ZIRKULÄR STATT LINEAR - Wie wir die Wirtschaft in neue Bahnen lenken - Prognos AG

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ZIRKULÄR STATT LINEAR - Wie wir die Wirtschaft in neue Bahnen lenken - Prognos AG
ZIRKULÄR
                                            STATT LINEAR
                               Wie wir die Wirtschaft in neue Bahnen lenken
                                                                              Mai 2019

Prognos trendletter Mai 2019                                              2
ZIRKULÄR STATT LINEAR - Wie wir die Wirtschaft in neue Bahnen lenken - Prognos AG
DEUTSCHLAND IN 10, 20 ODER 30 JAHREN:

GLOBALER, DIGITALER,
GRÜNER, ÄLTER
Wo steht Deutschland in 10, 20 oder 30 Jahren?
                                                                                                                    Video mit Prognos-Direktor
Finden Sie wertvolle Daten zur Zukunft Deutsch-                                                                     Dr. Oliver Ehrentraut
lands und Europas im Prognos Deutschland
                                                                                                                    „Deutschland geht es gut
Report. Von Experten für Entscheider aus Politik,
                                                                                                                    und so wird es bleiben!“
Wirtschaft und Gesellschaft erstellt. Alle vier Jahre.
Seit 1964.                                                                                                          Erfahren Sie im Video
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www.prognos-deutschlandreport.com
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                                                                                                                                 Wir geben Orientierung.
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Impressum

_ Herausgeber:                      _R
                                       edaktionsleitung:                                        _ Konzept, Produktion & Illustrationen:
   Prognos AG                         Felizitas Janzen, Julia Thurau                                STÜRMER & DRÄNGER – Visuelle Kommunikation
   Unternehmenskommunikation
   St. Alban-Vorstadt 24             _R
                                       edaktionsteam:                                           _ Bildnachweise:
   4052 Basel | Schweiz               Christian Böllhoff, Dr. Bärbel Birnstengel,                   Platnum/Annegien van Doorn (Cover), Foto Koroll (1, 2, 5, 9-13, 17, 19, 20 -22),
                                      Dr. Jan-Philipp Kramer, Jan Tiessen                          Fotolia/Uwe (2), MIREIA GONZALEZ EIB (7- 8), Zoonar/Arcadi Bulva/Alamy Stock
  Telefon: +41 61 32 73 - 310                                                                      Photos (10), Moldovan Manuel/Alamy Stock Foto (10), shutterstock pictive (10),
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  E-Mail: info@prognos.com           _M
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  twitter.com/prognos_ag              Haberland, Hanne Hagedorn, Sinikka Hemmi,                    H-J-Walther (16), De Kringwinkel (17), Prognos/Hanne Hagedorn (19), Fotolia/
_ Hinweise:                         Dr. Jochen Hoffmeister, Sarah Kühne, Alexander               Africa Studio (20), Zöhre Kurc und Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH (25), Stefan
    Auszug/Nachdruck bei Nennung    Labinsky, Sebastian Läster, Jannis Lambert, Oliver Lühr,     Obermeier/vbw (25), Deutsche Energie-Agentur (25), vbw (25), Prognos (25)
  der Quelle gestattet.               Katharina Schüle, Hannah Milena Seichter, Richard
                                      Simpson, Björk Smith, Yannick Vogel, Michael Wasner,       _ Druck & Vertrieb:                _ Auflage:
  www.prognos.com/trendletter                                                                       Druckzone GmbH & Co.KG              Print: 9.000 Exemplare, Digital: 9.500 Leser
                                      Antonia Wentrot, Johann Weiß
ZIRKULÄR STATT LINEAR - Wie wir die Wirtschaft in neue Bahnen lenken - Prognos AG
Editorial

Take, make,
use, …

… dispose. Das sind die Prinzipien unseres linearen Wirtschaftsmodells:   Mit der Circular Economy ist es wie mit allen tiefgreifenden Verände-
Unternehmen verarbeiten Rohstoffe und machen daraus Produkte, die         rungen: Sie spaltet; in Gläubige und Zweifler. Beide übertreiben. Und
wir kaufen, verwenden und am Ende in den Müll schmeißen. Es ist ein       Übertreibungen erinnern uns stets an die vermeintlich genialen An-
Modell, das zunehmend in Frage steht.                                     sätze, über die entweder die Zeit hinweggegangen ist oder bei denen
                                                                          wir das Gefühl hatten, dass sich durch sie zwar viel geändert hat, aber
Denn dass dieses lineare Wirtschaftsmodell ein Problem hat, ist of-       nicht unbedingt zum Besseren.
fensichtlich. Gehen wir mit den Ressourcen weiter so um wie bisher,
brauchen wir in Zukunft eine zweite Erde. Die Auswirkungen des jahr-      Lassen wir es nicht so weit kommen! Versuchen wir es in Sachen
hundertelangen Take, Make, Use, Dispose werden immer augenfälliger.       Circular Economy doch mal mit pragmatischem Optimismus. Nüch-
Umweltprobleme verschärfen sich. Verteilungskonflikte nehmen zu.          tern. Realitätsorientiert. Faktengesichert. Gelassen, aber handlungs-
Und wir stehen vor der ganz konkreten Frage, ob dieses System, in         bezogen. Bescheiden und dennoch hartnäckig. Immer mit leichter
dem Ressourcenverbrauch und Wirtschaftswachstum gekoppelt sind,           Schlagseite ins Positive. Das war schon immer das beste Rezept im
nicht auch zutiefst unökonomisch ist, weil es die Voraussetzungen         Umgang mit einer sich verändernden Welt.
zerstört, auf die es gebaut ist.
                                                                          Noch ist die zirkuläre Ökonomie kein einheitlich definiertes Wirt-
Wie also wäre es mit einem Modell, das den Wert, aber auch die End-       schaftsmodell. Sie ist eine Sammlung an Möglichkeiten, die wir nutzen
lichkeit der Ressourcen anerkennt? Ein Modell, das danach strebt,         sollten – für die Umwelt, für die Wirtschaft, für uns und nachfolgende
Rohstoffe so lange und so häufig wie möglich zu nutzen? Ein vielver-      Generationen. Die Devise lautet: Redesign, Reduce, Reuse, Recycle!
sprechendes Konzept dafür gibt es. In dieser Ausgabe des trendletters
wollen wir Orientierungshilfe geben, inspirieren und Antworten lie-       Ich wünsche Ihnen jetzt eine spannende Lektüre und freue mich, von
fern: willkommen in der Welt der Circular Economy.                        Ihnen zu hören.

Doch eines gleich vorweg: Circular Economy ist kein neues Buzzword.
Und sie lässt sich auch nicht auf die Kreislaufwirtschaft reduzieren,     Herzlich, Ihr
die im Wesentlichen die Abfallwirtschaft meint. Nur weil an die Ket-
te Produzieren – Nutzen – Wegwerfen noch Recyceln gehängt wird,
läuft längst noch nicht alles rund. Circular Economy ist weitaus mehr
als eine lineare Wirtschaft, die sich ein bisschen im Kreis dreht. Bei
einem Umstieg in ein zirkuläres Wirtschaftsmodell geht es um einen
ganz grundlegenden Systemwandel: Wachstum wird vom Verbrauch
begrenzter Ressourcen abgekoppelt.                                        Christian Böllhoff
                                                                          christian.boellhoff@prognos.com

Prognos trendletter Mai 2019
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Urbane Rohstofflager | Eine gute Idee

     Eine gute Idee

    Urbane Rohstofflager
    smart nutzen
    Die moderne Industrie- und Digitalgesellschaft basiert auf dem Einsatz endlicher Rohstoffe und seltener Erden, deren Recyclingraten
    jedoch meist bei unter einem Prozent liegen. Zwar sind Gebäude, Straßen und Schienen ein wichtiges Lager solcher Rohstoffe, doch gibt
    es kaum Informationen darüber, welche Rohstoffe tatsächlich an welchen Stellen und in welchen Mengen verbaut sind. Ein gezieltes
    Recycling ist daher schwer möglich.

