DIGITALISIERUNG POLITISCH GESTALTEN - Mehr. Besser. Anders. Für eine soziale Innovationspolitik 09/2018 - Mehr. Besser. Anders. Für eine ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
D I S K U R S 09/ 2018 Daniel Buhr, Nikolas Dietzel, Stewart Gold, Harald Kohler DIGITALISIERUNG POLITISCH GESTALTEN Mehr. Besser. Anders. Für eine soziale Innovationspolitik
WISO DISKURS 09/ 2018 Die Friedrich-Ebert-Stiftung Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) wurde 1925 gegründet und ist die traditions- reichste politische Stiftung Deutschlands. Dem Vermächtnis ihres Namensgebers ist sie bis heute verpflichtet und setzt sich für die Grundwerte der Sozialen Demo- kratie ein: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Ideell ist sie der Sozialdemokratie und den freien Gewerkschaften verbunden. Die FES fördert die Soziale Demokratie vor allem durch: – politische Bildungsarbeit zur Stärkung der Zivilgesellschaft; – Politikberatung; – internationale Zusammenarbeit mit Auslandsbüros in über 100 Ländern; – Begabtenförderung; – das kollektive Gedächtnis der Sozialen Demokratie mit u. a. Archiv und Bibliothek. Die Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung Die Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik verknüpft Analyse und Diskussion an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik, Praxis und Öffentlichkeit, um Antworten auf aktuelle und grundsätzliche Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu geben. Wir bieten wirtschafts- und sozialpolitische Analysen und entwickeln Konzepte, die in einem von uns organisierten Dialog zwischen Wissenschaft, Politik, Praxis und Öffentlichkeit vermittelt werden. WISO Diskurs WISO Diskurse sind ausführlichere Expertisen und Studien, die Themen und politische Fragestellungen wissenschaftlich durchleuchten, fundierte politische Handlungs- empfehlungen enthalten und einen Beitrag zur wissenschaftlich basierten Politik- beratung leisten. Autoren Prof. Dr. Daniel Buhr ist Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Soziale und Tech- nische Innovation und außerplanmäßiger Professor am Institut für Politikwissen- schaft der Eberhard Karls Universität Tübingen. Nikolas Dietzel, M.A., ist Politikwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitar- beiter am Interdisziplinären Zentrum für Health Technology Assessment und Public Health (IZPH) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Stewart Gold, M.A., ist Politikwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitar- beiter an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Dr. Harald Kohler, Dipl. Verw. Wiss. und Assessor des Verwaltungsdienstes, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Eberhard Karls Universität Tübingen. Die Autoren möchten sich herzlich bei Dr. Philipp Fink, Heinrich Tiemann und dem Arbeitskreis „Nachhaltige Strukturpolitik“ der Friedrich-Ebert-Stiftung für die hilfrei- chen Anregungen bedanken. Für diese Publikation ist in der FES verantwortlich Dr. Philipp Fink leitet in der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik den Arbeits- bereich Klima-, Umwelt-, Energie- und Strukturpolitik.
09/ 2018 WISO DISKURS Daniel Buhr, Nikolas Dietzel, Stewart Gold, Harald Kohler DIGITALISIERUNG POLITISCH GESTALTEN Mehr. Besser. Anders. Für eine soziale Innovationspolitik 2 VORWORT 3 KURZZUSAMMENFASSUNG 5 1 EINLEITUNG 6 2 INNOVATIONEN – MEHR ALS TECHNIK 7 2.1 Innovationspolitik 8 2.2 Vorgehen zur Erfassung der Förderung von Innovationen 9 3 INNOVATIONSFÖRDERUNG DES BUNDES 9 3.1 Innovationsprofil des Bundes 9 3.2 Innovationsförderschwerpunkte des Bundes 11 3.3 Ausgaben für die Innovationsförderung 13 4 AUSGEWÄHLTE LÄNDER 13 4.1 Baden-Württemberg 16 4.2 Bayern 18 4.3 Berlin 20 4.4 Nordrhein-Westfalen 22 4.5 Rheinland-Pfalz 24 4.6 Sachsen 26 5 DIFFUSES BILD DER INNOVATIONSFÖRDERUNG 26 5.1 Fördervolumen und -mittel 26 5.2 Föderschwerpunkte: Forschung oder Infrastruktur 27 5.3 Große Varianz der Förderausgaben 29 6 HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR DIE INNOVATIONSPOLITIK: ANDERS, MEHR UND BESSER 29 6.1 Anders 30 6.2 Mehr 30 6.3 Besser 32 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 33 Abkürzungsverzeichnis 33 Literaturverzeichnis
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 2 VORWORT Die deutsche Politik muss sich entscheiden, ob sie die Digita- diese Technologien unsere Gesellschaft? Denn erst in diesem lisierung zugunsten der Gesellschaft steuert oder sie den Schritt führt die Digitalisierung zu einem Wandel in gesell- Kräften des Marktes aussetzt. Unbestritten befinden wir uns schaftlichen Bereichen wie Politik, Kunst oder Wissenschaft in einer alles umwälzenden Zeit. Der technische Fortschritt und kann soziale Innovationen schaffen. Um die Digitalisie- schafft ungeahnte Chancen, aber auch hohe Risiken. rung erfolgreich zu gestalten, müssen auch Nachfrager_innen Die neuen digitalen Anwendungen vernetzen uns und unterstützt werden. verändern unseren Alltag. Damit die technischen Errungen- schaften auch der Gesellschaft dienen, darf sich der Innovati- onsbegriff nicht nur auf technologische Innovationen be- DR. PHILIPP FINK schränken. Innovationspolitik sollte nicht nur auf die Förderung Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Entwicklung neuer Produkte und Technologien abzielen, Friedrich-Ebert-Stiftung die jährlich durch die Zahl vergebener Patente gemessen wer- den können. Patentzahlen allein geben noch keinen Aufschluss darüber, ob und wie die neuen Möglichkeiten den Markt und die Verbraucher_innen erreichen und vorangebracht haben. Deswegen ist neben der Förderung der Technologie auch wichtig zu fragen, wie die Digitalisierung der Gesellschaft dienen kann, etwa durch Telemedizin, Pflegeroboter (Ambient Assisted Living) oder E-Government. Dies sind nur einige Bei- spiele, wie die Digitalisierung als soziale Innovation wirken kann. Doch was tun Bund und Länder, um diesen Ansatz zu verfolgen? Dieser Frage ist das Team um Daniel Buhr nach- gegangen. Sie schlüsseln auf, wie sich die Förderung von Bund und einigen Ländern zum Teil stark unterscheidet. Wer legt den Fokus auf den Netzausbau? Wer fördert mehr For- schung? Und wie viel Wert wird jeweils auf soziale Innovatio- nen gelegt? Die Studie bietet aber auch Handlungsemp- fehlungen, wie die deutsche Innovationspolitik verändert, verbessert und ergänzt werden kann. Denn die Menschen müssen im Mittelpunkt stehen und nicht die Technologie. Zwar investiert der Bund jährlich bereits 4,4 Mrd. Euro in Innovationsförderung, aber nur ein Bruchteil davon kommt der Erforschung sozialer Innovationen zugute. Vielmehr werden im Rahmen der Hightech-Strategie Produkte und Technolo- gien entwickelt und mit dem Breitbandausbau Infrastruktur- projekte finanziert. In den hier untersuchten Bundesländern ist das Bild mit wenigen Ausnahmen das gleiche. So werden bei einer größtenteils angebotsfokussierten Innovationspolitik zentrale Fragen außer Acht gelassen: Was sind eigentlich die Bedürfnisse der Nachfrager_innen? Wie nutzen sie die neuen Technologien? Und wie beeinflussen
