212 Landtagskurier Ausgabe 2 | 2021 - Der Sächsische Landtag
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
VK 2B 03058F Landtagskurier Ausgabe 2 | 2021 2 21 Seite 14: Seite 20: Seite 21: Ausschüsse befragen Neue Beauftragte für Lernangebot Sachkundige zum Aufarbeitung der »Virtueller Landtagskoffer« Haushaltsentwurf SED-Diktatur gewählt geht online
EDITORIAL I N H A LT PLENUM 24. Sitzung des Sächsischen Landtags Leben ohne Lockdown AfD-Fraktion fordert mit Antrag ein Ende der Corona-Schutzmaßnahmen........................................................................................ 4 25. Sitzung des Sächsischen Landtags Öffentliches Leben weiterhin stark eingeschränkt Fraktionen debattieren über das Vorgehen in der Corona-Pandemie ..........................................................................................................................6 25. Sitzung des Sächsischen Landtags Ein Herz für das Ehrenamt SPD-Fraktion will Förderung des freiwilligen Engagements weiter ausbauen............................................................................................................................... 7 25. Sitzung des Sächsischen Landtags Landwirtschaft am Scheideweg Foto: S. Giersch CDU-Fraktion sieht sächsische Interessen in der europäischen Agrarpolitik gefährdet..........................................................................8 Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger, 26. Sitzung des Sächsischen Landtags Keine Meinungsfreiheit ohne Widerspruch für einen Moment war es am 3. März im Sächsischen Landtag ganz still. Landtagsabgeordnete diskutieren lebhaft die Freiheit Statt der sonst üblichen politischen Auseinandersetzungen hielten der Meinung ........................................................................................................................................9 die Abgeordneten aller Fraktionen für einen Moment inne und erho- 26. Sitzung des Sächsischen Landtags ben sich von ihren Plätzen. Den Anfang der 24. Plenarsitzung markierte Eine Frage der Menschlichkeit eine Schweigeminute für die Opfer der Corona-Pandemie. Mehr als DIE LINKE setzt sich für einen befristeten 210 000 Menschen in Sachsen haben sich nachweislich mit dem Virus Abschiebestopp ein................................................................................................................... 10 infiziert, über 8 400 Menschen sind an oder mit einer Infektion ge- storben. Jeder einzelne Fall ist ein persönliches Schicksal, das mir 26. Sitzung des Sächsischen Landtags Keine Rolle rückwärts sehr nahegeht. Einen Moment des Innehaltens und der Anteilnahme BÜNDNISGRÜNE wollen Gleichberechtigung stärken..............................11 finde ich daher wichtig und notwendig. Am Karsamstag nahm ich deshalb an der Gedenkveranstaltung der beiden christlichen Kirchen 27. Sitzung des Sächsischen Landtags in Dresden teil. Der Schutz des menschlichen Lebens zählt zu den Verlässlichkeit für die Kommunen Kernaufgaben unserer Demokratie und muss auch weiterhin Ziel Landtag beschließt Reform der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen ................................................................................... 12 aller Anstrengungen bleiben. Für die Überwindung der Pandemie sind neben den schmerzhaften PA R L A M E N T Beschränkungen vor allem das Testen und Impfen entscheidend. Elf Stunden Anhörung für 43 Milliarden Euro Ich finde es ausgesprochen ermutigend, dass die Immunisierung Ausschüsse beraten den aktuellen Haushaltsentwurf......................... 14 der besonders gefährdeten Personen mittlerweile ihre erste Wir- kung zeigt. Die Todeszahlen sind gesunken. Zusätzlich muss es ge- Das Parlament in der»Stunde der Exekutive« lingen, möglichst zügig den größten Teil unserer Bevölkerung zu Die Mitwirkung des Landtags an den Corona-Schutzmaßnahmen .............................................................................................. 16 immunisieren. Jeder kann dazu beitragen und die »Ärmel hochkrem- peln«. Es ist eine echte Gemeinschaftsaufgabe. Laufende Gesetzgebung....................................................................................................... 18 Jenseits des Innehaltens ist gegenwärtig nicht zu übersehen, dass AKTUELLES der Motor des Landtags mit hoher Drehzahl läuft. Im März tagte das Plenum in zwei Sondersitzungen, zahlreiche Ausschüsse hielten 30 Jahre Sächsischer Landtag........................................................................................ 19 außerplanmäßige Zusammenkünfte ab. Hinzu kommen die laufen- Neue Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur den Haushaltsverhandlungen, die den Abgeordneten und Fraktio- Dr. Nancy Aris übernimmt ab 1. Mai 2021 nen viel abverlangen. Über all diese Facetten der parlamentarischen die Behördenleitung................................................................................................................. 20 Arbeit lesen Sie im neuen Landtagskurier. Ich packe meinen Koffer … »Ein jegliches hat seine Zeit«, heißt es in der Bibel. Dazu gehört Virtuelle Themenpakete führen Schüler und Lehrer das aufrichtige Gedenken genauso wie das mutige Anpacken. In der auf eine Reise durch den Landtag.............................................................................. 21 gegenwärtigen Situation finde ich diesen Ratschlag besonders tref- fend. Er hält uns in einer produktiven Spannung aus Reflexion und GESCHICHTE Zuversicht. Vom Palais Brühl zum Sächsischen Ständehaus Teil 4: Der Abriss und Verbleib des Palais Brühl......................................... 22 SERVICE Weitere Informationen des Sächsischen Landtags................................ 24 Dr. Matthias Rößler Präsident des Sächsischen Landtags // Titel: Blick von der Brühlschen Terrasse über die Abbruchstelle in Richtung Schloss und Hofkirche, 1901 // Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, 2 Museen der Stadt Dresden (siehe Artikel auf den Seiten 22 – 23)
PLENUM Lockdownende, Ehrenamt, Cancel Culture, Finanzausgleichsgesetz // Abgeordnete stimmen über das Finanzausgleichsgesetz ab. // Foto: M. Rietschel // Am 3. März 2021 debattierte der Sächsische Landtag in seiner 24. Sitzung über die Corona-Politik der Staatsregierung. Die Pandemie war auch ein Thema in der 25. und 26. Landtagssitzung. Die Abgeordneten befassten sich außerdem mit dem ehrenamtlichen Engagement, der europäischen Landwirtschaftspolitik, der Meinungsfreiheit, der Asylpolitik sowie der Gleichstellung von Frauen. Die 27. Sitzung des Sächsischen Landtags am 31. März widmete sich den Finanzbeziehungen von Land und Kommunen. // 3
