100 Jahre Kunsthaus Zürich - Neuö Zürcör Zäitung - NZZ Online
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Neuö Zürcör Zäitung SONDERBEILAGE 17./18. April 2010 100 Jahre Kunsthaus Zürich CHRISTIAN BEUTLER Vor hundert Jahren wurde das Kunsthaus Zürich eingeweiht. Die 1787 gegründete Künstlergesellschaft, 1896 zur Zürcher Kunstgesellschaft fusioniert, erhielt mit dem äusserlich puristischen Bau des Architekten Karl Moser endlich ein würdiges Museum. Zahlreiche Mäzene trugen zur Entwicklung der Kunsthaus-Sammlung bei, ein illustres Team von Kuratoren konzipierte international beachtete Ausstellungen. Rückblick auf ein Erfolgsmodell und kritischer Ausblick auf eine vielversprechende Zukunft. CH-8021 Zürich Telefon 044 258 11 11 www.nzz.ch
Sonderbeilage 17. April 2010 Neuö Zürcör Zäitung 100 JAHRE KUNSTHAUS ZÜRICH 3 Stararchitekten «Ein qualitativer Quantensprung» und Mäzene Erweiterungsbau und Stiftung Sammlung Bührle – Zukunftsvisionen des Zürcher Kunsthauses Von Urs Steiner Mit dem geplanten Erweiterungsbau sowie dem Umzug der Sammlung Bührle an den Das Kunsthaus ist die populärste kulturelle Insti- Heimplatz sieht Direktor Christoph tution Zürichs – jedenfalls, wenn man seine Be- Becker grosse Chancen für das Kunst- liebtheit an der Gunst des Publikums bemisst. Je haus. Über seine Zukunftsvisionen sprach nach Angebot besuchen bis zu 300 000 Menschen er mit Samuel Herzog und Philipp Meier. jährlich das Museum, dessen 100-jähriges Beste- hen u. a. mit der vorliegenden Sonderbeilage ge- feiert wird. Dabei schummelt das Kunsthaus bei Was erwartet die Besucher eigentlich in fünf Jahren der Altersangabe sogar ein bisschen: Die In- im Kunsthaus-Erweiterungsbau? Was wird dort zu stitution geht auf eine Künstlergesellschaft zu- sehen sein? rück, die nicht erst 1910, sondern bereits 1787 ge- Sagen wir doch am Heimplatz. Was erwartet einen gründet wurde. am Heimplatz? Da stehen sich dann zwei grosse Auf jeden Fall gehört das Museum zu den ehr- Museen gegenüber und ein Schauspielhaus – keine würdigsten kulturellen Einrichtungen der Stadt – schlechte Umgebung für einen innerstädtischen und mit einem Eigenfinanzierungsgrad von über 50 Platz. Das gibt es in Europa in dieser Konzentra- Prozent übrigens auch zu den preisgünstigsten. tion selten. Vermutlich ist das Kunsthaus nicht zuletzt so be- liebt, weil es sich stets neu erfindet, zum Beispiel Wie meinen Sie «zwei Museen»? vor hundert Jahren. Der damalige Meilenstein war Das alte und das neue Kunsthaus. Es handelt sich zu einem grossen Teil Karl Moser zu verdanken, aber natürlich ganz einfach um eine klassische einem – wie man heute sagen würde – Stararchitek- Museumserweiterung. Das Kunsthaus gewinnt ten. Er hat mit dem 1910 eröffneten Bau Zürich mehr Platz mit dem neuen Gebäude, wir können und sich selber ein Denkmal gesetzt. zusätzliche Serviceleistungen gegenüber den Besu- Als Architekt sei Moser der grosse Verpa- chern erbringen und auch gegenüber den Künst- ckungskünstler des vorletzten Fin de Siècle ge- lern und der Kunst. Aber wir werden natürlich ein wesen, schreibt der Kunsthistoriker Stanislaus von Moos in seiner gross angelegten Würdigung in die- ser Beilage (ab Seite 13). Wie viel Verpackungs- «Der Schwerpunkt im Erweite- kunst beim Erweiterungsbau angesagt ist, könnte rungsbau liegt bei der modernen allerdings noch Gegenstand von Debatten werden. und zeitgenössischen Kunst. Diese Die Kunstgesellschaft wünscht einen Zweckbau im soll ein ganzes Stockwerk einneh- Dienst der Kunst. Eine Ikone wie jene von Moser wäre dem populären Haus zu populistisch. men, wobei das Konzept eine Museumsbauten aber leben mit ihren Inhalten wechselnde Präsentation vorsieht.» in Symbiose. Sie bieten eine Plattform dafür, was sie im besten Fall selber sind – Kunstwerke. Und in dieser Hinsicht braucht sich das alte Kunsthaus sei- Museum bleiben. Natürlich wird es am Anfang nes Zwecks nicht zu schämen: Im Laufe der letzten einen gewissen Zulauf im Neubau geben. Aber die hundert Jahre bedachten zahlreiche Mäzene die grossen Ausstellungen bleiben im alten Teil im Sammlung mit Schenkungen. Bührle-Saal. Drüben wird es einen Bereich für Hier wurden aber auch immer wieder epochale Wechselausstellungen geben, der Ausstellungen Ausstellungen realisiert, die sich ins kollektive Ge- bis zu einer Fläche von ungefähr 650 Quadrat- dächtnis der Stadt einbrannten. Ort der Handlung metern aufnehmen kann, das ist etwa die Hälfte war dabei fast immer der Bührle-Saal, eine weitere des Bührle-Saals. Dieses Ausstellungsformat ha- architektonische Ikone, erbaut von den Gebrüdern ben wir auch jetzt schon, müssen dafür aber jeweils Pfister. Das Kunsthaus hat dem Industriellen Emil die Sammlung umräumen, was ein grosser techni- Bührle nicht nur den Ausstellungssaal und meh- scher Aufwand ist. rere Schenkungen zu verdanken, möglicherweise kommt demnächst auch seine gesamte bedeutende Wie werden dann in Zukunft die Besucherströme Kunstsammlung hinzu. Die polarisierende Person gelenkt, gibt es einen Haupteingang, oder sind die des Mäzens gibt aber auch heute noch immer wie- beiden Gebäude quasi gleichwertig? der zu reden. Was die Zugänglichkeit angeht, sind sie gleichwer- Im Spannungsfeld zwischen Kunst, Architektur tig. Beide Gebäude haben die Infrastruktur eines und Geschichte ist das Museum somit auch in Zu- Museums, nämlich eine Eingangshalle, ein Café kunft gefordert – beste Voraussetzung dafür, dass und alles, was der Besucher braucht, um sich da es im Gespräch bleibt. Debatten fördern die Ver- wohlzufühlen. bundenheit mit der Institution, auch dafür soll Der Kunsthaus-Direktor Christoph Becker im Treppenaufgang der Villa Tobler. CHRISTIAN BEUTLER / NZZ diese Sonderbeilage Nahrung bieten. Und was wird den Ausschlag geben, ob man sich für die «linke» oder die «rechte» Seite des Heimplatzes ....................................................................................................... entscheidet? Schweizer Kunst völlig in die internationale Kunst- herzustellen. Die Bührle-Sammlung ist für dieses Das hängt dann vom Angebot ab, das man sehen geschichte einzubinden. Die separate Präsentation Konzept nicht uninteressant, weil es eine Samm- INHALT will. Der Schwerpunkt im Erweiterungsbau, was schärft auch das Profil eines Museums. Das heisst lung ist, die europäische Kunst enthält, die vom ....................................................................................................... die Sammlung angeht, liegt bei der modernen und aber nicht, dass die Schweizer Kunst ein Einzel- Mittelalter bis in die Moderne reicht. Die Samm- zeitgenössischen Kunst. Diese soll ein ganzes dasein führen muss. Wir haben jetzt schon bei der lung wird