DIGITALISIERUNG POLITISCH GESTALTEN WISO DISKURS 3 KURZZUSAMMENFASSUNG Ohne Innovationen werden wir die großen gesellschaftlichen förderausgaben in den untersuchten Ländern sowie des Bundes Herausforderungen unserer Zeit nicht meistern können. Klima- für die drei definierten Kategorien – soziale Innovationsför- wandel, wachsende Ressourcenknappheit, eine global wie derung, Digitalisierung und digitale Infrastruktur, Forschungs- innergesellschaftlich ungleiche Verteilung von Arbeit, Bildung, und Innovationsförderung – zwei Schwerpunktsetzungen Nahrung oder Gesundheitsversorgung – es sind Lösungen auf. Während ein Teil der Bundesländer (z. B. Bayern und Baden- gefragt, um das Leben von Milliarden Menschen weltweit zu Württemberg) seine Innovationspolitik mit Blick auf die Digi- verbessern. Auch in Deutschland. Hier, wie in vielen anderen talisierung vor allem über den – möglichst flächendeckenden – Ländern, konzentrieren sich die politisch Verantwortlichen Ausbau eines (schnellen) Netzes versucht, verfolgen andere seit vielen Jahrzehnten bei der Entwicklung von Lösungsstra- Bundesländer (z. B. NRW, Berlin, Sachsen) sowie der Bund tegien vor allem auf den technischen Fortschritt. So werden durchaus einen breiteren Förderansatz. Letztlich ist jedoch auch in Deutschland Jahr für Jahr viele Milliarden Euro Steuer- ein überzeugendes systemisches Verständnis von Innovations- mittel an Hochschulen und Universitäten, Forschungsinstituten politik mit einer missionsorientierten Koordination des Politik- und in der freien Wirtschaft in die Entwicklung von Technik feldes weder im Bund noch in den Bundesländern zu finden. gesteckt. Mit Erfolg, was die Patentstatistiken eindrucksvoll Im Gegenteil: Die Entwicklungen der Ausgabenverteilungen zu belegen scheinen. Doch ein Patent ist zunächst nur die weisen auf einen Trend hin, der wieder stärker auf eine För- rechtliche Absicherung einer Erfindung. Was diese zumeist derung technisch-orientierter Innovationen hinausläuft. Im technische Entwicklung jedoch für die Menschen bedeutet, Schnitt werden gerade mal zehn Prozent der untersuchten Haus- wie also das „Internet der Dinge“, „Blockchains“, „Smart Grids“, haltsmittel für die Förderung sozialer Innovationen eingesetzt. „Künstliche Intelligenz“ und „3-D-Druck“ unseren Alltag und das Berufsleben verändern, wurde in der Vergangenheit von der Innovationspolitik nicht sehr intensiv in den Blick genom- men. Das ist ein Fehler. Denn der Erfolg einer technischen In- novation bemisst sich am Grad ihrer Marktdurchdringung. Damit kommt der Nachfrageseite, also auch den Nutzer_in- nen und Anwender_innen, eine entscheidende Funktion im Innovationsprozess zu. Die Menschen entscheiden über den Erfolg einer Innovation mit – und eben nicht allein das Angebot an sich. Damit stellen sich bei jeder Entwicklung grundlegende Fragen: Wo liegen Bedürfnisse und Bedarfe? Wie werden neue Technologien benutzt? Welche neuen Dienstleistungen und Fertigkeiten werden verlangt? Wie ver- ändert sich beispielsweise durch Digitalisierung unser Ver- halten, und welche Auswirkungen hat dies auf Prozesse, Orga- nisationen, Strukturen und Systeme? Eine zukunftsweisende Innovationspolitik hat dies in den Blick zu nehmen. Die vorliegende Studie zeigt jedoch, dass sich diese Ent- wicklung in den Haushaltsmitteln sowohl des Bundes als auch der Bundesländer nur ansatzweise finden lässt. Was die Haushaltsmittelrecherchen zeigen, ist, dass die Länder nicht nur in der Höhe der Ausgaben variieren, sondern auch bei der Verwendung der Haushaltsmittel. So weisen die Innovations-
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 4
DIGITALISIERUNG POLITISCH GESTALTEN WISO DISKURS 5 1 EINLEITUNG Innovationen sind von und für Menschen gemacht. Daher einen neuen Prozess, eine neue Dienstleistung – und darum, gilt es, die Innovations- und Wertschöpfungsprozesse auch wie diese von einem Menschen zum anderen kommt. Wie entsprechend sozial zu gestalten – gerade in Zeiten des sie sich also schließlich im Markt durchsetzt und diffundiert. Wandels. Denn die Digitalisierung mit ihrem Dreiklang aus Soziale Innovationen sind also einerseits neue Praktiken zur Automatisierung, Vernetzung und Dezentralisierung verän- Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen, die von dert unser Wirtschafts- und Arbeitsleben bereits heute und betroffenen Personen, Gruppen und Organisationen angenom- wird dies auch in den nächsten Jahren mitunter massiv tun. men und genutzt werden. Andererseits helfen sie aber auch Wie das genau aussehen wird, kann niemand prognostizieren, vielen technischen Entwicklungen bei der Diffusion und Ver- zumal dieser technische Wandel mit anderen großen gesell- breitung. schaftlichen Herausforderungen korrespondiert, beispielsweise Von einem erweiterten und neu definierten Innovations- dem demografischen Wandel, der Globalisierung und nicht begriff ausgehend werden wir in dieser Studie versuchen, zuletzt der Endlichkeit unserer Ressourcen. Die Innovations- eine Bestandsaufnahme der Innovationspolitik in Deutsch- politik in Deutschland ist mit Blick auf diese Entwicklungen land vorzunehmen, spezifische Förder- und Handlungsbedar- nicht mehr angemessen ausgerichtet. Sie muss sich neu orien- fe zu identifizieren und Schlussfolgerungen für eine soziale tieren. Gerade weil Innovationen für Menschen gemacht Weiterentwicklung zu ziehen – hin zur Gestaltungsaufgabe werden, muss sich angesichts großer gesellschaftlicher Um- einer sozialen Innovationspolitik. Dazu nehmen wir sowohl brüche und Herausforderungen auch die Frage nach ihrem die bundesdeutsche Innovationsförderung (BMWi, BMAS, BMVI, (gesellschaftlichen) Nutzen stellen. Denn für eine nachhaltige BMSFJ und BMBF) in den Blick, analysieren aber auch die Wirtschaft und eine sozial gerechte Gesellschaft sind Inno- innovationspolitischen Programme und Maßnahmen ausge- vationen die entscheidenden Fortschrittstreiber. Doch in An- wählter Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, betracht