidenten ernannt. Seine zweite Amtszeit trat er im Januar 2018 an. 8 Prognos trendletter Mai 2019
Lernen von Europa | Fachbeitrag Für eine zirkuläre Union – lernen von Europa! Die Circular Economy ist in Europa angekommen – onsprojekte oder FuE-Projekte, die Industrie 4.0 mit CE verbinden), zumindest punktuell. In Belgien und in den Nieder- Kredite für Ausrüstung und Infrastruktur sowie steuerliche Abzüge für Unternehmen, die in Circular-Economy-Projekte investieren. Und landen, in Slowenien, Spanien oder Deutschland, es zahlt sich aus: Gut 60 Prozent der baskischen Unternehmen be- überall entwickeln Kommunen, Unternehmen und trachten Ökodesign als ausschlaggebenden Faktor im internatio- öffentliche Einrichtungen zirkuläre Geschäftsideen. nalen Wettbewerb und die fast 90 Unternehmen, die bisher am „Demonstrationsprojekt zur Circular Economy“ teilgenommen Von einer flächendeckenden Umstellung des Wirtschaftssystems ist haben, erwarten aufgrund neuer technologischer Lösungen Um- Europa zwar noch weit entfernt. Dennoch konnten Prognos-Experten satzsteigerungen um fast 40 Millionen Euro. gemeinsam mit Partnern in einer Studie für die Europäische Kommissi- on (siehe S. 21) spannende und erfolgreiche Beispiele für die Förderung ■■ Auch auf der kommunalen Ebene können Circular-Economy-Initi- einer Circular Economy identifizieren. Drei Beispiele aus Europa zeigen, ativen viel bewirken, wie das Beispiel Brüssel zeigt. Mit dem „Plan dass die Circular Economy bereits auf ganz unterschiedlichen Gover- Régional en Economie Circulaire 2016-2020“ verfolgt Europas nance-Ebenen umgesetzt wird. Hauptstadt eine ambitionierte Mission. Der Plan definiert 111 Maß- nahmen und verfolgt einen ganzheitlichen und transversalen An- ■■ Die Circular-Economy-Strategie Schottlands, „Making Things satz, der die Beteiligung von drei Ministerien, vier Verwaltungen und Last“ (2015), legt die Prioritäten des Landes für den Übergang zu mehreren zusätzlichen Partnerorganisationen überwacht und orga- einer Circular Economy fest. Neben übergeordneten Zielen bündelt nisiert. Ein wichtiger Erfolgsfaktor der Strategie liegt in der einge- sie auch die Vereinbarungen aus dem „Zero Waste Plan“ (2010) und führten innovativen Governance. Basierend auf den Lehren, die aus der „Resource Efficient Scotland“ (2013). Schlüsselelemente sind ein der Vorgängerstrategie „Alliance Emploi-Environnement“ gezogen besserer Ansatz für mehr Herstellerverantwortung und eine Reduk- wurden, wurde eine starke Koordinierungsstruktur implementiert, tion der Lebensmittelverschwendung um 33 Prozent bis 2025. Das um Silopolitik zu vermeiden und ein frühzeitiges politisches Buy-in Besondere: Die Strategie Schottlands setzt auf Anreize für Aktionen sicherzustellen. entlang vollständiger Wertschöpfungsketten, fokussiert auf die Er- nährungswirtschaft und Bioökonomie, die Bauwirtschaft und die Diese Beispiele zeigen: Die Politik spielt eine wesentliche Rolle beim Energiewirtschaft. Ebenso bemerkenswert: Mithilfe der „Waste Car- Aufbau und bei der Verbreitung einer Circular Economy. Der „Circular bon Metric“ werden in Schottland gezielte Maßnahmen entlang der Investment Fund“ in Schottland, Zuschüsse für Kooperationsprojekte Wertschöpfungsketten entwickelt. So sollen zirkuläre Wirtschafts- zwischen Forschungsakteuren und -praktikern in Brüssel oder die Cir- kreisläufe geschlossen und Emissionen minimiert werden. cular-Economy-Demonstrationsprojekte im Baskenland helfen, Inno- vationen auf den Markt zu bringen. ■■ Mit seiner „Circular Economy Initiative” forciert das Baskenland in Spanien eine deutliche Reduzierung des Rohstoffverbrauchs. In Insgesamt wird deutlich: Die Verwirklichung einer Circular Economy er- der baskischen Industrie sollen so etwa sechs