Was macht eine effiziente Gleich-stellungspolitik aus? Das Instrument Frauenquote im internationalen Vergleich

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AUFSÄTZE                                                                                                    WSI MITTEILUNGEN 1/2015

                                                                                       Was macht eine effiziente Gleich-
                                                                                       stellungspolitik aus? Das Instrument
                                                                                       Frauenquote im internationalen
                                                                                       Vergleich
                                                                                       Bei der Förderung von Frauen als Führungskräfte bietet Schweden ein interessantes
                                                                                       Beispiel: Hier konnte eine signifikante Steigerung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten
                                                                                       der Unternehmen auch ohne eine gesetzliche Quotenregelung erreicht werden. Kann also
                                                                                       auf eine gesetzliche Regulierung für die Gleichstellung in der Privatwirtschaft verzichtet
                                                                                       werden? Wir zeigen, welche Kriterien gleichstellungspolitische Maßnahmen erfüllen
                                                                                       müssen, um wirkungskräftig zu sein. Deutlich wird: Ohne eine gesetzliche Regelung ist
                                                                                       es eher unwahrscheinlich, dass Frauen bessere Chancen erhalten, mit den Männern
                                                                                       in den Führungsetagen gleichzuziehen, aber auch Maßnahmen, die die Implementation
                                                                                       begleiten und Ergebnisse überprüfen, dürfen nicht fehlen.

                                                                                       SILKE BOTHFELD, SOPHIE ROUAULT

                                                                                                                                                                   illustrieren (3). Auf dieser Basis wird deutlich, dass es für
                                                                                       1. Einleitung                                                               eine gute Umsetzung von Gleichstellungszielen eines gut
                                                                                                                                                                   abgestimmten Policy-Designs bedarf, vor allem aber, dass
                                                                                        Die allgemeine Diskussion über die berufliche Gleichstel-                  auf hierarchische Regulierung kaum verzichtet werden
                                                                                        lung von Frauen hat sich in den vergangen Jahren von dem                   kann (4).
                                                                                       Vereinbarkeitsthema verstärkt auf die Gleichstellung für
                                                                                        Frauen in Führungspositionen verlagert. Als zentrales Ele-
                                                                                        ment wird derzeit die gesetzliche Quote zur Erhöhung des
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                                                                                        Frauenanteils in Führungspositionen in der Wirtschaft dis-
                                                                                        kutiert, wobei zumeist auf Norwegen als Vorreiter verwiesen               2. Kriterien für eine effektive
                                                                                        wird. Die Diskussion um die gesetzliche Quote für Auf-                       Gleichstellungspolitik
                                                                                        sichtsräte ist in Deutschland – stellvertretend für alle Teil-
                                                                                        bereiche der Gleichstellungspolitik – zu einem Kristallisa-                Die Entwicklung einer (im Sinne der Zielerreichung) effek-
                                                                                        tionspunkt für die Frage geworden, inwiefern verbindliche                  tiven beruflichen Gleichstellungspolitik wird, erstens, ohne
                                                                                        gesetzliche Regelungen zur Durchsetzung beruflicher                        Zweifel durch einen kulturellen und gesellschaftlichen Kon-
                                                                                        Gleichstellung durch freiwillige Vereinbarungen und Selbst-                text begünstigt, der sich an Normen der Gleichstellung von
lichung online oder offline) sind nicht gestattet.

                                                                                        verpflichtungen ersetzt werden können. Diese Debatte ist                   Frauen und Männern orientiert und auf alle gesellschaftli-
                                                                                        möglicherweise auch als ein Zeichen für eine grundsätzliche                chen Teilbereiche ausstrahlt. Zweitens: Ein effektives Policy-
                                                                                       Veränderung des gleichstellungspolitischen Klimas in                        Regime würde daran anschließend verschiedene Modi und
                                                                                        Deutschland zu deuten.                                                     Formen der Steuerung kombinieren, und eben nicht allein
                                                                                            Im Folgenden wollen wir aus der steuerungstheoreti-                    auf hierarchische und sanktionsbewehrte Regulierung set-
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                                                                                        schen Perspektive zeigen, dass eine gute gleichstellungs-                  zen. Im Folgenden wollen wir diese beiden Argumente aus
                                                                                        politische Strategie normativ solide verankert sein und                    der steuerungstheoretischen Perspektive erörtern, um damit
                                                                                       „hierarchische“ und nicht-hierarchische Steuerungsformen                    ein Interpretationsangebot für die Bewertung gleichstel-
                                                                                        sinnvoll miteinander kombinieren muss, um tatsächlich                      lungspolitischer Strategien zu machen.
                                                                                        effektiv zu sein (Abschnitt 2). Unsere konzeptionellen Ar-
                                                                                        gumente möchten wir an einer Darstellung der Quoten-
                                                                                        regelungen Norwegens, Schwedens und Deutschlands

                                                                                                                       https://doi.org/10.5771/0342-300X-2015-1-25                                                           25
                                                                                                                Generiert durch IP '46.4.80.155', am 07.10.2021, 13:19:38.
                                                                                                         Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
AUFSÄTZE