    Um diesem Problem zu begegnen, hat bonnorange als kommunales Entsorgungsunternehmen für die Stadt Bonn eine Bestandsaufnahme
    der verbauten kritischen Metalle durchgeführt und untersucht, wie diese künftig stärker und gezielter recycelt werden können. In der
    Zukunft könnten Informationen über die verbauten Rohstoffe direkt beim Bau dokumentiert werden. Hier kommt den Kommunen eine
    Schlüsselposition zu: Neben der Dokumentation eigener Bau- und Abbruchtätigkeiten kann der Verkauf kommunaler Grundstücke an
    Dokumentationspflichten gebunden werden. Die digitale Methode „Building Information Modeling“ zur Planung, Errichtung und Be-
    wirtschaftung von Gebäuden ermöglicht darüber hinaus bereits beim Bau eine detaillierte Dokumentation durch den Bauträger. Dies
    erleichtert nicht nur das Recycling nach dem Abbruch – auch das laufende Instandhaltungsmanagement wird verbessert und somit die
    Nutzungszeit von Gebäuden und Infrastruktur verlängert. _

                                                    Marieke Eckhardt, Düsseldorf
                                                    marieke.eckhardt@prognos.com

                                                    Prognos-Beraterin Marieke Eckhardt arbeitet im Team Abfallwirtschaft und Sekundärrohstoffe.
                                                    Sie interessieren besonders Fragen zum Recycling und seinen Potenzialen für eine moderne
                                                    und umweltfreundliche Industriegesellschaft.

2                                                                                                                             Prognos trendletter Mai 2019
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Inhalt

INHALT
Eine gute Idee:                             Die Transformation organisieren –            Standpunkt
Urbane Rohstofflager smart nutzen      2    vom Flickenteppich zur Strategie             Circular Economy: eine industrie-
                                            Staatliche Strukturen können die Trans-      politische Zukunftsstrategie Europas 22
Circular Economy – mehr als die             formation unterstützen – doch noch
Summe ihrer Teile                           gleichen sie einem Flickenteppich.      13   Aus den Projekten                    23
Wird die Circular Economy zur gemein-
samen Agenda der unterschiedlichen          Technologie aus Deutschland –                Rückblick in Bildern                 25
Ansprüche und Entwicklungen?          4     Chancen weltweit
                                            Deutschland ist Vize-Exportwelt-
Der lineare Ansatz funktioniert             meister bei Enabler-Technologien.      14
nicht mehr
EIB-Präsident Dr. Werner Hoyer              Circular Society:
im Interview                           6    Gemeinsam tüfteln und teilen                   TECHNOLOGIE
                                            Ohne einen gesellschaftlichen                  AUS DEUTSCHLAND
Für eine zirkuläre Union – lernen von       Wandel kann die Circular Economy               Enabler-Technologien sind
Europa!                                     nicht gelingen.                        16      Exportschlager_ Seite 14
Die Circular Economy ist in Europa
angekommen – zumindest punktuell. 9         Werkstattbericht
                                            Prognos-Experten entwickeln ein Modell,
Abfälle sind Rohstoffe                      das die wirtschaftliche Zukunft in einer
Die Kreislaufwirtschaft spart Ressourcen,   zirkulären Ökonomie beschreiben soll. 18
schont das Klima und sorgt für
Innovationen.                          10   Eine gute Idee:
                                            Wanted: Reparaturbonus
Was vom Auto übrig bleibt                   für Deutschland                        20
Höchste Zeit für eine Neuorganisation
des Altautorecyclings                 11    Der wirtschaftliche Fußabdruck
                                            der Circular Economy
Ökologie trifft Technologie                 In der Circular Economy erwirtschaften
Mit Circular Agriculture die Bevölkerung    europaweit rund 7 Millionen Menschen
ernähren und gleichzeitig natürliche        1,2 Billionen Euro.                    21
Ressourcen schonen.                    12

                                                                                    ÖKOLOGIE TRIFFT TECHNOLOGIE
                                                                                    Circular Agriculture_ Seite 12

   CIRCULAR SOCIETY
   Gemeinsam tüfteln und teilen_ Seite 16

Prognos trendletter Mai 2019                                                                                              3
ZIRKULÄR STATT LINEAR - Wie wir die Wirtschaft in neue Bahnen lenken - Prognos AG
Wirtschaftlicher Wandel | Fachbeitrag

Circular Economy – mehr als
die Summe ihrer Teile
Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt erleben derzeit                        „ Würden   wir in Deutschland Waschmaschinen
wichtige Veränderungen – wird die Circular Economy                            im gleichen Grad gemeinschaftlich nutzen wie
zur gemeinsamen Agenda der unterschiedlichen                                  in der Schweiz, hätten wir etwa 11,8 Millionen
Ansprüche und Entwicklungen?                                                  Waschmaschinen weniger – das wären 825.000
                                                                              eingesparte Tonnen Stahl, Kupfer, Kunststoffe
Lineares Denken ist überholt. Die Welt beginnt in Kreisläufen zu denken.      und andere Ressourcen.“
Circular Economy heißt die eigentlich gar nicht so neue Form des
Wirtschaftens, die insbesondere auf der europäischen Ebene zuneh-          Fest steht: Die Strategie der Circular Economy gewinnt insbeson-
mend an Bedeutung gewinnt. Circular Economy verändert die gesell-          dere auf der europäischen Ebene an Bedeutung. Das Kreislaufwirt-
schaftlichen Wertvorstellungen und Konsumansprüche und fordert             schaftspaket der EU umfasst unter anderem einen Aktionsplan mit
daher alle heraus: Wissenschaftler, Produktdesigner, Industrie und         Maßnahmen für den kompletten Produktlebenszyklus: von Design,
Abfallwirtschaft und nicht zuletzt auch den Verbraucher.                   Materialbeschaffung, Herstellung und Verbrauch bis hin zur Entsor-
                                                                           gung und zum Markt für Recyclingrohstoffe. Dabei geht die Circular
Der Begriff der Circular Economy, wie er von der EU-Kommission ver-        Economy von dem Ideal geschlossener Rohstoffkreisläufe aus. Das
wendet wird, ist allerdings keinesfalls gleichzusetzen mit der häufig      Recycling von Wertstoffen hat allerdings wirtschaftliche, energeti-
anzutreffenden Übersetzung „Kreislaufwirtschaft“. Nach deutschem           sche und ökologische Grenzen, sodass der Wirtschaftskreislauf auch
Verständnis beinhaltet die Kreislaufwirtschaft zwar bereits wichtige       künftig auf die Zuführung von Primärrohstoffen angewiesen sein
Elemente einer zirkulären Wirtschaft, sie ist aber nur ein Teilbereich     wird. Dennoch wird sich die nationale Abhängigkeit von Rohstoffim-
der Circular Economy. Die Übersetzung „Zirkuläre Wertschöpfung“            porten deutlich verringern lassen, insbesondere bei den strategisch
geht aus unserer Sicht über die Kreislaufwirtschaft hinaus und hat         wichtigen Metallen.
auch den Wert der Produkte und die Erhöhung der Wertschöpfung
über den gesamten Produktions- und Recyclingzyklus im Fokus.               Grundzüge der Circular Economy
Der häufig verwendete Begriff der „Zirkulären Wirtschaft“ beinhal-
tet nach unserem Verständnis zusätzlich auch die Veränderung der           ■■ Zu Beginn des Produkt- bzw. Rohstoffkreislaufs steht ein nach-
gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Konsumansprüche. Diese              haltiges Produktdesign (Design for Recycling). Das heißt: Produk-
wiederum sind für eine veränderte Nachfrage nach Produkten und               te werden ganz oder überwiegend aus Recyclingrohstoffen her-
Dienstleistungen aus dem Bereich der Zirkulären Wertschöpfung                gestellt, enthalten keine Schadstoffe und können nach Gebrauch
letztlich entscheidend.                                                      problemlos recycelt werden. So sind beispielsweise Verpackungen,
                                                                             die nur aus einem Material bestehen, recyclingfähiger als jene, die
„ Die Circular Economy wird gesellschaftliche                               aus verschiedenen Komponenten bestehen.