jedenfalls zusammenbleiben. Gleich- Stockwerk einnehmen, wobei das kuratorische internationalen Kunst immer auch Schweizer zeitig gibt es aber starke Verbindungen zur Kunst- Chronik eines Erfolgsmodells Konzept eine wechselnde Präsentation vorsieht. Künstler einbezogen. Man soll ja auch demonstrie- haus-Sammlung, bedingt durch die Sammlungs- Und es wird überdies Räume geben, die besonders ren, dass es eine Wechselbeziehung gibt und dass geschichte. Die Kunsthaus-Sammlung ist im We- Hundert Jahre Kunsthaus Zürich auf einen Blick: auf Fotografie, Film und Video zugeschnitten sind, die Schweizer Kunst einen wesentlichen Beitrag sentlichen in den fünfziger und sechziger Jahren eine illustrierte Geschichte von Geist und Geld. Medien also, die wir jetzt nicht zeigen können. Die zur internationalen Kunst geleistet hat. des 20. Jahrhunderts entstanden, die Bührle- Seite 6 klassische Moderne im Erweiterungsbau wird der Sammlung wenig früher. Und der Geschmack hier ....................................................................................................... Anknüpfungspunkt an die Sammlung Bührle sein, Sie haben jetzt von älterer Kunst gesprochen. Wie in Zürich, das Verständnis für Kunst, war am die hier einziehen wird und ungefähr einen Viertel sieht es in späteren Epochen aus? Heimplatz nicht viel anders als an der Zolliker- Der Blick von aussen der Ausstellungsfläche einnehmen wird. Das ist abhängig von der Sammlung, die man hat. strasse bei Bührle. Die Sammlung des Kunsthauses ist stark auf die Nicholas Serota, Max Hollein zur Rolle des Kunst- Kann man also sagen, Impressionisten, Moderne Also wird man zum Beispiel als Besucher einigen hauses Zürich im internationalen Kontext. und Gegenwart drüben und die alte Kunst im jetzi- Bildern von Monet im Kontext der Kunsthaus- Seite 8 gen Bau? «Die Kunst des Impressionismus Sammlung begegnen – und ein paar hundert Meter ....................................................................................................... Ja. Und es bleiben ja noch die grossen Konvolute, und der klassischen Moderne ist ja weiter dann wieder Monet, nun im Kontext der die man jetzt schon zeigt und welche die Samm- jeweils die Hauptattraktion der Bührle-Sammlung? Highlights der Sammlung lungsgeschichte des Kunsthauses abbilden. Für grossen Museen.» In Zukunft wird die Distanz dann vielleicht nur diese einzelnen Sammlungskomplexe wie etwa noch fünf oder acht Meter betragen. Die Querver- Streiflichter auf ausgewählte Spitzenwerke der Hodler, Munch und Alberto Giacometti wird bindungen zwischen der Bührle-Sammlung und Kunsthaus-Sammlung. man dann erheblich mehr Platz zur Verfügung Moderne zugeschnitten. Da zeichnen wir vermehrt der Kunsthaus-Sammlung mittels Innenarchitektur Seite 10 haben. Die heutigen Giacometti-Räume sind ein Zeitgemälde, skizzieren die unterschiedlichsten und Präsentation herzustellen, halte ich für eine ....................................................................................................... nicht ideal. Strömungen, zeigen auf, wo Parallelen verlaufen, reizvolle Aufgabe. wo es Querverbindungen gibt. Picasso – eine Hommage Kann man sich das so vorstellen, dass Sie im Neu- Wäre es nicht für den Besucher einfacher, die gros- bau mit der Stiftung Sammlung Bührle und den jet- Nach welchen, wenn nicht nach kunstgeschicht- sen Linien der Kunstgeschichte nachvollziehen zu Zum Jubiläum schenkt sich das Kunsthaus eine zigen Beständen gewissermassen ein kunsthistori- lichen Kriterien werden Sie denn die Bestände des können, indem man die Werke, die eigentlich zu- Hommage an Picassos erste Museumsausstellung. sches Display entwerfen werden, das durch die ver- Hauses präsentieren? sammengehören, auch zusammen sehen könnte? Seite 19 schiedenen Entwicklungen der Moderne führt, oder Die kunsthistorischen Leitlinien der Moderne Dafür müsste man allerdings die Bestände des ....................................................................................................... wie muss man sich das genau vorstellen? müssen natürlich ablesbar sein. Was nicht heissen Kunsthauses mit denen der Bührle-Sammlung mi- Ich glaube, speziell bei der alten Kunst und bis ins soll, dass die Kunstgeschichte das allein selig schen können. Bührles Sammlungsgeschichte mittlere 19. Jahrhundert ist es sinnvoll, kunsthisto- machende Medium ist, um Kunst zu zeigen. Die Bührle-Sammlung, also die Stiftung, hat einen rische Zusammenhänge darzustellen. Wir machen klaren Auftrag. Wie der Industrielle Emil G. Bührle eine Kunst- das jetzt bei den Altmeistern stärker als früher, Ein wichtiger Bestandteil im Neubau wird ja die sammlung von Weltruf zusammenstellte. weil die beiden grossen Altmeister-Stiftungen ja Bührle-Sammlung sein. Was soll in Zukunft deren Das ist aber die Stiftung, die das so will. Bührle sel- Seite 20 seit einigen Jahren zusammen präsentiert werden Status sein im Kunsthaus? Was sind die genauen Be- ber machte ja keine Auflagen. Wie sieht es denn mit ....................................................................................................... können. Neben der Altmeistersammlung gibt es dingungen, unter denen man sie hier zeigen kann? der Präsentation der rund 180 Bilder der Stiftung Verantwortlich für diese Beilage: aber noch die Sammlung der Schweizer Kunst. Die Das Kunsthaus hat ja immer versucht, ein dialogi- aus? Müssen diese permanent gezeigt werden, oder Samuel Herzog, Philipp Meier, Urs Steiner (Redaktion), Besucher, die nach Zürich kommen, wollen ja auch sches Prinzip zwischen Künstlern und Kunstepo- können auch Bilder ausgeliehen werden? Besiana Bandilli (Gestaltung). Schweizer Kunst sehen. So ergibt es wenig Sinn, die chen, zwischen Einzelwerken und Werkkomplexen Fortsetzung auf Seite 5