der Größe dieser Aufgabe hatte die staatliche Inno- Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen). Dabei ist vationspolitik in der Vergangenheit einen zu engen Fokus uns bewusst, dass die haushaltstechnische Analyse allein und eine zu passive Ausrichtung. Sie war zu stark technikge- nicht ausreicht, um die Ausrichtung der Innovationspolitik trieben, fragmentiert und vor allem angebotsorientiert aus- vollumfänglich zu bewerten. Sie ist aber ein wichtiger Anhalts- gerichtet. Dies gilt es zu ändern. punkt, um sowohl die Schwerpunkte als auch die Varianz Dafür bedarf es zunächst eines Verständnisses, das sowohl der Innovationspolitiken in Deutschland besser erkennen zu technische als auch nichttechnische, aber eben auch soziale können – und im nächsten Schritt, wo nötig, entsprechend und gesellschaftsdienende Innovationen umfasst. Eine soziale zu handeln. Innovation ist eine zielgerichtete Neukonfiguration sozialer Praktiken, mit dem Ziel, Probleme oder Bedürfnisse besser zu lösen bzw. zu befriedigen, als dies auf der Grundlage eta- blierter Praktiken möglich ist (Howaldt et al. 2008: 65), und die es „deshalb wert sind, nachgeahmt und institutionalisiert zu werden“ (Zapf 1989: 177). Damit können gerade soziale Inno- vationen einen Beitrag zum sozialen Fortschritt leisten. Zu- dem haben soziale Innovationen Einfluss darauf, ob eine technische Invention (Erfindung) zur verbreiteten Innovation wird, auf welchen Wegen und Kanälen sie sich ausbreitet (diffundiert) und welche Wirkung sie dabei entfaltet. Denn eine Innovation muss immer beides umfassen: Invention und Diffusion. Es geht also um eine neue Idee, ein neues Produkt,
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 6 2 INNOVATIONEN – MEHR ALS TECHNIK Die Etymologie des Begriffs der Innovation („neu, erneuern, ist eine (zeitliche) Differenzierung oft sehr schwierig. Die beiden verändern“) verweist auf eine ihrer Grundcharakteristika. Aller- Innovationswelten (vgl. Abbildung 1) können sich gegen- dings ergibt die Erfindung von etwas Neuem (Invention) al- seitig beeinflussen. Das führt zu einer Vielzahl von Verzahnun- lein noch keine Innovation. Hierzu bedarf es nach Schumpeter gen zwischen sozialen und technischen Innovationen. (1939) noch einer Umsetzung und schließlich deren Durch- Hierdurch entstehen Innovationen in den verschiedenen dringung in den Markt bzw. deren Institutionalisierung in der Feldern oder auch Systemen, deren gegenseitige Beeinflus- Gesellschaft (Diffusion) (vgl. Buhr 2010; Hochgerner 2013). sung und Verschränkung sowie die inhärente Logik von Inno- Diese Perspektive zeigt auf, dass es sich dabei um eine pro- vationen zu einem Netzwerk von Institutionen und Akteuren zesshafte Entwicklung handelt, an deren Ende sich erst die führt, das wir als Innovationssystem beschreiben können. Innovation als solche vervollständigt hat. Wobei der Verlauf Es handelt sich um ein soziales System aus Institutionen und dieses Prozesses nicht zwangsläufig linear sein muss. Im Ge- Akteuren sowie deren Beziehungen untereinander. Soziale genteil, die häufigste Form zeichnet sich eher durch einen Faktoren spielen für das Entstehen von Innovationen eine diskontinuierlichen Verlauf aus. zentrale Bedeutung, denn Innovationsprozesse werden nicht Jenseits technischer Erfindungen und Innovationen (z. B. durch irgendeine immanente technologische „Logik“ voran- Dampfmaschine, Telefon, Kernenergie, Computer, Solarmo- getrieben, sondern durch das Zusammenwirken sozialer Ak- dul, Nanotechnologie), die in den vergangenen Jahrzehnten teure (Buhr 2010: 40). sowohl die Innovationsforschung als auch die Innovationspo- Entsprechend helfen soziale Innovationen vielen technischen litik dominiert haben, befindet sich das Feld der sozialen In- Entwicklungen bei der Diffusion und Verbreitung. Ein Beispiel novationen. Nach Zapf sind dies „neue materielle und soziale dafür ist Johannes Gutenbergs Druckmaschine. Gutenberg Technologien, die helfen, unsere Bedürfnisse zu befriedigen entwickelte im 15. Jahrhundert erstmals in Europa ein Druckver- und soziale Probleme besser zu lösen“ (Zapf 1994: 28). Ähnlich fahren mit beweglichen Lettern. Der Text wurde jetzt aus definiert auch Howaldt soziale Innovation als „eine (…) von einzelnen Buchstaben, Satzzeichen und oft benutzten Kombina- bestimmten Akteuren oder Akteurskonstellationen ausgehende tionen zusammengesetzt. Um identische Lettern herzustellen, intentionale, zielgerichtete Neukombination bzw. Neukonfi- machte Gutenberg eine weitere wichtige Erfindung: das guration sozialer Praktiken in bestimmten Handlungsfeldern Handgießinstrument. Außerdem entwickelte er die Drucker- respektive sozialen Kontexten, mit dem Ziel, Probleme oder presse, die einen schnellen und gleichmäßigen Druck ermög- Bedürfnisse besser zu lösen bzw. zu befriedigen, als dies auf lichte. Für sich genommen stellten das aber zunächst vor- der Grundlage etablierter Praktiken möglich ist“ (Howaldt nehmlich technische Inventionen dar. Ihre Diffusion erreichten et al. 2011: 224). Bei sozialen Innovationen handelt es sich also sie durch die Verzahnung mit einer sozialen Innovation: der um gesellschaftsverändernde Elemente bzw. beziehungsver- Alphabetisierung der Bevölkerung, welche die Grundlage für änderte Entwicklungen aufgrund von neuen und/oder verän- den Humanismus und das Zeitalter der Aufklärung bildete. derten Regeln, Strukturen, Handlungen oder Institutionen, Nun versteckt sich hinter dem Begriff der sozialen Innova- die wir sowohl in der Wirtschaft und Wissenschaft finden als tion noch mehr als nur die Beschreibung intendierter gesell- auch in der Politik sowie in Kunst und Kultur. schaftlicher Veränderungen. Wie Zapf schon in seiner Definition Diese dichotome Gegenüberstellung von technischen und festgelegt hat, geht es auch um eine Verbesserung des Be- sozialen (gesellschaftlichen) Innovationen suggeriert eine stehenden. Dieser normative Ansatz findet sich bei zahlreichen Trennschärfe beider Welten, die so in der Realität nicht vorliegt. Autor_innen (bspw. Moulaert et al. 2013) wieder und hebt Sie ist der theoretischen Analyse geschuldet und dient der sich von der objektivistischen, deskriptiven Schule ab, für die besseren Operationalisierung von Untersuchungen, um zwi- beispielsweise Howaldt/Schwarz (2016) stehen. Die norma- schen Auslöser, Quelle und Folge bzw. nicht intendierten Er- tive Auslegung erweitert den Kriterienkatalog um den Faktor eignissen unterscheiden zu können. In der realen Lebenswelt Verbesserung bestehender Regeln und Institutionen.
