"Leben im Alter" - Autonomie durch Technik - Evangelische Stiftung Alsterdorf

 
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"Leben im Alter" - Autonomie durch Technik - Evangelische Stiftung Alsterdorf
Magazin der
                                                             Evangelischen Stiftung
                                                             Alsterdorf

Themenheft 01I2019

„Leben
im Alter“

   ››› Wohnen im Alter   ››› Autonomie durch Technik   ››› 30 Jahre Station 17
   Selbstbestimmtheit    Technisch gestützte           Kreativ und inklusiv
   ist Trumpf            Assistenz macht’s möglich
"Leben im Alter" - Autonomie durch Technik - Evangelische Stiftung Alsterdorf
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"Leben im Alter" - Autonomie durch Technik - Evangelische Stiftung Alsterdorf
›››INHALT                    01I19

                                                                         ››› Titelthema: „Leben im Alter“
                                                                          4 Neunundneunzigeinhalb
                                                Wohnmodelle                 Mitten im Leben
                                                    im Alter             10 Wo die Jungen alt aussehen:
                                            Ob im sozialräumlichen
                                                                            Leben auf der Insel der „Unsterblichkeit“
                                          Projekt LeNa Fehlinghöhe
                                                                         14 Wohnen in Gemeinschaft
                                                    in Steilshoop, im
                                            Pantherhaus in St. Pauli        Modelle für ein selbstbestimmtes
                                                   oder im Bismarck         Leben in jedem Alter
                                                      Seniorenstift in   20 „Wir müssen den Abschied leben lernen“
                                          Reinbek – selbstbestimm-          Im Gespräch mit der Soziologin
                                                  tes Leben im Alter        Prof. Dr. Annelie Keil
                                               steht an erster Stelle.   22 Kleine Technik – große Wirkung
                                                              Seite 14      „Technisch gestützte Assistenz“
                                                                            bedeutet mehr Selbstbestimmung
                                                                         24 Alt werden
                                                                            Körperkräfte schwinden – die Seele bleibt jung
                                                                         26 Ganz schön alt
                                                                            Was lernen wir von alten Menschen?
                                                                         30 Anerkennung und Freundschaften als Dank
                                                Mehr Lebens-                Neue Betätigungsfelder im Ruhestand
                                                qualität durch
                                                       Technik           ››› Kultur
                                         Die sogenannte „technisch       28 Musiker auf Augenhöhe
                                            gestützte Assistenz“ be-        Die Band Station 17 feiert ihren 30. Geburtstag
                                            deutet mehr Autonomie
                                           im Leben von Menschen
                                               mit Behinderung – in
                                                                         ››› Q8
                                                                         36 Fünf Jahre Modellprojekt Qplus
                                                        jedem Alter.
                                                                            Auf dem Weg zum gelingenden Alltag
                                                            Seite 22
                                                                         ››› Kolumne
                                                                          8 Last oder Lust?
                                                                            Prof. Hanns-Stephan Haas über
                                                                            das Altwerden in der Bibel

                                                                         ››› Porträt
                                                                         42 Auf einen Kaffee mit Ralf Schlesselmann
                                                        30 Jahre            Werner Momsen im Gespräch über
                                                      Station 17            Schnäppchenjäger, Secondhand und
                                             Und eine Geburtstags-          einen Weltenbummler
Fotos: Axel Nordmeier, Simon Hegenberg

                                             party mit prominenten
                                                    Gästen wie der
                                                                         ››› Schnappschüsse
                                                                         12 Woran merkt man, dass man alt wird?
                                          Hip-Hop-Band Fettes Brot
                                           oder Kraftwerk-Gründer           Menschen auf dem Alsterdorfer Markt
                                                    Michael Rother.         schildern ihre ganz persönlichen Erfahrungen
                                                           Seite 28
                                                                         ››› Rubriken
                                                                          6 Auf einen Blick
                                                                          7 Veranstaltungen
                                                                          7 Impressum

                                                                                                                              3
"Leben im Alter" - Autonomie durch Technik - Evangelische Stiftung Alsterdorf
Monika Rüsch blickt mit ihren
neunundneunzigeinhalb Jahren
auf ein bewegtes Leben zurück

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"Leben im Alter" - Autonomie durch Technik - Evangelische Stiftung Alsterdorf
Titelthema‹‹‹

 TITELTHEMA

NEUNUNDNEUNZIGEINHALB
Aktiv bleiben, auch wenn die eigenen Fähigkeiten dafür nachlassen – so könnte
man das Rezept von Monika Rüsch für ein lebendiges Altwerden zusammenfassen.
Text: Ursula Behrendt, Foto: Axel Nordmeier

Monika Rüsch sitzt in ihrem Zimmer im Bismarck              mich richtig eingelebt habe“, erzählt Monika Rüsch.
Seniorenstift in Reinbek. Das hat sie mit ihren eigenen     An den Angeboten des Bismarck Seniorenstifts nimmt
Möbeln – einem Schrank, einer kleinen Kommode,              sie rege teil: „Am liebsten mache ich Gedächtnistrai-
einem Sideboard, Tisch und Stühlen sowie vielen             ning, nehme an Spielrunden und am Singen teil.“ Sie
Ölgemälden an den Wänden – gemütlich eingerichtet.          hat bei den Mahlzeiten auch eine nette Tischrunde
Die gebürtige Oberschlesierin wohnt mit ihren neun-         gefunden und aus diesem Kreis sogar eine nette
undneunzigeinhalb Jahren seit März 2018 im Bismarck         Bekannte kennengelernt, mit der sie sich auch über
Seniorenstift. „Nach einem Sturz konnte ich nicht           Persönliches austauschen kann. Das Pflegepersonal
mehr in die Wohnung zurück und habe hier ein neues          findet sie „sehr zugewandt und hilfsbereit“. Lesen
Zuhause gefunden“, so Monika Rüsch. „Es gefällt mir         Sie mehr zum Bismarck Seniorenstift und anderen
jetzt sehr gut hier. Es hat aber länger gedauert, bis ich   Wohnmodellen für ältere Menschen ab Seite 14. ‹‹‹

                                                                                                                        5
"Leben im Alter" - Autonomie durch Technik - Evangelische Stiftung Alsterdorf
››› Auf einen Blick
                                                                                                                         Neue Kampagne für Hamburger Unternehmen:
                                                                                                                         „Stark für HH“
                                                                                               Ev. Stiftung Alsterdorf
                                                                                                                         Mit der neuen Kampagne „Stark für HH“ möchte die Ev.
                                                                                                                         Stiftung Alsterdorf ein deutliches Zeichen für mehr Chancen-
                                                                                                                         gleichheit von benachteiligten Kindern und Jugendlichen in
                                                                                                                         Hamburg setzen. Dazu suchen wir Hamburger Unternehmen,
                                                                                                                         die gemeinsam mit uns einen Beitrag leisten, um gesell-
                                                                                                                         schaftliche Teilhabe zu fördern.
                                                                                                                         Allein in Hamburg gibt es mehr als 60.000 Kinder, die in
                                         Gleiche Chancen für alle
                                                                                                                         Armut aufwachsen. Oft unverschuldet und durch äußere
                                         Kinder! Unterstützen auch Sie
                                         die Kampagne „Stark für HH“                                                     Umstände gezwungen, fehlen ihnen die Möglichkeiten, ihre
                                         der Evangelischen Stiftung                                                      Fähigkeiten zu entfalten. Ihre soziale Herkunft bestimmt
                                         Alsterdorf.                                                                     häufig ihren Bildungsweg. Vielen Kindern mit einem Unter-
                                         www.stark-für-HH.de                                                             stützungsbedarf bleibt die Teilnahme am gesellschaftlichen
                                                                                                                         Leben verwehrt. Alltägliche Dinge, wie z. B. das Mitmachen
                                                                                                                         bei einem Sportkurs, sind für Kinder mit Handicap nahezu
                                                                                                                         unmöglich.
                                                                                                                         Ob Handicap oder sozial benachteiligte Lebensverhältnisse:
                                                                                                                         Alle Kinder und Jugendlichen sollten die gleichen Bildungs-
                                                                                                                         und Entwicklungschancen haben! Dafür wollen wir uns ge-
                                                                                                                         meinsam mit Hamburger Unternehmenspartnern einsetzen.
                                                                                                                         Partner der Kampagne „Stark für HH“ profitieren für ihr
                                                                                                                         soziales Engagement von konkreten Vorteilen – angefangen
                                                                                                                         von Kommunikationsmaterialien wie einem Partner-Logo
                                                                                                                         über Onlinebanner, E-Mail-Signatur, eine Spendenurkunde
Foto: Ev. Stiftung Alsterdorf

                                                                                                                         bis hin zu einem Social Day oder einem Coaching. Unser
                                                                                                                         konkretes Angebot an die Unternehmen können Sie auf
                                                                                                                         alsterdorf.de nachlesen: https://www.alsterdorf.de/spenden/
                                                                                                                         stark-fuer-hh.html ‹‹‹
                                                                                                                         Kontakt: Freunde und Förderer, Hanka Nagel und
                                                                                                                         Anja Hellwig, E-Mail: h.nagel@alsterdorf.de oder
                                Kinder unterstützen und stark machen ist das Ziel der Kampagne                           anja.hellwig@alsterdorf.de