PLENUM 24. Sitzung des Sächsischen Landtags // Christian Hartmann // Jörg Urban // Rico Gebhardt // Franziska Schubert // Frank Richter // Fotos: S. Floss Dr. Daniel Thieme Leben ohne Lockdown AfD-Fraktion fordert mit Antrag ein Ende der Corona-Schutzmaßnahmen // Am 3. März 2021 kam der Sächsische Landtag zu einer Sondersitzung zusammen. Auf der Tagesordnung stand ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel »Endlos-Lockdown beenden – Bürgern und Unternehmen eine klare Perspektive bieten«. In seinen einleitenden Worten erinnerte Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler an die mehr als 8 400 Menschen, die in Sachsen bisher an oder mit Covid-19 gestorben sind. Die Abgeordneten erhoben sich daraufhin zu einer Schweigeminute. // Staatsregierung: gegenwärtig die britische Schnelltests die Chance, oder »Corona-Leugner« auszu- Lockerungen nur Mutante, die um bis zu 50 Pro- wieder mehr sichere Kontakte grenzen. Demografiebereinigt mit Vorsicht zent ansteckender sei als das zu ermöglichen. gebe es in Deutschland keine ursprüngliche Virus. Der Minis- Übersterblichkeit, auch die Ministerpräsident Michael terpräsident verwies aber auch Intensivmedizin sei bisher zu Kretschmer, CDU, forderte in darauf, dass es Anlass zur Hoff- AfD: Kaum Einfluss auf keinem Zeitpunkt überlastet ge- seiner Rede ein starkes Signal nung gebe. Mit dem Beginn Infektionsgeschehen wesen. Die Corona-Maßnahmen des Sächsischen Landtags, des Frühlings und zunehmend hätten keinen signifikanten dass die Pandemie noch nicht besseren Wetters würden auch Jörg Urban, AfD, zeichnete da- Einfluss auf das Infektionsge- zu Ende sei. Man müsse in den die Infektionszahlen sinken. gegen ein vollkommen anderes schehen gehabt, sie zerstörten kommenden Wochen diszipli- Man habe in den vergangenen Bild. Er verlangte, den Lockdown im Gegenteil berufliche Existen- niert bleiben. Die Lockerungen Monaten zudem die örtlichen von Wirtschaft und Bildung um- zen, die Schulbildung sowie die dürften nicht das zunichtema- Gesundheitsdienste gestärkt gehend zu beenden sowie die psychische Gesundheit vieler chen, was man in den vergan- und erhoffe sich Rückenwind Grundrechte wiederherzustellen. Bürger. Sechs von zehn Betrie- genen zwei Monaten unter durch eine steigende Zahl von Urban forderte die Staatsregie- ben im Hotel- und Gaststätten- extremen Belastungen erreicht Impfungen. Schließlich böten rung auf, Kritiker nicht verbal gewerbe stünden vor der habe. Zudem verbreite sich die zunehmend verfügbaren als »Verschwörungstheoretiker« Insolvenz, die Auszahlung 4 Ausgabe 2 2021 ˚
PLENUM von Hilfsgeldern gehe weiter des kritisierte der CDU-Frak Differenzen in der Regierung SONDERSITZUNGEN nur schleppend voran. Die tionsvorsitzende, dass diese habe es auch an anderer Stelle IN DER 7. WAHLPERIODE Corona-Lage solle daher neu viel zu lange gebraucht hätten. gegeben. So habe Staatsminis- (Stand: 31. März 2021) bewertet werden und nicht allein Die Politik verspiele Glaubwür- terin Köpping ein Gesundheits- vom Inzidenzwert abhängen. digkeit, wenn Ankündigungen notstandsgesetz angekündigt. 31. März 2021 und ihre tatsächliche Umset- Wenig später sei die Koalition Beschluss über ein Gesetz zung nicht im Einklang stünden. jedoch zurückgerudert und zu den Finanzbeziehungen CDU: Grenzschließungen habe verlautbart, dass man zwischen dem Freistaat Sachsen waren schwere Ent sich dabei noch uneins sei. und seinen Kommunen, CDU, scheidung LINKE: Koalition BÜNDNISGRÜNE und SPD ist sich nicht einig Die schwierige Situation, in der BÜNDNISGRÜNE: Sorge 3. März 2021 sich das Land befinde, liege Rico Gebhardt, DIE LINKE, warf vor Kontrollverlust Antrag auf Ende der Corona- nicht an der Politik, sondern in seiner Rede der Staatsregie- Maßnahmen, AfD allein an dem mutierten Virus, rung Uneinigkeit und Wankel- Franziska Schubert, BÜNDNIS- entgegnete Christian Hartmann, mütigkeit vor. So habe Staats- GRÜNE, setzte sich vor allem 19. November 2020 CDU. Die AfD potenziere die minister Piwarz erst angekündigt, inhaltlich mit dem Antrag der Antrag auf Ablehnung des Dritten Ängste und Sorgen der Men- die Winterferien streichen zu AfD-Fraktion auseinander. Gesetzes zum Schutz der Bevöl- schen, bleibe aber Antworten wollen. Tage später taten dann Dieser spreche von dauerhaft kerung bei einer epidemischen schuldig. Die aktuelle Situation die Koalitionspartner BÜNDNIS- geöffneten Schulen und Kitas, Lage, AfD in Sachsen sei zwar besser GRÜNE und SPD kund, dies ver- einer florierenden Wirtschaft geworden, aber angesichts der hindert zu haben. In einem an- und ungehinderter gesellschaft- 9. April 2020 Entwicklung in Tschechien müs- deren Fall habe Piwarz erklärt, licher Teilhabe. Die Begründung Antrag auf Feststellung der se man vorsichtig bleiben. Die dass gerade die ganz kleinen dafür sei beim genaueren »außergewöhnlichen Not Grenzschließungen seien eine Kinder nicht das Problem beim Hinschauen jedoch überaus situation« nach Artikel 95 der richtige, wenn auch schwierige Pandemiegeschehen seien. wacklig. Sie stütze sich nämlich sächsischen Landesverfassung, Entscheidung gewesen. Sie Wenn diese Gruppe aber keine unter anderem auf eine Studie, CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD hätten insbesondere Unterneh- Infektionstreiber seien, warum die einen Lockdown grundle- men, soziale Einrichtungen und sollten dann Grundschullehrer gend für richtig und geboten 15. November 2019 Krankenhäuser in den Grenz und neuerdings alle Lehrer be- erachte. Die Folge einer voll- Antrag auf Einsetzung einer regionen getroffen. Nun hoffe vorzugt geimpft werden, fragte ständigen Lockerung wäre hin- Enquetekommission zum man darauf, dass sich die Lage Gebhardt kritisch. Das Beispiel gegen ein Kontrollverlust, der Thema ländlicher Raum, AfD bald wieder normalisiere. Bei zeige, dass die Argumentation zu einem ständigen Öffnen und den Wirtschaftshilfen des Bun- des Ministers nicht stimme. Schließen führen würde. Es dürfe nicht wieder zu einer Situation wie damals in Zittau kommen, als man kurz vor der ab, da sie unverantwortlich Triage gestanden habe. Die seien. Die aufgetretenen Virus- Krematorien hätten in dieser Varianten würden geradezu Zeit an ihrer Belastungsgrenze eine andere Bewertung der gearbeitet. Dennoch müsse Lage erzwingen. Richter regte man auch über das Thema Öff- in seiner Rede vor allem dazu »In einer Zeit nungen sprechen. Dazu zähle an, für einen Moment den vor- steigender Inzidenzen der Ansatz, dass ein sicherer handenen Tunnelblick aufzu in Größenordnungen Schul- und Kitabetrieb wichtiger brechen. Er frage sich, wie Lockerungen sei als offene Baumärkte. Historiker in zehn Jahren auf vorzunehmen, wäre diese Menschheitskrise blicken extrem fahrlässig.