Sonderbeilage 17. April 2010 Neuö Zürcör Zäitung 100 JAHRE KUNSTHAUS ZÜRICH 5 Fortsetzung von Seite 3 Zugang wird im Kunsthaus entsprechend einfacher sein als bis anhin in der privat geführten Stiftung AUSGESUCHTE VERANSTALTUNGEN IM KUNSTHAUS «Ein qualitativer mit eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten. Das ist der Vorteil für die Besucherinnen und Besucher. ...................................................................................................................................................................................................................... Quantensprung» Die Kunst des Impressionismus und der klassi- schen Moderne ist ja jeweils die Hauptattraktion der grossen Museen. Und solche Kunst wird hier in Tag der offenen Tür Zum Jubiläumsanlass «100 Jahre Kunsthaus Zü- der Eingangshalle). Anhand von Plänen und Tex- ten kann man sich überdies den ganzen Tag hin- Zürich exemplarisch vertreten sein, sowohl in der rich» finden am Samstag, 17. April (10 bis 18 Uhr durch über die Idee und die Form des geplanten Der grösste Teil wird permanent zu sehen sein. Breite als auch in der Qualität. Es ist nicht nur so, durchgehend), diverse Veranstaltungen statt: Ei- Erweiterungsbaus informieren. Aber Bilder können auch ausgeliehen werden. Der dass die Kunsthaus-Sammlung grösser wird, sie nen «Blick hinter die Kulissen» gewähren Restau- Stiftungsbrief ist eigentlich sehr klug, wenn man macht auch qualitativ einen grossen Sprung – den ratoren und Techniker und führen durch Werk- Die Geschichte der Kunsthaus-Sammlung bedenkt, dass er doch schon ein halbes Jahrhundert grösstmöglichen, den man sich in Zürich wünschen stätten und Arbeitsräume (Treffpunkt: Zwischen- Ein Vortrag von Vizedirektor und Sammlungs- alt ist und dass es andere Stiftungen gibt, die nicht kann. geschoss bei Restaurierungsatelier). Im «Offenen konservator Christian Klemm informiert über die wirklich funktionieren. Die Bührle-Stiftung ist auf Malatelier» können sich Kinder und Erwachsene Geschichte der Sammlung des Kunsthauses. Sams- Dauer angelegt und hat eine gewisse Offenheit. Sie Was sind die Erwartungen bezüglich Besucher- mit Farben und Papier beschäftigen. Kunstver- tag, 17. April (14 bis 14.45 und 16 bis 16.45 Uhr, kann Leihgaben machen, und sie kann Leihgaben zahlen? mittlerinnen geben Anregungen und Tipps bei der Ort: Hodler-Saal, 1. OG). empfangen, das gibt der Stiftung ein operatives Wir erwarten ungefähr 30 Prozent Besucher- Umsetzung eigener Ideen (Ort: Eingangshalle). Feld. Und die Stiftung ist auch relativ aktiv. Sie zuwachs. Das halte ich für realistisch. Ich denke, Unter dem Titel «Was möchten Sie wissen?» Klassische Moderne, Fauves, Expressionismus kann selbst kleinere Ausstellungen machen. Es gab dass man das über einen Zeitraum von zehn Jahren geben Kunstexpertinnen, erkennbar am roten Kurator Tobia Bezzola führt durch die Sammlung immer schon Leihgaben der Stiftung an die Kunst- wird halten können. Die Kunsthaus-Erweiterung Halstuch, zu jedem der permanent gezeigten rund der klassischen Moderne, der Fauves und des haus-Sammlung, zum Beispiel, was die mittelalter- weist eben auch die nötige Infrastruktur dafür auf. 450 Gemälde und Skulpturen in den Sammlungs- Expressionismus. Samstag, 17. April (14 bis 14.45 liche Kunst angeht. bereichen Schweizer Kunst, Alberto Giacometti, und 16 bis 16.45 Uhr, Treffpunkt Halle 2.OG). Wie gut ist denn jetzt die Sammlung besucht? Amerikaner, Alte Meister, Klassische Moderne Aber es ist die Bührle-Stiftung, die über dieses Leih- Die Sammlung ist natürlich längst nicht so gut be- und Zeitgenössische Kunst ad hoc Auskunft Rebecca Warren, Sigmar Polke, Jeff Wall wesen bestimmt, nicht das Kunsthaus? sucht wie die Wechselausstellungen, aber sie ist (Ort: Sammlung EG, 1. OG, 2. OG, Mezzanine). Ausstellungsmacherin Bice Curiger bietet Hinter- Da entscheidet die Stiftung. Ich kann natürlich doch besser besucht als viele andere Museums- Vom Besucher zum Mitglied ist es nur ein kleiner gründe vor Werken zeitgenössischer Künstlerin- jederzeit anfragen. Die Stiftung bleibt zwar autark, sammlungen weit und breit. Das liegt an der Prä- Schritt: Alle Vorteile einer Mitgliedschaft in der nen und Künstler mit Gelegenheit zur Diskussion. es ist aber jetzt schon so, dass der Direktor des sentation selbst. Wir achten ja jetzt schon darauf, Zürcher Kunstgesellschaft erklärt Carin Cornio- Samstag, 17. April (14 bis 14.45 und 16 bis 16.45 Kunsthauses Einsitz hat im Stiftungsrat. Und es dass wir das Publikum nicht nur belehren, sondern ley (Leitung Mitgliedersekretariat) im persön- Uhr, Treffpunkt: Polke-Saal, 1. OG). wird sicher auch so sein, dass im Vorstand der dass wir auch Unterhaltung bieten. Wir zeigen die lichen Gespräch. Neben aktuellen Angeboten Kunstgesellschaft ein Mitglied aus dem Stiftungs- Sammlung so, dass die Zürcherinnen und Zürcher wird ein Streifzug durch die Geschichte der Zür- Videos aus der Kunsthaus-Sammlung rat einzieht. Auf diesen Ebenen wird es eine Ver- stolz auf die Bestände des Kunsthauses sein kön- cher Kunstgesellschaft offeriert (Ort: Aktions- Mirjam Varadinis gibt eine kurze Einführung zu zahnung geben. nen. Wir achten sehr darauf, dass die Sammlung stand Eingangshalle). Ein Videoscreening bietet den gezeigten Videos aus der Sammlung des einen gepflegten Eindruck macht, dass es keine überdies einen Querschnitt aus der Sammlung von Kunsthauses. Samstag, 17. April (14 bis 14.15 und Es sieht aber doch so aus, dass die Gemälde der Stif- Lücken gibt in der Präsentation, dass die Räume den 1970er Jahren bis in die Gegenwart (Ort: Film- 16 bis 16.15 Uhr, Ort: Filmraum im UG). tung Bührle nicht ins Kunsthaus integriert werden, entsprechend so gestaltet sind, dass man sich und Seminarraum im UG). dass es keine Dauerleihgabe oder Schenkung ist, wohlfühlt, und dass das Kunsthaus auch einen Von Cuyp bis van Gogh sondern gewissermassen eine zweite Institution, der repräsentativen Eindruck macht. So geht man auch Die Sammlung Bührle und das Kunsthaus Gian Casper Bott führt unter dem Titel «Berühmte man am Heimplatz eine Plattform bietet. Kann man gerne hin, nicht nur, wenn schlechtes Wetter ist. Die Sammlung Bührle ist eine Kette von Glanz- Holländer: von Cuyp bis van Gogh» durch die Aus- das so sagen? Auch wenn man Besuch bekommt aus dem Aus- lichtern, die 2015 in die Kunsthaus-Erweiterung stellung «Van Gogh, Cézanne, Monet. Die Samm- Ja, ganz pragmatisch gesehen handelt es sich um land, ist der Wunsch da, das Kunsthaus zu zeigen. einziehen sollen. Unter der Leitung von Lukas lung Bührle zu Gast im Kunsthaus Zürich». Sonn- einen Umzug der Stiftung an den Heimplatz. Und wir machen die Beobachtung, dass wir, wenn Gloor, Direktor Sammlung E. G. Bührle, und tag, 18. April (11 bis 12 Uhr, Treffpunkt: Eingangs- wir die Sammlung in Bewegung halten, ein grösse- Christoph Becker, Direktor des Kunsthauses Zü- halle Kunsthaus «Öffentliche Führungen». Mit Im Ausstellungswesen ist es aber doch sehr wichtig, res Publikum anziehen. Für diese Flexibilität brau- rich, findet am Samstag, 17. April (15 bis 16 Uhr), FM-System. Speziell auch für Personen mit dass man im Austausch für Dinge, die man be- chen wir aber zusätzliche Flächen. Je mehr in einen zum Thema «Vereinigte Meister. Die Sammlun- Hörminderung. Führungsbillett Fr. 4.