                                Berufsmesse – ESA Campus Day 2019                                         Asiens Küche und Köche mit Herz im Café Ursprung
                                Nach der erfolgreichen Premiere im Vorjahr geht der ESA                   Alle zwei Monate bekommen die Be-
                                Campus Day am 21. Mai 2019 von 10 bis 15 Uhr auf                          schäftigten der alsterdorf assistenz ost
                                dem Alsterdorfer Markt in die zweite Runde. Mit einem                     gGmbH, die im Rahmen der Tagesför-
                                Mix aus Fachvorträgen, Infoständen und Führungen gibt                     derung im Café Ursprung in Hamburg-
                                die Evangelische Stiftung Alsterdorf Auszubildenden, Stu-                 Hamm tätig sind, tatkräftige Unterstüt-
                                dierenden und Fachkräften Einblicke in die vielfältigen Ar-               zung: Ehrenamtliche Köchinnen und
                                beitsfelder der Stiftung. Neben den Vorträgen und Work-                   Köche aus Taiwan und China bereiten
                                shops gibt es die Möglichkeit, sich zu bewegen: beim                      dann gemeinsam mit den Beschäftig-
                                Handicap-Parcours und beim Auftritt des Gebärdenchors                     ten asiatische Spezialitäten zu. Bereits
                                HandsUp. Wer Lust hat, kann auch Teil des inklusiven                      seit acht Jahren kommt die Gruppe
                                                                                                                                                                                        Foto: Babette Brandenburg

                                Filmteams von barner16 werden. In dem Unternehmens-                       regelmäßig ins Café Ursprung. Die
                                verbund der Evangelischen Stiftung Alsterdorf werden                      Zutaten zum Kochen bringen sie mit,
                                an 180 Standorten in Hamburg und Schleswig-Holstein                       da sie oft nur in asiatischen Geschäften
                                zahlreiche Arbeitsplätze in den Bereichen Assistenz für                   erhältlich sind. Sowohl für die Beschäf-
                                Menschen mit Behinderungen, Bildung, Medizin, Senio-                      tigten der Tagesförderung als auch für
                                renhilfe, Pflege, Sozialarbeit und vieles mehr angeboten.                  die Freiwilligen ist das gemeinsame
                                                                        Anmelden zum ESA                  Kochen eine große Bereicherung.
                                                                        Campus Day kann                   Den Gästen hat das Mittagsgericht – Pilzgemüse auf Reis mit gefüllten
                                                                        man sich auf der                  Teigtaschen – sehr gut geschmeckt. Das Team des Café Ursprung und die
                                                                        Website www.                      Ehrenamtlichen freuen sich schon auf das nächste gemeinsame Kochen. ‹‹‹
                                                                         esa-campusday.de                 Das Café Ursprung befindet sich in der Carl-Petersen-Straße 59,
                                                                         – dort findet man                 20535 Hamburg. Öffnungszeiten: Dienstag – Donnerstag,
                                                                         auch das ausführli-              10 – 16 Uhr. Der nächste Termin zum asiatischen Mittagstisch:
                                                                         che Programm. ‹‹‹                25. April 2019

                                6
"Leben im Alter" - Autonomie durch Technik - Evangelische Stiftung Alsterdorf
Gesundheitsförderung im
                                                                                      Quartier – ein spannendes
                                                                                         Thema für Referenten        ›››Termine von
                                                                                                   und Publikum      April bis Juni
                                                                                                                     APRIL
                                                                                                                     Samstag, 13. April, 11 – 15.00 Uhr
                                                                                                                     Bugi-Schulflohmarkt. Aula, Bugenhagenschule
                                                                                                                     Alsterdorf, www.bugenhagen-schulen.de/
                                                                                                                     alsterdorf/
                                                                                                                     Samstag, 20. April, 17.00 Uhr
                                                                                                                     Osterfeuer. Anschließend tragen wir das Licht
Foto: Q8

                                                                                                                     zur Osternachtfeier in die Kirche vor der
                                                                                                                     Barakiel-Halle, www.alsterdorf.de/aktuelles
                                                                                                                     21.00 Uhr
               Thema „Gesundheitsförderung inklusiv: partizipativ und sozialräumlich“                                Osternachtfeier. Kirche St. Nicolaus,
                                                                                                                     www.alsterdorf.de/aktuelles
               Die Idee der „selbstverständlichen Gesundheitsförderung für alle“ darf kein Wunschdenken
                                                                                                                     Freitag, 26. April, ab 18.00 Uhr
               bleiben: Darin waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Fachtags „Gesund-                    Tanzpalast – Tanzen für alle. Kulturküche,
               heitsförderung inklusiv“ einig. Auf Einladung der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für               Alsterdorfer Markt 18,
               Gesundheitsförderung HAG, dem Verein Leben mit Behinderung und der Ev. Stiftung Alster-               www.facebook.com/TanzpalastHamburg
                                                                                                                     Samstag, 27. April
               dorf tauschten sich Anfang Februar u. a. Vertreter von Krankenkassen, Gesundheitsbehör-
                                                                                                                     Miniseitz Kindertheater. Kulturküche, Alsterdorfer
               den, der Eingliederungshilfe sowie weitere Akteure der Gesundheitswirtschaft erstmals zum             Markt 18, www.facebook.com/miniseitz
               Thema Gesundheitsförderung und Prävention für Menschen mit Behinderung aus. Wichtig
                                                                                                                     MAI
               sei es, Angebote gemeinsam mit den Betroffenen zu entwickeln. „Es gibt bereits viele Ideen
                                                                                                                     Sonntag, 5. Mai, 9 – 17.00 Uhr
               im Quartier – wir wollen diese Ansätze nutzen und stärken“, so Armin Oertel vom Bereich               Flohmarkt Alsterfloh. Alsterdorfer Markt,
               Q8 Sozialraumentwicklung der Ev. Stiftung Alsterdorf. Das große Interesse am Fachtag und              www.alsterdorf.de/aktuelles
               die angeregte Diskussion zeigten, wie hoch der Bedarf bei diesem Thema ist. ‹‹‹                       Mittwoch, 8. Mai, 10 – 13.00 Uhr
                                                                                                                     Erinnern für die Zukunft – Gedenken an die Opfer
                                                                                                                     der NS-Euthanasie. Kulturküche / St. Nicolaus,
                                                                                                                     www.alsterdorf.de/aktuelles
                                                                                                                     Dienstag, 21. Mai, 10 – 15.00 Uhr
               Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ zieht erste Bilanz                                                   ESA Campus Day – Berufsmesse.
                                                                            „Die haben uns behandelt wie Ge-         Eventzelt, Alsterdorfer Markt
                                                                            fangene“ – unter dieser Überschrift      Mittwoch, 22. Mai, ab 18.00 Uhr
                                                                                                                     Bugi-Theater-Projekt. Eventzelt, Alsterdorfer Markt
                                                                            stand die zweite Veranstaltung zur
                                                                                                                     Samstag, 25. Mai, 15 – 23.00 Uhr
                                                                            „Anerkennung der Opfer von Gewalt        Line-Dance-Party. Eventzelt, Alsterdorfer Markt
                                                                            und Unrecht in der Behindertenhilfe      Sonntag, 26. Mai, 10.00 Uhr
                                                                            und Kinder- und Jugendpsychiatrie“.      Frühshoppen mit Live-Musik, Alsterdorfer
                                                                            Zahlreiche Menschen mit Behinderung      Kesselhaus, Eventzelt, Alsterdorfer Markt,
                                                                                                                     www.alsterdorfer-kesselhaus.de/
                                                                            haben in den Einrichtungen der Behin-
Foto: Krings