« würden. Man werde dann hof- SPD: Hoffnung auf fentlich sagen, dass die Gesell- moralische Substanz schaft so stark war, das Virus in der Krise effektiv zu bekämpfen. Viel- leicht stelle man dann sogar Dem Antrag liege ein eigenartiges fest, dass die Gesellschaft auch Politikverständnis zugrunde, die moralische Substanz und befand Frank Richter, SPD. Poli- politische Klugheit besessen 24. Sitzung des Sächsischen Landtags tik basiere zwar auf Erkenntnis- habe, zu begreifen, dass man // Michael Kretschmer sen der Wissenschaft, aber sie in einer Phase der Menschheits bestätige diese nicht. Seine geschichte stehe, in der man Fraktion lehne die geforderten endlich Frieden mit der Natur Öffnungen in fast allen Fällen schließen müsse. Ausgabe 2 2021 5 ˚
PLENUM Dr. Thomas Schubert 25. Sitzung des Sächsischen Landtags // Staatsministerin Petra Köpping // Öffentliches Leben Foto: S. Floss weiterhin stark eingeschränkt Fraktionen debattieren über das Vorgehen in der Corona-Pandemie // Die 25. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags am 24. März 2021 hatte als zweiten Gesellschaft. Es sei daher auch Aufgabe des Tagesordnungspunkt den Bericht der Staatsregierung zur Corona-Pandemie zum Landtags, jene zu stärken, die sich an die Regeln hielten. Er empfehle daher in Sach- Gegenstand. Geprägt war die Debatte u. a. von Fragen nach Erfolgen, Kritik und sen unverändert einen Runden Tisch zur Perspektiven in der Pandemie. // Bewältigung der Coronakrise. Handeln und Irrtum hinterfrage und zur Vernunft zurückkehre, Perspektiven geben halte sie weiter an Grundrechtseinschrän- Sachsen habe nach wie vor sehr hohe In kungen fest. Die Pandemie sei eine Naturkatastrophe, fektionszahlen, leitete Sozialministerin Petra betonte auch Kathleen Kuhfuß, BÜNDNIS- Köpping, SPD, ein. Zudem belegten wieder GRÜNE, der man selbst nach einem Jahr zunehmend Corona-Patienten die Intensiv Dritte Welle brechen Dauer weithin machtlos gegenüberstehe. Die stationen in den Krankenhäusern. Ursächlich Menschen seien erschöpft und bräuchten dafür seien die Virusmutationen. Parallel Man befinde sich zurzeit in der schwersten Perspektiven, die zahlreichen Nebenwirkun- würde in Sachsen die Impf- und Testkapazität Phase dieser weltweiten Pandemie, so gen der ergriffenen Maßnahmen würden im- gesteigert. Staatsministerin Barbara Klepsch, Alexander Dierks, CDU. Es sei eine Naturka- mer spürbarer, die vom Bund beschlossenen CDU, betonte, wie hart die Folgen der Pan- tastrophe, der man jeden Tag neu begegnen Hilfsgelder flössen zu langsam. Es sei in demie für die Bereiche Kultur und Tourismus müsse. Es gebe da keinen Königsweg. Die Sachsen nötig, die Maßnahmen besser zu seien. Der Freistaat unterstütze hier nach oberste Priorität in der Pandemiebekämpfung koordinieren und mit mehr Weitblick zu han- Kräften, so seien im künftigen Landeshaus- sei es, dass möglichst wenige Menschen an deln. halt allein 27,4 Millionen Euro für den Touris- Corona sterben und jeder Erkrankte auf Für die SPD-Fraktion sprach Frank Richter mus veranschlagt. höchstem medizinischen Niveau behandelt zum Thema Kunst und Kultur in der Pandemie. Die Corona-Politik der Bundesregierung werde. In Deutschland müsse man daher die Viele Künstler und Kulturschaffende seien in und der sächsischen Landesregierung sei von dritte Infektionswelle unbedingt brechen. Existenznot. Er ermutige deshalb die Staats- Irrtümern und Unfähigkeit geprägt, kritisierte Man erlebe im Kontext der Corona-Pan- regierung, Lösungen zu schaffen und dringend Jörg Urban, AfD. Die Lockdown-Politik des ver demie viele unerfüllte Ankündigungen und benötigte Hilfsgelder freizugeben. Ferner gangenen Jahres habe gigantische Schäden Versprechungen, hob Rico Gebhardt, DIE erfordere die Pandemie ein Nachdenken über angerichtet, ohne dass sie einen quantifizier LINKE, an. Die Menschen spürten, dass etwa unsere Art des Zusammenlebens und Arbei- baren Nutzen gehabt hätte. Alle verkündeten im Bereich der Digitalisierung oder staatli- tens. Man benötige eine Debatte in der Gesell Horrorszenarien seien nicht eingetreten. Doch chen Fürsorge Mängel aufträten. Gleichzeitig schaft, wie man künftig widerstandsfähiger anstatt dass die Regierung ihre Maßnahmen verschärfe die Pandemie die Spaltung der gegen Krisen werden könne. 6 Ausgabe 2 2021 ˚
PLENUM // Das Thema »Von Mensch zu Mensch: Das Ehrenamt stärken, den sozialen Zusammenhalt fördern« stand auf der Tagesordnung der 25. Sitzung des Sächsischen Land- tags. Beantragt hatte es die SPD-Fraktion. // 25. Sitzung des Sächsischen Landtags // Simone Lang // Foto: S. Floss Dr. Daniel Thieme Ein Herz für das Ehrenamt SPD-Fraktion will Förderung des freiwilligen Engagements weiter ausbauen Förderung zeigt Erfolge auf, zentralisiere die Vereinsarbeit und ebenfalls zusätzliche Stellen ermöglichen. schwäche damit die Individualität der Ver Junge Menschen leisteten damit einen Bei- Menschen, die sich tagtäglich für den ge eine. Um das Ehrenamt zu stärken, sollte trag zum Gemeinwohl. Er sei außerdem eine sellschaftlichen Zusammenhalt einsetzten, man in erster Linie die Ehrenamtspauschale Chance, sie für Berufe zu begeistern, in denen bräuch ten mehr Unterstützung, forderte erhöhen. Diese hinke seit Jahren hinterher. Fachkräfte fehlten. Simone Lang, SPD. Man werde daher zu- Weiterhin müssten die Rahmenbedingungen Ehrenamtliche hätten während der Pande künftig die Aus- und Weiterbildung von Ju- der Vereinsarbeit, insbesondere der Büro- mie unglaublich fleißig geholfen, unterstrich gendleitern beitragsfrei ermöglichen. Ehren- kratieabbau, in den Fokus der Staatsregie- Sozialministerin Petra Köpping, SPD. In amtsprogramme müssten im kommenden rung rücken. Sach sen erhielten 22 000 Menschen eine Doppelhaushalt abgesichert werden, Kür- Die Entwicklung der Zahlen zum Ehren- Ehrenamtspauschale. Man könne mehr tun, zung werde man nicht hinnehmen. Bei der amt liefere überhaupt keinen Grund zum müsse aber auch darauf achten, wie und wo Bürokratie müssten Aufwand und Nutzen im Feiern, so Susanne Schaper, DIE LINKE. So man in diesen Zeiten Geld ausgebe. Ein Er- richtigen Verhältnis stehen, digitale Struktu- seien Gelder zur Teilhabe älterer Menschen folg sei vor allem, dass nicht gekürzt werde. ren sollten gestärkt werden. oder zur Stärkung ehrenamtlicher Struk Die Kritik an der