    Wertvorstellungen und Konsumansprüche                                  ■■ DieProduktion erfolgt abfallarm bzw. abfallfrei. Produktionsaus-
    verändern.“                                                              schuss und Fehlproduktionen werden direkt wieder dem Recycling
                                                                             bzw. der Grundstoffproduktion zugeführt. Neue Technologien
In den vergangenen Jahren sind verschiedene Studien erschienen,              kommen zum Einsatz, beispielsweise 3-D-Drucker. Über Rücknah-
die sich mit den Wirkungen einer veränderten Lebens-, Wirtschafts-           mesysteme und Leasingkonzepte bleiben die Hersteller im Besitz
und Produktionsweise auf die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Um-           ihrer Produkte bzw. der darin enthaltenen Rohstoffe.
welt und unser Konsumverhalten beschäftigen. So ermittelt eine
Studie für die Ellen MacArthur Foundation für Europa wirtschaftli-         ■■ Produkte  werden im Wesentlichen mit Recyclingrohstoffen herge-
che Vorteile in Höhe von etwa 1,8 Billionen Euro bis zum Jahr 2030           stellt. Sie sind langlebig, reparaturfähig, modular und bestenfalls
– rund 900 Milliarden Euro mehr als unter Beibehaltung des linearen          können Teile wiederverwendet werden. Ein namhafter Hausgeräte-
Entwicklungspfades. Aktuelle Berechnungen der Prognos zeigen                 hersteller ist aktuell dabei, in Spanien und Belgien ein Rücknah-
ferner: In Europa sind heute in den entsprechenden Branchen                  mesystem für Haushaltsgeräte aufzubauen, in dem ausgetauschte
schon rund 7 Millionen Menschen beschäftigt.                                 Geräte von den Händlern zurückgeholt und anschließend zentral
                                                                             auf ihre Reparaturfähigkeit geprüft werden. Die instandgesetzten
                                                                             Geräte werden anschließend in Sozialkaufhäusern verkauft.

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ZIRKULÄR STATT LINEAR - Wie wir die Wirtschaft in neue Bahnen lenken - Prognos AG
Wirtschaftlicher Wandel | Fachbeitrag

■■ Konsumenten   müssen umdenken. Das beginnt bei der Akzeptanz                           Die Circular Economy ist keine Strategie des Verzichts oder der Ein-
   von Produkten aus Recyclingrohstoffen (cremeweiß statt reinweiß)                       schränkung, sondern liefert das gemeinsame Verständnis und die Ori-
   und endet bei Verpackungen, die auf ihre Grundfunktionen redu-                         entierung für vielfältige Entwicklungen, die derzeit ohnehin stattfin-
   ziert und wo möglich im Mehrwegverfahren eingesetzt werden.                            den: Verbraucher, Designer, Industrie, Dienstleister, Handel, Entsorger,

                                                                     Wissenschaft & Forschung
                                                                            Designer

                                                                                  Anlagen

                                                                 Verfahren                         Produkte
                                                                                                 recyclingfähig

                                            Aufbereitung                          DESIGN                              Grundstoffe

                                                                                                                        Investitions-
Kreislaufwirtschaft                        Sortierung                      Rezyklate, Energie                              güter         Industrie

                                                       ABFALL                                        PRODUKTION
                                                                                                          abfallarm

                                              Erfassung                                                              Konsumgüter
                                               sortenrein                                                             reparaturfähig

                                                                                PRODUKT
                                                                Reparatur          langlebig       Leasing
                                                                                   Sharing

Quelle: eigene Darstellung Prognos 2019
                                                                               Verbraucher

■■ Teilen und mieten statt besitzen. Menschen verzichten zugunsten                        Start-ups und eine Vielzahl von weiteren Akteuren sind aktuell dabei,
   gemeinschaftlicher Anschaffungen auf privates Eigentum. Aus-                           den Ansprüchen an eine nachhaltigere Lebensweise mit passenden
   leihsysteme für Baugeräte und Werkzeuge werden zunehmend                               Produkten und Dienstleistungen zu entsprechen.
   beliebter. Gemietete oder geleaste Maschinen und Geräte halten
   länger, da die Vermieter ein großes Interesse an wenigen Reparaturen                   Angesichts der zunehmenden Sensibilisierung für die ökonomischen
   und einem geringen Wartungsaufwand haben. Mit der Sharing                              und ökologischen Konsequenzen unserer Konsumgewohnheiten ist
   Economy entsteht eine völlig neue Wirtschaftsbranche mit einer                         die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich bei der Circular Economy
   Vielzahl von Arbeitsplätzen. Mithilfe des Internets wird so Mobilität                  letztlich um einen sich selbst verstärkenden Prozess mit einer eige-
   organisiert, werden Waren getauscht, Lebensmittel vor dem Verfall                      nen und positiven Dynamik handeln wird. Allein die Informationen
   gerettet oder für getragene Kleidung neue Besitzer gefunden.                           über das Ausmaß der Vermüllung der Meere haben deutlich gemacht,
                                                                                          dass wir als Konsumenten und Produzenten die Bilanzgrenze unserer
■■ Am Ende des Lebenszyklus werden die Produkte einer Entsorgungsinfra-                   (Produkt-)Verantwortung jetzt neu definieren müssen. Und darüber
   struktur zugeführt, die durch eine getrennte Erfassung mit anschließen-                definiert sich schlussendlich auch die Bedeutung der Circular Economy
   der Sortierung die Basis für ein hochwertiges Recycling der Materialien                für die Zukunft unserer Industriegesellschaft. _
   und damit einen funktionierenden Rohstoffkreislauf bildet. Kreislauf-
   wirtschaft wird untrennbarer Bestandteil der Rohstoffwirtschaft.

                                                                           Dr. Jochen Hoffmeister, Düsseldorf
                                                                              jochen.hoffmeister@prognos.com

                                Die Circular Economy als neue Herausforderung für die Kreislaufwirtschaft – für
                                       Prognos-Partner Dr. Jochen Hoffmeister eine entscheidende Fragestellung
                                      für die Zukunftsfähigkeit der Branche, die er seit mehr als 25 Jahren berät.

Prognos trendletter Mai 2019                                                                                                                                     5
ZIRKULÄR STATT LINEAR - Wie wir die Wirtschaft in neue Bahnen lenken - Prognos AG
Circular Economy | Interview