– an der Kas- kommt, auch Dinge offerieren kann. Das Kunst- Raum hineingestopft ist, desto schwieriger wird es, gen E. G. Bührle und das Kunsthaus Zürich ab se lösen. Teilnehmerzahl beschränkt). haus scheint da aber nicht mit den Beständen der ihn zu verändern. Die Präsentation ist heute aber 2015» ein Fachgespräch über zwei sich ergänzende Stiftung Bührle frei operieren zu können in diesem sehr kompakt. Sammlungen statt (Treffpunkt: hinterer Bührle- Van Gogh, Cézanne, Monet Tauschgeschäft, oder doch? Saal, bei Fenstern zum Heimplatz). Linda Schädler führt durch die Ausstellung «Van Insgesamt scheinen die Bedingungen, unter denen Gogh, Cézanne, Monet. Die Sammlung Bührle zu das Kunsthaus sich die Sammlung Bührle in die Kurzfilme zum Jubiläum Gast im Kunsthaus Zürich». Sonntag, 18. April (15 «Ich bin überzeugt davon – und Nähe holt, nicht eben günstig: Weder kann man die Zu seinem hundertsten Geburtstag hat das Kunst- bis 16 Uhr, Treffpunkt: Eingangshalle Kunsthaus zwar nicht nur unter künstlerischen Werke der Bührle-Kollektion in sinnvoller Weise haus Zürich bei einem Künstler, einem Filme- «Öffentliche Führungen». Mit FM-System. Spe- Aspekten –, dass der Umzug der mit der eigenen Sammlung verknüpfen, noch kann macher und einem Werber Kurzfilme in Auftrag ziell auch für Personen mit Hörminderung. Bührle-Sammlung an den Heim- man sie selbst ausleihen oder auch nur schon gegeben. Der Künstler Thilo Hoffmann, der Führungsbillett Fr. 4.– an der Kasse lösen. Teilneh- weghängen. Gab es keine Möglichkeit, bessere Be- Filmemacher Luc Gut und Creative Director Ralf merzahl beschränkt). platz ein wesentlicher Schritt ist.» dingungen mit der Bührle-Stiftung auszuhandeln? Kostgeld haben einen Blick aus der Kreativ-Szene So hat die Stiftung eine sehr hohe Autonomie inner- auf das Zürcher Museum und seine Aktivitäten, Sommerwerkstatt halb der Mauern des Kunsthauses. seine Mitarbeiter und sein Publikum geworfen Vom 5. Juni bis zum 9. Oktober lädt das Kunst- Das ist eine Frage, die man dann stellen muss, wenn Die Bührle-Sammlung ist ja kein Geschenk ans und in Bild und Ton festgehalten. Die Filmer haus Zürich zur mehrmonatigen Sommer- sie sich stellt. Die Kunsthaus-Sammlung bekommt Kunsthaus. Wir haben aber viel Erfahrung im Um- waren in der Gestaltung ihrer Arbeit frei. Heraus- werkstatt ein. Das vielseitige Programm mit Work- natürlich einen erheblichen Wertzuwachs durch gang mit diesen Modellen, und wir hatten nie Pro- gekommen sind drei technisch und narrativ völlig shops, Führungen und Gesprächen steht ganz im die Bührle-Sammlung. Wir haben ja auch jetzt bleme damit. Wichtig ist einfach, dass die Stiftungs- unterschiedliche Werke von rund sieben Minuten Zeichen des Jubiläums «100 Jahre Kunsthaus schon verschiedene Stiftungen im Haus. Es gibt im briefe mit den Vereinsstatuten der Kunstgesell- Dauer. Zu sehen sind die drei Filme im Museum Zürich» und wendet sich an alle Altersgruppen. Altmeisterbereich Stiftungen, es gibt die Giaco- schaft in Einklang stehen. Das ist bei allen Stiftun- selber (20. April bis 20. Mai und 31. August bis Neu ist dieses Jahr eine Aktion für Schulklassen: metti-Stiftung, und die Kooperation mit diesen gen, die wir bei uns angesiedelt haben, der Fall. So 31. Dezember, kleiner Filmraum im Unterge- Für nur 100 Franken können Schulklassen das Stiftungen funktioniert reibungslos. Eigentlich ist behält das Kunsthaus etwa die Stiftung Bührle nur schoss) und ab sofort auch auf der Website des 1910 eröffnete Haus und die vom Mittelalter bis das Kunsthaus ein Musterbeispiel dafür, dass das so lange in seinen vier Wänden, wie es das Kunst- Kunsthauses (www.kunsthaus.ch) und auf You- zur zeitgenössischen Kunst reichende Sammlung so funktionieren kann. haus wünscht. Die Stiftung kann nicht einseitig aus- tube. Die Filmpremieren finden am Samstag, entdecken. Im «Jackpot», den mit etwas Grips und ziehen, aber das Kunsthaus kann diese Vereinba- 17. April (15 bis 18 Uhr), statt (Ort: Zeitgenössi- Schnelligkeit jeder knacken kann, sind drei Mit- Was wird dann genau ab 2015 der Gewinn sein für rung auflösen. Das gibt dem Kunsthaus auch einen sche Kunst, EG). gliedschaften in der Zürcher Kunstgesellschaft als das Kunsthaus Zürich, wenn die Bührle-Sammlung hohen Grad von Freiheit. Wenn die Stiftung irgend- Hauptgewinn enthalten. Alle Angebote der Som- hier beheimatet sein wird? wann einmal nicht mehr funktioniert für das Kunst- Von Moser bis Chipperfield merwerkstatt können in Form eines Programm- Man kann dann am Heimplatz den grössten Be- haus, dann muss man sich zusammensetzen. Aber Der Architekt Giacinto Pettorino führt zum The- hefts im Kunsthaus bezogen, online als PDF her- stand an Kunst des Impressionismus sehen in ich bin überzeugt davon – und zwar nicht nur unter ma «Die Architektur des Kunsthauses Zürich ges- untergeladen oder telefonisch bestellt werden Europa ausserhalb von Paris. Die Bilder, die ja be- künstlerischen Aspekten, sondern auch unter his- tern, heute, morgen» auf einem Rundgang durch (Anmeldungen und weitere Programminformatio- reits jetzt durch die gegenwärtige Bührle-Ausstel- torischen und kulturgeschichtlichen Aspekten –, das Kunsthaus und auf den künftigen Bauplatz nen unter Tel. 044 253 84 84 sowie unter lung im Kunsthaus auf grossen Publikumszulauf dass der Umzug der Bührle-Sammlung an den gegenüber. Samstag, 17. April (11 bis 12 und 13 bis kunstvermittlung kunsthaus.ch). stossen, werden dann dauerhaft zu sehen sein. Ihr Heimplatz ein wesentlicher Schritt ist. 14 Uhr, Treffpunkt: Projektinformationsstelle in phi. bis 30.5.2010 MEXIKO Teotihuacan – Geheimnisvolle Pyramidenstadt 24.6.–14.11.2010 FALKEN, KATZEN, KROKODILE Tiere im Alten Ägypten 10CAsNsjY0MDAx1TU0MDWysAAAsHIXIg8AAAA= 10CEXLMQqAMAxG4RM1_EmbGs1o06mIqHj_oyguDg--5Y3hSvhaY7vicAaKJoaKmZswieisnlFJ7QUKqoCxwLJy5jL5P6Ro6QQ6cINpb_0BR7aspWAAAAA= 9.5.2010: 10–22 Uhr Im Rieterpark: F I E s TA M E X I cA NA 4.7.–17.10.2010 B H U TA N Heilige Kunst aus dem Himalaya Museum Rietberg Zürich | Gablerstrasse 15 | 8002 Zürich | www.rietberg.ch Dienstag bis Sonntag 10–17 Uhr | Mittwoch und Donnerstag 10 – 20 Uhr
