Hessischer Konjunkturspiegel - Hessen Agentur
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Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen Hessischer Konjunkturspiegel 3. Quartal 2020 Konjunkturdaten Tabellen Kurzberichte Kultur- und Kreativwirtschaft in Hessen Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in Hessen Schwerpunktthemen Wirtschaft in Zeiten der Pandemie — Blick auf 2021 anhand aktueller Konjunkturprognosen Monitoring der Energiewende in Hessen
Inhalt Vorwort 1 Kurzberichte Kultur- und Kreativwirtschaft in Hessen 2 Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in Hessen 4 Schwerpunktthemen Wirtschaft in Zeiten der Pandemie – Ausblick auf 2021 anhand aktueller Konjunkturprognosen 6 Monitoring der Energiewende in Hessen 12 Die hessische Konjunktur Die hessische Konjunktur in Zahlen 17 Die hessische Konjunktur im Überblick 18 Beschäftigung und Arbeitsmarkt 19 Außenhandel, Einzelhandel, Gastgewerbe 22 Verarbeitendes Gewerbe 25 Bauhauptgewerbe 27 Indikatoren im Detail 29 Konjunkturumfragen anderer Institutionen Konjunkturbericht Hessischer Industrie- und Handelskammertag 32 Konjunkturbericht Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern 34 IMPRESSUM HERAUSGEBER Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen BEARBEITUNG HA Hessen Agentur GmbH • Konradinerallee 9 • 65185 Wiesbaden Tel +49 611 95017-80/-85 • Fax +49 611 95017-846 • info@hessen-agentur.de VERFASSER Dr. Claus Bauer STAND Dezember 2020 UMSCHLAG Hessisches Statistisches Landesamt HINWEISE ZUR VERWENDUNG Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Hessischen Landesregierung herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlkampfveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Die genannten Beschränkungen gelten unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl die Druckschrift dem Empfänger zugegangen ist. Den Parteien ist es jedoch gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung von Funktions- bzw. personenbezogenen Bezeichnungen, wie zum Beispiel Teilnehmer / Innen, verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplar erbeten. DOWNLOAD Download unter www.hessen-agentur.de/publikationen DATENQUELLEN Hessisches Statistisches Landesamt statistik.hessen.de Statistisches Bundesamt www.destatis.de Statistik der Bundesagentur für Arbeit statistik.arbeitsagentur.de Deutsche Bundesbank www.bundesbank.de
VORWORT Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser, Wie wird sich Hessens Wirtschaft im kommenden Jahr entwickeln? Eine Antwort versucht der Schwer- punktbericht Wirtschaft in Zeiten der Pandemie: Ausblick auf 2021 anhand aktueller Konjunktur- prognosen. Die gute Nachricht ist, dass nicht mit ei- nem weiteren Rückgang gerechnet wird. Allerdings wird das Niveau vor der Krise in Deutschland und in Hessen wahrscheinlich erst Ende 2021 annähernd wieder erreicht werden können. Die umfangreichen Finanzhilfen von Bund und Ländern haben dazu beigetragen, den Schaden für die Unternehmen ßungen wieder erholt, kann aber das Vorjahresni- möglichst gering zu halten. veau noch nicht erreichen. Ebenso verläuft der Auf- holprozess im Verarbeitenden Gewerbe. Verschont Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor ist die Kultur- von der Pandemie blieb das Bauhauptgewerbe, das und Kreativwirtschaft in Hessen, die in den ver- seit mehreren Jahren eine wichtige Stütze der Kon- gangenen Jahren Umsatz und Beschäftigung stei- junktur in Hessen ist. Die Arbeitslosenquote ist zum gern konnte, nun aber auch in besonderem Maße dritten Mal in Folge gesunken. betroffen ist. Ihr hohes Wachstums- und Innovati- onspotenzial gibt jedoch Anlass, auf eine rasche Die hessische Wirtschaft ist bislang vergleichsweise und umfassende Erholung zu hoffen, wenn die Kri- gut durch die Krise gekommen. Dennoch gibt es se überwunden ist. immer noch Betriebe und Soloselbständige, die durchs Raster der bisherigen Hilfsprogramme fal- Der Bericht zum Monitoring der Energiewende in len. Mit der Notfallkasse Hessen und dem Hessen- Hessen zeigt, wie wichtig die Erneuerbaren Ener- Fonds schaffen wir zusätzliche Angebote, um Hes- gien in Hessen inzwischen sind. 2019 trugen sie sens Unternehmen in dieser Situation beizustehen. erstmals mehr als 50 Prozent zur hessischen Strom- erzeugung bei und überholten damit die konventio- Bleiben Sie gesund. nellen Energieträger. Die Energiewende in Hessen kommt gut voran, aber der Weg zur Klimaneutralität Ihr ist noch weit. In 2018 belegten die hessischen Bürgerinnen und Bürger mit Blick auf das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in Hessen bundesweit den Tarek Al-Wazir, vierten Platz. Der Bericht gibt Auskunft über die Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr Entwicklung und Verwendung des Verfügbaren Ein- und Wohnen kommens. Die Betrachtung der hessischen Konjunktur im Überblick lässt einen leichten Aufwärtstrend nach den Lockerungen des harten Lockdowns erkennen: Der Außenhandel hat sich nach den Grenzschlie- HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020 1
KURZBERICHTE Kultur- und Kreativwirtschaft in Hessen Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine bedeutende In der hessischen Kultur- und Kreativwirtschaft waren Branche in Hessen, die sich in den letzten Jahren 2019 mindestens 128.500 Personen erwerbs- gut entwickelt hat, wie der nachfolgende Blick auf tätig, darunter 78.700 sozialversicherungspflichtig ausgewählte Wirtschaftsdaten der heimischen Kul- Beschäftigte, gut 17.400 ausschließlich geringfügig tur- und Kreativwirtschaft verdeutlicht.1 Zurzeit hat Beschäftigte, etwa 20.500 Unternehmensinhabe- die Branche allerdings erheblich mit den Auswir- rinnen und -inhaber sowie mehr als 11.900 freibe- kungen der Corona-Pandemie zu kämpfen. Um nur ruflich künstlerisch und publizistisch Tätige.4 zwei Beispiele zu nennen: Abgesagte Veranstal- tungen, Aufführungen und Auftritte treffen die Künst- Erwerbstätige in der Kultur- und lerinnen und Künstler – sei es aus der Musikwirt- Kreativwirtschaft in Hessen schaft, den Darstellenden Künsten oder der Filmwirt- schaft. Und im Werbemarkt schlagen sich der Ein- 61% 14% 16% 10% 78.700 17.400 20.500 11.900 bruch im Bereich Kinowerbung, Tourismus und (Sport-)Events sowie konjunkturbedingte Ausfälle Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte seitens werbetreibender Unternehmen nieder. Das Ausschließlich geringfügig Beschäftigte hohe Wachstums- und Innovationspotenzial der Unternehmensinhaber Branche lässt jedoch hoffen, dass sich die Kultur- Freiberufliche Künstler und Publizisten und Kreativwirtschaft möglichst rasch und umfas- Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Bundesagentur für Arbeit, send von den tiefen Einschnitten der Corona-Krise Künstlersozialkasse, Berechnung und Darstellung der Hessen Agentur. erholt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäf- Die Branche setzt sich aus den elf Teilmärkten tigten in der hessischen Kultur- und Kreativbranche Musik, Buch, Kunst, Film, Rundfunk, Darstellende