Hessischer Konjunkturspiegel - Hessen Agentur

 
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Hessisches Ministerium
für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen

       Hessischer
Konjunkturspiegel
                     3. Quartal 2020

                       Konjunkturdaten
                              Tabellen

                           Kurzberichte
  Kultur- und Kreativwirtschaft in Hessen
        Das verfügbare Einkommen der
          privaten Haushalte in Hessen

                   Schwerpunktthemen
     Wirtschaft in Zeiten der Pandemie —
         Blick auf 2021 anhand aktueller
                    Konjunkturprognosen
Monitoring der Energiewende in Hessen
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Inhalt   Vorwort                                                                                                            	 1

         Kurzberichte
         Kultur- und Kreativwirtschaft in Hessen                                                                              2
         Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in Hessen                                                            4

         Schwerpunktthemen
         Wirtschaft in Zeiten der Pandemie –
         Ausblick auf 2021 anhand aktueller Konjunkturprognosen                                                              6
         Monitoring der Energiewende in Hessen                                                                              12

         Die hessische Konjunktur
         Die hessische Konjunktur in Zahlen                                                                                 17
         Die hessische Konjunktur im Überblick                                                                              18
         Beschäftigung und Arbeitsmarkt                                                                                     19
         Außenhandel, Einzelhandel, Gastgewerbe                                                                             22
         Verarbeitendes Gewerbe                                                                                             25
         Bauhauptgewerbe                                                                                                    27
         Indikatoren im Detail                                                                                              29

         Konjunkturumfragen anderer Institutionen
         Konjunkturbericht Hessischer Industrie- und Handelskammertag                                                       32
         Konjunkturbericht Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern                                              34

         IMPRESSUM
         HERAUSGEBER
         Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen

         BEARBEITUNG
         HA Hessen Agentur GmbH • Konradinerallee 9 • 65185 Wiesbaden
         Tel +49 611 95017-80/-85 • Fax +49 611 95017-846 • info@hessen-agentur.de

         VERFASSER
         Dr. Claus Bauer

         STAND
         Dezember 2020

         UMSCHLAG
         Hessisches Statistisches Landesamt

         HINWEISE ZUR VERWENDUNG
         Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Hessischen Landesregierung herausgegeben. Sie
         darf weder von Parteien noch von Wahlbewerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der
         Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen. Missbräuchlich ist
         insbesondere die Verteilung auf Wahlkampfveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen,
         Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an
         Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift
         nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer
         Gruppen verstanden werden könnte. Die genannten Beschränkungen gelten unabhängig davon, wann, auf welchem
         Weg und in welcher Anzahl die Druckschrift dem Empfänger zugegangen ist. Den Parteien ist es jedoch gestattet, die
         Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden.
         Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung von Funktions- bzw.
         personenbezogenen Bezeichnungen, wie zum Beispiel Teilnehmer / Innen, verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten
         im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.
         Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplar erbeten.

         DOWNLOAD
         Download unter www.hessen-agentur.de/publikationen

         DATENQUELLEN
         Hessisches Statistisches Landesamt            statistik.hessen.de
         Statistisches Bundesamt		                     www.destatis.de
         Statistik der Bundesagentur für Arbeit        statistik.arbeitsagentur.de
         Deutsche Bundesbank 		                        www.bundesbank.de
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VORWORT

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

Wie wird sich Hessens Wirtschaft im kommenden
Jahr entwickeln? Eine Antwort versucht der Schwer-
punktbericht Wirtschaft in Zeiten der Pandemie:
Ausblick auf 2021 anhand aktueller Konjunktur-
prognosen. Die gute Nachricht ist, dass nicht mit ei-
nem weiteren Rückgang gerechnet wird. Allerdings
wird das Niveau vor der Krise in Deutschland und in
Hessen wahrscheinlich erst Ende 2021 annähernd
wieder erreicht werden können. Die umfangreichen
Finanzhilfen von Bund und Ländern haben dazu
beigetragen, den Schaden für die Unternehmen            ßungen wieder erholt, kann aber das Vorjahresni-
möglichst gering zu halten.                             veau noch nicht erreichen. Ebenso verläuft der Auf-
                                                        holprozess im Verarbeitenden Gewerbe. Verschont
Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor ist die Kultur-       von der Pandemie blieb das Bauhauptgewerbe, das
und Kreativwirtschaft in Hessen, die in den ver-        seit mehreren Jahren eine wichtige Stütze der Kon-
gangenen Jahren Umsatz und Beschäftigung stei-          junktur in Hessen ist. Die Arbeitslosenquote ist zum
gern konnte, nun aber auch in besonderem Maße           dritten Mal in Folge gesunken.
betroffen ist. Ihr hohes Wachstums- und Innovati-
onspotenzial gibt jedoch Anlass, auf eine rasche        Die hessische Wirtschaft ist bislang vergleichsweise
und umfassende Erholung zu hoffen, wenn die Kri-        gut durch die Krise gekommen. Dennoch gibt es
se überwunden ist.                                      immer noch Betriebe und Soloselbständige, die
                                                        durchs Raster der bisherigen Hilfsprogramme fal-
Der Bericht zum Monitoring der Energiewende in          len. Mit der Notfallkasse Hessen und dem Hessen-
Hessen zeigt, wie wichtig die Erneuerbaren Ener-        Fonds schaffen wir zusätzliche Angebote, um Hes-
gien in Hessen inzwischen sind. 2019 trugen sie         sens Unternehmen in dieser Situation beizustehen.
erstmals mehr als 50 Prozent zur hessischen Strom-
erzeugung bei und überholten damit die konventio-       Bleiben Sie gesund.
nellen Energieträger. Die Energiewende in Hessen
kommt gut voran, aber der Weg zur Klimaneutralität      Ihr
ist noch weit.