Prozent Rohmaterial fordert einen integrierten und langfristigen Systemwechsel. Notwendig und Kosten in Höhe von zwei Milliarden Euro eingespart werden. ist ein breites Spektrum von Ansätzen, um die Art und Weise, wie wir Dafür kombinieren die baskischen Behörden auf der Nachfra- produzieren und konsumieren, sowie die Formen der öffentlich-priva- geseite intelligente Maßnahmen, wie eine öffentliche und private ten Zusammenarbeit in dieser Transformation zu verändern. Die Politik umweltgerechte Beschaffung und Normung, mit Maßnahmen, die muss eine starke Rolle bei der Steuerung des Übergangs zu einer an der Angebotsseite ansetzen. Letztere umfassen Zuschüsse (z. B. Circular Economy einnehmen, dann kann es gelingen – in Deutschland für Demonstrationsvorhaben, für Ökodesign- und Ökoinnovati- und im Rest der Europäischen Union. _ Mirjam Buck, Brüssel mirjam.buck@prognos.com Die Geografin Mirjam Buck ist Beraterin bei Prognos. Ihr Schwerpunkt liegt im Bereich EU-Strukturpolitik und Circular Economy. Letztere ist ihr auch privat ein Anliegen: In einem Projekt zur Wiedernutzung von Kunststoffen in Nepal setzt sie sich aktiv mit der Umsetzung einer Circular Economy auseinander. Prognos trendletter Mai 2019 9
Kreislaufwirtschaft | Fachbeitrag Abfälle sind Rohstoffe 400 Millionen Tonnen Abfälle werden Jahr für Jahr 85 Prozent der Gesamtkunststoffabfälle – lediglich 39 Prozent einer in Deutschland der Kreislaufwirtschaft zugeführt. stofflichen Verwertung zugeführt und nur 17 Prozent (0,9 Millionen Tonnen) ersetzten am Ende tatsächliche Werkstoffe zur Produktion In rund 10.800 privaten und kommunalen Unter- von Neuware (conversio, Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland nehmen sorgen rund 275.000 Mitarbeiter an rund 2017 (Kurzfassung), September 2018). Grund dafür sind Prozessverluste 15.800 Sortier- und Aufbereitungsanlagen dafür, und Exporte. Aber auch der Verbraucher ist an dieser Situation nicht ganz dass die Abfälle sortiert, aufbereitet, verwertet oder unbeteiligt: Jeder Aluminiumdeckel, der auf einem leeren Joghurtbecher bleibt, macht beide Materialien für die stoffliche Verwertung un- beseitigt werden. Das Ziel: möglichst viele Stoffe brauchbar. Der Rest des Kunststoffabfallaufkommens wird energetisch aus dem Abfall zurückzugewinnen. verwertet oder geht in den derzeit viel diskutierten Export (15 Prozent). Die moderne Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiger Bestandteil der Doch selbst gute Recyclingraten führen nicht notwendigerweise zu Circular Economy. Sie spart Ressourcen, schont das Klima und sorgt geschlossenen Kreisläufen: Die neuen und höheren „Recyclingquoten“ nicht zuletzt durch den Export von Know-how und Produkten für des im Frühjahr 2018 verabschiedeten EU-Kreislaufwirtschaftspaketes wichtige Innovationen und eine zunehmende Internationalisierung werden zwar zu mehr Recyclingrohstoffen führen, aber die entspre- im Maschinen- und Anlagenbau. Was nicht als Rohstoff wieder in chende Nachfrage ist derzeit im Markt nicht gesichert. Weitgehend die Produktionsketten fließen kann, ersetzt als Sekundärbrennstoff geschlossene Rohstoffkreisläufe sind aber eine Grundvoraussetzung wertvolle und endliche Primärenergieträger wie Erdöl und Erdgas. der Circular Economy. Daher ist es notwendig, über neue Instrumente die Nachfrage nach Recyclingrohstoffen zu erhöhen. Der Wiedereinsatz im Stoffkreislauf ist je nach Rohstoff unterschied- lich möglich. So unterscheidet die Kreislaufwirtschaft zwischen Roh- Dazu gehört zum einen eine verbindliche und nach Stoffen differen- stoffen, die nahezu unendlich oft wiedereingesetzt werden können zierte Substitutionsquote. Eine solche Quote gibt das Verhältnis der (z. B. Stahlschrott), und Rohstoffen, die nicht beliebig oft