KULTURJAHR 2017 ÖSTERREICH - KROATIEN
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Inhaltsverzeichnis Vorworte Sebastian Kurz Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Davor Ivo Stier Vize-Premierminister der Republik Kroatien und Minister für Auswärtige und Europäische Angelegenheiten Nina Obuljen Koržinek Kulturministerin der Republik Kroatien Nikolaus Berlakovich Nationalratsabgeordneter und Präsident der Österreichisch-Kroatischen Gesellschaft Österreich - Kroatien 2017 Das Kulturjahr 2017 – eine Grazer Sicht das Jahr der kulturellen Zusammenarbeit Max Aufischer Leiter der Kulturvermittlung Steiermark, des Internationalen Hauses der Teresa Indjein Autorinnen und Autoren Graz und des Cultural City Networks Graz und Leiterin der Kultursektion im Bundesministerium für Europa, langjähriger Partner des Kulturforums Zagreb Integration und Äußeres Vesna Cvjetković Botschafterin der Republik Kroatien in der Republik Österreich Österreichisch-Kroatische Wirtschaftsbeziehungen Andreas Wiedenhoff Tatjana Mrvoš Botschafter der Republik Österreich in der Republik Kroatien Wirtschaftsrätin an der Kroatischen Botschaft in Wien Sonja Holocher-Ertl Leiterin des AußenwirtschaftsCenters Zagreb Integration und Kultur aus kroatischer und österreichischer Sicht Poesie aus Kroatien Susanne Ranetzky Leiterin des Österreichischen Kulturforums Zagreb Andrijana Škunca und Boris Maruna Christiana Uikiza Kroatische Integrationsbotschafterin Wissenschaftspreise der Dr. Alois Mock Europa-Stiftung 2017 Barbara Schwarz Österreich-Bibliotheken Landesrätin und Erste Vizepräsidentin der Dr. Alois Mock Europa-Stiftung Drehscheiben kultureller Verflechtung Svjetlan Lacko Vidulić Veranstaltungen im Kulturjahr Österreich - Kroatien 2017 Wissenschaftlicher Leiter der Österreich-Bibliothek Zagreb Veranstaltungen in Kroatien 2017 Veranstaltungen in Österreich 2017 Die menschliche Dimension der kulturellen Zusammenarbeit Ivana Bodrožić kroatische Schriftstellerin und Programm-Koordinatorin Impressum des Zagreber Buchfestivals
VORWORT Sebastian Kurz Sehr geehrte Damen und Herrn, Vor 25 Jahren, am 15. Jänner 1992, hat Österreich den von den Bürgerinnen und Bürgern Kroatiens demokratisch und eindeutig zum Ausdruck gebrach- ten Willen, ihr Recht auf Selbstbestimmung in Anspruch zu nehmen, durch die Anerkennung der Unabhängigkeit und Souveränität Kroatiens begleitet. Was der damalige Außenminister der Republik Österreich, Dr. Alois Mock, Anfang der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts durch die Unter- stützung der kroatischen Eigenstaatlichkeit begonnen hat, erfuhr am 1. Juli 2013 seine Vollendung im Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union. Heute ist Kroatien dort angekommen, wo wir ÖsterreicherInnen – und allen voran Dr. Alois Mock - es immer gesehen haben: im Herzen Europas. Die Leistungen der Kulturschaffenden spielen eine wesentliche Rolle für das Selbstverständnis Österreichs. Vor diesem Hintergrund ist eine aktive inter- nationale Kulturarbeit ein wesentlicher Bestandteil unseres freundschaftli- chen internationalen Austauschs und eine tragende Säule der österreichi- schen Außenpolitik. Es freut mich daher ganz besonders, Ihnen mit dieser Broschüre das Kulturjahr Österreich – Kroatien 2017 vorstellen zu können. Vor unserem gemeinsamen geschichtlichen Hintergrund und in Anbetracht der Bedeutung unserer südlichen Nachbarn für den österreichischen OSZE Vorsitz, wollen wir im kulturpolitischen Schwerpunktjahr 2017 mit unserem EU-Partner Kroatien einen weiteren Akzent setzen. Es wird in Österreich und Kroatien eine ganze Reihe von hochklassigen und vielfältigen Kulturveran- staltungen - Konzerte, Ausstellungen, Lesungen, Theater und Filmfestivals – geben, mit denen wir einem kulturinteressierten Publikum unmittelbare Ein- drücke österreichischen und kroatischen Kunstschaffens vermitteln wollen. Zugleich sollen Künstlerinnen und Künstler aus unseren Ländern persönliche Bekanntschaften schließen und unsere Institutionen Impulse erhalten, lang- fristige Kooperationen einzugehen. Allen, die diesen Projektreigen möglich gemacht haben, gilt mein herzlicher Dank. Ich wünsche den Künstlerinnen und Künstlern, sowie allen Besuche- rinnen und Besuchern eine wechselseitig bereichernde österreichisch– kroatische Kultursaison 2017. Sebastian Kurz, Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres
VORWORT Davor Ivo Stier Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Es freut mich sehr, Ihnen das Projekt Kulturjahr Kroatien - Österreich 2017 vorstellen zu können, mit welchem Kroatien und Österreich auf der Basis ihrer jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte und ihrer nahen Kulturen ihr jeweiliges und gemeinsames kulturelles Schaffen vorführen werden. Heute als Mitgliedstaaten der Europäischen Union freundschaftlich mit- einander verbunden, teilen Österreich und Kroatien aber nicht nur viele historische, sondern auch zeitgenössische Verbindungen. Die zahlreichen Veranstaltungen des Kulturjahres Kroatien - Österreich 2017 zeigen dem kro- atischen und österreichischen Publikum wertvolle Werke sowohl aus vergan- genen Epochen als auch aus dem heutigen Schaffen, womit die Kontinuität der kulturellen Verbindung der beiden Länder sichtbar werden soll. Österreich ist für Kroatien ein wichtiger außenpolitischer und wirtschaftlicher Partner, und die vielen in Österreich lebenden KroatInnen, nicht zuletzt die alteingesessenen BurgenlandkroatInnen, bezeugen die tiefgehenden histo- rischen und aktuellen Verbindungen zwischen den beiden Völkern. Heutzu- tage fördern Kroatien und Österreich als Mitgliedstaaten der Europäischen Union europäische Werte des Friedens, der Demokratie, der Solidarität und der Menschenrechte – Anliegen, für die eine gemeinsame kulturelle Zusam- menarbeit ein unabdingbarer Faktor ist. Ich lade Sie herzlichst ein, die vielfältigen Veranstaltungen des Kulturjahres Kroatien - Österreich 2017 zu genießen! Davor Ivo Stier, Vize-Premierminister der Republik Kroatien und Minister für Auswärtige und Europäische Angelegenheiten
