Zustand der Vogelwelt in der Schweiz Bericht 2022
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Im Fokus Einige im Kulturland brütende Arten profitieren von Massnahmen zur Bio diversitätsförderung und konnten 2021 deutlich zulegen. Allerdings erleiden andere wegen der intensiven Landwirt schaft nach wie vor Einbussen. Seite 6 Auf Armeearealen sind Vogelarten überdurchschnittlich gut vertreten, die offene Habitate, Feuchtbiotope, Hecken oder extensiv bewirtschaftetes Kulturland bevorzugen. Seite 8 Viele Arten kommen am Südufer des Neuenburgersees in national bedeu tenden Beständen vor. Für die Bestands überwachung und die Pflege des Gebiets ist die Association de la Grande Cariçaie zuständig. Seite 12 Das Monitoring Häufige Brutvögel (MHB) zeigt den grossflächigen Rückgang des Grünfinken gut. Grund für den Sinkflug ist ein einzelliger Parasit, der den Ver dauungstrakt befällt. Seite 14 2
Die Rötelschwalbe dehnt ihr Areal in Europa nach Norden aus. In der Schweiz wird sie seit 2000 fast jedes Jahr ge sehen. Im Frühjahr 2021 wurde der bisher stärkste Einflug registriert. Seite 20 Im Januar 2022 wurden in der Schweiz 430 000 Wasservögel gezählt, so wenige wie letztmals um 1970. Die Winter bestände von häufigen Arten wie Reiherente, Tafelente und Stockente sinken. Seite 26 Im mitteleuropäischen Vergleich fällt die positive Bestandsentwicklung der Schweizer Waldvögel seit 1990 auf. Viele Kulturlandarten haben aber ihre grössten Verluste bei uns bereits vor 1990 erlitten. Seite 32 Inhaltsverzeichnis Editorial ......................................................................................... 4 Brutvögel ....................................................................................... 6 Methodisches .............................................................................. 18 Durchzügler ................................................................................. 20 Wintergäste ................................................................................. 26 Weitere Informationen Weitere Informationen inklusive Bestands- Internationales ............................................................................ 32 entwicklung der Brutvogelarten und zusätz- Dank ............................................................................................. 34 lichen Analysen finden Sie online: www.vogelwarte.ch/zustand Impressum.....................................................................................35 3
EDITORIAL Langfristiges Monitoring zentral Als ich mich in meiner Jugend für die Vogelkunde zu interessieren begann, war der Grünfink «überall» zu finden, Feldlerche, Baumpieper und Waldlaub- sänger kamen noch relativ verbreitet vor, während der Mittelspecht selten war. Wer sich heute mit der Vogel- welt zu beschäftigen beginnt, wird die aktuelle Situation dieser Arten anders wahrnehmen. Ältere und jüngere Vogelbegeisterte weisen unterschied- liche Bezugspunkte oder «baselines» bezüglich Verbreitung und Häufigkeit von Vögeln auf, je nachdem wann sie sich mit der Vogelwelt auseinander zu setzen begannen. Aufgrund dieser «shifting baselines» nehmen wir Ver- änderungen über die Zeit unterschied- lich wahr und beurteilen diese je Die Grauammer ist im Mittelmeerraum sehr häufig. In der Schweiz wurde eine Aus- nach unseren Erfahrungswerten auch breitungswelle regional bis in die 1970er-Jahre registriert. Ab etwa den 1980er-Jahren brach der Bestand dramatisch ein. Mittlerweile gilt die Art als vom Aussterben bedroht. verschieden. Um nicht solchen subjektiven Ein- schätzungen ausgeliefert zu sein, braucht es langfristig erhobene Daten- Frühlinge in Europa und Nordamerika Anpassungen in Datenbanken und reihen. Genau solche liefern die ver- seit 1996 bezüglich Vogelgesang bringen Herausforderungen für die schiedenen Monitoringprojekte, welche leiser und weniger abwechslungsreich Datenspeicherung und die Datenana- die Schweizerische Vogelwarte in enger geworden. lyse mit sich. Zusammenarbeit mit über 2000 ehren- Die Verknüpfung von Daten der Das Shifting-Baseline-Syndrom amtlichen Mitarbeiterinnen und Mit- Vogelmonitoringprogramme mit jenen wird nicht verschwinden – aber dank arbeitern seit den 1960er-Jahren durch- aus anderen langfristigen Umwelt- langfristig angelegten Monitoring- führt. Nur dank dieser auf Kontinuität beobachtungsprogrammen kann programmen können wir und künftige ausgerichteten Monitoringprojekte helfen, Bestandsveränderungen besser Generationen besser damit umgehen. wissen wir, dass sich der Bestand des zu verstehen. Das hier bestehende Grünfinks unterhalb von 1000 m in grosse Potenzial lässt sich heute dank PD Dr. Gilberto Pasinelli den letzten zehn Jahre beinahe halbiert der inzwischen langjährigen Daten- Wissenschaftlicher Leiter hat, während der Mittelspecht derzeit reihen und der grossen Fortschritte in ein seit Beginn der systematischen Er- der statistischen Analyse, zu denen fassungen beispielloses Hoch durchläuft. auch die Monitoringdaten der Vogel- Dass Monitoringprogramme solche warte beitragen haben, ausschöpfen, Erkenntnisse liefern, wird «erwartet». beispielsweise im Zusammenhang mit Wie bei anderen Langzeitstudien liegt klimatischen Veränderungen. ein weiterer Wert von langfristigen Für den Wert von Monitoring- Überwachungsprogrammen aber auch programmen ist die Kontinuität der darin, dass sie Erkenntnisse liefern Datenerfassung entscheidend. Gleich- können, die ursprünglich nicht im Fokus zeitig bedarf es aber auch laufend Er- lagen. Ein schönes Beispiel dafür sind gänzungen bei den überwachten Arten, die Veränderungen in den örtlichen wenn sich Arten in der Schweiz aus- Gesangskulissen über die Zeit. Dank breiten, wie das derzeit etwa beim der langfristigen Monitoringprojekte Weissrückenspecht oder bei Exoten liessen sich die an verschiedenen wie der Nilgans der Fall ist. Die weiter- Orten vorkommenden Arten und so hin erfreulich zunehmende Zahl von auch die dortigen «Gesangswelten» Meldungen über ornitho.ch oder die (re-)konstruieren. Demnach sind die NaturaList-App bedingen strukturelle 4
Der Bestand des Schwarzspechts in der Schweiz hat sich seit 2000 verdoppelt. Mittlerweile ist er zwischen 400 und 1700 m weit verbreitet. Das war nicht immer so: So gab es in den 1950er- Jahren mehrere Lücken im Mittelland auch in gut untersuchten Gebieten, und seit 1993–1996 wurden das Mendrisiotto TI und einige Gebiete im Genfersee- becken neu besiedelt.
