212 Landtagskurier Ausgabe 2 | 2021 - Der Sächsische Landtag

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212 Landtagskurier Ausgabe 2 | 2021 - Der Sächsische Landtag
VK 2B 03058F

                                                                                          Landtagskurier
                                                                                          Ausgabe 2 |
                                                                                          2021

                                                                                              2 21
               Seite 14:             Seite 20:              Seite 21:
               Ausschüsse befragen   Neue Beauftragte für   Lernangebot
               Sachkundige zum       Aufarbeitung der       »Virtueller Landtagskoffer«
               Haushaltsentwurf      SED-Diktatur gewählt   geht online
212 Landtagskurier Ausgabe 2 | 2021 - Der Sächsische Landtag
EDITORIAL                                                                                                       I N H A LT

                                                                                                                                           PLENUM
                                                                            24. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                            Leben ohne Lockdown
                                                                            AfD-Fraktion fordert mit Antrag ein Ende
                                                                            der Corona-Schutzmaßnahmen........................................................................................ 4
                                                                            25. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                            Öffentliches Leben weiterhin stark eingeschränkt
                                                                            Fraktionen debattieren über das Vorgehen in der
                                                                            Corona-Pandemie ..........................................................................................................................6
                                                                            25. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                            Ein Herz für das Ehrenamt
                                                                            SPD-Fraktion will Förderung des freiwilligen Engagements
                                                                            weiter ausbauen............................................................................................................................... 7
                                                                            25. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                            Landwirtschaft am Scheideweg
                                                         Foto: S. Giersch   CDU-Fraktion sieht sächsische Interessen in der
                                                                            europäischen Agrarpolitik gefährdet..........................................................................8
Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger,
                                                                            26. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                            Keine Meinungsfreiheit ohne Widerspruch
für einen Moment war es am 3. März im Sächsischen Landtag ganz still.       Landtagsabgeordnete diskutieren lebhaft die Freiheit
Statt der sonst üblichen politischen Auseinandersetzungen hiel­ten          der Meinung ........................................................................................................................................9
die Abgeordneten aller Fraktionen für einen Moment inne und erho-
                                                                            26. Sitzung des Sächsischen Landtags
ben sich von ihren Plätzen. Den Anfang der 24. Plenarsitzung markierte
                                                                            Eine Frage der Menschlichkeit
eine Schweigeminute für die Opfer der Corona-Pandemie. Mehr als
                                                                            DIE LINKE setzt sich für einen befristeten
210 000 Menschen in Sachsen haben sich nachweislich mit dem Virus           Abschiebestopp ein................................................................................................................... 10
infiziert, über 8 400 Menschen sind an oder mit einer Infektion ge-
storben. Jeder einzelne Fall ist ein persönliches Schicksal, das mir        26. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                            Keine Rolle rückwärts
sehr nahegeht. Einen Moment des Innehaltens und der Anteilnahme
                                                                            BÜNDNISGRÜNE wollen Gleichberechtigung stärken..............................11
finde ich daher wichtig und notwendig. Am Karsamstag nahm ich
deshalb an der Gedenkveranstaltung der beiden christlichen Kirchen          27. Sitzung des Sächsischen Landtags
in Dresden teil. Der Schutz des menschlichen Lebens zählt zu den            Verlässlichkeit für die Kommunen
Kernaufgaben unserer Demokratie und muss auch weiterhin Ziel                Landtag beschließt Reform der Finanzbeziehungen
                                                                            zwischen Land und Kommunen ................................................................................... 12
aller Anstrengungen bleiben.
   Für die Überwindung der Pandemie sind neben den schmerzhaften                                                                     PA R L A M E N T
Beschränkungen vor allem das Testen und Impfen entscheidend.
                                                                            Elf Stunden Anhörung für 43 Milliarden Euro
Ich finde es ausgesprochen ermutigend, dass die Immunisierung
                                                                            Ausschüsse beraten den aktuellen Haushaltsentwurf......................... 14
der besonders gefährdeten Personen mittlerweile ihre erste Wir-
kung zeigt. Die Todeszahlen sind gesunken. Zusätzlich muss es ge-           Das Parlament in der»Stunde der Exekutive«
lingen, möglichst zügig den größten Teil unserer Bevölkerung zu             Die Mitwirkung des Landtags an den
                                                                            Corona-Schutzmaßnahmen .............................................................................................. 16
immunisieren. Jeder kann dazu beitragen und die Ȁrmel hochkrem-
peln«. Es ist eine echte Gemeinschaftsaufgabe.                              Laufende Gesetzgebung....................................................................................................... 18
   Jenseits des Innehaltens ist gegenwärtig nicht zu übersehen, dass
                                                                                                                                      AKTUELLES
der Motor des Landtags mit hoher Drehzahl läuft. Im März tagte das
Plenum in zwei Sondersitzungen, zahlreiche Ausschüsse hielten               30 Jahre Sächsischer Landtag........................................................................................ 19
außerplanmäßige Zusammenkünfte ab. Hinzu kommen die laufen-                 Neue Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
den Haus­haltsverhandlungen, die den Abgeordneten und Fraktio-              Dr. Nancy Aris übernimmt ab 1. Mai 2021
nen viel abverlangen. Über all diese Facetten der parlamentarischen         die Behördenleitung................................................................................................................. 20
Arbeit lesen Sie im neuen Landtagskurier.
                                                                            Ich packe meinen Koffer …
   »Ein jegliches hat seine Zeit«, heißt es in der Bibel. Dazu gehört
                                                                            Virtuelle Themenpakete führen Schüler und Lehrer
das aufrichtige Gedenken genauso wie das mutige Anpacken. In der            auf eine Reise durch den Landtag.............................................................................. 21
gegenwärtigen Situation finde ich diesen Ratschlag besonders tref-
fend. Er hält uns in einer produktiven Spannung aus Reflexion und                                                                   GESCHICHTE
Zuversicht.                                                                 Vom Palais Brühl zum Sächsischen Ständehaus
                                                                            Teil 4: Der Abriss und Verbleib des Palais Brühl......................................... 22

                                                                                                                                          SERVICE
                                                                            Weitere Informationen des Sächsischen Landtags................................ 24

                    Dr. Matthias Rößler
                    Präsident des Sächsischen Landtags
                                                                            // Titel: Blick von der Brühlschen Terrasse über die Abbruchstelle in Richtung
                                                                            Schloss und Hofkirche, 1901 // Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung,
2                                                                           Museen der Stadt Dresden (siehe Artikel auf den Seiten 22 – 23)
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PLENUM

                                                  Lockdownende, Ehrenamt,
                                                            Cancel Culture,
                                                    Finanzausgleichsgesetz

// Abgeordnete stimmen über das Finanzausgleichsgesetz ab. // Foto: M. Rietschel

  // Am 3. März 2021 debattierte der Sächsische Landtag in seiner 24. Sitzung
  über die Corona-Politik der Staatsregierung. Die Pandemie war auch ein
  Thema in der 25. und 26. Landtagssitzung. Die Abgeordneten befassten
  sich außerdem mit dem ehren­amtlichen Engagement, der europäischen
  Landwirtschafts­politik, der Meinungsfreiheit, der Asyl­politik sowie der
  Gleichstellung von Frauen. Die 27. Sitzung des Sächsischen Landtags am
  31. März widmete sich den Finanzbeziehungen von Land und Kommunen. //
                                                                                       3
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PLENUM

                                         24. Sitzung des Sächsischen Landtags

// Christian Hartmann        // Jörg Urban                     // Rico Gebhardt               // Franziska Schubert         // Frank Richter // Fotos: S. Floss

                            Dr. Daniel Thieme

                  Leben ohne Lockdown
                                       AfD-Fraktion fordert mit Antrag ein Ende der Corona-Schutzmaßnahmen

      // Am 3. März 2021 kam der Sächsische Landtag zu einer Sondersitzung zusammen. Auf der Tagesordnung stand ein Antrag
      der AfD-Fraktion mit dem Titel »Endlos-Lockdown beenden – Bürgern und Unternehmen eine klare Perspektive bieten«. In
      seinen einleitenden Worten erinnerte Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler an die mehr als 8 400 Menschen, die in Sachsen
      bisher an oder mit Covid-19 gestorben sind. Die Abgeordneten erhoben sich daraufhin zu einer Schweigeminute. //