VORWORT VORWORT Nina Obuljen Koržinek Eine gemeinsame Vergangenheit im Bereich des kulturellen und künstleri- Der Austausch in anderen Kunstformen, wie beispielsweise in der Musik, der schen Schaffens zu besitzen, bedeutet zahlreiche und vielfältige Interakti- bildenden Kunst oder der Architektur, erfolgte und erfolgt in der gegen- onsformen erlebt zu haben. Im Laufe unterschiedlicher politischer Perioden seitigen Präsentation von künstlerischen Leistungen und der Förderung des gestaltete sich der kreative Austausch zwischen Österreich und Kroatien in konzeptionellen Austausches auf der Basis von Ausbildungsstätten und Kul- seinem Umfang, Tempo und in seiner Intensität unterschiedlich. Den Wert tureinrichtungen. Das künstlerische Schaffen des Bildhauers und Architekten der jeweiligen Phasen erkennt man häufig nur im Zusammenhang mit ihren Ivan Mestrović (1883-1962), das ein Thema der in der Galerie Klovićevi dvori geschichtlichen Begleitumständen. stattfindenden Ausstellung „Herausforderung der Moderne, Zagreb - Wien um 1900“ im Rahmen des Kulturjahres Österreich-Kroatien sein wird, oder die Wien hat seinen weltweiten Ruf auf der Vielgestaltigkeit des mitteleuro- Karrieren prominenter kroatischer Dirigenten wie Lovro Matačić (1899-1985) päischen Geistes gebaut. Wesentliche Merkmale dieses kulturellen Klimas oder Berislav Klobučar (1924-2014) wären ohne die künstlerischen Möglich- gingen auf einen großen Teil der kroatischen Region über und boten dem keiten, die sie in Wien erhielten, nicht in dieser Form möglich gewesen. kroatischen Volk viele Bezugspunkte und Anregungen, die die Entwicklung der eigenen Kultur substanziell beeinflussten. Im Zuge der Annahme der Es freut uns, dass das Jahr der kulturellen Zusammenarbeit zwischen Ös- österreichischen Einflüsse ergaben sich letztendlich vielfältige Formen der terreich und Kroatien, auch im Zeichen weiblicher musikalischer Kreativität gegenseitigen Annäherung und der Verflechtung kreativer Möglichkeiten. stehen wird. Dies wird uns die Kroatisch-Österreichische Gesellschaft durch die Veranstaltung einer besonderen, den Komponistinnen Dora Pejačević Ein wesentlicher Aspekt einer guten Beziehung zwischen Nationen zeigt sich (1885-1923) und Louise Erdödy (1853-1924) gewidmeten Konzertreihe er- im Umgang mit nationalen Minderheiten. Die Mitglieder der burgenländi- möglichen. schen KroatInnen sind im Kulturbild der österreichischen Gesellschaft tief verankert und tragen dadurch schon seit mehr als vier Jahrhunderten zur Eine Vielzahl von weiteren musikalischen und künstlerischen Veranstaltun- beidseitigen Stärkung der Verbindung zwischen österreichischen und kroa- gen des Kulturjahres 2017 versprechen erstklassige Kulturerlebnisse zu wer- tischen Traditionen bei, womit sie ein hervorragendes Paradigma der Inte- den. Wir hoffen, über diesen Weg das Bewusstsein für unsere geschichtlichen gration der Minderheitenvölker in den gesellschaftspolitischen Rahmen der Verbindungen zu vertiefen und mit dem Austausch und der Präsentation Mehrheitsbevölkerung und einer auf gegenseitigem Verständnis basieren- aktueller künstlerischer Leistungen neben hohem Genuss, auch das Zeugnis den Koexistenz darstellen. Gegenseitige Achtung steht im Zusammenhang der erfolgreichen Kontinuität der Verbindungen zwischen unseren Völkern mit dem Wunsch, Sprachbarrieren zu überwinden. In dieser Hinsicht müssen bieten zu können. wir unbedingt hervorheben, dass Österreich nicht nur die Bedingungen für den Fortbestand des großen sprachlichen Schatzes der burgenländischen KroatInnen sichert, sondern seit Kurzem auch das Lernen der kroatischen Standardsprache als Muttersprache in den Schulen ermöglicht. Solche Ini- tiativen fördern das gemeinsame Interesse für literarische Werke und deren Übersetzungen in die deutsche und kroatische Sprache. Das TRADUKI Netz- werk bietet hierfür den aktuellen professionellen Rahmen. Dr.in Nina Obuljen Koržinek, Kulturministerin der Republik Kroatien
VORWORT Nikolaus Berlakovich Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kulturfreunde! Kroatien feiert heuer ein besonderes Jubiläum. Vor 25 Jahren wurde Kro- atien als eigenständiger Staat anerkannt und damit seine Unabhängigkeit und Souveränität international bestätigt. Österreich hat Kroatien auf diesem Weg stets unterstützt. Das geschah auf politischer und wirtschaftlicher Ebe- ne, aber auch insbesondere in der Zeit des Krieges durch humanitäre Hilfe. Genauso begleitete Österreich Kroatien auf seinem Weg in die Europäische Union. Heute ist Kroatien gleichberechtigter Partner in der EU, was neue Möglichkeiten für Kooperationen eröffnet. Die Beziehungen zwischen Österreich und Kroatien haben eine jahrhunder- telange Tradition und können als ausgezeichnet bezeichnet werden. In vielen Gesellschaftsbereichen gibt es seit langem eine sehr gute Zusammenarbeit. Der kulturelle Austausch spielt dabei eine besondere Rolle. Dieser wird ins- besondere auch durch die Burgenländischen Kroaten gelebt. Sie sind das vitale Bindeglied, dass Österreich und Kroatien auf besondere Weise verbin- det. Das Kulturjahr Österreich - Kroatien 2017 bietet nun eine ideale Chance die mannigfaltigen kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Ländern auszubauen. Traditionelle, aber auch neue kulturelle Strömungen kann man dabei kennenlernen bzw. austauschen. Künstler bekommen die Möglichkeit sich vor einem neuen Publikum zu präsentieren. So können sich die Men- schen in Österreich und Kroatien mit dem Kulturschaffen des Nachbarn noch besser auseinandersetzen. Erfreulich wäre, wenn sich daraus eine neue Dyna- mik im Verständnis und den Beziehungen zueinander ergäbe. Die Österreichische – Kroatische Gesellschaft arbeitet seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet der Völkerverständigung zwischen Österreich und Kroatien. Viele von der Gesellschaft organisierte kulturelle Veranstaltungen sollen interessante Perspektiven eröffnen und damit neue Kontakte und Freund- schaften fördern. Unser Ziel ist es, unseren Beitrag dazu zu leisten, dass die Menschen in Österreich und Kroatien eine friedliche und prosperierende Ent- wicklung erhalten. Allen Beteiligten am Kulturjahr Österreich – Kroatien 2017 wünsche ich interessante und inspirierende Erlebnisse. DI Nikolaus Berlakovich, Nationalratsabgeordneter und Präsident der Österreichisch-Kroatischen Gesellschaft