Land unter im Juli 2021 im Fanel und Chablais de Cudrefin. Nicht davon betroffen waren jene Brutvögel, deren Nachwuchs zu diesem Zeitpunkt bereits flügge war. Die Situation der Brutvögel Insgesamt zeigte sich die Bestands- dennoch vergleichsweise hoch und markanten Unterschieden. Unglücklich situation der Brutvögel 2021 in einem wären bei milderem Wetter womöglich traf es hingegen die Alpensegler. Sie be- recht erfreulichen Licht. Die guten noch leicht höher ausgefallen. nötigen für die Jungenaufzucht fast zwei Brutbedingungen im Vorjahr dürften Monate. Das nasskalte Wetter Ende Juli/ massgeblich zu dieser positiven Bilanz Auswirkungen auf den Bruterfolg Anfang August führte beispielsweise in beigetragen haben, Frühjahr und Für viele Vogelarten wird es eine den Kolonien von Burgdorf, Biel und Sommer 2020 waren überdurchschnitt- schwierige Brutsaison gewesen sein. Solothurn zum Tod von rund der Hälfte lich warm und niederschlagsarm. Der Besonders eindrücklich zeigte sich dies der fast flüggen Nestlinge. folgende Winter 2020/21 blieb in den bei den Seglern. So konnten die Mauer- Niederschlagsmengen im Juni und Niederungen grösstenteils freundlich, segler mit einem Verzug von gut drei Juli, die z.T. mehr als doppelt so hoch lediglich im Januar lag über längere Zeit Wochen, erst spät im Mai, mit der Ei- waren wie üblich, liessen die Wasser- eine geschlossene Schneedecke. Auf ablage beginnen. Sie hatten insofern stände von Flüssen und Seen zur Brut- den eher milden Winter folgte ein kalter, Glück, als ihnen für die Jungenauf- zeit sprunghaft ansteigen. Dies führte nasser Frühling 2021. Dies dürfte sich zucht ein Zeitfenster zur Verfügung zu überdurchschnittlich vielen Brut- auf die Gesangsaktivität verschiedener stand, das passable Bedingungen bot. verlusten. So fiel die Zahl gefundener Arten ausgewirkt haben. Die aus den So resultierte am Schluss ein nur leicht Familien bei Kolben- und Reiherente MHB-Kartierungen resultierenden Be- unterdurchschnittlicher Bruterfolg – bei sehr gering aus, ebenso beim Hauben- standszahlen vieler Singvögel waren allerdings von Kolonie zu Kolonie sehr taucher. Auch viele typische Bewohner 140 – 120 + ~ 100 Der Bestandsindex der Prioritätsarten Artenförderung (blau) stieg in 80 den letzten Jahren deutlich. Zu- und abnehmende Arten halten sich in Index etwa die Waage, doch sind auch etliche Arten ganz verschwunden. 60 Berechnet für alle Brutvogelarten (rot) zeigt sich eine positive Ent- 40 + wicklung. Die bunten Segmente in den Kuchendiagrammen zeigen – den Anteil Arten mit positiven (grün), negativen (rot) und neutralen 20 ~ respektive fluktuierenden Entwicklungen (blau). Die grauen respektive 0 schwarzen Segmente repräsentieren die seit 1990 neu aufgetretenen 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 bzw. verschwundenen Brutvogelarten. 6
BRUTVÖGEL 3,5 3 Wendehals 2,5 Grauspecht Grünspecht 2 Schwarzspecht Index 1,5 Buntspecht Mittelspecht 1 Kleinspecht Dreizehenspecht 0,5 0 2000 2003 2006 2009 2012 2015 2018 2021 Sämtliche Spechte ausser dem Grauspecht nahmen seit 2000 deutlich zu. Letzterer steht im Für den Bau seiner Höhle ist der Kleinspecht Zentrum eines aktuellen Forschungsprojekts der Vogelwarte. Für den Weissrückenspecht wie einige andere Spechtarten auch auf fehlen Daten zur Bestandsentwicklung. Morsch- und Totholz angewiesen. von Flüssen wie der Eisvogel oder der zulegen, zum Beispiel Schwarzkehl- äusserst sensibel auf möglicherweise Schilfgebiete wie Rohrsänger und Rohr- chen, Dorngrasmücke oder Heidelerche bevorstehende Veränderungen reagieren ammer dürften massive Brutverluste – möglicherweise eine Folge der trocken- können. So ist die positive Entwicklung verzeichnet haben. Im Juni suchten zu- warmen Sommer der Vorjahre. vieler Waldarten an die in den letzten dem mehrfach Hagelstürme grosse Teile Ihre bisherigen erfreulichen Trends Jahren eher extensive Waldbewirt- unseres Landes heim. Hagel mit Korn- fortgesetzt haben verschiedene vor- schaftung geknüpft. Der aktuelle An- grössen von bis zu 7 cm dürfte viele wiegend im Wald brütende Arten, stieg der Holzpreise, die Zunahme des Arten betroffen haben, doch sind die darunter Rotkehlchen und Blaumeise. Bedarfs an Energieholz und der gleich- Auswirkungen nicht zu beziffern. Opfer Ebenso weisen sämtliche Spechte ausser zeitige klimabedingte Rückgang der gab es u.a. unter den Weissstörchen, dem Grauspecht positive Trends auf. Produktivität vieler Wälder könnten Kormoranen und Mittelmeermöwen. Gute Bestände der «Zimmermänner des den aktuell erfreulichen Bestandsent- Waldes» werden auch anderen Höhlen- wicklungen vieler Arten ein jähes Ende Eitel Sonnenschein … brütern zugutekommen. Scheinbar un- setzen. Dies gilt insbesondere für die Etliche Arten erreichten 2021 neue gebremst positive Trends zeigen schliess- gut erschlossenen Wälder in tiefen und Höchststände. So macht sich die Arten- lich die Bestände des Weissstorchs, mittleren Lagen. förderung bemerkbar. Die positive Be- während sich bei der Mittelmeermöwe standsentwicklung der letzten Jahre von aktuell eine Trendumkehr abzeichnet. Turmfalke, Wendehals oder Wiedehopf darf auch als Erfolg der Artenförderung … oder dunkle Wolken am Horizont? Weitere Informationen gewertet werden. Einige im Kulturland Trotz erfreulicher Tendenzen darf nicht www.vogelwarte.ch/zustand/brut brütende Arten konnten ebenfalls stark vergessen werden, dass viele Arten 2,60 2,40 2,20 Anzahl Junge pro Brut 2,00 1,80 1,60 1,40 Alpensegler Mauersegler 1,20 1,00 1987 1993 1999 2005 2011 2017 2021 Diese jungen Weissstörche hatten Glück im Unglück. Nachdem sie bei In meteorologisch schwierigen Jahren wie 2021 ziehen Alpensegler (rot) einem Hagelsturm im Sommer 2021 verletzt worden waren, konnten pro Brut deutlich weniger Junge auf als Mauersegler (blau). Die Mauer- sie nach einem Aufenthalt in der Pflegestation der Vogelwarte wieder segler erzielten einen nur leicht unterdurchschnittlichen Erfolg. Angaben in die Freiheit entlassen werden. basierend auf 12 610 bzw. 26 422 Bruten im Zeitraum 1987–2021. 7