      Staatsregierung:                       gegenwärtig die britische            Schnelltests die Chance,            oder »Corona-Leugner« auszu-
      Lockerungen nur                        Mutante, die um bis zu 50 Pro-       wieder mehr sichere Kontakte        grenzen. Demografiebereinigt
      mit Vorsicht                           zent ansteckender sei als das        zu ermöglichen.                     gebe es in Deutschland keine
                                             ursprüngliche Virus. Der Minis-                                          Übersterblichkeit, auch die
      Ministerpräsident Michael              terpräsident verwies aber auch                                           Intensivmedizin sei bisher zu
      Kretschmer, CDU, forderte in           darauf, dass es Anlass zur Hoff-     AfD: Kaum Einfluss auf              keinem Zeitpunkt überlastet ge-
      seiner Rede ein starkes Signal         nung gebe. Mit dem Beginn            Infektionsgeschehen                 wesen. Die Corona-Maßnahmen
      des Sächsischen Landtags,              des Frühlings und zunehmend                                              hätten keinen signifikanten
      dass die Pandemie noch nicht           besseren Wetters würden auch         Jörg Urban, AfD, zeichnete da-      Einfluss auf das Infektionsge-
      zu Ende sei. Man müsse in den          die Infektionszahlen sinken.         gegen ein vollkommen anderes        schehen gehabt, sie zerstörten
      kommenden Wochen diszipli-             Man habe in den vergangenen          Bild. Er verlangte, den Lockdown    im Gegenteil berufliche Existen-
      niert bleiben. Die Lockerungen         Monaten zudem die örtlichen          von Wirtschaft und Bildung um-      zen, die Schulbildung sowie die
      dürften nicht das zunichtema-          Gesundheitsdienste gestärkt          gehend zu beenden sowie die         psychische Gesundheit vieler
      chen, was man in den vergan-           und erhoffe sich Rückenwind          Grundrechte wiederherzustellen.     Bürger. Sechs von zehn Betrie-
      genen zwei Monaten unter               durch eine steigende Zahl von        Urban forderte die Staatsregie-     ben im Hotel- und Gaststätten-
      extremen Belastungen erreicht          Impfungen. Schließlich böten         rung auf, Kritiker nicht verbal     gewerbe stünden vor der
      habe. Zudem verbreite sich             die zunehmend verfügbaren            als »Verschwörungstheoretiker«      Insolvenz, die Auszahlung

      4                                                                                                                                  Ausgabe 2 2021
                                                                                                                                                  ˚
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PLENUM

von Hilfsgeldern gehe weiter         des kritisierte der CDU-Frak­       Differenzen in der Regierung        SONDERSITZUNGEN
nur schleppend voran. Die            tionsvorsitzende, dass diese        habe es auch an anderer Stelle      IN DER 7. WAHLPERIODE
Corona-Lage solle daher neu          viel zu lange gebraucht hätten.     gegeben. So habe Staatsminis-       (Stand: 31. März 2021)
bewertet werden und nicht allein     Die Politik verspiele Glaubwür-     terin Köpping ein Gesundheits-
vom Inzidenzwert abhängen.           digkeit, wenn Ankündigungen         notstandsgesetz angekündigt.        31. März 2021
                                     und ihre tatsächliche Umset-        Wenig später sei die Koalition      Beschluss über ein Gesetz
                                     zung nicht im Einklang stünden.     jedoch zurückgerudert und           zu den Finanzbeziehungen
CDU: Grenzschließ­ungen                                                  habe verlautbart, dass man          zwischen dem Freistaat Sachsen
waren schwere Ent­                                                       sich dabei noch uneins sei.         und seinen Kommunen, CDU,
scheidung               LINKE: Koalition                                                                     BÜNDNISGRÜNE und SPD
                        ist sich nicht einig
Die schwierige Situation, in der                                         BÜNDNISGRÜNE: Sorge                 3. März 2021
sich das Land befinde, liege         Rico Gebhardt, DIE LINKE, warf      vor Kontrollverlust                 Antrag auf Ende der Corona-­
nicht an der Politik, sondern        in seiner Rede der Staatsregie-                                         Maßnahmen, AfD
allein an dem mutierten Virus,       rung Uneinigkeit und Wankel-        Franziska Schubert, BÜNDNIS-
entgegnete Christian Hartmann,       mütigkeit vor. So habe Staats-      GRÜNE, setzte sich vor allem        19. November 2020
CDU. Die AfD potenziere die          minister Piwarz erst angekündigt,   inhaltlich mit dem Antrag der       Antrag auf Ablehnung des Dritten
Ängste und Sorgen der Men-           die Winterferien streichen zu       AfD-Fraktion auseinander.           Gesetzes zum Schutz der Bevöl-
schen, bleibe aber Antworten         wollen. Tage später taten dann      Dieser spreche von dauerhaft        kerung bei einer epidemischen
schuldig. Die aktuelle Situation     die Koalitionspartner BÜNDNIS-      geöffneten Schulen und Kitas,       Lage, AfD
in Sachsen sei zwar besser           GRÜNE und SPD kund, dies ver-       einer florierenden Wirtschaft
geworden, aber angesichts der        hindert zu haben. In einem an-      und ungehinderter gesellschaft-     9. April 2020
Entwicklung in Tschechien müs-       deren Fall habe Piwarz erklärt,     licher Teilhabe. Die Begründung     Antrag auf Feststellung der
se man vorsichtig bleiben. Die       dass gerade die ganz kleinen        dafür sei beim genaueren            »außergewöhnlichen Not­
Grenzschließungen seien eine         Kinder nicht das Problem beim       Hinschauen jedoch überaus           situation« nach Artikel 95 der
richtige, wenn auch schwierige       Pandemiegeschehen seien.            wacklig. Sie stütze sich nämlich    sächsischen Landesverfassung,
Entscheidung gewesen. Sie            Wenn diese Gruppe aber keine        unter anderem auf eine Studie,      CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD
hätten insbesondere Unterneh-        Infektionstreiber seien, warum      die einen Lockdown grundle-
men, soziale Einrichtungen und       sollten dann Grundschul­lehrer      gend für richtig und geboten        15. November 2019
Krankenhäuser in den Grenz­          und neuerdings alle Lehrer be-      erachte. Die Folge einer voll-      Antrag auf Einsetzung einer
regionen getroffen. Nun hoffe        vorzugt geimpft werden, fragte      ständigen Lockerung wäre hin-       Enquetekommission zum
man darauf, dass sich die Lage       Gebhardt kritisch. Das Beispiel     gegen ein Kontrollverlust, der      Thema ländlicher Raum, AfD
bald wieder normalisiere. Bei        zeige, dass die Argumentation       zu einem ständigen Öffnen und
den Wirtschaftshilfen des Bun-       des Ministers nicht stimme.         Schließen führen würde. Es
                                                                         dürfe nicht wieder zu einer
                                                                         Situation wie damals in Zittau
                                                                         kommen, als man kurz vor der        ab, da sie unverantwortlich
                                                                         Triage gestanden habe. Die          seien. Die aufgetretenen Virus-­
                                                                         Krematorien hätten in dieser        Varianten würden geradezu
                                                                         Zeit an ihrer Belastungsgrenze      eine andere Bewertung der
                                                                         gearbeitet. Dennoch müsse           Lage erzwingen. Richter regte
                                                                         man auch über das Thema Öff-        in seiner Rede vor allem dazu
                                   »In einer Zeit
                                                                         nungen sprechen. Dazu zähle         an, für einen Moment den vor-
                                   steigender Inzidenzen                 der Ansatz, dass ein sicherer       handenen Tunnelblick aufzu­
                                   in Größenordnungen                    Schul- und Kitabetrieb wichtiger    brechen. Er frage sich, wie
                                   Lockerungen                           sei als offene Baumärkte.           Historiker in zehn Jahren auf
                                   vorzunehmen, wäre                                                         diese Menschheitskrise blicken
                                   extrem fahrlässig.«                                                       würden. Man werde dann hof-
                                                                         SPD: Hoffnung auf                   fentlich sagen, dass die Gesell-
                                                                         moralische Substanz                 schaft so stark war, das Virus
                                                                         in der Krise                        effektiv zu bekämpfen. Viel-
                                                                                                             leicht stelle man dann sogar
                                                                         Dem Antrag liege ein eigenartiges   fest, dass die Gesellschaft auch
                                                                         Politikverständnis zugrunde,        die moralische Substanz und
                                                                         befand Frank Richter, SPD. Poli-    politische Klugheit besessen
       24. Sitzung des Sächsischen Landtags                              tik basiere zwar auf Erkenntnis-    habe, zu begreifen, dass man
                      // Michael Kretschmer
                                                                         sen der Wissenschaft, aber sie      in einer Phase der Menschheits­
                                                                         bestätige diese nicht. Seine        geschichte stehe, in der man
                                                                         Fraktion lehne die geforderten      endlich Frieden mit der Natur
                                                                         Öffnungen in fast allen Fällen      schließen müsse.