DIGITALISIERUNG POLITISCH GESTALTEN WISO DISKURS 7 Abbildung 1 Innovationswelten – technische Innovationswelt vs. soziale Innovationswelt SOZIALE TECHNISCHE INNOVATION INNOVATION – Politik – Kultur – Wissenschaft – Kunst – Ökonomie Quelle: Eigene Darstellung. Tabelle 1 Vier Typen von Innovationspolitik moderner Anspruch postmoderner Anspruch Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit enger Innovationsbegriff ökologische Industriepolitik durch Stärkung der Angebotsseite Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit weiter Innovationsbegriff durch Stärkung der Angebots- und Nach- inklusives Wachstum als Mission frageseite Quelle: Eigene Darstellung. Aus der aufgeführten Beschreibung ergibt sich für unsere Unter- an? Wie in Tabelle 1 dargestellt, hat ein enger Innovations- suchung folgende Definition: begriff allein die technischen Neuerungen im Blick und be- Soziale Innovationen sind soziale Praktiken und Techniken, schränkt sich auf einzelne Akteure oder Branchen. Demgegen- angewandt oder eingesetzt von Akteuren und/oder Akteurs- über steht ein sehr viel weiter gefasstes Verständnis von konstellationen, die ein verändertes oder neues Setting an Innovation, das auch organisatorische und gesellschaftliche – Regeln aufgrund einer breiten Akzeptanz institutionalisiert und damit eben auch soziale – Innovationen miteinbezieht haben und deren Ziel es ist, bestehende Probleme besser im und im Dienst der Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Ziele Vergleich zu den bisherigen Ansätzen zu lösen. Der Verlauf steht – in diesem Fall inklusives Wachstum. Politiken werden kann sich hierbei diskontinuierlich und nichtlinear entwickeln. gezielt koordiniert und folgen dabei einer klaren Strategie Was heißt das nun für die Förderung von Innovationen durch sowie Missionsorientierung. Sie adressieren Förderpolitiken die Politik im Bund und in den Ländern? Wo finden sich An- sowohl auf der Angebots- als auch der Nachfrageseite. zeichen für die Förderung sozialer Innovationen? Wie kann die Dazu ist es notwendig, Innovationssysteme aufzubauen, Innovationspolitik so weiterentwickelt werden, dass sich die ein enges Miteinander von Wirtschaft, Wissenschaft, neben dem technischen auch ein sozialer Fortschritt zeigt? Politik/Verwaltung und Gesellschaft (Quadruple-Helix) ermög- lichen, um potenzielle Nutzer_innen von Innovationen (z. B. 2.1 INNOVATIONSPOLITIK Arbeitnehmer_innen, pflegende Angehörige, Patient_innen, Konsument_innen) schon früh in die Entwicklung einzube- Idealtypisch lassen sich vier Typen von Innovationspolitik unter- ziehen, aber auch deren Potenzial als Innovator_innen (z. B. scheiden (Buhr 2014). Ihre Varianz ergibt sich dadurch, dass für neue Geschäftsmodelle, Dienstleistungen, Prozesse) sie entweder auf einem engen oder weiten Innovationsver- zu fördern. Innovationssysteme, die dem Ideal der Quadruple- ständnis basieren und welche Ziele sie jeweils adressieren: Helix folgen, innovieren durch die aktive Zusammenarbeit Folgen diese rein ökonomischen Interessen (Wettbewerbslogik) von Wissenschaft, Wirtschaft, Politik/Verwaltung und Gesell- oder streben sie auch gesellschaftliche, soziale Verbesserungen schaft.
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 8 Dabei kommt den politischen Akteuren auf supra- wie natio- schung, die Fachkräfte-Offensive oder das Rahmenprogramm naler, aber eben auch auf regionaler Ebene (Quadruple-Helix- „Mensch-Technik-Interaktion“. Die dritte Kategorie enthält Systeme) eine wichtige Aufgabe zu. Denn staatliche Innovati- heterogene Förderprogramme und -maßnahmen, u. a. aus den onspolitiken leisten entscheidende Beiträge sowohl für die Bereichen Technologie, Wirtschaft (vor allem in Bezug auf Lösung als auch für die Vermeidung gesellschaftlicher Probleme, KMU), der Forschung an Universitäten und Hochschulen, der die der wirtschaftliche und soziale Wandel mit sich bringt Energieforschung, des Klima- und Umweltschutzes, der Si- (Alaja et al. 2016). Mit Blick auf die Lösung großer gesellschaft- cherheitsforschung sowie der Verkehrsforschung und der Bio- licher Herausforderungen, wie zum Beispiel den Klimawandel, ökonomie. die wachsende Ungleichheit, die demografische Entwicklung In einem weiteren Schritt wurde versucht, den recherchier- oder auch die Digitalisierung, stellen sich staatlichen Akteuren ten Förderprogrammen und -maßnahmen ihre Haushalts- damit im Bereich der Innovationspolitik zentrale Gestaltungs- ansätze und ihre Finanzierung (Einnahmen) in den jeweiligen aufgaben (Mazzucato 2015). Einzelhaushaltsplänen des Bundes sowie der sechs ausge- wählten Bundesländer für den Zeitraum 2012 bis 2017 zuzu- 2.2 VORGEHEN ZUR ERFASSUNG DER ordnen. Im Rahmen dieser Recherche gelang das jedoch FÖRDERUNG VON INNOVATIONEN nicht bei allen Förderprogrammen und -maßnahmen. Dadurch ergibt sich eine gewisse Varianz bei den jeweiligen Ausga- Während es sich bei der Forschungs- und Entwicklungspolitik ben bzw. Ansätzen im Bund und bei den ausgewählten Ländern. im Bund und in den Ländern um ein mehr oder weniger klar abgegrenztes Politikfeld handelt und sich hierfür auch Angaben und Ausgaben in den Bundesforschungsberichten (vgl. BMBF 2014) finden lassen, stellt die inhaltliche und haushaltsmäßige Erfassung der Innovationsförderung bzw. der Innovationpo- litik eine Herausforderung dar. Zumal, wenn man von einem sehr breiten Innovationsbegriff ausgeht, der nicht nur tech- nische, sondern auch soziale Innovationen einbezieht. Dement- sprechend umfasst die Innovationsförderung ein weites Auf- gabengebiet. Damit wird zugleich ein breites Spektrum an Politikfeldern berührt. Es reicht von der Arbeitsmarktpolitik, Bildungspolitik, Gesundheitspolitik, Sozialpolitik, Struktur- und Wirtschaftspolitik, über die Kulturpolitik bis hin zur For- schungs- und Wissenschaftspolitik. Die haushaltsmäßige Er- fassung der Innovationsförderung ist infolge nicht nur auf- wendig, sondern auch eine Gratwanderung, da Programme und Haushaltsansätze bezogen auf ihre Innovationen und ihre Finanzierung inhaltlich bewertet und erfasst werden müssen. Die inhaltliche und haushaltsmäßige Erfassung der Inno- vationsförderung des Bundes und der ausgewählten sechs Länder (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Nordrhein-West- falen, Rheinland-Pfalz und Sachsen) erfolgte auf der Grund- lage einer umfangreichen Förderrecherche. Ausgangspunkte der Förderrecherche bildete die Förderdatenbank des Bun- desministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und ihre darin enthaltenen Förderprogramme sowie die Webseiten der für die jeweiligen Förderungen zuständigen Bundes- und Landesministerien. An der Bundespolitik orientiert beinhaltet die Analyse der Innovationsförderung also nicht nur das Wirt- schaftsministerium sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), sondern eben auch die Ministerien für Arbeit und Soziales (BMAS), Verkehr und Infrastruktur (BMVI) oder Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMSFJ). Die Förderprogramme und Fördermaßnahmen, die for- schungs- und technologisch bezogen waren, wurden drei über- greifenden Förderkategorien zugeordnet: Digitalisierung und digitale Infrastruktur, soziale Innovationsförderung sowie For- schungs- und Innovationsförderung. Die erste Förderkategorie erfasste Förderprogramme, die eine digitale Komponente aufwiesen, wie z. B. IKT-Projekte und der Breitbandausbau. Der zweiten Kategorie wurden Fördermaßnahmen aus den Bereichen Arbeit und (Aus-)Bildung sowie Gesundheit und Pflege zugeordnet, wie beispielsweise die Gesundheitsfor-