           2.1 Kohärenz und Konsistenz eines                                          zeugung (durch Werbung, symbolische Handlungen) ver-
               Policy-Regimes                                                         stärkt werden, um Verhaltensänderungen zu erreichen.
                                                                                          Die Konsistenz eines Policy-Regimes bemisst sich hin-
           Zu Recht hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass einzel-                gegen daran, wie gut die Steuerungsmechanismen, die sich
           ne Maßnahmen zur Gleichstellung immer im Kontext wohl-                     auf die einzelnen Teilbereiche beziehen, aufeinander abge-
           fahrtsstaatlicher Strukturen betrachtet werden müssen, da                  stimmt sind, sodass sie eine einheitliche Wirkung entfalten
           viele Maßnahmen und Programme zusammenwirken und                           können. Ein Policy-Regime zur beruflichen Gleichstellung
           das Geschlechterverhältnis im Arbeitsmarkt gemeinsam                       muss nicht nur mit den sozialstaatlichen Rahmenbedingun-
           bestimmen (vgl. Wahl 1999). Idealerweise wäre ein Gender-                  gen zusammenpassen, sondern mindestens drei Teilberei-
           Policy-Regime normativ kohärent und konsistent im Hin-                     che in den Fokus nehmen: den Zugang der Frauen zur Er-
           blick auf die Koordination einzelner Maßnahmen (Bothfeld                   werbstätigkeit, die Qualität der Beschäftigung und die
           2008).                                                                     Durchmischung der Tätigkeitsbereiche (Bothfeld et al.
               Mit dem Begriff der Kohärenz wird betont, dass die nor-                2010). Die Komplexität des Politikfeldes der beruflichen
           mative Ausrichtung eines Policy-Regimes möglichst einheit-                 Gleichstellung hat zur Folge, dass jeweils unterschiedliche
           lich sein muss: Gilt ein normatives Ziel, wie etwa eine hohe               Adressaten angesprochen werden, die jeweils unterschied-
           Frauenerwerbstätigkeit als Bezugspunkt für beschäftigungs-                 lichen Handlungslogiken und -zwängen unterliegen. Frau-
           politische Strategien, so sollten alle Maßnahmen zur über-                 en und Männer in der Privatsphäre, Arbeitgeber, Arbeit-
           greifenden normativen Zielvorstellung passen, damit sich                   nehmerinnen und Arbeitnehmer generell, Gewerkschaften
           die beabsichtigte Steuerungswirkung entfalten kann. Das                    als Tarifpartner, aber auch die Politik, die ihre Vorstellung
           heißt, dass die zugrunde liegende Gleichheitsnorm auch in                  in die Ausgestaltung und das Handeln öffentlicher Institu-
           den angrenzenden Teilbereichen als Bezugspunkt gelten                      tionen einbringt, interagieren nicht nur miteinander, son-
           muss und politische Maßnahmen hierauf ausgerichtet wer-                    dern folgen jeweils sehr unterschiedlichen Motiven und
           den müssen. Als normativer Bezug für die berufliche Gleich-                räumen der Gleichstellung der Geschlechter dabei einen
           stellung eignet sich der mehrdimensionale Gleichheitsbegriff               sehr unterschiedlichen Stellenwert ein (ebd.). Wenn die
           von Nancy Fraser (1994), da dieser die Interaktion verschie-               Instrumente nicht gut aufeinander abgestimmt sind, können
           dener Gleichheitsdimensionen zwischen Frauen und Män-                      sich die Wirkungen verschiedener Instrumente gegenseitig
           nern, wie etwa die Gleichheit in der Erwerbs- und Sorgear-                 aufheben, mit dem Ergebnis von Mitnahmeeffekten oder
           beit, der Freizeit, der kulturellen Anerkennung, dem Schutz                nicht-intendierten Wirkungen. So kann z. B. die Vorschrift,
           vor Ausbeutung u.a. betont und damit aufzeigt, wie groß das                den Frauenanteil in bestimmten Tätigkeitsbereichen zu er-
           Potenzial für Inkohärenz eines Genderregimes ist. Dement-                  höhen, nicht umgesetzt werden, wenn nicht andere Maß-
           sprechend ist der Geschlechtergleichheit nicht gedient, wenn               nahmen zuvor darauf hinwirken, Frauen zu qualifizieren
           eine höhere Frauenerwerbstätigkeit allein um den Preis der                 und zur Bewerbung um Führungspositionen zu ermutigen.
           Doppelbelastung (durch die alleinige Übernahme der Fa-                         Die Komplexität des Feldes wie auch die Vielzahl und
           milienarbeit durch Frauen), einer schlechten Bezahlung oder                Unterschiedlichkeit der Adressaten und ihrer Handlungslo-
           ungünstiger Beschäftigungsbedingungen zu erreichen wäre.                   giken erfordern also eine „ganzheitliche“ Herangehensweise
           Gleichheitsforderungen müssen daher immer auch die an-                     beim Policy-Design. Die Vorstellung eines konsistenten und
           grenzenden Bereiche, etwa der Vereinbarkeit oder der Re-                   kohärenten Policy-Regimes ist allerdings idealtypisch – in
           gulierung von Arbeitsverhältnissen, einbeziehen und setzen                 der Praxis muss immer mit Widersprüchlichkeiten innerhalb
           somit eine entsprechende normative Passförmigkeit der                      von Policy-Regimen gerechnet werden, die deren Effektivität
           (gesetzlichen) Regulierung voraus. Inkohärenzen ergeben                    einschränken (vgl. hierzu ausführlicher Bothfeld 2008).
           sich auch, wenn die übergreifenden normativen Vorstellun-                  Wichtig ist daher, dass Fehlsteuerungen identifiziert und
           gen nicht zu den (unterschiedlichen) Einstellungen bzw.                    durch die Weiterentwicklung der Instrumente behoben wer-
           Handlungslogiken der Adressaten passen. Eine hohe Akzep-                   den können.
           tanz der Maßnahmen wäre dann unwahrscheinlich. Grund-
           sätzlich widersprüchlich sind für die Arbeitgeber etwa schüt-              2.2 Die Effektivität gleichstellungspolitischer
           zende Vereinbarkeitsmaßnahmen mit der von ihnen                                Instrumente
           verfolgten ökonomischen Zielsetzung, die Arbeitskräfte zur
           Steigerung der Produktivität intensiv zu nutzen. Arbeitneh-                Im Hinblick auf die Effektivität einer gleichstellungspoliti-
           merinnen und Arbeitnehmer spüren hingegen die Wider-                       schen Strategie ist daher relevant, mit welchen Mitteln ge-
           sprüche zwischen den Anforderungen, leistungsfähige Ar-                    steuert wird und wie die Steuerungsinstrumente ausgestal-
           beitskräfte und gleichzeitig „gute“ Eltern zu sein. Dort, wo               tet sind (Bothfeld et al. 2010). Dabei verstehen wir unter
           widersprüchliche Zielsetzungen zusammenkommen, müs-                        Instrument eine Maßnahme in gesetzlicher Form, die als
           sen die gültigen Steuerungsziele (z. B. Vereinbarkeit zu ge-               ein Teil eines Policy-Regimes zur Erreichung eines politi-
           währleisten) mithilfe sanktionierbarer regulativer Maßnah-                 schen Ziels eine Beziehung zwischen Staat und Adressat
           men erzwungen werden. Und wo dies nicht möglich ist, muss                  institutionalisiert (Lascoumes/Le Galès 2007). Die politik-
           eine fehlende Akzeptanz durch effektive Anreize oder Über-                 wissenschaftliche Steuerungstheorie unterscheidet hierzu

26                                        https://doi.org/10.5771/0342-300X-2015-1-25
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WSI MITTEILUNGEN 1/2015

ÜBERSICHT 1

Instrumentenarten in der Gleichstellungspolitik

                                       Hierarchische Steuerung                        Prozedurale Steuerung                            Evaluative Steuerung
 Gegenstand der angestrebten           (inhaltliches) Ziel des                        Art des Akteurshandelns, Herausbildung           (Selbst-)wahrnehmung des Sachverhalts
 Veränderung                           Akteurshandelns                                von neuen Routinen                               und Reflexion der Adressaten über
                                                                                                                                       Steuerungsziel
 Art des Ziels                         direkt, konkret und mess-                      indirekt vorgegeben, wird durch Adressat         indirekt, (Selbst-)verortung und
                                       oder nachweisbar                               konkretisiert und angepasst                      Problemdefinition

 Steuerungsmodi                        Zwang durch Regulierung                        Zwang durch Regulierung,                         Zwang durch Regulierung,
                                                                                      Anreiz, Information/Überzeugung                  Druck durch Kontrolle, Wettbewerb
                                                                                      Kooperation                                      und Information,
                                                                                                                                       Kooperation
 Art der Wirkung                       direkt, Einzelfall                             indirekt-strukturell, aber weniger sichtbar      latent
                                                                                                                                       (Lernen, kultureller Wandel)

 Beispiele                             Diskriminierungsverbot                         Einrichtung von Gleichstellungs-                 Berichtspflicht
                                       Gesetzliche Quote                              beauftragten, Gleichstellungspläne               Rechenschaftspflicht
                                                                                                                                       (freiwillige) Auditierung

Quelle: Zusammenstellung der Autorinnen.