erhöhte sich zwischen 2018 und 2019 um 2,7 %. Im Künste, Design, Architektur, Presse, Werbung, Soft- langfristigen Vergleich gegenüber 2010 ist deren ware und Games sowie dem Bereich Sonstiges Anzahl um knapp 14.900 Personen bzw. 23,3 % ge- (u.a. Bibliotheken) zusammen. Betrachtet werden stiegen – und damit im Vergleich zur hessischen Branchendaten der hessischen Kultur- und Kreativ- Wirtschaft insgesamt (+19,5 %) leicht überdurch- unternehmen, die sich mit der Schaffung von kul- schnittlich. Dies ist umso bemerkenswerter, als das turellen und kreativen Gütern befassen und die langfristige Wachstum durch einen methodischen überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind.2 Effekt der Statistik – und zwar die Umgruppierung von Beschäftigten des „Einzelhandels mit Büchern“ Im Jahr 2018 erwirtschafteten die knapp 20.500 (Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft) zum „Sons- Unternehmen3 der hessischen Kultur- und Kreativ- tigen Versand- und Internethandel“ (nicht Teil der wirtschaft einen Umsatz von rund 14,7 Mrd. Euro. Branche) – deutlich gemindert wurde. Zusätzlich zu Damit ist der Umsatz kräftig um 431 Mio. Euro bzw. den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten waren um 3,0 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Der 2019 rund 27.400 Personen in der Branche gering- Branchenumsatz liegt im langfristigen Vergleich um fügig beschäftigt, unter denen rund 17.400 Personen rund 22 % höher als im Jahr 2010. – 2,4 % weniger als im Vorjahr – ausschließlich einer _____________________ 1) Vgl. hierzu ausführlich Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (Hrsg., 2020): Datenreport 2020 – Kul- tur- und Kreativwirtschaft in Hessen, Creative Industries, HA-Report 1020, Wiesbaden. Download: www.kreativwirtschaft-hessen.de. Der Datenreport informiert ebenfalls – differenziert nach Teilmärkten – über die Auswirkungen der Corona-Pandemie. 2) Die Berechnungen der Wirtschaftszahlen wurden gemäß dem „Modell Söndermann“ durchgeführt. 3) Erfasst sind Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 17.500 Euro. 4) Die tatsächliche Zahl der Erwerbstätigen liegt höher: Die Zahl der Selbstständigen und Freiberufler mit Jahresumsatz unter 17.500 Euro lässt sich anhand der Zahlen des Bundes auf 16.500 schätzen, womit sich eine Erwerbstätigenzahl der hessischen Kultur- und Kreativwirtschaft von insgesamt etwa 145.000 ergäbe. Zudem sind Erwerbstätige, die einer Tätigkeit in der Kultur- und Kreativbranche ausschließlich im Nebenerwerb nachgehen, nicht erfasst, da sie ihren Lebensunterhalt in anderen Branchen sichern. 2 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020
KURZBERICHTE geringfügigen Beschäftigung nachgingen. markt (100 Mio. Euro). Nachfolgend wird ein Blick auf die beiden umsätzstärksten Teilmärkte geworfen: Neben den abhängig Beschäftigten zählen zur Ge- samtzahl der Erwerbstätigen in der Kultur- und Kre- Der Umsatz der Software- und Games-Industrie ativwirtschaft knapp 20.500 Unternehmensinhab- legte 2018 um 3,5 % auf knapp 4,4 Mrd. Euro zu, erinnen und -inhaber sowie über 11.900 freiberuflich womit sie das zweite Jahr der umsatzstärkste Teil- künstlerisch und publizistisch Tätige. Die Zahl der markt der hessischen Kultur- und Kreativwirtschaft Inhaberinnen und Inhaber bzw. Unternehmen sowie ist. Die Software- und Games-Industrie blickt auf der freiberuflich künstlerisch und publizistisch tä- eine langanhaltende Expansionsphase zurück und tigen Personen ändert sich von Jahr zu Jahr lediglich zählt zu den am dynamischsten wachsenden Teil- geringfügig. Erstere lag 2019 rund 1 % unter dem märkten. Auch die Beschäftigung hat deutlich zuge- Ausgangsniveau des Jahres 2010, Letztere ist ge- nommen. Von 2018 auf 2019 stieg die Zahl der so- genüber 2010 um 6,8 % bzw. rund 750 Personen zialversicherungspflichtig Beschäftigten um 2.361 gestiegen. Personen (+7,7 %). Damit sind im Jahr 2019 14.280 Personen (+76,2 %) mehr in der Software- und Die Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft sind Games-Industrie beschäftigt als noch 2010. nicht nur durch die Vielfalt der Kreativschaffenden und ihrer Produkte und Dienstleistungen gekenn- Zu diesem Teilmarkt zählen die Softwareentwick- zeichnet, sondern auch durch eine große Spann- lung, das Verlegen von Computerspielen und das breite der Umsatz- und Beschäftigtenzahlen. So Betreiben von Webportalen. Den Standort Hessen reicht das Spektrum in Hessen etwa beim Umsatz zeichnet ein großes Netzwerk von Software- und IT- von der Software- und Games-Industrie sowie dem Service-Unternehmen aus. Vor allem in Frankfurt Werbemarkt mit 4,4 Mrd. bzw. 4,2 Mrd. Euro bis zur am Main sind renommierte Videospielentwickler und Rundfunkwirtschaft (191 Mio. Euro) und dem Kunst- -verleger ansässig und der Internetknoten DE-CIX in Frankfurt ist der größte Datenaustauschpunkt der Umsatz und Beschäftigung in der Kultur- und Welt. Darmstadt ist ein bedeutsamer Standort für Kreativwirtschaft in Hessen nach Teilmärkten Serious Games. Umsatz Sozialversich. in Mio. Euro Beschäftigte Der Werbemarkt auf Rang zwei setzt sich aus der 2018* 2017 2019 2018 Gestaltung von Werbung durch Werbeagenturen Software-/ sowie der Vermarktung von Werbezeiten und Wer- 4.398 4.248 33.014 30.653 Games-Industrie beflächen zusammen. In Hessen sind die Online- Werbemarkt 4.215 4.083 13.184 13.523 und Digitalwerbung sowie die Werbefilmindustrie Designwirtschaft 2.067 1.897 8.826 8.980 von besonderer Relevanz. Der hessische Werbe- Pressemarkt 1.965 1.930 10.107 10.439 markt vermochte seinen Umsatz 2018 um 3,2 % Architekturmarkt 1.084 1.001 8.082 7.609 gegenüber dem Vorjahr auf 4,2 Mrd. Euro erhöhen. Filmwirtschaft 864 839 2.306 2.233 Langfristig nahm der Umsatz gegenüber dem Jahr Musikwirtschaft 676 636 3.530 3.393 2010 um 10 % zu, wobei sich die Struktur deutlich Buchmarkt 642 636 3.771 4.155 geändert hat, denn die Vermarktung und Vermitt- Markt für Darstellende lung von Werbezeiten und Werbeflächen hat er- 579 536 3.031 2.860 Künste heblich an Bedeutung für den Umsatz dieses Teil- Rundfunkwirtschaft 191 189 1.185 1.188 marktes gewonnen. Im Werbemarkt ist die Zahl der Kunstmarkt 100 137 312 309 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 2019 im Sonstiges 96 110 402 389 Vergleich zu 2018 um 2,5 % gesunken. Dessen un- Insgesamt** 14.674 14.242 78.700 76.635 geachtet liegt diese mit knapp 13.200 Beschäftigten * Keine Daten für 2019 verfügbar ** Die Summe der Teilmärkte entspricht nicht um 19,5 % über dem Wert des Jahres 2010. der Gesamtsumme, da zur Ermittlung der Gesamtsumme die Teilmärkte um Doppelzählungen bereinigt werden müssen. Dr. Alexander Werner, Dr. Claus Bauer Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Bundesagentur für Arbeit, Berechnung und Darstellung der Hessen Agentur. HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020 3