Ausgabe 2 2021                                                                                                                              5
         ˚
212 Landtagskurier Ausgabe 2 | 2021 - Der Sächsische Landtag
PLENUM

         Dr. Thomas Schubert

                                                                                25. Sitzung des Sächsischen Landtags
// Staatsministerin Petra Köpping //

                               Öffentliches Leben
Foto: S. Floss

                          weiterhin stark eingeschränkt
                                Fraktionen debattieren über das Vorgehen in der Corona-Pandemie

// Die 25. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags am 24. März 2021 hatte als zweiten                Gesellschaft. Es sei daher auch Aufgabe des
Tagesordnungspunkt den Bericht der Staatsregierung zur Corona-Pandemie zum                       Landtags, jene zu stärken, die sich an die
                                                                                                 Regeln hielten. Er empfehle daher in Sach-
Gegenstand. Geprägt war die Debatte u. a. von Fragen nach Erfolgen, Kritik und
                                                                                                 sen unverändert einen Runden Tisch zur
Perspektiven in der Pandemie. //                                                                 Bewältigung der Coronakrise.

Handeln und Irrtum                                hinterfrage und zur Vernunft zurückkehre,      Perspektiven geben
                                                  halte sie weiter an Grundrechtseinschrän-
Sachsen habe nach wie vor sehr hohe In­           kungen fest.                                   Die Pandemie sei eine Naturkatastrophe,
fektionszahlen, leitete Sozialministerin Petra                                                   be­tonte auch Kathleen Kuhfuß, BÜNDNIS-
Köpping, SPD, ein. Zudem belegten wieder                                                         GRÜNE, der man selbst nach einem Jahr
zunehmend Corona-Patienten die Intensiv­          Dritte Welle brechen                           Dauer weithin machtlos gegenüberstehe. Die
stationen in den Krankenhäusern. Ursächlich                                                      Menschen seien erschöpft und bräuchten
dafür seien die Virusmutationen. Parallel         Man befinde sich zurzeit in der schwersten     Perspektiven, die zahlreichen Nebenwirkun-
würde in Sachsen die Impf- und Testkapazität      Phase dieser weltweiten Pandemie, so           gen der ergriffenen Maßnahmen würden im-
gesteigert. Staatsministerin Barbara Klepsch,     Alexander Dierks, CDU. Es sei eine Naturka-    mer spürbarer, die vom Bund beschlossenen
CDU, betonte, wie hart die Folgen der Pan-        tastrophe, der man jeden Tag neu begegnen      Hilfsgelder flössen zu langsam. Es sei in
demie für die Bereiche Kultur und Tourismus       müsse. Es gebe da keinen Königsweg. Die        Sachsen nötig, die Maßnahmen besser zu
seien. Der Freistaat unterstütze hier nach        oberste Priorität in der Pandemiebekämpfung    koordinieren und mit mehr Weitblick zu han-
Kräften, so seien im künftigen Landeshaus-        sei es, dass möglichst wenige Menschen an      deln.
halt allein 27,4 Millionen Euro für den Touris-   Corona sterben und jeder Erkrankte auf             Für die SPD-Fraktion sprach Frank Richter
mus veranschlagt.                                 höchstem medizinischen Niveau behandelt        zum Thema Kunst und Kultur in der Pandemie.
    Die Corona-Politik der Bundesregierung        werde. In Deutschland müsse man daher die      Viele Künstler und Kulturschaffende seien in
und der sächsischen Landesregierung sei von       dritte Infektionswelle unbedingt brechen.      Existenznot. Er ermutige deshalb die Staats-
Irrtümern und Unfähigkeit geprägt, kritisierte       Man erlebe im Kontext der Corona-Pan-       regierung, Lösungen zu schaffen und dringend
Jörg Urban, AfD. Die Lockdown-Politik des ver­    demie viele unerfüllte Ankündigungen und       benötigte Hilfsgelder freizugeben. Ferner
gangenen Jahres habe gigantische Schäden          Versprechungen, hob Rico Gebhardt, DIE         er­fordere die Pandemie ein Nachdenken über
angerichtet, ohne dass sie einen quantifizier­    LINKE, an. Die Menschen spürten, dass etwa     unsere Art des Zusammenlebens und Arbei-
baren Nutzen gehabt hätte. Alle verkündeten       im Bereich der Digitalisierung oder staatli-   tens. Man benötige eine Debatte in der Gesell­
Horrorszenarien seien nicht eingetreten. Doch     chen Fürsorge Mängel aufträten. Gleichzeitig   schaft, wie man künftig widerstandsfähiger
anstatt dass die Regierung ihre Maßnahmen         verschärfe die Pandemie die Spaltung der       gegen Krisen werden könne.

6                                                                                                                             Ausgabe 2 2021
                                                                                                                                       ˚
212 Landtagskurier Ausgabe 2 | 2021 - Der Sächsische Landtag
PLENUM

// Das Thema »Von Mensch zu Mensch: Das Ehrenamt
stärken, den sozialen Zusammenhalt fördern« stand auf
der Tagesordnung der 25. Sitzung des Sächsischen Land-
tags. Beantragt hatte es die SPD-Fraktion. //

                         25. Sitzung des Sächsischen Landtags                                                       // Simone Lang // Foto: S. Floss

                                                                                Dr. Daniel Thieme

                      Ein Herz für das Ehrenamt
                  SPD-Fraktion will Förderung des freiwilligen Engagements weiter ausbauen

Förderung zeigt Erfolge                          auf, zentralisiere die Vereinsarbeit und      ebenfalls zusätzliche Stellen ermöglichen.
                                                 schwäche damit die Individualität der Ver­    Junge Menschen leisteten damit einen Bei-
Menschen, die sich tagtäglich für den ge­        eine. Um das Ehrenamt zu stärken, sollte      trag zum Gemeinwohl. Er sei außerdem eine
sell­­schaftlichen Zusammenhalt einsetzten,      man in erster Linie die Ehrenamtspauschale    Chance, sie für Berufe zu begeistern, in denen
bräuch­  ten mehr Unterstützung, forderte        erhöhen. Diese hinke seit Jahren hinterher.   Fachkräfte fehlten.
Simone Lang, SPD. Man werde daher zu-            Weiterhin müssten die Rahmenbedingungen          Ehrenamtliche hätten während der Pande­
künftig die Aus- und Weiterbildung von Ju-       der Vereinsarbeit, insbesondere der Büro-     mie unglaublich fleißig geholfen, unterstrich
gendleitern beitragsfrei ermöglichen. Ehren-     kratieabbau, in den Fokus der Staatsregie-    Sozialministerin Petra Köpping, SPD. In
amtsprogramme müssten im kommenden               rung rücken.                                  Sach­ sen erhielten 22 000 Menschen eine
Doppelhaushalt abgesichert werden, Kür-             Die Entwicklung der Zahlen zum Ehren-      Ehrenamtspauschale. Man könne mehr tun,
zung werde man nicht hinnehmen. Bei der          amt liefere überhaupt keinen Grund zum        müsse aber auch darauf achten, wie und wo
Bürokratie müssten Aufwand und Nutzen im         Feiern, so Susanne Schaper, DIE LINKE. So     man in diesen Zeiten Geld ausgebe. Ein Er-
richtigen Verhältnis stehen, digitale Struktu-   seien Gelder zur Teilhabe älterer Menschen    folg sei vor allem, dass nicht gekürzt werde.
ren sollten gestärkt werden.                     oder zur Stärkung ehrenamtlicher Struk­       Die Kritik an der Ehrenamtsagentur wies
   Kay Ritter, CDU, zitierte eine größere Um-    turen in den Kommunen gekürzt worden.         Köpping zurück. Diese helfe vor allem
frage, nach der die Zahl der Ehrenamt­lichen     Für Tierheime und die Tafeln, die aufgrund    kleinen Vereinen bei der Gründung und in
in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich      der Corona-Pandemie in einer schwierigen      Fördermittelfragen.
gestiegen sei. Zudem verzeichne man erst-        Situation seien, gebe es ebenfalls keine
mals keinen Unterschied im Enga­      gement     höhere Unterstützung. Gespart werden dürfe
von Frauen und Männern. Es sei ein großer        zukünftig auch bei den freiwilligen Feuer-
Erfolg, dass die Förderung des Ehrenamts in      wehren nicht.
Sachsen im Umfang von 11 Millionen Euro
fortgeführt werde. Davon profitierten am
stärksten die Bereiche Kultur und Sport so-      Bürgerbeteiligung stärken
wie Vereine im Freizeitbereich.                                                                  Gedenken an
                                                                                                 Heinz-Dieter Tempel
                                                 Der Haushaltsentwurf zeige, dass die Koali-
                                                 tion zivilgesellschaftliches Engagement         Am 19. Februar 2021 verstarb der ehemalige
                                                                                                 Landtagsabgeordnete Heinz-Dieter Tempel.
Ehrenamtspauschale erhöhen                       gemeinsam mit mehr Bürgerbeteiligung in
                                                                                                 Er gehörte von 1990 bis 1994 der SPD-Fraktion
                                                 Sachsen fördern wolle, hob Ines Kummer,         an und war stellvertretender Vorsitzender des Aus-
Doreen Schwietzer, AfD, kritisierte die vom      BÜNDNISGRÜNE, hervor. Dazu gehöre bei-          schusses für Soziales, Gesundheit, Familie und
Freistaat Sachsen gegründete Ehrenamts­          spielsweise das Programm »Orte der Demo-        Frauen sowie Mitglied des Petitionsausschusses.
agentur. Diese löse gewachsene Strukturen        kratie«. Beim Freiwilligendienst wolle man