Modi, die für einen Steuerungsversuch ausgewählt und                         chischen Instrumenten gehören substanzielle Vorschriften
durch Instrumente institutionalisiert werden: die Regulie-                   wie etwa das Diskriminierungsverbot oder das Gebot der
rung (z. B. Quotenregelungen), finanzielle Anreizsteuerung                   Gleichbehandlung, die sich des Steuerungsmechanismus
durch Programme (z. B. das Elterngeld) sowie Information                     des Zwangs (enforcement) bedienen. Bei der Umsetzung
oder Überzeugung (Broschüren, Webauftritte) (Benz 2008).                     dieser Vorschriften können sich Varianzen ergeben, je nach-
Hierdurch werden Handlungsspielräume definiert, die die                      dem, wie die Vorschriften durch einzelne Regeln ergänzt
privaten Akteure im Rahmen gesetzlicher Regelungen in                        werden, die ihre jeweilige Reichweite, die differenzierte An-
Aushandlung mit dem Staat oder ganz untereinander (z. B.                     wendung oder die Verbindlichkeit definieren. So benennt
durch Betriebsvereinbarungen) ausfüllen. Eine weitere Steu-                  das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zwar
erungsform ist die der Selbststeuerung (etwa durch den                       eine ganze Reihe von Sachverhalten, die in seinen Geltungs-
Corporate Governance Kodex, vgl. Töller 2009), bei der sich                  bereich fallen, überlässt dessen Durchsetzung aber der in-
die privaten Akteure ihre Regeln ohne staatliche Vorgaben                    dividuellen rechtlichen Auseinandersetzung. Eine substan-
festlegen. Zudem unterscheidet die politikwissenschaftliche                  zielle Sanktionsmöglichkeit fehlt jedoch ebenso wie das
Diskussion im Hinblick auf die Bindungskraft der Regeln                      prozedurale Instrument eines kollektiven Klagerechts oder
zwischen soft und hard law. Ganz ähnlich werden in der                       eines Verbandsklagerechts, die den gesetzlichen Diskrimi-
rechtssoziologischen Debatte Instrumente unter dem As-                       nierungsschutz entscheidend verstärken würden (Bothfeld
pekt ihrer „Reflexivität“ dahin gehend unterschieden, wel-                   et al. 2010). Abgesehen davon kann die Wirkung hierarchi-
chen Grad der Verbindlichkeit sie für das Handeln der Ak-                    scher Maßnahmen durch deren „Sichtbarkeit“ verstärkt
teure festlegen und damit die Grenzen zwischen staatlicher                   werden (Peters 2002), etwa, wenn sich prominente Unter-
und marktlicher Regulierung ziehen (Callies 1998). Da uns                    nehmensführer oder Politiker für ein bestimmtes Instru-
hier Art und Umfang der Anforderungen interessieren, die                     ment aussprechen oder wenn neue Regelungen öffentlich
gesetzliche Regulierung an die öffentlichen und privaten                     sehr kontrovers diskutiert werden und öffentlicher Druck
Arbeitgeber stellt, schlagen wir vor, drei komplementäre                     auf die Adressaten einer Politik entsteht. Regelungen kön-
Instrumentenarten zu unterscheiden, die sich auf den Im-                     nen einen Symbolwert bekommen oder im öffentlichen oder
plementationsprozess der Adressaten beziehen: hierarchi-                     sogar im Fachdiskurs eine neue Norm etablieren, die dann
sche, prozedurale sowie evaluative Instrumente (Über-                        zum Bezugspunkt für personalpolitische Überlegungen
sicht 1). Die Stärke bzw. Qualität dieser Maßnahmen lassen                   oder Handlungen werden. Insbesondere bei der Quotenre-
sich wiederum anhand des jeweiligen Grades ihrer Verbind-                    gelung kann ihre „Sichtbarkeit“ die Bindungskraft und
lichkeit, Ausdifferenziertheit und Reichweite bewerten                       Reichweite ohne explizite gesetzliche Regelung verstärken
(Bothfeld et al. 2010).                                                      (vgl. 3.2). Davon abgesehen können Quoten entsprechend
    Hierarchische Instrumente folgen dem Modus der Regu-                     des Adressatenkreises differenziert ausgestaltet werden,
lierung und schreiben den Adressaten direkt verbindliche,                    etwa durch die Gewährung von Stufen oder Fristen zur
inhaltlich definierte und konkrete Ziele vor. Idealerweise                   Umsetzung der vorgeschriebenen Ziele, um eine höhere
wird die Zielerreichung überprüft und gegebenenfalls ein-                    Akzeptanz zu erzielen. Bei der Quote stellt sich neben der
gefordert bzw. Abweichungen sanktioniert. Zu den hierar-                     Verbindlichkeit besonders die Frage nach der Reich-

                                                                          https://doi.org/10.5771/0342-300X-2015-1-25                                                          27
                                                                   Generiert durch IP '46.4.80.155', am 07.10.2021, 13:19:38.
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AUFSÄTZE

           weite. Beispielsweise beziehen sich existierende Regelungen                Überprüfung der Lohnungleichheit (z. B. Logib D). Auch
           nur auf börsennotierte Unternehmen.                                        evaluative Instrumente können mehr oder weniger verbind-
               Prozedurale Instrumente nehmen das konkrete Ergebnis                   lich ausgestaltet sein, wenn etwa eine Berichtspflicht zwin-
           nicht vorweg, sondern etablieren einen neuen „Handlungs-                   gend abgefordert, kontrolliert und bei Nichteinhaltung
           korridor“, indem sie Verfahrensbedingungen institutiona-                   sanktioniert wird. Dabei kann eine Sanktion selbst unter-
           lisieren und das Handeln der Adressaten an bestimmte                       schiedliche Formen haben, strafrechtlich etwa durch Geld-
           Verfahrensvorschriften knüpfen. So stellen die Einrichtung                 oder Haftstrafen oder informell durch das meist moralisch
           von Gleichstellungsbeauftragten (GBA) und die Zuerken-                     gefärbte Sichtbar- und Öffentlichmachen von Fehlverhalten
           nung von Informations- oder Mitbestimmungsrechten bei                      (shaming and blaming). Vergleiche können unterneh-
           Personalmaßnahmen einen systematischen strukturellen                       mensintern, zwischen Betrieben bzw. Dienststellen oder
           Eingriff in das Organisationshandeln dar. Gesetzlich instal-               zwischen verschiedenen Ländern durchgeführt werden. Ein
           lierte prozedurale Maßnahmen können mit mehr oder we-                      Handlungsdruck ergibt sich vor allem dann, wenn das ei-
           niger harten Strafen sanktioniert werden, etwa wenn GBA                    gentliche Ziel der Gleichstellung in der (Fach-)Öffentlich-
           die Einhaltung der Verfahrensregeln gegebenenfalls einkla-                 keit allgemein geteilt wird und eine hohe Legitimität genießt.
           gen können. Die Effektivität der Arbeit der Gleichstellungs-               Allerdings entfalten potenzielle Sanktionen nur dann eine
           beauftragten ergibt sich außerdem aus den weiteren Regeln                  Steuerungswirkung, wenn die (monetären oder nicht-mo-
           und Bedingungen, etwa durch die Konkretisierung der in-                    netären) Kosten als signifikant wahrgenommen werden.
           formations- oder mitbestimmungspflichtigen Gegenstände,                        Das alleinige Vorhandensein bestimmter Instrumente
           die Festlegung von Beteiligungsrechten oder die Ressour-                   ist also kein Erfolgsgarant. Vielmehr müssen die verschie-
           cenausstattung. Je ausdifferenzierter die Kompetenzen die-                 denen Steuerungsformen klug kombiniert werden und gut
           ses Amtes festgelegt sind, desto effektiver können die GBA                 ausgestaltet sein. Anhand der empirischen Beispiele der
           ihre Beteiligungsrechte wahrnehmen. Ein anderes Beispiel                   Quotenregelung lässt sich zeigen, inwiefern hierarchische
           sind Plan- und Berichtspflichten, die die Betriebe oder Be-                und verbindliche Instrumente mit prozeduralen und eva-
           hörden zur Reflexion über ihr Handeln und die Themati-                     luativen Instrumenten zu ergänzen sind und inwiefern die
           sierung des Gleichstellungsthemas in der Organisation                      verschiedenen Instrumentenarten sich substitutiv oder
           zwingen. Eine weitere Form prozeduraler, jedoch nicht                      komplementär verhalten.
           staatlicher Instrumente, sind freiwillige Vereinbarungen
           oder Selbstverpflichtungen, wie etwa der Deutsche Corpo-
           rate Governance Kodex, die eine latente Wirkung entfalten
           können. Auch der Staat kann Anreizsysteme wie z.B. Audi-
           tierungen oder Rankings entwickeln, um Betriebe zur Re-                    3. Quoten – ein zentraler Baustein
           flexion ihres Handelns zu bewegen. Bei Selbstverpflichtun-                    einer effektiven Politik zur
           gen stehen die Adressaten vor der Wahl, ein Ziel, wie etwa
                                                                                         beruflichen Gleichstellung?
           die Besetzung von Spitzenpositionen mit Frauen, zu erfül-
           len (to comply) oder die Nichterfüllung rechtfertigen zu
           müssen (to explain); wenn Sanktionen oder die Verknüp-                     Jenseits aller kontroversen Diskussionen werden Quoten-
           fung mit evaluativen Maßnahmen fehlen, ist die Bindungs-                   regelungen zwei wichtige Effekte zugeschrieben, aufgrund
           kraft dieser Maßnahmen gering.                                             derer sie als relevante Instrumente einer umfassenden
               Evaluative Maßnahmen wirken durch eine veränderte                      Gleichstellungsstrategie gelten (Fagan et al. 2012): Sie leisten
           Selbstwahrnehmung oder Vergleiche zwischen den Adres-                      einen Beitrag zur Erhöhung des Frauenanteils in den Füh-
           saten auf deren Handeln ein, allerdings nicht direkt, sondern              rungsgremien von Betrieben oder Dienststellen, und durch
           durch die Veränderung der Problemsicht der Adressaten                      ihre gute „Sichtbarkeit“ haben sie eine nicht zu unterschät-
           (z. B. Bestehen im Wettbewerb mit Peers). Evaluative Maß-                  zende Signalwirkung für die gleichstellungspolitische Dis-
           nahmen basieren auf dem Modus der Information oder                         kussion insgesamt. Wie Quotenregelungen im Einzelnen
           Überzeugung und sind dort wichtig, wo es darum geht, kul-                  funktionieren, wollen wir im Folgenden am Beispiel der
           turell verankerte Sichtweisen oder Stereotype aufzubrechen.                beiden nordischen Länder – Norwegen und Schweden –
           Durch Selbstverortung und Vergleich werden Diskrepanzen                    erörtern, um vor diesem Hintergrund die Regelung zu un-
           zwischen Ziel und Stand nach innen und möglicherweise                      tersuchen, die derzeit in Deutschland diskutiert wird. Inte-
           auch nach außen sichtbar und als Anlass zur Verhaltensän-                  ressant sind die nordischen Beispiele deshalb, weil sie beide
           derung thematisierbar. Evaluative Instrumente, wie etwa                    recht erfolgreich sind, obwohl in Schweden – anders als in
           die Berichtspflicht, können gesetzlich festgelegt und sank-                Norwegen – bislang auf eine gesetzliche hierarchische Re-
           tionierbar sein oder auf die Selbststeuerung der privaten                  gulierung verzichtet wurde. Die vergleichende Analyse soll
           Akteure setzen. Staatlicherseits können Informations-, Schu-               deutlich machen, wie die Kombination der drei oben defi-
           lungs- oder Prüfangebote gemacht werden, wie z. B. durch                   nierten Regulierungsmodi (hierarchisch/prozedural/evalu-
           die Auditierung der Familienfreundlichkeit eines Unter-                    ativ) zusammenwirken. Im Ergebnis wird dann klarer, ob
           nehmens oder die Bereitstellung von Instrumenten zur                       und inwiefern eine strikte gesetzliche hierarchische Regu-