BRUTVÖGEL Das weitläufige Panzerübungsgelände des Waffenplatzes Thun umfasst auch Tümpel, Weiher, Gebüschgruppen und Ödland. Diese bilden attraktive Lebensräume für Brut- und Zugvögel, aber auch für Amphibien, Reptilien, Insekten und eine reichhaltige Flora. Zehn Jahre Brutvogel-Erhebungen auf Armeearealen armasuisse Immobilien ist eine der Breite Vielfalt von Habitaten Nicht artenreicher, aber ... grössten Landbesitzerinnen in der Die Areale von armasuisse sind über Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Schweiz. Armeeareale sind keine die ganze Schweiz verteilt. Des- mittlere Zahl der Brutvogelarten auf reine Idylle, und es gibt selbstver- halb sind die Lebensräume vielfältig Armeearealen kaum von jener in der ständlich auch hier Zielkonflikte. und reichen vom eher kahlen Flug- Normallandschaft unterscheidet. Einzel- Doch armasuisse verfügt auf seinen hafenareal im Mittelland über reich ne Quadrate schwingen zwar mit 50 und Arealen über einen überdurchschnitt- strukturierte Waffenplätze im Jura mehr Brutvogelarten, verteilt auf bis zu lich hohen Anteil an schützenswerten bis hin zu hochgelegenen Schiess- 460 Reviere, obenaus. Andere sind jedoch Lebensräumen und betreibt ein aktives plätzen in abgeschiedenen Neben- wenig spektakulär und drücken auf den Umweltmanagement. Im Vergleich tälern in den Alpen. Entsprechend Schnitt. Doch die Qualität macht den zum schweizerischen Durchschnitt vielfältig ist die Vegetation und Unterschied. Armeeareale ziehen mehr gibt es auf Armeearealen gegenwärtig ebenso unterschiedlich präsentiert Brutvogelarten an, die offene trockene mindestens dreimal so viel Fläche an sich die Zusammensetzung der Brut- Habitate oder Feuchtbiotope bevor- schützenswerten Lebensräumen. vögel. So wurden allein in der Auf- zugen, die Pionierstandorte schätzen Das Biodiversitätsmonitoring des nahmeperiode 2020/21 122 Brut- oder die Hecken und Gebüschgruppen VBS (Eidgenössisches Departement für vogelarten in den 34 Kilometerqua in eher extensiv bewirtschaftetem Kultur- Verteidigung, Bevölkerungsschutz und draten registriert. Das vom Ökobüro land besiedeln. Solche Lebensräume Sport) dokumentiert seit 2012 für die 26 Hintermann & Weber AG koordinierte sind in der Normallandschaft Mangel- grössten Waffen-, Schiess- und Militär- Überwachungsprojekt stützt sich bei ware. Entsprechend stehen viele ihrer Be- flugplätze unseres Landes die Vor- der Beurteilung der Artenzusammen- wohner auf der Roten Liste. Die Erfolgs- kommen von Brutvögeln und Gefäss- setzung und der Entwicklungen denn kontrolle belegt denn auch, dass auf pflanzen. Die Vogelwarte organisiert auch auf Vergleichsdaten, die dank Armeearealen im Vergleich zur Normal- dabei die Brutvogelaufnahmen. Diese des Biodiversitätsmonitorings Schweiz landschaft deutlich mehr Arten vor- finden im Zweijahresrhythmus in (BDM) in der «Normallandschaft» ge- kommen, die auf der Roten Liste und auf 34 Kilometerquadraten statt. wonnen werden. der Liste «Umweltziele Landwirtschaft» 8
BRUTVÖGEL Auf Waffenplatzarealen besonders wohl fühlen sich Bewohner von offenen, wenig intensiv genutzten Graslandschaften wie die Heidelerche (links). Überdurchschnittlich häufig sind auch Arten wie die Nachtigall (rechts), die Hecken und Gebüschkomplexe schätzen. stehen. Und nicht nur das: Wo sie vor- Dosierte Nutzung und gezielte des Landschaftskonzepts Schweiz zu kommen, ist oft auch ihre Revierzahl Pflege sind wichtig einem besonders achtsamen Umgang deutlich höher. Die Erhebungen 2020/21 Die Unterschiede kommen nicht von un- mit dem Naturerbe geführt. Die von auf den 34 Kilometerquadraten ergaben gefähr: Über alle 25 untersuchten VBS- der Armee genutzten Areale stehen mit 10,8 % einen bemerkenswerten An- Areale der Periode 2015–2020 betrachtet bereits heute – wie vom Aktionsplan teil bei den Revieren von Arten, die als ist dort der Anteil der Flächen mit schutz- Biodiversität gefordert – im gesamt- «stark gefährdet» (7 Reviere), «verletz- würdiger Grünland-Vegetation markant schweizerischen Vergleich vorbildlich lich» (204) oder «potenziell gefährdet» höher als in der übrigen Schweiz (32,6 vs. da. Es bedeutet für armasuisse eine (711) gelten. In der Vergleichsstichprobe 8,9 %). So liegt der Anteil Halbtrocken- grosse Herausforderung, dieses hohe für die Normallandschaft fand sich nur rasen mit rund 9,6 % besonders deutlich Niveau auch unter der aktuellen Ver- ein solcher von 7,9 %. über dem Schweizer Durchschnitt von dichtung der militärischen Nutzung auf Zu den Arten, die von VBS-Arealen etwa 2,4 %. Dasselbe gilt für die Flach- weniger Arealen halten zu können. Ge- besonders profitieren, gehören Offen- moore, Sumpfdotterblumenwiesen und mäss neuem Umweltleitbild sollen dem landarten wie Feld- und Heidelerche, Rostseggenhalden. Talfettwiesen sind VBS künftig Aktionspläne helfen, diese Braun- und Schwarzkehlchen, dann der mit 32,6 % aber auch auf VBS-Arealen Herausforderungen zu meistern. Kuckuck und Bewohner von Gebüsch- der häufigste Lebensraumtyp innerhalb gruppen und Ruderalstandorten wie des Grünlandes. Dorn-, Garten- und Klappergrasmücke, Das Naturschutzengagement der Sumpfrohrsänger, Fitis, Neuntöter und Armee hat seit Annahme der Rothen- Goldammer. thurm-Initiative und der Verabschiedung Schwarzkehlchen VBS-Areale Normallandschaft Nachtigall Kuckuck Heidelerche Bluthänfling Gartengrasmücke Feldlerche Dorngrasmücke 0 10 20 30 40 50 60 70 Anteil der Kilometerquadrate (%) Seit 2012 finden auf 26 VBS-Arealen Erhebungen der Brutvögel und Anteil der Kilometerquadrate mit Vorkommen ausgewählter Arten. Gefässpflanzen statt. Hier dargestellt sind die 34 Kilometerquadrate, Vergleich zwischen VBS-Arealen (n = 34) und MHB/BDM-Quadraten in in denen Brutvögel kartiert werden (rot). Die blauen Quadrate aus der Normallandschaft (n = 165), Zeitraum 2016–2020. dem MHB- und BDM-Netz bilden das Vergleichsset, bestehend aus Flächen mit ähnlichen Lebensräumen und Höhenlagen. 9
Die Zahl der pro Jahr gefundenen Reviere des Rotsternigen Blaukehlchens stieg seit dem ersten Brutnachweis 1980 auf heute etwa acht Reviere. Mindestens ein Teil der Zunahme dürfte auf die erhöhte Beobachtungsintensität zurückgehen. Auf der Spur seltener Brutvögel Für viele Arten lassen sich die Brut- Monitoringprogramme für verlässliche Dabei ist gerade in Feuchtgebieten bestände und deren Entwicklungen Aussagen nicht aus. wie der Grande Cariçaie die Zusammen- mit dem Monitoring Häufige Brut- Bei den Vogelarten des Monitorings arbeit mit lokalen Organisationen vögel (MHB) oder dem Monitoring Ausgewählter Arten (MAA) wird jähr- sowie Ornithologinnen und Ornitho- Brutvögel in Feuchtgebieten (MF) lich anhand verschiedener Datenquellen logen für die Erhebung der Brut- gut dokumentieren. Doch für etwa der Brutbestand pro Gebiet abgeschätzt. bestände zentral. Bei Koloniebrütern die Hälfte der rund 210 Brutvogel- Aufsummiert erhält man so für viele sind lokale Kolonieüberwachende arten, namentlich in Kolonien Arten den Schweizer Bestand. Abhängig für die Bestandserhebung essenziell. nistende, selten brütende oder aus vom Verhalten der Art wird jeweils die Eine wichtige Datengrundlage bilden Gefangenschaft stammende bzw. ein- Zahl der Reviere, der Paare mit Brutver- auch die auf ornitho.ch erfassten Be- geführte Arten, reichen diese zwei such oder der Brutnachweise ermittelt. obachtungen, beispielsweise zu neu 16 30 14 25 12 20 Anzahl Paare Anzahl Familien 10 8 15 6 10 4 5 2 0 0 2005 1990 1995 2000 2010 2015 2020 1959 1964 1969 1974 1979 1984 1989 1994 1999 2004 2009 2014 2019 Von der Schnatterente werden seit 1983 jedes Jahr wenige Familien Die Wiederansiedlung des Bartgeiers in der Schweiz ist eine Erfolgs- entdeckt. Die langfristig positive Entwicklung der Anzahl Brutpaare geschichte und zeigt, wie wichtig ein langer Atem ist, denn erste auf niedrigem Niveau geht einher mit einer deutlichen Zunahme der Auswilderungen erfolgten in der Schweiz bereits 1991. Daten der überwinternden Schnatterenten seit 1967 und besonders nach 1990. Stiftung Pro Bartgeier. 10