In 2018 belegten die hessischen Bürgerinnen und
Bürger mit Blick auf das Verfügbare Einkommen
der privaten Haushalte in Hessen bundesweit den         Tarek Al-Wazir,
vierten Platz. Der Bericht gibt Auskunft über die       Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr
Entwicklung und Verwendung des Verfügbaren Ein-         und Wohnen
kommens.

Die Betrachtung der hessischen Konjunktur im
Überblick lässt einen leichten Aufwärtstrend nach
den Lockerungen des harten Lockdowns erkennen:
Der Außenhandel hat sich nach den Grenzschlie-

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020                                                            1
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KURZBERICHTE

Kultur- und Kreativwirtschaft in Hessen

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine bedeutende               In der hessischen Kultur- und Kreativwirtschaft waren
Branche in Hessen, die sich in den letzten Jahren                   2019 mindestens 128.500 Personen erwerbs-
gut entwickelt hat, wie der nachfolgende Blick auf                  tätig, darunter 78.700 sozialversicherungspflichtig
ausgewählte Wirtschaftsdaten der heimischen Kul-                    Beschäftigte, gut 17.400 ausschließlich geringfügig
tur- und Kreativwirtschaft verdeutlicht.1 Zurzeit hat               Beschäftigte, etwa 20.500 Unternehmensinhabe-
die Branche allerdings erheblich mit den Auswir-                    rinnen und -inhaber sowie mehr als 11.900 freibe-
kungen der Corona-Pandemie zu kämpfen. Um nur                       ruflich künstlerisch und publizistisch Tätige.4
zwei Beispiele zu nennen: Abgesagte Veranstal-
tungen, Aufführungen und Auftritte treffen die Künst-                            Erwerbstätige in der Kultur- und
lerinnen und Künstler – sei es aus der Musikwirt-                                  Kreativwirtschaft in Hessen
schaft, den Darstellenden Künsten oder der Filmwirt-
schaft. Und im Werbemarkt schlagen sich der Ein-                                         61%                         14%        16% 10%
                                                                                        78.700                      17.400     20.500 11.900
bruch im Bereich Kinowerbung, Tourismus und
(Sport-)Events sowie konjunkturbedingte Ausfälle                                      Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
seitens werbetreibender Unternehmen nieder. Das                                       Ausschließlich geringfügig Beschäftigte
hohe Wachstums- und Innovationspotenzial der                                          Unternehmensinhaber
Branche lässt jedoch hoffen, dass sich die Kultur-                                    Freiberufliche Künstler und Publizisten
und Kreativwirtschaft möglichst rasch und umfas-
                                                                     Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Bundesagentur für Arbeit,
send von den tiefen Einschnitten der Corona-Krise                    Künstlersozialkasse, Berechnung und Darstellung der Hessen Agentur.
erholt.
                                                                    Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäf-
Die Branche setzt sich aus den elf Teilmärkten                      tigten in der hessischen Kultur- und Kreativbranche
Musik, Buch, Kunst, Film, Rundfunk, Darstellende                    erhöhte sich zwischen 2018 und 2019 um 2,7 %. Im
Künste, Design, Architektur, Presse, Werbung, Soft-                 langfristigen Vergleich gegenüber 2010 ist deren
ware und Games sowie dem Bereich Sonstiges                          Anzahl um knapp 14.900 Personen bzw. 23,3 % ge-
(u.a. Bibliotheken) zusammen. Betrachtet werden                     stiegen – und damit im Vergleich zur hessischen
Branchendaten der hessischen Kultur- und Kreativ-                   Wirtschaft insgesamt (+19,5 %) leicht überdurch-
unternehmen, die sich mit der Schaffung von kul-                    schnittlich. Dies ist umso bemerkenswerter, als das
turellen und kreativen Gütern befassen und die                      langfristige Wachstum durch einen methodischen
überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind.2                 Effekt der Statistik – und zwar die Umgruppierung
                                                                    von Beschäftigten des „Einzelhandels mit Büchern“
Im Jahr 2018 erwirtschafteten die knapp 20.500                      (Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft) zum „Sons-
Unternehmen3 der hessischen Kultur- und Kreativ-                    tigen Versand- und Internethandel“ (nicht Teil der
wirtschaft einen Umsatz von rund 14,7 Mrd. Euro.                    Branche) – deutlich gemindert wurde. Zusätzlich zu
Damit ist der Umsatz kräftig um 431 Mio. Euro bzw.                  den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten waren
um 3,0 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Der                       2019 rund 27.400 Personen in der Branche gering-
Branchenumsatz liegt im langfristigen Vergleich um                  fügig beschäftigt, unter denen rund 17.400 Personen
rund 22 % höher als im Jahr 2010.                                   – 2,4 % weniger als im Vorjahr – ausschließlich einer
_____________________
1) Vgl. hierzu ausführlich Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (Hrsg., 2020): Datenreport 2020 – Kul-
tur- und Kreativwirtschaft in Hessen, Creative Industries, HA-Report 1020, Wiesbaden. Download: www.kreativwirtschaft-hessen.de.
Der Datenreport informiert ebenfalls – differenziert nach Teilmärkten – über die Auswirkungen der Corona-Pandemie.
2) Die Berechnungen der Wirtschaftszahlen wurden gemäß dem „Modell Söndermann“ durchgeführt.
3) Erfasst sind Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 17.500 Euro.
4) Die tatsächliche Zahl der Erwerbstätigen liegt höher: Die Zahl der Selbstständigen und Freiberufler mit Jahresumsatz unter 17.500
Euro lässt sich anhand der Zahlen des Bundes auf 16.500 schätzen, womit sich eine Erwerbstätigenzahl der hessischen Kultur- und
Kreativwirtschaft von insgesamt etwa 145.000 ergäbe. Zudem sind Erwerbstätige, die einer Tätigkeit in der Kultur- und Kreativbranche
ausschließlich im Nebenerwerb nachgehen, nicht erfasst, da sie ihren Lebensunterhalt in anderen Branchen sichern.

