100 Jahre SEV VPT Sektion BLS - im Einsatz für die Menschen bei der BLS

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100 Jahre SEV VPT Sektion BLS - im Einsatz für die Menschen bei der BLS
100 Jahre
SEV VPT Sektion BLS –
im Einsatz für die Menschen
bei der BLS
100 Jahre SEV VPT Sektion BLS - im Einsatz für die Menschen bei der BLS
Sie haben Recht!
                   Einen Runden soll man gebührend
                   feiern. Wir gratulieren der Sektion
                   BLS herzlich zum 100. Geburtstag.

www.cooprecht.ch
100 Jahre SEV VPT Sektion BLS - im Einsatz für die Menschen bei der BLS
Vorwort des Sektionspräsidenten
Liebe Gäste, liebe Mitglieder              sind und bleiben Vorbild und Motor
                                           unserer gewerkschaftlichen Tätigkeit.
Unsere Sektion SEV VPT BLS wird
100-jährig. Ein Anlass zur Freude.         Das Engagement der Basis, das seid
Dieses Ereignis soll gebührend gefeiert    ihr alle an euren Arbeitsplätzen, in der
werden - am 19. September 2015.            Gesellschaft oder zuhause ist daher
                                           wichtiger denn je. Jede und jeder kann
Die Arbeitsbedingungen in all den
                                           seinen Teil dazu beitragen, damit wir
Jahren waren selten so gut wie heute.
                                           unsere Kraft für das Wohl der Unter-
Was unsere Vorfahren in gewerk-
                                           nehmung und zum Allgemeinwohl
schaftlicher Hinsicht geleistet haben
                                           einsetzen. Auseinandersetzungen,
verdient unsere Anerkennung und
                                           Gleichgültigkeit und Demotivation
unseren Respekt. Gerechte Löhne,
angemessene Zulagen und Vergütun-          machen krank. Sichere, abwechs-
gen, verkraftbare Arbeitszeiten sowie      lungsreiche und interessante Arbeit
andere soziale Anstellungsbedingun-        hingegen macht Spass und unterstützt
gen, das alles sind hart erstrittene       den täglichen Ausgleich zwischen
Errungenschaften und keine Ge-             Arbeit und Freizeit. Das ist unser Ziel!
schenke der Arbeitgeber. Wir dürfen        Gemeinsam sind wir stark.
davon profitieren. Gleichzeitig sind wir   Dem Organisationskomitee für dieses
verpflichtet diese zu verteidigen. Von     Jubiläum und den weiteren Helfenden
Ausruhen kann keine Rede sein, denn        danken wir für die Organisation dieses
im Zuge der konstanten Sparpolitik         Anlasses. Sie haben in den vergan-
werden Lohn, Zulagen und Verfüg-           genen vier Jahren viel gearbeitet, um
barkeit immer wieder in Frage gestellt.    diesem Fest einen würdigen Rahmen
Andrerseits werden Projekte lanciert,      zu verleihen. Der Dank richtet sich
die Unsummen kosten und meist nicht        auch an diejenigen, die dieses Ereignis
oder nur halbwegs umgesetzt werden         finanziell oder materiell unterstützt ha-
können. Grundsätzlich ist also Geld        ben. Ein spezieller Dank geht an Nick
vorhanden. Es bleibt jedoch immer die      Raduner, Pensionierter SEV-Zentral-
Voraussetzung, dieses wirtschaftlich       sekretär, der die Geschichte unserer
und gerecht einzusetzen. Wir Ge-           Sektion akribisch aufgearbeitet und in
werkschafter sind entschlossen, unsere     dieser Festschrift verewigt hat.
begründeten Werte zu erhalten und
                                           In diesem Sinne wollen wir, liebe Kol-
diese immer wieder in Erinnerung zu
                                           leginnen und Kollegen, liebe Gäste,
rufen. Die Herausforderungen sind
                                           den heutigen Jubiläumsanlass genies-
nicht neu, sie sind einfach anders. Den
                                           sen und ihn mit Freude und Zuversicht
mutigen Männern und Frauen von
                                           begehen.
damals, denen bei ihrem Kampf oft
mit Entlassung gedroht wurde oder die      Balthasar Stöcklin
sogar ihr Leben für ihr Engagement         Präsident SEV VPT Sektion BLS
riskiert haben, wollen wir danken. Sie
                                                                                   3
100 Jahre SEV VPT Sektion BLS - im Einsatz für die Menschen bei der BLS
Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Sektionspräsidenten ... 3                  Personalausschüsse und
                                                       Mitwirkung ..................................... 15
Teil 1 (1915–1990):
                                                       Schwierige Aufgabenteilung
75 Jahre im Schnelldurchlauf
                                                       zwischen BLS und SBB .................. 15
Die grosse Not der Eisenbahner ..... 5                 BLS Cargo AG:
Der erste Weltkrieg machte die                         eine äusserst lebhafte Tochter ......... 16
Eisenbahner noch solidarischer ...... 6                Die Fusion von BLS und RM
Der Vorläufer des Einheits-                            zur BLS AG .................................... 18
verbandes ........................................ 7   Die gute BLS-Krankenkasse –
Das BLS-Personal trug den                              bis zur Umsetzung des KVG .......... 19
Generalstreik mit ............................ 7       Personalvorsorgestiftung BLS, dann
Der SEV als Einheitsverband ......... 8                Ascoop und jetzt Symova ............... 20
Die 1920-er Jahre:                                     Dienst- respektive Berufskleider ..... 22
Kampf gegen Lohnabbau .............. 9                 Der sehr lange Weg zum GAV BLS 22
Die 1930-er Jahre:                                     Ein Rahmen-GAV für den regio-
Geprägt von der Deflationspolitik .. 9                 nalen Personenverkehr .................... 25
Die Gründung der                                       Die Arbeitszeit als ständiger
Pensionskasse ASCOOP ................. 10              Konfliktherd ................................... 26
Der zweite Weltkrieg verlangt                          Ein Rückblick auf die jährlichen
alles vom BLS-Personal .................. 10           Lohnverhandlungen ....................... 28
Die AHV – in der Verfassung seit                       Die Bahnproduktion und die Aus-
1925, eingeführt aber erst 1948 ...... 10              wirkungen auf die Mitarbeitenden . 30
Das Eisenbahngesetz galt lange nur                     Die BLS Netz AG, eine Unterneh-
für Industrielle und Kantone .......... 11             mung ohne Personal ....................... 31
Die Lohnsystematisierung brachte                       Lohnsystem ..................................... 31
gewisse Lohngleichheit ................... 11          Offizialdelikte ................................. 34
Die Verstaatlichung der BLS –                          Äusserst aktive Gruppenvorstände: 34
und schliesslich doch nicht .............. 12          Die Pensionierten ............................ 34
Der Doppelspurausbau am                                Das Personal von Bau und Unterhalt 35
Lötschberg ...................................... 13   Das Personal im und am Zug ......... 36
Berufsrechtsschutz und SEV-                            Das Personal von Administration
Multirechtsschutzversicherung ....... 13               und Services .................................... 39
75 Jahre SEV VPT Sektion BLS                           Das Zugpersonal ............................. 41
wurde sehr bescheiden gefeiert ....... 13              Das Schiffspersonal ......................... 42
Teil 2 (1990–2015):                                    Das Lokpersonal ............................. 44
25 Jahre bis zur Gegenwart                             Die BLS-Personalkommission resp.
Gewerkschaftliche Bildung                              der Zentralvorstand SEV BLS ....... 44
macht mündige Angestellte ............ 14              Zum Schluss:
Das grosse Engagement
für die Neat am Lötschberg ............ 14
Die Unternehmensreform 1997 ..... 15                   Realisierung: Nick Raduner
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100 Jahre SEV VPT Sektion BLS - im Einsatz für die Menschen bei der BLS
Zu Jubiläen gehört eine Rückschau, das          Es lag wohl an der Bescheidenheit der
ist unabdingbar. Zur Feier von Jubilä-          Amtsvorgänger der Sektion SEV VPT
en werden normalerweise Festschrif-             BLS, solche Jubiläen ohne viel Aufse-
ten verfasst. 25 Jahre, 50 Jahre oder 75        hen zu feiern. Es fanden sich in den Ar-
Jahre sind die gebräuchlichen Zeitab-           chiven einzig etwas ausführlichere Jah-
schnitte, bei denen es gilt sich hinzu-         resberichte oder im vorliegenden Fall
setzen, in staubigen Akten zu stöbern           vor 25 Jahren ein „Tätigkeitsbericht“,
und dabei das Rad der Zeit zurück zu            er sollte dafür ausreichen.
drehen.