Der lineare Ansatz
funktioniert nicht mehr
Mit vielfältigen Finanzierungs- und Beratungsange-                        höchstens zehn Prozent deponiert werden. Um diese Ziele zu erreichen,
boten unterstützt die Europäische Investitionsbank                        müssen entsprechende Projekte mit Geld und Beratung unterstützt
                                                                          werden. Und genau da kommt die EIB ins Spiel.
(EIB) Projekte der Circular Economy. EIB-Präsident
Dr. Werner Hoyer erklärt, warum die Wirtschaft der                        Außerdem brauchen wir europäische und nationale Rechtsvorschrif-
Zukunft zirkulär sein muss.                                               ten, die dem Privatsektor geeignete Anreize für Investitionen in Rich-
                                                                          tung Circular Economy setzen. Vor allem müssen wir einen Markt für
Die Europäische Investitionsbank, der Sie als Präsident seit vie-         Sekundärrohstoffe wie Plastik aufbauen. Seit Chinas Einfuhrverbot
len Jahren vorstehen, gehört zu den wichtigsten Partnern für die          sammeln sich in Europa massenweise minderwertige Kunststoffabfälle
Circular Economy. Warum hat die EIB hier in den vergangenen               an, die recycelt werden müssen. Dafür brauchen wir eine Nachfrage.
Jahren so viel getan? Weil wir nur mit der Circular Economy nach-
haltigen Wohlstand erreichen werden. Die wachsende Weltbevölkerung        Die Circular Economy kann Europa einen entscheidenden Wett-
konsumiert immer mehr und verbraucht dafür knappe, endliche Res-          bewerbsvorteil verschaffen. An welchen wirtschaftlichen, politi-
sourcen. Aber der lineare Ansatz nach dem Motto „produzieren, konsu-      schen und gesellschaftlichen Stellschrauben muss stärker gedreht
mieren und wegwerfen“ funktioniert nicht mehr. Das müsste jedem klar      werden, damit Europa diese Position halten kann? Die Circular
sein. Er ist teuer und schlecht für die Umwelt. Nach unserer CO2-Bilanz   Economy erfordert ein völliges Umdenken. Wenn es künftig überhaupt
müssen wir nun auch auf unsere Ressourcenbilanz achten, also die          keinen Abfall mehr geben soll, müssen alle mitziehen – staatliche
Menge an Rohstoffen, die wir verbrauchen. Laut EU-Kommission gibt         Stellen, die geeignete Regeln und Anreize schaffen, Unternehmen, die
es bereits 27 wirtschaftskritische Rohstoffe, die knapp werden könnten.   neue Verfahren, Geschäftsmodelle und Produkte entwickeln, und Ver-
                                                                          braucher, die ihr Konsumverhalten ändern, um Abfall zu vermeiden.
Durch unser Konsumverhalten versinken außerdem die Meere allmäh-
lich im Plastikmüll. Deswegen hat die EIB mit der französischen Agence    Innovationen können die notwendige Umstellung auf eine Circular
Française de Développement und der deutschen Kreditanstalt für Wie-       Economy stimulieren. Global Player sind jedoch oft zu behäbig,
deraufbau die Clean-Oceans-Initiative ins Leben gerufen.                  kleineren Unternehmen fehlt das notwendige Kapital oder der Zu-
                                                                          gang zum Markt – wie kann die EIB hier unterstützen? Ich wür-
Die Circular Economy ist auch wirtschaftlich sinnvoll: Schätzun-          de die Global Player nicht ganz ausschließen. Es gibt schon Konzerne,
gen zufolge könnte sie der Europäischen Union über zehn Jahre ein         die über innovative Geschäftsmodelle nachdenken. Der „New Plastics
Wachstum von bis zu vier Prozent generieren (ING 2015) und bis            Economy“-Initiative der Ellen MacArthur Foundation haben sich 290
2030 etwa zwei Millionen neue Arbeitsplätze schaffen (Europäische         Organisationen angeschlossen, darunter viele der weltweit größten
Kommission 2014).                                                         Verpackungshersteller, Einzelhändler und Recyclingunternehmen. Sie
                                                                          wollen Kunststoffverpackungen recyceln oder ganz vermeiden und so
Kurz: Die Circular Economy ist gut für die Umwelt und gut für die Wirt-   eine Kreislaufwirtschaft für Plastik fördern. Die EIB hat diese Vereinba-
schaft. Deshalb hat die EIB in den letzten fünf Jahren mehr als zwei      rung ebenfalls unterzeichnet.
Milliarden Euro dafür bereitgestellt. Und wir wollen in diesem Bereich
noch viel mehr tun.                                                       Aber es stimmt, dass vor allem kleinere Firmen oft vor Herausforderun-

„ Die Circular Economy ist gut für die                                   gen stehen. Viele Projekte der Circular Economy sind vergleichsweise
                                                                          klein und aufgrund ihrer Risiken für Geschäftsbanken nicht akzepta-
    Umwelt und gut für die Wirtschaft.“                                   bel. Deshalb entwickelt die EIB nun neue Finanzprodukte, die speziell
                                                                          auf solche Projekte zugeschnitten sind. Dazu gehört auch die Investi-
Europa ist Vorreiter der Circular Economy. Wie kann Europa diese          tionsplattform für Biokreislaufwirtschaft, die wir gemeinsam mit der
Position halten und weiter ausbauen? Erstens stellt die EU mit ih-        Europäischen Kommission ins Leben gerufen haben. Außerdem bieten
ren Regeln bereits in allen Sektoren die Weichen für eine nachhaltige     wir im Rahmen des Europäischen Fonds für strategische Investitionen
Circular Economy. Zweitens kann die EU den so wichtigen europäischen      (EFSI) und InnovFin Finanzierungsinstrumente mit Risikoteilung über
Binnenmarkt mit Maßnahmen zur Circular Economy weiter vertiefen.          eine EU-Garantie an.

Die Europäische Kommission hat in ihren Strategien und Richtlinien        Innovative Projekte der Circular Economy sind zudem meist komplex;
ehrgeizige Ziele für eine Circular Economy gesteckt. So sollen bis 2035   ihre Technologien sind unerprobt, und auch Angebot und Nachfrage
mindestens 65 Gewichtsprozent aller Siedlungsabfälle recycelt und         sind unsicher. Daher bietet die EIB nicht nur Finanzierung, sondern

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ZIRKULÄR STATT LINEAR - Wie wir die Wirtschaft in neue Bahnen lenken - Prognos AG
Circular Economy | Interview

auch Beratungsdienste an. Hilfestellung liefern darüber hinaus ver-     Die EIB weist den Städten eine besondere Rolle zu. Warum?
schiedene Leitfäden, die wir erstellt haben, etwa unser Leitfaden zur   Städte können sowohl Wiege als auch Motor der Umstellung auf eine
Circular Economy (www.eib.org/circular-economy).                        Circular Economy sein. Aktuell verbrauchen sie 70 Prozent der welt-
                                                                        weiten Ressourcen und erzeugen 50 Prozent des gesamten Abfalls.
Was behindert die Umstellung auf eine Circular Economy? Welche          Städte bieten ein enormes Kreislaufpotenzial, da sich hier Menschen,
Finanzierungsmodelle oder Förderprogramme sind rückwärts-               Unternehmen und Ressourcen auf engem Raum konzentrieren. So-
gewandt und gehören Ihrer Meinung nach besser abgeschafft?              mit könnten dort auch Ressourcen und Güter effizient gemeinsam
Problematisch ist vor allem, dass die neuen Produkte und Dienstleis-    genutzt werden. Außerdem können Städte die Umstellung auf eine
tungen der Circular Economy auf eine Welt treffen, die noch immer       Circular Economy vorantreiben, indem sie selbst mit gutem Beispiel
linear denkt. Bei der Kreditprüfung und Risikobeurteilung nach dem      vorangehen, etwa bei Gebäuden, Produkten oder Dienstleistungen, die
linearen Modell wird die Wertschöpfung der Circular Economy nicht       sie anbieten oder nachfragen.
angemessen berücksichtigt. So spiegeln etwa die Produktpreise die
gesellschaftlichen Kosten des Ressourcenverbrauchs und der Umwelt-      Die Möglichkeiten sind vielfältig: modulare Gebäude, die flexibel auf-
belastung nicht vollständig wider. Umweltaspekte und der gesamtge-      und abgebaut werden können, Car- und Rad-Sharing, urbane Land-
sellschaftliche Nutzen müssen aber unbedingt einfließen, wenn man       wirtschaft mit organischen Abfällen oder auch Unternehmen, bei de-
die Produkte und Geschäftsmodelle der Circular Economy mit denen        nen die Abfälle des einen dem anderen als Ausgangsstoffe dienen. In
der Linearwirtschaft vergleichen will.                                  einem Leitfaden auf unserer Website informieren wir Städte, wie sie
                                                                        sich in 15 Schritten einer Circular Economy annähern können.
Darüber hinaus lässt der Finanzsektor bei der Projektprüfung gern
die Risiken der Linearwirtschaft außer Acht. Da sind endliche oder      Welches Projekt fehlt? Wo würden Sie persönlich gerne anset-
unsichere Ressourcen eben einfach immer verfügbar – das ist nicht       zen? Die EIB ist weltweit der größte multilaterale Geldgeber für Klima-
realistisch, gerade wenn man die längeren Investitionszyklen dieser     finanzierungen. Ich würde daher Projekte der Circular Economy begrü-
Investitionen berücksichtigt. Die EIB will hier ein Umdenken fördern.   ßen, die gleichzeitig dem Klimaschutz zugutekommen. Bei den meisten
Berücksichtigt man sowohl die Risiken der Linearwirtschaft als auch     Projekten ist das glücklicherweise der Fall. Durch geeignete Kreislauf-
die Wertschöpfung in der Circular Economy, dürften die Geschäfts-       lösungen können wir den Klimawandel bekämpfen und zugleich die
modelle und Projekte der Circular Economy attraktiver werden.           Produktion und den Konsum nachhaltiger und kreislauforientierter
                                                                        ausrichten. Diese Win-win-Möglichkeit müssen wir unbedingt nutzen.