2                                                               HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020
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KURZBERICHTE

geringfügigen Beschäftigung nachgingen.                                         markt (100 Mio. Euro). Nachfolgend wird ein Blick
                                                                                auf die beiden umsätzstärksten Teilmärkte geworfen:
Neben den abhängig Beschäftigten zählen zur Ge-
samtzahl der Erwerbstätigen in der Kultur- und Kre-                             Der Umsatz der Software- und Games-Industrie
ativwirtschaft knapp 20.500 Unternehmensinhab-                                  legte 2018 um 3,5 % auf knapp 4,4 Mrd. Euro zu,
erinnen und -inhaber sowie über 11.900 freiberuflich                            womit sie das zweite Jahr der umsatzstärkste Teil-
künstlerisch und publizistisch Tätige. Die Zahl der                             markt der hessischen Kultur- und Kreativwirtschaft
Inhaberinnen und Inhaber bzw. Unternehmen sowie                                 ist. Die Software- und Games-Industrie blickt auf
der freiberuflich künstlerisch und publizistisch tä-                            eine langanhaltende Expansionsphase zurück und
tigen Personen ändert sich von Jahr zu Jahr lediglich                           zählt zu den am dynamischsten wachsenden Teil-
geringfügig. Erstere lag 2019 rund 1 % unter dem                                märkten. Auch die Beschäftigung hat deutlich zuge-
Ausgangsniveau des Jahres 2010, Letztere ist ge-                                nommen. Von 2018 auf 2019 stieg die Zahl der so-
genüber 2010 um 6,8 % bzw. rund 750 Personen                                    zialversicherungspflichtig Beschäftigten um 2.361
gestiegen.                                                                      Personen (+7,7 %). Damit sind im Jahr 2019 14.280
                                                                                Personen (+76,2 %) mehr in der Software- und
Die Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft sind                           Games-Industrie beschäftigt als noch 2010.
nicht nur durch die Vielfalt der Kreativschaffenden
und ihrer Produkte und Dienstleistungen gekenn-                                 Zu diesem Teilmarkt zählen die Softwareentwick-
zeichnet, sondern auch durch eine große Spann-                                  lung, das Verlegen von Computerspielen und das
breite der Umsatz- und Beschäftigtenzahlen. So                                  Betreiben von Webportalen. Den Standort Hessen
reicht das Spektrum in Hessen etwa beim Umsatz                                  zeichnet ein großes Netzwerk von Software- und IT-
von der Software- und Games-Industrie sowie dem                                 Service-Unternehmen aus. Vor allem in Frankfurt
Werbemarkt mit 4,4 Mrd. bzw. 4,2 Mrd. Euro bis zur                              am Main sind renommierte Videospielentwickler und
Rundfunkwirtschaft (191 Mio. Euro) und dem Kunst-                               -verleger ansässig und der Internetknoten DE-CIX in
                                                                                Frankfurt ist der größte Datenaustauschpunkt der
 Umsatz und Beschäftigung in der Kultur- und
                                                                                Welt. Darmstadt ist ein bedeutsamer Standort für
 Kreativwirtschaft in Hessen nach Teilmärkten
                                                                                Serious Games.
                                  Umsatz                Sozialversich.
                               in Mio. Euro              Beschäftigte
                                                                                Der Werbemarkt auf Rang zwei setzt sich aus der
                             2018*        2017         2019         2018        Gestaltung von Werbung durch Werbeagenturen
Software-/                                                                      sowie der Vermarktung von Werbezeiten und Wer-
                             4.398        4.248       33.014       30.653
Games-Industrie                                                                 beflächen zusammen. In Hessen sind die Online-
Werbemarkt                   4.215        4.083       13.184       13.523       und Digitalwerbung sowie die Werbefilmindustrie
Designwirtschaft             2.067        1.897        8.826        8.980       von besonderer Relevanz. Der hessische Werbe-
Pressemarkt                  1.965        1.930       10.107       10.439       markt vermochte seinen Umsatz 2018 um 3,2 %
Architekturmarkt             1.084        1.001        8.082        7.609       gegenüber dem Vorjahr auf 4,2 Mrd. Euro erhöhen.
Filmwirtschaft                 864          839        2.306        2.233       Langfristig nahm der Umsatz gegenüber dem Jahr
Musikwirtschaft                676          636        3.530        3.393       2010 um 10 % zu, wobei sich die Struktur deutlich
Buchmarkt                      642          636        3.771        4.155       geändert hat, denn die Vermarktung und Vermitt-
Markt für Darstellende                                                          lung von Werbezeiten und Werbeflächen hat er-
                               579          536        3.031        2.860
Künste                                                                          heblich an Bedeutung für den Umsatz dieses Teil-
Rundfunkwirtschaft             191          189        1.185        1.188       marktes gewonnen. Im Werbemarkt ist die Zahl der
Kunstmarkt                     100          137          312            309     sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 2019 im
Sonstiges                        96         110          402            389     Vergleich zu 2018 um 2,5 % gesunken. Dessen un-
Insgesamt**                 14.674       14.242       78.700       76.635       geachtet liegt diese mit knapp 13.200 Beschäftigten
* Keine Daten für 2019 verfügbar ** Die Summe der Teilmärkte entspricht nicht
                                                                                um 19,5 % über dem Wert des Jahres 2010.
der Gesamtsumme, da zur Ermittlung der Gesamtsumme die Teilmärkte um
Doppelzählungen bereinigt werden müssen.                                        Dr. Alexander Werner, Dr. Claus Bauer
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Bundesagentur für Arbeit,
Berechnung und Darstellung der Hessen Agentur.