Ehrenamtsagentur wies Kay Ritter, CDU, zitierte eine größere Um- turen in den Kommunen gekürzt worden. Köpping zurück. Diese helfe vor allem frage, nach der die Zahl der Ehrenamtlichen Für Tierheime und die Tafeln, die aufgrund kleinen Vereinen bei der Gründung und in in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich der Corona-Pandemie in einer schwierigen Fördermittelfragen. gestiegen sei. Zudem verzeichne man erst- Situation seien, gebe es ebenfalls keine mals keinen Unterschied im Enga gement höhere Unterstützung. Gespart werden dürfe von Frauen und Männern. Es sei ein großer zukünftig auch bei den freiwilligen Feuer- Erfolg, dass die Förderung des Ehrenamts in wehren nicht. Sachsen im Umfang von 11 Millionen Euro fortgeführt werde. Davon profitierten am stärksten die Bereiche Kultur und Sport so- Bürgerbeteiligung stärken wie Vereine im Freizeitbereich. Gedenken an Heinz-Dieter Tempel Der Haushaltsentwurf zeige, dass die Koali- tion zivilgesellschaftliches Engagement Am 19. Februar 2021 verstarb der ehemalige Landtagsabgeordnete Heinz-Dieter Tempel. Ehrenamtspauschale erhöhen gemeinsam mit mehr Bürgerbeteiligung in Er gehörte von 1990 bis 1994 der SPD-Fraktion Sachsen fördern wolle, hob Ines Kummer, an und war stellvertretender Vorsitzender des Aus- Doreen Schwietzer, AfD, kritisierte die vom BÜNDNISGRÜNE, hervor. Dazu gehöre bei- schusses für Soziales, Gesundheit, Familie und Freistaat Sachsen gegründete Ehrenamts spielsweise das Programm »Orte der Demo- Frauen sowie Mitglied des Petitionsausschusses. agentur. Diese löse gewachsene Strukturen kratie«. Beim Freiwilligendienst wolle man Ausgabe 2 2021 7 ˚
PLENUM 25. Sitzung des Sächsischen Landtags // Georg-Ludwig von Breitenbuch, Jörg Dornau, Antonia Mertsching, Volkmar Zschocke, Volkmar Winkler, Wolfram Günther // Fotos: S. Floss Dr. Daniel Thieme Landwirtschaft am Scheideweg CDU-Fraktion sieht sächsische Interessen in der europäischen Agrarpolitik gefährdet // Eine Aktuelle Debatte der 25. Sitzung des Sächsischen Landtags am 24. März 2021 befasste sich mit dem Thema: »Ausgestaltung der GAP-Reform nach 2023 – die Interessen der sächsischen Landwirtschaft sichern«. Der Antrag stammte von der CDU-Fraktion. // Keine Umverteilung von Ost nach West Wettbewerbsfähige Flächenprämien allein Landwirtschaft bewahren nicht zielführend Auch innerhalb Sachsens gingen die Vor- stellungen der zukünftigen Agrarpolitik weit Derzeit liefen Verhandlungen, um die nächste In Sachsen habe man 30 Jahre lang die Inte- auseinander, befand Volkmar Winkler, SPD. Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik ressen der konventionellen Landwirtschaft Das hätten nicht zuletzt die vielen Kundge- (GAP) zu entwickeln, tat Georg-Ludwig von vertreten, so Antonia Mertsching, DIE LINKE. bungen der unterschiedlichen Interessen- Breitenbuch, CDU, kund. Die ländlichen Seit der Wiedervereinigung habe ein starker verbände in Sachsen gezeigt. In einem seien Räume und ihre Betriebe sowie generell die Konzentrationsprozess stattgefunden. Im Ge sich aber fast alle einig: Eine Kürzung der Interessen der sächsischen Landwirtschaft treideanbau bewirtschafteten heute 1 000 Be Mittel der ersten Säule, darunter der Flächen sollten dabei im Mittelpunkt stehen. Bei den triebe weniger die gleiche Flächengröße wie prämien, lehne man ab. Damit wäre ein Aus Verhandlungen gehe es im Kern darum, ob die noch 1995. Den Wettbewerb könne man aber schluss bestimmter Betriebsgrößen in Sach- moderne, wettbewerbsfähige Landwirtschaft auch anders organisieren, etwa durch Bindung sen und eine Umverteilung von Ost nach in Sachsen bestehen bleibe oder geschwächt der Fördergelder an sozialversicherungs- West verbunden. werde. pflichtige Arbeitsplätze oder faire Preise. Landwirtschaftsminister Wolfram Günther, Von jedem Euro, den Deutschland nach Volkmar Zschocke, BÜNDNISGRÜNE, ver- BÜNDNISGRÜNE, appellierte, nicht in Graben Brüssel zahle, erhalte es nur 44 Cent zurück, wies in seiner Rede auf den Klimawandel, das kämpfen zwischen Ökologie und Ökonomie rechnete Jörg Dornau, AfD, vor. Bei der GAP Artensterben und die Flächenversiegelungen. zu verharren. Es gehe vielmehr um Nachhal- sehe es kaum besser aus. Man solle daher Das alte System der flächenbezogenen Direkt tigkeit. Was man an ökologischen Mechanis die Verantwortung für die heimische Land- zahlungen werde diesen Herausforderungen men in die Förderungen einbaue, müsse echte wirtschaft wieder selbst in die Hand nehmen, nicht mehr gerecht. Die Landwirtschaft könne ökonomische Anreize bieten. Durch Um- anstatt bei der Finanzierung den Umweg über dennoch ein Teil der Lösung sein. Je mehr schichten der Fördermittel weg von direkten die EU zu gehen. Auf europäischer Ebene Zahlungen an Umwelt- und Klimaschutzmaß Flächensubventionen nehme man den säch- konnte man sich auch in der 46. Verhand- nahmen geknüpft würden, desto mehr wer- sischen Landwirtschaftsbetrieben nichts weg, lung nicht auf eine neue Förderperiode ver- de dies auch dem Einsatz der sächsischen auch sie könnten Gelder für Umwelt- und ständigen. Das sei unverantwortlich. Betriebe für Umweltziele gerecht. Klimamaßnahmen abrufen. 8 Ausgabe 2 2021 ˚
PLENUM Dr. Thomas Schubert Keine Meinungsfreiheit ohne Widerspruch Landtagsabgeordnete diskutieren lebhaft die Freiheit der Meinung // Die erste Aktuelle Debatte der das linke Milieu, sei oft jedoch der Versuch Ein Wesenskern der demokratischen Öffent- 26. Sitzung des Sächsischen Landtags der AfD, Kritik zu generalisieren. Man müsse lichkeit sei eben die angenommene Kritik. schon genau schauen, aus welcher Richtung befasste sich mit dem Thema und mit welcher Intention das Thema vorge- »Intoleranz entgegentreten – Cancel bracht werde. Den Diskurs ermöglichen Culture canceln!