KURZBERICHTE Das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in Hessen Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist zweifellos eine – Datengrundlage der Ausführungen sind die neuesten wenn nicht sogar die – zentrale Wirtschaftskennzif- Berechnungen des Arbeitskreises Volkswirtschaftli- fer. Vor allem das Wirtschaftswachstum, d.h. die che Gesamtrechnungen der Länder. Veränderung des BIP gegenüber dem Vorjahr, wird auch in der breiten Öffentlichkeit mit Interesse ver- Das Verfügbare Einkommen ist das Einkommen, folgt. Die regionalen Volkswirtschaftlichen Gesamt- dass den privaten Haushalten nach dem staatlichen rechnungen (VGR) berechnen allerdings nicht nur Umverteilungsprozess zur Verfügung steht. Verein- das BIP, sondern „verfolgen die Aufgabe, ein mög- facht dargestellt umfasst es die Einkommen aus lichst vollständiges quantitatives Gesamtbild des selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie wirtschaftlichen Ablaufs und der damit verbundenen die Vermögenseinkünfte (z.B. Zinsen, Dividenden), wirtschaftlichen Tätigkeiten und Vorgänge in der vermindert um die Steuern und Sozialabgaben und Volkswirtschaft einer Region für eine abgelaufene zuzüglich der monetären Sozialleistungen (Renten, Periode zu geben.“1 Arbeitslosengeld, Kindergeld usw.). Das Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitnehmerentgelt) Nachfolgend wird der Blick auf eine weitere interes- ist die größte der o.g. Komponenten. Im Gegensatz sante Größe aus dem Datenangebot der VGR ge- zum BIP (Arbeitsortprinzip) wird das Verfügbare worfen – und zwar auf das so genannte Verfügbare Einkommen nach dem Wohnortprinzip berechnet – Einkommen der privaten Haushalte als Indikator ein Unterschied, der vor allem bei kleinräumigen für den materiellen Wohlstand der Bevölkerung.2 Wohlstandsvergleichen und intensiven Pendlerver- Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner 2018 im Bundesländervergleich Bayern 25.309 Hamburg 25.029 Baden-Württemberg 24.892 Hessen 23.943 Rheinland-Pfalz 23.197 DEUTSCHLAND 22.899 Schleswig-Holstein 22.833 Nordrhein-Westfalen 22.294 Niedersachsen 21.988 Bremen 21.481 Berlin 20.972 Brandenburg 20.475 Sachsen 20.335 Saarland 20.277 Thüringen 19.793 Sachsen-Anhalt 19.528 Mecklenburg-Vorpommern 19.470 0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 30.000 Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder. in Euro _____________________ 1) Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder (Hrsg.) (2016): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder – Zusammenhänge, Bedeutung und Ergebnisse, Stuttgart, S. 14. 2) Aus Gründen der Datenverfügbarkeit beinhalten die Daten auch die privaten Organisationen ohne Erwerbszweck (z.B. Vereine, poli- tische Parteien). Diese sind in Relation zu den privaten Haushalten jedoch quantitativ von untergeordneter Bedeutung. Nachfolgend wird vereinfachend nur von den privaten Haushalten gesprochen – die privaten Organisationen ohne Erwerbszweck sind jeweils einbe- zogen. 4 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020
KURZBERICHTE flechtungen von Bedeutung sein kann. Wirtschaften denken lässt. Insbesondere die neuen Bundesländer (z.B. Sachsen-Anhalt: 6,3 %) weisen Das Verfügbare Einkommen der privaten Haus- erheblich niedrigere Sparquoten als Hessen auf, d.h. halte in Hessen belief sich 2018 auf insgesamt dort wird ein größerer Teil des – im Bundesländer- 149,8 Mrd. Euro. Wird dieses Einkommen auf die vergleich zudem relativ niedrigen – Verfügbaren hessische Bevölkerung von rund 6,3 Mio. Frauen Einkommens für Konsumzwecke verwendet. und Männer bezogen, so resultiert ein Verfügbares Einkommen je Einwohner von rund 23.950 Euro Dr. Claus Bauer für 2018 – ein Wert, der um gut 1.000 Euro über dem Bundesdurchschnitt (22.900 Euro) liegt. Hes- sen rangiert damit im Vergleich der Bundesländer nach Bayern, Hamburg und Baden-Württemberg auf dem vierten Rang. Blickt man im Rahmen eines Langfristvergleichs 20 Jahre zurück, so ist das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in Hessen zwischen 1998 und 2018 um 57 % gestiegen. Nur im Jahr 2009, als sich die Wirtschaft weltweit in einer Rezession befand, und im Jahr 2002, der Wirtschaftsflaute nach dem Platzen der New-Economy-Blase und den Terroran- schlägen vom 11.09.2001, blieb das Verfügbare Ein- kommen weitestgehend unverändert. Dies gilt eben- falls für die Entwicklung auf Bundesebene, für die ein Plus von 54 % im Zeitraum von 1998 bis 2018 zu Buche steht. Im Gegensatz zum Verfügbaren Ein- kommen – in der Krise 2009 u.a. durch die massive Ausweitung des Kurzarbeitergelds gestützt – ist das BIP in Hessen wie auch deutschlandweit 2009 er- heblich zurückgegangen. Das Verfügbare Einkom- men pro Einwohner ist von 1998 bis 2008 aufgrund der positiven Bevölkerungsentwicklung etwas weni- ger stark gestiegen als die absolute Größe – und zwar in Hessen und im Bund jeweils um 51 %. Das Verfügbare Einkommen wird von den hessi- schen Bürgerinnen und Bürgern weitaus überwie- gend zum Konsum verwendet. Ein Teil des Ein- kommens dient jedoch der Ersparnisbildung – sei es für größere, ggf. auch ungeplante Ausgaben, zum Zwecke der Altersvorsorge oder auch als Rücklage für „schlechtere Zeiten“. Die Relation aus Sparen und Verfügbarem Einkommen wird als Sparquote bezeichnet. Die Sparquote3 wird für das Jahr 2018 mit 12,0 % angegeben, womit die hessische Spar- quote etwas über der Quote für Deutschland insge- samt (11,0 %) liegt. Die höchste Sparquote weist mit 13,1 % Baden-Württemberg auf, was an die schwäbische Hausfrau als Metapher für sparsames _____________________ 3) Die angegebene Sparquote berücksichtigt auch die Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche als Teil der Ersparnis. HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020 5
SCHWERPUNKTTHEMEN Wirtschaft in Zeiten der Pandemie: Ausblick auf 2021 anhand aktueller Konjunkturprognosen Ausgeprägte Unsicherheit aufgrund der Corona- wirkungen auf das wirtschaftliche Geschehen abzu- Pandemie schätzen. Dass diese im Jahr 2020 ausgesprochen negativ ausfielen, verdeutlicht die untenstehende Ob Boom, Krise oder „business as usual“ – hinsicht- Prognoseübersicht. Die Einschätzungen reichen bis lich der Veröffentlichung von Konjunkturprognosen zu einem BIP-Rückgang um 8,3 % (Prognose des herrscht in den letzten Monaten eines Jahres immer Internationalen Währungsfonds für die Eurozone). Hochkonjunktur. Anhand von Prognosen renommier- ter Institutionen aus dem In- und Ausland wird nach- Die in der Übersicht aufgeführten Prognosen sind folgend überblicksartig aufgezeigt, welches Wirt- zwischen Oktober und Dezember 2020 veröffent- schaftswachstum, d.h. welche Zunahme des realen licht worden. Die neueste Prognose ist die des IW Bruttoinlandsprodukts (BIP) gegenüber dem Vor- Köln, die wenige Tage (08.12.2020) vor dem erneu- jahr, für 2021 erwartet wird. Dabei wird auch ein ten Lockdown in Deutschland vorgestellt wurde. Al- Blick auf das von den Auswirkungen der Corona- le Prognosen wurden damit einem Zeitraum ausge- Pandemie geprägte Jahr 2020 geworfen. Der Fokus sprochen hoher Unsicherheit und in einem sich fort- der Ausführungen liegt jedoch auf dem Ausblick auf während ändernden Umfeld erstellt. Dies sei bei- das Jahr 2021. spielhaft anhand zweier wichtiger Parameter ver- deutlicht – Infektionszahlen und Impfstoff: „Prognosen sind schwierig; besonders dann, wenn sie die Zukunft betreffen.