28                                        https://doi.org/10.5771/0342-300X-2015-1-25
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WSI MITTEILUNGEN 1/2015

ÜBERSICHT 2

Vergleichende Bewertung der Effektivität der Quotenregelungen für die Privatwirtschaft

                       Hierarchische Regulierung             Prozedurale Regulierung                      Evaluative Regulierung             Ergebnis
 Norwegen              hohe Verbindlichkeit                  Ausdifferenziertes                           weitreichende und                  40 %-Quote seit 2009 erfüllt,
                       (40 %-Anteil)                         Instrumentarium,                             ausdifferenzierte Evaluation       aber Stagnation, kaum spill-
                       große Sichtbarkeit                    hohe Verbindlichkeit                                                            over-Effekte auf Vorstands-
                       geringe Reichweite                                                                                                    posten;
                                                                                                                                             adverse Effekte:
                                                                                                                                             Mandatskumulation

 Schweden              keine verbindliche, nur ange-         hohe Verbindlichkeit durch umfas-            verbindliche, ausdifferenzierte    Anstieg des Frauenanteils auf
                       drohte Regelung;                      sende Berichtspflicht; ausdifferen-          und weitreichendes Monitoring      25 %,
                       gute Sichtbarkeit durch Quote im      ziertes Instrumentarium;                     durch verschiedene Institutio-     kein spill-over-Effekt auf Spre-
                       öffentlichen Sektor                   Selbstverpflichtung seit 2009                nen                                cherposten;
                                                                                                                                             adverser Effekt: Erweiterung
                                                                                                                                             der Gremien

 Deutschland           In Vorbereitung (30 %-Anteil),        Selbstverpflichtung                          begrenzte/spezifische evaluative   Moderater Anstieg auf 15 %
                       geringe Verbindlichkeit durch         geringe Verbindlichkeit;                     Instrumente;                       (2013), kein spill-over auf
                       milde Sanktionen, geringe             keine Berichtspflicht                        nicht-staatliche Aktivitäten mit    Vorstandsposten
                       Reichweite                                                                         wachsender Sichtbarkeit

Quelle: Zusammenstellung der Autorinnen.

lierung durch andere Steuerungsformen ersetzbar ist. Dabei               danach aber nicht deutlich überschritten. Zudem blieb der
prüfen wir auch, inwiefern die Quotenregelungen jeweils                  Frauenanteil unter Vorstandvorsitzenden von der Reform
in ein mehr oder weniger (technisch) konsistentes und (nor-              fast unberührt – von 3 % im Jahr 2002 stieg er auf 5 % im
mativ) kohärentes nationales Gleichstellungsregime einge-                Jahr 2009 (Teigen 2012) – was für eine stark begrenzte Aus-
bettet sind. Die Ergebnisse dieses Vergleichs sind in Über-              wirkung hierarchischer Regulierung spricht.
sicht 2 zusammengefasst.                                                     Die Einführung der Quote war mit einer Reihe beglei-
                                                                         tender Maßnahmen prozeduraler Natur verbunden, die die
3.1 Norwegen: Leuchtturm und Drohkulisse                                 Rekrutierung von Frauen im Rahmen der gesetzlichen Quo-
                                                                         te erleichterten (Sweigart 2012, S. 98f.). Dazu gehörte die
Weil Norwegen als erstes Land die bisher am stärksten hi-                Etablierung öffentlich zugänglicher Datenbanken mit weib-
 erarchisch geprägte gesetzliche Quotenregelung 2003 für                 lichen Angestellten oder Kandidatinnen für Vorstandspo-
 die Privatwirtschaft1 eingeführt hat, gilt diese als Maßstab            sitionen sowie Coaching und Weiterbildungsangebote für
 aller nationalen Debatten über die Einführung und Gestal-               Anwärterinnen. An der Norwegischen Business School
 tung solcher Instrumente (Huse et al. 2013a; Teigen 2012;               wurden, teilweise in Kooperation mit der Wirtschaft, au-
 Borchorst/Teigen in diesem Heft). Diese gesetzliche Rege-               ßerdem Weiterbildungsprogramme für Managerinnen und
 lung erfolgte, nachdem der Appell, Geschlechtergleichheit               Manager als Vorbereitung für die Wahrnehmung von Auf-
 zu realisieren, ohne wesentlichen Erfolg geblieben war                  sichtsratsposten entwickelt (Standal 2013). Eine private
(Huse 2013a). Das norwegische Gesetz sah vor, dass bör-                  Initiative, die Gründung des norwegischen „Professional
 sennotierte Aktiengesellschaften (public limited companies              Boards Forum“, das heute in Großbritannien und den
– bis 2008)2 in ihrem Verwaltungsrat3 mindestens 40 % Frau-
 en nominieren. Obwohl das Vorhaben nur weniger als 10 %
 der privaten Unternehmen betraf, berührte es den Kern der
 norwegischen Wirtschaft. Harte, aber gestaffelte Sanktionen             1    Seit 1981 musste schon in der Politik und in öffentlichen
                                                                              Gremien jedes Geschlecht mit einem Anteil von 40 % ver-
wurden gleichzeitig eingeführt – beginnend mit wieder-
                                                                              treten sein (Huse 2013b). Dies hat zu einer hohen Akzep-
 holten Warnungen, gefolgt von einer Geldstrafe, bis zur                      tanz dieses Instruments geführt.
Zwangsauflösung des Unternehmens. Für private Unter-
 nehmen war eine zweistufige Umsetzung vorgesehen: die                   2    Auch Unternehmen in Staats- oder (inter-)kommunalem
                                                                              Besitz (bis 2004) und Genossenschaften (bis 2009) sollten
Frist bis 2008 galt für etablierte Firmen, während eine kür-                  die Quote von 40 % umsetzen.
 zere Frist (bis 2006) für neue Gründungen galt. Der Frau-
 enanteil in norwegischen Verwaltungsräten wuchs darauf-                 3    Norwegen steht für das eingliedrige (one-tier) Modell der
                                                                              Unternehmensführung, wo (interne) exekutive und (ex-
 hin von 2002 von gerade einmal 6 % um das Sechsfache
                                                                              tern nominierte) nicht-exekutive Mitglieder in einem einzi-
 innerhalb von sieben Jahren. 2009 galt die Quote als erfolg-                 gen Verwaltungsrat (corporate board) sitzen, darunter
 reich umgesetzt (Teigen 2012). Die Quote von 40 % wurde                      auch Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmerseite.