Ausgabe 2 2021                                                                                                                                    7
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212 Landtagskurier Ausgabe 2 | 2021 - Der Sächsische Landtag
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                                                           25. Sitzung des Sächsischen Landtags
// Georg-Ludwig von Breitenbuch, Jörg Dornau, Antonia Mertsching, Volkmar Zschocke,
Volkmar Winkler, Wolfram Günther // Fotos: S. Floss
                                                                                                              Dr. Daniel Thieme

Landwirtschaft am Scheideweg
                             CDU-Fraktion sieht sächsische Interessen in der europäischen Agrarpolitik gefährdet

// Eine Aktuelle Debatte der 25. Sitzung des Sächsischen Landtags am 24. März 2021
befasste sich mit dem Thema: »Ausgestaltung der GAP-Reform nach 2023 – die
Interessen der sächsischen Landwirtschaft sichern«. Der Antrag stammte von der
CDU-Fraktion. //
                                                                                                         Keine Umverteilung
                                                                                                         von Ost nach West
Wettbewerbsfähige                                        Flächenprämien allein
Landwirtschaft bewahren                                  nicht zielführend                               Auch innerhalb Sachsens gingen die Vor-
                                                                                                         stellungen der zukünftigen Agrarpolitik weit
Derzeit liefen Verhandlungen, um die nächste             In Sachsen habe man 30 Jahre lang die Inte-     auseinander, befand Volkmar Winkler, SPD.
Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik               ressen der konventionellen Landwirtschaft       Das hätten nicht zuletzt die vielen Kundge-
(GAP) zu entwickeln, tat Georg-Ludwig von                ver­treten, so Antonia Mertsching, DIE LINKE.   bungen der unterschiedlichen Interessen-
Breitenbuch, CDU, kund. Die ländlichen                   Seit der Wiedervereinigung habe ein starker     verbände in Sachsen gezeigt. In einem seien
Räume und ihre Betriebe sowie generell die               Konzentrations­prozess stattgefunden. Im Ge­    sich aber fast alle einig: Eine Kürzung der
Interessen der sächsischen Landwirtschaft                treideanbau be­wirtschafteten heute 1 000 Be­   Mittel der ersten Säule, darunter der Flächen­
sollten dabei im Mittelpunkt stehen. Bei den             triebe weniger die gleiche Flächengröße wie     prämien, lehne man ab. Damit wäre ein Aus­
Verhandlungen gehe es im Kern darum, ob die              noch 1995. Den Wettbewerb könne man aber        schluss bestimmter Betriebsgrößen in Sach-
moderne, wettbewerbsfähige Landwirtschaft                auch anders organisieren, etwa durch Bindung    sen und eine Umverteilung von Ost nach
in Sachsen bestehen bleibe oder geschwächt               der Fördergelder an sozialversicherungs-        West verbunden.
werde.                                                   pflichtige Arbeitsplätze oder faire Preise.        Landwirtschaftsminister Wolfram Günther,
   Von jedem Euro, den Deutschland nach                      Volkmar Zschocke, BÜNDNISGRÜNE, ver-        BÜNDNISGRÜNE, appellierte, nicht in Graben­
Brüssel zahle, erhalte es nur 44 Cent zurück,            wies in seiner Rede auf den Klimawandel, das    kämpfen zwischen Ökologie und Ökonomie
rechnete Jörg Dornau, AfD, vor. Bei der GAP              Artensterben und die Flächenversiegelungen.     zu verharren. Es gehe vielmehr um Nachhal-
sehe es kaum besser aus. Man solle daher                 Das alte System der flächenbezogenen Direkt­    tigkeit. Was man an ökologischen Mechanis­
die Verantwortung für die heimische Land-                zahlungen werde diesen Herausforderungen        men in die Förderungen einbaue, müsse echte
wirtschaft wieder selbst in die Hand nehmen,             nicht mehr gerecht. Die Landwirtschaft könne    ökonomische Anreize bieten. Durch Um-
anstatt bei der Finanzierung den Umweg über              dennoch ein Teil der Lösung sein. Je mehr       schichten der Fördermittel weg von direkten
die EU zu gehen. Auf europäischer Ebene                  Zahlungen an Umwelt- und Klimaschutzmaß­        Flächensubventionen nehme man den säch-
konnte man sich auch in der 46. Verhand-                 nahmen geknüpft würden, desto mehr wer-         sischen Landwirtschaftsbetrieben nichts weg,
lung nicht auf eine neue Förderperiode ver-              de dies auch dem Einsatz der sächsischen        auch sie könnten Gelder für Umwelt- und
ständigen. Das sei unverantwortlich.                     Betriebe für Umweltziele gerecht.               Klimamaßnahmen abrufen.

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                                                                                                                                               ˚
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Keine Meinungsfreiheit ohne Widerspruch
                       Landtagsabgeordnete diskutieren lebhaft die Freiheit der Meinung

// Die erste Aktuelle Debatte der                  das linke Milieu, sei oft jedoch der Versuch     Ein Wesenskern der demokratischen Öffent-
26. Sitzung des Sächsischen Landtags               der AfD, Kritik zu generalisieren. Man müsse     lichkeit sei eben die angenommene Kritik.
                                                   schon genau schauen, aus welcher Richtung
befasste sich mit dem Thema
                                                   und mit welcher Intention das Thema vorge-
»Intoleranz entgegentreten – Cancel                bracht werde.                                    Den Diskurs ermöglichen
Culture canceln!« und wurde von
der AfD-Fraktion beantragt. //                                                                      Die AfD sei in Deutschland der Motor für
                                                   Gegen Sprachdiskriminierung                      Empörung, leitete Hanka Kliese, SPD, ein.
                                                                                                    Bewusst verdrehe sie Fakten, etwa wenn sie
Kultur des Ausgrenzens                             Der Begriff Cancel Culture ersetze zunehmend     behaupte, die Staatsregierung stehe unserer
                                                   den Kampfbegriff der Political Correctness,      Demokratie feindlich gegenüber. Die Debat-
Der Meinungskorridor würde immer mehr              so Sarah Buddeberg, DIE LINKE. Unter dem         ten zum Thema Cancel Culture hätten viel
verengt, Personen des öffentlichen Lebens          Deckmantel von Satire und Humor werde der        mit Emotionalität und Aggression zu tun, die
würden stummgeschalten, der Diskurs an den         kalkulierte Tabubruch begangen, wer sich         daraus entstünde, weil eine Gruppe von
Universitäten reduziere sich, leitete Thomas       dagegen verwahre, würde diffamiert. Sie          Menschen sich in ihren Grundrechten einge-
Kirste, AfD, ein. Cancel Culture sei eine Kultur   plädiere daher für eine sensible und diskri-     schränkt sehe. Man müsse indes die Lebens­
des Absagens und des Ausgrenzens. Es sei           minierungsfreie Sprache, bei der Empa­thie       realität von Minderheiten anerkennen und
eine Unkultur, der Ausdruck eines linken           und Menschlichkeit im Zentrum stünden.           so Diskurse ermöglichen.
Modernismus, die auch in Deutschland und           Sprachsensibilität sei eine wichtige zivilisa-      Für die Regierung sprach die Staats­minis­
in Sachsen Einzug halte. Im Kern gehe es ihr       torische Errungenschaft.                         terin der Justiz und für Demokratie, Europa
um das Verhindern anderer Meinungen und               Die AfD habe die Meinungsfreiheit nicht       und Gleichstellung, Katja Meier, BÜNDNIS-
nicht darum, sich einer Diskussion zu stellen.     verstanden, sie verstehe nicht, was demo-        GRÜNE. Eine offene Gesellschaft kenne keine
   Das Thema der sozialen Ächtung sei              kratische Öffentlichkeit sei, so Valentin        staatlichen Hohepriester der Meinungsfin-
nicht neu, so Oliver Fritzsche, CDU. Ob das        Lippmann, BÜNDNISGRÜNE. Es entspreche            dung. Die Meinungsfreiheit finde wiewohl
altgriechische Scherbengericht, der Pranger        nicht der Realität, dass man in Deutschland      ihre Schranken, etwa dort, wo aus Meinung
oder die dunklen Kapitel der deutschen Ge-         nicht mehr seine Meinung sagen dürfe. Oft        Beleidigung und aus Kritik Hass erwachse.
schichte, in der zum Boykott von Personen          gehe es den rechten Kreisen nur um Meinungs­     Die Meinungsfreiheit sei ein wichtiges Grund­
aufgerufen worden sei. Der Vorwurf der Cancel      äußerung ohne Widerspruch. Es gebe aber          recht, aber keine Einladung, Menschen in
Culture richte sich heute zwar meist gegen         keine Meinungsfreiheit ohne Widerspruch.         irgendeiner Form herabzuwürdigen.