“ Diesem geflügelten Wort Zum Zeitpunkt der Erstellung der ersten Prognosen kommt in Zeiten der Pandemie eine ganz besonde- hielt sich die Zunahme der Infektionszahlen noch in re Gültigkeit zu. Gilt es doch, bei der Erstellung ei- engen Grenzen. Zugleich waren aber die Aussich- ner Konjunkturprognose nicht nur die große Band- ten auf einen wirksamen Impfstoff noch recht vage. breite der „üblichen“ Faktoren – Investitionstätigkeit, Doch die Wirtschaftsentwicklung im Jahr 2021 wird Geldpolitik, Lohnentwicklung, Preise, Außenhandel, nicht zuletzt davon abhängen, wann ein wirksamer Wechselkurse, Maßnahmen der Wirtschaftspolitik Impfstoff in ausreichender Menge zur Verfügung usw. – zu berücksichtigen, sondern zudem das neu- steht und die entsprechenden Kapazitäten zur Imp- artige Corona-Virus einzubeziehen. Genauer ge- fung der Bevölkerung aufgebaut sind. Die Ankündi- sagt sind zusätzlich Erwartungen über die weitere gung des Mainzer Biotechnologieunternehmens Entwicklung der Pandemie zu bilden und deren Aus- BioNTech (mit Produktionsstätte in Marburg) von Konjunkturprognosen für das Jahr 2021 im Überblick Welt Euroraum Deutschland Datum der Institution Veränderung gegenüber dem jeweiligen Vorjahr in % Veröffentlichung 2020 2021 2020 2021 2020* 2021 Internationaler Währungsfonds 07.10. 2020 -4,4 5,2 -8,3 5,2 -6,0 4,2 Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose 14.10. 2020 -4,0 5,9 -7,4 5,6 -5,4 (-5,8) 4,7 DIHK 29.10. 2020 x x x x -6,0 4,0 Bundesregierung 30.10. 2020 x x x x -5,5 (-5,9) 4,4 EU-Kommission 05.11. 2020 -4,3 4,6 -7,8 4,2 -5,6 3,5 Sachverständigenrat 11.11. 2020 -4,0 5,1 -7,0 4,9 -5,1 (-5,5) 3,7 Helaba 17.11. 2020 -3,6 5,9 -6,8 6,3 -5,0 (-5,4) 5,0 OECD 01.12. 2020 -4,2 4,2 -7,5 3,6 -5,5 2,8 IW Köln 08.12. 2020 -4 ‐4½ -7 -5 -5¼ (-5½) -4 * Werte in Klammern kalenderbereinigt (das Jahr 2020 hat vier Arbeitstage mehr als das Jahr 2019.) Quelle: Recherchen der Hessen Agentur. 6 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020
SCHWERPUNKTTHEMEN Anfang November, im Idealfall noch um den Jah- Wirtschaftsleistung weltweit, der Eurozone oder reswechsel 2020 / 2021 mit den Impfungen begin- Deutschlands erwartet. Die prognostizierte Wachs- nen zu können, hatte diesbezüglich vorsichtig opti- tumsrate für die weltweite Wirtschaftsleistung 2021 mistisch gestimmt. Dies wurde offenkundig auch von liegt im Durchschnitt über dem Ausmaß des Rück- der Börse so gesehen, denn der Aktienkurs u.a. von gangs im Jahr 2020. Für die Eurozone und auch für Fraport legte aufgrund dieser Nachricht kräftig zu. Deutschland ist dies allerdings nicht der Fall. Die zuletzt aufgelisteten Prognosen sind im Kontext eines wieder massiv zunehmenden Infektionsge- Welt schehens und des Teil-Lockdowns in Deutschland zu sehen. Die Zulassung eines Impfstoffs steht nun Hinsichtlich der Weltkonjunktur reicht die Spanne kurz bevor und die Vorbereitungen zur Impfung der der Prognosen für das Jahr 2021 von 4,2 % (OECD, Bevölkerung laufen auf Hochtouren. So wurde von Hauptszenario1) bis hin zu 5,9 % von Helaba und BioNTech die Zulassung in der EU am 30.11. 2020 Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose. Die Helaba beantragt. Eine Entscheidung der EMA (European geht in ihrem „Mit der Nanny durch die Krise“ be- Medicines Agency) könnte noch dieses Jahr fallen. zeichneten Hauptszenario2 (Eintrittswahrscheinlich- Im Vereinigten Königreich und in den USA wurden keit: 70 %) ebenso von einem BIP-Plus von 5,9 % bereits Notfallzulassungen erteilt. Auch das Unter- aus wie die Projektgruppe in ihrem Herbstgutach- nehmen Moderna aus den USA hat am 30.11. die ten. Die Helaba spielt mit dieser Bezeichnung auf Zulassung eines Impfstoffs bei der EMA beantragt. die beobachtete erzieherische Rolle der Staaten in der Corona-Krise an, d.h. die Lenkung des Verhal- Der umfassende Lockdown ab Mitte Dezember in tens der Bürger bei gleichzeitiger Unterstützung. Deutschland unterscheidet sich in einem wesentli- Und sie prognostiziert: „Auch 2021 wird die Nanny chen Aspekt von dem im Frühjahr – nämlich der Per- noch aktiv sein.“ Diese Ansicht bzw. Erwartung fin- spektive einer in Kürze beginnenden Impfoffensive. det sich mehr oder weniger ausgeprägt in fast allen Allerdings stellt die Impfung der Bevölkerung allein Prognosen wieder. Besonders deutlich formuliert es zahlenmäßig eine große Herausforderung dar, die die OECD in ihrer Pressemitteilung von Anfang De- einen entsprechenden Zeitraum in Anspruch nehmen zember: „Continued fiscal support and public health wird. Fundierte Prognosen zum BIP, die explizit auf action needed to make hope of recovery a reality.“ der aktuellen Situation des erneuten, umfassenden Lockdowns basieren, liegen naturgemäß noch nicht Naturgemäß stehen bei der Betrachtung der Welt- vor. konjunktur mit den USA und der VR China die bei- den mit großem Abstand bedeutendsten Volkswirt- Für 2021 weltweit Erholung der Wirtschaft er- schaften – sie stellen zusammen rund die Hälfte des wartet weltweiten BIP – im Fokus des Interesses. Dies gilt erst recht angesichts des unterschiedlichen Pande- Aufgrund der Corona-Pandemie ist die Weltwirt- mie-Verlaufs in den beiden Ländern. Hinzu kommen schaft im Jahr 2020 so stark geschrumpft wie seit die zumindest angespannt zu nennenden Beziehun- dem zweiten Weltkrieg nicht mehr. Obgleich es in gen zwischen beiden Staaten, wofür beispielhaft die zahlreichen Staaten in den letzten Monaten eine US-Strafzölle auf zahlreiche chinesische Güter und „zweite Welle“ gab, hat die Erholung der Wirtschaft die entsprechenden Gegenmaßnahmen Chinas ste- weltweit eingesetzt. Diese Entwicklung veranschau- hen. Schließlich ist die Wahl des neuen US-Präsi- licht die umseitige Prognoseübersicht, die erfreuli- denten zu nennen, mit der im Ausland vielfach die cherweise für das Jahr 2021 ausschließlich Zuwäch- Erwartung einer Neuausrichtung oder zumindest ei- se des BIP ausweist. In keiner der aufgeführten ner Neujustierung (nicht nur) der Außenhandelspoli- Prognosen wird für 2021 eine weitere Abnahme der tik der USA verbunden wird. _____________________ 1) Über das Hauptszenario („Current forecasts“) hinaus gibt die OECD noch ein optimistischeres „Upside scenario“ an, gemäß dem das BIP-Wachstum bei 5 % liegt. Beim pessimistischeren Szenario („Downside scenario“) nimmt das BIP nochmals ab – und zwar um 2,8 %. Eintrittswahrscheinlichkeiten für die beiden Alternativszenarien werden nicht genannt. 2) Die Eintrittswahrscheinlichkeiten der beiden Alternativszenarien „Poltergeist“ (negativ) und „Avatar“ (positiv) werden von der Helaba mit 20 % bzw. 10 % angegeben. Alternative Wachstumsraten für das BIP in diesen beiden Szenarien werden nicht beziffert. HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020 7
