Zukunft Soziale Marktwirtschaft - Bertelsmann Stiftung

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Zukunft Soziale Marktwirtschaft

                                        Policy Brief #2020/03

                            Bernhard Ganglmair, Torben Stühmeier

         Wir müssen den Wettbewerb schützen

 Das Coronavirus trifft die deutsche Wirtschaft hart. Es droht eine Zunahme der Markt-
 konzentration mit Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit. Welchen Einfluss hat Wettbe-
              werb auf Produktivität und Innovationen in Deutschland?

Die deutsche Wirtschaftsleistung brach im ersten      gebunden sind, wie die Metall- und Elektroin-
Quartal 2020 um 2,2 Prozent ein, der stärkste         dustrie und der Fahrzeugbau kämpfen mit erheb-
Einbruch seit der Finanzkrise 2008/2009. Die          lichen Umsatzrückgängen.
Bundesregierung erwartet für das gesamte Jahr
gar den stärksten Einbruch des Bruttoinlandspro-      Trotz der Hilfspakete drohen Umwälzungen. Und
dukts seit der Nachkriegszeit.                        diese können negative Folgen für den Wettbe-
                                                      werb haben, warnen Experten. Kleine und fi-
Und sie versucht mit milliardenschweren Hilfs-        nanzschwache Unternehmen werden vom Markt
programmen gegenzusteuern. Mit unterschiedli-         verschwinden, angeschlagene Unternehmen
chen Paketen soll die Liquidität der Unterneh-        sind gute Übernahmekandidaten. Gerade in den
men gesichert werden, die noch vor der Krise ein      krisengebeutelten Branchen droht eine Zunahme
gut funktionierendes Geschäftsmodell hatten.          der Marktmacht zugunsten von Großkonzernen.

Doch die Unternehmenslandschaft dürfte sich           Und das hat Konsequenzen für die Wettbe-
verändern. Viele Branchen wie der Tourismus,          werbsfähigkeit der Volkswirtschaft als Ganzes,
das Gastgewerbe und die Hotellerie sind massiv        wie unsere aktuelle Studie „Price Markups, Inno-
vom Lockdown und anderen Einschränkungen              vation, and Productivity: Evidence from Ger-
infolge der Pandemie betroffen. Ebenso Bran-          many“ zeigt. Dort haben wir untersucht, wie sich
chen, die stark in internationale Lieferketten ein-   der Wettbewerb zwischen den Unternehmen in
                                                      Deutschland in den letzten Jahren entwickelt hat.
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Zukunft Soziale Marktwirtschaft Policy Brief #2020/03

                                                                                   deutschen Unter-
                                                                                   nehmen aus der Or-
                                                                                   bis-Datenbank für
                                                                                   den Zeitraum von
                                                                                   2007-2016. Weitere
                                                                                   Details zu den Da-
                                                                                   ten und den empiri-
                                                                                   schen Methoden
                                                                                   sind in der Studie
                                                                                   zu finden.

                                                                                  Abbildung 1 zeigt
                                                                                  die mit dem Umsatz
                                                                                  gewichtete durch-
                                                                                  schnittliche Entwick-
Ein Kernergebnis: Ein funktionierender Wettbe-       lung der Markups der Unternehmen über alle
werb ist ein wichtiger Treiber für Produktivität     Wirtschaftssektoren hinweg. Im Durchschnitt lie-
und Innovationen. Dieses und weitere Ergeb-          gen die Markups in Deutschland in unserem
nisse fassen wir in diesem Policy Brief zusam-       Sample bei etwa 30-45 Prozent und entsprechen
men.                                                 somit den durchschnittlichen Schätzungen für
                                                     Europa (Wambach und Weche, 2018). Über den
                                                     Beobachtungszeitraum ist ein leichter, gegen
                                                     Ende ein etwas stärkerer Anstieg zu verzeich-
Entwicklung des Wettbewerbs in
                                                     nen. In der Finanzkrise 2008/2009 sind die
Deutschland                                          durchschnittlichen Markups leicht gesunken.
Wie steht es um den Wettbewerb in den deut-
schen Wirtschaftssektoren? Um das zu untersu-        Abbildung 2 gliedert die Entwicklung nach Wirt-
chen, schätzen wir die Preis-Kosten-Margen           schafssektoren. Wir konzentrieren uns in unserer
(Markups) auf Unternehmensebene. Die Idee da-        Studie auf das Verarbeitende Gewerbe, den
hinter ist wie folgt. Sollte der Wettbewerb in den   Handel und den Dienstleistungssektor. Dabei
jeweiligen Sektoren intensiv sein, so könnten die    fällt auf, dass der Dienstleistungssektor die trei-
Unternehmen nur geringe Preisaufschläge auf          bende Kraft hinter dem Rückgang der Markups
ihre Kosten setzen. Ist der Wettbewerb hingegen      in der Finanzkrise im Aggregat war. Die Markups
schwach, so sollten die Markups höher ausfallen.     sind dort etwa um 20 Prozentpunkte eingebro-
Wir sehen einen Anstieg der Markups somit als        chen und haben sich erst am Ende des Be-
Indikator für eine abnehmende Wettbewerbsin-         obachtungszeitraums wieder erholt. Die anderen
tensität. Theoretisch können auch andere             beiden Wirtschaftssektoren sind hingegen sehr
Gründe für einen An-
stieg der Markups
sprechen, wie etwa
eine größere Bedeu-
tung von Fixkosten.
Die Literatur zeigt je-
doch, dass diese eher
von untergeordneter
Bedeutung sind (De
Loecker et al., 2020).

