100 Jahre Kunsthaus Zürich - Neuö Zürcör Zäitung - NZZ Online

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100 Jahre Kunsthaus Zürich - Neuö Zürcör Zäitung - NZZ Online
Neuö Zürcör Zäitung
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         100 Jahre Kunsthaus Zürich

                                                                                                                                     CHRISTIAN BEUTLER

Vor hundert Jahren wurde das Kunsthaus Zürich eingeweiht. Die 1787 gegründete Künstlergesellschaft, 1896 zur Zürcher Kunstgesellschaft
    fusioniert, erhielt mit dem äusserlich puristischen Bau des Architekten Karl Moser endlich ein würdiges Museum. Zahlreiche Mäzene
 trugen zur Entwicklung der Kunsthaus-Sammlung bei, ein illustres Team von Kuratoren konzipierte international beachtete Ausstellungen.
                          Rückblick auf ein Erfolgsmodell und kritischer Ausblick auf eine vielversprechende Zukunft.

                                             CH-8021 Zürich   Telefon 044 258 11 11   www.nzz.ch
100 Jahre Kunsthaus Zürich - Neuö Zürcör Zäitung - NZZ Online
Sonderbeilage                            17. April 2010                                                                                           Neuö Zürcör Zäitung                                        100 JAHRE KUNSTHAUS ZÜRICH 3

   Stararchitekten                                                                                                         «Ein qualitativer Quantensprung»
    und Mäzene                                                                                                     Erweiterungsbau und Stiftung Sammlung Bührle – Zukunftsvisionen des Zürcher Kunsthauses

                              Von Urs Steiner                                                             Mit dem geplanten Erweiterungsbau sowie
                                                                                                          dem Umzug der Sammlung Bührle an den
Das Kunsthaus ist die populärste kulturelle Insti-                                                        Heimplatz sieht Direktor Christoph
tution Zürichs – jedenfalls, wenn man seine Be-                                                           Becker grosse Chancen für das Kunst-
liebtheit an der Gunst des Publikums bemisst. Je                                                          haus. Über seine Zukunftsvisionen sprach
nach Angebot besuchen bis zu 300 000 Menschen                                                             er mit Samuel Herzog und Philipp Meier.
jährlich das Museum, dessen 100-jähriges Beste-
hen u. a. mit der vorliegenden Sonderbeilage ge-
feiert wird. Dabei schummelt das Kunsthaus bei                                                            Was erwartet die Besucher eigentlich in fünf Jahren
der Altersangabe sogar ein bisschen: Die In-                                                              im Kunsthaus-Erweiterungsbau? Was wird dort zu
stitution geht auf eine Künstlergesellschaft zu-                                                          sehen sein?
rück, die nicht erst 1910, sondern bereits 1787 ge-                                                       Sagen wir doch am Heimplatz. Was erwartet einen
gründet wurde.                                                                                            am Heimplatz? Da stehen sich dann zwei grosse
    Auf jeden Fall gehört das Museum zu den ehr-                                                          Museen gegenüber und ein Schauspielhaus – keine
würdigsten kulturellen Einrichtungen der Stadt –                                                          schlechte Umgebung für einen innerstädtischen
und mit einem Eigenfinanzierungsgrad von über 50                                                          Platz. Das gibt es in Europa in dieser Konzentra-
Prozent übrigens auch zu den preisgünstigsten.                                                            tion selten.
Vermutlich ist das Kunsthaus nicht zuletzt so be-
liebt, weil es sich stets neu erfindet, zum Beispiel                                                      Wie meinen Sie «zwei Museen»?
vor hundert Jahren. Der damalige Meilenstein war                                                          Das alte und das neue Kunsthaus. Es handelt sich
zu einem grossen Teil Karl Moser zu verdanken,                                                            aber natürlich ganz einfach um eine klassische
einem – wie man heute sagen würde – Stararchitek-                                                         Museumserweiterung. Das Kunsthaus gewinnt
ten. Er hat mit dem 1910 eröffneten Bau Zürich                                                            mehr Platz mit dem neuen Gebäude, wir können
und sich selber ein Denkmal gesetzt.                                                                      zusätzliche Serviceleistungen gegenüber den Besu-
    Als Architekt sei Moser der grosse Verpa-                                                             chern erbringen und auch gegenüber den Künst-
ckungskünstler des vorletzten Fin de Siècle ge-                                                          lern und der Kunst. Aber wir werden natürlich ein
wesen, schreibt der Kunsthistoriker Stanislaus von
Moos in seiner gross angelegten Würdigung in die-
ser Beilage (ab Seite 13). Wie viel Verpackungs-                                                             «Der Schwerpunkt im Erweite-
kunst beim Erweiterungsbau angesagt ist, könnte                                                              rungsbau liegt bei der modernen
allerdings noch Gegenstand von Debatten werden.                                                              und zeitgenössischen Kunst. Diese
Die Kunstgesellschaft wünscht einen Zweckbau im                                                              soll ein ganzes Stockwerk einneh-
Dienst der Kunst. Eine Ikone wie jene von Moser
wäre dem populären Haus zu populistisch.                                                                     men, wobei das Konzept eine
    Museumsbauten aber leben mit ihren Inhalten                                                              wechselnde Präsentation vorsieht.»
in Symbiose. Sie bieten eine Plattform dafür, was
sie im besten Fall selber sind – Kunstwerke. Und in
dieser Hinsicht braucht sich das alte Kunsthaus sei-                                                      Museum bleiben. Natürlich wird es am Anfang
nes Zwecks nicht zu schämen: Im Laufe der letzten                                                         einen gewissen Zulauf im Neubau geben. Aber die
hundert Jahre bedachten zahlreiche Mäzene die                                                             grossen Ausstellungen bleiben im alten Teil im
Sammlung mit Schenkungen.                                                                                 Bührle-Saal. Drüben wird es einen Bereich für
    Hier wurden aber auch immer wieder epochale                                                           Wechselausstellungen geben, der Ausstellungen
Ausstellungen realisiert, die sich ins kollektive Ge-                                                     bis zu einer Fläche von ungefähr 650 Quadrat-
dächtnis der Stadt einbrannten. Ort der Handlung                                                          metern aufnehmen kann, das ist etwa die Hälfte
war dabei fast immer der Bührle-Saal, eine weitere                                                        des Bührle-Saals. Dieses Ausstellungsformat ha-
architektonische Ikone, erbaut von den Gebrüdern                                                          ben wir auch jetzt schon, müssen dafür aber jeweils
Pfister. Das Kunsthaus hat dem Industriellen Emil                                                         die Sammlung umräumen, was ein grosser techni-
Bührle nicht nur den Ausstellungssaal und meh-                                                            scher Aufwand ist.
rere Schenkungen zu verdanken, möglicherweise
kommt demnächst auch seine gesamte bedeutende                                                             Wie werden dann in Zukunft die Besucherströme
Kunstsammlung hinzu. Die polarisierende Person                                                            gelenkt, gibt es einen Haupteingang, oder sind die
des Mäzens gibt aber auch heute noch immer wie-                                                           beiden Gebäude quasi gleichwertig?
der zu reden.                                                                                             Was die Zugänglichkeit angeht, sind sie gleichwer-
    Im Spannungsfeld zwischen Kunst, Architektur                                                          tig. Beide Gebäude haben die Infrastruktur eines
und Geschichte ist das Museum somit auch in Zu-                                                           Museums, nämlich eine Eingangshalle, ein Café
kunft gefordert – beste Voraussetzung dafür, dass                                                         und alles, was der Besucher braucht, um sich da
es im Gespräch bleibt. Debatten fördern die Ver-                                                          wohlzufühlen.
bundenheit mit der Institution, auch dafür soll                                                                                                                   Der Kunsthaus-Direktor Christoph Becker im Treppenaufgang der Villa Tobler.                  CHRISTIAN BEUTLER / NZZ
diese Sonderbeilage Nahrung bieten.                                                                       Und was wird den Ausschlag geben, ob man sich für
                                                                                                          die «linke» oder die «rechte» Seite des Heimplatzes
.......................................................................................................
                                                                                                          entscheidet?                                            Schweizer Kunst völlig in die internationale Kunst-   herzustellen. Die Bührle-Sammlung ist für dieses
                                                                                                          Das hängt dann vom Angebot ab, das man sehen            geschichte einzubinden. Die separate Präsentation     Konzept nicht uninteressant, weil es eine Samm-
                                    INHALT                                                                will. Der Schwerpunkt im Erweiterungsbau, was           schärft auch das Profil eines Museums. Das heisst     lung ist, die europäische Kunst enthält, die vom
.......................................................................................................   die Sammlung angeht, liegt bei der modernen und         aber nicht, dass die Schweizer Kunst ein Einzel-      Mittelalter bis in die Moderne reicht. Die Samm-
                                                                                                          zeitgenössischen Kunst. Diese soll ein ganzes           dasein führen muss. Wir haben jetzt schon bei der     lung wird jedenfalls zusammenbleiben. Gleich-
                                                                                                          Stockwerk einnehmen, wobei das kuratorische             internationalen Kunst immer auch Schweizer            zeitig gibt es aber starke Verbindungen zur Kunst-
Chronik eines Erfolgsmodells                                                                              Konzept eine wechselnde Präsentation vorsieht.          Künstler einbezogen. Man soll ja auch demonstrie-     haus-Sammlung, bedingt durch die Sammlungs-
                                                                                                          Und es wird überdies Räume geben, die besonders         ren, dass es eine Wechselbeziehung gibt und dass      geschichte. Die Kunsthaus-Sammlung ist im We-
Hundert Jahre Kunsthaus Zürich auf einen Blick:                                                           auf Fotografie, Film und Video zugeschnitten sind,      die Schweizer Kunst einen wesentlichen Beitrag        sentlichen in den fünfziger und sechziger Jahren
eine illustrierte Geschichte von Geist und Geld.                                                          Medien also, die wir jetzt nicht zeigen können. Die     zur internationalen Kunst geleistet hat.              des 20. Jahrhunderts entstanden, die Bührle-
                                            Seite 6                                                       klassische Moderne im Erweiterungsbau wird der                                                                Sammlung wenig früher. Und der Geschmack hier
.......................................................................................................   Anknüpfungspunkt an die Sammlung Bührle sein,           Sie haben jetzt von älterer Kunst gesprochen. Wie     in Zürich, das Verständnis für Kunst, war am
                                                                                                          die hier einziehen wird und ungefähr einen Viertel      sieht es in späteren Epochen aus?                     Heimplatz nicht viel anders als an der Zolliker-
Der Blick von aussen                                                                                      der Ausstellungsfläche einnehmen wird.                  Das ist abhängig von der Sammlung, die man hat.       strasse bei Bührle.
                                                                                                                                                                  Die Sammlung des Kunsthauses ist stark auf die
Nicholas Serota, Max Hollein zur Rolle des Kunst-                                                         Kann man also sagen, Impressionisten, Moderne                                                                 Also wird man zum Beispiel als Besucher einigen
hauses Zürich im internationalen Kontext.                                                                 und Gegenwart drüben und die alte Kunst im jetzi-                                                             Bildern von Monet im Kontext der Kunsthaus-
                                           Seite 8                                                        gen Bau?                                                   «Die Kunst des Impressionismus                     Sammlung begegnen – und ein paar hundert Meter
.......................................................................................................   Ja. Und es bleiben ja noch die grossen Konvolute,          und der klassischen Moderne ist ja                 weiter dann wieder Monet, nun im Kontext der
                                                                                                          die man jetzt schon zeigt und welche die Samm-             jeweils die Hauptattraktion der                    Bührle-Sammlung?
Highlights der Sammlung                                                                                   lungsgeschichte des Kunsthauses abbilden. Für              grossen Museen.»                                   In Zukunft wird die Distanz dann vielleicht nur
                                                                                                          diese einzelnen Sammlungskomplexe wie etwa                                                                    noch fünf oder acht Meter betragen. Die Querver-
Streiflichter auf ausgewählte Spitzenwerke der                                                            Hodler, Munch und Alberto Giacometti wird                                                                     bindungen zwischen der Bührle-Sammlung und
Kunsthaus-Sammlung.                                                                                       man dann erheblich mehr Platz zur Verfügung             Moderne zugeschnitten. Da zeichnen wir vermehrt       der Kunsthaus-Sammlung mittels Innenarchitektur
                                        Seite 10                                                          haben. Die heutigen Giacometti-Räume sind               ein Zeitgemälde, skizzieren die unterschiedlichsten   und Präsentation herzustellen, halte ich für eine
.......................................................................................................   nicht ideal.                                            Strömungen, zeigen auf, wo Parallelen verlaufen,      reizvolle Aufgabe.
                                                                                                                                                                  wo es Querverbindungen gibt.
Picasso – eine Hommage                                                                                    Kann man sich das so vorstellen, dass Sie im Neu-                                                             Wäre es nicht für den Besucher einfacher, die gros-
                                                                                                          bau mit der Stiftung Sammlung Bührle und den jet-       Nach welchen, wenn nicht nach kunstgeschicht-         sen Linien der Kunstgeschichte nachvollziehen zu
Zum Jubiläum schenkt sich das Kunsthaus eine                                                              zigen Beständen gewissermassen ein kunsthistori-        lichen Kriterien werden Sie denn die Bestände des     können, indem man die Werke, die eigentlich zu-
Hommage an Picassos erste Museumsausstellung.                                                             sches Display entwerfen werden, das durch die ver-      Hauses präsentieren?                                  sammengehören, auch zusammen sehen könnte?
                                      Seite 19                                                            schiedenen Entwicklungen der Moderne führt, oder        Die kunsthistorischen Leitlinien der Moderne          Dafür müsste man allerdings die Bestände des
.......................................................................................................   wie muss man sich das genau vorstellen?                 müssen natürlich ablesbar sein. Was nicht heissen     Kunsthauses mit denen der Bührle-Sammlung mi-
                                                                                                          Ich glaube, speziell bei der alten Kunst und bis ins    soll, dass die Kunstgeschichte das allein selig       schen können.
Bührles Sammlungsgeschichte                                                                               mittlere 19. Jahrhundert ist es sinnvoll, kunsthisto-   machende Medium ist, um Kunst zu zeigen.              Die Bührle-Sammlung, also die Stiftung, hat einen
                                                                                                          rische Zusammenhänge darzustellen. Wir machen                                                                 klaren Auftrag.
Wie der Industrielle Emil G. Bührle eine Kunst-                                                           das jetzt bei den Altmeistern stärker als früher,       Ein wichtiger Bestandteil im Neubau wird ja die
sammlung von Weltruf zusammenstellte.                                                                     weil die beiden grossen Altmeister-Stiftungen ja        Bührle-Sammlung sein. Was soll in Zukunft deren       Das ist aber die Stiftung, die das so will. Bührle sel-
                                        Seite 20                                                          seit einigen Jahren zusammen präsentiert werden         Status sein im Kunsthaus? Was sind die genauen Be-    ber machte ja keine Auflagen. Wie sieht es denn mit
.......................................................................................................   können. Neben der Altmeistersammlung gibt es            dingungen, unter denen man sie hier zeigen kann?      der Präsentation der rund 180 Bilder der Stiftung
Verantwortlich für diese Beilage:                                                                         aber noch die Sammlung der Schweizer Kunst. Die         Das Kunsthaus hat ja immer versucht, ein dialogi-     aus? Müssen diese permanent gezeigt werden, oder
Samuel Herzog, Philipp Meier, Urs Steiner (Redaktion),                                                    Besucher, die nach Zürich kommen, wollen ja auch        sches Prinzip zwischen Künstlern und Kunstepo-        können auch Bilder ausgeliehen werden?
Besiana Bandilli (Gestaltung).                                                                            Schweizer Kunst sehen. So ergibt es wenig Sinn, die     chen, zwischen Einzelwerken und Werkkomplexen                                        Fortsetzung auf Seite 5
100 Jahre Kunsthaus Zürich - Neuö Zürcör Zäitung - NZZ Online
Sonderbeilage        17. April 2010                                                              Neuö Zürcör Zäitung                                                                                                                                                                                                                                                                        100 JAHRE KUNSTHAUS ZÜRICH 5