                                                                      https://doi.org/10.5771/0342-300X-2015-1-25                                                               29
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AUFSÄTZE

           Niederlanden agiert, entwickelte außerdem 2003 eine Platt-                     Die norwegische Quotenregelung ist einerseits in ihrer
           form für die Vernetzung geeigneter und kompetenter Wirt-                   Reichweite begrenzt, da sie nur eine kleine Minderheit der
           schaftsfachfrauen (Hurvenes 2013, S. 40).                                  privaten Unternehmen betrifft und bislang ohne nennens-
               Außerdem wird die verbindliche Vertretung der Arbeit-                  werte „Spill-over-Effekte“ auf die Mehrheit der Unterneh-
           nehmerinnen und Arbeitnehmer im Verwaltungsrat als                         men geblieben ist (Teigen 2012). Allerdings hat sie auch mit
           begünstigender Faktor betrachtet, da die Gruppe der Be-                    der Tradition der Selbstregulierung des privaten Sektors
           schäftigten als offener für Outsider-Gruppen gilt (Sweigart                gebrochen und etabliert eine neue Handlungslogik für die
           2012, S. 101). Interessant ist das medial beobachtete und                  Unternehmen. Andererseits ist die norwegische Quotenre-
           später wissenschaftlich belegte Phänomen der „goldenen                     gelung insgesamt als hochgradig effektiv zu werten, da sie
           Röcke“ (Seierstad/Opsahl 2011): Danach besetzt eine Grup-                  geeigneten Frauen starke Anreize für eine gute Berufskar-
           pe von bestimmten Frauen einen überproportionalen Anteil                   riere bietet und weibliche Karrieren damit auch in der Pri-
           der Aufsichtsratsposten und kumuliert dabei mehrere Man-                   vatwirtschaft selbstverständlicher werden. Insofern könnten
           date. Hiermit wird die Entwicklung neuer geschlechtsspe-                   diese neuen Rollenvorbilder, sofern sich das Problem der
           zifischer Ungleichheit deutlich, der durch eine gesetzliche                Mandatskumulation weiterhin relativiert, zu einem ent-
           Begrenzung der Mandatskumulation entgegengewirkt wer-                      scheidenden Kulturwandel beitragen (ebd.).
           den könnte. Allerdings relativiert sich dieses Phänomen
           auch dadurch, dass über die Zeit immer mehr Frauen in die                  3.2 Schweden: wesentliche Fortschritte
           Positionen „hineinwachsen“ (vgl. Huse 2013b).                                 „im Schatten des Gesetzes“
               Eine transparente und konsequente Evaluation des Im-
           plementationsprozesses, die durch das Handelsregister er-                  Der Kontrast zwischen dem norwegischen Fall und den
           folgt (da das Aktiengesetz durch die Quotenregelung geän-                  Entwicklungen in seinem Nachbarland Schweden ist inter-
           dert wurde), hielt den Druck auf die betroffenen                           essant. In Schweden hat die Regierung ohne gesetzliche
           Unternehmen konstant. Die Ergebniskontrolle wird auch                      Quote, aber unter wiederholter Androhung der Einführung
           dadurch erleichtert, dass in Norwegen private und öffent-                  einer gesetzlichen Regelung die Arbeitgeber dazu gebracht,
           liche Arbeitgeber einer jährlichen Berichtspflicht unterlie-               den Frauenanteil an ihren Verwaltungsratsmitgliedern6 dras-
           gen, die sie zur aktiven Analyse der Geschlechtergleichstel-               tisch zu erhöhen. So stieg der Frauenanteil in den Verwal-
           lung im Betrieb verpflichtet. Diese Berichte sind überdies                 tungsräten börsennotierter Unternehmen von 2 % Mitte der
           öffentlich zugänglich und fließen in das jährliche Gender                  1990er Jahre auf 25 % im Jahr 2012.
           Equality Barometer der Nordischen Länder ein.4 Im Januar                       Dieser (relative) Erfolg stellt jedoch eine Ausnahme un-
           2008 ergab eine Auswertung durch das norwegische Han-                      ter den europäischen Ländern dar, in denen bislang das
           delsregister, dass nur ein sehr kleiner Teil der betroffenen               Modell der Selbstregulierung „im Schatten der Hierarchie“
           Unternehmen (77 von über 1.000) die Quotenregelung ver-                    (Scharpf 2000) gilt. Schon 1999 drohte die sozialdemokra-
           letzten; diese erfüllten dann nach der ersten oder der zwei-               tische Gleichstellungsministerin mit der Einführung einer
           ten Mahnung die Auflagen und entgingen damit der Sank-                     gesetzlichen Quote, die von der Wirtschaft mit Verweis auf
           tionierung. Allerdings wechselte jedoch ein nicht                          das Prinzip des autonomen Handelns des Unternehmers
           unerheblicher Anteil der betroffenen Unternehmen (etwa                     massiv abgelehnt wurde (Bohman et al. 2012). Diese Dro-
           100) ihren Status, um dem Geltungsbereich des Gesetzes zu                  hung wurde 2002 wiederholt und präzisiert: So sollte bis
           entkommen (Teigen 2012).                                                   2004 der Frauenanteil in Verwaltungsräten auf 25 % gestei-
               Der politische Schlüssel zum Erfolg des Gesetzes ist ohne              gert werden, andernfalls würde eine gesetzliche Maßnahme
           Zweifel der Unterstützung durch den christdemokratischen                   in Kraft gesetzt. Im Jahr 2009 verpflichteten sich dann die
           Wirtschaftsminister zu verdanken (Teigen 2012, S. 135; Huse                schwedischen Arbeitgeber durch die Änderung des schwe-
           2013a), die der gesetzlichen Regelung eine große Sichtbarkeit
           und Legitimität verschaffte und zur (diskursiven) Instituti-
           onalisierung der Norm der Geschlechtergleichheit in den
           Aufsichtsräten beitrug. Die erfolgreiche Umsetzung der                     4   Die nordischen Länder arbeiten seit 1974 im Bereich der
           Quote liegt einerseits an den gut konstruierten ausdifferen-                   Gleichstellung im Auftrag des Nordischen Ministerrats zu-
                                                                                          sammen. Unter anderem werden jährlich die Fortschritte
           zierten und mit großer Verbindlichkeit versehenen Kont-
                                                                                          in der Gleichstellung mit dem Gender Equality Barometer
           rollmechanismen, die die Sanktionsdrohung glaubhaft und                        erfasst und veröffentlicht (s. http://www.norden.org/en/
           effektiv machen. Andererseits begünstigen die begleitenden                     theme/nordisk-samarbejde-om-ligestilling-i-40-aar).
           Trainings und Netzwerke, die zum Teil von den Adressaten
                                                                                      5   Trotz hoher Frauenbeschäftigungsquoten wird das norwe-
           selbst erarbeitet wurden, die Erfolge bei der Rekrutierung                     gische Gleichstellungsregime durch einen immer noch
           von Frauen. Diese ausgeglichene Mischung aus Monitoring                        stark segregierten Arbeitsmarkt gekennzeichnet, in dem
           und Kontrolle ist außerdem eingebettet in eine technisch                       Frauen sich eher im öffentlichen Sektor konzentrieren.

           konsistente und normativ relativ kohärente5 Gleichstellungs-
                                                                                      6   In Schweden gibt es ein dem norwegischen Modell ähnli-
           politik, die durch Gender Mainstreaming und positive Maß-                      ches eingliedriges Modell der Unternehmensführung (vgl.
           nahmen zweigleisig arbeitet (LDO 2012, S. 6f.).                                Fußnote 3).