                                                                            dertenhilfe Leid und Unrecht erlebt,     JUNI
                                                                            darunter auch viele Menschen, die in     Samstag, 8. Juni, 16 – 22.00 Uhr
                                                                            den ehemaligen Alsterdorfer Anstalten    Alster-Open-Air, Alsterdorfer Markt,
                                                                                                                     www.hobby-musiker-events.de
               V. l. n. r.: Prof. Christian Pfeiffer, Dr. Melanie Leonhard, lebten. Die bundesweite Stiftung „An-    Freitag, 14. Juni, 10 – 16.00 Uhr
               Karin Schmüser (vorne, ehem. Bewohnerin der                  erkennung und Hilfe“ hat das Ziel, ge-   Inklusives Sportfest – Spiele für alle.
               früheren Alsterdorfer Anstalten), Prof. Maike Rotzoll,       schehenes Leid anzuerkennen und auf      zwischen Alsterdorfer Markt und Barakiel-Halle,
                                                                                                                     www.sport-alsterdorf.de
               Werner Boyens (ehem. Bewohner der früheren                   unbürokratische Weise zu helfen. Auf
                                                                                                                     Sonntag, 16. Juni, 9 – 17.00 Uhr
               Alsterdorfer Anstalten), Prof. Hanns-Stephan Haas,           Bundesebene wurden bisher ca. 5.000      Flohmarkt Alsterfloh. Alsterdorfer Markt,
               und Dr. Michael Wunder                                       Anträge gestellt. In Hamburg gab es      www.alsterdorf.de/aktuelles
                                                                            300 Antragstellungen. Innerhalb der      Sonntag, 23. Juni, 11 – 17.00 Uhr
               Evangelischen Stiftung Alsterdorf wurden in Hamburg und Schleswig-Holstein 201 Anträge                Stoffmarkt Holland. Alsterdorfer Markt,
                                                                                                                     www.stoffmarktholland.de
               gestellt, davon 137 bewilligt. 49 sind noch in Bearbeitung und 15 wurden abgelehnt.
               „Kein Geldbetrag kann das, was den Betroffenen widerfahren ist, wiedergutmachen. Aber
               mit der Ausgleichszahlung, die zur Verfügung steht, und mit großem Einsatz werden Wege
               gesucht, um individuelle Anerkennung zu ermöglichen“, betonte Senatorin Dr. Melanie
                                                                                                                     ›››Impressum
                                                                                                                     Herausgeber: Evangelische Stiftung Alsterdorf
               Leonhard zum Auftakt der Veranstaltung. Prof. Dr. Hanns-Stephan Haas (Vorstandsvorsit-                Redaktionsleitung: Katja Tobias (verantwortlich),
               zender der Evangelischen Stiftung Alsterdorf) entschuldigte sich in seiner Rede bei allen, die        Hans Georg Krings
                                                                                                                     Redaktionsteam (Tel.: 0 40.50 77 34 83):
               in den damaligen Alsterdorfer Anstalten Leid
                                                                                                                     Marion Förster, Daniela Steffen-Oschkinat,
               erfahren haben. Besonders bewegten dann                                                               Angelika Bester, Barbara Minta, Thomas Hülse,
               auch die Schilderungen früherer Bewohnerin-                                                           Ine Barske, Armin Oertel, Regina Mattheis,
                                                                                                                     Hans Georg Krings, Arndt Streckwall, Frauke Benox,
               nen und Bewohner der ehemaligen Alsterdor-                        ››› Sie können unser                Ursula Behrendt, Maya Voß, Jeanette Nentwig, Lena
               fer Anstalten, die im Gespräch mit Dr. Michael                    Alsterdorf Magazin                  Bastecky, Stefan Drescher
                                                                                                                     Gestaltung: grafikdeerns.de, Hamburg
               Wunder (Leiter des Beratungszentrums Alster-                      bestellen oder                      Titel-Illustration: grafikdeerns.de
               dorf) über ihre Erlebnisse und ihr jahrelanges                                                        Lektorat: Bernd Kuschmann
               Leiden berichteten. ‹‹‹
                                                                                 auch kostenlos                      Druck: alsterpaper, Hamburg

               Weiterführende Informationen gibt es auf                          abonnieren unter:                   Spendenkonto:
                                                                                                                     Bank für Sozialwirtschaft
               der bundesweiten Website                                                                              IBAN: DE32 2512 0510 0004 4444 02
               www.stiftung-anerkennung-und-hilfe.de                             Evangelische Stiftung Alsterdorf    BIC: BFSWDE33HAN
                                                                             Öffentlichkeitsarbeit
                                                                             E-Mail: info@alsterdorf.de
                                                                             Telefon: 0 40.50 77 33 44
                                                                                                                                                                  7
"Leben im Alter" - Autonomie durch Technik - Evangelische Stiftung Alsterdorf
››› Kolumne

                                    Last oder LUST?
                                    In der Bibel ist Altwerden ein Segen und gehört zu
                                    den wenigen Dingen, die von selbst geschehen,
                                    meint Hanns-Stephan Haas, Vorstandsvorsitzender
                                    der Evangelischen Stiftung Alsterdorf.
                                    Text: Prof. Dr. Hanns-Stephan Haas,
                                    Fotos: Boris Rostami-Rabet, epd-bild

G
            laubt man Glücksfor-     Die größere Zufriedenheit der         an. Jesus war Zimmermann wie        gab: die Selbstdarstellungsmög-
            schern, habe ich sie     Sechzigjährigen wird in der           sein Vater, so gehörte sich das     lichkeiten durch Fotos mit dem
            gerade erreicht: die     Altersforschung z. B. darauf          früher. Heute wachsen Mäd-          Smartphone. Dahinter steht ein
            Lebensphase, in der      zurückgeführt, dass unsere            chen und Jungen Gott sei Dank       ganzer Wirtschaftszweig ge-
sich die Deutschen am glück-         Lebenserwartung dank besse-           viel freier auf. In Zeiten des      wohnheitsprägender Produkte.
lichsten fühlen. Das ist Anfang      rer medizinischer Versorgung          Fachkräftemangels stehen ihnen      Es sind schlaue Apps, die uns
sechzig. Ist das nicht kurios?       enorm gestiegen ist. Hatte            (auch bei uns in der Stiftung       einladen, Fotos zu erstellen und
                                     Psalm 90 noch „siebzig, und           Alsterdorf!) viele Türen offen.     zu teilen. Sie verlangen schein-
Wenn Sie im Kreuzworträtsel          wenn’s hoch kommt, achtzig                                                bar nichts von uns außer dem
„Göttin der Jugend“ suchen,          Jahre“ als Lebenserwartung im         Doch der Chancen-Reichtum,          Zugriff auf unsere Kontakte.
haben Sie gleich drei Antwort-       Blick, können heute geborene          mit dem die junge Generation
möglichkeiten (vier, fünf und        Kinder die 100 erreichen. So          aufwächst, ist ungleich verteilt.   Es geht diesen Produkten aber
acht Buchstaben): Hebe, Iduna        gesehen ist sechzig noch nicht        Handwerkskammern warnen,            nicht darum, Lebensunrast zu
und Juventas. Wenn Sie Hebe          alt, bringt aber schon manche         dass 10 % aller Schulabgänger       besänftigen, sondern anzufeu-
googeln, sehen Sie ihre Schön-       Vorteile des Alters in Sicht.         so wenig Rechtschreibung            ern. „Klaus ist heute drei Kilo-
heit unzählige Male in weißem                                              beherrschen, dass sie kaum          meter gelaufen. Sieh es dir an“,
Marmor verewigt. Aber suchen         Dazu gehört, dass vieles, was         auszubilden sind. Für die           „Martje hat dich eingeladen,
Sie mal eine „Göttin des Alters“!    junge Leute quält, mit Anfang         anderen kann die Vielfalt der       ihre Bilder aus Malaga anzu-
Die gibt es nicht.                   60 entschieden ist. Die ewige         Lebensmöglichkeiten auch eine       schauen“. Meine Social-Media-
                                     Qual der Wahl darf aufhören.          Last bedeuten, nämlich die          Apps schicken mir gerne
Da bleibt Ihnen nur Geras, der       Sie fängt mit der Berufswahl          Angst, falsche Entscheidungen       solche Nachrichten. Damit ich
griechische Gott des Alters und                                            zu treffen.                         sie wahrnehme, erscheinen sie
Namenspatron des geriat-                                                                                       auf meinem Smartphone mit
rischen Fachbereichs in der
Medizin. Eine antike Vase zeigt
                                    Unsere Lebens-                         Mit der Verlängerung des
                                                                           Jugendalters verzögert sich der
                                                                                                               einem Kreis in der Signalfar-
                                                                                                               be Rot. Sie bringen mich auf
ihn, wie ihm Herakles, junger       erwartung ist                          Berufseinstieg. Dadurch pressen     die Idee, dass jemand anders
Göttergatte der Hebe, mit der                                              sich Partnersuche, Familiengrün-    womöglich gerade mehr aus
Keule eins überzieht. Wenn Sie      dank besserer                          dung, Karriere und Kinder-          seinem Leben macht als ich.
mich fragen: keine schmeichel-                                             erziehung in wenige Jahre des
hafte Darstellung. Betrachtet       medizinischer                          Erwachsenenalters, die sich mit     Was muss ich tun, um gut zu
wird das Jugendalter gern,
auch vergöttert. Aber glück-
                                    Versorgung                             der Pflege der alt gewordenen
                                                                           Eltern überschneiden.
                                                                                                               sein? Das fragt einer der be-
                                                                                                               kanntesten Jugendlichen in
licher erlebt wird offenbar
die sechste Lebensdekade.
                                    deutlich                               Hinzu kommt ein Druck, den
                                                                                                               der Bibel. Luther nannte ihn
                                                                                                               den „reichen Jüngling“
Wie kommt das?                      gestiegen                              es in meiner Jugend noch nicht      (Matthäus 19). Ich finde das