Unsere Ergebnisse
basieren auf Daten
von knapp 12.000

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Zukunft Soziale Marktwirtschaft Policy Brief #2020/03

robust durch die Finanzkrise gekommen und ha-         Keine Konzentrations-Tendenzen in Deutsch-
ben sich deutlich schneller erholt.                   land
                                                      In Summe lässt sich in unserem Sample keine
Kleine Unternehmen weniger krisenfest                 Verschärfung von Marktmacht-Tendenzen fest-
Insgesamt sind es in Deutschland eher die klei-       stellen. Die Entwicklung der Markups verläuft in
nen und mittleren Unternehmen, die hohe               allen Perzentilen seit der Finanzkrise über die
Markups setzen können, während große Unter-           gesamte Unternehmensverteilung relativ gleich-
nehmen in unserem Sample die geringsten               mäßig, wie Abbildung 3 zeigt. Anders als in den
Preisaufschläge setzen. Viele kleine und mittlere     USA (De Loecker et al., 2020) lässt sich für
Unternehmen sind häufig in engen Märkten aktiv,       Deutschland nicht feststellen, dass einige Unter-
in denen ein vergleichsweise geringer Wettbe-         nehmen dem Wettbewerb enteilen. Unterneh-
werb herrscht. Große Unternehmen hingegen             men über die gesamte Verteilung konnten ihre
sind oft international tätig und somit größerem       Markups seit der Finanzkrise erhöhen.
Wettbewerbsdruck ausgesetzt.

Abbildung 3 zeigt die Veränderung der Preisauf-
                                                      Wettbewerb und Produktivität:
schläge für unterschiedliche Gruppen der Unter-
nehmensverteilung, von den marktmächtigsten –         Eine kurze Theorie
hier zugleich die kleinen - Unternehmen (dem          In vielen Industrienationen, wie auch in Deutsch-
P90-Perzentil) bis hin zu den am wenigsten            land, ist seit Jahren ein rückläufiges Produktivi-
marktmächtigen Unternehmen (dem P10-                  tätswachstum zu verzeichnen. Mögliche Erklä-
Perzentil). Hier fällt auf, dass gerade die kleinen   rungsansätze reichen von statistischen Messfeh-
Unternehmen (das P90-Perzentil) einen starken         lern, über rückläufige Investitionen in Forschung
Einbruch während der Finanzkrise hinnehmen            und Entwicklung bis hin zu strukturellen Ver-
mussten, und das Vorkrisenniveau erst gegen           schiebungen hin zu mehr Dienstleistungen. In
2015 wieder erreicht haben. Kleinere Unterneh-        unserer Studie untersuchen wir, welche Rolle
men waren somit weniger resilient gegen die Fi-       das Wettbewerbsumfeld für die Produktivitätsent-
nanzkrise als größere Unternehmen. Dieses             wicklung auf Unternehmens- und Sektorenebene
scheint auch in der derzeitigen Coronakrise der       spielt.
Fall zu sein. Ein Grund hierfür ist sicher die
schwächere Finanzausstattung. Ein anderer,            Grundsätzlich ist aus der ökonomischen Theorie
dass viele kleine Unternehmen häufig im Dienst-       bekannt, dass Wettbewerb ein wichtiger Treiber
leistungssektor aktiv sind, der sowohl in der Fi-     für die Produktivitätsentwicklung ist (s. bspw.
nanz- als auch in der derzeitigen Krise stark ge-     Syverson, 2004). Wettbewerb führt erstens dazu,
beutelt ist.                                          dass Unternehmen ihre Ressourcen möglichst
                                                                                         produktiv ein-
                                                                                         setzen, da sie
                                                                                         ansonsten von
                                                                                         ihren Konkur-
                                                                                         renten überholt
                                                                                         werden. Das
                                                                                         bewirkt zwei-
                                                                                         tens, dass die
                                                                                         Ressourcen im
                                                                                         Markt insge-
                                                                                         samt von un-
                                                                                         produktiven hin
                                                                                         zu produktiven
                                                                                         Unternehmen
                                                                                         verschoben
                                                                                         werden. Dieses