ÖSTERREICH - KROATIEN 2017, DAS JAHR DER KULTURELLEN ZUSAMMENARBEIT Teresa Indjein Wenn sich das Innere nach außen und das Äußere nach innen kehrt... ... wird es das, was wir uns schon lange für die Auslandskultur gewünscht hatten, und für das wir nun seit kurzem eine adäquate Form gefunden ha- ben: ein Länderschwerpunkt, der sowohl dezidiert in beide Richtungen deu- tet – vom Inland ins Ausland und umgekehrt – als auch zwischen diesen Bewegungen neue Perspektiven der Zusammenarbeit herstellt. Wir freuen uns somit sehr auf das dritte Ereignis in dieser Serie, das nach Serbien und Bosnien und Herzegowina erneut Südosteuropa ins Zentrum unserer Aktivi- täten rückt. Die politischen, menschlichen und wirtschaftlichen Gründe hier- für sind reichlich, das gesellschaftspolitische Engagement in dieser Region spätestens seit der Gipfel-Serie des „Berliner Prozess“ Teil einer offiziellen Europa-Agenda. Hier geht es darum, allen einen Vorteil zu verschaffen. Und stabile demokratische Gesellschaften sind ein Vorteil für alle. Das Kulturprogramm des Kulturjahres Österreich-Kroatien, für dessen Zu- standekommen ich an dieser Stelle nur allgemein, aber nicht minder auf- richtig, allen kroatischen, österreichischen sowie kroatisch-österreichischen Partnerinstitutionen, KünstlerInnen und VeranstalterInnen herzlich danken möchte, kann sich sehen lassen. Nicht nur, dass in sämtlichen Bereichen der Kunst erstklassige Veranstaltungen geboten werden, sondern auch seine Präsentation weiblicher Kreativität, historischer sowie zeitgenössischer Leis- tungen und das Einbeziehen von jungen Kreativen und Studierenden lässt einen breiten Aufmerksamkeitsradius erwarten. Letzterer enthält das Poten- tial für langfristige Verbindungen. Der Wert der persönlichen Begegnung, eingebettet in ein gemeinsames künstlerisches Erlebnis, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Rückkehr in den Alltag mag dann manchmal schwierig erscheinen. Aber das ist durchaus das Ziel, denn, wie gesagt, wenn das Äußere nach innen gekehrt wird und das Innere nach außen, dann riskiert man eine neue Perspektive. Mein Dank für die gute Kooperation gilt unseren Partnerressorts, insbeson- dere dem Bundeskanzleramt Sektion „Kunst und Kultur“, sowie den Bundes- ländern, die unser gemeinsames Kulturjahr mit Kroatien mittragen. Dr.in Teresa Indjein, Leiterin der Kulturpolitischen Sektion im BMEIA
ÖSTERREICH - KROATIEN 2017, DAS JAHR ÖSTERREICH - KROATIEN 2017, DAS JAHR DER KULTURELLEN ZUSAMMENARBEIT DER KULTURELLEN ZUSAMMENARBEIT Vesna Cvjetković Andreas Wiedenhoff Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kulturfreunde! Sehr geehrte Kulturinteressierte, liebe Leserinnen und Leser! Es steht uns ein ganz besonderes Jahr bevor, in dem sich unsere beiden Das Kulturjahr 2017 „Österreich - Kroatien -Gemeinsam Kultur erleben“ Länder gemeinsam auf eine Kulturreise begeben, auf der neben schon be- gibt Gelegenheit, gemeinsam Neues zu entdecken. Das ist allerdings in den kannten auch viele neue Kulturlandschaften entdeckt werden dürfen. Wir beiden genannten Ländern, Österreich und Kroatien, keine ganz einfache freuen uns auf diese Reise und sind zugleich stolz darauf, dass sie gerade Sache, denn wir kennen einander sehr gut: Kroatien hat seinen Rang ganz in dem Land stattfindet, das durch Jahrzehnte für Kroatien eine Quelle der oben in der Beliebtheitsskala der Urlaubsdestinationen der Österreicherin- Inspiration war. Ich möchte hervorheben, dass das Kulturjahr mit dem Ju- nen und Österreicher. Fast jeder und jede war schon einmal in Kroatien auf biläum von 25 Jahren internationaler Anerkennung meines Landes zusam- Urlaub – und nicht nur einmal: viele kommen seit Jahren, ja, seit Jahrzehnten menfällt, für die auch Österreich einen wichtigen Beitrag geleistet hat. Ein- jedes Jahr hierher. Und umgekehrt gibt es kaum Kroatinnen und Kroaten, flüsse und Anknüpfungspunkte dieser Verbindung sind in allen Bereichen die noch nie in Österreich waren. Das jeweils andere Land wirkt vertraut auf der Kunst, aber auch in vielen Aspekten unseres Alltags sichtbar. Noch heute uns. Wir sind zudem auch geografisch beinahe Nachbarn, denn es liegen nennt man die durch österreichische Architektur geprägte untere Stadt von nur 25 Kilometer Luftlinie zwischen den beiden Ländern. Historische Be- Zagreb mali Beč (Klein-Wien), Šnicel, Štrudla, Nokrl, Vanilikifliča, Prezla und rührungspunkte machen die gegenseitige Nähe spürbar: seien es die vielen Špricer sind aus der Zagreber traditionellen Küche nicht wegzudenken, und von Wiener Architekten geplanten Gebäude in Zagreb oder der Text der ös- Sätze wie „Bedinerica klofa tepih u lihthofu“ sind als hundertjähriges Erbe terreichischen Bundeshymne, dessen Verfasserin aus einer kroatischen Fa- der österreichisch-kroatischen Zweisprachigkeit auch heute noch Teil unse- milie kam – nur zwei berühmte Beispiele für viele. Weniger prominent, aber rer kulturellen Identität, die sich aus vielen Komponenten zusammensetzt, umso persönlicher: Mein Kärntner Großvater hatte in den Jahren unmittel- in denen alte und neue Einflüsse vielschichtig verschmelzen. Kroatien hat bar vor dem Ersten Weltkrieg für einige Zeit als junger Mann im Zagreber sich inzwischen zu einer modernen und selbstbewussten Kulturnation ent- Stadtcafé, der „Gradska Kavana“ am Hauptplatz der Stadt, gearbeitet – ein wickelt, die aus der Fülle der Traditionen schöpfend ihre eigene moderne Gastarbeiter der ersten Stunde gewissermaßen, bloß die Migrationsrichtung kulturelle Identität geschaffen hat. Das Kulturjahr „Österreich - Kroatien wäre für spätere Jahrzehnte untypisch. Gut hundert Jahre später wandle ich – gemeinsam Kultur erleben“ gibt uns die Gelegenheit, diese neue Kultur- auf seinen Spuren, wenn auch nicht als Angestellter eines Cafés, sondern als gestalt Kroatiens in einer „komprimierten“ Form zu präsentieren. Es bietet gelegentlicher Gast in den so charmanten Zagreber Kaffeehäusern. Womit sich als Plattform zur gegenseitigen Beeinflussung und Bereicherung bei- wir bei der „menschlichen Dimension“ der Beziehungen zwischen Österreich der Kulturen an, wobei – und das würden wir uns wünschen – die Grenze und Kroatien angelangt wären: die tragende Kraft der bilateralen Beziehun- zwischen einer großen und einer kleinen Kultur letztendlich unbedeutend gen zwischen zwei Ländern erschöpft sich nämlich nie in Politik und Wirt- werden. Eine wesentliche Rolle in der Interaktion unserer Kulturen bildet die schaft. Es geht nie nur um Daten in Statistiken. Das Verhältnis zwischen zwei kroatische Gemeinschaft in Österreich, die zu einem integrativen Teil der ös- Ländern wäre ohne die Menschen, die diese Verbindung tragen, hohl und terreichischen Kulturidentität geworden ist. Dieser Gemeinschaft verdanken in Wirklichkeit gar nicht denkbar. Dies ist der Grund, warum beim österrei- wir, dass der Kulturkontakt zwischen Kroatien und Österreich die Kultur vor chisch-kroatischen Kulturjahr 2017 die Menschen im Mittelpunkt stehen: die Ort aktiv und nachhaltig beeinflusst und die österreichisch-kroatische Zwei- Künstlerinnen und Künstler aus beiden Ländern und ihr Publikum. Es ist zu sprachigkeit befördert. Dieses Mal in Österreich. Deswegen haben wir im hoffen, dass im Besonderen die jungen Menschen auf beiden Seiten unseren Rahmen des Kulturjahres den Mitgliedern der kroatischen Gemeinschaft und Blick auf das Neue lenken werden. Und wir werden sehen: es gibt hier, trotz ihren Projekten einen wichtigen Platz eingeräumt. Ein weiterer Programm- aller gegenseitigen Vertrautheit und Bekanntheit, zwischen den beiden Län- schwerpunkt sind Frauen in Kunst und Kultur, denen das Kulturjahr mit ei- dern viel Neues zu entdecken und sichtbar zu machen. nem umfangreichen und vielfältigen Programm besondere Aufmerksam- keit schenkt. Ich wünsche uns allen einen spannenden und bereichernden Möge das gemeinsame Kulturjahr 2017 Österreich - Kroatien für uns alle Kulturaustausch! reich an gemeinsamen Entdeckungen sein: als Entdecker und als Entdeckte. Dr.in Vesna Cvjetković, Botschafterin der Republik Kroatien in Österreich Dr. Andreas Wiedenhoff, Botschafter der Republik Österreich in Kroatien