8
"Leben im Alter" - Autonomie durch Technik - Evangelische Stiftung Alsterdorf
Ältere Frauen
waren in der
Bibel wegen
ihrer Gelassen-
heit gut                                            Sarah (rechts) führt Hagar zu Abraham

angesehen
etwas unfair, weil den jungen       ansehen. Der junge Mann             Alter doch noch eigene Familien     Traumhaft ist Altwerden auch
Mann mehr auszeichnet, als          zieht traurig davon. „Warum         gründen. Batseba, die der           in der Bibel nicht. Erblindung,
dass er aus reichem Hause           hast du ihn gehen lassen?“,         politischen Entwicklung ihres       Zahnverlust und Hüftbeschwer-
kommt. Zum Beispiel, dass er        fragen sie Jesus hinterher,         Landes im Alter eine überra-        den werden Gott geklagt.
Jesus ernsthaft fragt, wie ein      „wer kann denn dann über-           schende Wendung gibt, Hagar,        Aber Altwerden ist eine
gutes Leben gelingt.                haupt selig werden?“                die nach viel Bitterkeit doch       Erfahrung, die einfach ge-
                                                                        noch Trost erfährt.                 schieht. Man muss sie nicht
Jesus stellt ihn auf die Probe:     Wessen Seele davon abhängt,                                             leisten, sondern kann sie als
„Halte die 10 Gebote: nicht         in den Augen der anderen gut        Anders als in einer Gesellschaft,   Segen begreifen.
töten, nicht ehebrechen, nicht      zu sein, etwa durch Reichtum,       in der Jungsein gefragt, aber in
stehlen …“ „Hab ich alles ge-       hat es schwer, antwortet Jesus.     Wahrheit kompliziert ist, wer-      Das funktioniert übrigens in
macht!“, strahlt der gut            Biblische Geschichten schildern     den ältere Frauen in der Bibel      jedem Alter. Junge Leute,
erzogene Mensch. Der Stress-        das Glück aus einer anderen         gut angesehen. Sie verkörpern       die ein schönes Erlebnis sofort
Test, den Jesus für ihn vorberei-   Perspektive, auch das Glück         jene Gelassenheit, die Glücks-      mit dem Smartphone teilen,
tet, liegt darin, welche Gebote     im Alter.                           forscher der Generation 60+         wollen ja nicht immer gleich
Jesus zuerst weggelassen hat.                                           zuschreiben. Sie erleben            angeben, sondern oftmals
Das sind die ersten drei, in        Anders als in der antiken Kunst     Überraschendes, geben               einfach nur Glück festhalten.
denen es um die Beziehung zu        kommen ältere Frauen in der Bi-     entscheidende Ratschläge und
Gott geht. „Wunderbar“, sagt        bel oft und ausgesprochen posi-     dürfen noch Träume haben            Und das ist ein uraltes
Jesus. „Dann verkauf alles, was     tiv zu Wort. Sie erzählen von der   (Joel 3,1-5). Sie leben im Wis-     Glücksrezept aus der Bibel:
du besitzt, und gib es              Dankbarkeit für alles, was Gott     sen, dass Menschen nicht per-       dankbar zu sein für
den Armen.“ Das schockt selbst      im Leben geschenkt hat: Sarah,      fekt sind und es in den Augen       himmlische Momente, die
die Jünger, die diese Szene mit     Hannah und Elisabeth, die im        Gottes auch nicht sein müssen.      jedes Alter bereithält. ‹‹‹

                                                                                                                                              9
"Leben im Alter" - Autonomie durch Technik - Evangelische Stiftung Alsterdorf
TITELTHEMA

Wo die Jungen alt aussehen:
Leben auf der Insel der
UNSTERBLICHKEIT
Wie wird man alt in einer Gesellschaft, die aufs Jungsein sehr viel
Wert legt? Am besten gar nicht, glauben Bio-Konzerne und erforschen
die genetischen Faktoren des Alters. Die meisten Menschen über hundert
leben auf einer Insel, die viel frische Luft, aber keinen Ruhestand kennt.
Text: Matthias Hengelaar, Foto: Shutterstock

10
Titelthema ‹‹‹

P
         rellungen, Blutergüs-       fixierten Gesellschaft scheint        Bio-Konzern gerne vor allen Mit-    lingshaften 15 Grad im Winter
         se, Knochenbrüche.          darum die Frage zu sein, wie         bewerbern herausfinden, darum        und 30 Grad im Sommer. So
         Das sind die typischen      man gar nicht erst alt wird.         sein hohes Kaufinteresse an den      spielt sich viel Lebenszeit an der
         Verletzungen des            Zumindest ist es eine Frage, für     nackten Überlebenskünstlern.        frischen Luft ab. Wer kann, fährt
Alters. Und zwar: der 40-Jähri-      die Googles Biokonzern Calico                                            sein Leben lang fischen oder
gen. Unfallchirurgen kurieren sie    zurzeit viel Geld ausgibt. Ihm       Wer überirdisch nach dem            arbeitet als Gärtner. So etwas
routiniert und kennen auch die       gehören die weltweit größten         Geheimnis langen Lebens sucht,      wie Ruhestand gibt es kulturell
Risiko-Faktoren, die sie verursa-    Tierbestände des Heteroce-           wird auf der Insel Okinawa fün-     nicht. Und das soziale Leben
chen: Skateboard und Snow-           phalus glaber, des gemeinen          dig. Es ist eine Inselgruppe im     der Insulaner ist von vielen
board. Eigentlich sind das die       Nacktmulls. Von ihrem Wesen          Pazifischen Ozean, die südlichs-     echten Begegnungen geprägt.
sportlichen Inseln, auf denen        her ist diese Spezies alles andere   te Präfektur Japans und weit        Geselliger Freizeitsport, eine Art
sich 14-Jährige von der Welt         als gemein. Es sind freundliche      weg von der Hauptstadt Tokio.       Kricket, ist Teil der Dorfkultur,
der Erwachsenen abgrenzen.           Nager, die in Kolonien mit bis zu    Was Okinawa dennoch Besuch          auch hier: keine Altersgrenze.
Doch um das Altwerden in den         30 Artgenossen außerordentlich       von Wissenschaftlern aus aller
westlichen Industrienationen zu      sozial und arbeitsteilig unter der   Welt einbringt, sind drei Zahlen.   Könnte es also sein, dass digita-
verstehen, lohnt sich ein Blick      Erde Ostafrikas zusammenleben.       Die eine ist sehr hoch, die ande-   le Assistenztechnik wie Pflege-
auf die Paradoxie des Jungseins.                                          ren beiden sind sehr niedrig.       Roboter, Tablets und Kommu-
Jugendlichen wird ans Herz
gelegt, ihren eigenen Weg zu
                                     Altern mit                           Hoch ist die Zahl der Hundertjäh-
                                                                                                              nikationselektronik, die auf den
                                                                                                              japanischen Hauptinseln den
gehen. Aber kaum haben sie
das getan und ihre eigene Kul-
                                     Würde und                            rigen. Die Frauen von Okinawa
                                                                          haben die höchste Lebenserwar-
                                                                                                              Greisen viel Arbeit abnehmen
                                                                                                              soll, das Leben zwar komfor-
tur erfunden, ziehen die Alten
nach. Ob Rock, Pop, Surfen
                                     nicht jung                           tung der Welt, nirgendwo leben
                                                                          mehr Hundertjährige, rund 500
                                                                                                              tabler macht, aber nicht länger?
                                                                                                              Was immer das Geheimnis der
oder Facebook – nach kurzer          bleiben um                           unter 1,3 Millionen Einwohnern.     Hundertjährigen auf Okinawa
Zeit migrieren die Eltern in die                                          Dagegen gehört die Krebsrate        ausmacht: Es verschwindet. Die
Freizeit-Welt der Jungen, um         jeden Preis                          zu den niedrigsten. Und die         junge Generation, die mit Fast
sich selbst jung zu fühlen. So er-                                        Zahl westlicher Kolonialherren      Food, Fernseher und Playstation
klären Freizeitforscher den Trend    Was Altersforscher fasziniert:       liegt bei null. Kaiser Wilhelm I.   groß wird, ist genauso überge-
zu immer riskanteren Sportar-        „Die Tiere altern kaum. Sie kön-     schickte mal eine Dankesbot-        wichtig wie überall auf der Welt
ten. Jugendliche erhöhen die         nen bis zu 94 Jahre alt werden,      schaft für gerettete Hamburger      und altert sehr viel schneller als
physischen Anforderungen, um         ein Vielfaches der Lebenser-         Seeleute. Ansonsten hatten sich     die Generation ihrer Großeltern.
die 40-Jährigen abzuschrecken,       wartung von Mäusen. Sie sind         keine Europäer für die pazifische
bislang erfolglos.                   resistent gegen alle bekannten       Inselgruppe interessiert. Dadurch   Eine Inschrift auf Okinawa
                                     Arten von Krebs und haben ein        blieben Lebensweise und Kultur      begrüßt die Gäste mit den Wor-
Wie wird man alt in einer            geringes Schmerzempfinden“,           bis zum Zweiten Weltkrieg nahe-     ten: „Mit 70 bist du ein Kind,
Gesellschaft, die viel Wert aufs     schwärmt der Neurobiologe            zu unverändert.                     mit 80 ein Jugendlicher und mit
Jungsein legt? Die Antwort von       Gary Lewin vom Max-Delbrück-                                             90, wenn dich deine Ahnen in
Stefan Raab und Hape Kerkeling       Centrum für Molekulare Medizin       Wie sieht diese Lebenswei-          den Himmel rufen, bitte sie zu
lautete: in Würde. Beide fassten     in Berlin in der ZEIT. Allerdings    se aus? Anders als auf den          warten, bis du 100 bist.“ Auf
den Entschluss, mit 50 nicht         sehen sie schon in jungen Jah-       japanischen Hauptinseln ist die     ein aktives Alter mit täglicher
mehr vor der Kamera zu stehen.       ren ziemlich schrumpelig aus.        Ernährung von der chinesischen      Bewegung, gesunder Ernährung
Sie wussten, wie sehr die Me-                                             Küche geprägt: viel grünes          und viel Freizeit an der frischen
diengesellschaft junge Gesichter     Liegt das Geheimnis ihrer            Gemüse, viel Fisch, grüne           Luft sollte man darum nicht bis
liebt. Dennoch feiern beide in       enormen Altersfähigkeit in ihren     Zitrusfrüchte, wenig Fett. Da       zum Ruhestand warten. Oder so
diesem Jahr ihr Comeback. Sich       Genen oder ihrer hohen Euso-         es die ärmste Präfektur Japans      früh wie möglich mit dieser Art
aufs Altenteil zurückzuziehen        zialität, also der Fähigkeit, mit    ist: kleine Mahlzeiten, dafür mit   Ruhestand beginnen. Es muss ja
hat sie nicht glücklich gemacht.     Artgenossen ohne Stress zusam-       Muße verzehrt. Hinzu kommt          nicht gleich mit einer Risiko-
Entscheidend in einer jugend-        menleben? Das möchte Googles         ein mildes Klima, zwischen früh-    sportart sein. ‹‹‹