// Thomas Kirste // Foto: O. Killig

                                                                               26. Sitzung des Sächsischen Landtags

                                                                                                                             www.landtag.sachsen.de

Ausgabe 2 2021                                                                                                                                  9
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Eine Frage der Menschlichkeit                           DIE LINKE setzt sich für einen befristeten Abschiebestopp ein
          26. Sitzung des Sächsischen Landtags

     // DIE LINKE beantragte in der Landtagssitzung am 25. März 2021 eine Aktuelle
     Debatte zum Thema: »Faisal Jahangir aus Meißen ist kein Einzelfall: Humanes
     Bleiberecht statt Nerven-Poker – Abschiebemoratorium jetzt!«. //

                                                                                                       // Frank Richter und Rico Gebhardt // Fotos: O. Killig

Verfahren beschleunigen                          habt. Dieser Fall sei keineswegs selten,          Das Asylrecht für politisch Verfolgte sei ein
                                                 denn von circa 14 000 ausreisepflichtigen         hohes Gut, so Innenminister Prof. Dr. Roland
Es passiere häufiger, dass gut integrierte       Ausländern in Sachsen hätten 6 000 keinen         Wöller, CDU. Man müsse daher aufpassen,
Menschen wie Faisal Jahangir irgendwann          Pass und würden deswegen geduldet. Es sei         dass es nicht missbraucht werde. Nur so er-
abgeschoben würden, mahnte Juliane Nagel,        aber nicht hinnehmbar, dass sich diese Per-       halte man die Bereitschaft, Flüchtlinge und
DIE LINKE. Es bedürfe daher grundsätzlicher      sonen auf Kosten des deutschen Steuerzah-         Asylbewerber in Deutschland aufzunehmen.
Änderungen, beispielsweise eines Abschiebe­      lers rechtswidrig in diesem Land aufhielten.      Mit dem Fall von Faisal Jahangir hätten sich
stopps während der Corona-Pandemie. Für             Faisal Jahangir sei kein Einzelfall, stimmte   insgesamt sieben Gerichtsurteile beschäf-
diesen gebe es auch eine gesetzliche Grund­      Petra Čagalj Sejdi, BÜNDNISGRÜNE, dem             tigt, mit dem Ergebnis, dass er vollziehbar
lage. Nagel wies zudem auf die Zusammen-         Debattentitel zu. Dennoch seien es genau          ausreisepflichtig sei. Für die Bundes­länder
setzung der sächsischen Härtefallkommission      diese Einzelfälle, die die Gesellschaft wach-     gebe es keine Möglichkeit, einen generellen
hin und kritisierte, dass die für Entscheidun-   rüttelten und aufzeigten, dass die Asylpolitik    Abschiebestopp zu erlassen.
gen notwendige Zweidrittelmehrheit zu hoch       in Deutschland unmenschlich und unge-
sei.                                             recht sei. Letztlich helfe nur eine grund­
   Der Fall Jahangir eigne sich nicht als Be-    legende Änderung im Asylgesetz und im             // Juliane Nagel
gründung für ein Abschiebemoratorium,            Aufenthaltsgesetz. Spielräume, um etwas zu
hielt Rico Anton, CDU, entgegen. Er böte         bewirken, gebe es jedoch auch in Sachsen
vielmehr Anlass, deutlich gestraffte und         und nicht nur auf Bundesebene.
schnellere Verfahren in Gang zu bringen.
Faisal Jahangir lebe seit fast 13 Jahren noch
immer in Deutschland, obwohl er zu keinem        Abschiebestopp unzulässig
Zeitpunkt schutzbedürftig war. Die Gerichte
hätten geurteilt, dass er wissentlich über       Frank Richter, SPD, appellierte an Innen­
seine Identität getäuscht habe. Für eine         minister Wöller, eine humanitäre Lösung für
mögliche Verfolgung in Pakistan gebe es          Faisal Jahangir zu finden. Er beschäftige sich
keine Anhaltspunkte.                             seit ungefähr anderthalb Jahren intensiv mit
                                                 diesem Fall. Jahangir und seine Frau hätten
                                                 ihn oft in seinem Bürgerbüro in Meißen auf-
Einzelfälle sollen aufrütteln                    gesucht. Eine Identitätstäuschung könne
                                                 Richter nicht erkennen, sondern lediglich
Sebastian Wippel, AfD, erklärte, dass Faisal     einen Fehler. Auch wenn er sich für einen
Jahangir im Jahr 2008 illegal nach Deutsch-      Verbleib des Mannes einsetze, lehne er einen
land eingereist sei. Er habe keinen Pass         allgemeinen Abschiebestopp, wie ihn die
vor­gelegt und keinen Anspruch auf Asyl ge-      LINKE fordere, ab.

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                                                                                                                                                ˚
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                                                                                                       »Frauen in der Corona-Krise –
                                                                                                       gesellschaftliche Rückschritte
                                                                                                       vermeiden und Gleich­
                                                                                                       berechtigung stärken«
                                                                                                       beantragte am 25. März 2021
                                                                                                       die Fraktion BÜNDNISGRÜNE. //

// Lucie Hammecke // Foto: O. Killig             26. Sitzung des Sächsischen Landtags

                                                                                                      Dr. Daniel Thieme

                         Keine Rolle rückwärts
                                 BÜNDNISGRÜNE wollen Gleichberechtigung stärken

Pandemie verschärft Probleme                    Solidarität statt Identitätspolitik               Strukturelle Ungleichheit