« und wurde von der AfD-Fraktion beantragt. // Die AfD sei in Deutschland der Motor für Gegen Sprachdiskriminierung Empörung, leitete Hanka Kliese, SPD, ein. Bewusst verdrehe sie Fakten, etwa wenn sie Kultur des Ausgrenzens Der Begriff Cancel Culture ersetze zunehmend behaupte, die Staatsregierung stehe unserer den Kampfbegriff der Political Correctness, Demokratie feindlich gegenüber. Die Debat- Der Meinungskorridor würde immer mehr so Sarah Buddeberg, DIE LINKE. Unter dem ten zum Thema Cancel Culture hätten viel verengt, Personen des öffentlichen Lebens Deckmantel von Satire und Humor werde der mit Emotionalität und Aggression zu tun, die würden stummgeschalten, der Diskurs an den kalkulierte Tabubruch begangen, wer sich daraus entstünde, weil eine Gruppe von Universitäten reduziere sich, leitete Thomas dagegen verwahre, würde diffamiert. Sie Menschen sich in ihren Grundrechten einge- Kirste, AfD, ein. Cancel Culture sei eine Kultur plädiere daher für eine sensible und diskri- schränkt sehe. Man müsse indes die Lebens des Absagens und des Ausgrenzens. Es sei minierungsfreie Sprache, bei der Empathie realität von Minderheiten anerkennen und eine Unkultur, der Ausdruck eines linken und Menschlichkeit im Zentrum stünden. so Diskurse ermöglichen. Modernismus, die auch in Deutschland und Sprachsensibilität sei eine wichtige zivilisa- Für die Regierung sprach die Staatsminis in Sachsen Einzug halte. Im Kern gehe es ihr torische Errungenschaft. terin der Justiz und für Demokratie, Europa um das Verhindern anderer Meinungen und Die AfD habe die Meinungsfreiheit nicht und Gleichstellung, Katja Meier, BÜNDNIS- nicht darum, sich einer Diskussion zu stellen. verstanden, sie verstehe nicht, was demo- GRÜNE. Eine offene Gesellschaft kenne keine Das Thema der sozialen Ächtung sei kratische Öffentlichkeit sei, so Valentin staatlichen Hohepriester der Meinungsfin- nicht neu, so Oliver Fritzsche, CDU. Ob das Lippmann, BÜNDNISGRÜNE. Es entspreche dung. Die Meinungsfreiheit finde wiewohl altgriechische Scherbengericht, der Pranger nicht der Realität, dass man in Deutschland ihre Schranken, etwa dort, wo aus Meinung oder die dunklen Kapitel der deutschen Ge- nicht mehr seine Meinung sagen dürfe. Oft Beleidigung und aus Kritik Hass erwachse. schichte, in der zum Boykott von Personen gehe es den rechten Kreisen nur um Meinungs Die Meinungsfreiheit sei ein wichtiges Grund aufgerufen worden sei. Der Vorwurf der Cancel äußerung ohne Widerspruch. Es gebe aber recht, aber keine Einladung, Menschen in Culture richte sich heute zwar meist gegen keine Meinungsfreiheit ohne Widerspruch. irgendeiner Form herabzuwürdigen. // Thomas Kirste // Foto: O. Killig 26. Sitzung des Sächsischen Landtags www.landtag.sachsen.de Ausgabe 2 2021 9 ˚
PLENUM Dr. Daniel Thieme Eine Frage der Menschlichkeit DIE LINKE setzt sich für einen befristeten Abschiebestopp ein 26. Sitzung des Sächsischen Landtags // DIE LINKE beantragte in der Landtagssitzung am 25. März 2021 eine Aktuelle Debatte zum Thema: »Faisal Jahangir aus Meißen ist kein Einzelfall: Humanes Bleiberecht statt Nerven-Poker – Abschiebemoratorium jetzt!«. // // Frank Richter und Rico Gebhardt // Fotos: O. Killig Verfahren beschleunigen habt. Dieser Fall sei keineswegs selten, Das Asylrecht für politisch Verfolgte sei ein denn von circa 14 000 ausreisepflichtigen hohes Gut, so Innenminister Prof. Dr. Roland Es passiere häufiger, dass gut integrierte Ausländern in Sachsen hätten 6 000 keinen Wöller, CDU. Man müsse daher aufpassen, Menschen wie Faisal Jahangir irgendwann Pass und würden deswegen geduldet. Es sei dass es nicht missbraucht werde. Nur so er- abgeschoben würden, mahnte Juliane Nagel, aber nicht hinnehmbar, dass sich diese Per- halte man die Bereitschaft, Flüchtlinge und DIE LINKE. Es bedürfe daher grundsätzlicher sonen auf Kosten des deutschen Steuerzah- Asylbewerber in Deutschland aufzunehmen. Änderungen, beispielsweise eines Abschiebe lers rechtswidrig in diesem Land aufhielten. Mit dem Fall von Faisal Jahangir hätten sich stopps während der Corona-Pandemie. Für Faisal Jahangir sei kein Einzelfall, stimmte insgesamt sieben Gerichtsurteile beschäf- diesen gebe es auch eine gesetzliche Grund Petra Čagalj Sejdi, BÜNDNISGRÜNE, dem tigt, mit dem Ergebnis, dass er vollziehbar lage. Nagel wies zudem auf die Zusammen- Debattentitel zu. Dennoch seien es genau ausreisepflichtig sei. Für die Bundesländer setzung der sächsischen Härtefallkommission diese Einzelfälle, die die Gesellschaft wach- gebe es keine Möglichkeit, einen generellen hin und kritisierte, dass die für Entscheidun- rüttelten und aufzeigten, dass die Asylpolitik Abschiebestopp zu erlassen. gen notwendige Zweidrittelmehrheit zu hoch in Deutschland unmenschlich und unge- sei. recht sei. Letztlich helfe nur eine grund Der Fall Jahangir eigne sich nicht als Be- legende Änderung im Asylgesetz und im // Juliane Nagel gründung für ein Abschiebemoratorium, Aufenthaltsgesetz. Spielräume, um etwas zu hielt Rico Anton, CDU, entgegen. Er böte bewirken, gebe es jedoch auch in Sachsen vielmehr Anlass, deutlich gestraffte und und nicht nur auf Bundesebene. schnellere Verfahren in Gang zu bringen. Faisal Jahangir lebe seit fast 13 Jahren noch immer in Deutschland, obwohl er zu keinem Abschiebestopp unzulässig Zeitpunkt schutzbedürftig war. Die Gerichte hätten geurteilt, dass er wissentlich über Frank Richter, SPD, appellierte an Innen seine Identität getäuscht habe. Für eine minister Wöller, eine humanitäre Lösung für mögliche Verfolgung in Pakistan gebe es Faisal Jahangir zu finden. Er beschäftige sich keine Anhaltspunkte. seit ungefähr anderthalb Jahren intensiv mit diesem Fall. Jahangir und seine Frau hätten ihn oft in seinem Bürgerbüro in Meißen auf- Einzelfälle sollen aufrütteln gesucht. Eine Identitätstäuschung könne Richter nicht erkennen, sondern lediglich Sebastian Wippel, AfD, erklärte, dass Faisal einen Fehler. Auch wenn er sich für einen Jahangir im Jahr 2008 illegal nach Deutsch- Verbleib des Mannes einsetze, lehne er einen land eingereist sei. Er habe keinen Pass allgemeinen Abschiebestopp, wie ihn die vorgelegt und keinen Anspruch auf Asyl ge- LINKE fordere, ab. 10 Ausgabe 2 2021 ˚
PLENUM // Die Aktuelle Debatte »Frauen in der Corona-Krise – gesellschaftliche Rückschritte vermeiden und Gleich berechtigung stärken« beantragte am 25. März 2021 die Fraktion BÜNDNISGRÜNE. // // Lucie Hammecke // Foto: O. Killig 26. Sitzung des Sächsischen Landtags Dr. Daniel Thieme Keine Rolle rückwärts BÜNDNISGRÜNE wollen Gleichberechtigung stärken Pandemie verschärft Probleme Solidarität statt Identitätspolitik Strukturelle Ungleichheit Häusliche Gewalt sei kein neues Problem, Die BÜNDNISGRÜNEN verbänden das Krisen Hanka Kliese, SPD, machte deutlich, dass es aber es habe sich durch die Corona-Pandemie thema mit ihren Vorstellungen von Identi- unabhängig vom eigenen Erleben in der verschärft, so Lucie Hammecke, BÜNDNIS täts- und Geschlechterpolitik, warf Martina Gesellschaft immer noch eine strukturelle GRÜNE. Als Beleg verwies sie auf die Polizei- Jost, AfD, der antragstellenden Fraktion vor. Ungleichbehandlung von Frauen und Männern liche Kriminalstatistik des Jahres 2020. An- Anstatt Identitätspolitik brauche man viel- gebe. Um daran etwas zu ändern, benötige dere Studien zeigten, dass Frauen während mehr eine neue Solidarität in der Gesellschaft, man