Teil 1: 75 Jahre im Schnelldurchlauf (1915–1990)
Einigermassen bescheiden wollen wir             Huttwil. Bis 1907 kamen weitere 13
jetzt auch den 100. Geburtstag feiern.          Kreise hinzu. Sämtliche Kreise blie-
Wir versuchen dennoch einige wesent-            ben ebenso dem Verband des Personals
liche Ereignisse auf ein paar Seiten fest-      schweizerischer   Transportanstalten
zuhalten. Kurz schauen wir dabei auf            (VPST, der Vorgängerorganisation des
die ersten 75 Jahre seit der Gründung           heutigen SEV) angeschlossen.
zurück, dann etwas eingehender auf
die Jahre danach. Als Direktbeteiligte          Die grosse Not der Eisenbahner
können wir die jüngere Vergangenheit            Und noch weiter zurück: Die Not
wohl eher nachvollziehen, weshalb sich          der Eisenbahner war sehr gross, weil
diese Schrift schwergewichtig auf die           sie durch die Geldgeber der privaten
letzten 25 Jahre konzentriert. Vielleicht       Eisenbahn-Gesellschaften        schamlos
ergeben sich für die Lesenden daraus            ausgebeutet wurden. Die Arbeitsbe-
ein paar so genannte Aha-Erlebnisse:            dingungen beim Bau der Infrastruktur
                                                waren äusserst hart, die Gesundheit
2015 ist also ein Jubeljahr, denn 100 Jah-
                                                schädigend, gefährlich und absolut un-
re vorher entschieden Arbeiter aus den vier
                                                genügend bezahlt. Insbesondere die
Kreisen Gürbetal, Bern–Neuenburg, Interla-
                                                Direktion und der Verwaltungsrat der
ken und Spiez sich gemeinsam in der Sektion
                                                Nordostbahn (NOB) hielten Zuge-
„B.L.S./B.N.“ zu organisieren. In der Folge
                                                ständnisse nicht ein, die sie mit der Lei-
waren weitere regionale Gruppen oder Berufs-
                                                tung des VPST ausgehandelt hatten.
kategorien davon überzeugt, dass sich ein Zu-
                                                Bei geringfügigsten Verfehlungen der
sammenschluss auf jeden Fall lohnt.             Angestellten wurden demgegenüber
Weiter zurück, bis ins Jahr 1903: Der           grosse Geldbussen ausgesprochen. Die-
Kreis Gürbetal gründete damals zu-              se schlimme Situation gipfelte darin,
sammen mit zwölf weiteren Interessier-          dass die Mitarbeiter der NOB im März
ten den Unterverband mit dem Namen              1897 für zwei Tage streikten. Erst die
Verband des Nebenbahnen-Personals               Vermittlung des damaligen Vorstehers
(VNP), den heutigen VPT. Die ande-              des Eidgenössischen Post- und Eisen-
ren Kreise lagen verteilt über das ganze        bahndepartements, Bundesrat Josef
Eisenbahn-Land, darunter war auch               Zemp, brachte eine nachhaltige Eini-
                                                                                        5
100 Jahre SEV VPT Sektion BLS - im Einsatz für die Menschen bei der BLS
gung und zahlreiche Verbesserungen          überdies den Militärgesetzen unter-
für das Personal. Dazu steht in der Fest-   stellt. Damit verbunden wurden Lehr-
schrift zum 50-Jahr-Jubiläum des SEV:       linge und Hilfskräfte ohne zwingende
„In einem prächtigen, mustergültig ge-      Gründe entlassen. Stattdessen hätte al-
führten Kampf hatte das Personal der        les getan werden müssen, um Arbeits-
NOB einen glänzenden Sieg errungen.         losigkeit zu vermeiden. Allein die Teue-
Die Disziplin war vorbildlich.“             rung, die sich während der Kriegsjahre
Dass die Eisenbahner litten, war lan-       bis 1918 mehr als verdoppelte, machte
desweit bekannt und mit ein wesent-         gewerkschaftliche Erfolge zunichte. In
licher Grund, dass das Schweizervolk        dieser Zeit war die Solidarität unter
1898 der Gründung der Schweizeri-           den Eisenbahnern sehr gross, sam-
schen Bundesbahnen (SBB) zustimm-           melten doch im Jahr 1914 die Kolle-
te. Unter diesem Namen wurden ab            gen besser gestellter Privatbahnen und
dem 1. Januar 1902 fünf Privatgesell-       der SBB insgesamt 115‘000 Franken
schaften vereint. Konkret waren das         für wirklich notleidende Privatbahner,
die Schweizerische Centralbahn, die         denen der Lohn teils um mehr als die
Schweizerische Nordostbahn, die Ju-         Hälfte gekürzt wurde.
ra-Simplon-Bahn sowie die Vereinig-         Mitten in den Kriegsjahren standen am 12.
ten Schweizerbahnen und etwas später        Dezember 1915 mutige Arbeiter der vier Krei-
noch die Gotthardbahn.                      se Gürbetal, Bern–Neuenburg, Interlaken und
Das Besoldungsgesetz der Beamten            Spiez zusammen und gründeten den Kreis
und Angestellten der SBB wurde 1910         „B.L.S./B.N.“. Im Vorwort des Protokollbu-
in Kraft gesetzt, die wichtigsten Aus-      ches schrieb der erste Präsident: „Der organi-
führungserlasse in den Jahren 1912,         satorische Geist wurde unter dem dröhnenden
1913 und 1914. Damit glaubte man,           Kanonendonner, der unser liebes Schweizerland
für dieses Personal mit einigen Jahren      umtost, aufgeweckt und mit frohem Mut und
relativer Ruhe rechnen zu können.           starkem Willen geht der neue Kreisvorstand
                                            ans Werks, um unsere soziale Stellung zu ver-
Der erste Weltkrieg machte die              bessern und die durch die kriegerischen Ereig-
Eisenbahner noch solidarischer              nisse verlorenen Rechte zurückzuerobern.“
Ein Mord in Sarajevo am 28. Juni            Schon im Folgejahr waren erste an die Ver-
1914, derjenige an Erzherzog von            waltungen eingereichte Forderungen erfolgreich.
Österreich-Ungarn, Franz Ferdinand          Allerdings wurden vorerst Verbesserungen aus-
– und an dessen Gattin –, löste den         gerichtet, die schon 1915 versprochen waren.
ersten Weltkrieg definitiv aus und zer-     Weitere gute Erfolge konnten bald erzielt wer-
störte die Hoffnungen auf einigermas-       den. „Dabei ist zu beachten, dass die Lage der
sen lebbare Arbeitsformen für Jahre         B.L.S./B.N. zur Zeit eine besorgniserregende
vollständig.                                ist“, stand damals in der Verbandszeitung.
Die Mobilmachung der schweizeri-            Bald haben sich weitere regionale Gruppen und
schen Armee am 9. August 1914 hatte         Berufskategorien dem Kreis angeschlossen, die
für die Eisenbahner nicht nur gewaltige     1917 gemeinsam und einstimmig eine Resolu-
Mehrleistungen zur Folge, sie wurden        tion verabschiedete (siehe Text nebenan).
6
100 Jahre SEV VPT Sektion BLS - im Einsatz für die Menschen bei der BLS
Der Vorläufer des Einheitsver-
                                               bandes
                                               Diese schier nicht erlebbare Situation
                                               für das Schweizervolk allgemein und
                                               speziell für die Arbeiter, Angestellten
                                               und Beamten der Eisenbahnunterneh-
                                               mungen sowie die immer überheblich
                                               auftretende Führung stärkte die Einheit
                                               des Verbandes, obwohl die Meinungen
                                               seiner Mitglieder zum Teil nicht gegen-
                                               sätzlicher hätten sein können. Trotzdem
                                               ist aus dem VPST am 1. Januar 1918
                                               der VSEA mit seinen sechs Unterver-
                                               bänden hervorgegangen. Der Verband
                                               des Personals schweizerischer Privat-
                                               bahnen und Dampfschiffgesellschaften
                                               (VPPD) gehörte von Beginn an dazu.
                                               Die Privatbahner gehörten zudem zu
                                               denjenigen, die den Anschluss an den