Fortsetzung von Seite 3                                  Zugang wird im Kunsthaus entsprechend einfacher
                                                         sein als bis anhin in der privat geführten Stiftung                                                                                                                                                                                               AUSGESUCHTE VERANSTALTUNGEN IM KUNSTHAUS
«Ein qualitativer                                        mit eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten. Das
                                                         ist der Vorteil für die Besucherinnen und Besucher.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     ......................................................................................................................................................................................................................

Quantensprung»                                           Die Kunst des Impressionismus und der klassi-
                                                         schen Moderne ist ja jeweils die Hauptattraktion
                                                         der grossen Museen. Und solche Kunst wird hier in
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Tag der offenen Tür
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Zum Jubiläumsanlass «100 Jahre Kunsthaus Zü-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  der Eingangshalle). Anhand von Plänen und Tex-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  ten kann man sich überdies den ganzen Tag hin-
                                                         Zürich exemplarisch vertreten sein, sowohl in der                                                                                                                                                                                           rich» finden am Samstag, 17. April (10 bis 18 Uhr                                                            durch über die Idee und die Form des geplanten
Der grösste Teil wird permanent zu sehen sein.           Breite als auch in der Qualität. Es ist nicht nur so,                                                                                                                                                                                       durchgehend), diverse Veranstaltungen statt: Ei-                                                             Erweiterungsbaus informieren.
Aber Bilder können auch ausgeliehen werden. Der          dass die Kunsthaus-Sammlung grösser wird, sie                                                                                                                                                                                               nen «Blick hinter die Kulissen» gewähren Restau-
Stiftungsbrief ist eigentlich sehr klug, wenn man        macht auch qualitativ einen grossen Sprung – den                                                                                                                                                                                            ratoren und Techniker und führen durch Werk-                                                                 Die Geschichte der Kunsthaus-Sammlung
bedenkt, dass er doch schon ein halbes Jahrhundert       grösstmöglichen, den man sich in Zürich wünschen                                                                                                                                                                                            stätten und Arbeitsräume (Treffpunkt: Zwischen-                                                              Ein Vortrag von Vizedirektor und Sammlungs-
alt ist und dass es andere Stiftungen gibt, die nicht    kann.                                                                                                                                                                                                                                       geschoss bei Restaurierungsatelier). Im «Offenen                                                             konservator Christian Klemm informiert über die
wirklich funktionieren. Die Bührle-Stiftung ist auf                                                                                                                                                                                                                                                  Malatelier» können sich Kinder und Erwachsene                                                                Geschichte der Sammlung des Kunsthauses. Sams-
Dauer angelegt und hat eine gewisse Offenheit. Sie       Was sind die Erwartungen bezüglich Besucher-                                                                                                                                                                                                mit Farben und Papier beschäftigen. Kunstver-                                                                tag, 17. April (14 bis 14.45 und 16 bis 16.45 Uhr,
kann Leihgaben machen, und sie kann Leihgaben            zahlen?                                                                                                                                                                                                                                     mittlerinnen geben Anregungen und Tipps bei der                                                              Ort: Hodler-Saal, 1. OG).
empfangen, das gibt der Stiftung ein operatives          Wir erwarten ungefähr 30 Prozent Besucher-                                                                                                                                                                                                  Umsetzung eigener Ideen (Ort: Eingangshalle).
Feld. Und die Stiftung ist auch relativ aktiv. Sie       zuwachs. Das halte ich für realistisch. Ich denke,                                                                                                                                                                                          Unter dem Titel «Was möchten Sie wissen?»                                                                    Klassische Moderne, Fauves, Expressionismus
kann selbst kleinere Ausstellungen machen. Es gab        dass man das über einen Zeitraum von zehn Jahren                                                                                                                                                                                            geben Kunstexpertinnen, erkennbar am roten                                                                   Kurator Tobia Bezzola führt durch die Sammlung
immer schon Leihgaben der Stiftung an die Kunst-         wird halten können. Die Kunsthaus-Erweiterung                                                                                                                                                                                               Halstuch, zu jedem der permanent gezeigten rund                                                              der klassischen Moderne, der Fauves und des
haus-Sammlung, zum Beispiel, was die mittelalter-        weist eben auch die nötige Infrastruktur dafür auf.                                                                                                                                                                                         450 Gemälde und Skulpturen in den Sammlungs-                                                                 Expressionismus. Samstag, 17. April (14 bis 14.45
liche Kunst angeht.                                                                                                                                                                                                                                                                                  bereichen Schweizer Kunst, Alberto Giacometti,                                                               und 16 bis 16.45 Uhr, Treffpunkt Halle 2.OG).
                                                         Wie gut ist denn jetzt die Sammlung besucht?                                                                                                                                                                                                Amerikaner, Alte Meister, Klassische Moderne
Aber es ist die Bührle-Stiftung, die über dieses Leih-   Die Sammlung ist natürlich längst nicht so gut be-                                                                                                                                                                                          und Zeitgenössische Kunst ad hoc Auskunft                                                                    Rebecca Warren, Sigmar Polke, Jeff Wall
wesen bestimmt, nicht das Kunsthaus?                     sucht wie die Wechselausstellungen, aber sie ist                                                                                                                                                                                            (Ort: Sammlung EG, 1. OG, 2. OG, Mezzanine).                                                                 Ausstellungsmacherin Bice Curiger bietet Hinter-
Da entscheidet die Stiftung. Ich kann natürlich          doch besser besucht als viele andere Museums-                                                                                                                                                                                               Vom Besucher zum Mitglied ist es nur ein kleiner                                                             gründe vor Werken zeitgenössischer Künstlerin-
jederzeit anfragen. Die Stiftung bleibt zwar autark,     sammlungen weit und breit. Das liegt an der Prä-                                                                                                                                                                                            Schritt: Alle Vorteile einer Mitgliedschaft in der                                                           nen und Künstler mit Gelegenheit zur Diskussion.
es ist aber jetzt schon so, dass der Direktor des        sentation selbst. Wir achten ja jetzt schon darauf,                                                                                                                                                                                         Zürcher Kunstgesellschaft erklärt Carin Cornio-                                                              Samstag, 17. April (14 bis 14.45 und 16 bis 16.45
Kunsthauses Einsitz hat im Stiftungsrat. Und es          dass wir das Publikum nicht nur belehren, sondern                                                                                                                                                                                           ley (Leitung Mitgliedersekretariat) im persön-                                                               Uhr, Treffpunkt: Polke-Saal, 1. OG).
wird sicher auch so sein, dass im Vorstand der           dass wir auch Unterhaltung bieten. Wir zeigen die                                                                                                                                                                                           lichen Gespräch. Neben aktuellen Angeboten
Kunstgesellschaft ein Mitglied aus dem Stiftungs-        Sammlung so, dass die Zürcherinnen und Zürcher                                                                                                                                                                                              wird ein Streifzug durch die Geschichte der Zür-                                                             Videos aus der Kunsthaus-Sammlung
rat einzieht. Auf diesen Ebenen wird es eine Ver-        stolz auf die Bestände des Kunsthauses sein kön-                                                                                                                                                                                            cher Kunstgesellschaft offeriert (Ort: Aktions-                                                              Mirjam Varadinis gibt eine kurze Einführung zu
zahnung geben.                                           nen. Wir achten sehr darauf, dass die Sammlung                                                                                                                                                                                              stand Eingangshalle). Ein Videoscreening bietet                                                              den gezeigten Videos aus der Sammlung des
                                                         einen gepflegten Eindruck macht, dass es keine                                                                                                                                                                                              überdies einen Querschnitt aus der Sammlung von                                                              Kunsthauses. Samstag, 17. April (14 bis 14.15 und
Es sieht aber doch so aus, dass die Gemälde der Stif-    Lücken gibt in der Präsentation, dass die Räume                                                                                                                                                                                             den 1970er Jahren bis in die Gegenwart (Ort: Film-                                                           16 bis 16.15 Uhr, Ort: Filmraum im UG).
tung Bührle nicht ins Kunsthaus integriert werden,       entsprechend so gestaltet sind, dass man sich                                                                                                                                                                                               und Seminarraum im UG).
dass es keine Dauerleihgabe oder Schenkung ist,          wohlfühlt, und dass das Kunsthaus auch einen                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Von Cuyp bis van Gogh
sondern gewissermassen eine zweite Institution, der      repräsentativen Eindruck macht. So geht man auch                                                                                                                                                                                            Die Sammlung Bührle und das Kunsthaus                                                                        Gian Casper Bott führt unter dem Titel «Berühmte
man am Heimplatz eine Plattform bietet. Kann man         gerne hin, nicht nur, wenn schlechtes Wetter ist.                                                                                                                                                                                           Die Sammlung Bührle ist eine Kette von Glanz-                                                                Holländer: von Cuyp bis van Gogh» durch die Aus-
das so sagen?                                            Auch wenn man Besuch bekommt aus dem Aus-                                                                                                                                                                                                   lichtern, die 2015 in die Kunsthaus-Erweiterung                                                              stellung «Van Gogh, Cézanne, Monet. Die Samm-
Ja, ganz pragmatisch gesehen handelt es sich um          land, ist der Wunsch da, das Kunsthaus zu zeigen.                                                                                                                                                                                           einziehen sollen. Unter der Leitung von Lukas                                                                lung Bührle zu Gast im Kunsthaus Zürich». Sonn-