INTEGRATION UND KULTUR INTEGRATION UND KULTUR AUS ÖSTERREICHISCHER AUS ÖSTERREICHISCHER UND KROATISCHER SICHT UND KROATISCHER SICHT Susanne Ranetzky - September 2015, Flughafen Zagreb, eben angekommen. Alles fremd und minister Sebastian Kurz verlieh den österreichischen Bemühungen um die es riecht auch anders als daheim, unvertrauter. guten Beziehungen beider Länder Ausdruck, indem er Kroatien als erstes Reiseziel nach seinem Amtsantritt im Jahr 2013 wählte. Wo bin ich gelandet? War es die richtige Entscheidung? Ich höre in mich Gundulićeva 3, kurze Stiege, erster Stock. Wie vielen Menschen wurde diese hinein, aber es kommt keine Antwort, noch nicht. Zuviel ist zu erledigen, zu Adresse ständige Begleiterin, Ausgangspunkt und Knotenpunkt, Zuflucht, ein organisieren in den ersten Tagen und Wochen, jeder Schritt irgendwie müh- Ort sich ständig ändernder Begegnungen, Fixpunkt im Wandel der Zeiten. sam. Man kennt es doch von anderen beruflichen Auslandsaufenthalten und Mir fallen spontan ein paar bruchstückartige Zeilen aus der Strudlhofstiege ist trotzdem machtlos und ständig erstaunt. Orientierung, Wohnungssuche, von Heimito von Doderer ein: „...herbstlich atmet aus den alten Stiegen was neue Kollegen und Kolleginnen, manch durchdringender Röntgenblick, man vor Zeiten über sie gegangen ... leichte Schuh und schwere Tritte, ... über- fühlt sich ausgeliefert, lässt einfach alles über sich ergehen. Stimmt die Rich- dauert Jahre zwischen Kriegen ...“. tung, fragt man sich manchmal, wenn einem all das Ungewohnte eine kurze Würde Ivan Gundulić, der bedeutendste kroatische Barockdichter und Pause gönnt. - Namensgeber der zum Symbol für kroatische und österreichische kulturelle Zusammenarbeit gewordenen Adresse, wohl wissen, was sich an diesem Ort Endlich ein ruhiger Moment, ich beginne in der Vergangenheit des Kul- schon alles abspielte, er würde sicher mitmachen und das ein oder andere turforums Zagreb zu blättern. Tauche ein in eine Geschichte, die vor mehr Drama für uns inszenieren oder seine Gedichte vorgetragen! als 60ig Jahren, im Juni 1955, kurz nach Unterzeichnung des Österreichi- schen Staatsvertrages, bescheiden als „Österreichische Lesehalle“ in der Heute realisiert das Österreichische Kulturforum gemeinsam mit kroatischen Gundulićeva 3 in Zagreb, begann und hoffentlich noch lange an diesem zur und anderen Partnern pro Jahr an die 200 Veranstaltungen in Kroatien und Institution gewordenen Ort währen wird. bietet vorrangig jungen österreichischen KünstlerInnen und Kulturschaf- fenden aller Kunstsparten eine bestens vernetzte Auftrittsplattform. Der Schon bald erfüllte diese Lesehalle die Funktion eines Kulturinstitutes, Schwerpunkt liegt auf der Vermittlung zeitgenössischen österreichischen wenngleich erst 1976 zu einem solchen ernannt. Prallvoll ist sie, diese Kunstschaffens, wobei das Bundesministerium für Europa, Integration und Gundulićeva 3, randvoll mit Menschen, Gefühlen, Anekdoten, Geschichte Äußeres unterstützend zahlreiche Förderprogramme anbietet. Besonderer und Geschichten. Bald rührt mich ein sehr höflich getippter Brief über ein Raum wird in den nächsten Jahren neben Musik und Film unter anderem Lesungsprogramm von Heimito von Doderer aus dem Jahre 1964, bald auch Tanz, Neuen Medien, Architektur und Frauen in Gesellschaft, Kultur ein paar Zeilen des unvergessenen Ernst Jandl. Wer nicht aller hier Station u.nd Wissenschaft gewidmet. eingelegt hat! Jeder Leiter hat diese seit 2001 in Kulturforum umbenannte Stätte auf seine Weise geprägt, ihr immer neues Leben eingehaucht, ich - Dezember 2015, Wohnung gefunden, ein Spaziergang vorbei am Kroati- sehe unendliche Begegnungen von österreichischen und kroatischen Künst- schen Nationaltheater, entworfen vom Wiener Architektenbüro Fellner & lerInnen und stetes Zusammenwachsen mit dem Gastland. Helmer, die kroatischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Büro einfach wunderbar, keine eisigen Blicke mehr, eben Cremeschnitte und das beste 1992 wurde schließlich die erste Österreichische Botschaft in Kroatien eröff- Eis seit langem gegessen! Bin ich etwa angekommen? Nicht zu Hause, aber net und es begann eine neue gemeinsame Etappe intensiver Zusammen- schön langsam irgendwie daheim. arbeit. Österreich hat Kroatien von Anfang an, kontinuierlich und mit Nach- druck auf seinem Weg in die Europäische Union unterstützt und ein Name Ja! Es kann losgehen, denn in Zagreb bin ich richtig! Ich freue mich auf ein bleibt auf immer damit verbunden. Diesen zu ehren, wurde am 1. Juli intensives und spannendes gemeinsames Kulturjahr 2017! Vidimo se! 2013, pünktlich zum kroatischen EU-Beitritt, in Zadar die neue Österreich- Bibliothek „Dr. Alois Mock“ eröffnet. Auch der heutige österreichische Außen- Mag.a Susanne Ranetzky, Leiterin des Österreichischen Kulturforums Zagreb
INTEGRATION UND KULTUR INTEGRATION UND KULTUR AUS KROATISCHER AUS KROATISCHER UND ÖSTERREICHISCHER SICHT UND ÖSTERREICHISCHER SICHT Christiana Uikiza Zuerst möchte ich hervorheben, dass es für mich eine ganz besondere Ehre Die Musik spricht eine Universalsprache, die sich über alle Grenzziehungen ist, den ehrwürdigen Titel der Integrationsbotschafterin zu tragen, den ich und Vorurteile hinwegsetzt. Aber darüber hinaus ist meine musikalische Dar- 2015 erhielt. Ich möchte mich auf diesem Weg bei der Botschaft der Repu- bietung stets von dem Wunsch getragen, mich in unterschiedlichen Spra- blik Kroatien in Österreich und dem österreichischen BMEIA herzlich dafür chen auszudrücken, und damit Zugang zu mehr Menschen zu bekommen. bedanken. Mein Werdegang war nicht geradlinig, siebenmal musste ich meine Koffer packen und den Staat wechseln, und wo immer ich mich befunden habe, war Das Thema Integration hat mein bisheriges Leben entscheidend geprägt. Es es notwendig, mich möglichst rasch zu