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Circular Economy | Interview

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                                                                           forderungen erfüllen. Mit unserer geballten Erfahrung bringen wir
                                                                           neue Projekte auf den Weg. Unsere Berater bereiten gemeinsam mit
                                                                           den Projektträgern Vorhaben und Geschäftsideen so vor, dass sie von
                                                                           der EIB und anderen Investoren finanziert werden können. Wenn ich
                                                                           also ein Projekt hätte, würde ich die EIB bitten, mir bei der Planung zu
                                                                           helfen und mir dann eine ihrer vielen Finanzierungslösungen anzu-
                                                                           bieten. Dadurch könnte ich dann auch aus anderen externen Quellen
                                                                           Geld bekommen. Wie sich gezeigt hat, ziehen Projekte, die von der EIB
                                                                           geprüft und für gut befunden wurden, stets weitere Investoren aus
                                                                           dem Privatsektor an. Wir sind die Crowding-in-Bank.

„ Durch geeignete Kreislauflösungen können                                Wenn Sie an die Kinder von heute denken: Welches Wirtschafts-
                                                                           system wünschen Sie sich für die jüngere Generation? Eine
    wir den Klimawandel bekämpfen und zugleich                             Circular Economy und eine Sharing Economy. Also ein System, in dem
    die Produktion und den Konsum nachhaltiger                             Produkte und Ressourcen möglichst lange in der Wirtschaft verblei-
    und kreislauforientierter ausrichten. Diese                            ben und in dem möglichst wenig verbraucht und weggeworfen wird.
    Win-win-Möglichkeit müssen wir unbedingt                               So erhalten wir nicht nur unseren Planeten und seine Ressourcen für
    nutzen.“                                                               kommende Generationen, wir schaffen auch neue Arbeitsplätze und
                                                                           stärken die Wirtschaft.
Und das Potenzial ist erheblich: Nach Schätzungen der Ellen Mac-
Arthur Foundation und von McKinsey lassen sich allein durch eine           Welches Projekt, welcher Förderantrag hat Sie in der Vergan-
Umstellung in den Bereichen Mobilität, Lebensmittel und Bau die            genheit besonders gefreut und warum? Stellen Sie sich vor, Sie
CO2-Emissionen bis 2030 um 48 Prozent und bis 2050 um 83 Pro-              können ihren alten Beistelltisch nicht mehr sehen. Also bringen Sie
zent gegenüber dem Niveau von 2012 senken. Ein „Denken in Kreis-           ihn einfach zum nächsten 3-D-Druck-Service. Die schreddern ihn und
läufen“ wäre also ein wichtiger Schritt, um die Ziele des Pariser Klima-   drucken daraus einen neuen. Sie suchen sich einfach das gewünschte
schutz-Übereinkommens zu erreichen.                                        Modell aus, gehen dann einkaufen und wenn Sie zurückkommen, steht
                                                                           da schon Ihr neuer Tisch. Für die meisten von uns klingt das noch nach
Über die Clean-Oceans-Initiative, die ich bereits angesprochen habe,       Zukunftsmusik. Aber tatsächlich ist diese Art der Circular Economy
wollen wir außerdem die Plastikverschmutzung der Meere eindäm-             im Kommen. 2016 gab die EIB dem niederländischen Hersteller von
men. Wenn wir Plastik wiederverwenden und recyceln, statt es nach          3-D-Druckern Ultimaker einen Kredit von 15 Millionen Euro. Mit dem
einmaligem Gebrauch wegzuwerfen, können wir nicht nur wertvolle            Geld weitet das Unternehmen seine Forschung und Entwicklung aus
Ressourcen schonen und den CO2-Ausstoß senken. Wir verhindern              und bringt neue Produkte auf den Markt. _
auch, dass unsere Meere weiter mit Plastik zugemüllt werden. Das ist
eine Win-win-Chance, die unsere volle Aufmerksamkeit hat und die
wir auch unseren Partnern dringend ans Herz legen.

Wenn Sie Unternehmer wären – für welches Projekt würden
Sie gerne eine EIB-Finanzierung beantragen? Die EIB ist eine be-
sondere Einrichtung. Wir sind nämlich mehr als eine Bank. In unse-
rer Direktion Projekte und unserer Hauptabteilung Beratungsdienste
arbeiten mehr als 600 Volkswirte und Ingenieure. Sie stellen sicher,

Dr. Werner Hoyer, EIB-Präsident
Der Wirtschaftswissenschaftler Dr. Werner Hoyer war 33 Jahre lang
Mitglied des Deutschen Bundestages und hat in dieser Zeit verschie-
dene politische Ämter bekleidet. Werner Hoyer war zweimal Staatsmi-
nister im Auswärtigen Amt, außerdem Sprecher der FDP-Sicherheits-
politik, stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Amerikanischen
Parlamentarischen Freundschaftsgruppe, FDP-Generalsekretär und
Präsident der Europäischen Liberalen, Demokraten und Reformer
(ELDR). 2012 wurde Werner Hoyer zum EIB-Präsidenten ernannt. Seine
zweite Amtszeit trat er im Januar 2018 an.

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Lernen von Europa | Fachbeitrag

Für eine zirkuläre Union –
lernen von Europa!
Die Circular Economy ist in Europa angekommen –                                 onsprojekte oder FuE-Projekte, die Industrie 4.0 mit CE verbinden),
zumindest punktuell. In Belgien und in den Nieder-                              Kredite für Ausrüstung und Infrastruktur sowie steuerliche Abzüge
                                                                                für Unternehmen, die in Circular-Economy-Projekte investieren. Und
landen, in Slowenien, Spanien oder Deutschland,                                 es zahlt sich aus: Gut 60 Prozent der baskischen Unternehmen be-
überall entwickeln Kommunen, Unternehmen und                                    trachten Ökodesign als ausschlaggebenden Faktor im internatio-
öffentliche Einrichtungen zirkuläre Geschäftsideen.                             nalen Wettbewerb und die fast 90 Unternehmen, die bisher am
                                                                                „Demonstrationsprojekt zur Circular Economy“ teilgenommen
Von einer flächendeckenden Umstellung des Wirtschaftssystems ist                haben, erwarten aufgrund neuer technologischer Lösungen Um-
Europa zwar noch weit entfernt. Dennoch konnten Prognos-Experten                satzsteigerungen um fast 40 Millionen Euro.
gemeinsam mit Partnern in einer Studie für die Europäische Kommissi-
on (siehe S. 21) spannende und erfolgreiche Beispiele für die Förderung      ■■ Auch   auf der kommunalen Ebene können Circular-Economy-Initi-
einer Circular Economy identifizieren. Drei Beispiele aus Europa zeigen,        ativen viel bewirken, wie das Beispiel Brüssel zeigt. Mit dem „Plan
dass die Circular Economy bereits auf ganz unterschiedlichen Gover-             Régional en Economie Circulaire 2016-2020“ verfolgt Europas
nance-Ebenen umgesetzt wird.                                                    Hauptstadt eine ambitionierte Mission. Der Plan definiert 111 Maß-
                                                                                nahmen und verfolgt einen ganzheitlichen und transversalen An-
■■ Die  Circular-Economy-Strategie Schottlands, „Making Things                  satz, der die Beteiligung von drei Ministerien, vier Verwaltungen und
   Last“ (2015), legt die Prioritäten des Landes für den Übergang zu            mehreren zusätzlichen Partnerorganisationen überwacht und orga-
   einer Circular Economy fest. Neben übergeordneten Zielen bündelt             nisiert. Ein wichtiger Erfolgsfaktor der Strategie liegt in der einge-
   sie auch die Vereinbarungen aus dem „Zero Waste Plan“ (2010) und             führten innovativen Governance. Basierend auf den Lehren, die aus
   der „Resource Efficient Scotland“ (2013). Schlüsselelemente sind ein         der Vorgängerstrategie „Alliance Emploi-Environnement“ gezogen
   besserer Ansatz für mehr Herstellerverantwortung und eine Reduk-             wurden, wurde eine starke Koordinierungsstruktur implementiert,
   tion der Lebensmittelverschwendung um 33 Prozent bis 2025. Das               um Silopolitik zu vermeiden und ein frühzeitiges politisches Buy-in
   Besondere: Die Strategie Schottlands setzt auf Anreize für Aktionen          sicherzustellen.
   entlang vollständiger Wertschöpfungsketten, fokussiert auf die Er-
   nährungswirtschaft und Bioökonomie, die Bauwirtschaft und die             Diese Beispiele zeigen: Die Politik spielt eine wesentliche Rolle beim
   Energiewirtschaft. Ebenso bemerkenswert: Mithilfe der „Waste Car-         Aufbau und bei der Verbreitung einer Circular Economy. Der „Circular
   bon Metric“ werden in Schottland gezielte Maßnahmen entlang der           Investment Fund“ in Schottland, Zuschüsse für Kooperationsprojekte
   Wertschöpfungsketten entwickelt. So sollen zirkuläre Wirtschafts-         zwischen Forschungsakteuren und -praktikern in Brüssel oder die Cir-
   kreisläufe geschlossen und Emissionen minimiert werden.                   cular-Economy-Demonstrationsprojekte im Baskenland helfen, Inno-
                                                                             vationen auf den Markt zu bringen.
■■ Mit seiner „Circular Economy Initiative” forciert das Baskenland
   in Spanien eine deutliche Reduzierung des Rohstoffverbrauchs. In          Insgesamt wird deutlich: Die Verwirklichung einer Circular Economy er-
   der baskischen Industrie sollen so etwa sechs Prozent Rohmaterial         fordert einen integrierten und langfristigen Systemwechsel. Notwendig
   und Kosten in Höhe von zwei Milliarden Euro eingespart werden.            ist ein breites Spektrum von Ansätzen, um die Art und Weise, wie wir
   Dafür kombinieren die baskischen Behörden auf der Nachfra-                produzieren und konsumieren, sowie die Formen der öffentlich-priva-
   geseite intelligente Maßnahmen, wie eine öffentliche und private          ten Zusammenarbeit in dieser Transformation zu verändern. Die Politik
   umweltgerechte Beschaffung und Normung, mit Maßnahmen, die                muss eine starke Rolle bei der Steuerung des Übergangs zu einer
   an der Angebotsseite ansetzen. Letztere umfassen Zuschüsse (z. B.         Circular Economy einnehmen, dann kann es gelingen – in Deutschland
   für Demonstrationsvorhaben, für Ökodesign- und Ökoinnovati-               und im Rest der Europäischen Union. _