                                               Schweizerischen Gewerkschaftsbund
                                               (SGB, gegründet 1880) propagierte.
                                               Das BLS-Personal trug den Ge-
                                               neralstreik (11.–14.11.1918) mit
                                               Die frappante Entwertung der Wäh-
                                               rung führte unter anderem zur Reso-
                                               lution des Föderativverbands des öf-
                                               fentlichen Personals (FöV, gegründet
                                               1903) vom 23. Juli 1918 an den Bun-
                                               desrat, wonach grosse Teile des eidge-
                                               nössischen Personals so stark litten und
                                               deshalb bereit seien, die Arbeit nieder-
                                               zulegen, falls die verlangten Nachteu-
                                               erungszulagen nicht bewilligt würden.
                                               Der VSEA – somit auch der VPPD –,
                                               weitere     Eisenbahner-Berufsverbän-
                                               de und das „Oltener Aktionskomitee“
                                               unterstützten die Resolution des FöV.
                                               Diese ernsthaften Warnungen im Som-
Auszug aus der Verbandszeitung von 1917:       mer und Herbst und zahlreiche weitere
Die Not war gross, die Resolution an die BLS   Sturmzeichen aus dem Schweizervolk
wurde einstimmig angenommen.                   blieben jedoch unerhört, weshalb es
                                                                                  7
100 Jahre SEV VPT Sektion BLS - im Einsatz für die Menschen bei der BLS
zum landesweiten Generalstreik kam,           wurde 1925 in die Verfassung aufge-
er dauerte vom 11. bis 14. November           nommen, wirklich eingeführt wurde
1918 und wurde von über 250‘000 Ar-           sie nach verschiedenen weiteren Volks-
beitern getragen.                             abstimmungen erst 1948. Das verspro-
                                              chene Frauenstimmrecht wurde sogar
Die sozialen Erschütterungen der Kriegsjahre
                                              erst 1971 eingeführt.
gingen an der BLS nicht spurlos vorbei. Die
grosse Mehrheit des Personals beteiligte sich Der SEV als Einheitsverband
am Generalstreik.
                                              Die Auswirkungen des Generalstreiks
Der Generalstreik hat die schweizeri- stärkte ganz allgemein die Solidari-
sche politische Agenda danach mass- tät der Arbeiter. Speziell die Eisen-
geblich geprägt. Umgesetzt wurden die bahnerorganisationen rückten enger
Forderungen jedoch teils erst viel, viel zusammen. Die letzten Hindernisse
später: Seit 1919 wird der National- für die Einheit der Eisenbahner von
rat nach dem Proporzsystem gewählt. Staats- und Privatbahnen waren regel-
Die 48-Stunden-Woche wurde Anfang recht weggefegt. Weil die Bezeichnung
1920 verwirklicht. Dies bedeutete teil- Verband des Nebenbahnen-Personals
weise massive Arbeitszeitverkürzungen (VNP) nicht mehr aktuell war, wurde
ohne Lohneinbussen. Die Alters- und er ebenfalls 1918 in den Verband des
Hinterlassenenversicherung           (AHV) Personals der schweizerischen Privat-
8
100 Jahre SEV VPT Sektion BLS - im Einsatz für die Menschen bei der BLS
bahnen und Dampfschiffgesellschaf-        Rahmen selbstständig, jedes einzelne
ten (VPPD) umbenannt (und erhielt         Mitglied wurde so aber primär Mit-
1955 den heutigen Namen „Verband          glied des SEV, die Autonomie der Sek-
des Personals privater Transportun-       tionen und Unterverbände blieb damit
ternehmungen“ respektive das Kürzel       jedoch klar gewahrt.
VPT). Ein Jahr später, am 30. Novem-
                                          Die 1920-er Jahre: Kampf gegen
ber 1919, wurde aus dem VSEA der
                                          Lohnabbau
Schweizerische Eisenbahner-Verband
(SEV).                                    Der junge SEV hatte gleich von Be-
                                          ginn weg überaus stark zu kämpfen:
Damit verbunden wurde die Presse ver-
                                          was mit dem Generalstreik erstritten
einheitlicht und ebenso die Wohlfahrts-
                                          werden konnte, wurde in den Folgejah-
einrichtungen. Zu den Wohlfahrtsein-
                                          ren massiv bekämpft – auch durch den
richtungen zählten schon damals der
                                          Bundesrat. Zulagen wurden gekürzt,
Rechtsschutz, die Unterstützungs- und
                                          was hauptsächlich die Arbeiterkatego-
Darlehenskasse, die Ferienheime, der      rien empfindlich traf. Es kam zu zahl-
Arbeitslosenunterstützungsfonds und       reichen Arbeitsniederlegungen, die je-
der Kalenderunfallfonds sowie die Ver-    weils mehrere Tage dauerten.
sicherungskasse.
                                          Nach einer Aussperrung kam es im Novem-
Eingebettet einerseits im FöV und an-     ber und Dezember 1920 zu einem Streik der
dererseits im SGB spielte der SEV im-     BLS-Werkstättemitarbeiter der ganze fünf
mer eine starke Rolle, was 1921 den       Wochen lang dauerte.
Präsidenten der Generaldirektion der
Bundesbahnen, Hans Dinkelmann, zu         Die 1930-er Jahre: Geprägt von
folgender Aussage bewog: „Meine Her-      der Deflationspolitik
ren, ich habe die Überzeugung gewon-      Die Weltwirtschaftskrise wurde durch
nen, dass der Schweizerische Eisenbah-    den New Yorker Börsen-Crash im
ner-Verband eine Macht darstellt. Ich     Herbst 1929 ausgelöst. Das Schweizer
bitte Sie, diese Macht nie zu missbrau-   Parlament beschloss, die Löhne für
chen.“                                    1934 und 1935 um 7,5 Prozent zu kür-
Die Form des SEV festigte sich in den     zen, worauf der FöV das Referendum
darauf folgenden Jahren und der Pen-      ergriff. Über 325‘000 Unterschriften
sioniertenverband erhielt grundsätz-      wurden dazu in kurzer Zeit gesammelt
lich die Rechte eines Unterverban-        und eingereicht. Bei der Abstimmung
des. Derart weiter entwickelt fand im     wurde die angestrebte Abbaupolitik bei
Sommer 1930 eine Urabstimmung für         sehr hoher Stimmbeteiligung klar ver-
den Übergang zur heute noch weitge-       worfen.
hend geltenden Organisation statt. Mit    Trotzdem wurden 1934 die Löhne für das
knapp 87 Prozent stimmte die ganz         BLS-Personal auf dem Platz Bern um drei
grosse Mehrheit für den Einheitsver-      Prozent gekürzt. Für Personal ausserhalb von
band, die Privatbahner stimmten sogar     Bern wurde die Kürzung sogar auf fünf Pro-
mit über 91 Prozent zu. Die Unterver-     zent festgesetzt. Diese Massnahme war befris-
bände und Sektionen blieben in diesem     tet und sollte bis Ende 1936 dauern.
                                                                                     9
100 Jahre SEV VPT Sektion BLS - im Einsatz für die Menschen bei der BLS
Die Gründung der Pensions-                      das Land keine direkten kriegerischen
kasse ASCOOP                                    Handlungen zu verzeichnen hatte,
Bereits 1920 wurden alle Mitarbeiten-           herrschten dennoch kriegsähnliche Zu-
den der SBB als Vollversicherte in die          stände: Grenzbesatzungen, Lebensmit-
Pensions- und Hilfskasse aufgenom-              telrationierungen sind nur zwei Stich-
men. 1926 wurde auf Initiative des              worte dazu. Arbeitsrechtliche Erfolge
SEV eine Genossenschaft gegründet,              wurden neutralisiert oder gar gestri-
die Geld durch Mittel von Lotterien             chen.
zu beschaffen versuchte. Daraus ging            Die Sektion feierte 1940 den 25. Geburtstag
schliesslich 1933 die ASCOOP hervor,            eher bescheiden aber mit vielen Rednern und
die paritätisch geleitet wurde. Fünf Jah-       zahlreichen Gästen. Wie im Gründungsjahr
re später waren dieser Pensionskasse 15         war wieder Krieg. Im „Eisenbahner“ steht