                                                                                                                                             11
››› Schnappschüsse                                                                                                      Daniela Baqi:
                                                                                                                        „Das merkt man
                                                                                                                        an körperlichen
                                                                                                                        Gebrechen und

Woran merkt man,                                                                                                        dass man längere
                                                                                                                        Pausen braucht.“

dass man ALT wird?
Diese Frage haben wir Menschen auf dem Alsterdorfer
Markt gestellt. Und sie haben uns ihre ganz persönlichen
Erfahrungen als Antwort gegeben.
Interviews: Ursula Behrendt,
Fotos: Arndt Streckwall und Ingo Siegmund

Andreas Studier, DHL: „Ich merke noch nichts.“   Annemagrit Laabs: „Das merkt man an der
                                                 wachsenden Langsamkeit.“

Ulrich von Schassen: „An der Krankheit           Percy Eichenauer: „Ich denke da an Psalm        Sebastian Lange: „Das merkt man daran,
MS merke ich das.“                               42,2: Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem   dass man nicht mehr so viel Energie hat.“
                                                 lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen,
                                                 dass ich Gottes Angesicht schaue?“

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Juergen Heerdmann: „Man merkt es, wenn man in den Spiegel guckt
                                                                 und an den Augen, die nicht mehr so gut sehen.“

                                                                 Ille Benkmann: „Es gibt im Alter Einschränkungen, die man schubweise
                                                                 merkt, wie Schmerzen in den Knien oder in der Hüfte.“

Christian Wischke, Polizist: „Man merkt, dass einem sportliche   Julia Rath: „Ich merke das daran, dass ich Namen, die ich ein Leben lang
Aktivitäten nicht mehr so leichtfallen.“                         kenne, plötzlich nicht mehr weiß.“

                                                                                                                                        13
Erna Mientki                       Ulrich Gutschow
                 Bismarck Seniorenstift                   Pantherhaus
››› Titelthema

                                 Das Alter hat
                                 viele Gesichter

                   Monika Schmidt                   Dr. Manfred Hohage
                    Pantherhaus                    Bismarck Seniorenstift

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Ellen Swiontek                       Angela Schütt
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                                                                                     Titelthema ‹‹‹

  TITELTHEMA

Wohnen in Gemeinschaft –
Modelle für ein
SELBSTBESTIMMTES LEBEN
in jedem Alter
Im sozialräumlichen Projekt LeNa Fehlinghöhe leben Menschen ab 60 Jahren in einer
lebendigen Nachbarschaft und unterstützen einander. Im Pantherhaus in St. Pauli
helfen sich junge und alte Menschen gegenseitig. Kulturveranstaltungen, Ponys streicheln,
Bingo spielen – das Bismarck Seniorenstift in Reinbek bietet seinen Bewohnerinnen
und Bewohnern ein abwechslungsreiches Programm.
Text: Bettina Mertl-Eversmeier, Fotos: Axel Nordmeier

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Vielfältige Aktivitäten erwarten die älteren Menschen im Bismarck Seniorenstift

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      ulia hat für jeden ein         Das Zusammenleben                     Neben dem Quartiersbüro gibt     sagt Julia Hochfeld, wovon man
      offenes Ohr“, sagt Angela      im Quartier organisieren              es ein mithilfe von Spenden      sich sofort überzeugen kann:
      Schütt, die mit 64 Jahren      Ende Mai 2017 sind die ersten         eingerichtetes Nachbarschafts-   Wilfried Clavey ist im Hausflur
      zu den jüngeren Mietern        Mieter, die 60 Jahre oder älter       büro als Anlaufstelle für alle   unterwegs und erzählt, wie er
im Projekt LeNa Fehlinghöhe in       sind, in die neu gebauten 85          Menschen aus dem Quartier,       sich ehrenamtlich einsetzt und
Steilshoop gehört. Julia – das       barrierefreien Wohnungen in           das unter anderem Begleitung     mit seinem Rollstuhl Getränke
ist Julia Hochfeld, die Koordina-    Steilshoop gezogen. In zehn           bei Einkäufen und handwerk-      für die Kochgruppe einkauft,
torin vor Ort. „Ich unterstütze      Wohnungen auf unterschiedli-          liche Hilfen vermittelt. Hier    denn Flaschen kann er damit
die Nachbarn beim Aufbau von         chen Etagen leben jüngere             stimmen ehrenamtlich enga-       gut transportieren. Er gibt auch
Strukturen, die für eine sich        Menschen mit Assistenzbedarf.         gierte Nachbarn den Einsatz      gleich Tipps, wie man Grütz-
selbst organisierende Nachbar-       Es besteht eine hohe Nachfra-         von Freiwilligen aufeinander     wurst perfekt zubereitet. Am
schaft notwendig sind“, erklärt      ge für alle Wohnungen, und            ab. Zeit zum Klönen bleibt       Mittwoch und Freitag kochen
die 34-Jährige.                      die SAGA führt eine Warte-            natürlich immer.                 Nachbarn zusammen in der
                                     liste. Rund um die Uhr ist das                                         Gemeinschaftsküche für andere
LeNa steht für „Lebendige Nach-      Quartiersbüro der aaost im            „Die Atmosphäre im Haus ist      Nachbarn. Hier engagieren sich
barschaft“ und ist ein Koope-        Erdgeschoss für die Mieter er-        angenehm, man grüßt sich, man    Menschen mit und ohne Assis-
rationsprojekt der städtischen       reichbar. Von hier aus organisiert    achtet aufeinander“,             tenzbedarf.
Wohnungsbaugesellschaft SAGA         die aaost ihre Dienstleistung.
und der alsterdorf assistenz ost     Das Assistenzteam unterstützt                                          „Die Menschen sind hier sehr
gGmbH (aaost). Im Mittelpunkt        die Menschen sowohl bei der           Die Atmosphäre                   aktiv und wollen etwas für
steht das lebenslange, selbstbe-     Pflege als auch bei Teilhabe-                                           den Stadtteil tun.“
stimmte Wohnen in vertrauter         möglichkeiten am Leben in             im Haus ist                      Im Erdgeschoss stehen der
Nachbarschaft mit sicherer Ver-
sorgung auch bei steigendem
                                     der Gemeinschaft. Die Pflege-
                                     dienstleitung der aaost, Sandrea
                                                                           angenehm,                        Nachbarschaft zwei Gemein-
                                                                                                            schaftsräume zur Verfügung.
Unterstützungsbedarf. Das erste
LeNa-Kooperationsprojekt zwi-
                                     Horn, erklärt: „Die Möglichkeit,
                                     immer jemanden aus dem Büro
                                                                           man grüßt sich,                  Hier treffen sich regelmäßige
                                                                                                            Gruppen, wie die Gymnas-
schen der SAGA und der aaost         zu unterschiedlichen Themen           man achtet                       tik- oder die Malgruppe. Diese
ist vor vier Jahren im Rungestieg    ansprechen zu können, gibt                                             sind offen für das Quartier und
in Barmbek entstanden.               Sicherheit.“                          aufeinander                      werden sowohl von Mietern