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020                                                                                   3
Hessischer Konjunkturspiegel - Hessen Agentur
KURZBERICHTE

Das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in Hessen

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist zweifellos eine –               Datengrundlage der Ausführungen sind die neuesten
wenn nicht sogar die – zentrale Wirtschaftskennzif-                Berechnungen des Arbeitskreises Volkswirtschaftli-
fer. Vor allem das Wirtschaftswachstum, d.h. die                   che Gesamtrechnungen der Länder.
Veränderung des BIP gegenüber dem Vorjahr, wird
auch in der breiten Öffentlichkeit mit Interesse ver-              Das Verfügbare Einkommen ist das Einkommen,
folgt. Die regionalen Volkswirtschaftlichen Gesamt-                dass den privaten Haushalten nach dem staatlichen
rechnungen (VGR) berechnen allerdings nicht nur                    Umverteilungsprozess zur Verfügung steht. Verein-
das BIP, sondern „verfolgen die Aufgabe, ein mög-                  facht dargestellt umfasst es die Einkommen aus
lichst vollständiges quantitatives Gesamtbild des                  selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie
wirtschaftlichen Ablaufs und der damit verbundenen                 die Vermögenseinkünfte (z.B. Zinsen, Dividenden),
wirtschaftlichen Tätigkeiten und Vorgänge in der                   vermindert um die Steuern und Sozialabgaben und
Volkswirtschaft einer Region für eine abgelaufene                  zuzüglich der monetären Sozialleistungen (Renten,
Periode zu geben.“1                                                Arbeitslosengeld, Kindergeld usw.). Das Einkommen
                                                                   aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitnehmerentgelt)
Nachfolgend wird der Blick auf eine weitere interes-               ist die größte der o.g. Komponenten. Im Gegensatz
sante Größe aus dem Datenangebot der VGR ge-                       zum BIP (Arbeitsortprinzip) wird das Verfügbare
worfen – und zwar auf das so genannte Verfügbare                   Einkommen nach dem Wohnortprinzip berechnet –
Einkommen der privaten Haushalte als Indikator                     ein Unterschied, der vor allem bei kleinräumigen
für den materiellen Wohlstand der Bevölkerung.2                    Wohlstandsvergleichen und intensiven Pendlerver-

                          Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner 2018
                                            im Bundesländervergleich
                   Bayern                                                                                           25.309
                 Hamburg                                                                                           25.029
      Baden-Württemberg                                                                                            24.892
                   Hessen                                                                                      23.943
           Rheinland-Pfalz                                                                                 23.197
          DEUTSCHLAND                                                                                     22.899
       Schleswig-Holstein                                                                                 22.833
      Nordrhein-Westfalen                                                                               22.294
           Niedersachsen                                                                               21.988
                   Bremen                                                                             21.481
                     Berlin                                                                       20.972
             Brandenburg                                                                        20.475
                  Sachsen                                                                      20.335
                 Saarland                                                                      20.277
                Thüringen                                                                     19.793
           Sachsen-Anhalt                                                                    19.528
Mecklenburg-Vorpommern                                                                       19.470

                              0           5.000          10.000          15.000          20.000            25.000            30.000

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder.                                                                                         in Euro
_____________________
1) Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder (Hrsg.) (2016): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder
– Zusammenhänge, Bedeutung und Ergebnisse, Stuttgart, S. 14.
2) Aus Gründen der Datenverfügbarkeit beinhalten die Daten auch die privaten Organisationen ohne Erwerbszweck (z.B. Vereine, poli-
tische Parteien). Diese sind in Relation zu den privaten Haushalten jedoch quantitativ von untergeordneter Bedeutung. Nachfolgend
wird vereinfachend nur von den privaten Haushalten gesprochen – die privaten Organisationen ohne Erwerbszweck sind jeweils einbe-
zogen.

4                                                              HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020
KURZBERICHTE

flechtungen von Bedeutung sein kann.                               Wirtschaften denken lässt. Insbesondere die neuen
                                                                   Bundesländer (z.B. Sachsen-Anhalt: 6,3 %) weisen
Das Verfügbare Einkommen der privaten Haus-                        erheblich niedrigere Sparquoten als Hessen auf, d.h.
halte in Hessen belief sich 2018 auf insgesamt                     dort wird ein größerer Teil des – im Bundesländer-
149,8 Mrd. Euro. Wird dieses Einkommen auf die                     vergleich zudem relativ niedrigen – Verfügbaren
hessische Bevölkerung von rund 6,3 Mio. Frauen                     Einkommens für Konsumzwecke verwendet.
und Männer bezogen, so resultiert ein Verfügbares
Einkommen je Einwohner von rund 23.950 Euro                        Dr. Claus Bauer
für 2018 – ein Wert, der um gut 1.000 Euro über
dem Bundesdurchschnitt (22.900 Euro) liegt. Hes-
sen rangiert damit im Vergleich der Bundesländer
nach Bayern, Hamburg und Baden-Württemberg
auf dem vierten Rang.