Häusliche Gewalt sei kein neues Problem,        Die BÜNDNISGRÜNEN verbänden das Krisen­           Hanka Kliese, SPD, machte deutlich, dass es
aber es habe sich durch die Corona-Pandemie     thema mit ihren Vorstellungen von Identi-         unabhängig vom eigenen Erleben in der
verschärft, so Lucie Hammecke, BÜNDNIS­         täts- und Geschlechterpolitik, warf Martina       Gesellschaft immer noch eine strukturelle
GRÜNE. Als Beleg verwies sie auf die Polizei-   Jost, AfD, der antragstellenden Fraktion vor.     Ungleichbehandlung von Frauen und Männern
liche Kriminalstatistik des Jahres 2020. An-    Anstatt Identitätspolitik brauche man viel-       gebe. Um daran etwas zu ändern, benötige
dere Studien zeigten, dass Frauen während       mehr eine neue Solidarität in der Gesellschaft,   man jenseits aller politischen Instrumente
des Lockdowns, als Kitas und Schulen ge-        wie es kürzlich Wolfgang Thierse gefordert        vor allem die Bereitschaft der Männer, für
schlossen waren, mehr Kinderbetreuungs-         habe. Für die Fälle von Unrecht gegenüber         Erziehungszeiten zu Hause zu bleiben. In
zeiten übernommen hätten. Sollte sich dies      Frauen gebe es Gerichte und Institutionen,        der Coronakrise hätten aber vor allem die
verstetigen, hätte das unter anderem negative   die sich um Gleichstellung und Gleichbe-          Frauen häufiger traditionelle Aufgaben wie
Auswirkungen auf die Lohngerechtigkeit.         rechtigung kümmerten.                             die Kinderbetreuung übernommen.
   Daniela Kuge, CDU, stimmte ihrer Vorred-        Es gehe in der Debatte nicht darum, dass          Die diskutierten Probleme seien auch
nerin zu. Existenzsorgen, Quarantäne und        Frauen nicht in der Küche sein dürften, stellte   über die Coronakrise hinaus noch vorhan-
Einschränkungen der Bewegungsfreiheit hät-      Sarah Buddeberg, DIE LINKE, klar. Auch müss­      den, gab Gleichstellungsministerin Katja
ten zu einem deutlichen Anstieg von häus­       ten nicht alle Karriere machen. Vielmehr gehe     Meier, BÜNDNISGRÜNE, zu bedenken. Man
licher Gewalt geführt. Nach wie vor seien       es darum, dass die Frage nach Familie, Kar-       müsse grundsätzlich daran arbeiten, dass
Frauen und Mädchen in Deutschland nicht         riere oder beidem eine freie Entscheidung         Frauenrechte im Fokus blieben. Eine funda-
ausreichend geschützt, man müsse daher          bleibe. Aktuell sei es jedoch eher ein struk-     mentale Benachteiligung von Frauen zeige
das Hilfsnetz weiter ausbauen. Ein Problem      turelles Problem. So reduzierten Frauen im        sich etwa darin, dass es besser bezahlt
gebe es auch mit Prostitution. Frauen, die      Falle von Homeschooling oder der Pflege           werde, ein Auto zu reparieren, als einen
zuvor schon in der Illegalität arbeiteten,      von Angehörigen eher ihre Erwerbsarbeit,          Menschen zu pflegen oder Kinder zu betreu-
seien in der aktuellen Zeit noch unsichtbarer   weil sie häufiger das geringere Einkommen         en. Die Krise habe gezeigt, welche Berufe
geworden.                                       hätten.                                           wirklich systemrelevant seien.

Ausgabe 2 2021                                                                                                                             11
         ˚
PLENUM

                                                     // Das »Dritte Gesetz zu den Finanzbeziehungen zwischen dem Freistaat
                                                     Sachsen und seinen Kommunen« war das Thema einer Sondersitzung des
                                                     Sächsischen Landtags am 31. März 2021. Das Gesetz wurde mit den Stimmen
                                                     der Koalitionsfraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD angenommen. //

Foto: M. Rietschel           27. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                                                  Dr. Daniel Thieme

Verlässlichkeit für die Kommunen
                 Landtag beschließt Reform der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen

Gerechte Finanzverteilung                         Unterfinanzierte Kommunen                        Funktionierender Schutzschirm

Aus der Sicht von Christian Hartmann, CDU,        Die Kommunen in Sachsen seien unterfinan­        Dirk Panter, SPD, knüpfte an die Worte seiner
stärke das neue Finanzausgleichsgesetz das        ziert, kritisierte Mirko Schultze, DIE LINKE.    Vorrednerin an. Generell biete das Gesetz
Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung.      Das neue Finanzausgleichsgesetz ändere da­       einen guten Regelungsmechanismus, an dem
Die Regierung habe sich dazu verpflichtet, dass   ran nichts, es verteile nur das vorhandene       man im Grundsatz festhalten müsse. Man
die Kommunen im ländlichen Raum sowie in          Finanzvolumen um. Man hätte vielmehr die         dürfe zudem nicht vergessen, dass 2013 mit
den Städten ihre Aufgaben zukunftsfest,           Chance nutzen müssen, ein Post-Corona-           dem sogenannten »Schutzschirm für die
gemeinwohlorientiert und sozial erfüllen          Investitionspaket in die Kommunen zu ste-        Kommunen« neben der Schuldenbremse
könnten. Zukünftig werde die Finanzvertei-        cken. Allein die Einnahmeverluste auszu-         eine weitere wichtige Änderung an der Ver-
lung zielgerichteter und gerechter erfolgen.      gleichen sei der falsche Ansatz. Man müsse       fassung erfolgt sei. Dieser habe in Zeiten
Die Reform begleite ein Ausgleichsmecha-          die Kommunen wieder richtig handlungs­           der Pandemie seine Wirkung gezeigt und
nismus, der etwaige Verluste kompensiere.         fähig machen, und zwar über das Niveau der       biete für die nächsten Jahre Stabilität.
   Bereits bei den Verhandlungen zum letz-        Vor-Corona-Zeit hinaus.                             Die Staatsregierung stehe eng an der
ten Finanzausgleichsgesetz im Jahr 2018              Franziska Schubert, BÜNDNISGRÜNE, be-         Seite der Kommunen, unterstrich Finanzmi-
habe sich gezeigt, dass es einer Reform be-       tonte, man gehe mit dem Gesetz einen un-         nister Hartmut Vorjohann, CDU. Die Spitzen-
dürfe, führte André Barth, AfD, aus. Haupt-       konventionellen Weg, indem man es heute          verbände hätten sich als faire Verhandlungs­
kritikpunkt sei es damals gewesen, dass die       noch vor der Verabschiedung des Haushalts        partner erwiesen. Der Schulterschluss sei
demografische Entwicklung bei der Mittel-         berate. Die Sondersitzung sei jedoch notwen­     ein Erfolg, genauso wie das Verhandlungs­
verwendung keine Rolle spiele. Der nun an-        dig, damit die pandemiebedingte Erstattung       ergebnis an sich. Dennoch hätten einige
gestrebte große Wurf habe sich aber in Luft       der Elternbeiträge umgehend auf den Weg          den Gesetzentwurf zwischenzeitlich als
aufgelöst. Die Entlastung der schwächsten         komme. Dies biete den Kommunen Sicherheit.       Spiel­ball benutzt, um Einzelinteressen
Gemeinden erfolge zu­lasten von Städten ab        In dem vorgelegten Entwurf sei vor allem die     durch­zusetzen. Dieses Verhalten habe zu
10 000 Einwohnern, die sich häufig im länd-       Basisfinanzierung hervorzuheben, von der         Verunsicherung und Zeitverzug zulasten der
lichen Raum befänden.                             besonders kleinere Gemeinden profitierten.       Kommunen geführt.

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                                                                                                                                        ˚
PA R L A M E N T

      Haushalt und Corona:
Parlament im Arbeitsmodus

   // Gemeinsame Ausschusssondersitzung zur Corona-Schutz-Verordnung am 29. März 2021 // Foto: S. Füssel

     // Nach Einbringung des Haushaltsentwurfs 2021/2022 widmen
     sich aktuell die Landtagsausschüsse dem umfangreichen Gesetz.
     Dazu hörten die Abgeordneten zuletzt verschiedene Experten
     an. Es ging dabei unter anderem um die Auswirkungen der
     Corona-­Pandemie für Sachsen. Für deren Bewältigung hat der
     Landtag seit dem vergangenen Jahr ein stärkeres Mitsprache-
     und Informationsrecht durchgesetzt. //

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                                                                                                             // Der Doppelhaushalt für die
                                                                                                             Jahre 2021/2022 ist eingebracht – die
                                                                                                             vermeintliche Stille in der Öffentlich-
                                                                                                             keit trügt aber. Das Verfahren bestimmt
                                                                                                             seit Wochen ganz wesentlich den
                                                                                                             laufenden Betrieb im Landtag. Wie
     Janina Wackernagel                                                                                      der Entwurf der Staatsregierung
                                                                                                             aufgenommen wird und welche
                                                                                                             Schwerpunkte die Fraktionen noch
                                                                                                             setzen wollen, kam in den ersten
                                                                                                             Beratungen bereits zum Ausdruck. //

// Knapp 26 Zentimeter Höhe misst der Papierstapel des Haushaltsentwurfs 2021/2022. // Foto: SLT

Elf Stunden Anhörung für
43 Milliarden Euro                                                                                     Ausschüsse beraten den
                                                                                                       aktuellen Haushaltsentwurf