Bahngesellschaften angeschlossen.               dazu: Der schon seit Monaten rege Güterver-
Eine Pensionskasse für das BLS-Personal gab     kehr auf der Lötschberg- und Simplonlinie
es schon vor 1913, also vor dem Zeitpunkt der   nimmt unvermindert seinen Fortgang. Tag und
Übernahme der früheren Thunerseebahn und        Nacht rollen die langen Güterzüge, die auf-
des Schiffsbetriebes durch die BLS. Erst viel   fallend auch nach Norden mit Frachten aller
später, im Jahr 2001 ging die BLS-eigene Per-   Art vollbeladen sind. Im regen Verkehr müs-
sonalvorsorge zur Ascoop über (mehr dazu ab     sen ständig neue Züge eingeschaltet werden.
Seite 20).                                      Das verfügbare Schiffspersonal vom Thunersee
                                                wurde zum Bremserdienst herangezogen und
In den Jahren vor dem zweiten Welt-             die alten in der Remise stehenden Lokomotiven
krieg wurde der Kampf zwischen Arm              sind wieder hervorgeholt und eingesetzt wor-
und Reich noch weit härter geführt,             den. Die Arbeit wurde auf diejenigen verteilt,
der Graben zwischen Arbeitenden                 die nicht ins Militär eingezogen wurden.“
und Besitzenden immer tiefer. Letzte-
re strebten sogar die „Entrechtung des          Jährlich, teils sogar halbjährlich muss-
(SBB-)Personals“ an, was 1934 nach              te mit den Unternehmungen über den
langem und hartem Schlagabtausch im             Ausgleich der Teuerung verhandelt
Parlament scheiterte. Im gleichen Jahr          werden, denn allein in den Kriegsjah-
sah sich der SGB gezwungen die Kri-             ren stieg die Teuerung um über 50
seninitiative zu lancieren, 335‘000 Un-         Prozent. Eigentliche Verbesserungen
terschriften kamen dazu in kurzer Zeit          wurden erst gegen Ende des zweiten
zustande. Ein Jahr später scheiterte die        Weltkriegs möglich.
Abstimmung allerdings, was den Weg
zu massgeblichen Lohn- und sogar                Die AHV – in der Verfassung seit
Rentenkürzungen frei machte.                    1925, eingeführt aber erst 1948
                                                Die Fürsorge für erwerbsunfähige und
Der zweite Weltkrieg verlangt                   betagte Menschen war bis weit ins 20.
alles vom BLS-Personal                          Jahrhundert hinein weitgehend Sache
Die Kriegsjahre von 1939 bis 1945               von Familienangehörigen. Erst 1912 –
brachten nicht nur um die Schweiz               mehr als 20 Jahre nach Aufnahme in
herum unendliches Leid. Auch wenn               der Verfassung – wurde das entspre-
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chende Gesetz vom Volk gutgeheissen,            gingen dazu ein, sie führten 1953 zu
womit die Unfall- und Krankenkasse              einem neuen Vorentwurf, der schliess-
eingeführt werden konnte.                       lich 1957 in den eidgenössischen Räten
                                                diskutiert, verabschiedet und danach
Die BLS hatte schon 1911 eine Kranken- und
                                                in Kraft gesetzt wurde. Darin war neu
Hilfskasse für das Personal, sie war erst ab    die gesetzliche Pflicht des Staates fest-
1929 für alle obligatorisch. Bis 1998 wurde     geschrieben, die Bahnen für ihre bahn-
sie als selbstständige Kasse geführt.           fremden Lasten und gemeinwirtschaft-
In der Verfassung wurde die heutige             lichen Verpflichtungen abzugelten.
AHV im Jahr 1925 aufgenommen.
                                                Die Lohnsystematisierung (1958–
Eine erste Gesetzesvorlage scheiterte
                                                1995) brachte gewisse Lohn-
1931 in einer Volksabstimmung klar.
                                                gleichheit
Der Bundesrat schuf während den
Kriegsjahren mit ausserordentlichen             Es wurden also Massnahmen zur För-
Vollmachten die „Lohn- und Verdienst            derung der Eisenbahnen eingeführt.
ersatzordnung für die Militärdienst-            Dazu gehörte ab 1961 die vom SEV
leistenden“, die heutige EO. Dies bil-          angestrebte Systematisierung der Per-
dete gleichzeitig die Grundlage für die         sonalaufwendungen. Als Basis mass-
AHV. 1947 wurde das entsprechende               geblich für die Lohnfestsetzung des Pri-
Bundesgesetz deutlich angenommen                vatbahnpersonals im Folgejahr wurden
und am 1. Januar 1948 in Kraft gesetzt.         die mittleren Aufwendungen der SBB
                                                pro Mitarbeiter. Weitere Zuschläge
Mit der Schaffung der Invalidenversicherung     für Betriebs- und Verkehrsleistungen
wurden der Pensionskasse wesentliche Lasten     ergänzten den Bewertungsschlüssel.
abgenommen, was sich in den versicherungs-      So wurde die im Eisenbahngesetz fest-
technischen Bilanzen der Krankenkasse positiv   geschriebene soziale Kompetenz um-
auswirkte.                                      gesetzt, es sollte auch Kinderzulagen
Mittlerweilen ist über elf Revisionen           und Nebenbezüge umfassen. Aufgrund
diskutiert worden, nicht alle wurden            dieser Basis fanden Verhandlungen
umgesetzt. Unter dem Titel „Reform              mit den einzelnen Privatbahnen statt,
Altersvorsorge 2020“ laufen zurzeit             wobei sich die Unternehmungen ent-
                                                schieden dagegen wehrten und argu-
Bestrebungen die beiden Säulen AHV
                                                mentierten, dass die Ansätze lediglich
und Pensionskassen als Ganzes be-
                                                als maximale Beträge gelten könnten.
trachtet zu überarbeiten.
                                                Ab 1965 wurden auch die Teuerungs-
Das Eisenbahngesetz galt lange                  zulagen in die Systematisierung auf-
nur für Industrielle und Kantone                genommen. Alle fünf Jahre wurde der
Das erste Eisenbahngesetz stammte aus           Bewertungsschlüssel neu festgelegt.
dem Jahr 1852. Die für das Jahr 1940            Für die Betriebsgemeinschaft BLS, BN, GBS
vorgesehene Revision verzögerte sich            und SEZ wurde der Ansatz von durchwegs
vorerst des Krieges wegen. Schliesslich         100 Prozent festgelegt, was im Durchschnitt
startete die Vernehmlassung sogar erst          gleich hohe Personalaufwendungen bedeutete
1950. Über 600 Änderungsanträge                 wie für die SBB.
                                                                                       11
Es liegt in der Natur der Geschichte            spur fehlten jedoch. Deswegen stellte
der Eisenbahnen, dass nicht allein die          der Grosse Rat des Kantons Bern im
Personalaufwendungen zu namhaften               Jahr 1962 das Gesuch an den Bund,
Kämpfen zwischen dem SEV und den                die gesamte BLS-Gruppe zu überneh-
einzelnen Unternehmungen führten.               men. Alles oder nichts, wie es der Kan-
Es mussten alle Anstellungsbedingun-            ton und die BLS wollten, ging für den
gen bei den privaten Transportunter-            Bund nicht. In der Folge prophezeiten
nehmungen mit äusserst viel Einsatz er-         Gerüchte, dass mit der Verstaatlichung
stritten werden, also die Einreihungen          der Fahrplan verschlechtert würde und
der Stellen, sämtliche Arbeitszeitbe-           das Personal mächtig unter Druck ge-
dingungen, Zulagen und Vergütungen,             riet, beispielsweise in dem die Werkstät-
Personalversicherungen, Berufskleider,          te Bönigen aufgehoben würde. Obwohl
Mitwirkung und so weiter.                       diese Ängste zerstreut werden konnten,
                                                fehlten für eine Umsetzung klare Zusa-
Die Verstaatlichung der BLS –                   gen in Bezug auf die integrale Über-
und schliesslich doch nicht                     nahme des Schiffsbetriebes auf dem
Das Personal der seinerzeit konsequent          Thuner- und Brienzersee.
finanzielle Not leidenden Privatbah-            Obwohl die Verstaatlichung eine Ver-
nen musste mit teils schwerwiegenden            besserung der Anstellungsverhältnisse
Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten            bedeutet hätte, fehlten massgebliche