6 100 JAHRE KUNSTHAUS ZÜRICH Neuö Zürcör Zäitung Sonderbeilage 17. April 2010 Sonderbeilage 17. April 2010 Neuö Zürcör Zäitung 100 JAHRE KUNSTHAUS ZÜRICH 7 Eine lange Geschichte von Idealismus und Engagement, viel Geist – und auch ein wenig Geld Grosszügige Zuwendungen an die Sammlung, epochale Wechselausstellungen, eine Geschichte von gelungenen und weniger gelungenen baulichen Erweiterungen sowie die Köpfe dahinter SCHENKUNGEN BILDER: KUNSTHAUS ZÜRICH / PRO LITTERIS René Magritte: «Das Zimmer des Lauschens» (1958), Geschenk von Walter Haefner. Claude Monet: «Der Seerosenteich mit Iris» (1914), Geschenk von Emil Georg Bührle. Paul Klee: «Marionetten» (1930), Geschenk von Erna und Curt Burgauer. A. Giacometti: «Löffelfrau». Die Geschichte der Sammlung Kehrseite der Medaille ist, dass die Sammlung von ebenso Die Idee eines Neubaus für ein Museum konkretisiert sich mit wartskunst zu kaufen. Das andere Ende der Kunstgeschichte 1980 geht als Dada-Jahr in die Chronik ein: Im Zusammenhang Die Giacometti-Stiftung (1965) erfahren, dass es möglich sei, David Thompsons bedeutende Firmen die nötigen Mittel. Unter Führung von Hans C. Bechtler ausserdem Kunsthaus-Direktor René Wehrli und Professor ist eine Geschichte der Schenkungen vielen Glücksfällen geprägt ist wie von Zufälligkeiten. Die wachsender Zahl von Werken. Nach der glücklichen Eröffnung wird ergänzt durch Leopold Ruzicka, der 1949 eine Stiftung für mit einer grossen Dada-Schau sind verschiedene Spenden zu Die am Kunsthaus domizilierte, von Christian Klemm geleitete Privatsammlung von Werken Alberto Giacomettis (1901 bis konnte die Stiftung kurz vor dem Tod des Künstlers gegründet Adolf Max Vogt. Von der Familie nahm Albertos Bruder Bruno sru. · 1794 setzt die Sammlungstätigkeit der 1787 gegründeten Chronologie der zufälligen Glücksfälle akzentuiert sich ab 1847: des Kunsthauses 1910 gründet Alfred Rüetschi die Vereinigung seine Sammlung niederländischer Malerei des 17. Jahrhunderts verdanken. Die Sammlung Johanna und Walter L. Wolf erwei- und von Felix Baumann präsidierte Alberto-Giacometti-Stiftung 1966) zu erwerben. Der Pittsburgher Industrielle bot das Kon- werden. Aufgrund der Zuwendungen von Grether und Reinhart Giacometti Einsitz, der die Stiftung zusammen mit seiner Gattin Künstlergesellschaft ein – und schon dieser Grundstock be- Das Künstlergüetli wird durch eine Galerie erweitert, in der die Zürcher Kunstfreunde, die den bescheidenen Ankaufsetat des errichtet. Ab den sechziger Jahren wird nicht nur die tert 1984 den Bestand französischer Kunst, Betty und David umfasst das Lebenswerk des Künstlers von seinen frühesten bis volut, bestehend aus 61 Skulpturen, 7 Gemälden und 21 Zeich- werden ein Viertel der Werke im Kunstmuseum Basel und ein Odette im Lauf der folgenden Jahrzehnte mit zahlreichen steht aus Schenkungen: Jedes Mitglied überlässt der «regelmässigen Turnusausstellungen» fortan stattfinden. Museums bis heute substanziell ergänzt. 1920 erhält das Kunst- Giacometti-Stiftung gegründet, sondern es ist auch eine M. Koetser schenken 1986 niederländische und italienische Alt- zu den letzten Werken in allen wesentlichen Aspekten. Dass nungen, zum Preis von 3 Millionen Franken an. Der Basler Zehntel im Kunstmuseum Winterthur gezeigt. Dem ersten weiteren Schenkungen bedachte. 2006 überliessen Bruno und Gesellschaft eine Zeichnung. In den kommenden 223 Jah- 1854 schenkt Oberst Keller zum Mohrenkopf seine Sammlung haus aus einem Legat die Sammlung von Hans Schuler und wachsende Zahl anderer Zuwendungen zu verzeichnen: Nelly meister, und Walter Haefner ergänzt die Bestände um 12 Ge- die Stiftung 1965 gegründet werden konnte, ist vorwiegend Sammler Hans Grether ermöglichte es Beyeler, die Kollektion zu Stiftungsrat gehörten die wichtigsten Gönner an: Neben Walter Odette Giacometti der Stiftung ihren Anteil am bisher unver- ren wird diese Tradition der Schenkungen und Legate von mit Zürcher Malerei, und 1898 vermacht Heinrich Schulthess damit erstmals Werke des französischen (Post-)Impressionis- Bär schenkt eine Gruppe von Skulpturen, Gustav Zumsteg und mälde von Monet bis Magritte. Im neuen Jahrtausend gelingt René Wehrli, dem damaligen Direktor des Kunsthauses, sowie übernehmen, nachdem sich die Mittelbeschaffung verzögert A. Bechtler als erstem Präsidenten waren dies Ernst Göhner, teilten Erbe – darunter 75 Originalgipse, eine Steinskulptur, zahlreichen Sammlern und Mäzenen fortgesetzt. Unter diesen von Meiss der 1896 zur Zürcher Kunstgesellschaft erweiterten mus: Renoir, Cézanne, van Gogh und Bonnard. 1929 beginnt weitere Mäzene ermöglichen Chagall-Ankäufe. Erna und Curt es dem Führungsteam von Christoph Becker und Walter den Sammlern und Mäzenen Hans C. und Walter A. Bechtler hatte. Weil die Mitfinanzierung von Bund, Kanton und Stadt Hans Grether, Walter Haefner, Walter Meier, A. H. Meyer, 2 Plastilinarbeiten und 15 Bronzen. Seit der Gründung sind die Zuwendungen sind Perlen von unschätzbarem Wert; die Institution 80 Gemälde von deutschen und Schweizer Malern. Hans E. Mayenfisch für das Kunsthaus Schweizer Gegen- Burgauer schenken Werke aus ihrer Sammlung moderner Kunst. B. Kielholz, die Bührle-Stiftung ans Kunsthaus zu binden. zu verdanken. Vom Basler Kunsthändler Ernst Beyeler hatten sie scheiterte, spendete eine Gruppe von Privatpersonen und Balthasar Reinhart, Karl Steiner und Gustav Zumsteg, Bestände durch Ankäufe vervollständigt worden. AUSSTELLUNGEN «Der Hang zum Gesamtkunstwerk» (1983) «Freie Sicht Das Salz in der Suppe eines aufs Mittelmeer» (1998) Kunstmuseums sind interna- Es gibt wenig Ausstellungen, tional beachtete Wechsel- die einen ähnlich nachhaltigen ausstellungen. Eine bombasti- Eindruck hinterlassen haben sche Schau wie «Der Hang zum wie Bice Curigers Stand- Gesamtkunstwerk» ist heute Walter de Maria: «The ortbestimmung der Gegen- eigentlich kaum mehr denkbar: 2000 Sculpture» (1992) wartskunst am Ende des Auguste Rodin (2007) Harald Szeemann hat die Die Ausstellung des Werks vergangenen Jahrtausends: Auch Klassiker wie der Bild- Ausstellung 1983 als Resultat «The 2000 Sculpture» im völlig Ihre Schau «Freie Sicht aufs hauer Auguste Rodin (1840 bis jahrelanger Forschungsarbeit leergeräumten Bührle-Saal Mittelmeer» verwendete einen 1917) werden von Zeit zu Zeit präsentiert. Das Unternehmen bietet dem Publikum 1992 ein Slogan der Zürcher Jugend- auf ihre Gültigkeit überprüft: verbrannte enorme Mittel und unvergessliches Erlebnis: bewegung, um darzustellen, Rodin besitzt im Kunsthaus nur stellte das halbe Kunsthaus Die Skulptur ist ein sinnliches was seit dem ebenfalls in schon deshalb eine besondere auf den Kopf. Für das «Gesamt- Werk bar jeden Sinns – ein guter Erinnerung gebliebenen Stellung, weil sein zwischen kunstwerk» kombinierte Szee- Klassiker der Minimal Art. «Stillen Nachmittag» elf Jahre 1880 und seinem Todesjahr mann sein modernes, bis heute Der 1935 geborene Walter de zuvor in der Kunst passiert ist. 1917 geschaffenes «Höllentor» zigfach kopiertes Ausstel- Maria verband damit hohe Klassische Malerei, Zeichnung seit 1947 die Eingangspforte lungsverfahren mit Analyse, priesterliche Transzendenz mit und Skulptur haben neuen, des Museums markiert. Die Intuition, Phantasie und – vor seinem amerikanischen In- technischen Medien Platz fulminante Ausstellung über allem – einer eigenständigen stinkt für den Showeffekt. gemacht. Die Künstler ver- den Künstler im Jahr 2007 Konzeptidee. «Der Hang zum 2000 in einem Fischgrat- suchen sich an PC und Kamera wurde gemeinsam mit der Gesamtkunstwerk» stellte eine Muster auf dem Boden aus- – ein Trend, der schon eine Londoner Royal Academy