recycelt einzusetzenden Recyclingrohstoffe bezogen auf die eingesetzten Pri- werden können. Ein Beispiel dafür ist Altpapier, dessen Fasern nach märrohstoffe in einem Produkt an. Zum anderen kann auch die Nach- dem sechsten Wiedereinsatz zu kurz sind, um erneut in der Papier- frage nach Produkten, die Recyclingrohstoffe enthalten, im Rahmen herstellung genutzt zu werden. Großer Handlungsbedarf besteht einer konsequenten „Grünen Beschaffung“ (Green Procurement) durch noch beim Kunststoff. In Deutschland wurden 2017 von den rund die öffentliche Hand (bei einem jährlichen Beschaffungsvolumen von 5,2 Millionen Tonnen Post-Consumer-Abfällen – das sind immerhin mehr als 350 Milliarden Euro) noch deutlich gesteigert werden. _ Aufkommen an Verpackungsabfällen ( in Mio. t) und Zuführung zum Recycling ( in %) PAPIER HOLZ KUNSTSTOFF GLAS STAHL ALUMINIUM 8,1 89 3,2 25 3,1 48 2,8 86 0,85 94 0,11 91 Quelle: Umweltbundesamt, Schwerpunkt 1-2018: Recycling Dr. Bärbel Birnstengel, Berlin baerbel.birnstengel@prognos.com Reparieren statt wegwerfen – eine Herzensangelegenheit für Hobbyhandwerkerin Dr. Bärbel Birnstengel, Leiterin des Expertenteams Abfall & Sekundärrohstoffe der Prognos AG. 10 Prognos trendletter Mai 2019
Rohstoffsicherung | Fachbeitrag Was vom Auto übrig bleibt Rohstoffe im Wert von 2,5 Milliarden Euro gehen der deutschen Industrie Jahr für Jahr verloren. Tatsache ist: Ein Großteil der Materialien, die in der deutschen Autoflotte verbaut sind, wird nicht wiedergewonnen. Höchste Zeit für eine Neuorganisation des Altauto- recyclings! Sie könnten das Paradebeispiel der Circular Economy sein: Autos. Im- merhin sieht die EU für Neuwagen eine Recyclingquote von 85 Pro- zent vor. Das heißt: Von 100 Kilogramm Material, die in einem Auto dustrie aufgrund von Qualitätsbedenken nicht angenommen werden, verbaut sind, werden mindestens 85 Kilogramm wieder in den Wirt- bleibt am Ende wieder nur die Thermische Verwertung. Somit sinkt der schaftskreislauf zurückgeführt. So weit die Theorie. Die Wirklichkeit Anteil der tatsächlich wiedergewonnenen Materialien weiter. sieht anders aus. Karosserie, Reifen oder Windschutzscheiben ausran- gierter Autos werden nicht – wie der Laie vermuten mag – komplett Es muss also eine Lösung her, die die effektive Recyclingquote er- zerlegt und wiederverwendet. Rein rechnerisch finden nur etwa 13 höht und sowohl die Industrie als auch den Verbraucher im Blick hat. Prozent der Bestandteile eines in Deutschland abgemeldeten Fahr- Andere Länder machen es vor: So erzielt Norwegen mit einer Pfand- zeugs tatsächlich wieder Eingang in die industrielle Produktion. Die gebühr, die beim Fahrzeugkauf abgeführt und an den Letzthalter Gründe sind vielfältig: erstattet wird, eine Rücklaufquote von praktisch 100 Prozent. Aber auch die Schweiz mit einer durch die Autoimporteure finanzierten ■■ Die große Mehrheit der Fahrzeuge wird vor ihrer Stilllegung ins Forschungsstiftung und Japan mit seinen nach Fahrzeuggrößen dif- Ausland verkauft. Nur durchschnittlich jedes vierte in Deutschland ferenzierten Entsorgungsgebühren erzielen mit Rücklaufquoten von zugelassene Auto wird auch hier stillgelegt. 40 Prozent (Schweiz) bzw. 75 Prozent (Japan) bessere Ergebnisse als Deutschland (20 Prozent). ■■ Recycling ist nicht gleich Recycling. Kunststoffe und Textilien zum Beispiel erfüllen auch dann die Recyclingquote, wenn sie verbrannt Es wird also Zeit, in Deutschland eine „Zentrale Organisationsstel- werden (Thermische Verwertung). Bei einem modernen Auto be- le Altautoverwertung“ zu gründen. Diese sollte Automobilhersteller trifft dies rund 30 Prozent der gesamten Materialmenge. und Entsorgungsunternehmen gleichermaßen einbinden und könnte sich über Beiträge für verkaufte Neufahrzeuge oder ein