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Zukunft Soziale Marktwirtschaft Policy Brief #2020/03

wird auch als Selektionsmechanismus bezeich-          merksamkeit, die im Gegensatz dazu einen posi-
net, in dem sich die stärksten Unternehmen lang-      tiven Zusammenhang zwischen Marktmacht und
fristig durchsetzen und die unproduktiven von         Produktivität sehen. Dies wird häufig als sog.
Markt verschwinden.                                   „Superstars-Hypothese“ bezeichnet. Die Zu-
                                                      nahme der Marktkonzentration sei gerade das
Ein dritter Kanal wirkt indirekt über Innovationen.   Ergebnis von hoher Produktivität (Autor et al.,
Wenngleich Wettbewerb durchaus ambivalent             2020), da sich die produktivsten und innovativs-
auf die Innovationsaktivitäten wirken kann            ten Unternehmen (die Superstars) im Wettbe-
(Aghion, 2005), so wird er doch heute überwie-        werb durchsetzen und zunehmend Marktanteile
gend als wichtiger Treiber für Innovationen ange-     gewinnen.
sehen (Haucap et. al., 2019; Igami und Uetake,
im Erscheinen). Innovationen wiederum sind ein        Insbesondere in der Digitalwirtschaft sind solche
wichtiger Treiber für die Produktivitätsentwick-      Superstar-Tendenzen offensichtlich, da die domi-
lung der Unternehmen (Peters et al., 2017).           nierenden Unternehmen (Amazon, Google, etc.)
Neue Technologien können die Produktionskos-          ihre Marktmacht auch in der Coronakrise konti-
ten senken und somit die Produktivität der Unter-     nuierlich ausbauen. Die Wirtschaftspolitik hat un-
nehmen unmittelbar erhöhen.                           längst ein besonders scharfes Auge auf diese
Aktuell gewinnen jedoch auch Argumente Auf-           Entwicklungen geworfen (Bundesministerium für
                                                      Wirtschaft und Energie, 2019).