BRUTVÖGEL gegründeten Kolonien oder seltenen der ornitho-App NaturaList geschaffen. abspeichert, wurde in den letzten drei Brutvogelarten ausserhalb von So können heute die Daten für die Jahren modernisiert. Ein neues Daten- Feuchtgebieten. Überwachungsprojekte von Saat- banksystem vereinfacht räumliche Aus- krähe, Dohle, Uferschwalbe und Wald- wertungen sowohl bei der Analyse Immer mehr Erfassungen direkt schnepfe direkt im Feld erfasst werden. der Beobachtungsdaten als auch bei im Feld möglich Zudem lassen sich Alpenschneehuhn- Abfragen. Bei der Erfassung der Daten gab und Birkhuhnzählungen seit längerem es in den letzten Jahren grössere via ornitho.ch melden. Die Datenein- Modernisierungsschritte: Für einen gabe via NaturaList und ornitho.ch wird Teil der Arten, die mit speziellen in den nächsten Jahren auf weitere Monitoringprojekten abgedeckt Arten ausgedehnt. Weitere Informationen werden, wurden Möglichkeiten zur Auch die Datenbank, welche die www.vogelwarte.ch/zustand/brut digitalen Erfassung direkt im Feld mit Brutbestände der verschiedenen Arten 8 18 7 16 14 6 Anzahl Reviere 12 5 Anzahl Reviere 10 4 8 3 6 2 4 1 2 0 0 1958 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2008 2013 2018 1952 1957 1962 1967 1972 1977 1982 1987 1992 1997 2002 2007 2012 2017 Nach dem ersten Brutnachweis des Brachpiepers in der Schweiz im Der erste Brutnachweis der Sperbergrasmücke in der Schweiz stammt Jahr 1958 blieb das Vorkommen zuerst unstet. Ab den 1980er-Jahren aus dem Jahr 1952. Nach einem Höhepunkt Anfang der 1990er-Jahre wurden regelmässiger Reviere gefunden, in den letzten Jahren im ist die Zahl der Reviere wieder deutlich gesunken. Dieser Rückgang Mittel 3–4. deckt sich mit der Entwicklung in Gesamteuropa, wo die Bestände in den 1990er-Jahren ebenfalls stark abnahmen. Seit der ersten Brut 2003 hat sich die bei uns nicht heimische, afrikanische Nilgans stark ausgebreitet. In den letzten Jahren wurden regelmässig über 25 Bruten nachgewiesen. 11
BRUTVÖGEL Die Grande Cariçaie – das grösste Feuchtgebiet der Schweiz Neuenburgersees wurde damals um fast drei Meter abgesenkt. Das brachte an seinem Südufer einen stellenweise mehr als einen Kilometer breiten Sand- streifen zum Vorschein, der als neuer Lebensraum nach und nach von der Feuchtgebietsflora und -fauna in Besitz genommen wurde. Die Grande Cariçaie ist also eine unfreiwillige Kompensations- fläche für die früheren, mittlerweile ver- schwundenen weitläufigen Moorland- schaften des Dreiseenlandes, auch wenn sie bei weitem nicht deren Aus- dehnung erreicht. Die Zweite Juragewässerkorrektion der 1960er- und 1970er-Jahre hatte Die Grande Cariçaie zeichnet sich durch ein Mosaik mit verschiedenen feuchten Lebens- eine starke Reduktion der Wasserstands- räumen wie Auenwälder, Feuchtwiesen, Teiche und Schilfgürtel aus. schwankungen zur Folge und damit eine geringere Überschwemmungshäufigkeit der ufernahen Sumpfgebiete. Zusammen Seit 1850 wurden in der Schweiz Ein junges, pflegebedürftiges Juwel mit der Erosionskraft von Wellen und mindestens 90 % der Feuchtgebiete Die Grande Cariçaie besteht noch nicht Strömungen führte dies in der Grande zerstört. Die verbliebenen Reste spielen lange, denn sie ist bei der Ersten Jura- Cariçaie zu einem kontinuierlichen Verlust deshalb für die Erhaltung zahlreicher gewässerkorrektion in den 1870er- des Feuchtgebietsareals zugunsten von sumpfbewohnender Arten eine ent- Jahren entstanden. Mit diesem Gross- See- und Waldflächen. Diese Entwicklung scheidende Rolle, allen voran die projekt war es möglich, die über- in den Sumpfflächen, welche die meisten Grande Cariçaie am Südostufer des schwemmungsgefährdeten Ebenen im Prioritätsarten beherbergen, machte ein Neuenburgersees. Es ist die grösste an Dreiseenland zu «sanieren» und die ört- umfangreiches Programm von Unter- ein Seeufer grenzende Verlandungs- liche Bevölkerung vor den Aare-Hoch- haltsarbeiten notwendig, das seit 1982 zone der Schweiz. wassern zu schützen. Der Pegel des umgesetzt wird. Im Lauf der Zeit kamen 120 180 160 100 140 80 120 Anzahl Reviere Anzahl Reviere 100 60 80 40 60 40 20 20 0 0 2003 2006 2009 2012 2015 2018 2021 2003 2006 2009 2012 2015 2018 2021 Ein Drittel des schweizerischen Bestands des Drosselrohrsängers ist am Die Revierzahlen des Fitis am Südufer des Neuenburgersees scheinen Südufer des Neuenburgersees ansässig. Der Trend ist hier wie im Rest sich nach einem Rückgang zu Beginn der 2000er-Jahre wieder zu des Landes positiv. stabilisieren. 12
BRUTVÖGEL viele weitere Aufgaben dazu, darunter der rechtliche Schutz des Gebiets, der Gut überwachte Vogelwelt Aufbau von Infrastrukturanlagen zum Ein so bedeutendes Gebiet muss auch sorgfältig überwacht werden. Seit 1982 ist dies Sache Empfang und zur Information der Be- der Association de la Grande Cariçaie, die dafür zurzeit mehr als zehn Angestellte einsetzt. Die Überwachung der Vögel ist sehr umfangreich und einige Monitorings laufen schon seit völkerung sowie die Bestandsüber- über 70 Jahren. Dazu gehören die Bestandserhebungen in Brutkolonien von Enten, Möwen wachung von Prioritätsarten. Heute ist und Seeschwalben durch Freiwillige von Nos Oiseaux bzw. der Ala sowie die winterlichen die Association de la Grande Cariçaie für Wasservogelzählungen. Das zuletzt genannte Projekt hat schon spannende Entwicklungen alle Arbeiten im Gebiet zuständig. aufgezeigt, etwa im Zusammenhang mit Jagdverboten, mit der Einwanderung der Wander- muschel oder mit der verbesserten Wasserqualität. Seit den 1980er-Jahren werden in drei Sektoren der Grande Cariçaie auch die häufigeren Bedeutender Artenreichtum Feuchtgebietsarten auf Rasterflächen kartiert, um die Auswirkungen der Pflegearbeiten zu Die einzigartige biologische Vielfalt der verfolgen und das Management zu optimieren. Dabei zeigte sich zum Beispiel, dass die Grande Cariçaie umfasst nicht weniger maximale Vogeldichte 4–6 Jahre nach einer Mahd erreicht wird. Im Lauf der Zeit sind weitere ergänzende Überwachungsprojekte dazugekommen. als einen Viertel der Schweizer Flora und Fauna. 