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aus dem Haus als auch von            mir gedacht, nö, ins Pflegeheim       wenig aussieht wie eine jüngere       eine Vollversammlung der Be-
Menschen aus der näheren             willst du nicht. Such dir was, wo    Ausgabe der Schauspielerin            wohner, über die neuen Mieter.
Umgebung besucht. „Es sind die       du zu Hause sterben kannst.“         Hannelore Hoger, stößt als            „Wir haben die acht Wohnun-
Nachbarn, die die Aktivitäten        Die zierliche, resolute Frau mit     Studentin mit Ende 20 zum             gen gleichmäßig aufgeteilt, vier
planen und umsetzen“, erklärt        den blonden Haaren hat außer         Verein: „Alte Menschen haben          für Ältere, vier für Jüngere“,
Julia Hochfeld. Die Sozialarbei-     Mutter und Bruder keine Ange-        mich immer interessiert.              erklärt Martina.
terin ist auch beim LeNa-Rat         hörigen. In ihrer hellen Zwei-       Die Situation in den Pflegehei-
dabei, der einmal im Monat           zimmerwohnung mit großem             men war damals katastrophal.“         Als eine der größeren Wohnun-
zusammenkommt und vor                Balkon in Richtung Bramfelder        Die Panther kämpfen gegen             gen für Familien frei wird, ziehen
allem aus Mietern des Quartiers      See fühlt sie sich sehr wohl.        die Schicksalsergebenheit vieler      Teresa Majewski und ihr Partner
besteht. Er koordiniert beispiels-                                        Rentner und demonstrieren             ein, beide Anfang 30, deren
weise die Gemeinschaftsräu-          Die Häuserblöcke der Fehling-        vor Heimen mit Sechs-Bett-            Tochter bald geboren wird.
me mit den entsprechenden            höhe liegen an einem Innenhof        Zimmern. Unter anderem durch          „Unsere jüngste Mitbewohne-
Gruppen, bereitet Feste vor und      mit Rasen und Bänken, wo auch        ihre Aktionen beginnen sich die       rin, Lola, ist jetzt drei Jahre alt“,
vieles mehr.                         Nachbarschaftsfeste für das          Zustände ab Mitte der 80er-           erzählt Martina. Ihr Ehemann
                                     Quartier stattfinden. „Ich habe       Jahre zu bessern.                     Ulrich Gutschow, ein 74-jähriger
Ellen Swiontek ist die ganze         noch nie einen Stadtteil erlebt,     Von Anfang an haben die Grau-         pensionierter Deutsch- und So-
Woche ausgebucht: „Montag            wo alle so integriert sind, auch     en Panther Hamburg e. V. ein          zialkundelehrer, schwärmt vom
mache ich Gymnastik, Dienstag        die Menschen mit Assistenzbe-        Wohnprojekt geplant, in dem           gemeinsamen Malen mit Lola:
male ich, Mittwoch ist das ge-       darf“, hat Angela Schütt beob-       junge und alte Menschen leben,        „Sie bringt die Farben so voller
meinsame Essen, Donnerstag ist       achtet. Julia Hochfeld findet:        sich gegenseitig unterstützen         Energie aufs Blatt. Das ist toll.“
Kaffeetrinken, Freitag ist wieder    „Die Menschen sind hier sehr         und voneinander lernen sollen.
Essen, und abends spielen wir        aktiv und wollen etwas für den       In der Lerchenstraße 37 hat der       Ulrich, der seit 2001 in der
auf der Spielkonsole.“ Die Dame      Stadtteil tun.“                      Verein das Belegungsrecht inne.       Lerchenstraße wohnt, hat viel
mit den kurzen braunen Locken,                                            Wenn eine Wohnung frei wird,          gelernt vom ältesten Bewohner,
der man die 82 Jahre nicht           Ein „Pantherhaus“                    entscheidet das Plenum, also          dem Kapitän Achim Schröter,
ansieht, ist begeistert von der      für Jung und Alt
Fehlinghöhe: „Auf meiner Etage       Szenenwechsel: Bevor die
habe ich besonders Glück. Ich        Grauen Panther Hamburg e. V.
habe sehr, sehr nette Nachbarn.      vor mehr als 30 Jahren ihr
Wir haben unsere Schlüssel aus-      Wohnprojekt für Jung und Alt
getauscht, falls mal irgendetwas     verwirklichen können, streiten
passieren sollte.“                   sie mit Behörden um Geld und
                                     Genehmigungen. Die SAGA
Warum sie dieses Wohnmodell          bietet ihnen schließlich ein reno-
gewählt hat? „Ich habe an spä-       vierungsbedürftiges Gründerzeit-
ter gedacht. Ganz jung bin ich       gebäude in der Lerchenstraße
ja nicht mehr. Als mein Mann         in St. Pauli-Nord an. Martina
verstorben war, wollte ich nicht     Schmidt und die anderen Pan-
mehr in der Wohnung bleiben.         ther sind begeistert. Nach drei
Hier ist man nicht allein und        Jahren mit Baubesprechungen
hat die Nachbarn, mit denen          und Finanzierungsproblemen
man viele Dinge unternehmen          beim geplanten Anbau ist das
kann.“ Besonders engagiert           Haus im Oktober 1986 fertig.
ist sie, wenn Feste gefeiert         Es gibt sogar einen 80 Quadrat-      Gedächtnistraining ist auch im Alter ein fester Bestandteil der Angebote.
werden. Dann kocht sie Kaffee        meter großen Gruppenraum, in         Auch Tiere spielen eine Rolle, wie hier im Bismarck Seniorenstift.
und schenkt aus. Als ehemalige       dem die Bewohner Feste feiern
Kassiererin kennt sie viele Leute    und Versammlungen abhalten
im Quartier.                         werden.

Angela Schütt ist Mitglied           „Mit der Partei Graue Panther,
im LeNa-Rat. Die ehemalige           die von Trude Unruh gegrün-
kaufmännische Angestellte kauft      det wurde, haben wir nichts
zudem für andere Nachbarn            zu tun“, sagt Martina Schmidt,
mit ein. „Einer 80-jährigen          heute 64. Sie ist eine von drei
Russin gebe ich auch einmal          Ur-Panthern, die von Anfang
pro Woche Deutschunterricht.“        an in der Lerchenstraße leben.
Warum sie hier lebt? „Ich habe       Die rothaarige Frau, die ein
In Kontakt bleiben: beim Klönschnack, im Gymnastikkurs oder bei der Planung neuer Aktivitäten in der Fehlinghöhe

inzwischen 86 Jahre alt:            weitig verhindert ist. Für Martina   oper gegenüber ein, damit dort       gespart, um mehr Gewinne zu
„Das ist ein Mensch völlig frei     bietet das Wohnprojekt immer         kein neunstöckiger Turm mit          erwirtschaften. Das sind heute
von Vorurteilen. Nach der           noch die ideale Art des Zusam-       teuren Wohnungen entsteht.           wichtige Themen.“
Sattlerlehre hat er angeheuert,     menlebens. Man ist nicht allein,     Eines ist das Haus definitiv nicht:
sich hochgearbeitet und das         kann aber im Zweifelsfall die Tür    barrierefrei. „Einen Aufzug          Wohnen mit individueller
Schiff als Kapitän verlassen.       hinter sich schließen. Auch sie      einzubauen ließe die Statik          Pflege und passenden
Von ihm habe ich gelernt,           und Ulrich leben in getrennten       nicht zu“, erklärt Ulrich. „Wir      Serviceangeboten
Sachen pragmatischer anzuge-        Wohnungen. „Für unsere Be-           lieben unsere Freiheit, sind aber    Gewinne erwirtschaften muss
hen. Und: Der diskutiert nicht,     ziehung ist das gut“, findet die      ideologiefrei. Wenn im Alter die     das Bismarck Seniorenstift in
der packt an.“ Der Kapitän          gebürtige Berlinerin. Freiheit und   Kräfte nachlassen, holen wir         Reinbek nicht, denn als gemein-
wischt durchaus mal das Trep-       Gemeinsinn, das sind die beiden      uns Hilfe bei einem ambulanten       nützige Einrichtung muss es nur
penhaus, wenn es ihm                Säulen, auf denen das Panther-       Pflegedienst.“ Niemand im Haus        kostendeckend arbeiten. Träger
zu schmutzig ist.                   haus ruht.                           darf sich bei der Sorge um den       ist die stadt.mission.mensch
                                    Im Erdgeschoss befindet sich          anderen überfordert fühlen. Es       gGmbH in Kiel, eine Tochter-
Freiheit und Gemeinsinn             das Büro der Grauen Panther          gibt auch traurige Geschichten,      gesellschaft der Evangelischen
Ulrich ist zufrieden mit dem        Hamburg e. V., das Martina           wie die der alten, ehemaligen        Stiftung Alsterdorf. Das Senio-
Wohnprojekt, aber auch ein          ehrenamtlich betreut. Es gibt        Bewohnerin, die an Demenz er-        renstift ist schön gelegen, in der
wenig auf „dem Boden der            den Notraum, elf Quadratme-          krankte und schließlich doch ins     Nähe des Naturschutzgebiets
Tatsachen angekommen“ und           ter mit Bad, für Menschen, die       Pflegeheim musste. Ob Martina         Billetal und des Sachsenwalds.
wünscht sich manchmal eine          kurzfristig Hilfe brauchen. Die      und Ulrich hier bis an ihr Lebens-   Der einladende Bau mit roten
„verbindlichere Gemeinschaft“.      Panther unterstützen sich näm-       ende werden wohnen können?           Klinkern und weiß verputzten
Die Bewohner feiern gemeinsam       lich nicht nur gegenseitig, sie      „Wir haben Gottvertrauen“,           Fassaden befindet sich auf
Geburtstag, grillen im Garten,      sind auch im Quartier aktiv. Zwei    sagt Martina.                        einem weitläufigen Gelände
schauen Fußballspiele. Der in-      von ihnen hatten Flüchtlinge bei                                          neben der Schönningstedter
zwischen verstorbenen, fast blin-   sich aufgenommen und ihnen           Sie wünscht sich, dass die           Mühle. Große Fenster lassen
den Irm hatte Ulrich regelmäßig     bei der Integration geholfen.        Politik sich stärker mit Themen      viel Tageslicht in die Räume, der
vorgelesen. Jetzt bringt Martina    Ur-Pantherin Ulrike Petersen,        rund ums Alter beschäftigt:          Empfangstresen und die Hand-
manchmal Lola in die Kita, wenn     62, setzt sich für den Erhalt der    „Altenheime werden privati-          läufe in den Gängen sind aus
deren Mutter krank oder ander-      denkmalgeschützten Schiller-         siert. Bei den Pflegekräften wird     hellem Holz. Es duftet würzig