SCHWERPUNKTTHEMEN Gemessen am voraussichtlichen Rückgang des BIP fern wird. Die Vorhersagen liegen bei rund 9 % für wurde die Wirtschaft der USA in 2020 in geringe- das Jahr 2021. Dies setzt naturgemäß voraus, dass rem Ausmaß als viele andere Staaten von der die Pandemie weiterhin im Griff behalten werden Corona-Krise getroffen. So wird davon ausgegan- kann. Expansive Impulse für die chinesische Wirt- gen, dass der Einbruch der Wirtschaftsleistung 2020 schaft dürften auch vom seit November 2020 be- letztlich „nur“ bei rund 4 % liegen werde. Die US- stehenden Freihandelsabkommen RCEP (Regional Regierung und die Notenbank haben fiskal- und Comprehensive Economic Partnership) ausgehen, geldpolitische Maßnahmen von beispiellosem Aus- welches die größte Freihandelszone der Welt ge- maß ergriffen, um die Auswirkungen der Pandemie schaffen hat. Mitglieder sind neben der VR China auf die Wirtschaft möglichst gering zu halten. Infol- zwölf weitere asiatische Staaten sowie Australien gedessen setzte bereits früh eine kräftige Erholung und Neuseeland. ein, die Wirtschaft befindet sich seitdem wieder auf Expansionskurs. Allerdings verzeichneten die USA Als von der Pandemie unabhängiges Risiko ist der im Gegensatz zu Europa bereits im Sommer wieder Handelskonflikt zwischen den USA und China anzu- einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen vor führen, der angesichts der Pandemie in den letzten allem im Westen und Süden der USA. Auch befin- Monaten in den Hintergrund gerückt ist. Zwar wurde det sich z.B. die Arbeitslosenquote – trotz Rück- zu Jahresbeginn 2020 das „Phase-One“-Abkom- gang nach der coronabedingten massiven Zunah- men geschlossen, das jedoch nicht darüber hinweg- me – noch auf Rezessionsniveau. Für 2021 wird ein täuschen sollte, dass viele der verhängten Einfuhr- weiteres Konjunkturpaket für wahrscheinlich gehal- zölle weiterhin erhoben werden. Zudem bleibt abzu- ten, denn die meisten Maßnahmen des ersten Kon- warten, ob das vereinbarte Ziel, dass China mehr junkturstimulans (u.a. ein erhöhtes Arbeitslosengeld) Waren aus den USA kauft, letztlich erfüllt werden sind bereits vor einigen Monaten ausgelaufen. Mög- kann und falls nein, welche Konsequenzen daraus licherweise kommt jedoch erst nach dem Abschluss resultieren. Ein erneutes Aufflammen dieses schwe- der US-Kongresswahlen im Januar 2021 wieder Be- lenden Konflikts wäre zweifellos eine schlechte wegung in die Verhandlungen. Die Prognosen se- Nachricht für den Welthandel und für die Weltkon- hen das Wirtschaftswachstum in den USA 2021 mit junktur. 3 % bis 4 % betragsmäßig etwa in der Größenord- nung des vorangegangenen Minus. Damit wird das Apropos Abkommen: Viereinhalb Jahre nach der Vorkrisenniveau 2021 zwar wohl noch nicht erreicht, Abstimmung über den Austritt des Vereinigten Kö- rückt aber in greifbare Nähe. nigreich aus der EU, knapp ein Jahr nach dem zum 31.01.2020 vollzogenen Brexit und wenige Wochen Die VR China war der erste Staat der Welt, der von vor Ablauf der Übergangsphase ist nach wie vor der Pandemie betroffen war. Zur Eindämmung des nicht klar, welcher rechtliche Rahmen zwischen der Corona-Virus wurden sehr restriktive Maßnahmen EU und dem UK ab 01.01.2021 gelten wird. Erfolgt beschlossen. Infolgedessen kam es in den ersten in der verbleibenden Zeit keine Einigung mehr, fällt Monaten des Jahres 2020 zu einem Einbruch der der Handel zwischen EU und UK zukünftig unter die chinesischen Wirtschaftsleistung, doch die Infekti- Regelungen der WTO. Hinsichtlich einer kurzfristi- onszahlen gingen massiv zurück. Unterstützt durch gen Einigung überwiegen die skeptischen Stimmen. geld- wie auch fiskalpolitische Maßnahmen erholte So schreibt etwa die EU-Kommission in ihrer BIP- sich die Wirtschaft in China nach den Lockerungen Prognose für das UK: „The recovery in 2021 is ex- zügig – der Sachverständigenrat spricht von einem pected to be subdued, assuming in this forecast „starken Rückpralleffekt“ –, sodass das Vorkrisenni- EU-UK trading relations based on WTO […] rules veau bereits wieder überschritten ist. Die Erholung from the beginning of 2021.“ Es wird allerdings be- der Wirtschaft in China ist im internationalen Ver- tont, dass diese Annahme lediglich Prognosezwe- gleich bereits weit vorangeschritten. Die Prognosen cken diene und die Ergebnisse der Verhandlungen für 2021 sehen China unisono auf kräftigem Expan- nicht vorwegnehmen solle. Auch der Prognose der sionskurs, sodass das Land wieder einen beträcht- Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose liegt die An- lichen Beitrag zu einer positiven Weltkonjunktur lie- nahme zugrunde, dass keine zeitgerechte Einigung 8 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020
SCHWERPUNKTTHEMEN mehr erfolgt, „aber pragmatische Ad-Hoc-Regeln auf die Pandemie besonders hart getroffen wurde, denn beiden Seiten eine gravierende Störung der Wirt- das Virus verbreitete sich zuerst im wirtschaftlich schaftsbeziehungen verhindern werden.“ Diese zu- starken Norden des Landes. Mittlerweile ist die Wirt- sätzliche Unwägbarkeit dürfte ein Grund dafür sein, schaft wieder auf Erholungskurs. Neben dem um- weshalb die Konjunkturprognosen für das Vereinig- fangreichen Fiskalpaket der italienischen Regierung te Königreich relativ weit auseinander liegen: Die sollen auch Mittel aus dem europäischen Aufbau- Bandbreite reicht von einem Wachstum in 2021 um plan „Next Generation EU“ Italien bei der Bewälti- rund 3 % bis hin zu 7 %. Einigkeit besteht hingegen gung der Krise unterstützen. Italien und Spanien darin, dass das UK zu den am stärksten von den sind die beiden Mitgliedstaaten, die am meisten von Auswirkungen der Pandemie betroffenen Staaten diesen Finanzmitteln der EU profitieren sollen. Die zählt – teilweise wird von einem Rückgang bis BIP Prognosen für Italien für das Jahr 2021 liegen im im Jahr 2020 von über 10 % ausgegangen. Durchschnitt bei einem Wachstum von rund 5 %. Euroraum Deutschland Die Prognosen für das Jahr 2021 für den Euroraum Der Einbruch der Wirtschaftsleistung in Deutschland liegen in der Größenordnung derer für die Welt ins- dürfte nicht ganz so drastisch ausfallen wie noch gesamt und reichen von einem erwarteten Wachs- vor einigen Monaten erwartet. Im Durchschnitt wird tum um 3,6 % (OECD) bis zu 6,3 % (Helaba). Zu mit einem BIP-Minus von gut 5 % in 2020 gerech- beachten ist, dass der Rückgang der Wirtschafts- net, während im Frühjahr noch von bis zu 7 % die leistung 2020 nach allgemeiner Einschätzung mit Rede war. Damit bleibt das Ausmaß der Rezession durchschnittlich über 7 % eindeutig größer ausfällt in 2020 hinter dem der Eurozone insgesamt zurück. als im weltweiten Durchschnitt. Der Euroraum star- Auch in Deutschland wurden umfangreiche fiskalpo- tet folglich mit einer größeren Bürde in das Jahr litische Maßnahmen von Bund und Ländern be- 2021, d.h. es gilt mehr aufzuholen. Die Pandemie schlossen, um den Schaden für Unternehmen und hat die 19 Staaten der Eurozone in sehr unter- Beschäftigte möglichst