16 der 20 einheimischen Winter Amphibienarten sind hier beobachtet Winter und Brutperiode worden, und bei den Vögeln sind Brutperiode 340 Arten nachgewiesen! Besonders wertvoll ist allerdings der hier ansässige 1 Wasservogelzählung/Jahr Anteil des Schweizer Brutbestands ge- 8 Wasservogelzählungen/Jahr wisser Arten; bei Haubentaucher, Rohr- 12 Wasservogelzählungen/Jahr schwirl, Bartmeise und verschiedenen Möwenarten beträgt dieser mehr als Bestandserhebungen von Koloniebrütern einen Drittel des Schweizer Bestands. Von den national prioritären Vogelarten 8 Kartierungen/Jahr auf 3 Rasterflächen kommen 13 in der Grande Cariçaie vor, 10 Kartierungen/Jahr im gesamten Gebiet und dies in ansehnlichen Beständen. Dank erfolgreichen Lebensraumschutz- 7 Beringungsperioden/Jahr in Champ-Pittet massnahmen sind ihre Bestände in den letzten Jahrzehnten im Durchschnitt 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2022 konstant geblieben. Geschichte der systematischen Vogelerhebungen in der Grande Cariçaie. 120 100 80 Anzahl Reviere 60 40 20 0 2003 2006 2009 2012 2015 2018 2021 Der Bestand des Pirols am Südufer des Neuenburgersees ist bemerkens- Weitere Informationen wert stabil. www.vogelwarte.ch/zustand/brut 13
BRUTVÖGEL Aktuelle Trends aus dem MHB: Der Grünfink wird zum Sorgenkind Ein kleiner Einzeller als tödliche Gefahr Als Grund für die Baisse bei den Grün- finken wurde Trichomonas gallinae eruiert. Es handelt sich dabei um einen Einzeller, der vorab den oberen Verdauungstrakt der Vögel befällt. Massensterben von Grün- und Buch- finken wurden erstmals 2005 in Gross- britannien vermeldet. Von dort breitete sich das Phänomen rasch auf weite Teile Europas aus. Während die übrigen Finken kaum Rückgänge zeigten, brachen die Grünfinkenbestände in vielen Ländern ein. In Finnland und Grossbritannien gingen sie um bis zu zwei Drittel zurück, lediglich in den Niederlanden blieben die Bestände Bis vor zehn Jahren war der Grünfink häufig. Seither gingen seine Bestände stark zurück. wider Erwarten hoch. Die Gründe für diese unterschiedlichen Bestandsent- wicklungen und die offenbar höhere Bis vor wenigen Jahren war der Grün- Monitoring Häufige Brutvögel (MHB) Anfälligkeit des Grünfinken im Ver- fink überall in den Niederungen ein ist die Entwicklung gut dokumentiert. gleich zu anderen Finkenarten sind häufiger Brutvogel. Im Winter sah Der grossflächige Rückgang zeigt derzeit unklar. Die Entwicklung über man ihn an fast jeder Futterstelle sich in den tieferen Lagen beid- die letzten Jahre lässt keine baldige Er- und zur Brutzeit war er aus vielen seits der Alpen und betrifft somit holung der Bestände erwarten. Gärten, Parkanlagen, Obstgärten, das Hauptverbreitungsgebiet dieser Rebbergen und Waldrändern kaum Art in der Schweiz. Unterhalb von Dämpfer für die Felsenschwalbe wegzudenken. Ab 2012 erfolgte ein 1000 m hat sich die Population über Im Brutvogelatlas 2013–2016 wurde plötzlicher Einbruch um rund 40 %, die letzten zehn Jahre fast halbiert. die langfristige Expansion der Felsen- von dem sich die Art bislang nicht Günstiger ist die Situation in Lagen schwalbe gut dokumentiert. Mittler- erholt hat. Aufgrund dieses un- über 1000 m, wo die Art zwar viel weile hat sich die Art in vielen Alpen- erwarteten Rückganges musste die spärlicher ist, ihren Bestand aber tälern und stellenweise auch am Art neu als «potenziell gefährdet» mehr oder weniger hat halten Alpenrand und im Mittelland zum (NT) eingestuft werden. Dank dem können. Kulturfolger gemausert. Das MHB 4 3,5 3 2,5 2 Index 1,5 1 0,5 0 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 Diese in Tarragona an der spanischen Mittelmeerküste aufgefundenen Felsenschwalben (links) waren aufgrund der Kälte verhungert. Der Index (rechts) zeigt einen Rückgang von 2020 auf 2021 um rund die Hälfte. 14
BRUTVÖGEL 2 1,2 > 1000 m ü.M. Mittelland 1,8 < 1000 m ü.M. 1 Jura 1,6 Alpennordflanke 0,8 1,4 Index Index 1,2 0,6 1 0,4 0,8 0,2 0,6 0 0 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 Der Bestand des Grünfinken unterhalb von 1000 m hat sich seit 2012 Die Feldlerchenbestände im Mittelland und Jura sinken stetig. Einzig halbiert. Darüber konnte er sich halten. Allerdings lebt nur rund ein die kleine Population in den Alpen kann sich nach einem starken Zehntel der Schweizer Grünfinken oberhalb von 1000 m. Rückgang bis etwa 2009 vorläufig halten. zeigte, dass die Zunahme weiter- Situation in Regionen, in denen haupt- gekoppelt. Weil dieser sich aufgrund ging. Der Winter 2020/21 bewirkte sächlich Viehzucht betrieben wird. So der Klimaerwärmung vorverschiebt, nun einen erheblichen Rückschritt. hat sich die Zahl der Reviere im Jura seit würden die zu spät eintreffenden Zug- Ein kräftiger Wintereinbruch an der 1999 mehr als halbiert. vögel diese kurze optimale Periode ver- spanischen Mittelmeerküste forderte passen. Gemäss einer neuen britischen viele Opfer – darunter dürften sich Trauerschnäpper: Studie vermögen die Vögel dieser Falle auch zahlreiche Vögel aus der Schweiz besser als befürchtet zumindest teilweise zu entgehen. Auch befunden haben. Das MHB belegt Schon vor etlichen Jahren warnten in der Schweiz schlagen sich die Trauer- einen Rückgang auf rund die Hälfte Studien aus verschiedenen Ländern, schnäpper bislang erfolgreich. Der Be- des Bestands von 2020. In vielen Fällen dass die Situation für den Trauer- stand hat sich bei starken jährlichen zeigten Kurzstreckenzieher in den schnäpper schwieriger werden dürfte. Schwankungen in Lagen oberhalb von letzten Jahren deutlich positivere Ent- Man weiss von dieser gut untersuchten 1000 m seit 1999 um rund 50 % er- wicklungen als ihre südlich der Sahara Art, dass ihr Bruterfolg stark vom höht. Im Hauptverbreitungsgebiet, d.h. überwinternden Verwandten. So sind richtigen «Timing» abhängig ist. Die für in Lagen unterhalb von 1000 m, hat er bei Zilpzalp und Fitis die gegenläufigen die Jungenaufzucht benötigte Insekten- sich sogar verdoppelt. Trends offensichtlich. Der Einbruch der nahrung ist mit dem Laub austrieb Felsenschwalbe illustriert jedoch, dass auch Arten, die ganzjährig in Europa ausharren, erheblichen Risiken aus- 2,5 gesetzt sind. > 1000 m ü.M. 2 < 1000 m ü.M. Vogel des Jahres im steten Niedergang 1,5 BirdLife Schweiz hat die Feldlerche Index 1 zum Vogel des Jahres ernannt. Auf- merksamkeit hat diese bedrohte Vogel- 0,5 art denn auch tatsächlich nötig. Zwar scheint sich der eher kleine Bestand in 0 den Alpen einigermassen zu halten. 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 Doch im Mittelland, am Alpennordrand und im Jura weisen die Trends aus dem Der Trauerschnäpper hat sein Hauptareal in den tieferen Lagen der MHB einen praktisch ungebrochenen Deutschschweiz. Die Bestände schwanken erheblich und variieren Rückgang aus. Besonders trist ist die regional, halten sich aber insgesamt gut. 15