DIGITALISIERUNG POLITISCH GESTALTEN WISO DISKURS 9 3 INNOVATIONSFÖRDERUNG DES BUNDESS Tabelle 2 Innovationsprofil des Bundes Digitalisierung und digitale Infrastruktur und Innovationsförderschwerpunkte Forschungs- und Innovationsförderung Anteil der Ausgaben für Innovationsförderung 2015 an den 1,41 Gesamtausgaben des Haushalts (IST) in % 2010 2016 Innovationsindex 2010/2016 und Rang in Europa * 50,3 [-] 48,4 [-] Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen je Einwohner_in 2015 37.128 Euro * Innovationsindex = 100 % (Wert), Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2016. Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2016, Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ 2017 und eigene Berechnung. 3.1 INNOVATIONSPROFIL DES BUNDES felder der seit 2006 bestehenden Hightech-Strategie. Sie orientieren sich an den (großen) gesellschaftlichen Herausfor- Spätestens seit der ersten Hightech-Strategie verfolgen die derungen und bilden die Innovationsförderschwerpunkte des jeweiligen Bundesregierungen den Anspruch einer koordi- Bundes (vgl. Wissenschaftsrat 2015 und BMBF 2016). nierten Innovationspolitik, die sich auch an einem gesellschaft- lichen Nutzen orientiert. In der neuen Hightech-Strategie 3.2.1 DIGITALISIERUNG UND DIGITALE wurden dazu vier Säulen (z. B. besserer Transfer, stärkerer INFRASTRUKTUR Dialog) sowie eine Reihe von prioritären Zukunftsaufgaben benannt, die künftig stärker zusammengeführt werden sollen. Das zentrale Element der Hightech-Strategie des Bundes stellt Dieser breitere Anspruch an die Innovationsförderung findet die Digitalisierung dar, die sich über diverse Bereiche erstreckt. sich zum Teil auch im Haushalt wieder, wo nicht zuletzt mit Die Förderung der Digitalisierung und Verbesserung der digi- Mitteln aus dem europäischen Sozialfonds auch Programme zur talen Infrastruktur bezieht sich vor allem auf den flächendecken- Förderung sozialer Innovationen zu finden sind (z. B. „Zukunft den Breitbandausbau und die Entwicklung innovativer Infor- der Arbeit“). Allerdings zeigt sich auch, dass die Haushaltsmittel mations- und Kommunikationstechnologien (IKT), die eine Viel- zur Förderung sozialer Innovationen seit Jahren im Verhältnis zahl verschiedener Technologien umfassen. Entsprechend zu den Gesamtausgaben tendenziell rückläufig sind. breit ist die Förderung digitaler Technologien angelegt, wie z. B. im Bereich von innovativen Dienstleistungen mit Smart 3.2 INNOVATIONSFÖRDERSCHWERPUNKTE Data und Cloud-Lösungen, die Big-Data-Leuchtturmprojekte DES BUNDES fördern, bei Produktlösungen mit Smart Home, im Energie- bereich mit der Elektromobilität und Smart Energy oder bei Gesundes Leben, innovative Arbeitswelt, intelligente Mobilität, der IT-Sicherheit und dem Datenschutz im Rahmen des Pro- zivile Sicherheit, digitale Wirtschaft und Gesellschaft, nach- gramms „Selbstbestimmt und sicher in der digitalen Welt“. haltiges Wirtschaften und Energie lauten die aktuellen Themen- Neben innovativen Start-ups und Unternehmensgründungen
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 10 werden ferner Automatisierung und Vernetzung im Straßen- land zu erhalten und auszubauen, Arbeit wirtschaftlich und verkehr und im öffentlichen Personenverkehr gefördert. Zahl- sozialverträglich zu gestalten sowie Produktions- und Dienst- reiche Programme beziehen sich darüber hinaus auf den leistungsprozesse effizient und umweltgerecht weiterzuent- Bereich „Digitales und Wirtschaft“. Die Digitalisierung von Pro- wickeln. Damit werden explizit auch soziale Innovationen duktions- und Arbeitsprozessen bei kleinen und mittleren durch das Programm gefördert, in dem soziale Praktiken zum Unternehmen (KMU), die Förderung digitaler Innovationen Bezugspunkt der Förderung werden. Umgesetzt wird das bei mittelständischen Unternehmen und die IT-Sicherheit in Förderprogramm des Bundesministeriums für Bildung und der Wirtschaft bilden weitere Förderbereiche. Überdies wird Forschung in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium die Bildung internationaler Netzwerke und Spitzencluster für Arbeit und Soziales sowie den Sozialpartnern. Das Pro- gefördert. Ferner findet eine Förderung der Anpassung von gramm hat eine Laufzeit von sieben Jahren und wird aus Aus- und Weiterbildung an die Digitalisierung u. a. in über- Mitteln des Europäischen Sozialfonds mit einem Fördervolumen betrieblichen Berufsbildungsstätten statt. von ca. 1 Milliarde Euro gefördert (vgl. BMBF 2016: 44). 3.2.2 SOZIALE INNOVATIONSFÖRDERUNG 3.2.3 FORSCHUNGS- UND INNOVATIONS- FÖRDERUNG In den Bereichen Gesundheit und Medizin werden soziale Innovationen über verschiedene Rahmenprogramme gefördert. Im Zentrum der Forschungs- und Innovationsförderung des Die Förderung erfolgt hier hauptsächlich über das Rahmen- Bundes steht die Förderung der Innovationsfähigkeit von programm für Gesundheitsforschung, das der Erforschung Universitäten und Fachhochschulen. In Kooperation mit Unter- von Volkskrankheiten, Infektionskrankheiten, aber auch der nehmen wird der Wissens- und Technologietransfer unter- Versorgungsforschung, Präventions- und Ernährungsforschung stützt, der zur Entwicklung innovativer Produkte und Dienst- dient und zudem volkswirtschaftliche Aspekte der Gesund- leistungen beiträgt. Auch Unternehmensgründungen, die heitswirtschaft sowie Kontextbedingungen wie den demogra- aus Forschungsergebnissen entstehen, sowie forschungsnahe fischen Wandel, die Lebensbedingungen in Industriegesell- Qualifizierungen und Ausbildungen spielen bei der Förde- schaften usw. mitberücksichtigt. Neben einem Förderpro- rung eine zentrale Rolle. gramm zur Entwicklung innovativer Konzepte, um die Teilhabe Ein groß angelegtes, ziviles Sicherheitsforschungsprogramm älterer Menschen im Gesellschafts- und Arbeitsleben zu mit einer Laufzeit von fünf Jahren fördert die Bereiche urbane stärken, wird mit dem Rahmenprogramm „Mensch-Technik- Sicherheit, Sicherheit von Infrastrukturen und Wirtschaft, Interaktion“ die Gesundheitsförderung auf alle Bereiche des Schutz und Rettung von Menschen, Schutz vor Gefahrstoffen, Lebens durch die Einbeziehung der Arbeitswelt ausgeweitet. Epidemien und Pandemien sowie die IT-Sicherheitsforschung. Ziel des Programms ist es, eine verbesserte Mobilität und ein Im Rahmen der Hightech-Strategie des Bundes erfolgt selbstbestimmtes Leben im Alter zu ermöglichen und Fort- auch eine Förderung von innovativen Technologien mit unter- schritte in der Medizintechnik zu erreichen. Mit der Initiative schiedlichen Förderschwerpunkten. Neben der Entwicklung „Pflegeinnovationen 2020“ wird zudem ein Schwerpunkt auf von Informations- und Kommunikationstechnologien als zentra- Bemühungen gelegt, den aktuellen und zukünftigen Heraus- lem Innovationsmotor im Hightech-Bereich und mit vielfältigen forderungen in der Pflege wirksam und nachhaltig zu begeg- Anwendungsfeldern wie Automobilität, Mobilität, Maschi- nen. Beispielsweise wird versucht, die Medizintechnik auf nenbau usw. erfolgt über zwei Rahmenprogramme eine die Pflegetechnologie auszuweiten und mit entsprechenden Technologieförderung in den Bereichen Mikroelektronik