Pfandsys- ■■ Etwa jedes zehnte in Deutschland zugelassene Auto landet erst gar tem finanzieren. Aufgabe einer solchen Organisationsstelle sollte es nicht in der fachgerechten Entsorgung, sondern wird beispielswei- sein, die Recyclingforschung, eine fachgerechte Entsorgung und das se ausgeschlachtet und als Ersatzteillager genutzt. Sammeln der Verwertungsnachweise anzuschieben und zu organi- sieren. So können Produzenten und Entsorger im Schulterschluss die Das Problem Altautorecycling hat also zwei Dimensionen: Zum einen Verwertungsquote der deutschen Autoflotte erhöhen – und dem Ziel kommen die Fahrzeuge gar nicht erst beim Verwerter an. Zum ande- einer echten Kreislaufwirtschaft vom Auto zum Rohstoff zum Auto ren können Materialien – allen voran Kunststoffe und Textilien – zwar wieder einen Schritt näherkommen. _ thermisch verwertet, aber nicht wiedergewonnen werden. Ein Prob- lem, das sich in Zukunft verschärfen wird. Der Kunststoffanteil in den ausscheidenden Fahrzeugen des Jahres 2030 wird gegenüber dem Lesen Sie dazu auch die Studie zur Verwertung von Altfahrzeugen unter Jahr 2000 um 80 Prozent zunehmen. Gleichzeitig verringert sich der www.prognos.com/altautoverwertung Stahlanteil um 25 Prozent. Da gerade Recyclingkunststoffe von der In- oder scannen Sie den QR-Code. Alexander Labinsky, Düsseldorf alexander.labinsky@prognos.com Alexander Labinsky ist Berater im Bereich Mobilität & Transport. Er ist oft an der Schnittstelle zum Abfall- bereich unterwegs, wenn Sachverstand zu Logistikprozessen und der Automobilwirtschaft gefragt ist. Prognos trendletter Mai 2019 11
Circular Agriculture | Fachbeitrag Ökologie trifft Technologie Die Weltbevölkerung wächst, die Ansprüche an un- sere Lebensmittel werden komplexer und natürliche Ressourcen kommen an ihre Grenzen. Mit Circular Agriculture werden die Prinzipien von Circular Eco- ist er organisch und wird mittels Präzisionslandwirtschaft bedarfs- nomy auf die Lebensmittelindustrie übertragen, um gerecht ausgebracht. die Bevölkerung zu ernähren und gleichzeitig natür- Die Teilziele müssen über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts liche Ressourcen zu schonen. verfolgt werden. Zu groß ist sonst das Risiko, dass die Umweltaus- wirkung eines einzelnen optimierten Produktionsschrittes zwar positiv Es ist ein Spagat, der nur schwer gelingt: Eine wachsende Weltbe- ist, die des Endprodukts unterm Strich aber negativ. Um solchen Re- völkerung will ernährt werden, während die moderne Landwirtschaft bound-Effekten vorzubeugen, müssen alle Ziele als Einheit systemisch wirtschaftlich attraktiv, sozial gerecht und ökologisch verträglich sein über die gesamte Agrar- und Lebensmittelindustrie in Verbindung mit soll. Wie muss ein System der Agrar- und Lebensmittelindustrie in anderen Branchen gedacht werden. Etwa durch: Zukunft aussehen, in dem eine nachhaltige und gesunde Ernährung innerhalb der planetarischen Grenzen, also der ökologischen Belas- ■■ eine starke Vernetzung der Beteiligten über die landwirtschaftliche tungsgrenzen der Erde, sichergestellt ist? Wertschöpfungskette hinaus Abhilfe könnte ein Konzept schaffen, das die Prinzipien der Circular ■■ einen Raum für interdisziplinäre Forschung, Lehre und Innovation, Economy auf die Produktion landwirtschaftlicher Güter anwendet: die als Katalysatoren wirken, um Wertschöpfungsketten neu zu denken die Circular Agriculture. Bei diesem Konzept steht nicht allein die Produktion eines Lebensmittels im Vordergrund – das Konzept be- ■■ rechtlicheRahmenbedingungen, die Zirkularität in der Landwirt- rücksichtigt mit seinen Teilzielen vielmehr die gesamte Wertschöp- schaft und in angrenzenden Industrien ermöglichen fungskette eines Produkts. ■■ die Aufnahme der Circular Agriculture in die Ausbildung von Jung- 1. Landwirtschaftliche Erzeugnisse werden unter minimalem Einsatz landwirten umweltschädlicher Mittel produziert, auch die Reduktion von Ver- packungsabfall gehört dazu. Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus zeigt zudem: Mit der Circu- lar Agriculture entstehen auch neue Geschäftsmodelle. So verar- 2. Nährstoffkreisläufe werden geschlossen und negative Umwelt- beitet ein italienisches Start-up Abfälle aus der Landwirtschaft und einträge verringert. Lebensmittelproduktion zu vielseitig einsetzbaren Biofärbemitteln. Ein niederländisches Unternehmen wiederum macht aus Orangen- 3. Landwirtschaftliche Nebenprodukte und Lebensmittelabfälle schalen eines Getränkeherstellers Öle, Chemikalien und Zellstoffe, werden aufgewertet. die als Sekundärrohstoffe in der Produktion von Reinigungsmitteln, Kosmetika und Lebensmitteln genutzt werden. Das zeigt: Das Konzept In der Circular Agriculture werden ökologische Prinzipien mit techni- der Circular Agriculture steckt zwar noch in den Kinderschuhen und schen Lösungen kombiniert. In der Praxis bedeutet das zum Beispiel: wird die Probleme der Lebensmittelindustrie nicht auf Anhieb lösen. Fruchtfolgen werden so geplant, dass Dünge- und Pflanzenschutz- Gerade in diesem frühen Stadium aber birgt es das große Potenzial, mittel nicht oder kaum eingesetzt werden. Ist Dünger unerlässlich, Landwirtschaft neu zu denken. _ Katharina Schüle, Düsseldorf katharina.schuele@prognos.com Katharina Schüle ist Geografin und Umweltökonomin. Sie ist Beraterin am Düsseldorfer Standort der Prognos AG, wobei ihr Arbeitsschwerpunkt auf Circular Economy und Landwirtschaft liegt. Selbst in einer landwirtschaftlich geprägten Region aufgewachsen, gilt ihr persönliches Interesse der nachhaltigen Milchviehhaltung. 12 Prognos trendletter Mai 2019
Institutionalisierung | Fachbeitrag Die Transformation organisieren – vom Flickenteppich zur Strategie Die Circular Economy ist eine Herausforderung für Wertschöpfungsketten hinweg vernetzen. Er kann Unternehmen bei Wirtschaft und Unternehmen: Stoffströme und Lie- konkreten Projekten beraten und schließlich kann nur er die rechtli- chen Rahmenbedingungen gestalten. ferketten müssen neu gedacht, neue Partner entlang des Kreislaufs gefunden und eingebunden sowie In- Will der Staat auf diesem Wege vorankommen, muss er zwei Voraus- novationen umgesetzt werden. Staatliche Strukturen setzungen schaffen – eine strategische und eine organisatorische: Die können die Transformation vorantreiben – und glei- Strategie muss über bestehende Organisationsgrenzen hinweg ein verbindliches Ziel formulieren und vorhandene staatliche Instrumente chen doch eher einem Flickenteppich. in Einklang mit den Prinzipien der Circular Economy bringen. Dann müssen konkrete Ansprechpartner benannt werden, die die Arbeit vor Will der Staat diese Prozesse begleiten und unterstützen, stößt er der- Ort leisten. Eine übergreifende Strategie benötigt nicht unbedingt eine zeit schnell an seine Grenzen. In ihrem feingliederig ausdifferenzierten zentrale Organisation, aber immer einen starken Wächter, der die Ziele und politisch austarierten Geflecht aus Zuständigkeiten und Kompe- der Strategie mit politischem Gewicht vorantreibt. tenzen folgen Politik und Verwaltung klassischen Sektoren- und Bran- chengrenzen. Regulierungen, Förderprogramme und Beratungsange- Die niederländische Regierung hat hier schon vorgelegt und die Vision bote sind an dieser organisatorischen Struktur ausgerichtet. In der einer vollständig implementierten Circular Economy bis zum Jahr Regel ist das auch richtig und sinnvoll, vor allem um die notwendigen 2050 formuliert. Die Umstellung auf ein zirkuläres Wirtschaftssystem Kompetenzen für eine effiziente Gestaltung und