integrieren, um dort gut funktionie- wäre nicht abwegig zu behaupten, dass der Unterschied zwischen meinem ren zu können. Mit Blick auf alle meine Erfahrungen kann ich feststellen, dass ersten Auftritt im Kindergarten und den bevorstehenden, Ende 2016 und für eine erfolgreiche Integration in eine neue Gesellschaft das ausreichen- Anfang 2017 stattfindenden Konzerten mit der rumänischen Philharmonie de Kennen von Sprachen und die Aufgeschlossenheit hinsichtlich kultureller in der Nationaloper von Hermannstadt/Sibiu nicht allzu groß ist. Einige Jahr- Unterschiede zwischen verschiedenen Völkern erforderlich ist. Ich kann nie zehnte sind inzwischen verstrichen und ich habe in der Zwischenzeit wesent- genug betonen, wie hilfreich mir die Fremdsprachenkenntnisse und die Ak- liche zusätzliche Kenntnisse erworben, die für meine musikalische Profilie- zeptanz kultureller Eigenheiten waren. Sie haben mir überall alle Türen sozu- rung von Belang sind, aber meine Mission ist eigentlich gleich geblieben: das sagen von selbst geöffnet. Bevor man irgendwo singen will, muss man eine Übertragen von Emotionen auf ZuhörerInnen unterschiedlichster Herkunft Kommunikation herstellen, wobei die Fähigkeit, sich adäquat und sinngemäß und Tradition sowie Generations- und Nationalzugehörigkeit. auszudrücken, die erste Visitenkarte darstellt. Als ich zum ersten Mal im Kindergarten und auf der Bühne des Stadttheaters Mit meinem Beispiel möchte ich junge Menschen für ähnliche Schritte be- in meiner Heimatstadt Resica (rum. Resita) öffentlich auftrat, trug ich ein kro- geistern, weil ich schon immer der Auffassung war, dass die Tatsache, dass atisches Volkslied vor. Das war eine mit meiner Herkunft zusammenhängen- wir in eine bestimmte geopolitischen Konstellation hineingeboren sind, de Botschaft, die das rumänische Publikum, mit großer Begeisterung zu ak- keinerlei Schranken für das Erreichen unserer Ziele darstellen sollte. Man zeptieren wußte. In Rumänien sind achtzehn Minderheiten vertreten. Zwölf muss an seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten beharrlich arbeiten, diesen Prozent der rumänischen StaatsbürgerInnen gehören jeweils einer dieser Entfaltungsprozess genießen, das Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl Minderheiten an. Die kroatische Minderheit mit ihren knapp siebentausend pflegen und darf darüber hinaus, ungeachtet aller Hürden und Hindernisse, Angehörigen zählt in Rumänien zu den kleinsten Volksgruppen. niemals aufgeben. Die Musik blieb auf meinem Lebensweg eine ständige Begleiterin, obwohl ich zunächst Grundschullehrerin war und dann Studentin der Politikwissen- schaftlichen Fakultät der Universität in Zagreb. Dass das Singen schließlich zum professionellen Mittelpunkt meiner Lebensbeschäftigung wurde, weiß ich als ein großes Privileg zu schätzen. Es führte mich in die Türkei, nach Dä- nemark, Italien, in die Schweiz, nach Deutschland, Ungarn, Polen, Frankreich, Kroatien, Österreich usw. Eine besondere Rolle spielt dabei natürlich Wien, eine Stadt, die ich im Moment als mein Zuhause empfinde. Christiana Uikiza, Integrationsbotschafterin in Österreich
ÖSTERREICH-BIBLIOTHEKEN: DREHSCHEIBEN KULTURELLER VERFLECHTUNG Svjetlan Lacko Vidulić Aus österreichischer Sicht ist das Konzept der Österreich-Bibliotheken ein gelungenes Instrument der auswärtigen (Kultur-)Politik, das die Herausfor- derungen und Chancen von 1989 auf beste Weise genutzt und ausgebaut hat. Die Liste der 65 Standorte in Mittel-, Ost- und Südosteuropa, in Italien, sowie in Zentralasien und im Nahen Osten, liest sich wie eine Aktualisierung und naheliegende Erweiterung eines Beziehungsraumes, der mit vergange- ner Größe zusammenhängt. Auf der anderen Seite, aus dem Blickwinkel der jeweiligen Standorte, ist das Konzept der Österreich-Bibliotheken ein will- kommenes Angebot internationaler Zusammenarbeit, das sich auf finanziell gedeckten Kulturimport, attraktive Bücherbestände und wissenschaftliche Infrastruktur zu stützen weiß. Diese Gegenüberstellung möchte keine herkömmliche bilaterale Optik statu- ieren. Denn erfolgreiche Instrumente auswärtiger Kulturpolitik können ihrem instrumentellen Charakter entwachsen, wenn sie Prozesse fördern, bei de- nen Grenzen relativiert werden und die hergebrachte Dichotomie von Zent- rum/Peripherie oder Westen/Osten weitgehend obsolet wird. Zumindest am Standort Zagreb wollen wir dies, mit eigenem Einsatz und gleich von Anfang an (Gründungsjahr: 2015) versuchen. Bücher aus Österreich als Dauerleih- gabe in unseren Regalen: Entstehen auf diese Weise nicht gewissermaßen transterritoriale und transnationale Räume? Und die Teilnahme am alljährli- chen Literaturfestival »Österreich liest« mit einem Übersetzungswettbewerb für unsere Studierende; oder der Doppelvortrag über die Anfänge der Ger- manistik in Wien und in Zagreb in unserem Veranstaltungsprogramm: Geht es nicht um historische und aktuelle Nachweise, dass Kulturtransfer kein li- nearer Austausch zwischen verschlossenen Räumen, sondern vielmehr eine Vernetzung ist, die keine/n Teilnehmer/in unverändert, keines der ›zirkulie- renden Güter‹ unbeeinflusst lässt? Kulturelle Verflechtung lebte schon immer von institutionellen Drehschei- ben. In der Gegenwart gehören die Österreich-Bibliotheken sicherlich zu den interessantesten ihrer Art. Svjetlan Lacko Vidulić, Wissenschaftlicher Leiter der Österreich-Bibliothek Zagreb
DIE MENSCHLICHE DIMENSION DER KULTURELLEN ZUSAMMENARBEIT Ivana Bodrožić Am Ende handelt es sich immer um Menschen. Denkt man über die Beson- derheiten eines Landes oder Volkes nach und ist man bereit, diese kennenzu- lernen, kommt man unvermeidlich zu diesem einen Moment, wo der Öster- reicher nicht mehr tief in seine Tradition eingewurzelt, in die Klassik verliebt, in Tweed angekleidet und ein wenig steif ist. Der kürzeste und gleichsam der intensivste Weg eines/r Österreichers/in eines/r Kroaten/in, ein Freund zu werden, verläuft über die Kunst. In dem Moment, in dem man eine/n Österreicher/in wirklich kennenlernt, wird er/sie zu unserer/m Freund/in. Mit Stereotypen hat das nichts zu tun; selbst wenn er/sie all die Klischees erfüllen würde, wäre er/sie trotzdem nicht stereotypisch, da im Bereich der Kunst die Aufmerksamkeit auf die Details gerichtet ist. Literatur, Musik und Film, wenn sie authentisch sind, sprechen immer über die Einzelpersonen, ohne zu generalisieren, sie führen uns in das Innere, wo wir in unserer Vielfalt gleich sind, bereichert durch die Erfahrungen des jeweils anderen. In diesem Herausholen von Details an die Oberfläche, be- ginnen wir im Einzelnen das Allgemeine zu sehen und es vergeht jede Furcht, dass uns jemand oder etwas jenseits der Grenze gefährden wird. In einer anspruchsvollen Zeit für ganz Europa, wird uns das dem Kulturaustausch gewidmete Jahr zu Freunden, zu Menschen führen, weil es sich am Ende immer um Menschen handelt. Ivana Bodrožić, kroatische Schriftstellerin und Programm-Koordinatorin des Zagreber Buchfestivals