einen Umzug der Stiftung an den Heimplatz.               Und wir machen die Beobachtung, dass wir, wenn                                                                                                                                                                                              Gloor, Direktor Sammlung E. G. Bührle, und                                                                   tag, 18. April (11 bis 12 Uhr, Treffpunkt: Eingangs-
                                                         wir die Sammlung in Bewegung halten, ein grösse-                                                                                                                                                                                            Christoph Becker, Direktor des Kunsthauses Zü-                                                               halle Kunsthaus «Öffentliche Führungen». Mit
Im Ausstellungswesen ist es aber doch sehr wichtig,      res Publikum anziehen. Für diese Flexibilität brau-                                                                                                                                                                                         rich, findet am Samstag, 17. April (15 bis 16 Uhr),                                                          FM-System. Speziell auch für Personen mit
dass man im Austausch für Dinge, die man be-             chen wir aber zusätzliche Flächen. Je mehr in einen                                                                                                                                                                                         zum Thema «Vereinigte Meister. Die Sammlun-                                                                  Hörminderung. Führungsbillett Fr. 4.– an der Kas-
kommt, auch Dinge offerieren kann. Das Kunst-            Raum hineingestopft ist, desto schwieriger wird es,                                                                                                                                                                                         gen E. G. Bührle und das Kunsthaus Zürich ab                                                                 se lösen. Teilnehmerzahl beschränkt).
haus scheint da aber nicht mit den Beständen der         ihn zu verändern. Die Präsentation ist heute aber                                                                                                                                                                                           2015» ein Fachgespräch über zwei sich ergänzende
Stiftung Bührle frei operieren zu können in diesem       sehr kompakt.                                                                                                                                                                                                                               Sammlungen statt (Treffpunkt: hinterer Bührle-                                                               Van Gogh, Cézanne, Monet
Tauschgeschäft, oder doch?                                                                                                                                                                                                                                                                           Saal, bei Fenstern zum Heimplatz).                                                                           Linda Schädler führt durch die Ausstellung «Van
                                                         Insgesamt scheinen die Bedingungen, unter denen                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Gogh, Cézanne, Monet. Die Sammlung Bührle zu
                                                         das Kunsthaus sich die Sammlung Bührle in die                                                                                                                                                                                               Kurzfilme zum Jubiläum                                                                                       Gast im Kunsthaus Zürich». Sonntag, 18. April (15
   «Ich bin überzeugt davon – und                        Nähe holt, nicht eben günstig: Weder kann man die                                                                                                                                                                                           Zu seinem hundertsten Geburtstag hat das Kunst-                                                              bis 16 Uhr, Treffpunkt: Eingangshalle Kunsthaus
   zwar nicht nur unter künstlerischen                   Werke der Bührle-Kollektion in sinnvoller Weise                                                                                                                                                                                             haus Zürich bei einem Künstler, einem Filme-                                                                 «Öffentliche Führungen». Mit FM-System. Spe-
   Aspekten –, dass der Umzug der                        mit der eigenen Sammlung verknüpfen, noch kann                                                                                                                                                                                              macher und einem Werber Kurzfilme in Auftrag                                                                 ziell auch für Personen mit Hörminderung.
   Bührle-Sammlung an den Heim-                          man sie selbst ausleihen oder auch nur schon                                                                                                                                                                                                gegeben. Der Künstler Thilo Hoffmann, der                                                                    Führungsbillett Fr. 4.– an der Kasse lösen. Teilneh-
                                                         weghängen. Gab es keine Möglichkeit, bessere Be-                                                                                                                                                                                            Filmemacher Luc Gut und Creative Director Ralf                                                               merzahl beschränkt).
   platz ein wesentlicher Schritt ist.»                  dingungen mit der Bührle-Stiftung auszuhandeln?                                                                                                                                                                                             Kostgeld haben einen Blick aus der Kreativ-Szene
                                                         So hat die Stiftung eine sehr hohe Autonomie inner-                                                                                                                                                                                         auf das Zürcher Museum und seine Aktivitäten,                                                                Sommerwerkstatt
                                                         halb der Mauern des Kunsthauses.                                                                                                                                                                                                            seine Mitarbeiter und sein Publikum geworfen                                                                 Vom 5. Juni bis zum 9. Oktober lädt das Kunst-
Das ist eine Frage, die man dann stellen muss, wenn      Die Bührle-Sammlung ist ja kein Geschenk ans                                                                                                                                                                                                und in Bild und Ton festgehalten. Die Filmer                                                                 haus Zürich zur mehrmonatigen Sommer-
sie sich stellt. Die Kunsthaus-Sammlung bekommt          Kunsthaus. Wir haben aber viel Erfahrung im Um-                                                                                                                                                                                             waren in der Gestaltung ihrer Arbeit frei. Heraus-                                                           werkstatt ein. Das vielseitige Programm mit Work-
natürlich einen erheblichen Wertzuwachs durch            gang mit diesen Modellen, und wir hatten nie Pro-                                                                                                                                                                                           gekommen sind drei technisch und narrativ völlig                                                             shops, Führungen und Gesprächen steht ganz im
die Bührle-Sammlung. Wir haben ja auch jetzt             bleme damit. Wichtig ist einfach, dass die Stiftungs-                                                                                                                                                                                       unterschiedliche Werke von rund sieben Minuten                                                               Zeichen des Jubiläums «100 Jahre Kunsthaus
schon verschiedene Stiftungen im Haus. Es gibt im        briefe mit den Vereinsstatuten der Kunstgesell-                                                                                                                                                                                             Dauer. Zu sehen sind die drei Filme im Museum                                                                Zürich» und wendet sich an alle Altersgruppen.
Altmeisterbereich Stiftungen, es gibt die Giaco-         schaft in Einklang stehen. Das ist bei allen Stiftun-                                                                                                                                                                                       selber (20. April bis 20. Mai und 31. August bis                                                             Neu ist dieses Jahr eine Aktion für Schulklassen:
metti-Stiftung, und die Kooperation mit diesen           gen, die wir bei uns angesiedelt haben, der Fall. So                                                                                                                                                                                        31. Dezember, kleiner Filmraum im Unterge-                                                                   Für nur 100 Franken können Schulklassen das
Stiftungen funktioniert reibungslos. Eigentlich ist      behält das Kunsthaus etwa die Stiftung Bührle nur                                                                                                                                                                                           schoss) und ab sofort auch auf der Website des                                                               1910 eröffnete Haus und die vom Mittelalter bis
das Kunsthaus ein Musterbeispiel dafür, dass das         so lange in seinen vier Wänden, wie es das Kunst-                                                                                                                                                                                           Kunsthauses (www.kunsthaus.ch) und auf You-                                                                  zur zeitgenössischen Kunst reichende Sammlung
so funktionieren kann.                                   haus wünscht. Die Stiftung kann nicht einseitig aus-                                                                                                                                                                                        tube. Die Filmpremieren finden am Samstag,                                                                   entdecken. Im «Jackpot», den mit etwas Grips und
                                                         ziehen, aber das Kunsthaus kann diese Vereinba-                                                                                                                                                                                             17. April (15 bis 18 Uhr), statt (Ort: Zeitgenössi-                                                          Schnelligkeit jeder knacken kann, sind drei Mit-
Was wird dann genau ab 2015 der Gewinn sein für          rung auflösen. Das gibt dem Kunsthaus auch einen                                                                                                                                                                                            sche Kunst, EG).                                                                                             gliedschaften in der Zürcher Kunstgesellschaft als
das Kunsthaus Zürich, wenn die Bührle-Sammlung           hohen Grad von Freiheit. Wenn die Stiftung irgend-                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Hauptgewinn enthalten. Alle Angebote der Som-
hier beheimatet sein wird?                               wann einmal nicht mehr funktioniert für das Kunst-                                                                                                                                                                                          Von Moser bis Chipperfield                                                                                   merwerkstatt können in Form eines Programm-
Man kann dann am Heimplatz den grössten Be-              haus, dann muss man sich zusammensetzen. Aber                                                                                                                                                                                               Der Architekt Giacinto Pettorino führt zum The-                                                              hefts im Kunsthaus bezogen, online als PDF her-
stand an Kunst des Impressionismus sehen in              ich bin überzeugt davon – und zwar nicht nur unter                                                                                                                                                                                          ma «Die Architektur des Kunsthauses Zürich ges-                                                              untergeladen oder telefonisch bestellt werden
Europa ausserhalb von Paris. Die Bilder, die ja be-      künstlerischen Aspekten, sondern auch unter his-                                                                                                                                                                                            tern, heute, morgen» auf einem Rundgang durch                                                                (Anmeldungen und weitere Programminformatio-
reits jetzt durch die gegenwärtige Bührle-Ausstel-       torischen und kulturgeschichtlichen Aspekten –,                                                                                                                                                                                             das Kunsthaus und auf den künftigen Bauplatz                                                                 nen unter Tel. 044 253 84 84 sowie unter
lung im Kunsthaus auf grossen Publikumszulauf            dass der Umzug der Bührle-Sammlung an den                                                                                                                                                                                                   gegenüber. Samstag, 17. April (11 bis 12 und 13 bis                                                          kunstvermittlung kunsthaus.ch).
stossen, werden dann dauerhaft zu sehen sein. Ihr        Heimplatz ein wesentlicher Schritt ist.                                                                                                                                                                                                     14 Uhr, Treffpunkt: Projektinformationsstelle in                                                                                                          phi.