obsessive Grenzüberschreitung gelegte Gipsbarren werfen mit Dekade später wieder reichlich realisiert. Solche Koopera- dar: Die postulierte Unmöglich- ihren unterschiedlichen Seiten- überholt wirkt. Zahlreiche tionen werden angesichts keit des Gesamtkunstwerkes flächen das Licht in verschiede- Protagonisten jedoch, von der wachsender Kosten für an- BILDER: KUNSTHAUS ZÜRICH / PRO LITTERIS stand im dialektischen Gegen- nen Grauwerten zurück. Der Kuratorin als junge Hoffnung spruchsvolle Produktionen satz zum Versuch, mit der Rhythmus der Auslegeordnung vorgestellt, haben vom flachen zunehmend die Regel. Nur Schau selber ein solches zu und der Querschnitt-Variatio- Alpenland aus inzwischen durch das Bemühen, ein schaffen. Der Kurator verhielt nen suggeriert Bedeutung, wo ihren Weg zum internationalen attraktiver und verlässlicher sich wie einer der zahlreichen das Werk seinen Sinn doch aus Kunstbetrieb gefunden. Der Partner für gemeinsame Künstler, die er inszenierte: Im nichts anderem als den Pro- Katalog von 1998 ist ein Who’s Projekte zu sein, werden auch «Hang zum Gesamtkunstwerk» jektionen der Betrachter who der heutigen Schweizer in Zukunft Ausstellungen mit zerflossen die Grenzen. bezieht. Kunstszene. Spitzenwerken möglich. ARCHITEKTUR Müller-Bau (1976) Moser-Bau (1910) Pfister-Bau (1958) Fachleute sind sich mit Laien einig: Der Mayen- Erweiterungsbau 1895 wird der Verein «Künstlerhaus Zürich» gegrün- Im Juni 1958 erhielt das Kunsthaus Zürich mit dem fisch-Trakt, eine Erweiterung des Kunsthauses am David Chipperfield (Projekt) det und eine provisorische Kunsthalle an der Bührle-Saal seinen bis heute markantesten Erwei- hintern, westlichen Ende des Gebäudekomplexes, Die nächste Erweiterung des Kunsthauses ist Börsenstrasse eröffnet. Karl Moser gewinnt 1906 terungsbau. Als neutrale, frei unterteilbare Raum- ist alles andere als eine Perle der Architektur. Der nicht nur die grösste, sondern auch die ambi- einen 1902 erstmals ausgeschriebenen Archi- hülle für Wechselausstellungen bildet er ein Erfolgs- 1970–76 realisierte Gebäudeteil des Architekten tionierteste. Der Architekt David Chipperfield tekturwettbewerb für ein Museum. 1910 kann auf modell. Die Entstehungsgeschichte des von Hans Erwin Müller ist sowohl ästhetisch als auch formal hat einen monumentalen, 18 Meter hohen, 59 der Liegenschaft des vom Stadtrat Landolt ver- und Kurt Pfister entworfenen Gebäudes war von ein Kind seiner Zeit und stellt das Kunsthaus vor Meter breiten und 62 Meter tiefen Kunst- machten Landoltgutes das Kunsthaus eröffnet jahrelangen Auseinandersetzungen um die archi- kuratorische Probleme. Seine Kaskaden von Trep- Monolithen entworfen, an dessen Rückseite ein BILDER: ADRIAN BAER / NZZ werden, das der Architekt zwischen 1924 und 1926 tektonische und städtebauliche Gestaltung beglei- pen, Balkonen und Durchblicken erklären wohl, Skulpturengarten angedockt werden soll. Die GTA-ARCHIV, ETH ZÜRICH selber erweitert. Im Bild links aussen eine Ansicht tet. Indem die Architekten das Gebäude auf mächti- weshalb man sich am Kunsthaus Zürich für den Fassade aus Sandstein nimmt ein formales des kleinen Oblichtsaals im ehemaligen Ausstel- ge Stützen stellten und zwei gläserne Kuben mit nächsten Erweiterungsbau nichts sehnlicher Element des Moser-Baus auf, unregelmässig lungsflügel, dem heutigen Böcklin-Saal, die Karl Restaurant und Vortragssaal darunterschoben, wünscht als eine ruhige Abfolge von Galerien in verteilte Glasflächen sollen dem Kunst-Palazzo Moser um 1910 angefertigt hat. wurde der Erweiterungsbau optisch durchlässig. einem White Cube. aber die historisierende Erscheinung nehmen. PERSONEN Oberst Paul Wilhelm Gottfried Adolf Jöhr Franz Meyer René Wehrli Alfred Schaefer Carlo Felix Baumann Thomas Christoph Becker Walter B. Kielholz Uhlrich Wartmann Schärtlin 1922–1940 1940–1960 1950–1976 1960–1975 von Castelberg 1976–1998 W. Bechtler seit 1998 seit 2002 1903–1916 1909–1949 1916–1922 Präsident Präsident 1975–1987 Direktor 1987–2002 Direktor Präsident Direktor Präsident AECHTER UND CLAHSEN ARKUS BÜHLER-RASOM Präsident Direktor Präsident Präsident Präsident UNSTHAUS ZÜRICH UNSTHAUS ZÜRICH UNSTHAUS ZÜRICH UNSTHAUS ZÜRICH UNSTHAUS ZÜRICH EYSTONE EYSTONE EYSTONE D D
8 100 JAHRE KUNSTHAUS ZÜRICH Neuö Zürcör Zäitung Sonderbeilage 17. April 2010 «Ein verlässlicher Partner» «Eine sichere Zukunft» Max Hollein über das Kunsthaus Zürich als Institution und Partnerin Nicholas Serota über das Kunsthaus Zürich als Institution und Partnerin Wie würden Sie die Position des Kunsthauses in der Museums mit einem Bestand vom späten Mittel- Wie würden Sie die Position des Kunsthauses in der vor allem auch bei Ausstellungen zeitgenössischer internationalen Museumslandschaft beschreiben? alter bis zu zeitgenössischer Kunst – also durchaus internationalen Museumslandschaft beschreiben? Kunst vermehrt die Zusammenarbeit mit dem Das Kunsthaus ist eines der bedeutendsten Mu- allgemein vergleichbar mit dem Kunsthaus Zürich Das Kunsthaus Zürich gehört zu den führenden Kunsthaus suchen. seen weltweit und hat sich seit langem einen Ruf oder dem Kunstmuseum Basel –, und der Liebieg- Institutionen in Europa – sowohl was seine nicht nur durch seine Sammlung, sondern auch haus-Skulpturensammlung ebenfalls sehr gut. Sammlung angeht als auch wegen seiner Ausstel- Wo liegen die wesentlichen Unterschiede zwischen durch sein exzellentes und ambitioniertes Ausstel- lungstätigkeit. Das Haus hat sich seine Reputa- dem Kunsthaus Zürich und Ihrem eigenen Haus? lungsprogramm geschaffen. Wann waren Sie selbst zuletzt im Kunsthaus Zürich tion einerseits durch Präsentationen klassischer So viele Unterschiede gibt es gar nicht. Die Tate ist – und aus welchem Anlass? Kunst erworben (zum Beispiel Claude Monet, die grösser und liegt in einer grösseren Stadt – die Rah- Sie sind mit dem Kunsthaus eine Kooperation einge- Selbstverständlich hatte ich mir die Seurat-Ausstel- Landschaften von Ferdinand Hodler oder im letz- menbedingungen sind verschieden. Beide Institu- gangen – wie beurteilen Sie seine Bedeutung als lung in Zürich, der ersten Station, angesehen, das ten Herbst Georges Seurat). Gleichzeitig hat das tionen aber haben die Aufgabe, die Kunst des jewei- Partner im heutigen Ausstellungsbetrieb? war mein letzter Besuch. Auch die Präsentation Kunsthaus aber auch im Bereich der Ausstellun- ligen Landes in einem internationalen Kontext zu Kooperationen ermöglichen uns, gemeinsam an der Sammlung Bührle werde ich nicht verpassen. gen zeitgenössischer Kunst einen ausgezeich- zeigen. Beide präsentieren historische Kunst neben einem Projekt zu arbeiten. Das ist inspirierend für neten Ruf – nehmen wir etwa die Schau mit Sig- Positionen