Blickt man im Rahmen eines Langfristvergleichs 20
Jahre zurück, so ist das Verfügbare Einkommen der
privaten Haushalte in Hessen zwischen 1998 und
2018 um 57 % gestiegen. Nur im Jahr 2009, als sich
die Wirtschaft weltweit in einer Rezession befand,
und im Jahr 2002, der Wirtschaftsflaute nach dem
Platzen der New-Economy-Blase und den Terroran-
schlägen vom 11.09.2001, blieb das Verfügbare Ein-
kommen weitestgehend unverändert. Dies gilt eben-
falls für die Entwicklung auf Bundesebene, für die
ein Plus von 54 % im Zeitraum von 1998 bis 2018 zu
Buche steht. Im Gegensatz zum Verfügbaren Ein-
kommen – in der Krise 2009 u.a. durch die massive
Ausweitung des Kurzarbeitergelds gestützt – ist das
BIP in Hessen wie auch deutschlandweit 2009 er-
heblich zurückgegangen. Das Verfügbare Einkom-
men pro Einwohner ist von 1998 bis 2008 aufgrund
der positiven Bevölkerungsentwicklung etwas weni-
ger stark gestiegen als die absolute Größe – und
zwar in Hessen und im Bund jeweils um 51 %.

Das Verfügbare Einkommen wird von den hessi-
schen Bürgerinnen und Bürgern weitaus überwie-
gend zum Konsum verwendet. Ein Teil des Ein-
kommens dient jedoch der Ersparnisbildung – sei
es für größere, ggf. auch ungeplante Ausgaben, zum
Zwecke der Altersvorsorge oder auch als Rücklage
für „schlechtere Zeiten“. Die Relation aus Sparen
und Verfügbarem Einkommen wird als Sparquote
bezeichnet. Die Sparquote3 wird für das Jahr 2018
mit 12,0 % angegeben, womit die hessische Spar-
quote etwas über der Quote für Deutschland insge-
samt (11,0 %) liegt. Die höchste Sparquote weist
mit 13,1 % Baden-Württemberg auf, was an die
schwäbische Hausfrau als Metapher für sparsames
_____________________
3) Die angegebene Sparquote berücksichtigt auch die Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche als Teil der Ersparnis.

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020                                                                           5
SCHWERPUNKTTHEMEN

Wirtschaft in Zeiten der Pandemie: Ausblick auf 2021 anhand
aktueller Konjunkturprognosen

Ausgeprägte Unsicherheit aufgrund der Corona-                                        wirkungen auf das wirtschaftliche Geschehen abzu-
Pandemie                                                                             schätzen. Dass diese im Jahr 2020 ausgesprochen
                                                                                     negativ ausfielen, verdeutlicht die untenstehende
Ob Boom, Krise oder „business as usual“ – hinsicht-                                  Prognoseübersicht. Die Einschätzungen reichen bis
lich der Veröffentlichung von Konjunkturprognosen                                    zu einem BIP-Rückgang um 8,3 % (Prognose des
herrscht in den letzten Monaten eines Jahres immer                                   Internationalen Währungsfonds für die Eurozone).
Hochkonjunktur. Anhand von Prognosen renommier-
ter Institutionen aus dem In- und Ausland wird nach-                                 Die in der Übersicht aufgeführten Prognosen sind
folgend überblicksartig aufgezeigt, welches Wirt-                                    zwischen Oktober und Dezember 2020 veröffent-
schaftswachstum, d.h. welche Zunahme des realen                                      licht worden. Die neueste Prognose ist die des IW
Bruttoinlandsprodukts (BIP) gegenüber dem Vor-                                       Köln, die wenige Tage (08.12.2020) vor dem erneu-
jahr, für 2021 erwartet wird. Dabei wird auch ein                                    ten Lockdown in Deutschland vorgestellt wurde. Al-
Blick auf das von den Auswirkungen der Corona-                                       le Prognosen wurden damit einem Zeitraum ausge-
Pandemie geprägte Jahr 2020 geworfen. Der Fokus                                      sprochen hoher Unsicherheit und in einem sich fort-
der Ausführungen liegt jedoch auf dem Ausblick auf                                   während ändernden Umfeld erstellt. Dies sei bei-
das Jahr 2021.                                                                       spielhaft anhand zweier wichtiger Parameter ver-
                                                                                     deutlicht – Infektionszahlen und Impfstoff:
„Prognosen sind schwierig; besonders dann, wenn
sie die Zukunft betreffen.“ Diesem geflügelten Wort                                  Zum Zeitpunkt der Erstellung der ersten Prognosen
kommt in Zeiten der Pandemie eine ganz besonde-                                      hielt sich die Zunahme der Infektionszahlen noch in
re Gültigkeit zu. Gilt es doch, bei der Erstellung ei-                               engen Grenzen. Zugleich waren aber die Aussich-
ner Konjunkturprognose nicht nur die große Band-                                     ten auf einen wirksamen Impfstoff noch recht vage.
breite der „üblichen“ Faktoren – Investitionstätigkeit,                              Doch die Wirtschaftsentwicklung im Jahr 2021 wird
Geldpolitik, Lohnentwicklung, Preise, Außenhandel,                                   nicht zuletzt davon abhängen, wann ein wirksamer
Wechselkurse, Maßnahmen der Wirtschaftspolitik                                       Impfstoff in ausreichender Menge zur Verfügung
usw. – zu berücksichtigen, sondern zudem das neu-                                    steht und die entsprechenden Kapazitäten zur Imp-
artige Corona-Virus einzubeziehen. Genauer ge-                                       fung der Bevölkerung aufgebaut sind. Die Ankündi-
sagt sind zusätzlich Erwartungen über die weitere                                    gung des Mainzer Biotechnologieunternehmens
Entwicklung der Pandemie zu bilden und deren Aus-                                    BioNTech (mit Produktionsstätte in Marburg) von