                                                                                      Kommunen dar. Der Ausschuss          sind. Um Lücken zu schlie-
                                                                                      hatte 25 Sachkundige geladen,        ßen, wartet man noch auf
                                                                                      auch die neun mitberatenden          weitere Förderprogramme.
                                                                                      Ausschüsse waren zur Teilnahme       Weniger gut erschlossene
                                                                                      aufgefordert. Mithilfe der stark     Gebiete sollen zumindest
                                                                                      eingespannten Stenografen            an 100 Mbit/s herangeführt
                                                                                      kamen so insgesamt über              werden. Dafür braucht es
                                                                                      300 Seiten Protokoll zusammen,       weitere Investitionen. Nach
                                                                                      die im Internet nachzulesen sind     Wahrnehmung der Kommu-
                                                                                      (siehe QR-Codes rechte Seite).       nen gibt es dabei massive
                                                                                                                           Kosten­er­höhun­gen.
                                                                                      AUSGEWÄHLTE SCHWERPUNKTE           • Zur Strukturentwicklung in
                                                                                      DER HAUSHALTSBERATUNGEN              den Sächsischen Braunkohle­
                                                                                                                           regionen soll ein Fonds auf-
// Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses // Foto: S. Floss                     • Der Breitbandausbau in Sach­       gelegt werden. Damit wird
                                                                                        sen wird derzeit mit einem         bessere Transparenz über
Im Januar hatte – nach zwei­                Er ist federführend im Verfahren,           komplexen Förderprogramm           entsprechende Landes- und
maliger Verschiebung der Zeit-              dort laufen alle Fäden zusammen.            vorangetrieben. Die Antrag-        Bundesmittel hergestellt.
pläne – die Staatsregierung                     So war es auch der Haushalts­           stellung wurde wesent­lich         Die Mittel können so außer-
ihren Entwurf für den Doppel-               ausschuss, in dem die für dieses            vereinfacht, sodass die            dem flexibler bewirtschaftet
haushalt 2021/2022 ins Plenum               Haushaltsverfahren zentralen An­            Umsetzung beschleunigt             und überdies für mehrjährige
eingebracht. Es folgten in den              hörungen am 25. und 26. Januar              werden kann. Sachsen ist in        Projekte finanziell dargestellt
letzten Januarwochen die Ein-               2021 stattfanden. Insgesamt                 der Breitbandverfügbarkeit         werden. Aus Sicht der Kom-
bringungen der Einzelpläne durch            elf Stunden legten Experten                 seinen ostdeutschen Nach-          munen ist der Strukturwandel
die Staats­ministerinnen und                ihre Einschätzung zum Haus-                 barländern voraus. Eine Ver-       eine enorme Herausforderung
-minister in den jeweils zu­stän­           haltsgesetz (mit seinen 15 Einzel­          sorgung mit 1 000 Mbit/s           – zumal Arbeitsplätze nicht
digen Fachausschüssen. Eine                 plänen), zum Haushaltsbegleit­              erreicht aktuell 42,5 % der        einfach direkt finanziert, son-
zentrale Rolle spielt im Haus-              gesetz sowie zum Gesetz zu den              Haushalte. Dennoch gibt es         dern lediglich die Rand- und
haltsverfahren naturgemäß der               Finanzbeziehungen zwischen                  viele Regionen, die nur mit        Rahmenbedingungen beein-
Haushalts- und Finanzausschuss.             dem Freistaat Sachsen und seinen            bis zu 30 Mbit/s versorgt          flusst werden dürfen.

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                                                                                                                                                  ˚
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                                                                                                                     ZUM NACHLESEN
• Den traditionell größten         Steuerzahler Sachsen beschei-
  Posten im Landeshaushalt         nigte den Abgeordneten, dass
  stellen die Personalkosten       die solide Haushaltsführung
                                                                               Protokoll               Protokoll             Protokoll
  im öffent­lichen Dienst dar.     der vergangenen Jahre in der               Anhörung                 Anhörung             Anhörung
  Hier wurde vonseiten einiger     nun schwierigen Pandemielage               Haushalts-              Haushalts­           Finanzaus-
  Sachkundiger eine ehrliche       trotzdem eine gewisse Hand-                  gesetz               begleitgesetz        gleichsgesetz
  Aufgabenkritik angemahnt.        lungsfähigkeit ermöglicht.
  Sogleich gab es aber auch        Prof. Dr. Joachim Ragnitz vom
  Warnungen davor, Personal-       ifo Institut Dresden bewertete
  politik nur als Kostenfaktor     den Haushaltsplan aufgrund
  zu sehen – der Freistaat         der geplanten Rück­lagen­ent­
  Sachsen müsse sich schließ-      nahmen als nun nicht mehr
  lich auch als attraktiver        grundsolide. Der Präsident des       André Jacob, bat als Vertreter       zuständigen Fachausschüssen
  Arbeitgeber positionieren,       Sächsischen Rechnungshofs,           der kommunalen Spitzenver-           vorgesehen. Dabei werden dann
  um ausreichend Fachkräfte        Prof. Dr. Karl-Heinz Binus,          bände um Nachbesserungen.            auch zahlreiche Änderungsan-
  zu gewinnen.                     betonte in der Anhörung, dass        Die Kommunen wünschen sich           träge der Fraktionen erwartet.
                                   es derzeit praktisch keinen          noch stärkere Investitionen,         Die Bitten und Ratschläge der
                                   Raum für freiwillige Ausgaben        speziell in den Bereichen Stra-      geladenen Experten, aber auch
Unterschiedliche                   gebe und dass sich dieser mit-       ßenbau, Krankenhäuser, Kita-         verschiedene Eingaben von
Ansprüche an                       telfristig auch noch verkleinern     und Schulhausbau, Kulturein-         Verbänden sowie die jeweilige
finanzpolitische                   werde. Er bewertete den Ent-         richtungen und Brandschutz.          politische Schwerpunktsetzung
Entscheidungen                     wurf zum Doppelhaushalt in           Er erinnerte daran, dass die         dürften dann eine große Rolle
                                   der vorliegenden Form als noch       kommunale Ebene rund zwei            spielen. Mitte Mai wird es dann
In den Haushaltsverhandlungen      nicht beschlussfähig. Abschlie-      Drittel aller Investitionsaufträge   eine Klausurwoche des Haus-
müssen die Abgeordneten ver-       ßend regte er die Fraktionen         im Freistaat Sachsen vergebe.        halts- und Finanzausschusses
suchen, teils sehr unterschied-    dazu an, für kommende Haus-                                               geben, in der alle Änderungen
lichen Ansprüchen gerecht zu       haltsjahre weitergehende Im-                                              noch einmal in der Gesamt-
werden. Kein Ressort, keine        pulse zu setzen, insbesondere        Alle Wünsche unter                   schau bewertet werden. Die
Berufsgruppe möchte bei den        um die Staatsregierung mit der       einen geschrumpften                  Ergebnisse gehen dann in die
Zuweisungen der nächsten           Überprüfung des Personal­            Hut bringen?                         Endabstimmung ins Plenum.
Jahre benachteiligt werden.        bedarfs sowie der Landes­auf­
Und dennoch kann jeder Euro        gaben zu beauftragen.                In den kommenden Wochen
nur einmal ausgegeben werden.          Der Geschäftsführer des          sind detaillierte Behandlungen
Thomas Meyer vom Bund der          Sächsischen Landkreistages,          aller Einzelpläne in den jeweils

HAUSHALTSGESETZ, HAUSHALTSBEGLEITGESETZ UND GESETZ ZU DEN FINANZ­BEZIEHUNGEN
ZWISCHEN DEM FREISTAAT SACHSEN UND SEINEN KOMMUNEN

                                                                                                             2 TAGE
                                              PLAN PLAN PLAN
                                           PLAN PLAN PLAN
                                        PLAN PLAN PLAN
                                     PLAN PLAN PLAN
                                  PLAN PLAN     PLAN

3                                                                                                             Sitzungen

                                  15                                  25
    Gesetzentwürfe
                                          Einzelpläne                          Sachkundige

        1    federführender
                                                                                                             11 STUNDEN
                                                               9
              Ausschuss

        300 SEITEN
                                                                                                                 Expertenvorträge
                                                                   mitberatende                                  und Fragerunden
 über                                     Protokoll               Ausschüsse

                                                                                                                                          15
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                                                                                                                              Wolfgang Rausch

               Das Parlament in der
               »Stunde der Exekutive«
               Die Mitwirkung des Landtags an den Corona-Schutzmaßnahmen

// Sondersitzung des Landtags am 9. April 2020 im Kongresszentrum Dresden // Foto: O. Killig

                                            // Seit über einem Jahr beeinflusst die Covid-19-Pandemie den Alltag der Menschen in Sachsen.
                                            Von Anfang an war ein unverzügliches Handeln der Sächsischen Staatsregierung erforderlich.
                                            Doch auch der Landtag hat in den Ausschüssen und im Plenum wesentlich daran mitgewirkt,
Pandemiebekämpfung
erfordert schnelles und                     die Lage einzudämmen und die Folgen der Pandemie zu begrenzen. //
flexibles Handeln