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Wettbewerb treibt die Produktivität                   ein Prozent führt zu einer um etwa 1,3 Prozent
In unserer Studie beleuchten wir all diese Zu-        geringeren Arbeitsproduktivität und um etwa 1,5
sammenhänge. Wir fragen uns, welcher Anteil           geringeren TFP. Im Verarbeitenden Gewerbe
der Produktivitätsentwicklung in den jeweiligen       und insbesondere im Handel ist der negative Zu-
Sektoren auf die Entwicklung der Markups zu-          sammenhang noch ausgeprägter. In letzterem
rückzuführen ist. In einem weiteren Schritt unter-    sinkt die TFP gar um etwa 4,2 Prozent.
suchen wir den Einfluss der Markups auf die In-
                                                      Anders sieht dieses im Dienstleistungssektor
novationsaktivitäten der Unternehmen. Schließ-
                                                      aus. Hier deutet unsere Schätzung auf einen
lich betrachten wir den direkten Effekt des Wett-
                                                      schwach positiven (aber hochsignifikanten) Ef-
bewerbs auf die Produktivität und den indirekten
                                                      fekt der Markups auf die Produktivität der Unter-
Effekt über die Innovationsaktivitäten gemein-
                                                      nehmen hin. Somit könnten hier durchaus Super-
sam.
                                                      star-Tendenzen vermutet werden. Einschrän-
Als Produktivitätskennzahlen verwenden wir die        kend ist jedoch zu betonen, dass der Erklärungs-
Arbeitsproduktivität und die Totale Faktorproduk-     gehalt unseres Modells im Dienstleistungssektor
tivität (TFP). Letztere ergibt sich aus der Produk-   am geringsten ist. Die Entwicklung der Markups
tionsfunktion und wird üblicherweise als techno-      erklärt nur einen geringen Anteil der Produktivi-
logisches Niveau der Produktion interpretiert.        tätsentwicklung (6-7 Prozent), während der Er-
                                                      klärungsgehalt in den anderen Sektoren deutlich
Die Ergebnisse der ökonometrischen Schätzung          größer ist (etwa 20-40 Prozent).
werden in Tabelle 1 dargestellt. Die dargestellten
Koeffizienten geben an, wie sich die Produktivität    In einem nächsten Schritt versuchen wir Näheres
(Arbeitsproduktivität und TFP) eines Unterneh-        über die dahinterliegenden Effekte zu erfahren.
mens in den folgenden ein oder zwei Perioden          Dazu nehmen wir zusätzlich die Innovationsakti-
prozentual verändert, wenn sich die Markups des       vitäten der Unternehmen in den Blick.
Unternehmens um ein Prozent erhöhen. Wir be-
rücksichtigen eine Reihe von Kontrollvariablen,
wie die Kapitalausstattung der Unternehmen, Fir-      Die Rolle von Innovationen
men- und Jahr-fixe-Effekte.                           Im vorherigen Abschnitt haben wir gezeigt, dass
                                                      Wettbewerb einen direkten Einfluss auf die Pro-
Wir finden für die Gesamtwirtschaft einen signifi-    duktivität der Unternehmen hat. Nun untersu-
kant negativen Effekt der Markups auf die Pro-        chen wir einen weiteren indirekten Effekt. Dieser
duktivität eines Unternehmens. Anders ausge-          wirkt über die Innovationsaktivitäten der Unter-
drückt: Wettbewerb ist ein wichtiger Treiber für      nehmen, die wiederum u.a. durch den Wettbe-
die Produktivität. Ein Anstieg der Markups um         werb beeinflusst werden. Hierzu verwenden wir

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Zukunft Soziale Marktwirtschaft Policy Brief #2020/03

eine Teilstichprobe von 1900 Unternehmen aus       negative Effekt etwa halb so groß. Im Handel fin-
dem Mannheimer Innovationspanel (MIP). Das         den wir keine signifikanten Effekte von Markups
MIP ist eine jährliche repräsentative Erhebung     auf die Innovationsaktivitäten. Wir vermuten,
zum Innovationsverhalten der Unternehmen in        dass Innovationen hier im Gegensatz zu den an-
Deutschland.                                       deren Wirtschaftssektoren eine eher untergeord-
                                                   nete Rolle spielen.
In einem ersten Schritt fragen wir uns, ob
Markups sich überhaupt auf die Innovationsakti-    Innovationen sind wichtiger Treiber für die
vitäten auswirken. Dazu verwenden wir als ab-      Produktivität in Deutschland
hängige Variablen Innovationskennzahlen aus        Im nächsten Schritt untersuchen wir, welchen
dem MIP. Die R&D Expenditures umfassen da-         Einfluss wiederum die Innovationsaktivitäten auf
bei grob gesagt alle Aufwendungen des Unter-       die Produktivität der Unternehmen haben. Ta-
nehmens, um den Wissensstock zu erhöhen. Die       belle 3 stellt die Ergebnisse für die TFP vor.
Innovation Expenditures sind ein etwas breiteres
Konzept und umfassen zusätzlich Ausgaben zur       Die Elastizitäten liegen zwischen 0,05 und 0,08.
Aneignung externes Wissens und Weiterbil-          In unserem Sample führt bspw. ein Anstieg der
dungsausgaben für die gesamte Belegschaft.         Innovationsausgaben um ein Prozent gesamt-
                                                   wirtschaftlich zu einer Erhöhung der TFP um
Wettbewerb führt zu mehr Innovationsaktivi-        etwa 0,06 Prozent. Das liegt im Rahmen dessen,
täten                                              was andere Arbeiten für Deutschland und andere
Die Ergebnisse der Regressionsanalyse sind in      Volkswirtschaften finden (s. Peters et al., 2018).
Tabelle 2 dargestellt. Hier zeigt sich, dass
Markups in der Tat einen negativen Effekt auf      Gründe für den vergleichsweise geringen Ein-
beide Arten von Innovationsausgaben haben.         fluss von F+E-Ausgaben auf die Produktivitäts-
Anders ausgedrückt: Je schwächer der Wettbe-       entwicklung werden in der Literatur diskutiert. Er-
werbsdruck, desto weniger investieren die Unter-   klärungsansätze reichen von abnehmenden Er-
nehmen in ihre Innovationsaktivitäten. Für die     trägen aus Forschung und Entwicklung und ei-
Gesamtwirtschaft führt ein Anstieg der Markups     nem weitestgehend ausgeschöpften technologi-
um ein Prozent zu einem Rückgang der Innovati-     schen Potenzial (Gordon, 2012; Bloom et al.,
onsausgaben um 1,7 Prozent. Am stärksten ist       2017), über eine abnehmende Technologiediffu-
der Effekt im Verarbeitenden Gewerbe, hier ge-     sion (Andrews et al., 2016), bis hin zu zeitverzö-
hen die Innovationsausgaben gar um 3,7 Pro-        gerten Effekten und einem noch nicht voll entfal-
zent zurück. Im Dienstleistungsbereich ist der     ten Potenzial neuer Technologien (Brynjoflsson
                                                   und McAfee, 2018).