                                       Konjunkturprognosen für das Jahr 2021 im Überblick
                                                                                 Welt                       Euroraum               Deutschland
                                                  Datum der
                Institution                                                          Veränderung gegenüber dem jeweiligen Vorjahr in %
                                               Veröffentlichung
                                                                         2020            2021        2020          2021        2020*        2021
Internationaler Währungsfonds                      07.10. 2020            -4,4            5,2        -8,3              5,2      -6,0         4,2
Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose                14.10. 2020            -4,0            5,9        -7,4              5,6   -5,4 (-5,8)     4,7
DIHK                                               29.10. 2020             x               x          x                 x       -6,0         4,0
Bundesregierung                                    30.10. 2020             x               x           x                x    -5,5 (-5,9)     4,4
EU-Kommission                                      05.11. 2020            -4,3            4,6        -7,8              4,2      -5,6         3,5
Sachverständigenrat                                11.11. 2020            -4,0            5,1        -7,0              4,9   -5,1 (-5,5)     3,7
Helaba                                             17.11. 2020            -3,6            5,9        -6,8              6,3   -5,0 (-5,4)     5,0
OECD                                               01.12. 2020            -4,2            4,2        -7,5              3,6      -5,5         2,8
IW Köln                                            08.12. 2020             -4            ‐4½          -7               -5    -5¼ (-5½)       -4
* Werte in Klammern kalenderbereinigt (das Jahr 2020 hat vier Arbeitstage mehr als das Jahr 2019.)
Quelle: Recherchen der Hessen Agentur.

6                                                                                HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020
SCHWERPUNKTTHEMEN

Anfang November, im Idealfall noch um den Jah-                        Wirtschaftsleistung weltweit, der Eurozone oder
reswechsel 2020 / 2021 mit den Impfungen begin-                       Deutschlands erwartet. Die prognostizierte Wachs-
nen zu können, hatte diesbezüglich vorsichtig opti-                   tumsrate für die weltweite Wirtschaftsleistung 2021
mistisch gestimmt. Dies wurde offenkundig auch von                    liegt im Durchschnitt über dem Ausmaß des Rück-
der Börse so gesehen, denn der Aktienkurs u.a. von                    gangs im Jahr 2020. Für die Eurozone und auch für
Fraport legte aufgrund dieser Nachricht kräftig zu.                   Deutschland ist dies allerdings nicht der Fall.
Die zuletzt aufgelisteten Prognosen sind im Kontext
eines wieder massiv zunehmenden Infektionsge-                         Welt
schehens und des Teil-Lockdowns in Deutschland
zu sehen. Die Zulassung eines Impfstoffs steht nun                    Hinsichtlich der Weltkonjunktur reicht die Spanne
kurz bevor und die Vorbereitungen zur Impfung der                     der Prognosen für das Jahr 2021 von 4,2 % (OECD,
Bevölkerung laufen auf Hochtouren. So wurde von                       Hauptszenario1) bis hin zu 5,9 % von Helaba und
BioNTech die Zulassung in der EU am 30.11. 2020                       Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose. Die Helaba
beantragt. Eine Entscheidung der EMA (European                        geht in ihrem „Mit der Nanny durch die Krise“ be-
Medicines Agency) könnte noch dieses Jahr fallen.                     zeichneten Hauptszenario2 (Eintrittswahrscheinlich-
Im Vereinigten Königreich und in den USA wurden                       keit: 70 %) ebenso von einem BIP-Plus von 5,9 %
bereits Notfallzulassungen erteilt. Auch das Unter-                   aus wie die Projektgruppe in ihrem Herbstgutach-
nehmen Moderna aus den USA hat am 30.11. die                          ten. Die Helaba spielt mit dieser Bezeichnung auf
Zulassung eines Impfstoffs bei der EMA beantragt.                     die beobachtete erzieherische Rolle der Staaten in
                                                                      der Corona-Krise an, d.h. die Lenkung des Verhal-
Der umfassende Lockdown ab Mitte Dezember in                          tens der Bürger bei gleichzeitiger Unterstützung.
Deutschland unterscheidet sich in einem wesentli-                     Und sie prognostiziert: „Auch 2021 wird die Nanny
chen Aspekt von dem im Frühjahr – nämlich der Per-                    noch aktiv sein.“ Diese Ansicht bzw. Erwartung fin-
spektive einer in Kürze beginnenden Impfoffensive.                    det sich mehr oder weniger ausgeprägt in fast allen
Allerdings stellt die Impfung der Bevölkerung allein                  Prognosen wieder. Besonders deutlich formuliert es
zahlenmäßig eine große Herausforderung dar, die                       die OECD in ihrer Pressemitteilung von Anfang De-
einen entsprechenden Zeitraum in Anspruch nehmen                      zember: „Continued fiscal support and public health
wird. Fundierte Prognosen zum BIP, die explizit auf                   action needed to make hope of recovery a reality.“
der aktuellen Situation des erneuten, umfassenden
Lockdowns basieren, liegen naturgemäß noch nicht                      Naturgemäß stehen bei der Betrachtung der Welt-
vor.                                                                  konjunktur mit den USA und der VR China die bei-
                                                                      den mit großem Abstand bedeutendsten Volkswirt-
Für 2021 weltweit Erholung der Wirtschaft er-                         schaften – sie stellen zusammen rund die Hälfte des
wartet                                                                weltweiten BIP – im Fokus des Interesses. Dies gilt
                                                                      erst recht angesichts des unterschiedlichen Pande-
Aufgrund der Corona-Pandemie ist die Weltwirt-                        mie-Verlaufs in den beiden Ländern. Hinzu kommen
schaft im Jahr 2020 so stark geschrumpft wie seit                     die zumindest angespannt zu nennenden Beziehun-
dem zweiten Weltkrieg nicht mehr. Obgleich es in                      gen zwischen beiden Staaten, wofür beispielhaft die
zahlreichen Staaten in den letzten Monaten eine                       US-Strafzölle auf zahlreiche chinesische Güter und
„zweite Welle“ gab, hat die Erholung der Wirtschaft                   die entsprechenden Gegenmaßnahmen Chinas ste-
weltweit eingesetzt. Diese Entwicklung veranschau-                    hen. Schließlich ist die Wahl des neuen US-Präsi-
licht die umseitige Prognoseübersicht, die erfreuli-                  denten zu nennen, mit der im Ausland vielfach die
cherweise für das Jahr 2021 ausschließlich Zuwäch-                    Erwartung einer Neuausrichtung oder zumindest ei-
se des BIP ausweist. In keiner der aufgeführten                       ner Neujustierung (nicht nur) der Außenhandelspoli-
Prognosen wird für 2021 eine weitere Abnahme der                      tik der USA verbunden wird.
_____________________
1) Über das Hauptszenario („Current forecasts“) hinaus gibt die OECD noch ein optimistischeres „Upside scenario“ an, gemäß dem das
BIP-Wachstum bei 5 % liegt. Beim pessimistischeren Szenario („Downside scenario“) nimmt das BIP nochmals ab – und zwar um
2,8 %. Eintrittswahrscheinlichkeiten für die beiden Alternativszenarien werden nicht genannt.
2) Die Eintrittswahrscheinlichkeiten der beiden Alternativszenarien „Poltergeist“ (negativ) und „Avatar“ (positiv) werden von der Helaba
mit 20 % bzw. 10 % angegeben. Alternative Wachstumsraten für das BIP in diesen beiden Szenarien werden nicht beziffert.