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Titelthema ‹‹‹

nach frisch gekochtem Mittag-       Flure.“ Das Team der Betreuung     um den uns anvertrauten                ihm inzwischen zur Heimat
essen. Nein, Krankenhausatmo-       hilft den Bewohnern vor allem,     Menschen ein würdiges Leben            geworden ist. Hohage fühlt
sphäre kommt hier nicht auf.        ihren Alltag zu gestalten, mit     zu ermöglichen.“                       sich hier sehr wohl: „Die Zimmer
Im September 2011 sind die ers-     vielen wöchentlichen Aktivitä-                                            liegen mit mehr als 30 Quad-
ten Bewohner ins neu gebaute        ten, dem beliebten Bingo am        An allen Aktivitäten können            ratmetern über der Norm“, und
Stift gezogen. „Wir sind eine       Samstag, Sitzgymnastik am          auch die Bewohner der angren-          „das Stift funktioniert wie ein
stationäre Pflegeeinrichtung mit     Freitag oder dem Gedächtnis-       zenden Seniorenwohnanlage              eingespieltes Orchester“. Alle
87 Einzel- und Tandemzimmern.       training am Mittwoch. Es gibt      teilnehmen. „Für viele Menschen        Bereiche arbeiten Hand in Hand
In Letzteren wohnen meist           auch Einzelbetreuungsangebote,     ist es wichtig, zu wissen, wenn        und „klingen gemeinsam har-
Ehepaare“, erklärt die Einrich-     etwa Spaziergänge, Gespräche       sie in die Wohnanlage ziehen,          monisch“. Was ihm wichtig ist:
tungsleitung Regina Bargmann.       oder Vorlesen.                     dass sie zu uns umziehen kön-          „Ich habe hier meine Freiheit.
Alle Zimmer sind belegt, und es                                        nen, sollte es nötig werden“,          Wenn ich die Tür zumache,
gibt eine Interessentenliste.       Der Schwer-                        sagt Regina Bargmann.                  werde ich nicht gestört.“

Im geschützten Wohnbereich
„Sonnenweg“ mit Gartenanlage
                                    punkt liegt auf                    „Das Stift funktioniert wie
                                                                       ein eingespieltes Orchester“
                                                                                                              Jeden Tag macht der ehemalige
                                                                                                              Verwaltungsjurist Spaziergänge
leben Menschen mit demenziel-       Beziehungs-                        Die „99 1/2“-jährige Monika            im umliegenden Naturschutz-
len Erkrankungen in 24 weiteren                                        Rüsch wurde von ihrer in der Re-       gebiet, oder er trifft sich mit
Zimmern. Der höhere Personal-       arbeit:                            gion lebenden Tochter zunächst         seinen Kindern oder neun
schlüssel ermöglicht ein offenes                                       in eine der Senioren-Wohnungen         Enkeln und Freunden inner-
Konzept: „Wenn jemand gehen         „Wir sind den                      nach Reinbek geholt. Nach              halb oder außerhalb des
möchte, dann gehen wir mit.“
Der Schwerpunkt liegt auf Bezie-
                                    Menschen                           Kriegsjahren und Flucht hatte
                                                                       sie als Landwirtin mit ihrem
                                                                                                              Hauses. Manfred Hohage nutzt
                                                                                                              vor allem das kulturelle Angebot
hungsarbeit: „Wir sind den Men-
schen Freund und Begleiter“,
                                    Freund und                         Ehemann in Midlum bei Bre-
                                                                       merhaven gelebt. „Als ich das
                                                                                                              des Bismarck Seniorenstifts.
                                                                                                              „In Würde kann ich hier meine
erklärt die Einrichtungsleiterin.
Manchmal müssen sie einfach in
                                    Begleiter!“                        zweite Mal gestürzt bin, konnte
                                                                       ich nicht mehr in die Wohnung
                                                                                                              letzte Lebensstation verbringen.
                                                                                                              Dafür bin ich sehr dankbar.“ ‹‹‹
den Arm genommen werden.            Zum Betreuungskonzept gehört,      zurückkehren. Aber ich habe hier
                                    dass alte und junge Menschen       im Bismarck Seniorenstift ein
Vom „Tag der Generationen“          sich austauschen können. Am        tolles Zimmer mit einer schönen
und einem Shetlandpony              „Tag der Generationen“ besu-       Aussicht.“ Inzwischen nimmt die          ››› Infokasten
Den demenziell erkrankten           chen Konfirmanden das Haus.         gebürtige Oberschlesierin die
Menschen hilft der Umgang mit       Grundschüler oder Kindergar-       Mahlzeiten gemeinsam mit einer           WOHNANGEBOTE FÜR ÄLTERE
Tieren besonders. Aber auch         tenkinder singen, spielen und      netten Tischgruppe ein und be-           MENSCHEN
die anderen Bewohner freuen         basteln mit den Senioren. „Viele   teiligt sich an fast allen Aktivitä-     alsterdorf assistenz ost gGmbH
sich schon Tage vorher, wenn        unserer Bewohner können das        ten „außer Kochen und Backen“.           www.alsterdorf-assistenz-ost.de
etwa das Shetlandpony Fritzi zu     Haus nicht mehr verlassen, dann    „Das hat Frau Rüsch ja ihr Leben         Kooperationsprojekte mit der SAGA für
Besuch kommt, das sie strei-        holen wir die Menschen eben        lang gemacht“, kommentiert Dr.           Interessierte über 60 Jahre:
cheln und füttern dürfen. „Viele    hierher.“ Jeden Mittwoch und       Manfred Hohage und
                                                                                                                – LeNa Steilshoop
alte Menschen leiden unter          Sonntag hat deshalb das Café       beide lachen.
                                                                                                                (Fehlinghöhe 16, 22309 Hamburg)
Einsamkeit. Beim Berühren der       Sachsenwald im Stift für alle
Tiere haben sie manchmal seit       Reinbeker geöffnet. Dagmar Le-     Der heute 86-Jährige ist im              – LeNa Barmbek
Langem wieder Körperkontakt“,       kebusch betont: „Alle Bereiche     November 2013 ins Bismarck               (Rungestraße 12, 22307 Hamburg)
sagt Bargmann.                      der Einrichtung sind wichtig,      Seniorenstift gezogen, das               – Assistenz- und Wohnangebot
                                                                                                                Tonndorf (Stein-Hardenberg-Straße
Dagmar Lekebusch, Betreuungs-                                                                                   64–68, 22045 Hamburg): Wohnen und
leitung und Kulturreferentin, hat   Martina Schmidt und Ulrich Gutschow aus dem Pantherhaus                     Assistenz für Menschen mit und ohne
im letzten halben Jahr 60 durch                                                                                 Unterstützungsbedarf, die
Spenden finanzierte Sonder-                                                                                      mindestens 60 Jahre alt sind
veranstaltungen organisiert,                                                                                    – Wohn-Pflege-Gemeinschaft
wie Tierbesuche, einen Tango-                                                                                   Hinschenfelde: Wohnangebot für
Nachmittag, Kinderballett, das                                                                                  Senioren mit Demenz
Martinsgans-Essen, Konzerte. Es
                                                                                                                – stadt.mission.mensch gGmbH
trat auch ein Chor auf, dessen
                                                                                                                Bismarck Seniorenstift
Sänger zu den Zimmern mit
                                                                                                                www.stadtmission-mensch.de
den bettlägerigen Bewohnern
                                                                                                                87 großzügige, seniorengerechte Ein-
gingen. „Wir öffnen die Türen,
                                                                                                                zel- oder Tandemzimmer mit eigenem
und der Gesang hallt durch die
                                                                                                                Sanitärbereich. 24 Plätze für Menschen
                                                                                                                mit einer demenziellen Erkrankung
TITELTHEMA