                                                  Mirjam Buck, Brüssel
                                                  mirjam.buck@prognos.com

                                                  Die Geografin Mirjam Buck ist Beraterin bei Prognos. Ihr Schwerpunkt liegt im Bereich EU-Strukturpolitik
                                                  und Circular Economy. Letztere ist ihr auch privat ein Anliegen: In einem Projekt zur Wiedernutzung von
                                                  Kunststoffen in Nepal setzt sie sich aktiv mit der Umsetzung einer Circular Economy auseinander.

Prognos trendletter Mai 2019                                                                                                                                 9
Kreislaufwirtschaft | Fachbeitrag

Abfälle sind Rohstoffe

400 Millionen Tonnen Abfälle werden Jahr für Jahr                         85 Prozent der Gesamtkunststoffabfälle – lediglich 39 Prozent einer
in Deutschland der Kreislaufwirtschaft zugeführt.                         stofflichen Verwertung zugeführt und nur 17 Prozent (0,9 Millionen
                                                                          Tonnen) ersetzten am Ende tatsächliche Werkstoffe zur Produktion
In rund 10.800 privaten und kommunalen Unter-                             von Neuware (conversio, Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland
nehmen sorgen rund 275.000 Mitarbeiter an rund                            2017 (Kurzfassung), September 2018). Grund dafür sind Prozessverluste
15.800 Sortier- und Aufbereitungsanlagen dafür,                           und Exporte. Aber auch der Verbraucher ist an dieser Situation nicht ganz
dass die Abfälle sortiert, aufbereitet, verwertet oder                    unbeteiligt: Jeder Aluminiumdeckel, der auf einem leeren Joghurtbecher
                                                                          bleibt, macht beide Materialien für die stoffliche Verwertung un-
beseitigt werden. Das Ziel: möglichst viele Stoffe                        brauchbar. Der Rest des Kunststoffabfallaufkommens wird energetisch
aus dem Abfall zurückzugewinnen.                                          verwertet oder geht in den derzeit viel diskutierten Export (15 Prozent).

Die moderne Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiger Bestandteil der         Doch selbst gute Recyclingraten führen nicht notwendigerweise zu
Circular Economy. Sie spart Ressourcen, schont das Klima und sorgt        geschlossenen Kreisläufen: Die neuen und höheren „Recyclingquoten“
nicht zuletzt durch den Export von Know-how und Produkten für             des im Frühjahr 2018 verabschiedeten EU-Kreislaufwirtschaftspaketes
wichtige Innovationen und eine zunehmende Internationalisierung           werden zwar zu mehr Recyclingrohstoffen führen, aber die entspre-
im Maschinen- und Anlagenbau. Was nicht als Rohstoff wieder in            chende Nachfrage ist derzeit im Markt nicht gesichert. Weitgehend
die Produktionsketten fließen kann, ersetzt als Sekundärbrennstoff        geschlossene Rohstoffkreisläufe sind aber eine Grundvoraussetzung
wertvolle und endliche Primärenergieträger wie Erdöl und Erdgas.          der Circular Economy. Daher ist es notwendig, über neue Instrumente
                                                                          die Nachfrage nach Recyclingrohstoffen zu erhöhen.
Der Wiedereinsatz im Stoffkreislauf ist je nach Rohstoff unterschied-
lich möglich. So unterscheidet die Kreislaufwirtschaft zwischen Roh-      Dazu gehört zum einen eine verbindliche und nach Stoffen differen-
stoffen, die nahezu unendlich oft wiedereingesetzt werden können          zierte Substitutionsquote. Eine solche Quote gibt das Verhältnis der
(z. B. Stahlschrott), und Rohstoffen, die nicht beliebig oft recycelt     einzusetzenden Recyclingrohstoffe bezogen auf die eingesetzten Pri-
werden können. Ein Beispiel dafür ist Altpapier, dessen Fasern nach       märrohstoffe in einem Produkt an. Zum anderen kann auch die Nach-
dem sechsten Wiedereinsatz zu kurz sind, um erneut in der Papier-         frage nach Produkten, die Recyclingrohstoffe enthalten, im Rahmen
herstellung genutzt zu werden. Großer Handlungsbedarf besteht             einer konsequenten „Grünen Beschaffung“ (Green Procurement) durch
noch beim Kunststoff. In Deutschland wurden 2017 von den rund             die öffentliche Hand (bei einem jährlichen Beschaffungsvolumen von
5,2 Millionen Tonnen Post-Consumer-Abfällen – das sind immerhin           mehr als 350 Milliarden Euro) noch deutlich gesteigert werden. _

Aufkommen an Verpackungsabfällen ( in Mio. t) und Zuführung zum Recycling (            in %)

        PAPIER                  HOLZ               KUNSTSTOFF                     GLAS                     STAHL                  ALUMINIUM

 8,1            89      3,2          25         3,1         48          2,8          86          0,85          94          0,11             91

                                                                                            Quelle: Umweltbundesamt, Schwerpunkt 1-2018: Recycling

                                                Dr. Bärbel Birnstengel, Berlin
                                                baerbel.birnstengel@prognos.com

                                                Reparieren statt wegwerfen – eine Herzensangelegenheit für Hobbyhandwerkerin Dr. Bärbel Birnstengel,
                                                Leiterin des Expertenteams Abfall & Sekundärrohstoffe der Prognos AG.

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Rohstoffsicherung | Fachbeitrag

Was vom Auto übrig bleibt

Rohstoffe im Wert von 2,5 Milliarden Euro gehen der
deutschen Industrie Jahr für Jahr verloren. Tatsache
ist: Ein Großteil der Materialien, die in der deutschen
Autoflotte verbaut sind, wird nicht wiedergewonnen.
Höchste Zeit für eine Neuorganisation des Altauto-
recyclings!