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Zukunft Soziale Marktwirtschaft Policy Brief #2020/03

Wir können in unserer Studie zwei Effekte des       Ausführliche Studie
Wettbewerbs auf die Produktivitätsentwicklung       Ganglmair, B., Hahn, N., Hellwig, M., Kann, A.,
der Unternehmen herausfiltern: Einen direkten       Peters, B. und Tsanko, I. (2020). Price Markups,
Effekt und einen indirekten Effekt, der über die    Innovation, and Productivity: Evidence from Ger-
Innovationsaktivitäten der Unternehmen wirkt.       many. Bertelsmann Stiftung. Gütersloh.
Das erlaubt uns genauere Aussagen zu treffen,
wie und über welche Kanäle Wettbewerb auf die
Produktivität der Unternehmen wirkt.
                                                    Literatur
Es fällt auf, dass in allen Wirtschaftssektoren –
                                                    Andrews, D., Criscuolo, C. und Gal, P. N. (2016):
außer dem Handel – Wettbewerb ein wichtiger
                                                    The Best versus the Rest: The Global Productiv-
indirekter Treiber für die Innovationsaktivitäten
                                                    ity Slowdown, Divergence across Firms and the
ist. Das heißt, ein schwächerer Wettbewerb führt
                                                    Role of Public Policy. OECD Productivity Work-
dazu, dass die Unternehmen weniger in Innovati-
                                                    ing Papers No. 5. Paris.
onsaktivitäten investieren und das wiederum
wirkt sich negativ auf die Produktivitätsentwick-   Aghion, P., N. Bloom, R. Blundell, R. Griffith und
lung aus. Besonders groß ist dieser indirekte Ef-   P. Howitt (2005): “Competition and Innovation:
fekt im Verarbeitenden Gewerbe und im Dienst-       An Inverted-U Relationship,” Quarterly Journal of
leistungssektor. Im letzterem hebt dieser Effekt    Economics, 120, 701-728.
den positiven direkten Effekt nahezu auf. In
Summe verbleibt im Dienstleistungssektor ein        Autor, D., D. Dorn, L. F. Katz, C. Patterson und
schwach negativer Zusammenhang zwischen             J. Van Reenen (2020): “The Fall of the Labor
Wettbewerb und Produktivität im Dienstleistungs-    Share and the Rise of Superstar Firms,” Quar-
sektor. In den anderen Sektoren verstärkt der in-   terly Journal of Economics, 135, 645-709.
direkte Effekt den direkten Effekt von Wettbe-
werb auf die Produktivität.                         Bloom, N., Jones, C.J., Van Reenen, J. und
                                                    Webb, M. (2017): Are Ideas Getting Harder to
Fazit                                               Find, NBER Working Paper 23782, Cambridge,
Ein funktionierender Wettbewerb ist treibende       MA.
Kraft für Produktivität und Innovationen in
Deutschland und somit ein wichtiges Element für     Brynjolfsson, E. und A. McAfee (2018): The Se-
unsere zukünftige Wettbewerbsfähigkeit. Das         cond Machine Age: Wie die nächste digitale Re-
zeigt unsere Studie.                                volution unser aller Leben verändern wird, Plas-
                                                    sen Verlag.
Wir müssen den Wettbewerb schützen. Das gilt
insbesondere jetzt, da viele kleine und mittlere    Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Unternehmen infolge der Corona-Pandemie             (2019): Ein neuer Wettbewerbsrahmen für die
Schwierigkeiten haben, sich überhaupt am Markt      Digitalwirtschaft, Berlin.
halten. Jene Unternehmen, die vor der Krise ein
gut funktionierendes Geschäftsmodell hatten,        De Loecker, J., J. Eeckhout und G. Unger
sollten nun über die Krise geholfen werden. Sie     (2020): The Rise of Market Power and the Mac-
sind wichtige Wettbewerber auf den Märkten und      roeconomic Implications, Quarterly Journal of
sorgen für eine lebendige Unternehmensdyna-         Economics, 135, 561-644.
mik.
                                                    Gordon, R. J. (2012): Is U.S. Economic Growth
Im Dienstleistungssektor finden wir ambivalente     Over? Faltering Innovation Confronts the Six
Effekte von Wettbewerb auf die Produktivitäts-      Headwinds. NBER Working Paper 18315, Cam-
entwicklung. Hier ist viel in Bewegung und noch     bridge, MA.
mehr empirische Forschung notwendig, um Leit-
linien einer klugen Wettbewerbspolitik für diesen
Sektor zu entwickeln.