                                                                 bis 30.5.2010     MEXIKO
                                                                 Teotihuacan – Geheimnisvolle Pyramidenstadt

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    24.6.–14.11.2010
                                                                                    FALKEN, KATZEN, KROKODILE
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Tiere im Alten Ägypten
                                                                                                                                                                                                                                                   10CAsNsjY0MDAx1TU0MDWysAAAsHIXIg8AAAA=

                                                                                                                 10CEXLMQqAMAxG4RM1_EmbGs1o06mIqHj_oyguDg--5Y3hSvhaY7vicAaKJoaKmZswieisnlFJ7QUKqoCxwLJy5jL5P6Ro6QQ6cINpb_0BR7aspWAAAAA=

                                                                 9.5.2010: 10–22 Uhr
                                                                 Im Rieterpark:     F I E s TA M E X I cA NA
                                                                                                                                                                                                                                                                                                          4.7.–17.10.2010                          B H U TA N
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Heilige Kunst aus dem Himalaya

                                                          Museum Rietberg Zürich | Gablerstrasse 15 | 8002 Zürich | www.rietberg.ch
                                                                                              Dienstag bis Sonntag 10–17 Uhr | Mittwoch und Donnerstag 10 – 20 Uhr
100 Jahre Kunsthaus Zürich - Neuö Zürcör Zäitung - NZZ Online
6 100 JAHRE KUNSTHAUS ZÜRICH                                                                                                                                            Neuö Zürcör Zäitung                                                                                                                                                         Sonderbeilage                            17. April 2010                                              Sonderbeilage        17. April 2010                                                                                                     Neuö Zürcör Zäitung                                                                                           100 JAHRE KUNSTHAUS ZÜRICH 7

                                                                                                                                 Eine lange Geschichte von Idealismus und Engagement, viel Geist – und auch ein wenig Geld
                                                                                                                                                                     Grosszügige Zuwendungen an die Sammlung, epochale Wechselausstellungen, eine Geschichte von gelungenen und weniger gelungenen baulichen Erweiterungen sowie die Köpfe dahinter

SCHENKUNGEN

                                                                                                                                                                         BILDER: KUNSTHAUS ZÜRICH / PRO LITTERIS

René Magritte: «Das Zimmer des Lauschens» (1958), Geschenk von Walter Haefner.                                                                                                                                     Claude Monet: «Der Seerosenteich mit Iris» (1914), Geschenk von Emil Georg Bührle.                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Paul Klee: «Marionetten» (1930), Geschenk von Erna und Curt Burgauer.                                                            A. Giacometti: «Löffelfrau».