und Forschungsthemen zu verknüpfen – z. B. der Entwicklung Materialforschung. Während die Mikroelektronik als eine von technischen Assistenzsystemen für die Pflege und Ver- Schlüsseltechnologie für zahlreiche Produkte, Produktionspro- sorgung zu Hause, von Trainingsgeräten zur Mobilisierung zesse und Dienstleistungen angesehen wird, sollen über das und Aktivierung oder von autonomen Systemen und Robotik Programm „Vom Material zur Innovation“ Werkstofftechnolo- in der Pflege und Versorgung. Die Medizintechnik wird ferner gien und Materialinnovationen unter anderem in den An- über weitere Förderprogramme unterstützt, die die Patien- wendungsfeldern Energietechnik, Mobilität und Transport tenversorgung, die Digitalisierung der Medizin sowie Material- gefördert werden. innovationen zum Förderinhalt haben (vgl. BMBF 2015: 19). Die Förderung der Innovationen im Bereich des Mittel- Das Programm „IngenieurNachwuchs“ fördert die Schaffung standes und von KMU umfasst eine große Bandbreite an Maß- von forschungsstarken ingenieurwissenschaftlichen Nach- nahmen. Mit einer Vielzahl von Gründungsfinanzierungen wuchsteams, die Entwicklung eines individuellen Forschungs- und Zuschüssen zu Wagniskapital werden junge innovative profils, die Verbesserung der persönlichen Forschungskom- Unternehmen bzw. deren Entstehung gefördert, u. a. über petenzen sowie die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft. die Programme INVEST, EXIT, das wissensbasierte Gründungen Mit dem Programm „Erfolg mit MINT – Neue Chancen für an Hochschulen bspw. mit Gründerstipendien, dem Aufbau Frauen“ wird zudem die Chancengleichheit für Frauen bei Bil- von Gründerzentren und dem Forschungstransfer fördert, oder dung und Forschung in naturwissenschaftlich-technischen den High-Tech Gründerfonds (HTGF). Daneben runden drei Berufen unterstützt. weitere Programme das Förderengagement in diesem Bereich ab: Im Rahmen seines Dachprogramms „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ unter- 1. Die Förderinitiative „Innovationsforen Mittelstand“ ver- stützt das BMBF mit dem im September 2014 vorgestellten sucht, durch den Auf- und Ausbau interdisziplinärer regi- Forschungsprogramm „Zukunft der Arbeit“ anwendbare onaler und überregionaler Netzwerke, nachhaltige Inno- Lösungen, um Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutsch- vationspartnerschaften zu entwickeln, um KMUs bessere
DIGITALISIERUNG POLITISCH GESTALTEN WISO DISKURS 11 Voraussetzungen für Innovationsaktivitäten und die Ent- 3.3 AUSGABEN FÜR DIE INNOVATIONS- wicklung neuer Geschäftsmodelle zu ermöglichen. FÖRDERUNG 2. Unter dem Titel „Innovativer Mittelstand“ wird eine Reihe an Fördermaßnahmen gefasst, die sich konkret auf die Den zentralen Förderbereich des Bundes stellt die Forschungs- Förderung von KMUs in spezifischen Themenfeldern und und Innovationsförderung mit hohen Anteilwerten an den Branchen beziehen. Darunter fallen die Programme „KMU- ermittelten Gesamtausgaben für die Innovationsförderung von NetC“ (strategische FuE-Verbünde in regionalen Netzwerken teilweise mehr als 80 Prozent in den Jahren 2012 bis 2017 und Clustern) und die „KMU-innovativ“-Förderung mit För- dar. Während sich bei der Forschungs- und Innovationsförde- derschwerpunkten in Biotechnologie/BioChance, Elektronik- rung eine anteilsmäßige rückläufige Ausgabentendenz er- systeme/Elektromobilität, IKT/Fahrzeugtechnik/Logistik/ gibt, nimmt die Innovationsförderung bei der Digitalisierung Energiemanagement/Ladekonzepte, Materialforschung, und digitalen Infrastrukturförderung anteilsmäßig deutlich Medizintechnik, Produktionsforschung, Forschung für die zu. Ursächlich hierfür ist der Ausgabenzuwachs bei der Förde- zivile Sicherheit, Ressourceneffizienz und Klimaschutz rung des Breitbandausbaus. Mit dem aus Mitteln des Euro- sowie Photonik. päischen Sozialfonds ko-finanzierten Programm „Zukunft der 3. Über bundesweite, technologie- und branchenoffene Pro- Arbeit“ und weiteren Programmen u. a. im Gesundheitsbe- gramme für mitteständische Unternehmen und Forschungs- reich lässt sich eine soziale Innovationsförderung beim Bund einrichtungen wie dem „Zentralen Innovationsprogramm ermitteln. Obwohl diese soziale Innovationsförderung ten- Mittelstand“ (ZIM) werden im Rahmen von marktorientier- denziell anteilsmäßig rückläufig ist, bleibt sie nicht zuletzt dank ten Forschungs- und Entwicklungsprojekten die Zusam- der Ko-Finanzierung des Programms „Zukunft der Arbeit“ menarbeit und der Verbund in einem nationalen und inter- aus dem Europäischen Sozialfonds auf einem anteilsmäßig nationalen Kontext gefördert. hohen Niveau (siehe Abbildung 2). Darüber hinaus werden im Rahmen der Innovationsförderung maritime Systeme, die Meerestechnik, die Schifffahrt sowie die Schiffstechnik und über das Programm „INNO-KOM“ gemein- nützige externe Industrieforschungseinrichtungen in struk- turschwachen Regionen und vorwettbewerbliche Forschungs- projekte durch die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) gefördert. Die nationale Forschungsstrategie „BioÖkonomie 2030“ und komplementäre Förderprogramme wurden mit den Ziel- setzungen initiiert, die weltweite Ernährung zu sichern, die Agrarpolitik nachhaltig zu gestalten, gesunde und sichere Le- bensmittel zu produzieren, nachwachsende Rohstoffe in- dustriell nutzen zu können und Energieträger auf Basis von Biomasse aufzubauen. Begleitend zur Umsetzung dieser Strategie erfolgt eine Förderung von innovativen Forschungs- themen und Technologien der Biowissenschaft, die Schaffung neuer Produkte sowie die Umstellung der Ressourcenbasis auf maßgeschneiderte biobasierte Inhaltsstoffe. Auch den Bereichen Energie und Umwelt ist ein Förder- block gewidmet. Als umfangreiches Rahmenprogramm för- dert das „Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellen“ die Entwicklung und Marktvorbereitung international konkurrenzfähiger Produkte der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Komplementär dazu werden brennstoffzellenbasierte Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ge- fördert. Als weiterer Energieträger steht die energetische Biomassenutzung im Zentrum der Forschung- und Innovations- förderung. Mit dem Programm „CLIENT II“ werden neben nationalen Projektvorhaben auch internationale Partnerschaften gefördert, die sowohl den Energiebereich als auch den Kli- maschutz betreffen. Zahlreiche Förderprogramme zielen auf den Klimaschutz. Neben Transformationsprojekten für einen klimaneutralen Gebäudebestand, innovative Technologien für die Ressourceneffizienz sowie Lösungsansätzen zur Redu- zierung von Plastik in der Umwelt, ist dafür das Rahmenpro- gramm „Nationale Klimaschutzinitiative“ von Bedeutung.
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 12 Abbildung 2 Bund: Digitalisierung und digitale Infrastruktur, soziale Innovationsförderung und Forschungs- und Innovationsförderung in % der Innovationsförderausgaben 100,00 90,00 80,96 80,49 80,00 74,65 79,00 71,12 70,00 68,29 60,00 50,00 40,00 30,00 18,06 20,00 19,33 14,42 17,19 17,59 16,28 10,00 14,42 13,64 1,67 1,85 1,92 9,07 0 2012 2013 2014 2015 2016 2017 digitale Infrastrukturförderung in % der Innovationsförderausgaben soziale Innovation in % der Innovationsförderausgaben Forschungs- und Innovationsförderung in % der Innovationsförderausgaben Quelle: Eigene Erhebung und Darstellung.