30                                        https://doi.org/10.5771/0342-300X-2015-1-25
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WSI MITTEILUNGEN 1/2015

 dischen Corporate Governance Kodex, eine geschlechter-              reich der beruflichen Gleichstellung. Diese seit Langem
 gerechte Verteilung der Posten in den Verwaltungsräten              etablierte, konsensuale und ausdifferenzierte Gleichstel-
 börsennotierter Unternehmen anzustreben (ebd.). Zusam-              lungspolitik und die positiven Erfahrungen mit den Quo-
 men mit der hierarchischen Regulierung des öffentlichen             tenregelungen in den anderen Bereichen sowie die etablier-
 Sektors erzeugte die „Drohung im Schatten der Hierarchie“           ten und transparenten Kontrollverfahren des betrieblichen
 mit dem Verweis auf den norwegischen Weg (vgl. hierzu               Handelns machten die Androhung einer gesetzlichen Quo-
 auch Borchorst/Teigen in diesem Heft) ausreichenden                 te glaubhaft. Zudem führte die konsequente Umsetzung
 Druck, bei der Gleichstellung in den Verwaltungsräten ak-           dieser Gleichstellungspolitik dazu, dass ein ausreichender
 tiv zu werden.                                                      Pool von geeigneten Frauen zur Verfügung stand. Wenn-
     Zur Kontrolle der erreichten Fortschritte standen und           gleich auch der schwedische Arbeitsmarkt immer noch stark
 stehen der Regierung mehrere Informationsquellen zu Ver-            segregiert ist, wurden Frauenkarrieren bereits seit vielen
 fügung. So veröffentlicht die schwedische Börse jährlich die        Jahren v.a. durch ein breites Angebot an Maßnahmen zur
 Zusammensetzung der Verwaltungsräte börsennotierter                 Vereinbarkeit gefördert.
 Unternehmen. Außerdem sind schwedische Betriebe auch
 im Rahmen der Gleichstellungspolitik der Regierung zur              3.3 Deutschland: langjähriger Widerstand trotz
 Erstellung von umfassenden Berichten und Plänen gesetz-                 wachsenden politischen Drucks
 lich verpflichtet (Bothfeld et al. 2010, S. 47ff.). Mit dem In-
 krafttreten des neuen Antidiskriminierungsgesetzes (2009)           Unter der schwarz-gelben Koalition (2009-2013) entbrann-
 verfügt zudem der Ombudsman (Bürgerbeauftragte) für                 te eine Debatte über die Einführung einer gesetzlichen Ge-
 Gleichstellung über erweiterte Sanktionsmöglichkeiten (z. B.        schlechterquote für Vorstände und Aufsichtsräte börsen-
 die Verhängung von Geldstrafen), wenn Berichte nicht oder           notierter Unternehmen, die zur Entwicklung von nicht
 nicht fristgemäß geliefert werden. Wenngleich das norwe-            weniger als vier Gesetzentwürfen führte. Tiefe Uneinigkeit
 gische Phänomen der Mandatskumulation in Schweden                   zwischen den Koalitionspartnern führte diese Debatte aber
 nicht nachzuweisen ist, zeigt die statistische Berichterstat-       in eine politische Sackgasse. So wurde ein Stufenplan mit
 tung dennoch, dass es auch in Schweden Ausweichreakti-              den Wirtschaftsvertretern vereinbart, der die Einführung
 onen gibt: So führt die Nominierung von Frauen als Ver-             einer gesetzlichen selbstverpflichtenden „Flexi-Quote“9 vor-
 waltungsratsmitglieder zuweilen zur Erweiterung des                 sah. Trotz einer parteiübergreifenden Mehrheit in beiden
 Gremiums und nicht zur Ersetzung männlicher Mitglieder              Kammern des Parlaments kam diese nie zustande, da ein
 durch Frauen. Dies kann als ein Indikator für bestimmte             Bruch mit der Parteidisziplin bei den Christdemokraten zu
„Alibi-Nominierungen“ gelten (Bohman et al. 2012).                   fürchten war. Die seit September 2013 amtierende Große
     Der schwedische Fall zeigt, dass der „Schatten der Hie-         Koalition will nun bis 2015 eine gesetzliche Quote verab-
 rarchie“ ausreichen kann, um wirtschaftliche Akteure dazu           schieden. Die Ende März 2014 veröffentlichten Leitlinien
 zu bringen, ihr Handeln in kurzer Zeit dramatisch zu ändern.        für das Gesetzgebungsverfahren sehen eine Quote von 30 %
Allerdings beurteilte der aktuelle schwedische Finanzmi-             in Aufsichtsräten von „voll mitbestimmungspflichtigen“10
 nister die Frage recht skeptisch, ob ein Frauenanteil von           und börsennotierten Unternehmen11 vor, die ab 2016 neu
 25 % schon die kritische Marke darstellt, die zeigt, dass           besetzt werden. Die Quote bezieht sich sowohl auf die
 Schweden ohne gesetzliche Intervention in die unterneh-             Arbeitnehmer- als auch auf die Anteilseignerseite. Bei
 merische Freiheit auskommen kann.7 Und im Februar 2014
 wiederholte er die Drohung der Einführung einer gesetzli-
 chen Quote. Der Frauenanteil unter den Verwaltungsrats-
 mitgliedern verbessert sich nämlich seit 2008 nicht mehr            7    Aus der Presse: http://www.bloomberg.com/news/2014-02-
 wesentlich8 – was wiederum für die stärkere Effektivität                 12/sweden-threatens-businessAes-with-sex-quotas-after-
                                                                          women-snubbed.html.
 einer hierarchischen Regelung spricht.
     Auf alle Fälle begünstigten wesentliche Rahmenbedin-            8    Aus dem nationalen Factsheet der Europäischen Kommis-
 gungen die vormalige rapide Steigerung des Frauenanteils                 sion „Gender Balance in Boards“ (Stand 2013).
 in den Verwaltungsräten: Ende der 1990er Jahre wurden
                                                                     9    In diesem Projekt sollten sich die DAX-30-Unternehmen
 gesetzliche Quoten sowohl für politische Ämter, öffentliche
                                                                          konkrete Ziele und Fristen zu einer Erhöhung des Frauen-
 Gremien und akademische Posten als auch für öffentliche                  anteils in Aufsichtsräten selbst setzen. Eine Veröffentli-
 Unternehmen eingeführt. Diese frühe Institutionalisierung                chungspflicht wäre damit verbunden gewesen. Die gesetz-
 versorgte das Instrument der Quote mit einem hohen Maß                   liche Frist wäre mit der Erreichung der 30%-Grenze entfal-
                                                                          len.
 an gesellschaftlicher Akzeptanz und Anerkennung (Frei-
 denvall et al. 2006) und legte seine Einführung auch in der         10 Dieser im neuen Koalitionsvertrag erfundene Begriff be-
 Privatwirtschaft nahe. Ein anderer wichtiger Faktor dafür,             schreibt eine paritätische Besetzung von Anteilseigner-
                                                                        und Arbeitnehmervertretern (Pütz/Weckes 2014).
 dass die schwedischen Arbeitgeber – unter starker Beob-
 achtung der Medien – aktiv wurden, ist ohne Zweifel das             11 Beide Merkmale sind als kumulativ und nicht als alternativ
 hochgradig konsistente schwedische Policy-Regime im Be-                zu betrachten: siehe dazu Pütz/Weckes 2014.