jenseits aller politischen Instrumente des Lockdowns, als Kitas und Schulen ge- wie es kürzlich Wolfgang Thierse gefordert vor allem die Bereitschaft der Männer, für schlossen waren, mehr Kinderbetreuungs- habe. Für die Fälle von Unrecht gegenüber Erziehungszeiten zu Hause zu bleiben. In zeiten übernommen hätten. Sollte sich dies Frauen gebe es Gerichte und Institutionen, der Coronakrise hätten aber vor allem die verstetigen, hätte das unter anderem negative die sich um Gleichstellung und Gleichbe- Frauen häufiger traditionelle Aufgaben wie Auswirkungen auf die Lohngerechtigkeit. rechtigung kümmerten. die Kinderbetreuung übernommen. Daniela Kuge, CDU, stimmte ihrer Vorred- Es gehe in der Debatte nicht darum, dass Die diskutierten Probleme seien auch nerin zu. Existenzsorgen, Quarantäne und Frauen nicht in der Küche sein dürften, stellte über die Coronakrise hinaus noch vorhan- Einschränkungen der Bewegungsfreiheit hät- Sarah Buddeberg, DIE LINKE, klar. Auch müss den, gab Gleichstellungsministerin Katja ten zu einem deutlichen Anstieg von häus ten nicht alle Karriere machen. Vielmehr gehe Meier, BÜNDNISGRÜNE, zu bedenken. Man licher Gewalt geführt. Nach wie vor seien es darum, dass die Frage nach Familie, Kar- müsse grundsätzlich daran arbeiten, dass Frauen und Mädchen in Deutschland nicht riere oder beidem eine freie Entscheidung Frauenrechte im Fokus blieben. Eine funda- ausreichend geschützt, man müsse daher bleibe. Aktuell sei es jedoch eher ein struk- mentale Benachteiligung von Frauen zeige das Hilfsnetz weiter ausbauen. Ein Problem turelles Problem. So reduzierten Frauen im sich etwa darin, dass es besser bezahlt gebe es auch mit Prostitution. Frauen, die Falle von Homeschooling oder der Pflege werde, ein Auto zu reparieren, als einen zuvor schon in der Illegalität arbeiteten, von Angehörigen eher ihre Erwerbsarbeit, Menschen zu pflegen oder Kinder zu betreu- seien in der aktuellen Zeit noch unsichtbarer weil sie häufiger das geringere Einkommen en. Die Krise habe gezeigt, welche Berufe geworden. hätten. wirklich systemrelevant seien. Ausgabe 2 2021 11 ˚
PLENUM // Das »Dritte Gesetz zu den Finanzbeziehungen zwischen dem Freistaat Sachsen und seinen Kommunen« war das Thema einer Sondersitzung des Sächsischen Landtags am 31. März 2021. Das Gesetz wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD angenommen. // Foto: M. Rietschel 27. Sitzung des Sächsischen Landtags Dr. Daniel Thieme Verlässlichkeit für die Kommunen Landtag beschließt Reform der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen Gerechte Finanzverteilung Unterfinanzierte Kommunen Funktionierender Schutzschirm Aus der Sicht von Christian Hartmann, CDU, Die Kommunen in Sachsen seien unterfinan Dirk Panter, SPD, knüpfte an die Worte seiner stärke das neue Finanzausgleichsgesetz das ziert, kritisierte Mirko Schultze, DIE LINKE. Vorrednerin an. Generell biete das Gesetz Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung. Das neue Finanzausgleichsgesetz ändere da einen guten Regelungsmechanismus, an dem Die Regierung habe sich dazu verpflichtet, dass ran nichts, es verteile nur das vorhandene man im Grundsatz festhalten müsse. Man die Kommunen im ländlichen Raum sowie in Finanzvolumen um. Man hätte vielmehr die dürfe zudem nicht vergessen, dass 2013 mit den Städten ihre Aufgaben zukunftsfest, Chance nutzen müssen, ein Post-Corona- dem sogenannten »Schutzschirm für die gemeinwohlorientiert und sozial erfüllen Investitionspaket in die Kommunen zu ste- Kommunen« neben der Schuldenbremse könnten. Zukünftig werde die Finanzvertei- cken. Allein die Einnahmeverluste auszu- eine weitere wichtige Änderung an der Ver- lung zielgerichteter und gerechter erfolgen. gleichen sei der falsche Ansatz. Man müsse fassung erfolgt sei. Dieser habe in Zeiten Die Reform begleite ein Ausgleichsmecha- die Kommunen wieder richtig handlungs der Pandemie seine Wirkung gezeigt und nismus, der etwaige Verluste kompensiere. fähig machen, und zwar über das Niveau der biete für die nächsten Jahre Stabilität. Bereits bei den Verhandlungen zum letz- Vor-Corona-Zeit hinaus. Die Staatsregierung stehe eng an der ten Finanzausgleichsgesetz im Jahr 2018 Franziska Schubert, BÜNDNISGRÜNE, be- Seite der Kommunen, unterstrich Finanzmi- habe sich gezeigt, dass es einer Reform be- tonte, man gehe mit dem Gesetz einen un- nister Hartmut Vorjohann, CDU. Die Spitzen- dürfe, führte André Barth, AfD, aus. Haupt- konventionellen Weg, indem man es heute verbände hätten sich als faire Verhandlungs kritikpunkt sei es damals gewesen, dass die noch vor der Verabschiedung des Haushalts partner erwiesen. Der Schulterschluss sei demografische Entwicklung bei der Mittel- berate. Die Sondersitzung sei jedoch notwen ein Erfolg, genauso wie das Verhandlungs verwendung keine Rolle spiele. Der nun an- dig, damit die pandemiebedingte Erstattung ergebnis an sich. Dennoch hätten einige gestrebte große Wurf habe sich aber in Luft der Elternbeiträge umgehend auf den Weg den Gesetzentwurf zwischenzeitlich als aufgelöst. Die Entlastung der schwächsten komme. Dies biete den Kommunen Sicherheit. Spielball benutzt, um Einzelinteressen Gemeinden erfolge zulasten von Städten ab In dem vorgelegten Entwurf sei vor allem die durchzusetzen. Dieses Verhalten habe zu 10 000 Einwohnern, die sich häufig im länd- Basisfinanzierung hervorzuheben, von der Verunsicherung und Zeitverzug zulasten der lichen Raum befänden. besonders kleinere Gemeinden profitierten. Kommunen geführt. 12 Ausgabe 2 2021 ˚
PA R L A M E N T Haushalt und Corona: Parlament im Arbeitsmodus // Gemeinsame Ausschusssondersitzung zur Corona-Schutz-Verordnung am 29. März 2021 // Foto: S. Füssel // Nach Einbringung des Haushaltsentwurfs 2021/2022 widmen sich aktuell die Landtagsausschüsse dem umfangreichen Gesetz. Dazu hörten die Abgeordneten zuletzt verschiedene Experten an. Es ging dabei unter anderem um die Auswirkungen der Corona-Pandemie für Sachsen. Für deren Bewältigung hat der Landtag seit dem vergangenen Jahr ein stärkeres Mitsprache- und Informationsrecht durchgesetzt. // 13