leben. Speziell der Privatbahnkanton            Besitzstandsgarantien für das gesam-
Bern und die Verwaltungen der BLS               te Personal, zumal die Löhne der
samt mitbetriebenen Linien, die EBT             BLS-Angestellten und -Arbeiter auf-
und die MOB stellten bereits 1940               grund der Systematisierung höher wa-
Rückkaufsgesuche an den Bund. Mit               ren.
dem 1958 in Kraft gesetzten revidier-           Die kantonalen Politiker verhinderten
ten Eisenbahngesetz wich die Dring-             schliesslich, dass die BLS unter den
lichkeit in dieser Angelegenheit.               Einfluss des Bundes geriet. Es sollte
Mit der „Dienstordnung für die Beamten“,        aber nicht der letzte Versuch für ein
der Grundlage für die Anstellung bei der BLS,   Zusammengehen mit der SBB bleiben.
ergab sich 1960 die Situation, dass für das     Im Rahmen einer Sitzung der Personalkom-
Personal ein (kantonales) Beamtenverhältnis     mission wurde lebhaft und ausführlich über
geschaffen wurde, obwohl die BLS privatrecht-   einen Antrag diskutiert, „dass der SEV sei-
lich organisiert war. Begründet wurde dieser    nerseits eine Studie betreffs Verstaatlichung der
„unechte Beamtenstatus“ mit der Hauptbe-        BLS erstellen lassen sollte“. Da die Anstel-
teiligung des Kantons Bern an der Unterneh-     lungsbedingungen weitgehend denjenigen der
mung.                                           SBB angeglichen seien – ausser bei der Pensi-
Weil der Transitverkehr massiv zu-              onskasse –, sei der Alleingang nicht notwendig.
nahm, investierte der Kanton Bern               Der Antrag wurde schliesslich mit 11 zu 10
bei der BLS stark in die Steigerung             Stimmen ganz knapp abgelehnt.
der Leistungsfähigkeit. Die Mittel für          In dieser Zeit feierte die Sektion SEV VPT
den dringenden Ausbau der Doppel-               BLS den 50. Geburtstag. Die Zeit vorher sei
12
nie einfach gewesen, wurde im Rahmen einer     gen und -Unfällen sowie bei Problemen
Jubiläums-Feier festgehalten. Man sei immer    im Zusammenhang mit der Anstellung
bestrebt gewesen, die Arbeits- und Lebensbe-   nie auf sich allein gestellt. Der Berufs-
dingungen des Personals zu verbessern. Das     rechtsschutz ist heute ebenso aktuell
werde wohl auch in Zukunft so bleiben. Den-    wie damals.
noch wolle man die nächsten 25 Jahre guten
                                               Kurz vor dem 75. Geburtstag der Sek-
Mutes in Angriff nehmen.
                                               tion führte der SEV auf Mitte 1989
Der Doppelspurausbau am                        einen Kollektivvertrag mit Coop-Mul-
Lötschberg                                     tirechtsschutz ein, er kostete 42 Fran-
                                               ken pro Jahr. Er deckt vor allem die
Damit die Kapazität der Transitbahn-
                                               vielfältigen privatrechtlichen Aspekte
linien in der Schweiz erhöht werden
                                               ab. Bei der Einführung wurde haupt-
konnte, setzte das eidgenössische Ver-
                                               sächlich kritisiert, dass der SEV diese
kehrs- und Enerigiedepartement 1963
                                               Versicherung für alle Mitglieder ab-
eine Expertenkommission ein, die 1970
                                               schloss, die sich nicht innerhalb einer
den Bau des Gotthardbasistunnels und
                                               vorgegebenen Frist dagegen ausgespro-
den Doppelspurausbau für die gesam-
                                               chen hatten. Dass sich zwei Drittel der
te Lötschbergachse vorschlug. Für den
                                               Mitglieder dafür entschieden haben,
Tunnel zwischen Erstfeld und Biasca
                                               unterstreicht den Erfolg für dieses An-
war die Zeit nicht reif, hingegen stimm-
                                               gebot, das sowohl in Bezug auf den
te das eidgenössische Parlament 1976
                                               Leistungsumfang als auch in Sachen
dem Doppelspurausbau am Lötsch-
                                               Preis heute noch immer sehr attraktiv
berg zu und genehmigte dazu ein Dar-
                                               und absolut konkurrenzfähig ist.
lehen in der Höhe von 620 Millionen
Franken. Obwohl der erste Teil des             75 Jahre SEV VPT Sektion BLS
Darlehens erst 1982 ausbezahlt wurde,          wurde sehr bescheiden gefeiert
begann die BLS schon 1977 mit ersten
                                               „Es wurde in den letzten 75 Jahren so viel
Arbeiten. Die technischen Einrichtun-
                                               erreicht, dass die Gewerkschaften Opfer ih-
gen für die Doppelspur wurden zu ei-
                                               res eigenen Erfolges werden könnten, denn in
nem grossen Teil durch BLS-Personal
                                               guten Zeiten ist Solidarität nicht gefragt.“ So
ausgeführt. Im Frühling 1992 wurde
                                               fasste Sektionspräsident Bernhard Siegenthaler
das Gesamtbauwerk eingeweiht.
                                               in seinem ersten Tätigkeitsbericht 1990 die
Berufsrechtsschutz                             Vorgeschichte kurz zusammen. Es liegt wohl
und SEV-Multirechtsschutz-                     in der Bescheidenheit der Sektion, dass dieses
versicherung                                   Jubiläum nicht weiter gefeiert wurde, denn
                                               ausser diesem Hinweis findet sich in den Akten
Wie erwähnt wurde der berufliche
                                               schlicht nichts.
Rechtsschutz schon mit der Gründung
des SEV eingeführt. Diese unverzicht-
bare Einrichtung war über lange Jahre
das wichtigste Werbeargument für po-
tenzielle Neumitglieder. Damit waren
Mitarbeitende bei Verkehrsgefährdun-
                                                                                          13
Teil 2: 25 Jahre bis zur Gegenwart (1990–2015)
Damit sind wir geschichtlich in der       Kurse und Ausbildungen erarbeitet
Neuzeit angekommen. Wie eingangs          und vermittelt.
erwähnt sollen in dieser Schrift die 25
                                          Das grosse Engagement für die
Jahre bis zur Gegenwart etwas ausführ-
                                          Neat am Lötschberg
licher dargelegt werden. Dazu gehören
die Entwicklung der BLS selber und        Trotz unglaublich viel Kritik hat der
speziell die daraus resultierenden Ar-    damalige Verkehrsminister, Bundesrat
beits- respektive Anstellungsbedingun-    Adolf Ogi die beiden Alpentransver-
gen für das Personal.                     salen am Gotthard und am Lötschberg
                                          verteidigt und durchgesetzt. Ogi, der
Historiker sowie Kenner der Bahnland-     politische Vater der Neat, sagte denn
schaft in der Schweiz und insbesondere    auch 2010 beim Durchstich am Gott-
der BLS mögen verzeihen, wenn wich-       hard: „Den Kritikern fehlt der bei-
tige Elemente – insbesondere auch         geisternde Blick aufs Ganze. Für mich
politische Entwicklungen – nicht oder     bleibt der Bau der Neat ein historischer
nicht ausreichend aufgenommen sind.       Entscheid des Schweizervolkes, eine
Gewerkschaftliche Bildung                 mutige Tat – aber keine Spekulation.“
macht mündige Angestellte                 Damals war der Lötschbergbasistun-
                                          nel schon fast drei Jahre in Betrieb und
Der SEV war immer bestrebt, den Mit-      verschiedentlich schon an seine Kapa-
gliedern bei der BLS situationsbezoge-    zitätsgrenzen gekommen.
ne Aus- und Weiterbildungen anzubie-
ten. So standen konsequent zahlreiche     Ähnlich wie Ogi argumentierte Jah-
Kurse auf dem Programm für die ge-        re zuvor der damalige BLS-Direktor,
werkschaftliche Arbeit: Vereinsleitung,   Martin Josi, anlässlich der Hauptver-
Redeschulung, Protokollführung oder       sammlung der Sektion im März 1996
Kassenwesen.                              und überzeugte damit die SEV-Mit-