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Zukunft Soziale Marktwirtschaft Policy Brief #2020/03

Haucap, J., A. Rasch und J. Stiebale (2019):              V.i.S.d.P
How Mergers Affect Innovation: Theory and Evi-
dence. International Journal of Industrial Organi-        Bertelsmann Stiftung
zation, 63, 283-325.                                      Carl-Bertelsmann-Straße 256
                                                          D-33311 Gütersloh
Igami, M. und K. Uetake (im Erscheinen): Mer-
gers, Innovation, and Entry-Exit Dynamics: Con-           Armando Garcia Schmidt
solidation of the Hard Disk Drive Industry, 1996-         Telefon: +49 5241 81-81543
2016, Review of Economic Studies.                         armando.garciaschmidt@bertelsmann-
                                                          stiftung.de
Peters, B., P. Mohnen, M. Sahm, F. Blandinie-
res, M. Hud, B. Krieger und T. Niebel (2018): In-
                                                          Dr. Thieß Petersen
novationsaktivitäten als Ursache des Productivity
                                                          Telefon: +49 5241 81-81218
Slowdowns? Eine Literaturstudie, Studien zum
                                                          thiess.petersen@bertelsmann-stiftung.de
deutschen Innovationssystem Nr. 10-2018, Ex-
pertenkommission Forschung und Innovation
                                                          Eric Thode
(EFI), Berlin, Germany.
                                                          Telefon: +49 5241 81-81581
                                                          eric.thode@bertelsmann-stiftung.de
Syverson, C. (2004): Market Structure and
Productivity: A Concrete Example, Journal of Po-
litical Economy, 112, 1181-1222.

Weche, J. P. und A. Wambach (2018): The Fall
and Rise of Market Power in Europe, ZEW Dis-                 Titelbild: © peshkov – stock.adobe.com
cussion Paper 18-003, ZEW - Leibniz Centre for
European Economic Research, Mannheim, Ger-
many                                                         Autor    | Kontakt

                                                             Dr. Bernhard Ganglmair
                                                             ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirt-
                                                             schaftsforschung GmbH Mannheim
                                                             bernhard.ganglmair@zew.de
                                                             Telefon: +49 621 1235-304

                                                             Dr. Torben Stühmeier
                                                             Programm Nachhaltig Wirtschaften
                                                             Bertelsmann Stiftung
                                                             torben.stuehmeier@bertelsmann-stiftung.de
                                                             Telefon: +49 5241 81-81432

                                                             ISSN: 2191-2459
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