der Gegenwart. Und bei beiden Institu- ....................................................................................................... Was hat Ihnen bei Ihrem letzten Besuch besonders ....................................................................................................... tionen rührt die spezifische Energie gerade daher, gefallen? dass sie Geschichte und Gegenwart kombinieren. «Das Kunsthaus ist ein Ich habe mich gefreut, auch eine Ausstellung von «Durch die ruhigen grossartiges Museum mit Mircea Cantor zu sehen, einem Künstler, den ich Räume des Kunsthauses Wann waren Sie selbst zuletzt im Kunsthaus Zürich einem hochprofessionel- sehr schätze und mit dem wir auch in der Schirn zu gehen, ist immer ein – und aus welchem Anlass? len und dabei besonders Kunsthalle schon zusammengearbeitet haben. Hier grosses Vergnügen.» Das war im letzten Sommer – aus Anlass der Aus- zeigte sich wieder die Stärke des Kunsthauses, stellung zu Katharina Fritsch. originellen Team.» einerseits eine hervorragende Ausstellung zur klas- Max Hollein sischen Moderne oder zum 19. Jahrhundert zu prä- Was hat Ihnen da besonders gefallen? KEYSTONE sentieren, aber gleichzeitig auch die hochaktuelle Nicholas Serota Ich war beeindruckt, wie gut die Gebäude in den REUTERS Direktor Schirn Kunsthalle, Städel und Liebieghaus, Frankfurt am Main zeitgenössische Szene mit interessanten Ausstel- Direktor der Tate Gallery, London letzten Jahren renoviert worden sind. Das fühlt sich ....................................................................................................... ....................................................................................................... lungen und wichtigen Einzelpräsentationen zu ebenso klassisch wie zeitgenössisch an und hat dem beide Seiten im Rahmen der Vorbereitung, senkt reflektieren. Das ist eine Programmstrategie, die mar Polke oder die Retrospektive zu Thomas Haus einen neuen Geist gegeben. Durch diese die Kosten bei der Durchführung und erweitert bzw. wir durchaus auch in der Schirn verfolgen. Ruff, die im kommenden Sommer über die Bühne ruhigen Räume zu gehen, ist immer ein grosses verlängert die Möglichkeiten der Präsentation einer gehen wird. Vergnügen. Ganz besonders gut hat mir auch die Ausstellung, an der bis zu drei Jahre gearbeitet wird. Was würden Sie in Ihrem Haus anders machen? neue Präsentation der Giacometti-Sammlung ge- Umso mehr sollte man die Chance ergreifen, mit In vielen verschiedenen Details entscheiden und Sie sind mit dem Kunsthaus Zürich in der Vergan- fallen. Die Art, wie das Kunsthaus seine Räume einem guten Partner ein solches Projekt nicht nur an handeln wir anders, so etwa wurde die Seurat-Aus- genheit bei verschiedenen Gelegenheiten eine Ko- nutzt und seine Sammlung präsentiert, schafft auch einem Ort und für ein Publikum zu zeigen. stellung in Frankfurt mit einem ganz anderen operation eingegangen. Wie beurteilen Sie die Be- Vertrauen, was die Pläne der Institution für ein Raum- und Hängekonzept als in Zürich präsen- deutung dieser Institution als Partner im heutigen neues Gebäude für die Sammlung Bührle betrifft. Wo liegen die wesentlichen Unterschiede zwischen tiert. Das sind Entscheidungen, die aus einer indivi- Ausstellungsbetrieb? Das Kunsthaus Zürich hat eine sichere Zukunft vor dem Kunsthaus Zürich und Ihrem eigenen Haus? duellen Perspektive anders getroffen werden. Auf Das Kunsthaus war und ist ein wichtiger Partner sich – was in diesen ökonomisch schwierigen Zei- Im konkreten Fall hat das Kunsthaus Zürich mit jeden Fall aber fühlen wir uns gerade dem Kunst- für uns. Einerseits haben wir auf dem Gebiet der ten alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. der Schirn Kunsthalle, der ich als Direktor vor- haus Zürich, seinen kuratorischen Entscheidungen, klassischen britischen Kunst zusammengearbeitet stehe, für die Seurat-Ausstellung zusammengear- seiner Sammlungsphilosophie und seiner Struktur – ich denke da etwa an die Ausstellung zu Johann Was würden Sie in Ihrem Haus anders machen? beitet. Die Schirn ist eine Ausstellungshalle ohne sehr eng verbunden. Es ist ein grossartiges Mu- Heinrich Füssli 2005/06. Andererseits haben wir Ich würde nichts wirklich anders machen. Ich bin eigene Sammlung, und hier liegt der grundlegende seum, ein hochprofessionelles und dabei besonders auch ein grosses Interesse an zeitgenössischer beeindruckt von dem, was das Haus in den letzten Unterschied zum Kunsthaus. Allerdings kenne ich originelles Team und ein sehr verlässlicher und Kunst aus der Schweiz, was sich etwa in unserer Jahren erreicht hat. die Aufgabe und Identität, die eine Sammlung mit kompetenter Partner – das ist im Kontext der inter- Kollaboration bei der Retrospektive Fischli/Weiss sich bringt, als Direktor des Städel-Museums, eines nationalen Zusammenarbeit besonders wichtig. 2006/07 manifestiert hat. In Zukunft werden wir Interviews Samuel Herzog WAS IST «Excellence ist nur möglich, wenn man aus demselben Stoff gemacht ist, den man herstellt.» EXCELLENCE, Josephine (Obin) Komara, Erneuerin von Batik als Haute- Couture-Stoff, Solo, Indonesien JOSEPHINE Wenn Josephine Komara über Tuch spricht, liegt etwas KOMARA? Hingebungsvolles in ihrer Stimme. Es ist, als erzähle sie von einem guten Freund. Kein Wunder, spricht sie doch von einer über viele Jahre gewachsenen Beziehung und darüber, wie sie die einzelnen Facetten der indonesischen Batik- techniken mit der Seidenspinnerei verbindet und so eine neue Tuchart kreiert. Ihre Inspiration ist die Veränderung. Damit gelingt es Obin, eine lange Tradition mit der Moderne zu verbinden. Das hat sie mit Julius Bär gemeinsam. Denn wir können auf über hundert Jahre Tradition und Erfahrung 10CAsNsjY0MDAx1TU0MDY3NgMASxv7BQ8AAAA= 10CEXKOw6AIBAFwBNB3n5YwC35VMQYNd7_KCY2FtPNWp4iPm3s9zidAE2BIFnMC2sshd0ox5rEoagMwkakJixq_u_QeriACTygePT5AvRTi3NdAAAA zurückgreifen, um Ihnen massgeschneiderte Vermögens- verwaltung anzubieten. Julius Bär ist die führende Schweizer Private Banking- Gruppe. Mit 120 Jahren Tradition. Excellence in Kunst trifft Excellence in Private Banking. 100 Jahre Kunsthaus Zürich: Julius Bär unterstützt die Restaurierung des Werks «Schubladenmuseum» von Herbert Distel, das 2011 wieder ausgestellt wird. Das ganze Interview mit Josephine Komara finden Sie auf www.juliusbaer.com/excellence Die Julius Bär Gruppe ist weltweit an über 40 Standorten präsent. Von Zürich (Hauptsitz), Basel, Bern, Brig, Genf, Lugano, Luzern, St. Gallen, St. Moritz, Zug, Buenos Aires, Dubai, Frankfurt, Guernsey, Hongkong, London, Mailand, Moskau, Nassau bis Singapur. Ihr Kontakt im Julius Bär Private Banking: Daniel A. Aegerter, Tel. +41 (0) 58 888 5457.