BRUTVÖGEL Brutvögel der Schweiz Bestandsentwicklung von 176 regelmässigen Brutvogelarten1 der Schweiz im vollständigen Untersuchungszeitraum (1990– 2021) und in den letzten zehn Jahren (2012–2021). Ein Trend +++ bzw. – – – bedeutet eine Veränderung um mehr als Faktor 5, ein Trend ++ bzw. – – eine Veränderung zwischen Faktor 2 und 5 und ein Trend + bzw. – eine Veränderung um weniger als Faktor 2. Das Zeichen • zeigt, dass keine statistisch signifikante Veränderung festgestellt wurde, was bei schwankenden oder stabilen Beständen sowie bei sehr schwacher Datengrundlage der Fall ist. Die Farben in den letzten beiden Spalten zeigen den Status auf der Roten Liste (RL) der Schweiz: rot = CR – vom Aussterben bedroht (Critically Endangered), hellrot = EN – stark gefährdet (Endangered), gelb = VU – verletzlich (Vulnerable), hellgrün = NT – potenziell gefährdet (Near Threatened), grün = LC – nicht gefährdet (Least Concern). Art Trend Trend RL RL Art Trend Trend RL RL 1990–2021 2012–2021 2010 2021 1990–2021 2012–2021 2010 2021 Wachtel • • LC VU Mittelmeermöwe +++ • LC LC Steinhuhn • ++ NT VU Flussseeschwalbe ++ + NT NT Rebhuhn ––– ––– CR CR Schleiereule – + NT NT Haselhuhn • • NT NT Sperlingskauz • • LC LC Alpenschneehuhn4 – • NT NT Steinkauz ++ + EN EN Auerhuhn – • EN EN Raufusskauz – • LC NT Birkhuhn + • NT NT Zwergohreule ++ ++ EN EN Eiderente • • VU EN Waldohreule³ • • NT LC Gänsesäger ++ + VU NT Waldkauz² + LC LC Kolbenente +++ • NT NT Uhu • + EN VU Tafelente • • EN EN Wespenbussard + • NT NT Reiherente + • VU VU Bartgeier +++ ++ CR CR Schnatterente ++ • EN VU Steinadler + + VU NT Stockente + • LC LC Sperber • • LC LC Zwergtaucher • • VU NT Habicht + • LC NT Haubentaucher – – LC NT Rotmilan +++ + LC LC Schwarzhalstaucher • • VU VU Schwarzmilan² • LC LC Hohltaube ++ ++ LC LC Mäusebussard + • LC LC Ringeltaube ++ + LC LC Wiedehopf + • VU VU Turteltaube –– – NT EN Bienenfresser +++ +++ EN VU Türkentaube + + LC LC Eisvogel + • VU VU Ziegenmelker – • EN EN Wendehals • + NT NT Alpensegler ++ + NT NT Grauspecht –– – VU EN Fahlsegler ++ • VU VU Grünspecht³ + + LC LC Mauersegler² • NT NT Schwarzspecht ++ + LC LC Kuckuck + + NT NT Dreizehenspecht • + LC LC Wasserralle • + LC LC Mittelspecht ++ + NT NT Wachtelkönig • • CR CR Kleinspecht + + LC LC Tüpfelsumpfhuhn ++ • VU VU Buntspecht ++ • LC LC Kleines Sumpfhuhn +++ • VU VU Turmfalke ++ + NT NT Teichhuhn + + LC LC Baumfalke + + NT NT Blässhuhn + • LC LC Wanderfalke + – NT VU Weissstorch ++ ++ VU NT Pirol + + LC LC Zwergdommel + • EN EN Neuntöter – + LC NT Graureiher + + LC LC Rotkopfwürger ––– • CR CR Purpurreiher +++ • CR CR Alpenkrähe ++ + EN EN Kormoran +++ ++ LC LC Alpendohle² • LC LC Flussregenpfeifer • • EN EN Eichelhäher + • LC LC Kiebitz • + CR EN Elster ++ + LC LC Grosser Brachvogel ––– • CR CR Tannenhäher • • LC LC Waldschnepfe – • VU VU Dohle + • VU NT Bekassine ––– • CR CR Saatkrähe +++ ++ LC LC Flussuferläufer • + EN EN Kolkrabe + • LC LC Lachmöwe –– – EN EN Rabenkrähe ++ • LC LC Schwarzkopfmöwe • • VU VU Tannenmeise² • LC LC Sturmmöwe • • EN VU Haubenmeise + • LC LC 16
BRUTVÖGEL Art Trend Trend RL RL Art Trend Trend RL RL 1990–2021 2012–2021 2010 2021 1990–2021 2012–2021 2010 2021 Sumpfmeise + • LC LC Blaukehlchen ++ • VU VU Mönchsmeise² + LC LC Nachtigall + • NT LC Blaumeise ++ • LC LC Trauerschnäpper² • LC LC Kohlmeise + • LC LC Hausrotschwanz + + LC LC Heidelerche + ++ VU VU Gartenrotschwanz • • NT NT Feldlerche – • NT VU Steinrötel – • LC LC Bartmeise + • VU VU Blaumerle • • EN EN Orpheusspötter + + NT NT Braunkehlchen – + VU VU Gelbspötter ––– • VU EN Schwarzkehlchen ++ + NT NT Sumpfrohrsänger • • LC LC Steinschmätzer + + LC LC Teichrohrsänger • + LC LC Wintergoldhähnchen + • LC LC Drosselrohrsänger ++ + NT NT Sommergoldhähnchen • • LC LC Rohrschwirl + + NT NT Alpenbraunelle – • LC LC Feldschwirl + • NT NT Heckenbraunelle + • LC LC Mehlschwalbe – • NT NT Haussperling + + LC LC Rauchschwalbe • + LC NT Feldsperling + • LC LC Felsenschwalbe ++ + LC LC Schneesperling – • LC NT Uferschwalbe – ++ VU EN Baumpieper – • LC NT Berglaubsänger ++ + LC LC Wiesenpieper –– • VU VU Waldlaubsänger –– –– VU VU Bergpieper + + LC LC Fitis –– – VU VU Brachpieper • • EN EN Zilpzalp + + LC LC Schafstelze • • NT VU Schwanzmeise + • LC LC Gebirgsstelze • • LC LC Mönchsgrasmücke + + LC LC Bachstelze – • LC LC Gartengrasmücke – – NT VU Buchfink + • LC LC Sperbergrasmücke ––– ––– VU VU Kernbeisser + • LC LC Klappergrasmücke + + LC LC Karmingimpel + • VU EN Dorngrasmücke + + NT NT Gimpel – • LC LC Gartenbaumläufer + + LC LC Grünfink – – LC NT Waldbaumläufer ++ • LC LC Bluthänfling + + NT LC Kleiber – – LC LC Birkenzeisig • –– LC LC Mauerläufer • • LC LC Fichtenkreuzschnabel² • LC LC Zaunkönig + • LC LC Stieglitz • + LC LC Wasseramsel + • LC LC Zitronenzeisig – • LC NT Star + + LC LC Girlitz • + LC LC Misteldrossel + + LC LC Erlenzeisig² • LC LC Singdrossel + • LC LC Grauammer –– –– VU CR Amsel + • LC LC Zippammer + • LC LC Wacholderdrossel –– – VU LC Ortolan ––– ––– CR CR Ringdrossel – • VU NT Zaunammer + ++ NT NT Grauschnäpper – • LC NT Goldammer • – LC LC Rotkehlchen + + LC LC Rohrammer – + VU NT 1 Eingeschlossen sind jene Arten, die seit 1990 mindestens einmal zu den regelmässigen Brutvögeln ge- zählt haben (d.h. sie haben in 9 von 10 aufeinanderfolgenden Jahren gebrütet), und für die wir die nö- Weitere Informationen tigen Datengrundlagen haben. Ohne eingeführte Arten (z.B. Höckerschwan, Rostgans, Jagdfasan) sind www.vogelwarte.ch/zustand/brut dies 179 Arten. Für Weissrückenspecht, Halsbandschnäpper und Italiensperling kann wegen fehlender Daten keine Einschätzung vorgenommen werden. 2 Untersuchungszeitraum 1999–2021 Literaturhinweise 3 Untersuchungszeitraum 1996–2021 Müller, C. (2022): Seltene und bemerkens- 4 Untersuchungszeitraum 1995–2021 werte Brutvögel 2021 in der Schweiz. Ornithol. Beob. 118 (im Druck). Knaus, P., S. Antoniazza, V. Keller, T. Sattler, Unregelmässig und ausnahmsweise brütende Arten H. Schmid & N. Strebel (2021): Rote Liste der Brutvögel. Gefährdete Arten der Schweiz. Seit 2000 haben weitere 26 Arten unregelmässig oder nur ausnahmsweise in Umwelt-Vollzug Nr. 2124. Bundesamt für der Schweiz gebrütet. Deren Brutvorkommen werden möglichst lückenlos do- Umwelt (BAFU), Bern, und Schweizerische kumentiert (Tabelle im Internet unter «Weiterführende Analysen» verfügbar). Vogelwarte, Sempach. 17