Die Geschichte der Sammlung                                     Kehrseite der Medaille ist, dass die Sammlung von ebenso                                                                                           Die Idee eines Neubaus für ein Museum konkretisiert sich mit                             wartskunst zu kaufen. Das andere Ende der Kunstgeschichte                       1980 geht als Dada-Jahr in die Chronik ein: Im Zusammenhang                           Die Giacometti-Stiftung (1965)                                    erfahren, dass es möglich sei, David Thompsons bedeutende                                    Firmen die nötigen Mittel. Unter Führung von Hans C. Bechtler                ausserdem Kunsthaus-Direktor René Wehrli und Professor
ist eine Geschichte der Schenkungen                             vielen Glücksfällen geprägt ist wie von Zufälligkeiten. Die                                                                                        wachsender Zahl von Werken. Nach der glücklichen Eröffnung                               wird ergänzt durch Leopold Ruzicka, der 1949 eine Stiftung für                  mit einer grossen Dada-Schau sind verschiedene Spenden zu                             Die am Kunsthaus domizilierte, von Christian Klemm geleitete      Privatsammlung von Werken Alberto Giacomettis (1901 bis                                      konnte die Stiftung kurz vor dem Tod des Künstlers gegründet                 Adolf Max Vogt. Von der Familie nahm Albertos Bruder Bruno
sru. · 1794 setzt die Sammlungstätigkeit der 1787 gegründeten   Chronologie der zufälligen Glücksfälle akzentuiert sich ab 1847:                                                                                   des Kunsthauses 1910 gründet Alfred Rüetschi die Vereinigung                             seine Sammlung niederländischer Malerei des 17. Jahrhunderts                    verdanken. Die Sammlung Johanna und Walter L. Wolf erwei-                             und von Felix Baumann präsidierte Alberto-Giacometti-Stiftung     1966) zu erwerben. Der Pittsburgher Industrielle bot das Kon-                                werden. Aufgrund der Zuwendungen von Grether und Reinhart                    Giacometti Einsitz, der die Stiftung zusammen mit seiner Gattin
Künstlergesellschaft ein – und schon dieser Grundstock be-      Das Künstlergüetli wird durch eine Galerie erweitert, in der die                                                                                   Zürcher Kunstfreunde, die den bescheidenen Ankaufsetat des                               errichtet. Ab den sechziger Jahren wird nicht nur die                           tert 1984 den Bestand französischer Kunst, Betty und David                            umfasst das Lebenswerk des Künstlers von seinen frühesten bis     volut, bestehend aus 61 Skulpturen, 7 Gemälden und 21 Zeich-                                 werden ein Viertel der Werke im Kunstmuseum Basel und ein                    Odette im Lauf der folgenden Jahrzehnte mit zahlreichen
steht aus Schenkungen: Jedes Mitglied überlässt der             «regelmässigen Turnusausstellungen» fortan stattfinden.                                                                                             Museums bis heute substanziell ergänzt. 1920 erhält das Kunst-                           Giacometti-Stiftung gegründet, sondern es ist auch eine                         M. Koetser schenken 1986 niederländische und italienische Alt-                        zu den letzten Werken in allen wesentlichen Aspekten. Dass        nungen, zum Preis von 3 Millionen Franken an. Der Basler                                     Zehntel im Kunstmuseum Winterthur gezeigt. Dem ersten                        weiteren Schenkungen bedachte. 2006 überliessen Bruno und
Gesellschaft eine Zeichnung. In den kommenden 223 Jah-          1854 schenkt Oberst Keller zum Mohrenkopf seine Sammlung                                                                                           haus aus einem Legat die Sammlung von Hans Schuler und                                   wachsende Zahl anderer Zuwendungen zu verzeichnen: Nelly                        meister, und Walter Haefner ergänzt die Bestände um 12 Ge-                            die Stiftung 1965 gegründet werden konnte, ist vorwiegend         Sammler Hans Grether ermöglichte es Beyeler, die Kollektion zu                               Stiftungsrat gehörten die wichtigsten Gönner an: Neben Walter                Odette Giacometti der Stiftung ihren Anteil am bisher unver-
ren wird diese Tradition der Schenkungen und Legate von         mit Zürcher Malerei, und 1898 vermacht Heinrich Schulthess                                                                                         damit erstmals Werke des französischen (Post-)Impressionis-                              Bär schenkt eine Gruppe von Skulpturen, Gustav Zumsteg und                      mälde von Monet bis Magritte. Im neuen Jahrtausend gelingt                            René Wehrli, dem damaligen Direktor des Kunsthauses, sowie        übernehmen, nachdem sich die Mittelbeschaffung verzögert                                     A. Bechtler als erstem Präsidenten waren dies Ernst Göhner,                  teilten Erbe – darunter 75 Originalgipse, eine Steinskulptur,
zahlreichen Sammlern und Mäzenen fortgesetzt. Unter diesen      von Meiss der 1896 zur Zürcher Kunstgesellschaft erweiterten                                                                                       mus: Renoir, Cézanne, van Gogh und Bonnard. 1929 beginnt                                 weitere Mäzene ermöglichen Chagall-Ankäufe. Erna und Curt                       es dem Führungsteam von Christoph Becker und Walter                                   den Sammlern und Mäzenen Hans C. und Walter A. Bechtler           hatte. Weil die Mitfinanzierung von Bund, Kanton und Stadt                                    Hans Grether, Walter Haefner, Walter Meier, A. H. Meyer,                     2 Plastilinarbeiten und 15 Bronzen. Seit der Gründung sind die
Zuwendungen sind Perlen von unschätzbarem Wert; die             Institution 80 Gemälde von deutschen und Schweizer Malern.                                                                                         Hans E. Mayenfisch für das Kunsthaus Schweizer Gegen-                                     Burgauer schenken Werke aus ihrer Sammlung moderner Kunst.                      B. Kielholz, die Bührle-Stiftung ans Kunsthaus zu binden.                             zu verdanken. Vom Basler Kunsthändler Ernst Beyeler hatten sie    scheiterte, spendete eine Gruppe von Privatpersonen und                                      Balthasar Reinhart, Karl Steiner und Gustav Zumsteg,                         Bestände durch Ankäufe vervollständigt worden.

AUSSTELLUNGEN

                                                                                                                              «Der Hang zum
                                                                                                                              Gesamtkunstwerk»
                                                                                                                              (1983)                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              «Freie Sicht
                                                                                                                              Das Salz in der Suppe eines                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         aufs Mittelmeer» (1998)
                                                                                                                              Kunstmuseums sind interna-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Es gibt wenig Ausstellungen,
                                                                                                                              tional beachtete Wechsel-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           die einen ähnlich nachhaltigen
                                                                                                                              ausstellungen. Eine bombasti-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Eindruck hinterlassen haben
                                                                                                                              sche Schau wie «Der Hang zum                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        wie Bice Curigers Stand-
                                                                                                                              Gesamtkunstwerk» ist heute                                                                                                                                                                                                                                               Walter de Maria: «The                                                                                                                                                                                      ortbestimmung der Gegen-
                                                                                                                              eigentlich kaum mehr denkbar:                                                                                                                                                                                                                                            2000 Sculpture» (1992)                                                                                                                                                                                     wartskunst am Ende des                                                                                                                     Auguste Rodin (2007)
                                                                                                                              Harald Szeemann hat die                                                                                                                                                                                                                                                  Die Ausstellung des Werks                                                                                                                                                                                  vergangenen Jahrtausends:                                                                                                                  Auch Klassiker wie der Bild-
                                                                                                                              Ausstellung 1983 als Resultat                                                                                                                                                                                                                                            «The 2000 Sculpture» im völlig                                                                                                                                                                             Ihre Schau «Freie Sicht aufs                                                                                                               hauer Auguste Rodin (1840 bis
                                                                                                                              jahrelanger Forschungsarbeit                                                                                                                                                                                                                                             leergeräumten Bührle-Saal                                                                                                                                                                                  Mittelmeer» verwendete einen                                                                                                               1917) werden von Zeit zu Zeit
                                                                                                                              präsentiert. Das Unternehmen                                                                                                                                                                                                                                             bietet dem Publikum 1992 ein                                                                                                                                                                               Slogan der Zürcher Jugend-                                                                                                                 auf ihre Gültigkeit überprüft:
                                                                                                                              verbrannte enorme Mittel und                                                                                                                                                                                                                                             unvergessliches Erlebnis:                                                                                                                                                                                  bewegung, um darzustellen,                                                                                                                 Rodin besitzt im Kunsthaus nur
                                                                                                                              stellte das halbe Kunsthaus                                                                                                                                                                                                                                              Die Skulptur ist ein sinnliches                                                                                                                                                                            was seit dem ebenfalls in                                                                                                                  schon deshalb eine besondere
                                                                                                                              auf den Kopf. Für das «Gesamt-                                                                                                                                                                                                                                           Werk bar jeden Sinns – ein                                                                                                                                                                                 guter Erinnerung gebliebenen                                                                                                               Stellung, weil sein zwischen
                                                                                                                              kunstwerk» kombinierte Szee-                                                                                                                                                                                                                                             Klassiker der Minimal Art.                                                                                                                                                                                 «Stillen Nachmittag» elf Jahre                                                                                                             1880 und seinem Todesjahr
                                                                                                                              mann sein modernes, bis heute                                                                                                                                                                                                                                            Der 1935 geborene Walter de                                                                                                                                                                                zuvor in der Kunst passiert ist.                                                                                                           1917 geschaffenes «Höllentor»
                                                                                                                              zigfach kopiertes Ausstel-                                                                                                                                                                                                                                               Maria verband damit hohe                                                                                                                                                                                   Klassische Malerei, Zeichnung                                                                                                              seit 1947 die Eingangspforte
                                                                                                                              lungsverfahren mit Analyse,                                                                                                                                                                                                                                              priesterliche Transzendenz mit                                                                                                                                                                             und Skulptur haben neuen,                                                                                                                  des Museums markiert. Die
                                                                                                                              Intuition, Phantasie und – vor                                                                                                                                                                                                                                           seinem amerikanischen In-                                                                                                                                                                                  technischen Medien Platz                                                                                                                   fulminante Ausstellung über
                                                                                                                              allem – einer eigenständigen                                                                                                                                                                                                                                             stinkt für den Showeffekt.                                                                                                                                                                                 gemacht. Die Künstler ver-                                                                                                                 den Künstler im Jahr 2007
                                                                                                                              Konzeptidee. «Der Hang zum                                                                                                                                                                                                                                               2000 in einem Fischgrat-                                                                                                                                                                                   suchen sich an PC und Kamera                                                                                                               wurde gemeinsam mit der
                                                                                                                              Gesamtkunstwerk» stellte eine                                                                                                                                                                                                                                            Muster auf dem Boden aus-                                                                                                                                                                                  – ein Trend, der schon eine                                                                                                                Londoner Royal Academy
                                                                                                                              obsessive Grenzüberschreitung                                                                                                                                                                                                                                            gelegte Gipsbarren werfen mit                                                                                                                                                                              Dekade später wieder reichlich                                                                                                             realisiert. Solche Koopera-
                                                                                                                              dar: Die postulierte Unmöglich-                                                                                                                                                                                                                                          ihren unterschiedlichen Seiten-                                                                                                                                                                            überholt wirkt. Zahlreiche                                                                                                                 tionen werden angesichts
                                                                                                                              keit des Gesamtkunstwerkes                                                                                                                                                                                                                                               flächen das Licht in verschiede-                                                                                                                                                                            Protagonisten jedoch, von der                                                                                                              wachsender Kosten für an-
                                                                                  BILDER: KUNSTHAUS ZÜRICH / PRO LITTERIS