Nicht nur in Deutschland und                übertragbarer Krankheiten zu                Weise ihres Entstehens kritisiert   parlamentarischen Gesetzge-
nicht erst seit Beginn der                  erlassen.                                   wurden – zumal, wenn auf            bungsverfahren erreichbar
COVID-­19-Pandemie gelten Kri-                 Rechtsverordnungen gelten                dem »intransparenten« Ver­          wäre, kann bezweifelt werden.
sen als »Stunde der Exekutive«              allgemein als »öffentlichkeits-             ordnungsweg Maßnahmen
oder »Zeit der Macher«, weil                scheu«, da sie in Ministerien               beschlossen werden, die mit
es in der Natur einer Krise                 beraten und von der Staats­                 Kontakt- und Ausgangsbeschrän-      Landtag ebnete im
oder Katastrophe liegt, plötzlich           regierung beschlossen werden.               kungen, Einschränkungen des         Frühjahr 2020 den Weg
und unerwartet aufzutreten                  Dies steht im Ge­gensatz zur                Versammlungsrechts sowie der        für Kredite
sowie zügiges und entschiede-               parlamentarischen Gesetzge-                 Schließung von privaten und
nes Handeln erforderlich zu                 bung in einem transparenten                 öffentlichen Einrichtungen          Ungeachtet dessen hat auch
machen. Die Rechtsgrundlage                 Verfahren und nach breiter                  wesentlich in die Grundrechte       der Sächsische Landtag bereits
für alle Maßnahmen zur Ein-                 öffentlicher Debatte. Es ist da-            der Bürgerinnen und Bürger ein-     in dieser ersten Phase der
dämmung der Covid-19-Pande-                 her nicht verwunderlich, wenn               greifen. Ob indes die für die       Pandemie gehandelt. In seiner
mie in Sachsen sind die Corona-­            schon die ersten Corona-Schutz-­            Pandemiebekämpfung nötige           Sitzung am 9. April 2020 bewil-
Schutz-Verordnungen des                     Verordnungen für die Art und                Flexibilität und Schnelligkeit im   ligte er als Ausnahme vom ver-
Sächsischen Staatsministeri-                Foto: S. Füssel                                                                 fassungsrechtlich verankerten
ums für Soziales und Gesell-                                                                                                Neuverschuldungsverbot eine
schaftlichen Zusammenhalt                                                                                                   Kreditaufnahme in Höhe von
(SMS). Sie stützen sich ihrer-                                                                                              maximal sechs Milliarden Euro
seits auf die bundesrecht­liche                                                                                             zur Bewältigung der Folgen der
Ermächtigungsnorm in § 32                                                                                                   Corona-Pandemie. Darüber hin-
des Infektionsschutzge­setzes.                                                                                              aus wurde gesetzlich festge-
Demnach ist es die Aufgabe der                                                                                              legt, dass der Haushalts- und
Landesregierungen, per Rechts-                                                                                              Finanzausschuss des Landtags
verordnung die nötigen Ge-                                                                                                  die Finanzhilfen zur Bewälti-
und Verbote zur Bekämpfung                                                                                                  gung der Pandemie in Sachsen

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im Einzelnen freigeben muss.
Seither hat der Haushaltsaus-
schuss in seinen regulären
Sitzungen und zahlreichen
Sondersitzungen die Gelder für
die notwendigen Maßnahmen
bewilligt.
    Der Kritik an mangelnder
Transparenz und förmlicher Be-
teiligung des Landtags begeg-
nete die Staatsregierung, indem
sie den Abgeordneten frühzeitig
zusätzliche Informationsange-
bote unterbreitete. Neben den
regulären mündlichen Berichten
der Staatsministerinnen und
Staatsminister im Rahmen der
Fachausschusssitzungen bot
etwa die Staatsministerin für
Soziales und Gesellschaftlichen
Zusammenhalt den Obleuten des
im Parlament für den Gesund-
heitsschutz der Bevölkerung

                                          // Abstimmung über eine stärkere Beteiligung des Landtags in der Corona-Pandemie am 4. November 2020 // Foto: S. Floss

                                          an mehrere Regierungserklärun-             Verordnungen der Länder nun                sprechenden Entwürfe seitdem
                                          gen zum Thema ab, woran sich               bundesgesetzlich vorgegeben                vor deren Erlass. So wurde zum
                                          regelmäßig eine Aussprache                 sind.                                      Beispiel der am 23. November
                                          des Landtags anschloss, die                   Der Landtag debattierte im              2020 übermittelte Entwurf einer
                                          die Fraktionen mit ihren Anträ-            Anschluss an eine Regierungs-              neuen Corona-Schutz-Verord-
                                          gen begleiteten.                           erklärung des Ministerpräsiden-            nung in neun Fachausschüssen
                                                                                     ten am 4. November 2020 über               vorgestellt und beraten. Die
                                                                                     seine künftige Teilhabe an den             Abge­ordneten brachten ihre
                                          Beschlüsse festigen                        Maßnahmen zum Schutz der                   Anregungen und Vorschläge
                                          Mitspracherecht des                        Bevölkerung. Er legte fest, die            für Verbesserungen ein, die die
// Ministerpräsident Michael Kretschmer   Landtags                                   Tagesordnung der Plenarsitzun-             Vertreter der Staatsregierung
am 16. Dezember 2020 // Foto: S. Floss
                                                                                     gen um einen ständigen Tages-              in die Schlussredaktion »mit-
                                          In der Zwischenzeit befasste               ordnungspunkt »Bericht der                 nahmen«, bevor das Kabinett
federführenden Sozialausschus-            sich der Deutsche Bundestag mit            Staatsregierung zur Corona-­               den Erlass der Verordnung am
ses regelmäßige gemeinsame                dem 3. Bevölkerungsschutzge-               Pandemie« zu erweitern. Darüber            30. November beschloss.
Erörterungen zum aktuellen                setz, um verfassungsrechtliche             hinaus wurde beschlossen, ei-                  Dieses Prinzip der vorheri-
Pandemiegeschehen an. Diese               Bedenken auszuräumen. Von                  nen entsprechenden Punkt auf               gen Ausschusskonsultation
Telefonkonferenzen mit Abge-              verschiedenen Seiten war vor-              die Tagesordnungen sämtlicher              wird bis heute praktiziert. Vor
ordneten aller Fraktionen fan-            gebracht worden, die general-              Fachausschüsse zu setzen. Au-              Erlass jeder neuen Corona-­
den bereits im Frühjahr und               klauselartige Ermächtigung im              ßerdem beschloss das Plenum,               Schutz-Verordnung leitet die
finden seit November 2020                 Infektionsschutzgesetz stütze              ein System für eine frühzeitige            Staatsregierung dem Landtag
wöchentlich statt. Daneben                die in den Rechtsverordnungen              Unterrichtung des Landtags vor             den Entwurf zu. Die Vorsitzen-
nahmen die Landtagsfraktionen             der Bundesländer verhängten                dem Erlass von Verordnungen                den der fachlich betroffenen
Angebote zu bilateralen Ge-               Maßnahmen nicht mehr ausrei-               und Allgemeinverfügungen der               Ausschüsse berufen dann kurz-
sprächsrunden an.                         chend, je länger die Pandemie              Staatsregierung mit Bezug zur              fristig eine Sitzung ein, in der
   Auch das Landtagsplenum                andauere. Der Bundestag hat                Pandemie zu entwickeln.                    der Entwurf mit den zuständi-
selbst beschäftigte sich häufig           diesen Bedenken am 21. De­                    Damit ging eine Zäsur ein-              gen Fachministerinnen und
mit der Covid-19-Pandemie.                zem­ber 2020 durch Präzisie-               her. Fortan debattierte der                -ministern diskutiert wird. Erst
Dazu fanden Aktuelle Debatten             rung der Ermächtigungsnorm                 Landtag nicht erst nach Erlass             danach erlässt die Staatsregie-
sowie Beratungen und Be-                  Rechnung getragen, etwa indem              einer neuen Verordnung über                rung die Rechtsverordnung. So
schlüsse auf Antrag sämtlicher            Grenz­werte, Befristungen und              die getroffenen Maßnahmen.                 hat der Landtag die Zügel auch
Fraktionen statt. Zudem gab die           Begrün­dungen für Einschrän-               Vielmehr übermittelt die Staats­           in der »Stunde der Exekutive«
Staatsregierung von März 2020             kungen in Corona-­Schutz-­                 regierung dem Landtag die ent-             weiter fest in der Hand.

Ausgabe 2 2021                                                                                                                                                     17
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