PA R L A M E N T // Der Doppelhaushalt für die Jahre 2021/2022 ist eingebracht – die vermeintliche Stille in der Öffentlich- keit trügt aber. Das Verfahren bestimmt seit Wochen ganz wesentlich den laufenden Betrieb im Landtag. Wie Janina Wackernagel der Entwurf der Staatsregierung aufgenommen wird und welche Schwerpunkte die Fraktionen noch setzen wollen, kam in den ersten Beratungen bereits zum Ausdruck. // // Knapp 26 Zentimeter Höhe misst der Papierstapel des Haushaltsentwurfs 2021/2022. // Foto: SLT Elf Stunden Anhörung für 43 Milliarden Euro Ausschüsse beraten den aktuellen Haushaltsentwurf Kommunen dar. Der Ausschuss sind. Um Lücken zu schlie- hatte 25 Sachkundige geladen, ßen, wartet man noch auf auch die neun mitberatenden weitere Förderprogramme. Ausschüsse waren zur Teilnahme Weniger gut erschlossene aufgefordert. Mithilfe der stark Gebiete sollen zumindest eingespannten Stenografen an 100 Mbit/s herangeführt kamen so insgesamt über werden. Dafür braucht es 300 Seiten Protokoll zusammen, weitere Investitionen. Nach die im Internet nachzulesen sind Wahrnehmung der Kommu- (siehe QR-Codes rechte Seite). nen gibt es dabei massive Kostenerhöhungen. AUSGEWÄHLTE SCHWERPUNKTE • Zur Strukturentwicklung in DER HAUSHALTSBERATUNGEN den Sächsischen Braunkohle regionen soll ein Fonds auf- // Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses // Foto: S. Floss • Der Breitbandausbau in Sach gelegt werden. Damit wird sen wird derzeit mit einem bessere Transparenz über Im Januar hatte – nach zwei Er ist federführend im Verfahren, komplexen Förderprogramm entsprechende Landes- und maliger Verschiebung der Zeit- dort laufen alle Fäden zusammen. vorangetrieben. Die Antrag- Bundesmittel hergestellt. pläne – die Staatsregierung So war es auch der Haushalts stellung wurde wesentlich Die Mittel können so außer- ihren Entwurf für den Doppel- ausschuss, in dem die für dieses vereinfacht, sodass die dem flexibler bewirtschaftet haushalt 2021/2022 ins Plenum Haushaltsverfahren zentralen An Umsetzung beschleunigt und überdies für mehrjährige eingebracht. Es folgten in den hörungen am 25. und 26. Januar werden kann. Sachsen ist in Projekte finanziell dargestellt letzten Januarwochen die Ein- 2021 stattfanden. Insgesamt der Breitbandverfügbarkeit werden. Aus Sicht der Kom- bringungen der Einzelpläne durch elf Stunden legten Experten seinen ostdeutschen Nach- munen ist der Strukturwandel die Staatsministerinnen und ihre Einschätzung zum Haus- barländern voraus. Eine Ver- eine enorme Herausforderung -minister in den jeweils zustän haltsgesetz (mit seinen 15 Einzel sorgung mit 1 000 Mbit/s – zumal Arbeitsplätze nicht digen Fachausschüssen. Eine plänen), zum Haushaltsbegleit erreicht aktuell 42,5 % der einfach direkt finanziert, son- zentrale Rolle spielt im Haus- gesetz sowie zum Gesetz zu den Haushalte. Dennoch gibt es dern lediglich die Rand- und haltsverfahren naturgemäß der Finanzbeziehungen zwischen viele Regionen, die nur mit Rahmenbedingungen beein- Haushalts- und Finanzausschuss. dem Freistaat Sachsen und seinen bis zu 30 Mbit/s versorgt flusst werden dürfen. 14 Ausgabe 2 2021 ˚
PA R L A M E N T ZUM NACHLESEN • Den traditionell größten Steuerzahler Sachsen beschei- Posten im Landeshaushalt nigte den Abgeordneten, dass stellen die Personalkosten die solide Haushaltsführung Protokoll Protokoll Protokoll im öffentlichen Dienst dar. der vergangenen Jahre in der Anhörung Anhörung Anhörung Hier wurde vonseiten einiger nun schwierigen Pandemielage Haushalts- Haushalts Finanzaus- Sachkundiger eine ehrliche trotzdem eine gewisse Hand- gesetz begleitgesetz gleichsgesetz Aufgabenkritik angemahnt. lungsfähigkeit ermöglicht. Sogleich gab es aber auch Prof. Dr. Joachim Ragnitz vom Warnungen davor, Personal- ifo Institut Dresden bewertete politik nur als Kostenfaktor den Haushaltsplan aufgrund zu sehen – der Freistaat der geplanten Rücklagenent Sachsen müsse sich schließ- nahmen als nun nicht mehr lich auch als attraktiver grundsolide. Der Präsident des André Jacob, bat als Vertreter zuständigen Fachausschüssen Arbeitgeber positionieren, Sächsischen Rechnungshofs, der kommunalen Spitzenver- vorgesehen. Dabei werden dann um ausreichend Fachkräfte Prof. Dr. Karl-Heinz Binus, bände um Nachbesserungen. auch zahlreiche Änderungsan- zu gewinnen. betonte in der Anhörung, dass Die Kommunen wünschen sich träge der Fraktionen erwartet. es derzeit praktisch keinen noch stärkere Investitionen, Die Bitten und Ratschläge der Raum für freiwillige Ausgaben speziell in den Bereichen Stra- geladenen Experten, aber auch Unterschiedliche gebe und dass sich dieser mit- ßenbau, Krankenhäuser, Kita- verschiedene Eingaben von Ansprüche an telfristig auch noch verkleinern und Schulhausbau, Kulturein- Verbänden sowie die jeweilige finanzpolitische werde. Er bewertete den Ent- richtungen und Brandschutz. politische Schwerpunktsetzung Entscheidungen wurf zum Doppelhaushalt in Er erinnerte daran, dass die dürften dann eine große Rolle der vorliegenden Form als noch kommunale Ebene rund zwei spielen. Mitte Mai wird es dann In den Haushaltsverhandlungen nicht beschlussfähig. Abschlie- Drittel aller Investitionsaufträge eine Klausurwoche des Haus- müssen die Abgeordneten ver- ßend regte er die Fraktionen im Freistaat Sachsen vergebe. halts- und Finanzausschusses suchen, teils sehr unterschied- dazu an, für kommende Haus- geben, in der alle Änderungen lichen Ansprüchen gerecht zu haltsjahre weitergehende Im- noch einmal in der Gesamt- werden. Kein Ressort, keine pulse zu setzen, insbesondere Alle Wünsche unter schau bewertet werden. Die Berufsgruppe möchte bei den um die Staatsregierung mit der einen geschrumpften Ergebnisse gehen dann in die Zuweisungen der nächsten Überprüfung des Personal Hut bringen? Endabstimmung ins Plenum. Jahre benachteiligt werden. bedarfs sowie der Landesauf Und dennoch kann jeder Euro gaben zu beauftragen. In den kommenden Wochen nur einmal ausgegeben werden. Der Geschäftsführer des sind detaillierte Behandlungen Thomas Meyer vom Bund der Sächsischen Landkreistages, aller Einzelpläne in den jeweils HAUSHALTSGESETZ, HAUSHALTSBEGLEITGESETZ UND GESETZ ZU DEN FINANZBEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEM FREISTAAT SACHSEN UND SEINEN KOMMUNEN 2 TAGE PLAN PLAN PLAN PLAN PLAN PLAN PLAN PLAN PLAN PLAN PLAN PLAN PLAN PLAN PLAN 3 Sitzungen 15 25 Gesetzentwürfe Einzelpläne Sachkundige 1 federführender 11 STUNDEN 9 Ausschuss 300 SEITEN Expertenvorträge mitberatende und Fragerunden über Protokoll Ausschüsse 15