                                                                  https://doi.org/10.5771/0342-300X-2015-1-25                                              31
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AUFSÄTZE

           Nichterreichen der Quote sollen die für das unterrepräsen-                 schen Unternehmen stieg der Frauenanteil in den Aufsichts-
           tierte Geschlecht vorgesehenen Sitze in den Aufsichtsräten                 räten von 9,6 % (2006) auf 15,2 % (2013). In den Vorständen
           frei bleiben – eine im internationalen Vergleich sehr milde                stieg der Frauenanteil allerdings sehr viel moderater an, von
           Sanktion. Trotz der Nichterfüllung der Quote würde der                     0,2 % (2006) auf nur 4,8 % (2013) (Holst/Kirsch 2014, S. 20).
           Aufsichtsrat damit jedoch handlungsfähig bleiben. Nach                     Eine fristgerechte Erfüllung der kommenden Quote für Auf-
           heutigem Stand wird das Gesetz nur rund 101 Aktienge-                      sichtsräte wird daher der Wirtschaft Kraftanstrengungen
           sellschaften betreffen (Pütz/Weckes 2014) – eine recht be-                 abverlangen, rechtzeitig geeignete Frauen für die Übernahme
           grenzte Reichweite für ein so prominentes und umstrittenes                 von Aufsichtsratsposten zu motivieren.
           Gesetzesvorhaben. Es wird jedoch von freiwilligen Maß-                         Das widerwillige Bekenntnis der früheren deutschen
           nahmen flankiert, die anhand von selbstfestgelegten Ziel-                  Regierungen zu einer gesetzlichen Frauenquote spiegelt die
           vorgaben und Fristen viel mehr Unternehmen (3.500) dazu                    normative Unentschiedenheit des deutschen Genderre-
           bewegen sollen, den Frauenanteil sowohl in den Vorständen                  gimes wider (Bothfeld 2008) – zwischen der Orientierung
           als auch auf den ersten zwei Führungsebenen zu erhöhen                     am „Doppel-Verdiener Modell“ als neuer Norm und ste-
           (BMFSFJ 2014).                                                             reotypen Vorstellungen der geschlechterspezifischen Ar-
               Dass die Politik auch weiterhin auf Freiwilligkeit setzt,              beitsteilung, die nach wie vor noch viele andere Teilbereiche
           fügt sich in die bisherige Handlungslogik der Unterneh-                    der Gleichstellungspolitik betreffen. Inwiefern die Einfüh-
           mensseite gut ein: Die deutschen Arbeitgeberverbände ha-                   rung einer gesetzlichen Quote zum kulturellen Wandel ins-
           ben sich 2010 durch eine Änderung des Deutschen Corpo-                     gesamt beitragen kann, wird wegen der elitären und sehr
           rate Governance Kodex (DCGK) zu „einer angemessenen                        selektiven Orientierung dieses Themas skeptisch beurteilt
           Repräsentanz von Frauen“ bei der Besetzung von Aufsichts-                  (Berghahn 2012). Allerdings geht auch in Deutschland allein
           räten verpflichtet. Aufsichtsräte sollen danach (freiwillig)               von der Diskussion über dieses Instrument eine Signalwir-
           ein konkretes Ziel formulieren, dessen Umsetzungsgrad im                   kung für eine stärker ergebnisorientierte Gleichstellungs-
           jährlichen Corporate-Governance-Bericht veröffentlicht                     politik aus.
           werden soll. Nach dem Comply-or-Explain-Prinzip soll die
           Veröffentlichung dieses Indikators Transparenz und Ver-
           gleichbarkeit schaffen.12 Allerdings haben sich diese frei-
           willigen prozeduralen Maßnahmen, die auch die „große
           Freiheit zu gleichstellungspolitischem Handeln“ der 2001                   4. Perspektiven einer effektiven Politik
           freiwilligen Vereinbarung zur Chancengleichheit in der Pri-                   zur beruflichen Gleichstellung
           vatwirtschaft auszeichnen, bisher jedoch als unzureichend
           für die Veränderung des betrieblichen Handelns erwiesen                    Die Einbettung in einen egalitären kulturellen und sozialen
           (Bothfeld et al. 2010). Hierzu fehlt für die Privatwirtschaft              Kontext ist, wie am Beispiel der nordischen Länder deutlich
           eine systematische Berichtspflicht zur betrieblichen Gleich-               wird, eine begünstigende Bedingung für eine effektive be-
           stellung, die es in Teilen des öffentlichen Dienstes bereits               rufliche Gleichstellungspolitik. Wie das schwedische Fall-
           gibt. Ohne diese Berichtspflicht wird sich die gewünschte                  beispiel zeigt, kann ein normativ kohärenter Kontext durch-
           inkrementelle und reflexive („freiwillige“) Anpassung des                  aus Wirkungen herbeiführen, die in anderen Ländern durch
           betrieblichen Handelns maßgeblich verzögern, da die Nicht-                 vereinzelte hierarchische Maßnahmen nur schwer zu errei-
           beachtung der Selbstverpflichtung zur Gleichstellung nicht                 chen sind. Ohne Zweifel erschwert eine normative Unent-
           sichtbar wird.                                                             schiedenheit, wie sie in Deutschland zu beobachten ist, die
               Ein systematisches öffentliches Monitoring des erreich-                Entwicklung eines kohärenten und konsistenten Policy-
           ten Stands in der Gleichstellung von Frauen und Männern                    Regimes, da interne Widersprüche in vielen Fällen nicht
           in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft fehlt in Deutschland               durch konsequente Politikgestaltung und Koordination
           bislang. Zur Beobachtung der Förderung von Frauen in                       unterschiedlicher Maßnahmen aufgelöst werden. Eine
           Führungspositionen gibt es allerdings inzwischen eine er-                  (durchaus nicht neue) Lektion des Ländervergleichs ist da-
           probte wissenschaftliche Infrastruktur, die von Akteurinnen                her auch, dass der Begriff der Geschlechtergleichheit im
           und Akteuren aus der Wissenschaft und der Wirtschaft                       Fraser’schen Sinne (Fraser 1994) immer als mehrdimensi-
           initiiert und entwickelt wurde. So veröffentlicht der Füh-                 onales Konzept verstanden werden muss und eine konse-
           rungskräfte-Monitor des Deutschen Instituts für Wirt-                      quente Gleichstellungspolitik immer eine breite normative
           schaftsforschung Berlin (DIW) seit 2006 jährlich die                       Thematisierung erfordert.
           gleichstellungspolitisch relevanten Entwicklungen in Auf-                      Aus den konzeptionellen Überlegungen und den empi-
           sichtsräten und Vorständen. Zudem leistet die in 2006 ge-                  rischen Analysen der Quotenregelungen lassen sich zwei
           gründete Initiative „Frauen in die Aufsichtsräte e.v“ (FidAR)
           anhand ihres Women on Board-Index anhaltende Lobbyar-
           beit (Schulz-Strelow 2013). Diese systematische Themati-
                                                                                      12 Aus der Pressemeldung des BMFSFJ vom 24.07.2012:
           sierung zeigt – zusammen mit der Selbstverpflichtung im                       „Flexi-Quote und Stufenplan – Frauen und Männer in
           DCGK – durchaus eine Wirkung: In den 100 größten deut-                        Führungspositionen.“

32                                        https://doi.org/10.5771/0342-300X-2015-1-25
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WSI MITTEILUNGEN 1/2015