METHODISCHES Abnehmende akustische Vielfalt Eines der Hauptmerkmale der Vögel ist 0,2 0,2 ihr vielfältiger Gesang. Wenn viele Ge- Index für akustische Diversität Index für akustische Diversität sänge zusammen ertönen, kreieren sie 0,1 0,1 eine eigene Klangwelt («Soundscape»). Mit sich verändernden Vogelpopula tionen über die Zeit wandeln sich auch 0 0 die Klangwelten. Doch wie misst man Gesangskulissen, sind allgemeine Trends –0,1 –0,1 über die Zeit und einen grösseren Raum erkennbar? Eine internationale Studie unter Mitwirkung der Vogelwarte hat –0,2 –0,2 diese Fragen untersucht. 1996 2001 2006 2011 2016 1998 2003 2008 2013 2018 Entwicklung der rekonstruierten Gesangskulisse in Nordamerika (links) und Europa (rechts) Rekonstruierte Gesangskulissen über den betrachteten Zeitraum von 20 Jahren. Die Studie basiert auf Daten aus lang- fristigen Monitoringprojekten aus Europa und Nordamerika, die von In Europa verringerte sie sich vor allem Wohlbefinden von Menschen haben. Freiwilligen erhoben werden. Aus im Westen und Nordwesten, während Das Schreckensszenario von Rachel der Schweiz wurden die Ergebnisse sie im Süden und Nordosten des Carsons Buch von 1962 eines gänzlich des Monitorings Häufiger Brutvögel Kontinents teilweise auch anstieg. «Stummen Frühlings» wird in abseh- (MHB) verwendet. In Kombination barer Zeit zum Glück nicht eintreffen. mit Gesangsaufnahmen von der Platt- Vogelgesang für bessere Erholung Die abnehmende akustische Vielfalt hat form xeno-canto.org wurden für jeden Die Veränderungen der Vogelgemein- aber schon jetzt subtile Auswirkungen Monitoringstandort Gesangskulissen bis schaften der letzten Jahrzehnte führen auf die Erlebniswelt der Menschen. zurück in die 1990er-Jahre rekonstruiert. also auch zu verarmenden Gesangs- Auf diese Weise entstanden Gesangs- kulissen. Zu den Arten, die in der kulissen für mehr als 200 000 Orte in Schweiz seit den 1990er-Jahren zurück- Weitere Informationen Europa und Nordamerika, die dann gegangen sind, gehören Feldlerche, www.vogelwarte.ch/zustand/brut bezüglich akustischer Vielfalt analysiert Braunkehlchen und Baumpieper. wurden. Dabei wurden nicht nur die Vielfältiger Vogelgesang ist nicht vorkommenden Arten, sondern auch nur ein Erlebnis für Beobachterinnen ihre Häufigkeit und Gesangsfreudigkeit und Beobachter. Er führt für die Be- berücksichtigt. völkerung auch zu einer besseren Er- Literaturhinweis Morrison, C. A. et al. (2021): Bird population Demnach ging die akustische Viel- holung im Freien. Der schleichende Ver- declines and species turnover are changing falt der Vogelstimmen in Europa seit lust der akustischen Vielfalt kann somit the acoustic properties of spring soundscapes. 1996 stärker zurück als in Nordamerika. Auswirkungen auf das psychische Nature Communications 12: 6217. Wandel in der Landschaft führen zu anderen Vogelgemeinschaften, was auch die Klangwelten im Frühling verändert. Bereits nach 15 Jahren (2005 links, 2020 rechts) sind in diesem Ausschnitt etliche Veränderungen wahrnehmbar. 18
Die Feldlerche mit ihrem charakteristischen Singflug ist leider vielerorts verschwunden oder selten geworden. Dies führt zu einem grossen Verlust für die entsprechende Gesangskulisse.
Zwischen den über Seen und Flüssen fliegenden Schwalben ist die Rötelschwalbe an ihrem rostroten Bürzel einfach zu erkennen. Wetterkapriolen beim Heimzug Praktisch in jedem Frühjahr gibt es Nordbalkan weiter nach Norden vor. Seit selten. Dass sich im Mai 2021 zwei Schlechtwettertage, die Durchzügler in 2000 wird sie fast jedes Frühjahr auch Rötelschwalben im Neeracherried ZH grosser Zahl zur Rast zwingen. 2021 war in der Schweiz gesichtet, wobei trotz über sechs aufeinanderfolgende Tage das ganz ausgeprägt der Fall, denn der periodisch grosser Schwankungen ein all- hinweg feststellen liessen, ist deshalb April war der kühlste der letzten 20 Jahre gemeiner Aufwärtstrend zu verzeichnen sehr ungewöhnlich. und der Mai sogar der kälteste und ist. Im Frühling 2021 wurde der bisher nasseste seit Messbeginn 1864. Unter stärkste Einflug registriert: Zwischen Weitere Rekorde den Schwalben, die sich unter diesen dem 11. April und dem 5. Juni wurden Auch bei anderen Zugvogelarten er- Umständen in grosser Zahl über Seen Rötelschwalben aus mehr als 30 Kilo- reichten die Zahlen auf dem Früh- und Flüssen versammeln, sind ab und meterquadraten gemeldet; das Mittel der jahrszug Werte, die seit 1990 nicht zu auch einzelne Rötelschwalben zu ent- letzten fünf Jahre liegt bei 16 Quadraten. mehr registriert worden sind. So lag decken. Diese Art hat ab den 1960er- Abgesehen von den Tallagen im Wallis der Auftretensindex der Schwarzkopf- Jahren Frankreich und Italien besiedelt und Tessin, wo die Vögel oft mehrere möwe 2,5-mal so hoch wie der Durch- und dringt seither auf der Iberischen Tage lang verweilen, sind Beobachtungen schnitt der letzten zehn Jahre. Im Fanel Halbinsel, in Südfrankreich und im vom selben Ort über mehr als zwei Tage BE und in Prévérenges VD wurden März April Mai Juni Juli 2021 Ø 2011–2020 8 Auftretensindex 6 % 4 2 0 15 20 25 30 35 40 Pentaden Rötelschwalben werden bei uns am ehesten an Seen und Flüssen ent- Zwar konzentrierten sich die Rötelschwalbenbeobachtungen auch deckt, wie die Karte mit den Beobachtungsorten von 2021 (rot) und 2021 auf die Monate April und Mai, der Auftretensindex lag in diesem aus den Jahren zuvor (gelb) zeigt. Jahr (rot) aber viel höher als im Mittel der Jahre 2011–2020 (blau). 20
DURCHZÜGLER März April Mai 80 2021 Ø 2011–2020 60 Auftretensindex 40 20 0 10 15 20 25 30 35 40 Pentaden In der Schweiz werden Rotkehlpieper hauptsächlich auf dem Früh- Rotkehlpieper werden vor allem im Mittelland beobachtet. Die Karte jahrszug festgestellt, der um den Monatswechsel April/Mai kulminiert. zeigt den Höchstwert der Vögel pro Kilometerquadrat im Frühling Der Auftretensindex 2021 (rot) ist viel höher als der Mittelwert der 2021 zwischen dem 11. April und dem 17. Mai: gelb = 1–3 Ind., letzten zehn Jahre (blau). orange = 4–10 Ind., rot = 11–14 Ind.; weiss sind Orte mit Frühjahrs- beobachtungen aus früheren Jahren dargestellt. Schwarzkopfmöwen im April und Mai 2011–2020. Der erste Schweizer Nach- Während von 2001 bis 2020 aus dieser praktisch täglich beobachtet, maximal weis des Rotkehlpiepers stammt aus dem Periode durchschnittlich nur 7 Arten vom waren es 18 bzw. 17 Vögel. Der Höchst- Jahr 1951; seit Mitte der 1960er-Jahre Sempachersee gemeldet wurden, waren wert des Frühjahrs wurde mit 33 Vögeln wird er bei uns im Frühling und Herbst es 2021 nicht weniger als 19! Noch ein- am 26. April bei Yverdon VD erreicht. Im