gering zu halten. Im Gegen- schiedlichem Ausmaß getroffen, entsprechend dif- satz etwa zu den USA sind diese Maßnahmen kei- ferenziert werden auch die Wachstums- bzw. Erho- neswegs alle bereits im Jahr 2020 ausgelaufen, wie lungsaussichten für das Jahr 2021 gesehen. Wird das Beispiel der Erleichterungen beim Zugang zum z.B. die Herbstprognose der EU-Kommission als Kurzarbeitergeld zeigt. Grundlage herangezogen, so reicht die Spannweite von Finnland und Irland mit jeweils einem Plus von Wie sehen die Prognosen die Wirtschaftsentwick- 2,9 % bis hin zu Frankreich (+5,9 %). Die beiden lung Deutschlands, der größten Volkswirtschaft der erstgenannten Staaten waren im Jahr 2020 aller- Eurozone, für das Jahr 2021? Festzustellen ist, dass dings weit unterdurchschnittlich von der Corona- das Spektrum der für 2021 erstellten Prognosen be- Pandemie betroffen. achtlich groß ist, denn es geht von 2,8 % bis zu 5,0 %. Zum Vergleich: Ende 2018 reichte die Band- Für Frankreich trifft dies nicht zu – alle Institutionen breite der Prognosen für 2019 der gleichen Instituti- zählen die nach Deutschland zweitgrößte Volkswirt- onen nur von 1,5 % bis 1,9 %. Dies ist Ausdruck der schaft der Eurozone zu den stark von der Pandemie unsicheren Lage, die auch mehr „Spielraum“ für ab- getroffenen Staaten. Für Frankreich wird nach dem weichende Annahmen und Einschätzungen lässt. langen und strikten Lockdown im Frühjahr für das Jahr 2021 ein kräftiger, zusätzlich durch ein Kon- Die niedrigste Prognose wurde von der OECD ab- junkturpaket in Höhe von 100 Mrd. Euro stimulierter gegeben, die für das Jahr 2021 für Deutschland ein Aufholprozess prognostiziert. Die Wachstumsrate Wirtschaftswachstum in Höhe von 2,8 % erwartet. wird bei rund 7 % gesehen. Diese skeptische Einschätzung der OECD ist aller- dings im Kontext der ebenfalls recht pessimistischen Die Nummer drei der Eurozone – nämlich Italien – Prognose der OECD für die Weltwirtschaft zu se- gehört zu den Staaten, in denen die Wirtschaft durch hen. Auch die Prognose des Sachverständigenrats HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020 9
SCHWERPUNKTTHEMEN zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent- tet ein Wirtschaftswachstum für Deutschland im Jahr wicklung – „Es ist zu erwarten, dass sich die Erho- 2021 in Höhe von 4,0 %. lung mit einem Wachstum von 3,7 % im kommen- den Jahr verlangsamt fortsetzen wird.“ – fällt eher Und wie sehen die Prognosen für Hessen aus? zurückhaltend aus. Am optimistischsten blickt die Helaba in die Zukunft. Die Helaba prognostiziert für Aufgrund der intensiven nationalen wie internationa- 2021 ein Wachstum von 5,0 % und ist zuversichtlich, len Verflechtungen der hessischen Wirtschaft ste- dass das Niveau von vor der Krise bereits im nächs- cken die vorgestellten Prognosen auch die grobe ten Herbst wieder erreicht wird. Bandbreite für die Konjunkturerwartungen in Hes- sen ab, obgleich es naturgemäß besondere Charak- Sozusagen die „offizielle“ Prognose für Deutschland teristika der hessischen Wirtschaft zu berücksichti- stellt die Herbstprojektion der Bundesregierung dar. gen gilt. In der aktuellen Lage ist hierbei vor allem Die Bundesregierung geht nicht zuletzt mit Blick auf an den Luftverkehr (Fluggesellschaften und Flugha- die Entwicklung der Frühindikatoren davon aus, fen Frankfurt) sozusagen auf der Sollseite und an dass der Aufholprozess trotz des wieder verstärkten die Chemische und Pharmazeutische Industrie auf Infektionsgeschehens zwar anhalten, sich dessen der Habenseite zu denken. Die letzte Angabe zum Dynamik jedoch in engen Grenzen halten werde. Vor Wirtschaftswachstum in Hessen bezieht sich auf dem Hintergrund des insgesamt sehr volatilen Um- das 1. Halbjahr 2020, für das ein Rückgang des BIP felds rechnet die Bundesregierung für das Jahr 2021 um 6,1 % ausgewiesen wurde – etwas weniger als mit einem Anstieg des BIP um 4,4 % gegenüber für Deutschland (-6,6 %). Wenngleich es sich um dem Vorjahr, betont jedoch, eine weitere Beschleu- vorläufige Berechnungen handelt – für etliche Bran- nigung beim Infektionsgeschehen wäre ein „ernst zu chen liegen noch keine länderspezifischen Daten nehmendes Risiko für den Erholungsprozess“. Eine vor, sodass in diesen Fällen die Entwicklung der Rückkehr zum Niveau vor der Corona-Krise wird von Wertschöpfung auf der Basis der Deutschlanddaten der Bundesregierung frühestens für den Jahres- geschätzt werden muss – verdeutlichen diese Wer- wechsel 2021 / 2022 gesehen. te das Ausmaß des Wirtschaftseinbruchs auch in Hessen. Die Prognose des Deutschen Industrie- und Han- delskammertags (DIHK) unterscheidet sich insofern Für Hessen insgesamt liegt nur eine Einschätzung von den anderen in der Übersicht aufgeführten Pro- zum Wirtschaftswachstum 2020 und 2021 vor – und gnosen, als sie auf Ergebnissen der regelmäßig zwar die der Helaba. Die Helaba sieht Hessen 2020 durchgeführten Konjunkturbefragung der Mitglieds- von der Corona-Krise „besonders schwer getroffen“ unternehmen der Industrie- und Handelskammern und verweist dabei u.a. auf den massiven Rück- basiert. Hierbei werden u.a. die Geschäftslage und gang des Passagieraufkommens am Frankfurter die Geschäftserwartungen der Unternehmen erho- Flughafen und das nahezu zum Erliegen gekomme- ben. Zum Zeitpunkt der Befragung, d.h. noch vor ne Messegeschäft. Summa summarum geht die dem Teil-Lockdown, hatte sich die Situation bei vie- Helaba von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung len Unternehmen aufgehellt, wenngleich die Ein- in Hessen 2020 von 6 % aus (Deutschland: -5 %). schätzungen noch weit von denen zu Jahresbeginn Entsprechend gilt: „Hessen startet geschwächt in entfernt lagen. So gab nur rund ein Fünftel der Be- 2021“ – so die Überschrift des Passus zu Hessen im fragten an, dass die Geschäftstätigkeit bereits wie- Rahmen des Hauptszenarios der Helaba. Für die der auf oder über dem Niveau vor der Krise sei. Die Entwicklung in 2021 selbst ist die Helaba optimisti- Geschäftserwartungen der Unternehmen bezeich- scher, denn „der Aufschwung 2021 könnte sich mit net der DIHK als „gedämpft“, 37 % der Betriebe er- einem Wachstum von 5 % genauso dynamisch wie warten frühestens ab dem 2. Halbjahr 2021 eine in Deutschland zeigen.“ Rückkehr zur normalen Geschäftstätigkeit. Oder – um es mit dem Titel der DIHK-Konjunkturumfrage Pessimistischer fällt die Prognose der „Initiative Herbst 2020 auszudrücken – „Langer Aufholpro- PERFORM Zukunftsregion FrankfurtRheinMain“ vom zess für die deutsche Wirtschaft“. Der DIHK erwar- November aus. Die Gemeinschaftsinitiative der Wirt- 10 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020