                                                                                                                              stand im dialektischen Gegen-                                                                                                                                                                                                                                            nen Grauwerten zurück. Der                                                                                                                                                                                 Kuratorin als junge Hoffnung                                                                                                               spruchsvolle Produktionen
                                                                                                                              satz zum Versuch, mit der                                                                                                                                                                                                                                                Rhythmus der Auslegeordnung                                                                                                                                                                                vorgestellt, haben vom flachen                                                                                                              zunehmend die Regel. Nur
                                                                                                                              Schau selber ein solches zu                                                                                                                                                                                                                                              und der Querschnitt-Variatio-                                                                                                                                                                              Alpenland aus inzwischen                                                                                                                   durch das Bemühen, ein
                                                                                                                              schaffen. Der Kurator verhielt                                                                                                                                                                                                                                           nen suggeriert Bedeutung, wo                                                                                                                                                                               ihren Weg zum internationalen                                                                                                              attraktiver und verlässlicher
                                                                                                                              sich wie einer der zahlreichen                                                                                                                                                                                                                                           das Werk seinen Sinn doch aus                                                                                                                                                                              Kunstbetrieb gefunden. Der                                                                                                                 Partner für gemeinsame
                                                                                                                              Künstler, die er inszenierte: Im                                                                                                                                                                                                                                         nichts anderem als den Pro-                                                                                                                                                                                Katalog von 1998 ist ein Who’s                                                                                                             Projekte zu sein, werden auch
                                                                                                                              «Hang zum Gesamtkunstwerk»                                                                                                                                                                                                                                               jektionen der Betrachter                                                                                                                                                                                   who der heutigen Schweizer                                                                                                                 in Zukunft Ausstellungen mit
                                                                                                                              zerflossen die Grenzen.                                                                                                                                                                                                                                                   bezieht.                                                                                                                                                                                                   Kunstszene.                                                                                                                                Spitzenwerken möglich.

ARCHITEKTUR

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Müller-Bau (1976)
                                                                                                                                                                                                                                                                Moser-Bau (1910)                                                                                                                                          Pfister-Bau (1958)                                                                                                                                         Fachleute sind sich mit Laien einig: Der Mayen-                                                                                                          Erweiterungsbau
                                                                                                                                                                                                                                                                1895 wird der Verein «Künstlerhaus Zürich» gegrün-                                                                                                        Im Juni 1958 erhielt das Kunsthaus Zürich mit dem                                                                                                         fisch-Trakt, eine Erweiterung des Kunsthauses am                                                                                                          David Chipperfield (Projekt)
                                                                                                                                                                                                                                                                det und eine provisorische Kunsthalle an der                                                                                                              Bührle-Saal seinen bis heute markantesten Erwei-                                                                                                          hintern, westlichen Ende des Gebäudekomplexes,                                                                                                           Die nächste Erweiterung des Kunsthauses ist
                                                                                                                                                                                                                                                                Börsenstrasse eröffnet. Karl Moser gewinnt 1906                                                                                                           terungsbau. Als neutrale, frei unterteilbare Raum-                                                                                                        ist alles andere als eine Perle der Architektur. Der                                                                                                     nicht nur die grösste, sondern auch die ambi-
                                                                                                                                                                                                                                                                einen 1902 erstmals ausgeschriebenen Archi-                                                                                                               hülle für Wechselausstellungen bildet er ein Erfolgs-                                                                                                     1970–76 realisierte Gebäudeteil des Architekten                                                                                                          tionierteste. Der Architekt David Chipperfield
                                                                                                                                                                                                                                                                tekturwettbewerb für ein Museum. 1910 kann auf                                                                                                            modell. Die Entstehungsgeschichte des von Hans                                                                                                            Erwin Müller ist sowohl ästhetisch als auch formal                                                                                                       hat einen monumentalen, 18 Meter hohen, 59
                                                                                                                                                                                                                                                                der Liegenschaft des vom Stadtrat Landolt ver-                                                                                                            und Kurt Pfister entworfenen Gebäudes war von                                                                                                              ein Kind seiner Zeit und stellt das Kunsthaus vor                                                                                                        Meter breiten und 62 Meter tiefen Kunst-
                                                                                                                                                                                                                                                                machten Landoltgutes das Kunsthaus eröffnet                                                                                                               jahrelangen Auseinandersetzungen um die archi-                                                                                                            kuratorische Probleme. Seine Kaskaden von Trep-                                                                                                          Monolithen entworfen, an dessen Rückseite ein
                                                                                                                                                                                                                                    BILDER: ADRIAN BAER / NZZ

                                                                                                                                                                                                                                                                werden, das der Architekt zwischen 1924 und 1926                                                                                                          tektonische und städtebauliche Gestaltung beglei-                                                                                                         pen, Balkonen und Durchblicken erklären wohl,                                                                                                            Skulpturengarten angedockt werden soll. Die
                                                                GTA-ARCHIV, ETH ZÜRICH

                                                                                                                                                                                                                                                                selber erweitert. Im Bild links aussen eine Ansicht                                                                                                       tet. Indem die Architekten das Gebäude auf mächti-                                                                                                        weshalb man sich am Kunsthaus Zürich für den                                                                                                             Fassade aus Sandstein nimmt ein formales
                                                                                                                                                                                                                                                                des kleinen Oblichtsaals im ehemaligen Ausstel-                                                                                                           ge Stützen stellten und zwei gläserne Kuben mit                                                                                                           nächsten Erweiterungsbau nichts sehnlicher                                                                                                               Element des Moser-Baus auf, unregelmässig
                                                                                                                                                                                                                                                                lungsflügel, dem heutigen Böcklin-Saal, die Karl                                                                                                           Restaurant und Vortragssaal darunterschoben,                                                                                                              wünscht als eine ruhige Abfolge von Galerien in                                                                                                          verteilte Glasflächen sollen dem Kunst-Palazzo
                                                                                                                                                                                                                                                                Moser um 1910 angefertigt hat.                                                                                                                            wurde der Erweiterungsbau optisch durchlässig.                                                                                                            einem White Cube.                                                                                                                                        aber die historisierende Erscheinung nehmen.

PERSONEN
                     Oberst Paul                                                                                            Wilhelm                                  Gottfried                                                                                                   Adolf Jöhr                                      Franz Meyer                                              René Wehrli                                              Alfred Schaefer                                              Carlo                                                    Felix Baumann                                                   Thomas                                                                Christoph Becker                                                     Walter B. Kielholz
                     Uhlrich                                                                                                Wartmann                                 Schärtlin                                                                                                   1922–1940                                       1940–1960                                                1950–1976                                                1960–1975                                                    von Castelberg                                           1976–1998                                                       W. Bechtler                                                           seit 1998                                                            seit 2002
                     1903–1916                                                                                              1909–1949                                1916–1922                                                                                                   Präsident                                       Präsident                                                                                                                                                                      1975–1987                                                Direktor                                                        1987–2002
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Direktor                                                 Präsident                                                                                                                                                                                                                                                   Direktor                                                             Präsident
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   AECHTER UND CLAHSEN

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          ARKUS BÜHLER-RASOM
                     Präsident                                                                                              Direktor                                 Präsident                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Präsident                                                                                                                Präsident
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              UNSTHAUS ZÜRICH
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        UNSTHAUS ZÜRICH

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       UNSTHAUS ZÜRICH

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  UNSTHAUS ZÜRICH
                                                                       UNSTHAUS ZÜRICH

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       EYSTONE

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         EYSTONE
                                                                                                                                                                                                                                                                       EYSTONE
                 D

                                                                                                                                                                 D
100 Jahre Kunsthaus Zürich - Neuö Zürcör Zäitung - NZZ Online
8 100 JAHRE KUNSTHAUS ZÜRICH                                                                                                                      Neuö Zürcör Zäitung                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Sonderbeilage        17. April 2010