                                          glieder: „Es gibt eben nicht nur diese
Später kamen Bildungskurse wie Ver-       buchhalterische       Wirtschaftlichkeit,
handlungstechnik hinzu, damit insbe-      sondern auch noch eine staatspoliti-
sondere die verschiedenen Verhand-        sche, föderalistische, europapolitische,
lungsdelegationen ihre Verantwortung      verkehrspolitische und insbesondere
sachgerecht und erfolgreich wahrneh-      eine gesamtvolkswirtschaftliche Be-
men konnten. Arbeitszeit, Lohnsys-        trachtungsweise.“ Ihnen und vielen
tematiken, Mitwirkungsrechte stan-        weiteren Befürwortern gelang es, dass
den ebenso auf dem Programm wie           die Neat am Lötschberg gebaut werden
GAV-Schulungen. Daneben wurden            konnte. Das BLS-Personal hat seiner-
auch Veranstaltungen für Mitglieder       seits im Vorfeld der Abstimmungen mit
aus dem BLS-Kader zu den Themen           zahlreichen sympathischen und politi-
Kaderpolitik, Sozialpartnerschaft und     schen Aktionen ebenfalls massgeblich
Ethik organisiert. Situationsbezogen      zum Gelingen beigetragen. Die Neat
wurden weitere, teils berufsbezogene      am Lötschberg wurde am 15. Juni 2007
14
eingeweiht. Bald schon rückte der Voll-    setzte ihre Leute selber bezeichnet hat-
ausbau ins Blickfeld.                      ten. Zudem waren verschiedene Chefs
                                           überzeugt, sämtliche Probleme ihrer
Die Unternehmensreform 1997                Mitarbeitenden am Arbeitsplatz bes-
Auf Mitte 1997 setzte die BLS eine         tens zu kennen und sie in eigener Regie
Unternehmensreform um. Damit wur-          lösen zu können. Diese Herr-im-Haus-
den die BLS mit den drei mitbetrie-        Strategie waren der aufgezwungenen
benen Bahnen GBS (Gürbetal–Bern–           Arbeit in den Mitwirkungsorganen
Schwarzenburg), BN (Bern–Neuchâtel)        nicht dienlich. Noch weniger Verständ-
und SEZ (Spiez–Erlenbach–Zweisim-          nis für die aktive Mitarbeit des Perso-
men) in der BLS Lötschbergbahn AG          nals hatten Vorgesetzte wiederholt,
zusammengefasst. Der „Free Access“,        wenn Mitarbeitende für Personalaus-
also der bevorstehende freie Netzzu-       schüsse durch SEV-Gremien bestimmt
gang, werde Konkurrenz bringen. Mit        oder portiert wurden. Verbreiteter war
der neuen Organisationsform erhoffte       und ist dennoch die andere Art der
sich die BLS eine stärkere Position.       Mitwirkung: regelmässige Sitzungen
                                           mit relevanten Themen und Fragestel-
Personalausschüsse und                     lungen, bei denen die Mitarbeitenden
Mitwirkung                                 echt einbezogen und gefordert sind.
Mit der Unternehmensreform verbun-         Nach Inkraftsetzung des GAV wurden
den wurden verschiedene personalrele-      die Mitwirkungsorgane weiter präzi-
vante Bestimmungen überarbeitet. Viel      siert, ständige Ausschüsse bestehen
zu diskutieren gab dabei die Aufhe-        heute in etlichen Bereichen.
bung des Personalausschusses, in wel-
chem bislang auf vier Jahre gewählte       Schwierige Aufgabenteilung
Vertretungen zahlreiche Mitwirkungs-       zwischen BLS und SBB
geschäfte diskutierten. An dessen Stelle   Wenn bislang eine Bahnunternehmung
traten mit den Dienstplankommissio-        konsequent nur diejenigen S-Bahnstre-
nen Lok- und Zugpersonal sowie je ein      cken befuhr, deren Infrastruktur sie
Ausschuss für Lokpersonalfragen, für       auch unterhielt, wurde dieses Vorgehen
Zugpersonalfragen und für die Distri-      mit dem Fahrplanwechsel Mitte 1998
bution als ständige Gremien. Daneben       aufgebrochen: Die S1 von Thun nach
wurden Themen bezogen temporäre            Fribourg, sowie die S3 im Gürbetal be-
Ausschüsse gebildet. Es waren vor al-      trieb die SBB, die BLS fuhr auf der S2
lem die Lokpersonal-Ausschüsse, die        von Langnau bis Schwarzenburg sowie
tatsächlich aktiv waren.                   die S5 von Bern nach Neuchâtel und
                                           schliesslich deckte der RM die S4 ab,
Die Mitwirkung des Personals wurde
                                           von Bümpliz Süd nach Burgdorf und
durch Vorgesetzte recht unterschied-
                                           weiter nach Langnau und Sumiswald.
lich angenommen und umgesetzt. Das
Einsetzen eines Personalausschusses        Schon als die SBB 1999 erstmals öf-
lief aus Sicht der Unternehmung in         fentlich davon sprach, die BLS über-
jenen Fällen reibungslos, wenn Vorge-      nehmen zu wollen, intervenierte der
                                                                            15
SEV bei Bund, Kanton, SBB und BLS.        BLS arbeiten. Diese Trennung verlief
Damit ging es nicht mehr nur um ein       weitgehend gut, für das BLS-Personal
Kräftemessen zwischen den beiden          resultierten daraus neue Berufsbilder
Unternehmungen, um Geben und              und wesentlich verbesserte Einreihun-
Nehmen, um Aufgaben und deren Auf-        gen. Dem Lokpersonal von Langnau
teilung oder um Verkehre. Vielmehr        und Neuchâtel blieb Zeit für einen
drängten damit auch personalrele-         Wechsel bis Ende 2003. Im Raum Bern
vante Aspekte in den Vordergrund. In      wurde das Depotpersonal der BLS, das
fünf SEV-Personalausschüssen wurden       seit 1997 im neu erbauten Depot Aus-
Fragen, Feststellungen und Forderun-      serholligen arbeitete, und dasjenige
gen zum Thema sowohl der BLS als          der SBB ab 2003 bei der BLS und in
auch der SBB unterbreitet. So gelang      der Aebimatt zusammengeführt – das
es, die „Grundsätze für Personalver-      Depot Ausserholligen ist seitdem weit-
schiebungen“ in Bezug auf die Über-       gehend verwaist. Alternativ blieb dem
nahmebedingungen namhaft aufwer-          SBB-Personal nur ein örtlicher Wech-
ten zu können, sowohl BLS- als auch       sel. Nach und nach wurden schliesslich
SBB-seits. So übernahm die BLS die        verschiedene Bahnhöfe zwischen den
S-Bahn Bern und verabschiedete sich       Unternehmungen abgetauscht, auch
vom Fernverkehr sowie - im Grundsatz      hier verbunden mit dem Austausch des
- vom Einzelwagenladungsverkehr. In       Personals.
den Bereichen Infrastruktur und Gü-       Die Übernahme des Regionalverkehrs
tertransitverkehr wurde Wettbewerb        im Bahndreieck Luzern, Langnau und
beschlossen. Diese neue Ausgangslage      Langenthal bildete die vorläufig letzte
wurde in einer Grundsatzvereinbarung      grössere Verschiebung von Leistungen
festgeschrieben und in den Folgejahren    zur BLS. Die entsprechenden Leistun-
umgesetzt, mit teils einschneidenden      gen wurden auf den Fahrplanwechsel
Konsequenzen für das Personal.            von Ende 2010 vollzogen. Damit ver-
Im Juni 2001 gingen zirka 30 BLS-Mit-     bunden mussten wiederum Mitarbeite-
arbeitende im Bereich Rangier zu SBB      rinnen und Mitarbeiter ihren Arbeits-
Cargo. 2002 wechselten die Visiteure      ort wechseln. Dadurch, dass akzeptable
und Wagenreiniger von Brig zur SBB.       Übergangsbestimmungen ausgehan-
Auf denselben Zeitpunkt hin wurde         delt werden konnten, blieben wirklich
der Regionalverkehr der BLS über-         gravierende Probleme aus.
tragen, der Fernverkehr ging zur SBB
                                          BLS Cargo AG: eine äusserst
über, für die Aufteilung des Rollmate-
                                          lebhafte Tochter
rials blieb vorerst Zeit bis Ende 2004.
Die Zugbegleiterinnen und Zugbeglei-      Die BLS Cargo AG wurde 2001 als
tern im Raum Bern und im BLS-Wir-         Tochter der BLS gegründet. Sie über-
kungskreis mussten sich entscheiden:      nahm das Güterverkehrsgeschäft der
entweder zum Fernverkehr wechseln         BLS. An dieser neuen Unterneh-
und damit zur SBB oder schwerge-          mung beteiligten sich neben der BLS
wichtig in der sporadischen Stichkon-     auch Railion Deutschland und die
trolle (SPO) im S-Bahn-Bereich bei der    italienische Ambrogio-Gruppe. Die
16
BLS-Tochter engagiert sich hauptsäch-    kannibalisiert. Der SEV bezog sich da-
lich im Ganzzugsbereich. Anfänglich      bei auf das Eisenbahngesetz, wonach
bezeichnete sie sich selber als „Ro-     Netzzugangsbewilligungen auch von
sinenpicker, weil wir nur diejenigen     der Einhaltung der Gesetze und der