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020                                                                                        7
SCHWERPUNKTTHEMEN

Gemessen am voraussichtlichen Rückgang des BIP            fern wird. Die Vorhersagen liegen bei rund 9 % für
wurde die Wirtschaft der USA in 2020 in geringe-          das Jahr 2021. Dies setzt naturgemäß voraus, dass
rem Ausmaß als viele andere Staaten von der               die Pandemie weiterhin im Griff behalten werden
Corona-Krise getroffen. So wird davon ausgegan-           kann. Expansive Impulse für die chinesische Wirt-
gen, dass der Einbruch der Wirtschaftsleistung 2020       schaft dürften auch vom seit November 2020 be-
letztlich „nur“ bei rund 4 % liegen werde. Die US-        stehenden Freihandelsabkommen RCEP (Regional
Regierung und die Notenbank haben fiskal- und             Comprehensive Economic Partnership) ausgehen,
geldpolitische Maßnahmen von beispiellosem Aus-           welches die größte Freihandelszone der Welt ge-
maß ergriffen, um die Auswirkungen der Pandemie           schaffen hat. Mitglieder sind neben der VR China
auf die Wirtschaft möglichst gering zu halten. Infol-     zwölf weitere asiatische Staaten sowie Australien
gedessen setzte bereits früh eine kräftige Erholung       und Neuseeland.
ein, die Wirtschaft befindet sich seitdem wieder auf
Expansionskurs. Allerdings verzeichneten die USA          Als von der Pandemie unabhängiges Risiko ist der
im Gegensatz zu Europa bereits im Sommer wieder           Handelskonflikt zwischen den USA und China anzu-
einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen vor         führen, der angesichts der Pandemie in den letzten
allem im Westen und Süden der USA. Auch befin-            Monaten in den Hintergrund gerückt ist. Zwar wurde
det sich z.B. die Arbeitslosenquote – trotz Rück-         zu Jahresbeginn 2020 das „Phase-One“-Abkom-
gang nach der coronabedingten massiven Zunah-             men geschlossen, das jedoch nicht darüber hinweg-
me – noch auf Rezessionsniveau. Für 2021 wird ein         täuschen sollte, dass viele der verhängten Einfuhr-
weiteres Konjunkturpaket für wahrscheinlich gehal-        zölle weiterhin erhoben werden. Zudem bleibt abzu-
ten, denn die meisten Maßnahmen des ersten Kon-           warten, ob das vereinbarte Ziel, dass China mehr
junkturstimulans (u.a. ein erhöhtes Arbeitslosengeld)     Waren aus den USA kauft, letztlich erfüllt werden
sind bereits vor einigen Monaten ausgelaufen. Mög-        kann und falls nein, welche Konsequenzen daraus
licherweise kommt jedoch erst nach dem Abschluss          resultieren. Ein erneutes Aufflammen dieses schwe-
der US-Kongresswahlen im Januar 2021 wieder Be-           lenden Konflikts wäre zweifellos eine schlechte
wegung in die Verhandlungen. Die Prognosen se-            Nachricht für den Welthandel und für die Weltkon-
hen das Wirtschaftswachstum in den USA 2021 mit           junktur.
3 % bis 4 % betragsmäßig etwa in der Größenord-
nung des vorangegangenen Minus. Damit wird das            Apropos Abkommen: Viereinhalb Jahre nach der
Vorkrisenniveau 2021 zwar wohl noch nicht erreicht,       Abstimmung über den Austritt des Vereinigten Kö-
rückt aber in greifbare Nähe.                             nigreich aus der EU, knapp ein Jahr nach dem zum
                                                          31.01.2020 vollzogenen Brexit und wenige Wochen
Die VR China war der erste Staat der Welt, der von        vor Ablauf der Übergangsphase ist nach wie vor
der Pandemie betroffen war. Zur Eindämmung des            nicht klar, welcher rechtliche Rahmen zwischen der
Corona-Virus wurden sehr restriktive Maßnahmen            EU und dem UK ab 01.01.2021 gelten wird. Erfolgt
beschlossen. Infolgedessen kam es in den ersten           in der verbleibenden Zeit keine Einigung mehr, fällt
Monaten des Jahres 2020 zu einem Einbruch der             der Handel zwischen EU und UK zukünftig unter die
chinesischen Wirtschaftsleistung, doch die Infekti-       Regelungen der WTO. Hinsichtlich einer kurzfristi-
onszahlen gingen massiv zurück. Unterstützt durch         gen Einigung überwiegen die skeptischen Stimmen.
geld- wie auch fiskalpolitische Maßnahmen erholte         So schreibt etwa die EU-Kommission in ihrer BIP-
sich die Wirtschaft in China nach den Lockerungen         Prognose für das UK: „The recovery in 2021 is ex-
zügig – der Sachverständigenrat spricht von einem         pected to be subdued, assuming in this forecast
„starken Rückpralleffekt“ –, sodass das Vorkrisenni-      EU-UK trading relations based on WTO […] rules
veau bereits wieder überschritten ist. Die Erholung       from the beginning of 2021.“ Es wird allerdings be-
der Wirtschaft in China ist im internationalen Ver-       tont, dass diese Annahme lediglich Prognosezwe-
gleich bereits weit vorangeschritten. Die Prognosen       cken diene und die Ergebnisse der Verhandlungen
für 2021 sehen China unisono auf kräftigem Expan-         nicht vorwegnehmen solle. Auch der Prognose der
sionskurs, sodass das Land wieder einen beträcht-         Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose liegt die An-
lichen Beitrag zu einer positiven Weltkonjunktur lie-     nahme zugrunde, dass keine zeitgerechte Einigung