10 100 JAHRE KUNSTHAUS ZÜRICH Neuö Zürcör Zäitung Sonderbeilage 17. April 2010 Rudolf Koller: «Die Gotthardpost», 1873. BILDER KUNSTHAUS ZÜRICH Heinrich Füssli: «Titania liebkost Zettel mit dem Eselskopf», 1793/94. Hans Fries: «Anbetung der Könige», um 1490. Giovanni Segantini: «Strickendes Mädchen», 1888. Alberto Giacometti: «La mère de l’artiste», 1958. Tumult vor dem Höllentor Ein kurzer Gang durch die Säle der Sammlung im Kunsthaus Das Kunsthaus Zürich verfügt über eine dessen Büchern und Verfilmungen sie ihre Kind- der Zauberei tief eingegraben haben. Und der Zür- speisen» von Jan de Heem (um 1650): Gerade weil heit verbracht haben. Natürlich ist ihnen das im cher Nelkenmeister schliesslich weckt den dicken hier die Orangen wie eine «Campari»-Reklame der besten Kunstsammlungen der Schweiz Moment eher peinlich – und doch sind sie es ge- Hagrid in uns – denn die Ausgeburten von Luzifers leuchten und die nur getrockneten Feigen feuch- – längst nicht nur im vielleicht etwas allzu wohnt, dass Bilder sprechen können, dass Skulptu- Hölle, gegen die sein filigran schöner Erzengel teste Süsse versprechen, erschrecken wir umso oft zitierten Bereich der französischen ren fliegen und alles Ding, das auch nur im Ent- Michael 1495 antreten muss, haben durchaus Hol- mehr bei der Entdeckung der Anzeichen einer un- Impressionisten. ferntesten wie ein Kunstwerk aussieht, mit irgend- lywood-Qualität und sind dabei doch so süss, dass mittelbar bevorstehenden Fäulnis, die hier auf be- einem zauberhaften Potenzial behaftet ist. man sie fast streicheln oder noch lieber als Schoss- sonders subtile Weise ins gerade noch Appetitliche Aber hat die Sammlung des Kunsthauses einem tierchen mit nach Hause nehmen möchte. eingearbeitet sind – Magie der Vergänglichkeit. Samuel Herzog Publikum, das die Welt durch das weisse Barthaar Spricht uns das 15. und frühe 16. Jahrhundert von Dumbledore zu sehen gewohnt ist, überhaupt auf einer fast ein wenig kindlichen Ebene an, so Gepflegte Phantasien Tumult vor dem Höllentor. Ein Maturand, wahr- etwas zu bieten? Höchste Zeit, die Kollektion auf darf im 17. Jahrhundert unser Teenie-Geist aus dem scheinlich der Klassenprimus in Physik, drückt mit ihren magischen Gehalt hin zu untersuchen. Clearasil-Fläschchen aufsteigen: Schlüpfrige Ero- Auch das 18. Jahrhundert hat für unser Thema eini- seinem «Invicta»-Rucksack so in die Kniekehlen tik, schwärmerische Poesie und erste Erfahrungen ges zu bieten – wobei das Magische hier doch oft einer Mitschülerin, dass die unmittelbar zusammen- Barfüssige Apostel mit den Realitäten des Lebens sind hier angesagt. sehr theatralisch daherkommt. Wie zum Beispiel in klappt und dabei das Döschen mit «Red Bull Light», Nicolas Poussin etwa demonstriert um 1625, wie den Bildern von Heinrich Füssli. Die ganzen Feen das sie sich zum Frühstück gegönnt hat, mit grossem Dass es in der frühneuzeitlichen Abteilung myste- man als Satyr eine schlafende Venus entkleidet: und Kobolde, die stürzenden Ritter und flehenden Schwung hinter sich schleudert. Silbern, blau und rot riös zu und her geht, überrascht uns nicht wirklich. Der Blick des Bocksmenschen mit seinem rot an- Geister, die in Esel verwandelten Helden und die glitzernd schiesst das taurine Getränk auf die «Lie- Selbst ein Bild mit vergleichsweise weltlicher The- gelaufenen Gesicht ist gleichermassen lüstern und Göttinnen, die sie dennoch liebkosen: Man kauft es gende Figur» von Henry Moore zu, die hier seit Jahr matik wie die «Schlüsselübergabe an Petrus», die überfordert – denn was man mit einer Göttin in dem Maler nicht wirklich ab. Das Magische ist hier und Tag den Abgasen auf dem Heimplatz trotzt. Niklaus Manuel genannt Deutsch um 1516–18 ge- einer solchen Situation anfangen soll, ist ihm mut- eigentlich völlig unmagisch – so deutlich ist es als Die jungen Damen und Herren, die heute von malt hat, wirkt aus unserer heutigen Welt heraus masslich alles andere als klar. Sehr viel weiter sind kleine Unterhaltung, als gepflegte Phantasie, als ihren Lehrern aus Gründen der Bildungsverfeine- betrachtet überaus seltsam. So barfüssig die Apo- wir damals auch nicht gekommen. Aber wir haben Päuslein für eine vermutlich in Tat und Wahrheit rung ins Kunsthaus geschleppt werden, haben den stel mit ihren schweren Gewändern auch auftreten, alles, was wir nicht verstanden haben, in triefende sehr prosaische Wirklichkeit geschaffen. Eine Ge- Kampf mit der grossen Akne bereits hinter sich. sie sehen doch alle aus, als würden sie irgendwelche Verse verpackt und uns in den besten Momenten sellschaft, die Geisterbahnen besucht, glaubt eben Sie heissen Tina oder Kevin, weil ihre Eltern woll- geheimen Wissenschaften unterrichten – und es gefühlt wie in der «Küstenlandschaft mit Apollo wohl wirklich nicht an Spuk. ten, dass man sie auch einmal alleine zu Hause las- braucht nur wenig Phantasie, um in dem Schloss und der Cumäischen Sibylle» (1665) von Claude Prosaisch geht es dann im früheren 19. Jahrhun- sen kann. Mit 17 interessieren sie sich, wie es sich am oberen Bildrand einen Antitypus von Hogwarts Lorrain: mitten in antiken Ruinen über einem ita- dert zu: Wenn Rudolf Koller 1875 seine Post- für Jugendliche gehört, wohl vor allem für Exzesse, zu erkennen. Hans Fries lehrt uns schon um 1490, lienischen Meer bei Sonnenuntergang. Erste Ah- kutsche den Gotthard herabrasen lässt, dann sind für Drogen und Alkohol, für Piercings und Tattoos. dass zweifellos auch die Heiligen Drei Könige in nungen, dass das Leben aller Vernunft zum Trotz wir ganz und gar auf dieser Welt mit ihren Verspä- Tief in ihrem Innern aber führt ein ganz anderer Tat und Wahrheit Magier aus dem Morgenland doch vergänglich sein könnte, vermitteln auf be- tungen im Bereich des öffentlichen Verkehrs wie Spiritus den Zauberstab: Harry Potter nämlich, mit waren, in deren Gesichtern sich die Anstrengungen sonders perfide Weise Stillleben wie die «Fasten- auch der Kunstgeschichte. Alles Magische scheint
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