                                «Ein verlässlicher Partner»                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   «Eine sichere Zukunft»
              Max Hollein über das Kunsthaus Zürich als Institution und Partnerin                                                                                                                                                                                                                                                                            Nicholas Serota über das Kunsthaus Zürich als Institution und Partnerin
 Wie würden Sie die Position des Kunsthauses in der                                                        Museums mit einem Bestand vom späten Mittel-                                                                                                                                                                                             Wie würden Sie die Position des Kunsthauses in der                                                        vor allem auch bei Ausstellungen zeitgenössischer
 internationalen Museumslandschaft beschreiben?                                                            alter bis zu zeitgenössischer Kunst – also durchaus                                                                                                                                                                                      internationalen Museumslandschaft beschreiben?                                                            Kunst vermehrt die Zusammenarbeit mit dem
 Das Kunsthaus ist eines der bedeutendsten Mu-                                                             allgemein vergleichbar mit dem Kunsthaus Zürich                                                                                                                                                                                          Das Kunsthaus Zürich gehört zu den führenden                                                              Kunsthaus suchen.
 seen weltweit und hat sich seit langem einen Ruf                                                          oder dem Kunstmuseum Basel –, und der Liebieg-                                                                                                                                                                                           Institutionen in Europa – sowohl was seine
 nicht nur durch seine Sammlung, sondern auch                                                              haus-Skulpturensammlung ebenfalls sehr gut.                                                                                                                                                                                              Sammlung angeht als auch wegen seiner Ausstel-                                                            Wo liegen die wesentlichen Unterschiede zwischen
 durch sein exzellentes und ambitioniertes Ausstel-                                                                                                                                                                                                                                                                                                 lungstätigkeit. Das Haus hat sich seine Reputa-                                                           dem Kunsthaus Zürich und Ihrem eigenen Haus?
 lungsprogramm geschaffen.                                                                                 Wann waren Sie selbst zuletzt im Kunsthaus Zürich                                                                                                                                                                                        tion einerseits durch Präsentationen klassischer                                                          So viele Unterschiede gibt es gar nicht. Die Tate ist
                                                                                                           – und aus welchem Anlass?                                                                                                                                                                                                                Kunst erworben (zum Beispiel Claude Monet, die                                                            grösser und liegt in einer grösseren Stadt – die Rah-
 Sie sind mit dem Kunsthaus eine Kooperation einge-                                                        Selbstverständlich hatte ich mir die Seurat-Ausstel-                                                                                                                                                                                     Landschaften von Ferdinand Hodler oder im letz-                                                           menbedingungen sind verschieden. Beide Institu-
 gangen – wie beurteilen Sie seine Bedeutung als                                                           lung in Zürich, der ersten Station, angesehen, das                                                                                                                                                                                       ten Herbst Georges Seurat). Gleichzeitig hat das                                                          tionen aber haben die Aufgabe, die Kunst des jewei-
 Partner im heutigen Ausstellungsbetrieb?                                                                  war mein letzter Besuch. Auch die Präsentation                                                                                                                                                                                           Kunsthaus aber auch im Bereich der Ausstellun-                                                            ligen Landes in einem internationalen Kontext zu
 Kooperationen ermöglichen uns, gemeinsam an                                                               der Sammlung Bührle werde ich nicht verpassen.                                                                                                                                                                                           gen zeitgenössischer Kunst einen ausgezeich-                                                              zeigen. Beide präsentieren historische Kunst neben
 einem Projekt zu arbeiten. Das ist inspirierend für                                                                                                                                                                                                                                                                                                neten Ruf – nehmen wir etwa die Schau mit Sig-                                                            Positionen der Gegenwart. Und bei beiden Institu-
 .......................................................................................................   Was hat Ihnen bei Ihrem letzten Besuch besonders                                                                                                                                                                                         .......................................................................................................   tionen rührt die spezifische Energie gerade daher,
                                                                                                           gefallen?                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          dass sie Geschichte und Gegenwart kombinieren.
                                           «Das Kunsthaus ist ein                                          Ich habe mich gefreut, auch eine Ausstellung von
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              «Durch die ruhigen
                                           grossartiges Museum mit                                         Mircea Cantor zu sehen, einem Künstler, den ich                                                                                                                                                                                                                                    Räume des Kunsthauses                                           Wann waren Sie selbst zuletzt im Kunsthaus Zürich
                                           einem hochprofessionel-                                         sehr schätze und mit dem wir auch in der Schirn                                                                                                                                                                                                                                    zu gehen, ist immer ein                                         – und aus welchem Anlass?
                                           len und dabei besonders                                         Kunsthalle schon zusammengearbeitet haben. Hier                                                                                                                                                                                                                                    grosses Vergnügen.»                                             Das war im letzten Sommer – aus Anlass der Aus-
                                                                                                           zeigte sich wieder die Stärke des Kunsthauses,                                                                                                                                                                                                                                                                                                     stellung zu Katharina Fritsch.
                                           originellen Team.»
                                                                                                           einerseits eine hervorragende Ausstellung zur klas-
                                           Max Hollein                                                     sischen Moderne oder zum 19. Jahrhundert zu prä-                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Was hat Ihnen da besonders gefallen?
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                                                                                                           sentieren, aber gleichzeitig auch die hochaktuelle                                                                                                                                                                                                                                 Nicholas Serota                                                 Ich war beeindruckt, wie gut die Gebäude in den

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   REUTERS
                                           Direktor Schirn Kunsthalle, Städel und
                                           Liebieghaus, Frankfurt am Main                                  zeitgenössische Szene mit interessanten Ausstel-                                                                                                                                                                                                                                   Direktor der Tate Gallery, London                               letzten Jahren renoviert worden sind. Das fühlt sich
 .......................................................................................................                                                                                                                                                                                                                                            .......................................................................................................
                                                                                                           lungen und wichtigen Einzelpräsentationen zu                                                                                                                                                                                                                                                                                                       ebenso klassisch wie zeitgenössisch an und hat dem
 beide Seiten im Rahmen der Vorbereitung, senkt                                                            reflektieren. Das ist eine Programmstrategie, die                                                                                                                                                                                        mar Polke oder die Retrospektive zu Thomas                                                                Haus einen neuen Geist gegeben. Durch diese
 die Kosten bei der Durchführung und erweitert bzw.                                                        wir durchaus auch in der Schirn verfolgen.                                                                                                                                                                                               Ruff, die im kommenden Sommer über die Bühne                                                              ruhigen Räume zu gehen, ist immer ein grosses
 verlängert die Möglichkeiten der Präsentation einer                                                                                                                                                                                                                                                                                                gehen wird.                                                                                               Vergnügen. Ganz besonders gut hat mir auch die
 Ausstellung, an der bis zu drei Jahre gearbeitet wird.                                                    Was würden Sie in Ihrem Haus anders machen?                                                                                                                                                                                                                                                                                                        neue Präsentation der Giacometti-Sammlung ge-
 Umso mehr sollte man die Chance ergreifen, mit                                                            In vielen verschiedenen Details entscheiden und                                                                                                                                                                                          Sie sind mit dem Kunsthaus Zürich in der Vergan-                                                          fallen. Die Art, wie das Kunsthaus seine Räume
 einem guten Partner ein solches Projekt nicht nur an                                                      handeln wir anders, so etwa wurde die Seurat-Aus-                                                                                                                                                                                        genheit bei verschiedenen Gelegenheiten eine Ko-                                                          nutzt und seine Sammlung präsentiert, schafft auch
 einem Ort und für ein Publikum zu zeigen.                                                                 stellung in Frankfurt mit einem ganz anderen                                                                                                                                                                                             operation eingegangen. Wie beurteilen Sie die Be-                                                         Vertrauen, was die Pläne der Institution für ein
                                                                                                           Raum- und Hängekonzept als in Zürich präsen-                                                                                                                                                                                             deutung dieser Institution als Partner im heutigen                                                        neues Gebäude für die Sammlung Bührle betrifft.
 Wo liegen die wesentlichen Unterschiede zwischen                                                          tiert. Das sind Entscheidungen, die aus einer indivi-                                                                                                                                                                                    Ausstellungsbetrieb?                                                                                      Das Kunsthaus Zürich hat eine sichere Zukunft vor
 dem Kunsthaus Zürich und Ihrem eigenen Haus?                                                              duellen Perspektive anders getroffen werden. Auf                                                                                                                                                                                         Das Kunsthaus war und ist ein wichtiger Partner                                                           sich – was in diesen ökonomisch schwierigen Zei-
 Im konkreten Fall hat das Kunsthaus Zürich mit                                                            jeden Fall aber fühlen wir uns gerade dem Kunst-                                                                                                                                                                                         für uns. Einerseits haben wir auf dem Gebiet der                                                          ten alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.
 der Schirn Kunsthalle, der ich als Direktor vor-                                                          haus Zürich, seinen kuratorischen Entscheidungen,                                                                                                                                                                                        klassischen britischen Kunst zusammengearbeitet
 stehe, für die Seurat-Ausstellung zusammengear-                                                           seiner Sammlungsphilosophie und seiner Struktur                                                                                                                                                                                          – ich denke da etwa an die Ausstellung zu Johann                                                          Was würden Sie in Ihrem Haus anders machen?
 beitet. Die Schirn ist eine Ausstellungshalle ohne                                                        sehr eng verbunden. Es ist ein grossartiges Mu-                                                                                                                                                                                          Heinrich Füssli 2005/06. Andererseits haben wir                                                           Ich würde nichts wirklich anders machen. Ich bin
 eigene Sammlung, und hier liegt der grundlegende                                                          seum, ein hochprofessionelles und dabei besonders                                                                                                                                                                                        auch ein grosses Interesse an zeitgenössischer                                                            beeindruckt von dem, was das Haus in den letzten
 Unterschied zum Kunsthaus. Allerdings kenne ich                                                           originelles Team und ein sehr verlässlicher und                                                                                                                                                                                          Kunst aus der Schweiz, was sich etwa in unserer                                                           Jahren erreicht hat.
 die Aufgabe und Identität, die eine Sammlung mit                                                          kompetenter Partner – das ist im Kontext der inter-                                                                                                                                                                                      Kollaboration bei der Retrospektive Fischli/Weiss
 sich bringt, als Direktor des Städel-Museums, eines                                                       nationalen Zusammenarbeit besonders wichtig.                                                                                                                                                                                             2006/07 manifestiert hat. In Zukunft werden wir                                                                                     Interviews Samuel Herzog

                                                                                                                                                                  WAS IST
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      «Excellence ist nur möglich, wenn man aus demselben
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Stoff gemacht ist, den man herstellt.»