Sie könnten das Paradebeispiel der Circular Economy sein: Autos. Im-
merhin sieht die EU für Neuwagen eine Recyclingquote von 85 Pro-
zent vor. Das heißt: Von 100 Kilogramm Material, die in einem Auto            dustrie aufgrund von Qualitätsbedenken nicht angenommen werden,
verbaut sind, werden mindestens 85 Kilogramm wieder in den Wirt-              bleibt am Ende wieder nur die Thermische Verwertung. Somit sinkt der
schaftskreislauf zurückgeführt. So weit die Theorie. Die Wirklichkeit         Anteil der tatsächlich wiedergewonnenen Materialien weiter.
sieht anders aus. Karosserie, Reifen oder Windschutzscheiben ausran-
gierter Autos werden nicht – wie der Laie vermuten mag – komplett             Es muss also eine Lösung her, die die effektive Recyclingquote er-
zerlegt und wiederverwendet. Rein rechnerisch finden nur etwa 13              höht und sowohl die Industrie als auch den Verbraucher im Blick hat.
Prozent der Bestandteile eines in Deutschland abgemeldeten Fahr-              Andere Länder machen es vor: So erzielt Norwegen mit einer Pfand-
zeugs tatsächlich wieder Eingang in die industrielle Produktion. Die          gebühr, die beim Fahrzeugkauf abgeführt und an den Letzthalter
Gründe sind vielfältig:                                                       erstattet wird, eine Rücklaufquote von praktisch 100 Prozent. Aber
                                                                              auch die Schweiz mit einer durch die Autoimporteure finanzierten
■■ Die große Mehrheit der Fahrzeuge wird vor ihrer Stilllegung ins            Forschungsstiftung und Japan mit seinen nach Fahrzeuggrößen dif-
   Ausland verkauft. Nur durchschnittlich jedes vierte in Deutschland         ferenzierten Entsorgungsgebühren erzielen mit Rücklaufquoten von
   zugelassene Auto wird auch hier stillgelegt.                               40 Prozent (Schweiz) bzw. 75 Prozent (Japan) bessere Ergebnisse als
                                                                              Deutschland (20 Prozent).
■■ Recycling   ist nicht gleich Recycling. Kunststoffe und Textilien zum
   Beispiel erfüllen auch dann die Recyclingquote, wenn sie verbrannt         Es wird also Zeit, in Deutschland eine „Zentrale Organisationsstel-
   werden (Thermische Verwertung). Bei einem modernen Auto be-                le Altautoverwertung“ zu gründen. Diese sollte Automobilhersteller
   trifft dies rund 30 Prozent der gesamten Materialmenge.                    und Entsorgungsunternehmen gleichermaßen einbinden und könnte
                                                                              sich über Beiträge für verkaufte Neufahrzeuge oder ein Pfandsys-
■■ Etwa jedes zehnte in Deutschland zugelassene Auto landet erst gar          tem finanzieren. Aufgabe einer solchen Organisationsstelle sollte es
   nicht in der fachgerechten Entsorgung, sondern wird beispielswei-          sein, die Recyclingforschung, eine fachgerechte Entsorgung und das
   se ausgeschlachtet und als Ersatzteillager genutzt.                        Sammeln der Verwertungsnachweise anzuschieben und zu organi-
                                                                              sieren. So können Produzenten und Entsorger im Schulterschluss die
Das Problem Altautorecycling hat also zwei Dimensionen: Zum einen             Verwertungsquote der deutschen Autoflotte erhöhen – und dem Ziel
kommen die Fahrzeuge gar nicht erst beim Verwerter an. Zum ande-              einer echten Kreislaufwirtschaft vom Auto zum Rohstoff zum Auto
ren können Materialien – allen voran Kunststoffe und Textilien – zwar         wieder einen Schritt näherkommen. _
thermisch verwertet, aber nicht wiedergewonnen werden. Ein Prob-
lem, das sich in Zukunft verschärfen wird. Der Kunststoffanteil in den
ausscheidenden Fahrzeugen des Jahres 2030 wird gegenüber dem
                                                                                               Lesen Sie dazu auch die Studie zur Verwertung von Altfahrzeugen unter
Jahr 2000 um 80 Prozent zunehmen. Gleichzeitig verringert sich der                             www.prognos.com/altautoverwertung
Stahlanteil um 25 Prozent. Da gerade Recyclingkunststoffe von der In-                          oder scannen Sie den QR-Code.

                                                  Alexander Labinsky, Düsseldorf
                                                  alexander.labinsky@prognos.com

                                                  Alexander Labinsky ist Berater im Bereich Mobilität & Transport. Er ist oft an der Schnittstelle zum Abfall-
                                                  bereich unterwegs, wenn Sachverstand zu Logistikprozessen und der Automobilwirtschaft gefragt ist.

Prognos trendletter Mai 2019                                                                                                                                           11
Circular Agriculture | Fachbeitrag

Ökologie trifft
Technologie
Die Weltbevölkerung wächst, die Ansprüche an un-
sere Lebensmittel werden komplexer und natürliche
Ressourcen kommen an ihre Grenzen. Mit Circular
Agriculture werden die Prinzipien von Circular Eco-                          ist er organisch und wird mittels Präzisionslandwirtschaft bedarfs-
nomy auf die Lebensmittelindustrie übertragen, um                            gerecht ausgebracht.
die Bevölkerung zu ernähren und gleichzeitig natür-
                                                                             Die Teilziele müssen über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts
liche Ressourcen zu schonen.                                                 verfolgt werden. Zu groß ist sonst das Risiko, dass die Umweltaus-
                                                                             wirkung eines einzelnen optimierten Produktionsschrittes zwar positiv
Es ist ein Spagat, der nur schwer gelingt: Eine wachsende Weltbe-            ist, die des Endprodukts unterm Strich aber negativ. Um solchen Re-
völkerung will ernährt werden, während die moderne Landwirtschaft            bound-Effekten vorzubeugen, müssen alle Ziele als Einheit systemisch
wirtschaftlich attraktiv, sozial gerecht und ökologisch verträglich sein     über die gesamte Agrar- und Lebensmittelindustrie in Verbindung mit
soll. Wie muss ein System der Agrar- und Lebensmittelindustrie in            anderen Branchen gedacht werden. Etwa durch:
Zukunft aussehen, in dem eine nachhaltige und gesunde Ernährung
innerhalb der planetarischen Grenzen, also der ökologischen Belas-           ■■ eine starke Vernetzung der Beteiligten über die landwirtschaftliche
tungsgrenzen der Erde, sichergestellt ist?                                      Wertschöpfungskette hinaus

Abhilfe könnte ein Konzept schaffen, das die Prinzipien der Circular         ■■ einen   Raum für interdisziplinäre Forschung, Lehre und Innovation,
Economy auf die Produktion landwirtschaftlicher Güter anwendet:                 die als Katalysatoren wirken, um Wertschöpfungsketten neu zu denken
die Circular Agriculture. Bei diesem Konzept steht nicht allein die
Produktion eines Lebensmittels im Vordergrund – das Konzept be-              ■■ rechtlicheRahmenbedingungen, die Zirkularität in der Landwirt-
rücksichtigt mit seinen Teilzielen vielmehr die gesamte Wertschöp-              schaft und in angrenzenden Industrien ermöglichen
fungskette eines Produkts.
                                                                             ■■ die Aufnahme der Circular Agriculture in die Ausbildung von Jung-
1. Landwirtschaftliche Erzeugnisse werden unter minimalem Einsatz               landwirten
   umweltschädlicher Mittel produziert, auch die Reduktion von Ver-
   packungsabfall gehört dazu.                                               Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus zeigt zudem: Mit der Circu-
                                                                             lar Agriculture entstehen auch neue Geschäftsmodelle. So verar-
2. Nährstoffkreisläufe werden geschlossen und negative Umwelt-               beitet ein italienisches Start-up Abfälle aus der Landwirtschaft und
   einträge verringert.                                                      Lebensmittelproduktion zu vielseitig einsetzbaren Biofärbemitteln.
                                                                             Ein niederländisches Unternehmen wiederum macht aus Orangen-
3. Landwirtschaftliche Nebenprodukte und Lebensmittelabfälle                 schalen eines Getränkeherstellers Öle, Chemikalien und Zellstoffe,
   werden aufgewertet.                                                       die als Sekundärrohstoffe in der Produktion von Reinigungsmitteln,
                                                                             Kosmetika und Lebensmitteln genutzt werden. Das zeigt: Das Konzept
In der Circular Agriculture werden ökologische Prinzipien mit techni-        der Circular Agriculture steckt zwar noch in den Kinderschuhen und
schen Lösungen kombiniert. In der Praxis bedeutet das zum Beispiel:          wird die Probleme der Lebensmittelindustrie nicht auf Anhieb lösen.
Fruchtfolgen werden so geplant, dass Dünge- und Pflanzenschutz-              Gerade in diesem frühen Stadium aber birgt es das große Potenzial,
mittel nicht oder kaum eingesetzt werden. Ist Dünger unerlässlich,           Landwirtschaft neu zu denken. _