Züge führen, die unter dem Strich ren-   Gewährleistung branchenüblicher Ar-
tieren“. BLS Cargo AG wurde als Ma-      beitsbedingungen abhängig gemacht
nagementgesellschaft aufgebaut, heute    werden müssen. Da der Ort der er-
beschäftigt sie gegen 100 Mitarbeiten-   brachten Leistung in der Schweiz sein
de vorwiegend in den Bereichen Pro-      soll, müssen schweizerisch übliche An-
dukte und Vertrieb. Die übrigen Leis-    stellungsbedingungen auf dem Schwei-
tungen, vorab die personellen, werden    zer Bahnnetz zu gelten.
beim Mutterhaus eingekauft.
                                         Angesichts der damaligen Situation er-
Im selben Jahr startete RAlpin AG mit    gab sich folgende Einigung: BLS Car-
der „Rollenden Autobahn“ vom deut-       go legte dem SEV regelmässig offen,
schen Freiburg im Breisgau über die      dass BLS-Lokpersonal zu Schweizer
Lötschbergachse bis nach Novara in       Anstellungsbedingungen ebenso viele
Italien. Verschiedentlich waren diese    Fahrten nach Deutschland machte, wie
Verkehre über mehrere Cargo-Unter-       deutsches Lokpersonal zu dessen Be-
nehmungen aufgeteilt.                    dingungen in die Schweiz hinein fuhr.
Bereits 2003 führte BLS Cargo mit        2006 gründete BLS Cargo BLS Car-
ersten grenzüberschreitenden Produk-     go Italia S.r.l. und 2007 BLS Cargo
tionskonzepten zusammen mit Raili-       Deutschland GmbH. Damit verbun-
on Güterzüge auf der Gotthardachse.      den wurde Personal insbesondere in
Damit verbunden wurden Personal-         Mannheim und Domodossola einge-
standorte im grenznahen deutschen        stellt.
Haltingen, in Erstfeld und 2004 eine
Servicestelle in Chiasso aufgebaut.      Ab Mitte 2007 wurden kommerzielle
                                         Güterzüge durch den Basistunnel am
Mit der Beteiligung von Railion          Lötschberg geführt. Damit verbun-
Deutschland am Aktienkapital von         den konnte die Produktion über die
BLS-Cargo bestand bald die Absicht,      wesentlich schnellere Verbindung ins
deutsches Lokpersonal zu deutschen       Wallis und weiter nach Italien reali-
Arbeitsbedingungen in die Schweiz        siert werden. Die BLS war überzeugt,
fahren zu lassen. Eine entsprechende     eine weitere Servicestelle in Frutigen
Bewilligung hatte das Bundesamt für      mit Rangierpersonal, Visiteuren und
Verkehr (BAV) noch nicht erteilt, denn   Lokpersonal aufbauen zu müssen. Die
der SEV wehrte sich vehement dage-       Züge sollten jeweils dort aufgestellt,
gen, würde eine solche Zulassung dem     bewirtschaftet und so minutengenau
Sozialdumping doch Tür und Tor öff-      durch den Tunnel verkehren können.
nen. Das hätte gleichzeitig bedeutet,    Dem Personal wurde sehr viel zugemu-
dass die BLS mit diesem Vorgehen ihre    tet. Begründet wurde diese Strategie
eigenen guten Anstellungsbedingungen     mit dem Wettbewerb im Güterverkehr
                                                                             17
auf Schiene und Strasse, dem Stru-         tiv. Nicht übernommen wurde dabei
del der sich ständig ändernden Wirt-       Crossrail, die Güterverkehrstochter des
schaftslage und mit der Tatsache, dass     RM. Das gesamte Aktienkapital dieser
sich Kunden kaum mehr längerfristig        Unternehmung wurde bereits auf Jah-
binden liessen. Nach langem Hin und        resbeginn 2006 an die australische Be-
Her konnten Lösungen gefunden wer-         ratungs- und Investment-Gesellschaft
den, die unter dem Strich allen dienten,   Babcock & Braun verkauft.
Flexibilität auf beiden Seiten war dazu    Gut 500 RM-Mitarbeitende waren
notwendig. Diese Servicestelle hatte in    von dieser Fusion direkt betroffen. Ein
dieser Form nicht lange Bestand.           Grossteil von ihnen stufte diesen Vor-
2008 produzierte BLS Cargo um die          gang als „unfreundliche Übernahme“
26‘000 Züge. 2009 hingegen betrug          durch die BLS ein. Der Übergang zur
der Verkehrsrückgang volle 19 Pro-         BLS-Kultur bedeutete für sie, gegen ih-
zent. Die Produktionsleistung pendel-      ren Willen viel loslassen zu müssen.
te sich bei ca. 20‘000 Zügen pro Jahr      In dieser Schrift sind die RM-Mitar-
ein, bis 2013 die Zusammenarbeit mit       beitenden inhaltlich erst ab dem Zeit-
Railion Deutschland endete. Gemäss         punkt der Integration in die BLS AG
Geschäftsbericht gelang es BLS Cargo       miterwähnt. Dennoch soll an dieser
im selben Jahr, „die Basis für die Zu-     Stelle ein kurzer Abriss über die Ent-
kunft als unabhängiger Traktionsspezi-     stehung und Entwicklung der Bahnen
alist auf dem Nord–Süd-Korridor“ zu        im Emmental erfolgen:
legen. Das Kernelement dazu sei der
grenzüberschreitende Einsatz von BLS       1875 Emmentalbahn (EB) von Burg-
Cargo-Lokomotiven, schrieb die Un-              dorf nach Solothurn
ternehmung.                                1881 Burgdorf–Langnau (EB)
                                           1889 Langenthal–Huttwil (LHB)
Die Fusion von BLS und RM zur              1895 Huttwil–Wolhusen (HWB)
BLS AG                                     1899 Hasle-Rüegsau–Thun (BTB)
In der ersten Jahreshälfte 2006 stimm-     1908 Ramsei–Sumiswald–Huttwil
ten die Generalversammlungen von                und Zweiglinie nach Wasen
RM (Regionalverkehr Mittelland) und             (RSHB)
BLS Lötschbergbahn der Fusion zu.          1908 Solothurn–Moutier (SMB)
Damit wurde ein entscheidendes Ka-         1915 Huttwil–Eriswil (HEB)
pitel zu einer gut positionierten Unter-   Diese Eisenbahnen sollten den An-
nehmung im öffentlichen Verkehr vor-       schluss der erschlossenen Regionen an
läufig fertig geschrieben. Diese Fusion    die Welt garantieren. Dazu hatten Ge-
entsprach insbesondere den Vorgaben        meinden und Private teils grosse finan-
des Bundesrates, wonach künftig ne-        zielle Opfer erbracht und damit auch
ben der SBB noch zirka zwei weitere        die Verbundenheit zur Bevölkerung
Normalspur-Transportunternehmun-           sichergestellt. In der Region arbeiten
gen Bestand haben sollen. Am 27. Juni      zu können war dem Personal häufig
2006 startete die neue BLS AG opera-       wichtiger als auswärts bessere Löhne zu
18
verdienen. In jener Zeit waren die Sta-              Verbunden mit der Fusion zur BLS AG wur-
tionsvorstände die eigentlichen Mittels-             den die Strukturen der SEV-Sektionen VPT
personen und spielten in der ländlichen              Emmental und VPT BLS rasch hinterfragt,
Gegend oft eine wichtige Rolle.                      den aktuellen Gegebenheiten angepasst und die
Risikoreich war denn auch, die Burg-                 einzelnen Personalgruppen zusammengeführt.
dorf–Thun-Bahn als erste elektrische                 Zwischenzeitlich haben sich weitere Verände-
Vollbahn zu bauen. Der Versuch wur-                  rungen in der Organisationsform ergeben, die
de zum Erfolg und die Elektrifizierung               in der Abbildung unten ersichtlich sind:
bildete die Basis für ganz Europa.                   Aus Anlass des 75-Jahr-Jubiläums der
Mit der Zeit schlossen sich die verschie-            SEV-Sektion VPT Emmental wurde
denen Bahngesellschaften vorerst be-                 1992 eine eigene Schrift verfasst. Sie trägt
trieblich zusammen, woraus bis 1944                  den Titel „75 Jahre Sektion Emmental
die EBT (Emmental–Burgdorf–Thun-                     VPT“.
Bahn), die SMB (Solothurn–Mou-                       Die gute BLS-Krankenkasse
tier-Bahn) und die VHB (Vereinigte                   – bis zur Umsetzung des KVG
Huttwil-Bahnen) entstanden. Die Fu-
sion dieser Bahnen zum Regionalver-                  Wie erwähnt wurde die Kranken- und
kehr Mittelland wiederum erfolgte                    Hilfskasse für das BLS-Personal 1911
1997. Einzelne Linien wurden aber                    gegründet. Die Krankenkassen-Kom-
schon 1975 (Huttwil–Eriswil) und 1994                mission war durchwegs paritätisch
(Sumiswald–Wasen) auf Busbetrieb                     aufgebaut, Entscheide wurden ebenso
umgestellt. Die Bahnstrecke Sumis-                   gefällt. Nach einer Revision des Kran-
wald–Huttwil ist seit 2009 stillgelegt,              kenversicherungsgesetzes (KVG) waren
auch dort fahren jetzt Busse.                        die Bedingungen für die Krankenkas-