weitere Schlüsse ziehen. Erstens wird deutlich, dass berufliche Gleichstel-              wenn sie sich nicht unmittelbar und direkt auf alle Dimensionen der Gleich-
lung, an der betriebliche Akteure maßgeblich mitwirken müssen, nur mit                   heit zwischen Frauen und Männern erstreckt. Insofern ist die Quote nicht
einer guten Kombination verschiedener Steuerungsmodi und -formen zu                      nur ein wichtiges gleichstellungspolitisches Instrument, sondern gleicher-
erzielen ist. Ver- und Gebote müssen möglichst differenziert auf verschie-               maßen Teil des gleichstellungspolitischen Projektes moderner Marktwirt-
dene Sachverhalte angepasst und gleichzeitig verbindlich formuliert sein.                schaften insgesamt.
Dennoch sind Vorschriften nicht effektiv oder nicht nachhaltig, wenn sich
nicht auch die Handlungsroutinen und -logiken auf betrieblicher Ebene
entsprechend verändern. Selbstverpflichtungen stellen einen wichtigen
Schritt dar, weil sie das Bekenntnis zu den Steuerungszielen widerspiegeln,
ihre Wirkung ist jedoch begrenzt, wenn die Nichteinhaltung keine ernst-                  LITER ATUR
haften Konsequenzen nach sich zieht. In Deutschland wurde diese Erfah-
                                                                                         Benz, A. (2008): Der moderne Staat, München
rung ganz klar nach 2001 mit der „Freiwilligen Vereinbarung“ zwischen                    Berghahn, S. (2012): Vereint im Kampf für die Frauenquote in Aufsichtsräten?
der Bundesregierung und den Wirtschaftsverbänden gemacht, die damals                     Eine kommentierende Betrachtung, in: gender-politik-online, Januar
die gesetzliche Regelung ersetzen sollte (Bothfeld et al. 2010, S. 29ff.). Auch          Bohman, L./Bygren, M./Edling, C. (2012): Surge under threat. The rapid increa-
                                                                                         se of women on Swedish boards of directors, in: Fagan, C./Gonzàlez Menèn-
in Schweden wird jeder Fortschritt bei der Repräsentanz von Frauen in
                                                                                         dez, M./Gòmez Ansòn, S. (Hrsg.): Women on corporate boards and in top
den Führungspositionen der Wirtschaft nur durch die erneute Androhung                    management. European trends and policy, Houndsmills, S. 91 – 108
einer gesetzlichen Regulierung erzwungen. Als ein gutes Instrumentenset                  Bothfeld, S. (2008): Under reconstruction: Die Fragmentierung des deutschen
erweisen sich die gesetzlichen und verbindlichen Berichtspflichten, die die              Geschlechterregimes durch die neue Familienpolitik: Zentrum für Sozialpolitik,
                                                                                         ZeS-Arbeitspapier 1/2008, Bremen
Betriebe zur Selbstprüfung zwingen; allerdings gilt auch hier, dass Sank-
                                                                                         Bothfeld, S./Hübers, S./Rouault, S. (2010): Gleichstellungspolitische Rahmen-
tionsmöglichkeiten erst den notwendigen Druck für die Umsetzung erzeu-                   bedingungen für das betriebliche Handeln. Ein internationaler Vergleich, in:
gen. Das norwegische Beispiel zeigt außerdem, wie wichtig eine gute Ko-                  Projekt GiB (Hrsg.): Geschlechterungleichheiten im Betrieb. Arbeit, Entlohnung
ordination mit begleitenden Maßnahmen zur gezielten Ausbildung und                       und Gleichstellung in der Privatwirtschaft, Berlin, S. 23 – 88
                                                                                         Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
Förderung sowie zur Bildung von Netzwerkstrukturen ist, um einen Pool                    (2014): Leitlinien für das Gesetzgebungsverfahren „Gesetz für die gleichbe-
von Frauen zu generieren, die für Aufsichtsratstätigkeiten geeignet sind.                rechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der
Aus dem schwedischen Beispiel ist zu lernen, dass insgesamt eine kohären-                Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst, März, Berlin
te und konsistente berufliche Gleichstellungspolitik gute Rahmenbedin-                   Callies, G.-P. (1998): Prozedurales Recht, Baden-Baden
                                                                                         Fagan, C./Gonzàlez Menèndez, M./Gòmez Ansòn, S. (Hrsg.) (2012): Women
gungen schafft, einen Zuwachs von Frauen in Führungspositionen auch                      on corporate boards and in top management: European trends and policy,
ohne gesetzliche Quote zu erreichen. Davon abgesehen ist eine systemati-                 Houndsmills
sche Evaluierung der Zielerreichung, vor allem wenn Ergebnisse auch öf-                  Fraser, N. (1994): Die Gleichheit der Geschlechter und das Wohlfahrtssystem:
                                                                                         Ein postindustrielles Gedankenexperiment, in: Honneth, A. (Hrsg.): Pathologi-
fentlich gemacht werden, eine weitere notwendige Bedingung für eine ef-
                                                                                         en des Sozialen. Die Aufgaben der Sozialphilosophie, Frankfurt a. M.,
fektive betriebliche Gleichstellungspolitik. Der Handlungsdruck auf die                  S. 351 – 376
Unternehmen, der bei der Veröffentlichung durch die nicht-monetären                      Freidenvall, L./Dahlerup, D./Skjeie, H. (2006): The Nordic countries: an incremen-
Mechanismen des shaming and blaming oder der öffentlichen Rechtferti-                    tal model, in: Dahlerup, D. (Hrsg.): Women, quotas and politics, London, S. 55 – 82
                                                                                         Holst, E./Kirsch, A. (2014): Women still the exception on executive boards of
gung entsteht, ist dabei nicht zu unterschätzen und kann eine formale
                                                                                         Germany’s large firms: Gradually increasing representation on supervisory
rechtliche Sanktionierung vermutlich durchaus ersetzen. Allerdings ist die               boards, in: DIW Economic Bulletin 4 (3), S. 3 – 15
Bindungskraft davon abhängig, wie viel Symbolcharakter und öffentliches                  Hurvenes, E. (2013): Professionalising boards: The work of the Professional
Interesse Maßnahmen haben; somit stellt auch hier der Verzicht auf eine                  Boards Forum, in: Machold, S. et al. (Hrsg.), a.a.O., S. 40 – 45
                                                                                         Huse, M. (2013a): The political process behind the gender balance law, in: Ma-
formale Regelung der Sanktionierung von Nichterfüllung von Evaluations-
                                                                                         chold, S. et al. (Hrsg.), a.a.O., S. 9 – 16
regeln eine potenzielle Schwachstelle bei der Umsetzung dar.                             Huse, M. (2013b): Characteristics and background of the Norwegian women
    Die zweite und abschließende Schlussfolgerung ergibt sich aus dem                    directors, in: Machold, S. et al. (Hrsg.), a.a.O., S. 69 – 77
bereits dargestellten: Zwar suggeriert das schwedische Beispiel, dass sich               Krell, G. (2011): „Geschlechterungleichheiten in Führungspositionen“. in: Dies.
                                                                                         et al. (Hrsg.): Chancengleichheit durch Personalpolitik, Wiesbaden, S. 403 – 428
signifikante Effekte auch durch prozedurale und evaluative Instrumente
                                                                                         Krook, M. L./Zetterberg, P. (2014): Electoral quotas and political representati-
anstelle einer hierarchischen Regulierung erreichen lassen. Tatsächlich ist              on: Comparative perspectives, in: International Political Science Review 35
jedoch deutlich geworden, dass einerseits ein insgesamt konsistenter und                 (3), S. 3 – 11
kohärenter Rahmen die Entwicklung bedingt hat und andererseits die                       Lascoumes, P./Le Galès, P. (2007): Introduction: Understanding public policy
                                                                                         through its Instruments – From the nature of instruments to the sociology of
schwedische Berichtspflicht mit Zwangselementen versehen ist; selbst un-
                                                                                         public policy instrumentation, in: Governance 20 (1), S. 1 – 21
ter diesen günstigen Bedingungen wurde jeglicher Fortschritt allein „im                  Likestillings- og diskrimineringsombudet (LDO) (2012): Supplementary report
Schatten der Hierarchie“, d. h. unter glaubhafter Androhung einer gesetz-                to the 8th Norwegian report to the CEDAW Committee from the Equality and
lichen Regelung, erreicht.                                                               Anti-Discrimination Ombud. LDO, Oslo
                                                                                         Machold, S./Huse, M./Hansen, K./Brogi, M. (Hrsg.) (2013): Getting women on
    Jenseits der Frage nach ihrer Effektivität hat eine gesetzliche Quotenre-
                                                                                         to corporate boards. A snowball starting in Norway, Cheltenham
gelung in jedem Falle aber eine übergeordnete Funktion: Sie definiert die                Peters, G. (2002): The politics of tool choice, in: Salamon, L. M. (Hrsg.):
Gleichstellung in den Führungsetagen als ein politisches und öffentliches                The tools of government. A guide to the new governance, Oxford, S. 552 – 564
Anliegen und etabliert damit eine politische Norm in einem zentralen ge-                 Pütz. L./Weckes, M. (2014): Geschlechterquote für mehr Frauen in den Auf-
                                                                                         sichtsräten – vor allem Anteilseigner sind gefordert, Mitbestimmungsförde-
sellschaftlichen Teilbereich, der Privatwirtschaft. Es ist letztlich der starke
                                                                                         rung, Report 1-2014, April
symbolische Charakter der Quotenregelung, der die große Bedeutung die-                   Scharpf, F. W. (2000): Interaktionsformen. Akteurszentrierter Institutionalismus
ses Instruments für die Gleichstellungspolitik insgesamt ausmacht, auch                  in der Politikforschung, Opladen

                                                                 https://doi.org/10.5771/0342-300X-2015-1-25                                                            33
                                                          Generiert durch IP '46.4.80.155', am 07.10.2021, 13:19:38.
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