                                                  Katharina Schüle, Düsseldorf
                                                  katharina.schuele@prognos.com

                                                  Katharina Schüle ist Geografin und Umweltökonomin. Sie ist Beraterin am Düsseldorfer Standort der
                                                  Prognos AG, wobei ihr Arbeitsschwerpunkt auf Circular Economy und Landwirtschaft liegt. Selbst in
                                                  einer landwirtschaftlich geprägten Region aufgewachsen, gilt ihr persönliches Interesse der nachhaltigen
                                                  Milchviehhaltung.

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Institutionalisierung | Fachbeitrag

Die Transformation organisieren –
vom Flickenteppich zur Strategie
Die Circular Economy ist eine Herausforderung für                           Wertschöpfungsketten hinweg vernetzen. Er kann Unternehmen bei
Wirtschaft und Unternehmen: Stoffströme und Lie-                            konkreten Projekten beraten und schließlich kann nur er die rechtli-
                                                                            chen Rahmenbedingungen gestalten.
ferketten müssen neu gedacht, neue Partner entlang
des Kreislaufs gefunden und eingebunden sowie In-                           Will der Staat auf diesem Wege vorankommen, muss er zwei Voraus-
novationen umgesetzt werden. Staatliche Strukturen                          setzungen schaffen – eine strategische und eine organisatorische: Die
können die Transformation vorantreiben – und glei-                          Strategie muss über bestehende Organisationsgrenzen hinweg ein
                                                                            verbindliches Ziel formulieren und vorhandene staatliche Instrumente
chen doch eher einem Flickenteppich.                                        in Einklang mit den Prinzipien der Circular Economy bringen. Dann
                                                                            müssen konkrete Ansprechpartner benannt werden, die die Arbeit vor
Will der Staat diese Prozesse begleiten und unterstützen, stößt er der-     Ort leisten. Eine übergreifende Strategie benötigt nicht unbedingt eine
zeit schnell an seine Grenzen. In ihrem feingliederig ausdifferenzierten    zentrale Organisation, aber immer einen starken Wächter, der die Ziele
und politisch austarierten Geflecht aus Zuständigkeiten und Kompe-          der Strategie mit politischem Gewicht vorantreibt.
tenzen folgen Politik und Verwaltung klassischen Sektoren- und Bran-
chengrenzen. Regulierungen, Förderprogramme und Beratungsange-              Die niederländische Regierung hat hier schon vorgelegt und die Vision
bote sind an dieser organisatorischen Struktur ausgerichtet. In der         einer vollständig implementierten Circular Economy bis zum Jahr
Regel ist das auch richtig und sinnvoll, vor allem um die notwendigen       2050 formuliert. Die Umstellung auf ein zirkuläres Wirtschaftssystem
Kompetenzen für eine effiziente Gestaltung und Unterstützung einer          wird dabei als Chance für die Niederlande wahrgenommen und bildet
Branche zu organisieren. Zum Problem wird es dann, wenn sich eine           ein zentrales Prinzip der Regierungsarbeit. Blickt man auf die Umset-
Aufgabe dieser klassischen Ordnungsprinzipien entzieht und im Quer-         zungsarbeit vor Ort, gibt es auch in Deutschland schon spannende
schnitt organisiert werden muss.                                            Ansätze: Im verwandten Querschnittsthema Ressourceneffizienz ha-
                                                                            ben sich in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen eigene
Eine im Rahmen eines laufenden Beratungsprojekts der Prognos AG             Agenturen bewährt. Sie vernetzen zwischen staatlichen Akteuren und
durchgeführte bundesweite Analyse der Zuständigkeiten für zentrale          Unternehmen. So berät und vernetzt die Landesagentur für Umwelt-
Themen der Circular Economy wie Kreislaufwirtschaft, Energie-, Ma-          technik und Ressourceneffizienz in Baden-Württemberg bereits seit
terial- und Ressourceneffizienz zeigt einen Flickenteppich: Zuständig       2011 Unternehmen in Fragen der Ressourceneffizienz. Nach diesem
sind sowohl Umwelt- als auch Wirtschaftsministerien. Innerhalb dieser       Vorbild könnten auf Landesebene Agenturen zu Fragen der Implemen-
Häuser existieren wiederum zahlreiche Abteilungen und Referate mit          tierung der Circular Economy beratend agieren.
(Teil-)Zuständigkeiten und einer Zersplitterung der Themen.
                                                                            Die Umstellung vom linearen Wirtschaftssystem auf die Circular
Warum aber ist die Leistungsfähigkeit des Staates für den Erfolg der        Economy ist eine strategische Aufgabe. Wenn der Staat klare Struk-
Circular Economy wichtig? Der Staat ist bei der Transformation zu ei-       turen schafft und zugleich den Unternehmen beratend und begleitend
ner Circular Economy ein wichtiger Katalysator und Impulsgeber: Er          zur Seite steht, dann kann diese Aufgabe gelingen! _
kann innovative Projekte und Ansätze fördern und über Branchen und

                                                  Jan Tiessen, Berlin
                                                  jan.tiessen@prognos.com

                                                  Die strategische Gestaltung von Organisationen und Prozessen im öffentlichen Sektor ist der Arbeits-
                                                  schwerpunkt von Jan Tiessen, Senior-Projektleiter in der Managementberatung. Doppelt Spaß macht
                                                  es ihm, wenn er das mit seinem Herzensthema der Nachhaltigkeit verbinden kann.

Prognos trendletter Mai 2019                                                                                                                             13
Ausgerechnet | Enabler-Technologien

Technologie aus Deutschland –
Chancen weltweit
Die Nachfrage nach Technologi-
en, die eine Circular Economy
überhaupt erst ermöglichen –
sogenannte Enabler-Technolo-
                                                 OSTASIEN                          CHINA
gien – steigt. Deutschland ist
                                                 Ostasien gehört zu den größten    In einigen Jahren wird der
nach China Vizeweltmeister                       Abnehmern von Circular-           chinesische Importmarkt den
im Export dieser Technologien.                   Economy-Technologiegütern.        US-amerikanischen Import-
                                                 Besonders in Südkorea wächst      markt überflügeln und an der
                                                 der Bedarf sehr dynamisch.        Spitze stehen. Besonders stark
Die Prognos-Berater Johann Weiß und Jannis                                         steigt die Nachfrage nach
Lambert wissen, wo auf der Welt die Technolo-                                      biobasierten Materialien.
gien besonders gefragt sind. Der Blick in den
                                                     Japan →                            China →
Frachtraum zeigt: Die Nachfrage nach Recy-
clinganlagen, Effizienztechnologien oder Tech-       6 Mrd. EUR                         14 Mrd. EUR
nologien für Erneuerbare Energien steigt und
viele deutsche Unternehmen sind schon                Südkorea →
heute an der Spitze dabei; im Bereich                5 Mrd. EUR
biobasierter Materialien sind sie sogar die
Nummer 1. Der Blick auf den Außenhandel
beweist: Circular Economy ist eine Chance
für die heimische Wirtschaft und sichert
Wachstum und Arbeitsplätze. Dargestellt
sind die zehn größten Absatzmärkte für
Circular-Economy-Technologien. Nicht zu
übersehen ist: Vor allem die Schwellenländer
bergen ein großes Potenzial.

                                                                                            Hightech-
                                                                                          Sortieranlagen

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