Unterstützung einer wird dabei als Chance für die Niederlande wahrgenommen und bildet Branche zu organisieren. Zum Problem wird es dann, wenn sich eine ein zentrales Prinzip der Regierungsarbeit. Blickt man auf die Umset- Aufgabe dieser klassischen Ordnungsprinzipien entzieht und im Quer- zungsarbeit vor Ort, gibt es auch in Deutschland schon spannende schnitt organisiert werden muss. Ansätze: Im verwandten Querschnittsthema Ressourceneffizienz ha- ben sich in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen eigene Eine im Rahmen eines laufenden Beratungsprojekts der Prognos AG Agenturen bewährt. Sie vernetzen zwischen staatlichen Akteuren und durchgeführte bundesweite Analyse der Zuständigkeiten für zentrale Unternehmen. So berät und vernetzt die Landesagentur für Umwelt- Themen der Circular Economy wie Kreislaufwirtschaft, Energie-, Ma- technik und Ressourceneffizienz in Baden-Württemberg bereits seit terial- und Ressourceneffizienz zeigt einen Flickenteppich: Zuständig 2011 Unternehmen in Fragen der Ressourceneffizienz. Nach diesem sind sowohl Umwelt- als auch Wirtschaftsministerien. Innerhalb dieser Vorbild könnten auf Landesebene Agenturen zu Fragen der Implemen- Häuser existieren wiederum zahlreiche Abteilungen und Referate mit tierung der Circular Economy beratend agieren. (Teil-)Zuständigkeiten und einer Zersplitterung der Themen. Die Umstellung vom linearen Wirtschaftssystem auf die Circular Warum aber ist die Leistungsfähigkeit des Staates für den Erfolg der Economy ist eine strategische Aufgabe. Wenn der Staat klare Struk- Circular Economy wichtig? Der Staat ist bei der Transformation zu ei- turen schafft und zugleich den Unternehmen beratend und begleitend ner Circular Economy ein wichtiger Katalysator und Impulsgeber: Er zur Seite steht, dann kann diese Aufgabe gelingen! _ kann innovative Projekte und Ansätze fördern und über Branchen und Jan Tiessen, Berlin jan.tiessen@prognos.com Die strategische Gestaltung von Organisationen und Prozessen im öffentlichen Sektor ist der Arbeits- schwerpunkt von Jan Tiessen, Senior-Projektleiter in der Managementberatung. Doppelt Spaß macht es ihm, wenn er das mit seinem Herzensthema der Nachhaltigkeit verbinden kann. Prognos trendletter Mai 2019 13
Ausgerechnet | Enabler-Technologien Technologie aus Deutschland – Chancen weltweit Die Nachfrage nach Technologi- en, die eine Circular Economy überhaupt erst ermöglichen – sogenannte Enabler-Technolo- OSTASIEN CHINA gien – steigt. Deutschland ist Ostasien gehört zu den größten In einigen Jahren wird der nach China Vizeweltmeister Abnehmern von Circular- chinesische Importmarkt den im Export dieser Technologien. Economy-Technologiegütern. US-amerikanischen Import- Besonders in Südkorea wächst markt überflügeln und an der der Bedarf sehr dynamisch. Spitze stehen. Besonders stark Die Prognos-Berater Johann Weiß und Jannis steigt die Nachfrage nach Lambert wissen, wo auf der Welt die Technolo- biobasierten Materialien. gien besonders gefragt sind. Der Blick in den Japan → China → Frachtraum zeigt: Die Nachfrage nach Recy- clinganlagen, Effizienztechnologien oder Tech- 6 Mrd. EUR 14 Mrd. EUR nologien für Erneuerbare Energien steigt und viele deutsche Unternehmen sind schon Südkorea → heute an der Spitze dabei; im Bereich 5 Mrd. EUR biobasierter Materialien sind sie sogar die Nummer 1. Der Blick auf den Außenhandel beweist: Circular Economy ist eine Chance für die heimische Wirtschaft und sichert Wachstum und Arbeitsplätze. Dargestellt sind die zehn größten Absatzmärkte für Circular-Economy-Technologien. Nicht zu übersehen ist: Vor allem die Schwellenländer bergen ein großes Potenzial. Hightech- Sortieranlagen 14 Prognos trendletter Mai 2019
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