KULTURJAHR 2017 KULTURJAHR 2017 EINE GRAZER SICHT EINE GRAZER SICHT Max Aufischer Vor Jahren, Mitte der 90iger Jahre, hatten wir Herrn Professor Brislav Valušek Diese Verkettung sprachlicher Begebenheiten war sicherlich ein Zufall, zeigt eingeladen, eine kleine Ausstellung mit aktueller Kunst aus Rijeka in Graz jedoch die menschliche Verwobenheit mit Kroatien, das, obwohl nicht direkt zu präsentieren. Wegen beruflicher Verpflichtungen konnte er erst sehr spät angrenzend, von den meisten Grazerinnen und Grazern quasi als Nachbar- am Abend nach Graz kommen, deshalb trafen wir uns am nächsten Morgen staat empfunden wird. Bezogen auf die geschilderte Begebenheit ist es in im Hotel zum Frühstück. Wir begrüßten uns freudig, hatten wir doch schon umgekehrter Richtung nahezu genauso. Abgesehen von den vielen österrei- einige Projekte gemeinsam durchgeführt und uns immer gut verstanden. Auf chischen Touristen, die jedes Jahr während der Sommermonate Istrien und einmal, ganz unvermittelt, fast etwas forsch, sagte er zu mir: „Du bist der erste die dalmatinische Küste bevölkern, um ihren Urlaub zu genießen, lerne ich Grazer, der mit mir Deutsch spricht!“ Fast reflexartig – ich war mir nicht sicher, immer mehr Österreicherinnen und Österreicher kennen, die sich in Kroati- ob ich diese Aussage verstanden hatte – fragte ich, wieso dies so sei? Dann en in der Nähe des Meeres ansiedeln. Sie kaufen oder mieten sich ein und erzählte er mir eine Geschichte, die ich damals fast für unglaublich hielt, die begründen einen Zweitwohnsitz. Oft, weil ihre Familie ehemals aus diesem mich aber erheiterte und nachträglich für mich zu einem kulturellen sowie Raum stammte, oft auch nur wegen des Klimas und der Landschaft, um ihre menschlichen Statement wurde – zu einem Zeichen, das die Beziehungen Pension in angenehmer Umgebung zu verbringen. Aber immer mehr Öster- zwischen Österreich und Kroatien symbolisiert. reicherinnen und Österreicher interessieren sich auch für Landstriche und Städte fern der Küste. „Als ich von der Autobahn abfuhr, habe ich auf das Fax geschaut, das du mir geschickt hast. Es war jedoch – mein Gerät ist nicht ganz in Ordnung – nicht Beide oben beschriebenen Fakten sind hervorragende Zeichen einer Verqui- deutlich sichtbar, wo sich das Hotel befindet. Deshalb beschloss ich zu fragen, ckung von Menschen aus Kroatien und Österreich, sowie deren Interessen hielt mein Auto an und fragte einen an einer Kreuzung stehenden Mann, wie und zeugen von einer Vielzahl menschlicher und kultureller Kontakte. Ein Zu- ich zur Mariahilferstraße kommen kann. Er erkannte an meiner Aussprache, sammentreffen von Menschen aus zwei unterschiedlichen Staaten, seit nicht dass ich Kroate bin und sagte mir, dass er selbst aus Kroatien stamme und allzu langer Zeit beide Mitglieder der Europäischen Union, mit einer langen wir deshalb ohne weiteres auf Kroatisch weitersprechen können. Sodann wies gemeinsamen Geschichte. Leider war diese nicht immer konfliktfrei. In den er mir den Weg in Richtung Innenstadt. Etwas später – ich hatte mich wegen vergangenen Jahrzehnten jedoch, vor allem seit der Gründung des selbst- der Dunkelheit und der Einbahnen nicht ganz zurecht gefunden – habe ich ständigen Staates Kroatien, kann das Verhältnis zwischen den beiden Län- nochmals gefragt. Diesmal war es ein junges Pärchen. Die Situation gestaltete dern als ausgeglichen, wenn nicht sogar als harmonisch bezeichnet werden. sich jedenfalls ähnlich. Sie antworteten auf meine in Deutsch gehaltene Frage ohne Zögen auf Kroatisch. Neugierig geworden, erkundigte ich mich, woher Zu Beginn der kulturellen Kontakte nach dem Zweiten Weltkrieg waren diese sie kämen. Es stellte sich heraus, dass sie aus der Herzegowina kamen und noch zaghaft. Zu sehr waren die Erinnerungen an die Tragödien der davor kroatischer Abstammung waren. liegenden Jahre noch spürbar. Damals war Kroatien eine Teilrepublik des Um es abzukürzen – nachdem ich eingeparkt hatte, erkundigte ich mich noch- kommunistischen Jugoslawien. Seit Mitte der 60er Jahre wurden die Kul- mals über die konkrete Lage des Hotels, da ich mit dem vielen Gepäck keinen turkontakte intensiviert und führten zu einer immer stärkeren Öffnung der Umweg gehen wollte. Wieder das gleiche Bild: ich fragte auf Deutsch und er- Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Viele Kulturveranstaltun- hielt die Antwort auf Kroatisch – ein Mann aus Varaždin. Schließlich empfing gen, Aufführungen, Ausstellungen, Konzerte und Lesungen waren die Folge, mich der Nachtportier, gab mir meinen Zimmerschlüssel und wir erledigten sowohl in Österreich als auch in Kroatien. die Formalitäten und – wie könnte es anders sein – er sprach einen Zagreber Dialekt. Und selbst als ich heute Morgen den Frühstücksraum betrat, wurde Für die Stadt Graz und für das Land Steiermark war diese Entwicklung von ich in meiner Muttersprache begrüßt und in derselben gefragt, ob ich gerne besonderem Interesse. Durch die spezielle Lage im Südosten Österreichs ein Frühstücksei hätte. Also bist du nach mehrstündigem Graz-Aufenthalt der kamen sowohl der Stadt als auch dem Bundesland eine Brückenfunkti- erste, der mit mir Deutsch spricht.“ on mit langen traditionellen Wurzeln zu. Zum Beispiel hatten die Grazer