DIGITALISIERUNG POLITISCH GESTALTEN WISO DISKURS 13 4 AUSGEWÄHLTE LÄNDER 4.1 BADEN-WÜRTTEMBERG gen Niveau bewegen, ist das Innovationspotenzial des Landes bezogen auf die europäischen Regionen sehr stark ausge- 4.1.1 INNOVATIONSPROFIL prägt. Wie der Innovationsindex des Statistischen Landesamtes zeigt, der in einem zweijährigen Turnus für Regionen und Baden-Württemberg verfolgt traditionell eine sparsame Inno- Länder ermittelt wird, nimmt trotz leicht rückläufigem Index- vationspolitik und vertraut seit vielen Jahren vor allem auf wert von 2010 bis 2016 das Land den ersten Rang in Europa den Erfolg seiner Clusterpolitik. Im Innovationsindex liegt das ein und ist damit die „innovativste Region in Europa“. Ursäch- Land sowohl 2010 als auch 2016 auf Rang 1. Die Stärkung lich dafür sind die hohen privaten Ausgaben für Forschung regionaler Wachstumskerne führt allerdings mit Blick auf die und Entwicklung (FuE) sowohl durch bekannte Großunter- Digitalisierung zu einer gewissen Schieflage, auch was die nehmen (z. B. Bosch, ZF, Mercedes-Benz, Porsche, TRUMPF, Versorgung mit schnellen Internetverbindungen angeht. Da- FESTO, SAP) als auch viele kleine und mittlere Unternehmen, her findet seit Kurzem eine starke Verschiebung der Haus- beispielsweise aus Maschinenbau, Pharmazie oder Medizin- haltsmittel in Richtung „Ausbau der digitalen Infrastruktur“ technik. Entsprechend der Empfehlung einer von der Wissen- statt. Im Jahr 2017 wurden hierfür rund 72 Prozent der För- schaftsministerin des Landes einberufenen Expertengruppe dermittel verwendet. Eine Förderung von sozialen Innovatio- orientiert sich die Forschungs- und Wissenschaftspolitik des nen findet sich in den Haushalten hingegen nicht. Landes auf die im Forschungsrahmenprogramm der EU „Horizon 2020“ definierten „Grand Challenges“. Einen Schwerpunkt der 4.1.2 INNOVATIONSFÖRDERSCHWERPUNKTE sich in Umsetzung befindlichen Empfehlungen bildet der Auf- bau von Reallaboren, deren Aufgabe es ist, Transformations- Obwohl sich die Haushaltsausgaben für die Innovationsförde- prozesse zu einer nachhaltigen Entwicklung gezielt wissen- rung in Baden-Württemberg mit einem Anteil von 0,07 Prozent schaftlich anzuregen und zu begleiten (vgl. Wissenschaftsrat (2015) an den Haushaltsausgaben auf einem äußerst niedri- 2015: 13). Tabelle 3 Innovationsprofil Baden-Württemberg Innovationsförderschwerpunkte Digitalisierung und digitale Infrastruktur Anteil der Ausgaben für Innovationsförderung 2015 an den 0,07 Gesamtausgaben des Haushalts (IST) in % 2010 2016 Innovationsindex 2010/2016 und Rang in Europa * 71,7 [1] 69,5 [1] Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen je Einwohner_in 2015 42.623 Euro * Innovationsindex = 100 % (Wert), Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2016. Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2016, Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ 2017 und eigene Berechnung.
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 14 Digitalisierung und digitale Infrastruktur finden sich verschiedene Förderschwerpunkte einer über viele Jahre erfolgreich etablierten Clusterpolitik, beispielsweise die Im Zentrum der Innovationsförderung des Landes steht der Förderung der Internationalisierung von Clustern und Netz- Ausbau der digitalen Infrastruktur. Dies dokumentieren auch werken. Eine weitere internationale Ausrichtung besitzt das die Nebenabreden zum Koalitionsvertrag zwischen Bündnis Programm „Zusammenarbeit/Europäische Innovationspart- 90/Die Grünen und der CDU Baden-Württemberg für die nerschaft (EIP)“, das die Vernetzung von Akteuren aus der Jahre 2016 bis 2021. Dort wurden einmalig und ausgenom- Praxis, der Wissenschaft, der Beratung, der Vermarktung, den men von Haushaltsrestriktionen in der Legislaturperiode für Verbänden und Vereinen und den öffentlichen Einrichtungen ein Digitalisierungspaket 325 Millionen Euro vorgesehen, da- im Bereich Land- und Ernährungswirtschaft fördert. Neben der von 150 Millionen Euro für den Breitbandausbau, 10 Millionen Förderung von Existenzgründungen aus Hochschulen und Euro für Industrie 4.0 und 40 Millionen Euro für ein Cyber Forschungseinrichtungen findet eine KMU-Förderung über Valley (vgl. Nebenabreden 2015). Damit steht an erster Stelle Innovationsgutscheine für die Planung, Entwicklung und bei der Förderung der Digitalisierung und digitalen Infra- Umsetzung neuer Produkte, Produktionsverfahren und Dienst- struktur des Landes der flächendeckende Breitbandausbau. leistungen in verschiedenen Branchen (Hightech, Kreativwirt- Daneben werden auch andere digitale Vorhaben wie „Lern- schaft usw.) statt. Die Förderung von Smart Grids (intelligente fabriken 4.0“ an 16 beruflichen Schulen im Land durch das Stromnetze) sowie Demonstrationsvorhaben der rationellen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau gefördert, Energieverwendung bilden einen weiteren Förderbereich, um über die Auszubildende und Teilnehmer_innen in Weiterbil- die Nutzung erneuerbarer Energien auszubauen und eine dungslehrgängen für die digitale Produktion (Smart Factory) effiziente Energienutzung und -speicherung zu erreichen. fit gemacht werden sollen. Im Aufbau und in der Ausstat- tung gleicht die Lernfabrik 4.0 einem Labor industrieller Auto- 4.1.3 AUSGABEN FÜR DIE INNOVATIONS- matisierungslösungen, in dem Grundlagen für anwendungs- FÖRDERUNG nahe Prozesse der Produktionssteuerungssysteme erlernt wer- den können (vgl. Ministerium für Wirtschaft und Wohnungs- Seit Bildung der neuen grün-schwarzen Landesregierung bau Baden-Württemberg o. J.). 2016 stellt die Digitalisierung und digitale Infrastruktur 2017 mit einem Förderanteil von mehr als 70 Prozent den Ausga- Soziale Innovationsförderung benschwerpunkt bei der Innovationsförderung des Landes dar. Demgegenüber ist die Innovationsförderung im Bereich Mit dem „Innovationsprogramm Pflege 2016“ findet sich im der Forschungs- und Innovationsförderung stark rückläufig Bereich Gesundheit und Medizin ein Ansatz zur sozialen In- und erreicht im Jahr 2017 nur noch einen Anteilswert unter novationsförderung. Durch das Förderprogramm erfolgt eine 30 Prozent (siehe Abbildung 3). Der Grund für diesen sehr Stärkung familiärer Pflegearrangements, um ein selbstbe- deutlichen anteilsmäßigen Rückgang ist jedoch, dass für die stimmtes Leben in der gewohnten Umgebung von pflegebe- durchaus vorhandenen sozialen Innovationsförderprogramme dürftigen Menschen zu ermöglichen. Darüber hinaus werden und tendenziell eher kleinen Förderprogramme und -ansätze innovative Fördermaßnahmen für Frauen im ländlichen Raum, keine entsprechenden Ausgabenansätze in den Staatshaus- z. B. durch die Gewährung von Startkapital für Unternehmens- haltsplänen des Landes gefunden werden konnten. ideen, im Rahmen des Maßnahmen- und Entwicklungsplans „Ländlicher Raum Baden-Württemberg“ unterstützt, dessen Finanzierung u. a. aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) erfolgt. Die Förderprogramme „Pro Beruf“ und „AVdual“ im Bereich der beruflichen Bildung stellen weitere innovative soziale Förder- ansätze dar. Über die beiden Programme werden der direkte Übergang von der Schule in eine betriebliche Berufsausbil- dung durch die praktische Einweisung und Berufserprobung der Jugendlichen in überbetrieblichen Bildungsstätten, die Dualisierung der Lernorte (Schule und Praktikumsbetrieb) so- wie die individuelle Unterstützung von Jugendlichen nach einem besonderen pädagogisch-didaktischen Konzept und eine Ganztagsschulbetreuung gefördert. Auch andere Mo- dellvorhaben wie die Neugestaltung des Übergangs von Schule in Beruf erhalten über diese Programme eine Förderung, beispielsweise die Etablierung eines regionalen Übergangs- managements zur Koordinierung der Aktivitäten und Akteure vor Ort und zur regionalen Projektsteuerung. Forschungs- und Innovationsförderung In der baden-württembergischen Technologieförderung bzw. Innovationsförderung für den Mittelstand sowie für KMU
DIGITALISIERUNG POLITISCH GESTALTEN WISO DISKURS 15 Abbildung 3 Baden-Württemberg: Digitalisierung und digitale Infrastruktur, soziale Innovationsförderung und Forschungs- und Innovationsförderung in % der Innovationsförderausgaben 100,00 92,27 90,00 80,00 72,21 70,00 64,35 60,00 54,15 53,54 51,89 50,00 45,85 48,11 46,46 40,00 35,65 30,00 27,79 20,00 10,00 7 ,73 0 2012 2013 2014 2015 2016 2017 digitale Infrastrukturförderung in % der Innovationsförderausgaben soziale Innovation in % der Innovationsförderausgaben (keine Angaben) Forschungs- und Innovationsförderung in % der Innovationsförderausgaben Quelle: Eigene Erhebung und Darstellung.