PA R L A M E N T Wolfgang Rausch Das Parlament in der »Stunde der Exekutive« Die Mitwirkung des Landtags an den Corona-Schutzmaßnahmen // Sondersitzung des Landtags am 9. April 2020 im Kongresszentrum Dresden // Foto: O. Killig // Seit über einem Jahr beeinflusst die Covid-19-Pandemie den Alltag der Menschen in Sachsen. Von Anfang an war ein unverzügliches Handeln der Sächsischen Staatsregierung erforderlich. Doch auch der Landtag hat in den Ausschüssen und im Plenum wesentlich daran mitgewirkt, Pandemiebekämpfung erfordert schnelles und die Lage einzudämmen und die Folgen der Pandemie zu begrenzen. // flexibles Handeln Nicht nur in Deutschland und übertragbarer Krankheiten zu Weise ihres Entstehens kritisiert parlamentarischen Gesetzge- nicht erst seit Beginn der erlassen. wurden – zumal, wenn auf bungsverfahren erreichbar COVID-19-Pandemie gelten Kri- Rechtsverordnungen gelten dem »intransparenten« Ver wäre, kann bezweifelt werden. sen als »Stunde der Exekutive« allgemein als »öffentlichkeits- ordnungsweg Maßnahmen oder »Zeit der Macher«, weil scheu«, da sie in Ministerien beschlossen werden, die mit es in der Natur einer Krise beraten und von der Staats Kontakt- und Ausgangsbeschrän- Landtag ebnete im oder Katastrophe liegt, plötzlich regierung beschlossen werden. kungen, Einschränkungen des Frühjahr 2020 den Weg und unerwartet aufzutreten Dies steht im Gegensatz zur Versammlungsrechts sowie der für Kredite sowie zügiges und entschiede- parlamentarischen Gesetzge- Schließung von privaten und nes Handeln erforderlich zu bung in einem transparenten öffentlichen Einrichtungen Ungeachtet dessen hat auch machen. Die Rechtsgrundlage Verfahren und nach breiter wesentlich in die Grundrechte der Sächsische Landtag bereits für alle Maßnahmen zur Ein- öffentlicher Debatte. Es ist da- der Bürgerinnen und Bürger ein- in dieser ersten Phase der dämmung der Covid-19-Pande- her nicht verwunderlich, wenn greifen. Ob indes die für die Pandemie gehandelt. In seiner mie in Sachsen sind die Corona- schon die ersten Corona-Schutz- Pandemiebekämpfung nötige Sitzung am 9. April 2020 bewil- Schutz-Verordnungen des Verordnungen für die Art und Flexibilität und Schnelligkeit im ligte er als Ausnahme vom ver- Sächsischen Staatsministeri- Foto: S. Füssel fassungsrechtlich verankerten ums für Soziales und Gesell- Neuverschuldungsverbot eine schaftlichen Zusammenhalt Kreditaufnahme in Höhe von (SMS). Sie stützen sich ihrer- maximal sechs Milliarden Euro seits auf die bundesrechtliche zur Bewältigung der Folgen der Ermächtigungsnorm in § 32 Corona-Pandemie. Darüber hin- des Infektionsschutzgesetzes. aus wurde gesetzlich festge- Demnach ist es die Aufgabe der legt, dass der Haushalts- und Landesregierungen, per Rechts- Finanzausschuss des Landtags verordnung die nötigen Ge- die Finanzhilfen zur Bewälti- und Verbote zur Bekämpfung gung der Pandemie in Sachsen 16
PA R L A M E N T im Einzelnen freigeben muss. Seither hat der Haushaltsaus- schuss in seinen regulären Sitzungen und zahlreichen Sondersitzungen die Gelder für die notwendigen Maßnahmen bewilligt. Der Kritik an mangelnder Transparenz und förmlicher Be- teiligung des Landtags begeg- nete die Staatsregierung, indem sie den Abgeordneten frühzeitig zusätzliche Informationsange- bote unterbreitete. Neben den regulären mündlichen Berichten der Staatsministerinnen und Staatsminister im Rahmen der Fachausschusssitzungen bot etwa die Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt den Obleuten des im Parlament für den Gesund- heitsschutz der Bevölkerung // Abstimmung über eine stärkere Beteiligung des Landtags in der Corona-Pandemie am 4. November 2020 // Foto: S. Floss an mehrere Regierungserklärun- Verordnungen der Länder nun sprechenden Entwürfe seitdem gen zum Thema ab, woran sich bundesgesetzlich vorgegeben vor deren Erlass. So wurde zum regelmäßig eine Aussprache sind. Beispiel der am 23. November des Landtags anschloss, die Der Landtag debattierte im 2020 übermittelte Entwurf einer die Fraktionen mit ihren Anträ- Anschluss an eine Regierungs- neuen Corona-Schutz-Verord- gen begleiteten. erklärung des Ministerpräsiden- nung in neun Fachausschüssen ten am 4. November 2020 über vorgestellt und beraten. Die seine künftige Teilhabe an den Abgeordneten brachten ihre Beschlüsse festigen Maßnahmen zum Schutz der Anregungen und Vorschläge Mitspracherecht des Bevölkerung. Er legte fest, die für Verbesserungen ein, die die // Ministerpräsident Michael Kretschmer Landtags Tagesordnung der Plenarsitzun- Vertreter der Staatsregierung am 16. Dezember 2020 // Foto: S. Floss gen um einen ständigen Tages- in die Schlussredaktion »mit- In der Zwischenzeit befasste ordnungspunkt »Bericht der nahmen«, bevor das Kabinett federführenden Sozialausschus- sich der Deutsche Bundestag mit Staatsregierung zur Corona- den Erlass der Verordnung am ses regelmäßige gemeinsame dem 3. Bevölkerungsschutzge- Pandemie« zu erweitern. Darüber 30. November beschloss. Erörterungen zum aktuellen setz, um verfassungsrechtliche hinaus wurde beschlossen, ei- Dieses Prinzip der vorheri- Pandemiegeschehen an. Diese Bedenken auszuräumen. Von nen entsprechenden Punkt auf gen Ausschusskonsultation Telefonkonferenzen mit Abge- verschiedenen Seiten war vor- die Tagesordnungen sämtlicher wird bis heute praktiziert. Vor ordneten aller Fraktionen fan- gebracht worden, die general- Fachausschüsse zu setzen. Au- Erlass jeder neuen Corona- den bereits im Frühjahr und klauselartige Ermächtigung im ßerdem beschloss das Plenum, Schutz-Verordnung leitet die finden seit November 2020 Infektionsschutzgesetz stütze ein System für eine frühzeitige Staatsregierung dem Landtag wöchentlich statt. Daneben die in den Rechtsverordnungen Unterrichtung des Landtags vor den Entwurf zu. Die Vorsitzen- nahmen die Landtagsfraktionen der Bundesländer verhängten dem Erlass von Verordnungen den der fachlich betroffenen Angebote zu bilateralen Ge- Maßnahmen nicht mehr ausrei- und Allgemeinverfügungen der Ausschüsse berufen dann kurz- sprächsrunden an. chend, je länger die Pandemie Staatsregierung mit Bezug zur fristig eine Sitzung ein, in der Auch das Landtagsplenum andauere. Der Bundestag hat Pandemie zu entwickeln. der Entwurf mit den zuständi- selbst beschäftigte sich häufig diesen Bedenken am 21. De Damit ging eine Zäsur ein- gen Fachministerinnen und mit der Covid-19-Pandemie. zember 2020 durch Präzisie- her. Fortan debattierte der -ministern diskutiert wird. Erst Dazu fanden Aktuelle Debatten rung der Ermächtigungsnorm Landtag nicht erst nach Erlass danach erlässt die Staatsregie- sowie Beratungen und Be- Rechnung getragen, etwa indem einer neuen Verordnung über rung die Rechtsverordnung. So schlüsse auf Antrag sämtlicher Grenzwerte, Befristungen und die getroffenen Maßnahmen. hat der Landtag die Zügel auch Fraktionen statt. Zudem gab die Begründungen für Einschrän- Vielmehr übermittelt die Staats in der »Stunde der Exekutive« Staatsregierung von März 2020 kungen in Corona-Schutz- regierung dem Landtag die ent- weiter fest in der Hand. Ausgabe 2 2021 17 ˚
Sie können auch lesen