VPT BLS                        VPT Emmental          zusammengelegt                 aktualisiert

Bahndienstpersonal             Baudienstpersonal     Bahndienstpersonal

Elektrotechnik                 Monteurpersonal       Elektrotechnik                 Bau & Unterhalt

Rangier- und Bahnhofpersonal

Stationspersonal Betrieb und                         Stationspersonal Betrieb und
                               Bahnhofpersonal                                      Administration und Services
Verkauf SBV                                          Verkauf SBV

Schiffspersonal Thuner- und                          Schiffspersonal Thuner- und
Brienzersee                                          Brienzersee

Verwaltungspersonal            Verwaltungspersonal   Verwaltungspersonal

WAV Interlaken                                       WAV Interlaken

                               Werkstättepersonal    WAV Oberburg

WAV Spiez/Bern                                       WAV Spiez/Bern
                               Aufsichtspersonal

Pensionierte                   Pensionierte          Pensionierte ex BLS            Pensionierte BLS
                                                     Pensionierte ex Emmental

Einzelmitglieder                                     Einzelmitglieder

Zugpersonal                    Zugpersonal           Zugpersonal

LPV Aare                                             LPV Aare
                               Lokpersonal           LPV Emmental
LPV Lötschberg                                       LPV Lötschberg

                                                                                                             19
se BLS nicht mehr gegeben, weiterhin         se nicht allein zum Ziel führen würden.
selbstständig aufzutreten. Deshalb bot       Dazu kam die Inkraftsetzung des neuen
sie ab 1996 keine eigenen Zusatzver-         Freizügigkeitsgesetzes (FZG) auf 1995.
sicherungen mehr an. An deren Stelle         Damit verbunden mussten die Statuten
trat ein Kollektivvertrag mit der Vi-        der BLS-Personalvorsorgestiftung re-
sana. Die Visana übernahm auch das           vidiert werden. Das Absenken des De-
Inkasso der Prämien. Die Delegier-           ckungsgrads von 96.2 auf 86.5% war
tenversammlung der Krankenkasse              eine Folge davon. Zum Ausgleich der
BLS beschloss 1997 die gesamtheitli-         Deckungslücken gewährte der Bund
che Überführung auf den 1. Januar            den Pensionskassen eine Frist von zehn
2000 in die Visana. Deren Umgang             Jahren. Gleichzeitig durften keine Teu-
mit der BLS bei der Aushandlung der          erungszulagen auf den Renten mehr
Details und die Tatsache, dass die Vi-       gewährt werden.
sana in der Grundversicherung keine
                                             Aufgrund der zwischenzeitlich er-
konkurrenzfähigen Prämien mehr an-
bieten konnte, bewog die Leitung der         langten Grösse der BLS und deren
BLS-Krankenkasse zu einer grundle-           Pensionskasse sowie die zunehmende
genden Neuausrichtung. Als Resultat          Komplexität in dieser Sache wurde der
dieser Untersuchungen wurde an einer         Themenbereich immer schwieriger zu
ausserordentlichen       Delegiertenver-     handhaben. Dies und die bevorstehen-
sammlung beschlossen, mit der Kran-          den Pensionierung des damaligen Lei-
kenkasse KPT zu fusionieren, und das         ters war die Zeit für eine neue Lösung
bereits ein Jahr früher auf den 1. Janu-     definitiv gekommen.
ar 1999. Die Überführung verlief dann        Vorab die äusserst schwierige finanzi-
ohne nennenswerte Probleme. Zudem            elle Situation aber auch all die ande-
konnten die Mitglieder der ehemaligen        ren Veränderungen führten schliess-
Krankenkasse BLS vom übertragenen            lich zum Beschluss, sich auf 2001 hin
Vermögen noch bis Ende 2003 in Form          der Pensionskasse der Ascoop anzu-
von Prämienverbilligungen profitieren.       schliessen. Damit der Übergang von
                                             der Personalvorsorgestiftung BLS zur
Erst die Personalvorsorgestif-               Ascoop gelingen konnte, mussten sich
tung BLS, dann die Ascoop und                alle (Bund, Kanton, BLS und Personal)
aktuell die Symova                           daran beteiligen:
Lange Jahre stand nicht zur Diskussion,      -	Der Bund gibt seinen Segen dazu.
dass die Leistungen der Pensionskassen          Im Gegensatz zu seiner finanziellen
von Unternehmungen des öffentlichen             Unterstützung an die SBB-Pensions-
Verkehrs nicht vollumfänglich gedeckt           kasse beteiligt er sich aber nicht am
waren. Dennoch wurden Anstrengun-               Ausgleich der Unterdeckung.
gen unternommen, die Unterdeckung            -	Der Kanton Bern verzichtet auf Re-
der BLS-Personalvorsorgestiftung aus-           duktionen der Beiträge an Infrastruk-
zugleichen. So wurden auf 1995 ent-             tur und Verkehr.
sprechende Massnahmen beschlossen.           -	Zusammen mit diesem Übergang
Es zeigte sich allerdings rasch, dass die-      konnte die Sektion BLS zwei Vertre-
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ter in die wichtigsten Gremien der       meinschaftsstiftung nicht erfolgreich
 Ascoop – Vorstand und Genossen-          sein konnte. Deshalb wurde sie auf das
 schafts- resp. Stiftungsrat – stellen.   Jahr 2006 hin in eine Sammelstiftung
Integriert in die Ascoop ergaben sich     umgebaut. Zudem erfolgte der Wech-
wesentliche Verbesserungen für das        sel vom Leistungs- ins Beitragsprimat.
Personal:                                 Weil nicht alle angeschlossenen Unter-
-	Die Beiträge der Arbeitnehmenden       nehmungen den eingeschlagenen Weg
   wurden um 1,5% gesenkt. Diese          vollumfänglich tragen wollten, wurde
   Vergünstigung musste aber der Un-      für die sanierungswilligen und sanie-
   terdeckung wegen allerdings auf den    rungsfähigen Unternehmungen die
   1. Januar 2003 wieder rückgängig ge-   neue Sammelstiftung Symova auf Mit-
   macht werden.                          te 2010 gegründet. Die BLS trat der
-	Der Einkauf von Lohnerhöhungen         Symova ebenfalls bei.
   wurde für viele Versicherte wesent-    Die BLS richtete 2006 aus dem Kon-
   lich günstiger. Auch dieser Erfolg     zernergebnis einen Sanierungsbeitrag
   musste der späteren Unterdeckung       in der Höhe von 31 Mio. Franken an
   wegen wieder rückgängig gemacht        die Ascoop, im Jahr darauf waren es
   werden.                                sogar 38,5 Millionen, davon kam eine
-	Höhere Rentenleistungen im Leis-       Million von der BLS Cargo AG. Damit
   tungsprimat bei mehr als 40 Versi-     betrug der Deckungsgrad des BLS-Vor-
   cherungsjahren.                        sorgewerks bei der Ascoop-Sammelstif-
-	Die Pensionierung mit entsprechen-     tung im Januar 2008 rund 88 %. In
   der Rentenkürzung war ab 58 Jahren     den nächsten Jahren sollten weitere
   möglich.                               Zuschüsse den Deckungsgrad auf 100
-	Die Ascoop finanzierte bei vorzeiti-   % erhöhen, damit auch die Fusion der
   ger Pensionierung die halbe Über-      beiden Pensionskassen RM und BLS
   brückungsrente.                        vollzogen werden könne. Die Vorsorge-
Auf den 1. Januar 2002 erfolgten wei-     pläne wurden für alle Mitarbeitenden
tere Verbesserungen: Rentenzuschüsse      schon bei der Fusion der Unterneh-
für die Pensionierten, die Mindestinva-   mungen angeglichen.
lidenrente wurde auf 60% angehoben        „Die Sache ist also noch lange nicht
und die Gleichstellung der Konkubi-       ausgestanden. Wenn der Bund die
natspartner.                              Unterdeckungen seiner Pensionskas-
Das Platzen der Dotcom-Blase an den       sen und diejenigen der konzessionier-
Finanzmärkten ab Ende 2000 und            ten Transportunternehmungen früher
das Ausrichten von nicht finanzierten     noch ganz offiziell unterstützt hat, muss
Leistungen führten dazu, dass der De-     er nun nach seiner Abkehr von dieser
ckungsgrad nicht nur bei der Ascoop       Haltung auch hinstehen und mithelfen,
auf unter 75 Prozent sank. Die Sa-        diese Deckungslücken zu schliessen. Zu
nierung der Stiftung startete mit einer   lange wirkt sonst der Sanierungspfad
neuen Führung im Sommer 2003. Al-         als schier unüberwindbarer Sumpf
lerdings war bald klar, dass diese Ge-    für das Personal.“ (SEV-Sekretär Nick
                                                                                21
Raduner im Kommentar der Gewerk-          Beim „Personal mit Kundenkontakt“
schaftszeitung zu den Sanierungsbe-       stand das Thema Dienstkleider auch
mühungen der BLS, Mai 2008)               immer auf der Liste hängiger Themen.
Der Bund blieb bei seiner Haltung.        Das Sortiment wurde öfters den neuen
Aktuell ist dennoch klar: die Vorsorge-   Gegebenheiten und auch der Mode
werke BLS, BLS Cargo und Busland          angepasst. Aufreibend diskutiert wurde
weisen aktuell einen Deckungsgrad von     hingegen die Tragpflicht der Dienst-
über 100% aus. Dasselbe gilt auch für     mütze. Vorerst ging es dem Personal
die gesamte Stiftung.                     um die Lockerung der Tragpflicht bei
                                          heissem Wetter, später wurde deren
Bis zum Übergang der ehemaligen           Notwendigkeit grundsätzlich in Frage
RM-Angestellten von ihrer betriebs-       gestellt. Mit dem Wandel vom Kont-
eigenen Pensionskasse in die Symova       rolleur zum Begleiter im Zug und mit
vergingen erwartungsgemäss etliche        der Aufgabe der Aufsichtspersonen auf
Jahre. Voraus schon ging die Ren-         den Perrons rückte dieses emotional
ten-Administration an die damalige        diskutierte Thema in den Hintergrund.
Ascoop über. Die Vermögensanlagen         Dennoch: die Abschaffung der Mütze
wurden neu durch die Swisscanto Vor-      wurde beschlossen, bevor die letzten
sorge AG verwaltet. Den eigentlichen      Mitarbeitenden „draussen auf den
Übergang zur Symova beschlossen die       Bahnhöfen“ abgezogen wurden.
bei der Pensionskasse RM Versicherten
im Mai 2012 im Rahmen einer Urab-         Nach der Fusion von BLS und RM
stimmung, vollzogen wurde auf den 1.      sollte das Personal rasch mit einheitli-
Januar 2013, obwohl die Übertragung       chen Berufskleidern ausgerüstet wer-
noch viel zu diskutieren gab.             den. Die BLS-Personalkommission, in
                                          der sämtliche im SEV organisierten
Dienst- respektive Berufskleider          BLS-Mitarbeitenden vertreten sind
In den späten 1990-er Jahren rollte die   (siehe Seite 44), stellte deshalb wieder-
BLS-Personalkommission das The-           um Mitglieder in eine Arbeitsgruppe,
ma Dienstkleider für das nicht reprä-     testete neue „schützende Berufsklei-
sentative Personal neu auf. Dies nach     der“ und verhandelte über die Inhalte
massgeblichen technischen Weiterent-      des zu revidierenden Reglements.
wicklungen im Berufskleider-Bereich.
                                          Der sehr lange Weg zum GAV BLS
Statt der festen, überaus schweren und
nicht wettertauglichen Stoffe wurden      Mit dem Übergang vom Beamtenge-
effizientere entwickelt, die auch den     setz zum Bundespersonalgesetz 2001
steigenden Sicherheitsanforderungen       wurden die Regiebetriebe aufgefordert,
entsprachen. Eine SEV-Arbeitsgruppe       mit den Sozialpartnern Gesamtar-
entwickelte Optimal-Sortimente für die    beitsverträge auszuhandeln, die einen
einzelnen Berufskategorien. Diese wur-    gleichwertigen Übergang garantierten.
den in der Folge der BLS vorgestellt.     Damit begann für das SBB-Personal,
Daraus entstand ein weitgehend neues      später aber im öffentlichen Verkehr
Sortiment für die Arbeiterkategorien.     ganz allgemein, das GAV-Zeitalter.
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