„Wir müssen den
ABSCHIED leben lernen“
Die Soziologin Annelie Keil, 80, hat seit Gründung der Universität Bremen 1971 den dortigen
Lehrstuhl für Sozial- und Gesundheitswissenschaften innegehabt. Seit ihrer Emeritierung 2004
ist sie unter anderem in der Hospizbewegung aktiv und leitet ehrenamtlich eine Suppenküche.
Zusammen mit dem früheren Bremer Bürgermeister Henning Scherf hat sie 2016 das Buch
„Das letzte Tabu. Über das Sterben reden und den Abschied leben lernen“ veröffentlicht.
Text: Johannes Wendland, Foto: privat

                                                 Frau Professorin Keil, wie           wenn Sie ein gewisses Alter
                                                 lernt man, alt zu werden?            erreicht haben. Veränderungen
                                                 Dr. Keil: Älterwerden ist ein le-    gehören zum Rhythmus des
                                                 benslanger Prozess – wer leben       Lebens.
                                                 will, muss älter werden. Leben
                                                 ist ein Weg durch die Fremde,        Können Sie dafür Beispiele
                                                 aber indem wir leben, lernen         nennen?
                                                 wir uns und das Leben kennen.        Im Alter kann es passieren, dass
                                                 Jeder Tag, jeder Ort, jede Be-       Sie zum ersten Mal überhaupt
                                                 gegnung, jede Erfahrung leisten      allein leben müssen, allein
                                                 ihren Beitrag. Schon für Kinder      frühstücken, allein einkaufen. Es
                                                 ist das mühsam: nicht mehr ge-       kommen immer wieder riesige
                                                 stillt zu werden, sondern essen      Veränderungen auf einen zu.
                                                 zu lernen, nicht mehr zu krab-       Menschen kommen und gehen
                                                 beln, sondern laufen zu lernen.      wie vieles andere.
                                                 Später gewöhnt man sich daran
                                                 und fühlt sich im Vollbesitz         Ab wann spielt der Tod im
                                                 seiner Kräfte. Bei bestimmten        Leben eine Rolle?
                                                 Unterbrechungen – Krankhei-          Immer schon – der Tod kann
                                                 ten, eine Trennung, Arbeits-         schon hinter der nächsten
                                                 losigkeit – bleibt die Hoffnung,     Ecke auf einen warten. Es geht
                                                 dass man noch an Kraft zulegen       darum, den Abschied leben zu
                                                 kann. Wann das Alter beginnt,        lernen. Abschied heißt hier nicht
                                                 lässt sich nicht mit einer Alters-   nur der physische Tod, sondern
                                                 angabe festlegen. Dann beginnt       dass man sich zum Beispiel in
                                                 ein Abnahmeprozess. Und doch         einem bestimmten Alter vom
                                                 bedeutet Älterwerden auch neu        Fahrradfahren verabschieden
                                                 werden.                              und Rollatorfahren üben muss,
                                                                                      von der Selbstständigkeit, von
                                                 Wie meinen Sie das?                  der Hoffnung auf Enkel.
                                                 Bestimmte Kräfte nehmen ab,
                                                 aber andere nehmen zu. Wir           Ist Alter ein Geschenk oder
                                                 sind durch unsere Denkweise          eine Last?
                                                 darauf geeicht, dass alles, was      Es ist immer ein Geschenk. Aber
                                                 ist, bleibt. Doch so ist das Leben   nicht alle Geschenke gefallen
                                                 nicht. In jedem Moment kann          einem. Manche würde man
                                                 ein großer Wandel eintreten.         gern zurückgeben. Das Leben
                                                 Diese Erfahrung haben Sie,           bekommen Sie immer nur als

20
Titelthema ‹‹‹

Möglichkeit – und leben müssen     nicht so gut. Manche lernen         aus, sondern sie kommen ein-        Verständnis der Arbeit, wie
Sie selbst.                        im hohen Alter, was sie immer       fach. Zu einer solchen Weltsicht    Sie es beschrieben haben?
                                   schon lernen wollten, sie studie-   gelangt man aber nur, wenn          Das hängt sogar unmittelbar
Wodurch merkt man, dass            ren, wagen eine Reise und vieles    man die Schule des Lebens mit       miteinander zusammen. Früher
man „alt“ wird?                    mehr. Manche lernen besser als      allem Auf und Ab und Unge-          ging man mit 65 in die Rente
Zwei Dinge kennzeichnen den        je zuvor zu lieben, geduldig zu     rechtigkeiten akzeptiert und        und konnte den Ruhestand
Altersprozess. Erstens muss man    sein, zu genießen.                  zwischen dem unterscheiden          noch fünf Jahre genießen.
den Realitätssinn schärfen. Die                                        lernt, was man ändern und was       Heute leben wir noch 20 Jahre
Vorstellung, dass man sich auf                                         man eben nicht ändern kann.         und schöpfen unsere Rente
das verlassen kann, was war,       Der Übergang                                                            voll aus. Das hält kein Renten-
trifft nur bedingt zu. Und zwei-
tens müssen wir lernen, mit der
                                   von der                             Eine Nahtstelle im Leben, die
                                                                       für viele Menschen eine Hür-
                                                                                                           system aus. Zudem gibt es
                                                                                                           immer mehr durchbrochene
Unberechenbarkeit umzugehen.
Wir wachen morgens auf und
                                   Erwerbstätigkeit                    de darstellt, ist der Übergang
                                                                       in den Ruhestand. Wie kann
                                                                                                           Arbeitsbiografien. Im Blick auf
                                                                                                           die Zukunft üben wir inzwischen
wissen nicht, für was die Kraft
heute reicht. Oder verlieben uns
                                   benötigt eine                       der gelingen?
                                                                       Der Übergang von der Erwerbs-
                                                                                                           mehr Kooperation zwischen
                                                                                                           den Generationen. Auch in der
in einen Menschen, unseren         gewisse                             tätigkeit benötigt eine gewisse     Arbeitswelt: Es war ja klar, dass
Garten oder einfach in das                                             Vorbereitung. Wir müssen            der Wechsel von ganzen Beleg-
Leben.                             Vorbereitung                        lernen, dass wir nicht mehr mit     schaften auf „jung“ ein Fehler
                                                                       hohem Tempo auf der Überhol-        war. Sehr viel Erfahrung ging
Sie sagen, man muss sich im        Wie schafft man es, bis zum         spur, sondern langsamer auf der     verloren. Es wird noch eine Zeit
Leben – auch im Alter – im-        Schluss ein erfülltes Leben zu      anderen Spur unterwegs sind.        lang dauern, bis wir den Umbau
mer wieder neu erfinden oder        leben?                              Hinzu kommt, dass sich die          geschafft haben.
neu wahrnehmen. Kann man           Man sollte möglichst früh           Gesellschaft von der Vorstellung
das lernen?                        begreifen, dass das Leben nichts    lösen muss, dass Arbeit nur Er-     Aber kein Grund, besorgt in
Ja, wir bereiten uns das ganze     versprochen hat, weder eine         werbsarbeit ist. Ich glaube, dass   die Zukunft zu blicken?
Leben über auf den letzten         glückliche Ehe noch ein gutes       die Gesellschaft durch das Ende     Die Sorge gehört zum Leben.
Abschied vor. Wir verabschieden    Einkommen oder eine gute            der klassischen Erwerbstätigkeit,   Der demografische Wandel
uns von Menschen, die uns et-      Arbeit. Wir kommen ungefragt        das wir jetzt erleben, und die      heißt ja „Wandel“ und nicht
was bedeutet haben, wenn sie       zur Welt und müssen bis zum         Ablösung von der Arbeitsge-         „demografischer Untergang“.
sterben. Wir verabschieden uns     letzten Atemzug die Frage be-       sellschaft nach dem klassischen     Wir müssen zur Kenntnis
manchmal von einem sicheren        antworten: Was gibt mir Sinn?       Modell vor eine große Heraus-       nehmen, dass wir die erste
Einkommen. Wir verabschieden       Wir müssen unseren Ort in der       forderung gestellt wird.            Generation sind, die nach der
uns von einer intakten Gesund-     Welt, in unserer Familie, bei un-                                       Erwerbsarbeit noch Zeit hat,
heit. Alterserscheinungen wie      serer Arbeit selbst bestimmen.      Wie wird sich die Gesellschaft      20 Jahre an ihrem Leben zu
etwa Schwindelgefühle können       Wir müssen in der Zeit leben, in    angesichts des demografi-            basteln, es zu ändern und über
Sie nicht vorhersehen – einen      die wir hineingeboren werden.       schen Wandels verändern?            das Leben nachzudenken. Was
Tag geht’s gut, am nächsten        Krankheiten suchen wir nicht        Fördert er sogar ein neues          für ein Geschenk. ‹‹‹

                                                                                                                                        21
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