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – Wirtschafts- und Sozialpolitik 16 4.2 BAYERN oder deutlich verbesserter Produkte, Produktionsverfahren und wissensbasierter Dienstleistungen. Ferner wird mit dem 4.2.1 INNOVATIONSPROFIL Programm „BayTOU“ die Gründung technologieorientierter Unternehmen gefördert. Das Programm „Validierungsförderung Wie Baden-Württemberg zählt auch Bayern zu den innova- und FLÜGGE“ fördert dazu komplementär die Validierung tions- und wirtschaftsstärksten Regionen Europas. Diese starke von Forschungsergebnissen und Erfindungen sowie den an- Stellung verdanken die beiden Bundesländer aber vor allem schließenden leichteren Übergang in eine Gründerexistenz den hohen privaten Aufwendungen für Forschung und Ent- im Bereich der allgemeinen technologischen Innovationen. wicklung, denn die öffentlichen Ausgaben für das Feld der Der Bereich Bio- und Gentechnologie wird über das For- Innovationspolitik sind im Bundesvergleich eher unterdurch- schungsprogramm „Bio- und Gentechnologie“ (BayBio) geför- schnittlich, das gilt auch für den Bereich der Förderung sozia- dert, wobei u. a. Bioprozesstechnologien, biotechnologische ler Innovationen. Produktionsprozesse und Biomaterialien einbezogen werden. Daneben werden die Medizintechnik und die Erforschung, 4.2.2 INNOVATIONSFÖRDERSCHWERPUNKTE Entwicklung und Erprobung von modernen Werkstoffen und neuen Verfahrenstechnologien über spezielle Programme Wie Baden-Württemberg fokussiert auch Bayern seine Inno- gefördert. Ferner erfolgt eine Förderung von Gründerzentren, vationsförderung vornehmlich auf die digitale Infrastruktur. Netzwerkaktivitäten und Unternehmensneugründungen, bei- Dabei nimmt vor allem der Breitbandausbau seit 2014 einen spielsweise über die Initiative Gründer 50+ sowie der Infor- stark wachsenden Anteil ein. Mit 0,2 Prozent (2015) an den mations- und Kommunikationstechnik und von elektronischen Haushaltsausgaben bewegt sich die direkte Innovationsförde- Systeme (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft rung in Bayern insgesamt auf einem sehr niedrigen Ausga- und Medien, Energie und Technologie o. J.). benniveau. Trotz einem leicht rückläufigen Innovationsindex- wert von 2010 auf 2016 nimmt der Freistaat als Zweitplat- Das umfangreiche „Bayerische Energieforschungsprogramm“, zierter nach Baden-Württemberg dennoch eine Spitzenposition das die Erforschung und Entwicklung neuer Energie- und in Europa ein und wird als Region mit einem sehr hohen In- Energiespartechnologien unterstützt, stellt im Bereich Energie novationspotenzial eingestuft. und Umwelt die zentrale Förderung dar. Digitalisierung und digitale Infrastruktur 4.2.3 AUSGABENENTWICKLUNG Im Bereich Digitalisierung und digitale Infrastruktur fördert Den Schwerpunkt der bayrischen Innovationsförderung bildet Bayern seit den vergangenen fünf Jahren sehr intensiv mit ei- seit 2015 mit einem prozentualen Anteil von 49 Prozent die nem ansteigenden Anteil an den Innovationsförderausgaben Digitalisierung und digitale Infrastruktur, hier vor allem der des Freistaats die flächendeckende Breitbandversorgung. Ak- Breitbandausbau. Durch den intensiven Breitbandausbau mit tuell fließen mehr als zwie Drittel aller Förderausgaben in geplanten Ausgaben 2017 von 300 Millionen Euro erreicht diesen Sektor. die Digitalisierung und digitale Infrastruktur an den Ausgaben des Freistaats für die Innovationsförderung 2017 einen Anteil Soziale Innovationsförderung von mehr als 70 Prozent. Im Vergleich dazu verzeichnet die Forschungs- und Innovationsförderung im Jahr 2017 einen Über das Programm „Selbstbestimmtes Leben im Alter – SeLA“ starken anteilsmäßigen Rückgang auf etwas mehr als 20 Prozent gewährt Bayern Konzepten für ein selbstbestimmtes Leben an der Innovationsförderung. Auch der Anteil der sozialen im Alter Zuwendungen wie beispielsweise bürgerschaftliches Innovationsförderung ist seit 2015 deutlich rückläufig und er- Engagement, betreutes Wohnen zu Hause, Seniorenhausge- reicht im Jahr 2017 nur noch einen Anteilswert von rund meinschaften und generationsübergreifende Wohnformen. sechs Prozent an den Ausgaben für die Innovationsförderung Ferner steht die Unterstützung innovativer medizinischer Ver- (siehe Abbildung 4). sorgungskonzepte im Zentrum der Förderung. Dabei handelt es sich u. a. um innovative Konzepte zur Ansiedlung von Ärzt_innen im ländlichen Raum oder zur Zusammenarbeit von Ärzt_innen, Krankenhäusern und anderen medizinischen Leistungserbringern. Forschungs- und Innovationsförderung Zentrale Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte der bayrischen Innovationsförderung im Bereich der Universitäten und Hochschulen liegen bei komplexen informationstechni- schen und elektronischen Systemen, modernen Produktions- techniken, der Elektromobilität und innovativen Antriebstech- nologien. Das „Bayrische Technologieförderungsprogramm“ (BayTP) unterstützt Vorhaben zur Entwicklung technologisch neuer
Sie können auch lesen