                                                                                                                                                              EXCELLENCE,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Josephine (Obin) Komara, Erneuerin von Batik als Haute-

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Couture-Stoff, Solo, Indonesien

                                                                                                                                                                JOSEPHINE                                                                                                                                                                                                                                                                             Wenn Josephine Komara über Tuch spricht, liegt etwas

                                                                                                                                                                 KOMARA?
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Hingebungsvolles in ihrer Stimme. Es ist, als erzähle sie
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      von einem guten Freund. Kein Wunder, spricht sie doch von
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      einer über viele Jahre gewachsenen Beziehung und darüber,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      wie sie die einzelnen Facetten der indonesischen Batik-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      techniken mit der Seidenspinnerei verbindet und so eine

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      neue Tuchart kreiert. Ihre Inspiration ist die Veränderung.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Damit gelingt es Obin, eine lange Tradition mit der Moderne
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      zu verbinden. Das hat sie mit Julius Bär gemeinsam. Denn

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      wir können auf über hundert Jahre Tradition und Erfahrung
                                                                                                                                                                                                                                                                                                 10CAsNsjY0MDAx1TU0MDY3NgMASxv7BQ8AAAA=

                                                                                                                                                                   10CEXKOw6AIBAFwBNB3n5YwC35VMQYNd7_KCY2FtPNWp4iPm3s9zidAE2BIFnMC2sshd0ox5rEoagMwkakJixq_u_QeriACTygePT5AvRTi3NdAAAA
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      zurückgreifen, um Ihnen massgeschneiderte Vermögens-

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      verwaltung anzubieten.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Julius Bär ist die führende Schweizer Private Banking-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Gruppe. Mit 120 Jahren Tradition.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Excellence in Kunst trifft

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Excellence in Private Banking.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      100 Jahre Kunsthaus Zürich:

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Julius Bär unterstützt die Restaurierung

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      des Werks «Schubladenmuseum» von Herbert Distel,

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      das 2011 wieder ausgestellt wird.

           Das ganze Interview mit Josephine Komara finden Sie auf www.juliusbaer.com/excellence
           Die Julius Bär Gruppe ist weltweit an über 40 Standorten präsent. Von Zürich (Hauptsitz), Basel, Bern, Brig, Genf, Lugano, Luzern, St. Gallen, St. Moritz, Zug, Buenos Aires, Dubai,
           Frankfurt, Guernsey, Hongkong, London, Mailand, Moskau, Nassau bis Singapur. Ihr Kontakt im Julius Bär Private Banking: Daniel A. Aegerter, Tel. +41 (0) 58 888 5457.
100 Jahre Kunsthaus Zürich - Neuö Zürcör Zäitung - NZZ Online
10 100 JAHRE KUNSTHAUS ZÜRICH                                                                   Neuö Zürcör Zäitung                                                                         Sonderbeilage        17. April 2010

Rudolf Koller: «Die Gotthardpost», 1873.                                                    BILDER KUNSTHAUS ZÜRICH   Heinrich Füssli: «Titania liebkost Zettel mit dem Eselskopf», 1793/94.

Hans Fries: «Anbetung der Könige», um 1490.             Giovanni Segantini: «Strickendes Mädchen», 1888.                                                                      Alberto Giacometti: «La mère de l’artiste», 1958.

                                                            Tumult vor dem Höllentor
                                                             Ein kurzer Gang durch die Säle der Sammlung im Kunsthaus

Das Kunsthaus Zürich verfügt über eine                  dessen Büchern und Verfilmungen sie ihre Kind-                der Zauberei tief eingegraben haben. Und der Zür-       speisen» von Jan de Heem (um 1650): Gerade weil
                                                        heit verbracht haben. Natürlich ist ihnen das im              cher Nelkenmeister schliesslich weckt den dicken        hier die Orangen wie eine «Campari»-Reklame
der besten Kunstsammlungen der Schweiz
                                                        Moment eher peinlich – und doch sind sie es ge-               Hagrid in uns – denn die Ausgeburten von Luzifers       leuchten und die nur getrockneten Feigen feuch-
– längst nicht nur im vielleicht etwas allzu            wohnt, dass Bilder sprechen können, dass Skulptu-             Hölle, gegen die sein filigran schöner Erzengel         teste Süsse versprechen, erschrecken wir umso
oft zitierten Bereich der französischen                 ren fliegen und alles Ding, das auch nur im Ent-              Michael 1495 antreten muss, haben durchaus Hol-         mehr bei der Entdeckung der Anzeichen einer un-
Impressionisten.                                        ferntesten wie ein Kunstwerk aussieht, mit irgend-            lywood-Qualität und sind dabei doch so süss, dass       mittelbar bevorstehenden Fäulnis, die hier auf be-
                                                        einem zauberhaften Potenzial behaftet ist.                    man sie fast streicheln oder noch lieber als Schoss-    sonders subtile Weise ins gerade noch Appetitliche
                                                           Aber hat die Sammlung des Kunsthauses einem                tierchen mit nach Hause nehmen möchte.                  eingearbeitet sind – Magie der Vergänglichkeit.
Samuel Herzog                                           Publikum, das die Welt durch das weisse Barthaar                 Spricht uns das 15. und frühe 16. Jahrhundert
                                                        von Dumbledore zu sehen gewohnt ist, überhaupt                auf einer fast ein wenig kindlichen Ebene an, so                   Gepflegte Phantasien
Tumult vor dem Höllentor. Ein Maturand, wahr-           etwas zu bieten? Höchste Zeit, die Kollektion auf             darf im 17. Jahrhundert unser Teenie-Geist aus dem
scheinlich der Klassenprimus in Physik, drückt mit      ihren magischen Gehalt hin zu untersuchen.                    Clearasil-Fläschchen aufsteigen: Schlüpfrige Ero-       Auch das 18. Jahrhundert hat für unser Thema eini-
seinem «Invicta»-Rucksack so in die Kniekehlen                                                                        tik, schwärmerische Poesie und erste Erfahrungen        ges zu bieten – wobei das Magische hier doch oft
einer Mitschülerin, dass die unmittelbar zusammen-                   Barfüssige Apostel                               mit den Realitäten des Lebens sind hier angesagt.       sehr theatralisch daherkommt. Wie zum Beispiel in
klappt und dabei das Döschen mit «Red Bull Light»,                                                                    Nicolas Poussin etwa demonstriert um 1625, wie          den Bildern von Heinrich Füssli. Die ganzen Feen
das sie sich zum Frühstück gegönnt hat, mit grossem     Dass es in der frühneuzeitlichen Abteilung myste-             man als Satyr eine schlafende Venus entkleidet:         und Kobolde, die stürzenden Ritter und flehenden
Schwung hinter sich schleudert. Silbern, blau und rot   riös zu und her geht, überrascht uns nicht wirklich.          Der Blick des Bocksmenschen mit seinem rot an-          Geister, die in Esel verwandelten Helden und die
glitzernd schiesst das taurine Getränk auf die «Lie-    Selbst ein Bild mit vergleichsweise weltlicher The-           gelaufenen Gesicht ist gleichermassen lüstern und       Göttinnen, die sie dennoch liebkosen: Man kauft es
gende Figur» von Henry Moore zu, die hier seit Jahr     matik wie die «Schlüsselübergabe an Petrus», die              überfordert – denn was man mit einer Göttin in          dem Maler nicht wirklich ab. Das Magische ist hier
und Tag den Abgasen auf dem Heimplatz trotzt.           Niklaus Manuel genannt Deutsch um 1516–18 ge-                 einer solchen Situation anfangen soll, ist ihm mut-     eigentlich völlig unmagisch – so deutlich ist es als
    Die jungen Damen und Herren, die heute von          malt hat, wirkt aus unserer heutigen Welt heraus              masslich alles andere als klar. Sehr viel weiter sind   kleine Unterhaltung, als gepflegte Phantasie, als
ihren Lehrern aus Gründen der Bildungsverfeine-         betrachtet überaus seltsam. So barfüssig die Apo-             wir damals auch nicht gekommen. Aber wir haben          Päuslein für eine vermutlich in Tat und Wahrheit
rung ins Kunsthaus geschleppt werden, haben den         stel mit ihren schweren Gewändern auch auftreten,             alles, was wir nicht verstanden haben, in triefende     sehr prosaische Wirklichkeit geschaffen. Eine Ge-
Kampf mit der grossen Akne bereits hinter sich.         sie sehen doch alle aus, als würden sie irgendwelche          Verse verpackt und uns in den besten Momenten           sellschaft, die Geisterbahnen besucht, glaubt eben
Sie heissen Tina oder Kevin, weil ihre Eltern woll-     geheimen Wissenschaften unterrichten – und es                 gefühlt wie in der «Küstenlandschaft mit Apollo         wohl wirklich nicht an Spuk.
ten, dass man sie auch einmal alleine zu Hause las-     braucht nur wenig Phantasie, um in dem Schloss                und der Cumäischen Sibylle» (1665) von Claude              Prosaisch geht es dann im früheren 19. Jahrhun-
sen kann. Mit 17 interessieren sie sich, wie es sich    am oberen Bildrand einen Antitypus von Hogwarts               Lorrain: mitten in antiken Ruinen über einem ita-       dert zu: Wenn Rudolf Koller 1875 seine Post-
für Jugendliche gehört, wohl vor allem für Exzesse,     zu erkennen. Hans Fries lehrt uns schon um 1490,              lienischen Meer bei Sonnenuntergang. Erste Ah-          kutsche den Gotthard herabrasen lässt, dann sind
für Drogen und Alkohol, für Piercings und Tattoos.      dass zweifellos auch die Heiligen Drei Könige in              nungen, dass das Leben aller Vernunft zum Trotz         wir ganz und gar auf dieser Welt mit ihren Verspä-
Tief in ihrem Innern aber führt ein ganz anderer        Tat und Wahrheit Magier aus dem Morgenland                    doch vergänglich sein könnte, vermitteln auf be-        tungen im Bereich des öffentlichen Verkehrs wie
Spiritus den Zauberstab: Harry Potter nämlich, mit      waren, in deren Gesichtern sich die Anstrengungen             sonders perfide Weise Stillleben wie die «Fasten-       auch der Kunstgeschichte. Alles Magische scheint
100 Jahre Kunsthaus Zürich - Neuö Zürcör Zäitung - NZZ Online 100 Jahre Kunsthaus Zürich - Neuö Zürcör Zäitung - NZZ Online 100 Jahre Kunsthaus Zürich - Neuö Zürcör Zäitung - NZZ Online 100 Jahre Kunsthaus Zürich - Neuö Zürcör Zäitung - NZZ Online
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