regelmässig beobachtet. drücklicher war die Summe der Tages- Herbst kommen so grosse Trupps recht maxima der Limikolen zwischen Juli und regelmässig vor, im Frühling sind sie da- Denkwürdige Überschwemmungen September: 2021 lag dieser Wert bei gegen viel seltener: Vor 2021 waren nur Als Folge der Hochwasser des Sommers 3829, im Mittel der Jahre 2001–2020 vier Meldungen von Frühjahrstrupps mit 2021 wurden manche überflutete jedoch nur bei 61. Auch wenn es sich mehr als 15 Individuen bekannt. Uferbereiche für gewisse Durchzügler um eine aussergewöhnliche und gebiets- Auch beim Rotkehlpieper war der wie Watvögel zu willkommenen Rast- weise dramatische Wettersituation ge- Frühjahrszug 2021 der stärkste seit habitaten. Das geschah etwa am handelt hat, zeigt dieses Beispiel, dass als 1990; die Zahl der Beobachtungsorte lag Sempachersee LU, wo sich zwischen Rastplatz geeignete Lebensräume, selbst doppelt, der Auftretensindex sogar vier- Juli und September Limikolen in un- wenn sie nur kurze Zeit bestehen, von mal so hoch wie der Mittelwert der Jahre gewohnt grosser Zahl versammelten. Zugvögeln sofort genutzt werden. März April Mai 2021 60 Ø 2011–2020 Auftretensindex 50 40 30 20 10 0 10 15 20 25 30 35 40 Pentaden Gemäss dem Auftretensindex war der Heimzug der Schwarzkopf- Limikolen wie Sandregenpfeifer, Alpen- und Zwergstrandläufer sowie möwe 2021 (rot) im Vergleich zum Mittel der Jahre 2011–2020 (blau) Krick-, Knäk- und anderen Schwimmenten fanden am Sempachersee vor allem Anfang Mai besonders stark. im Herbst 2021 optimale Rastmöglichkeiten. 21
DURCHZÜGLER Je nach den Wetterbedingungen im Winter schwanken die Bestände des Eisvogels von Jahr zu Jahr. Verluste werden aber normalerweise in wenigen Jahren wettgemacht. Alle Meldungen sind wichtig Die Erfassung ornithologischer Daten akustisch wahrgenommenen, sondern und ermöglichen Vergleiche zwischen auf vollständigen Beobachtungslisten auch zu den nicht entdeckten Arten. unterschiedlichen Jahren oder mit lang- hat viele Vorteile. Konkret geht man Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die jährigen Mittelwerten. dabei so vor, dass man auf einer Ex- steigende Zahl von Beobachterinnen kursion alle festgestellten Arten notiert, und Beobachtern nicht auf diese Das Juwel unserer Gewässer selbst häufige Arten wie die Raben- Zahlen auswirkt. Vollständige Listen Nutzt man vollständige Beobachtungs- krähe. Dadurch erlauben diese Listen illustrieren deshalb die jahreszeitliche listen zur Beschreibung der Phänologie nicht nur Aussagen zu den optisch oder Präsenz der Vögel auf realistische Weise des Eisvogels, zeigt sich ab Juli eine 45 steigende Häufigkeit dieser Art. Zu- erst sind dies Jungvögel, welche die 40 2021 Anteil auf Beobachtungslisten (%) elterlichen Reviere verlassen, später 35 Ø 2011–2020 folgen Durchzügler, deren Häufig- 30 keit im September kulminiert. Ein 25 zweiter Höhepunkt im November 20 markiert möglicherweise die Ankunft % der Wintergäste. Anschliessend sinkt 15 die Frequenz langsam, was auf die 10 steigende Wintersterblichkeit und ab 5 Februar auf die Abwanderung in die 0 Brutgebiete hinweisen könnte. Ver- Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. gleicht man die Grafik von 2021 mit Phänologie des Eisvogels aufgrund von Daten aus vollständigen Beobachtungslisten. Die dem zehnjährigen Mittelwert, fällt im Werte geben den Prozentanteil der vollständigen Beobachtungslisten an, auf denen die Art Februar 2021 eine geringe Häufig- notiert worden ist. keit auf, was möglicherweise mit dem 22
DURCHZÜGLER 60 30 2021 2021 langjähriges Mittel langjähriges Mittel 50 25 Präsenz auf Listen (%) Präsenz auf Listen (%) 40 20 30 15 20 10 10 5 0 0 J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D Aufgrund der auf ornitho.ch erfassten vollständigen Beobachtungslisten zeigen diese Grafiken den Prozentanteil der Listen, auf denen Sing- drossel (links) bzw. Neuntöter (rechts) im Jahresverlauf notiert worden sind. kurzen, kräftigen Wintereinbruch in die vielleicht mit dem ungewöhnlich der Rohrweihe ist diese Tendenz noch jener sonst sehr milden Periode zu- milden Februar zusammenhängt. Die deutlicher; insbesondere wird sie seit sammenhängt. Auch im Zeitraum ersten Neuntöter sind Ende April 2021 2012 im Spätherbst und im Frühwinter August bis Dezember ist das Auftreten mit leichter Verspätung zurückgekehrt. bei uns viel häufiger registriert, und unterdurchschnittlich, eventuell als Im Mai wurde diese Art dagegen weit Winterbeobachtungen gelingen seit Folge des schlechten Bruterfolgs im überdurchschnittlich nachgewiesen: 2015 fast alljährlich. Auch beim Stieglitz wettermässig schwierigen Frühling und Sie figurierte in diesem Zeitraum auf steigt die winterliche Beobachtungs- Sommer 2021. fast jeder vierten Beobachtungsliste, frequenz im Verlauf der Jahre an. während sie sonst im Schnitt nur auf Dank dieser in Echtzeit aktualisierten Ein Schatz an Informationen jeder fünften erscheint. Grund für Grafiken kann man sich über viele Seit kurzem sind auf ornitho.ch ver- diese Häufigkeit war vermutlich ein Aspekte des Lebens der Vögel in der schiedene Karten und Grafiken zu den schlechtwetterbedingter Zugstau. Schweiz informieren, z.B. anhand des Arten der Schweiz einsehbar. Dazu Ein weiterer Abbildungstyp er- Verlaufs der aktuellen Rückkehr der gehören Diagramme zum räumlichen laubt es, die Häufigkeiten nicht nur Zugvögel im Vergleich zu langjährigen und zeitlichen Auftreten, zur Trupp- von Woche zu Woche, sondern auch Mittelwerten. grösse und zur Höhenverbreitung. von Jahr zu Jahr zu vergleichen. Ge- Diese Illustrationen basieren auf den mäss diesen Diagrammen erscheinen vollständigen Beobachtungslisten. Bei Rauchschwalben im Frühjahr neuer- Weitere Informationen der Singdrossel ist zu Beginn des Jahres dings etwas früher, wohingegen sie www.vogelwarte.ch/zustand/zug 2021 eine frühe Rückkehr zu erkennen, im Herbst eher später wegziehen. Bei Rauchschwalbe Rohrweihe Stieglitz J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D 2020 2018 2016 2014 2012 2010 2008 4 32 44 51 59 67 1 2 4 8 13 20 12 20 29 37 43 52 Anteil auf Beobachtungslisten (%) Anteil auf Beobachtungslisten (%) Anteil auf Beobachtungslisten (%) Bei diesem Diagrammtyp ist die relative Artfrequenz, also der Prozentanteil der vollständigen Beobachtungslisten, auf der die betreffende Art vor- kommt, mit einem grünen Rechteck dargestellt; die Dunkelheit der Farbe nimmt mit steigender Frequenz zu. Jedes Rechteck zeigt die berechnete Frequenz für eine Woche. Wochen ohne Meldungen der Art auf den vollständigen Beobachtungslisten sind grau dargestellt. 23
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