KULTURJAHR 2017 KULTURJAHR 2017 EINE GRAZER SICHT EINE GRAZER SICHT Bildungseinrichtungen, allen voran die Grazer Universitäten, eine besondere Zagreb und seinem engagierten und umsichtig agierenden Team zu verdan- Ausstrahlung und Anziehungskraft für Studenten aus diesem Raum. Auch ken. Die Devise dieser Institution war es stets, an ganz Kroatien zu denken. boten die Kulturkontakte eine Basis, an frühere wirtschaftliche Beziehungen Deshalb konnten die unzähligen Kulturvorhaben nicht nur in der Hauptstadt anzuknüpfen, um diese neu zu beleben. Sowohl die Ausstellerliste, als auch Zagreb realisiert werden. Projekte an der Küste wurden genauso betreut wie die Herkunft vieler Besucherinnen und Besucher der damaligen Grazer Süd- im Binnenland und das gleiche Augenmerk wurde auf die kleineren, aber Ost Messe können dies eindrucksvoll bezeugen. oft interessanten, wie kulturell interessierten Gemeinden gelegt. Dieses Kul- turforum entwickelte sich zur wichtigen, zentralen Drehscheibe des Kultur- Die Träger des sich immer reger entwickelnden kulturellen Austausches wa- austausches zwischen Österreich und Kroatien und zur notwendigen Infor- ren sehr vielfältig: einzelne Persönlichkeiten, Kultureinrichtungen, aber auch mationsquelle, die partnerschaftliche Kooperationen mit Künstlerinnen und Kooperationsvorhaben aufgrund von Zusammenarbeitsverträgen der Ge- Künstlern beider Länder erst möglich macht. bietskörperschaften selbst. Aus Grazer Sicht gab es den ausgeprägten po- litischen Willen, besonders am Beginn der Entwicklung in den 60er Jahren, Es gibt eine Vielzahl kultureller, künstlerischer und – wie oben beschrieben den Kulturaustausch mit den Nachbarn in Südosteuropa zu intensivieren. – auch menschlicher Kontakte, die fast selbstverständlich geworden sind. Der trigon-Gedanke und die damaligen Kooperationen im Rahmen der ARGE Deshalb ist das Kulturjahr Österreich – Kroatien auch so bedeutsam, da Alpe-Adria belegen dies deutlich. Der Austausch beschränkte sich nicht nur dadurch die genannten positiven Beziehungen, deren Entstehung und konti- auf den Bereich der Hochkultur, sondern umfasste auch Jugendkultur und nuierliche Entwicklung, nicht im Dunst der Selbstverständlichkeit verschwin- alternative Aktivitäten. den und wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gestellt werden. Gleich- zeitig bietet eine solche Schwerpunktsetzung auch die Möglichkeit, darüber Gemeinsam mit den kroatischen Partnerinnen und Partnern wurde dadurch nachzudenken, wie die Kulturkontakte zwischen Österreich und Kroatien in ein kulturelles Klima geschaffen, das die Zusammenarbeit immer mehr er- Zukunft weiterentwickelt und noch weiter ausgebaut werden können. leichterte. In diesem Zusammenhang dürfen auch der „Adria-Tourismus“ vieler Österreicherinnen und Österreicher, der sie an die kroatische Küste führte, sowie die kroatischen Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter, die den wirtschaftlichen Aufschwung in Österreich mit ermöglicht haben, nicht ver- gessen werden. Dieser „kleine Kulturaustausch“ baute viele weitere kleine Brücken – eine weitere Basis für gegenseitiges Verständnis, sowohl hinsicht- lich des kulturellen wie menschlichen Verständnisses. Während der Zeit Kroatiens und auf seinem Weg zur Selbständigkeit vertief- ten sich die Kontakte weiter, sowohl in Bezug auf ganz Österreich, als auch bezogen auf Graz und die Steiermark. Projekte verschiedener Bundesminis- terien, Länder, Städte, KulturKontakte Austria und Kultureinrichtungen vieler Städte wurden mit Partnern Kroatiens durchgeführt und intensiviert. Mit ein wenig Stolz darf ich auf die vielen unterschiedlichen Aktivitäten und Kontakte der Stadt Graz und ihrer Kultureinrichtungen verweisen. Dass dies Max Aufischer, Leiter der Kulturvermittlung Steiermark, des Internationalen Hauses der Autorinnen und Autoren Graz und des Cultural City Networks Graz in diesem Umfang möglich war, ist auch dem Österreichischen Kulturforum und langjähriger Partner des Kulturforums Zagreb
ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVEN DIE ÖSTERREICHISCHE DER ÖSTERREICHISCH-KROATISCHEN WIRTSCHAFT IN KROATIEN WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN Tatjana Mrvoš Sonja Holocher-Ertl Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Kroatien und Österreich werden Österreich und Kroatien erfreuen sich traditionell sehr enger wirtschaftlicher nach und nach intensiver. Österreich ist einer der bedeutendsten Handel- Beziehungen. Auch wenn Kroatien keine direkte Grenze mit Österreich hat, spartner Kroatiens – der Warenaustausch verzeichnet einen ständigen An- wird es oft als Nachbarland betrachtet und ist für österreichische Firmen stieg trotz der Krise, die mehr als sechs Jahre die kroatische Wirtschaft be- praktisch ein erweiterter Heimmarkt. Dies spiegelt sich auch in den Wirt- lastete – und österreichische Investoren sind insbesondere im Immobilien, schaftsdaten wider. Österreich ist mit Investitionen von kumuliert EUR 5,24 Banken- und Tourismussektor präsent. Mrd. EUR zum Ende des ersten Quartals 2016 der zweitgrößte Investor nach Kroatische Unternehmen exportieren nach Österreich vorrangig landwirt- den Niederlanden. Hinsichtlich der Wahrnehmung und Sichtbarkeit nimmt schaftliche Produkte, Erzeugnisse der Lederindustrie sowie der pharma- Österreich in Kroatien mit mehr als 650 österreichischen Niederlassungen, zeutischen und Metallverarbeitungsindustrie. Neuerlich versucht auch die die rund 30.000 Arbeitsplätze schaffen, sogar den ersten Platz ein. kroatische Nahrungsmittelindustrie, sich auf dem österreichischen Markt Insbesondere im Bankenwesen, im Versicherungssektor und im Handel sind zu positionieren. Bestrebungen kroatischer Unternehmen, sich in Österreich österreichische Unternehmen sehr präsent. Aber auch im Tourismus – dem wirtschaftlich erfolgreich aufzustellen, werden durch zahlreiche Aktivitäten mit knapp 20% des BIP wichtigsten Wirtschaftssektor – tritt ein österreichi- der Wirtschaftsdiplomatie des kroatischen Ministeriums für auswärtige und scher Investor als Marktführer auf. Praktisch alle bekannten österreichischen europäische Angelegenheiten unterstützt. Marken von Swarovski über Frey Wille bis zu Palmers und Högl, um nur eini- Nach dem EU-Beitritt öffneten sich für die kroatische Wirtschaft ganz neue ge zu nennen, sind in Kroatien vertreten. Aber auch österreichische Indust- Wachstumsmöglichkeiten auf dem gemeinsamen europäischen Markt. Die rieunternehmen schätzen die Nähe zu Österreich, die gute Infrastruktur und geographische Nähe und der hohe wirtschaftliche Standard Österreichs bie- den Pool an qualifizierten Arbeitskräften in Kroatien.Kroatien hat unter den ten in diesem Rahmen interessante Perspektiven zur weiteren Entwicklung Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise ab 2008 stark gelitten und das BIP bilateraler Wirtschaftsbeziehungen. Kroatien verfügt mit den Adriahäfen schrumpfte insgesamt bis 2015 um 11%. Vor diesem Hintergrund kam auch über eine attraktive logistische Verbindung zwischen den mitteleuropäischen der bilaterale Handel mit Österreich in Schwierigkeiten, die sich aktuell dar- und Überseeländern, sieht seine Chancen aber auch bei der Produktion an zeigen, dass das Außenhandelsvolumen von 2,1 Mrd. EUR aus dem Jahr hochqualitativer Nahrungsmittel, der Energiegewinnung aus erneuerbaren 2008 bis 2015 noch nicht wieder erreicht werden konnte. Österreich expor- Quellen sowie bei der Entwicklung des Tourismus. Der Tourismussektor in tierte letztes Jahr Waren um rund 1,37 Mrd. EUR nach Kroatien, darunter Kroatien