SCHWERPUNKTTHEMEN schaftskammern rechnet auf Basis der Befragung Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ihrer Mitgliedsunternehmen für das Jahr 2021 mit (IAB) prognostiziert hingegen in seinen regionalen einem BIP-Wachstum für FrankfurtRheinMain, einer Arbeitsmarktprognosen vom September, dass 2021 der bedeutendsten Metropolregionen Deutschlands, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in von nur 2,8 %. Dem steht ein erwarteter Rückgang allen Bundesländern wieder zunehme, nachdem im um 6,2 % in 2020 gegenüber. Dementsprechend Jahr 2020 vor allem die Kurzarbeit einen Beschäfti- fällt das Fazit von PERFORM aus: „Zwar wird sich gungseinbruch infolge der Pandemie verhindert ha- die regionale Wirtschaft etwas erholen, das Vorkri- be. Für Hessen wird ein Beschäftigungsplus von senniveau jedoch noch nicht wieder erreichen.“ 0,8 %, im Bundesdurchschnitt ein Zuwachs um 0,9 % erwartet. Angesichts der hohen Unsicherheit Die PERFORM-Initiative gibt nicht nur eine Kon- bezüglich der weiteren Entwicklung der Pandemie junkturprognose für die Metropolregion ab, sondern und ihrer Folgen für den Arbeitsmarkt weist das IAB auch eine Prognose hinsichtlich der Beschäftigten- jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei den entwicklung. Für das Jahr 2021 wird eine Abnahme angegebenen Prognosen um die Mittelwerte von der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung Prognoseintervallen handele – im Falle Hessens um 0,5 % bzw. um gut 12.000 Personen prognosti- reicht dieses von -0,1 % bis 1,7 % –, bei denen auch ziert, nachdem die Hochrechnung für 2020 unge- die jeweiligen Untergrenzen nicht außer Acht gelas- achtet der Auswirkungen der Corona-Pandemie sen werden sollten. noch ein Beschäftigungsplus in Höhe von 0,6 % gegenüber dem Vorjahr ergibt. Insgesamt betrach- Dr. Claus Bauer tet – so PERFORM – „wird sich daher wenig an dem insgesamt hohen Beschäftigungsniveau in der Metropolregion FrankfurtRheinMain ändern.“ Positi- ve Impulse auf die Beschäftigung gehen vor allem vom Baugewerbe aus, das jedoch den erwarteten Stellenabbau insbesondere in der hessischen Indus- trie nicht vollständig zu kompensieren vermag. HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020 11
SCHWERPUNKTTHEMEN Monitoring der Energiewende in Hessen Vorbemerkung Hessen Agentur hat den Bericht in enger Abstim- mung mit dem Auftraggeber, dem Hessischen Minis- Auch wenn aktuell der Fokus weltweit auf der mög- terium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, lichst raschen Bewältigung der Corona-Pandemie sowie dem Hessischen Statistischen Landesamt er- und ihrer Folgen liegt, bleibt die Abmilderung des stellt. Nachfolgend werden ausgewählte Ergebnisse Klimawandels als die wahrscheinlich größte Heraus- vorgestellt. forderung der Menschheit unverändert bestehen. Die von der Hessischen Landesregierung im Koali- Endenergieverbrauch aus erneuerbaren Energien tionsvertrag zur laufenden 20. Legislaturperiode ge- höher als im Vorjahr troffene Vereinbarung einer möglichst einhundert- prozentigen Energieversorgung aus erneuerbaren Nach Schätzungen des Leipziger Instituts für Ener- Energien in den Bereichen Strom und Wärme bis gie (IE-Leipzig) lag der Beitrag der erneuerbaren zum Jahr 2050 hat demnach nichts an ihrer Bedeu- Energien zum Endenergieverbrauch in Hessen im tung verloren. Jahr 2019 bei 22,3 Terawattstunden (TWh). Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr beläuft sich auf 1 Im nunmehr sechsten Monitoringbericht zur Ener- TWh bzw. 4,7 %. Dieser Zuwachs verteilt sich zu giewende in Hessen1 – vorgelegt Ende November – etwa zwei Dritteln auf Strom (0,64 TWh) und zu ei- wird auf Basis von Daten und Fakten der aktuelle nem Drittel auf Wärme (0,36 TWh). Der Verbrauch Stand der Umsetzung der Energiewende in Hessen erneuerbarer Kraftstoffe blieb hingegen nahezu un- aufgezeigt. Wie in den Vorjahresberichten werden verändert auf dem Vorjahresniveau. die Entwicklungen in allen wichtigen Handlungsfel- dern – Energieverbrauch, Energieeffizienz, erneuer- Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostrom- bare Energien, Wärme und gebäuderelevanter Ener- verbrauch zugenommen gieverbrauch, Energieerzeugung, Netzausbau, Ver- kehr und Elektromobilität, Treibhausgasemissionen, Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostrom- gesamtwirtschaftliche Effekte – dargestellt. Der Be- verbrauch lag unter Berücksichtigung des zuge- richtszeitraum umfasst bei Verfügbarkeit der ent- schätzten Photovoltaik-Selbstverbrauchs bei 24,9 %. sprechenden Daten den Zeitraum von 2000 bis Damit konnte die im Koalitionsvertrag zur 19. Legis- 2019 und zum Teil bis zum 1. Halbjahr 2020. Die laturperiode angestrebte Verdopplung des Anteils- Entwicklung des Endenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien für Strom, in TWh Wärme und Kraftstoffe 2003 bis 2019* (in Terawattstunden) 25 21,3 22,3 18,4 19,3 20 17,6 2,7 2,7 16,5 16,0 14,7 14,9 15,3 2,6 2,6 2,6 15 2,7 2,6 2,9 2,8 2,9 10,6 11,0 8,6 9,6 9,4 10 6,8 8,9 8,1 9,0 8,1 1,8 8,6 8,3 0,7 5 5,2 8,0 8,6 5,0 5,3 6,1 6,3 7,3 3,2 3,8 4,3 4,8 0 1,1 1,5 2003 2005 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 (v) 2019 (p) Strom Wärme Kraftstoffe * Die dargestellten Daten zu erneuerbaren Energien werden nach dem Energiestatistikgesetz vollständig erst ab dem Jahr 2003 erhoben. Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, IE-Leipzig; (v) = vorläufig, 2019 (p) = Prognose _____________________ 1) Vgl. Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (Hrsg., 2020): Energiewende in Hessen – Monitoringbe- richt 2020, Wiesbaden. Der Bericht steht als Download unter www.wirtschaft.hessen.de und www.hessen-agentur.de zur Verfügung. 12 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020
SCHWERPUNKTTHEMEN Anteilsentwicklung erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch 2000 bis 2019* (in %) 30% 24,9% 25% 22,7% 19,5% 20% 16,4% 16,9% 14,2% 15% 12,5% 11,1% 9,8% 10% 7,9% 3,8% 5% 2,2% 0% 2000 2005 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 (v) 2019 (p) * Seit 2018 wird der Wert einschließlich des zugeschätzten Photovoltaik-Selbstverbrauchs ausgewiesen. Ohne diese Zuschätzung liegt der Anteil 2018 bei 22,0% und 2019 bei 24,2%. Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, IE-Leipzig; (v) = vorläufig, (p) = Prognose. wertes von 12,5 % im Jahr 2013 auf 25 % im Jahr auf einen höheren Zubau im Jahr 2020 hin. 2019 erreicht werden. Regionale Verteilung der erneuerbaren Energie- Zubau erneuerbarer Energieanlagen zur Strom- anlagen: Vogelsbergkreis vorn erzeugung: Flaute bei Windenergie, Boom bei Photovoltaik Obwohl sich erneuerbare Energieanlagen dezentral in ganz Hessen verteilen, sind dennoch regionale Im Jahr 2019 überstieg die Stromerzeugung von er- Schwerpunkte erkennbar. Dies veranschaulicht die neuerbaren Energieanlagen erstmals die Stromer- umseitige Karte der eingespeisten Strommenge von zeugung von konventionellen Energieanlagen. Einen EEG-geförderten Anlagen nach Landkreisen und wesentlichen Beitrag dazu leisteten die hessischen kreisfreien Städten in Hessen im Jahr 2019. Die Windenergieanlagen, die mit 4.462 GWh deutlich Schwerpunkte resultieren daraus, dass aufgrund un- mehr Strom erzeugten als im Vorjahr (+628 GWh terschiedlicher Windhöffigkeiten, Siedlungsstruktu- bzw. +16,4 %). Ursächlich dafür war ein guter Wind- ren und naturräumlicher