durchläuft gerade eine postindustrielle Transformation, von Mas- vor allem diverse Maschinen, Anlagen, Kfz-Teile, Lederwaren, Kunststoffe, Le- sentourismus-Angeboten bis hin zu komplexen touristischen Produkten und bensmittel sowie medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse. Kroatien Angeboten im Segment Kultur- und Kreativtourismus. Für die Entwicklung exportierte im Gegenzug Waren im Wert von 540 Mio. EUR nach Österreich. besonderer Tourismustypen verfügt Kroatien neben seinem reichhaltigen Seit 2015 wächst Kroatiens Wirtschaft wieder und die Stimmung, sowohl Natur- auch über ein vielfältiges Kulturerbe, das mit einer über 1000 Jah- unter den Unternehmen als auch den KonsumentInnen, ist spürbar besser. re alten Geschichte ein großes Potential für Kulturtourismus bietet. Öster- 2016 verspricht zudem die beste Tourismussaison zu werden, seit es Auf- reichische Unternehmen, die auf dem kroatischen Tourismusmarkt bereits zeichnungen gibt. Nach den vorgezogenen Neuwahlen am 11. September stark vertreten sind, werden sich mit Sicherheit an dieser Transformation und 2016 kam es sehr rasch zu einer Regierungsbildung – die erste Vorausset- Entwicklung des kroatischen Tourismus beteiligen. Die neue kroatische Re- zung um dringend notwendige Reformen in Angriff zu nehmen. Vor diesem gierung ist entschlossen nötige Strukturreformen und die Anpassung der Hintergrund stehen auch die Chancen gut, dass die Außenwirtschaft Austria öffentlichen Finanzen durchzuführen, was sich auch auf das Geschäftskli- der Wirtschaftskammer Österreich, die seit über 60 Jahren in Kroatien mit ma sowie auf die Förderung weiterer Investitionen des Privatsektors positiv einem AußenwirtschaftsCenter in Zagreb vertreten ist, um österreichische auswirken wird. Wir sind überzeugt, dass österreichische Unternehmen im Unternehmen bei der Erschließung des kroatischen Marktes zu unterstützen, neuen Zyklus des ökonomischen Wachstums Kroatiens eine wichtige Rolle weiterhin Potential zur weiteren Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen vor- spielen werden finden und nützen wird können. Mag.a Sonja Holocher-Ertl, AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA, Mag.a Tatjana Mrvoš, Wirtschaftsrätin bei der Kroatischen Botschaft in Wien Österreichische Wirtschaftsdelegierte für Kroatien, Leiterin des AußenwirtschaftsCenters Zagreb
POESIE AUS KROATIEN POESIE AUS KROATIEN ANDRIJANA ŠKUNCA (1944) ANDRIJANA ŠKUNCA (1944) Lichtschrift von Novalja Atlas der Insel Akkorde Im Hof, jemand hat den Atlas der Insel aufgeschlagen. Nebeneinander liegen Sommer hat sich in den Akkorden der Violine gesammelt. Reste von Amphoren und Tongefäßen. Mörtel kleiner altkroatischer Kirchen, Die Schwüle treibt Zweige mit fröhlichen Tönen. Schneckenhäuser, Schädel von Schafen. Versteinerte Schwämme, Holzschemel, Aufs Fenster landet eine Amsel, dann und wann ein Stieglitz oder ein Sperling. trockene Fässer. Römische Ziegel, Kiesel, Mühlsteine. Spinnweben, kalter Schatten. Laub tönt vom Wipfel des Baums zu den Sträuchern. Dunstig sind die Konturen Fossilien von Muscheln und winzigem Glas von Wellen geglättet, des versengten Holunders und der Pestwurz. Die Tafel der Unendlichkeit legt sich besiedeln unbekannte Meere. Eidechse und Feigenblatt sind von Netzen bedeckt. langsam in Falten, zittert, wächst im sanftenWehen des Windes. Dies tiefe Nichts, hier taucht das Mittelmeer auf. In blauen Schatten rasten Schafe. Die Farben des Himmels wirbeln umher. Salziger Staub sinkt von den abgenagten Weiden. Insel in Salz Jeder gegen jeden in den Klingen des Steins: Wind vom Meer und Wind von den Bergen. Sie verstreuen Düfte von Minze und Immortelle. Die Bora bedeckte die Insel mit Staub. Salz nagt an allem, was es berührt: Stamm, Der Morgen fädelt sich in die Membran des Lichts, die große Kugel, die immer Schilf, Weideland. Schafe grasen trockene Kräuter, bittere Schößlinge. schneller aufgeht. Die Bilder beginnen und enden in der Spur Die Berge reißen sich los und fallen. Gleiten von zerklüfteten Höhen. von Salamander und Schneckenhaus. Nach Norden hin ist alles weiß entblößt. Die Insel zerteilt durch Trockenmauern. Salzwolken schwinden in steinigen Furchen. Unter Blättern Tropfen des Meeres. Die Olivenbäume von Lun In der Nähe von Lun ein heiliger Hain aus biblischen Zeiten. Zwischen den Bäumen Schafe bedeckt vom Staub rötlicher Erde. Feigenbaum Die Wipfel trinken den Duft der Kräuter, Schatten und Blätter nehmen die Farbe der Dämmerung an. Winterlicht wird die glatte Oberfläche berühren. Die Knospe zieht ihre Klinge. Unter die Rinde kriechen das Salz und die Bora. In der steinigen Frucht verhärtet Es wächst der Umriss des Schattens, den der salzig gewürzte Feigenbaum unter salzige Gischt. In Jahresringen und Astlöchern verlöschen Kometen. sich wirft. Abgefallene Blätter sind in den gefrorenen Boden gekrochen. Vom Alter geborsten öffnen sich die Olivenbäume von Lun der Urwelt, Fauliger Blütenstaub hat verstummte Orte erweicht. aus der sie entstanden. Vom Widerschein des weiten Meeres durchfurcht versinken Ein Vogel kratzt mit dem Schnabel am nackt gewordenen Zweig. sie, gewunden wie eine Spindel. Tastet nach der Frucht, die nah ist, sich aber noch nicht zeigt. Aus lebendigem Stein und trockenen Mauern saugen sie heimliche Säfte. Mit den Wurzeln unter der Erde sucht der Feigenbaum die Sonne, In die Öltropfen pressen sie Plasma der Sterne. erloschen während der lang anhaltenden Gewitter.
POESIE AUS KROATIEN BORIS MARUNA Aus der Ferne war es leichter dich zu lieben Pour Bernadette Aus der Ferne war es leichter dich zu lieben Dir in Nächten unendlicher literarischer Diskussionen nahe zu sein Während der Nebel über dem Meer aufstieg und eine Handbewegung jene Erinnerungen fortwischte, Die sich nicht in die Satzfolgen der Sehnsucht einfügen konnten: Nichts konnte die Vorstellung von dir trüben. Jetzt aus der Nähe zwingst du mich, dich als faulen Zahn zu spüren, Als offene Wunde, als Hämmern der Nerven, Als rohes Fleisch der Sinnlosigkeit, Als Krankheit, vor der wir beide hilflos stehen Wie vor einer wahren Verkündung des Untergangs. Einst war die Liebe ein reines und unverfälschtes Erlebnis der Einsamkeit. Wie das von Wellen bewegte Meergras Rief die Erinnerung Menschen und Landschaften herbei. Tage, fern von dir, unendliche literarische Nächte. Die Welt ohne Wirklichkeit, jedoch sie selbst und endlich Wie ein gutes Gedicht, fest von allen Seiten geschlossen Und ich im Pfeifenrauch an der Theke der fernen Meere Die uns trennen in jedem Moment der Admiral Meiner Trugbilder.
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