Ausstattung nicht alle Teil- ertrag im Jahr 2019 sowie der ganzjährige Betrieb räume in gleicher Weise für den Ausbau der Wind- der im Jahr 2018 zugebauten 76 Anlagen. Hinge- energie geeignet sind. gen war beim Zubau im Jahr 2019 ein regelrechter Einbruch zu beobachten, lediglich vier Anlagen mit Mit 1.092 GWh wurde knapp ein Siebtel des in Hes- einer Leistung von 13,8 Megawatt (MW) gingen neu sen durch erneuerbare Energieanlagen eingespeis- in Betrieb. Zum Vergleich: Die Zubauraten der Vor- ten Stroms im Vogelsbergkreis erzeugt, und zwar jahre liegen zwischen 230 und 300 MW. Der Flaute vor allem durch die dort verorteten 265 Windener- bei der Windenergie steht ein regelrechter Boom gieanlagen. Der Vogelsbergkreis erzeugt damit ein bei Photovoltaikanlagen gegenüber. Mit einem Zu- Vielfaches des eigenen Strombedarfs der privaten bau von 147 MW wurden die entsprechenden Wer- Haushalte. Zudem zeichnen sich folgende Land- te der Vorjahre (2018: 114 MW, 2017: 74 MW) mit kreise (LK) durch eine überdurchschnittlich hohe er- Abstand übertroffen. neuerbare Stromerzeugung aus: der Main-Kinzig- Kreis mit 723 GWh, der LK Waldeck-Frankenberg Insgesamt verzeichneten die erneuerbaren Energie- mit 688 GWh, der LK Kassel mit 650 GWh, der LK anlagen in Hessen im Jahr 2019 einen Leistungs- Marburg-Biedenkopf mit 612 GWh, der Lahn-Dill- zuwachs in Höhe von 172 MW. Dieser bleibt deut- Kreis mit 429 GWh sowie der Schwalm-Eder-Kreis lich hinter dem Leistungszuwachs des Vorjahres mit 419 GWh.2 (+348 MW) zurück. Der für das 1. Halbjahr 2020 vor- liegende Wert in Höhe von 168 MW deutet wieder _____________________ 2) Unter https://wirtschaft.hessen.de/energie/daten-fakten/energiemonitoring sind interaktive Karten abrufbar, in denen Informationen auf Kreis- und Gemeindeebene zur installierten Leistung und erzeugten Strommenge – differenziert nach Energieträgern – benutzer- freundlich aufbereitet zur Verfügung stehen. HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020 13
SCHWERPUNKTTHEMEN Erzeugte und eingespeiste Strommenge von nach EEG geförderten erneuerbaren Energieanlagen in den hessischen Landkreisen und kreisfreien Städten im Jahr 2019 nach Energieträgern (in GWh) 14 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020
SCHWERPUNKTTHEMEN Endenergieproduktivität weiter zugenommen brauchs) wurden im Jahr 2019 fast 13 PJ bzw. 4,6 % mehr für Wärme verbraucht als im milderen Vorjahr. Das IE-Leipzig schätzt für Hessen für 2019 einen Speziell der gebäuderelevante Endenergiever- Endenergieverbrauch in Höhe von 805,9 Petajoule brauch, auf den im Jahr 2019 insgesamt 244 PJ (PJ). Das sind 11,7 PJ bzw. 1,5 % mehr als im Vor- entfielen, ist noch stärker – nämlich um 5,5 % – ge- jahr. Als treibende Faktoren sind die im Vergleich genüber dem Vorjahr gestiegen. Der größte Teil zum Vorjahr kühlere Witterung, ein leichter Anstieg (188 PJ) des gebäuderelevanten Endenergiever- der Bevölkerung in Hessen um 21.200 Einwohner brauchs wird für die Bereitstellung von Raumwärme sowie ein Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts eingesetzt. Der Energieverbrauch privater Haushal- um 1,1 % zu nennen. te für die Warmwasserbereitung liegt bei knapp 29 PJ. Insgesamt betrachtet entfallen 65 % des ge- Mit Ausnahme des Industriesektors hat der End- samten gebäuderelevanten Energieverbrauchs auf energieverbrauch im Jahr 2019 in allen anderen private Haushalte, 31 % auf den Sektor „Gewerbe, Verbrauchssektoren zugenommen. Der rückläufige Handel, Dienstleistungen und übrige Verbraucher“ Energieverbrauch in der Industrie (-2,1 %) geht ein- sowie 4 % auf den Industriesektor. her mit dem konjunkturell bedingten Rückgang der Bruttowertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes Verkehrssektor: Endenergieverbrauch gestiegen, von real 2,7 %. Ursächlich für den höheren Energie- Zunahme bei Elektro-PKW ausgesprochen dy- verbrauch der privaten Haushalte (+4,9 %) und des namisch Sektors „Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und üb- rige Verbraucher“ (+3,9 %) ist die im Vergleich zum Der Endenergieverbrauch des Verkehrssektors be- Vorjahr kühlere Witterung und ein damit einherge- ziffert sich für das Jahr 2019 auf 396,4 PJ und er- hender höherer Heizbedarf. höhte sich im Vergleich zum Vorjahr um 1,2 PJ bzw. 0,3 %. Fast die Hälfte (49,2 %) des gesamten End- Der temperaturbereinigte, d.h. der um Witterungsef- energieverbrauchs in Hessen entfällt auf den Ver- fekte bereinigte Endenergieverbrauch blieb hinge- kehrssektor. Diese im Vergleich zu Deutschland (An- gen nahezu unverändert (-0,1 %) auf Vorjahresni- teil rund 30 %) weit überdurchschnittlich hohe Be- veau, was sich positiv auf die Entwicklung der ge- deutung des Verkehrs ist auf den Flugkraftstoffver- samtwirtschaftlichen Endenergieproduktivität3 aus- brauch des Flughafens Frankfurt am Main zurück- wirkte. Diese wird als Quotient aus realem Brutto- zuführen.4 Wie bereits im Vorjahr wurden in Hessen inlandsprodukt und temperaturbereinigtem End- im Jahr 2019 insgesamt 200 PJ an Endenergie für energieverbrauch gebildet. Seit dem Jahr 2000 hat den Luftverkehr verbraucht. Dies entspricht rund ei- sich die Endenergieproduktivität um 23 % erhöht. nem Viertel des gesamten hessischen EEV. Auf den Über den Gesamtzeitraum von 2000 bis 2019 ergibt Straßenverkehr entfallen weitere 190 PJ. sich daraus eine durchschnittliche jährliche Wachs- tumsrate der Endenergieproduktivität in Höhe von Apropos Straßenverkehr: Der Bestand an reinen 1,1 %. Somit fiel der Anstieg der Endenergieproduk- Elektro-PKW lag zum Jahresbeginn 2020 bei 10.670 tivität im Jahr 2019 mit 1,4 % höher als im langfris- und an Hybridfahrzeugen bei 48.245. Damit hat sich tigen Mittel aus. bei beiden Antriebsarten die bereits im Vorjahr zu beobachtende hohe Wachstumsdynamik weiter be- Endenergieverbrauch für Wärme höher als im schleunigt. Bei reinen Elektro-PKW nahm der Be- Vorjahr stand um 4.052 Fahrzeuge bzw. um 61,2 % zu, die Zahl der Hybrid-PKW stieg um 18.899 bzw. 64,4 %. Mit einem Endenergieverbrauch für Wärme in Höhe Ebenfalls deutlich erhöht hat sich die Zahl der öffent- von 293 PJ (36,4 % des gesamten Endenergiever- lich zugänglichen Ladepunkte für Elektrofahrzeuge _____________________ 3) Die Temperaturbereinigung dient der Eliminierung von Witterungseinflüssen, da ansonsten z.B. in einem besonders milden Winter ausschließlich witterungsbedingte rückläufige Energieverbräuche als Effizienzsteigerungen interpretiert werden könnten und umgekehrt bei kälterer Witterung Effizienzverluste konstatiert werden müssten. 4) In den Energiebilanzen der Länder wird der am jeweiligen Flughafen getankte Flugturbinenkraftstoff erfasst (Standortprinzip). Im Un- terschied zum Territorialprinzip, das Flugverkehrsleistungen nur bis zur Landesgrenze berücksichtigt, wird beim Standortprinzip der Energieverbrauch bis zum ersten Zielflughafen dem Startflughafen im Inland zugeordnet. HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020 15
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