8                                                       HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020
SCHWERPUNKTTHEMEN

mehr erfolgt, „aber pragmatische Ad-Hoc-Regeln auf         die Pandemie besonders hart getroffen wurde, denn
beiden Seiten eine gravierende Störung der Wirt-           das Virus verbreitete sich zuerst im wirtschaftlich
schaftsbeziehungen verhindern werden.“ Diese zu-           starken Norden des Landes. Mittlerweile ist die Wirt-
sätzliche Unwägbarkeit dürfte ein Grund dafür sein,        schaft wieder auf Erholungskurs. Neben dem um-
weshalb die Konjunkturprognosen für das Vereinig-          fangreichen Fiskalpaket der italienischen Regierung
te Königreich relativ weit auseinander liegen: Die         sollen auch Mittel aus dem europäischen Aufbau-
Bandbreite reicht von einem Wachstum in 2021 um            plan „Next Generation EU“ Italien bei der Bewälti-
rund 3 % bis hin zu 7 %. Einigkeit besteht hingegen        gung der Krise unterstützen. Italien und Spanien
darin, dass das UK zu den am stärksten von den             sind die beiden Mitgliedstaaten, die am meisten von
Auswirkungen der Pandemie betroffenen Staaten              diesen Finanzmitteln der EU profitieren sollen. Die
zählt – teilweise wird von einem Rückgang bis BIP          Prognosen für Italien für das Jahr 2021 liegen im
im Jahr 2020 von über 10 % ausgegangen.                    Durchschnitt bei einem Wachstum von rund 5 %.

Euroraum                                                   Deutschland

Die Prognosen für das Jahr 2021 für den Euroraum           Der Einbruch der Wirtschaftsleistung in Deutschland
liegen in der Größenordnung derer für die Welt ins-        dürfte nicht ganz so drastisch ausfallen wie noch
gesamt und reichen von einem erwarteten Wachs-             vor einigen Monaten erwartet. Im Durchschnitt wird
tum um 3,6 % (OECD) bis zu 6,3 % (Helaba). Zu              mit einem BIP-Minus von gut 5 % in 2020 gerech-
beachten ist, dass der Rückgang der Wirtschafts-           net, während im Frühjahr noch von bis zu 7 % die
leistung 2020 nach allgemeiner Einschätzung mit            Rede war. Damit bleibt das Ausmaß der Rezession
durchschnittlich über 7 % eindeutig größer ausfällt        in 2020 hinter dem der Eurozone insgesamt zurück.
als im weltweiten Durchschnitt. Der Euroraum star-         Auch in Deutschland wurden umfangreiche fiskalpo-
tet folglich mit einer größeren Bürde in das Jahr          litische Maßnahmen von Bund und Ländern be-
2021, d.h. es gilt mehr aufzuholen. Die Pandemie           schlossen, um den Schaden für Unternehmen und
hat die 19 Staaten der Eurozone in sehr unter-             Beschäftigte möglichst gering zu halten. Im Gegen-
schiedlichem Ausmaß getroffen, entsprechend dif-           satz etwa zu den USA sind diese Maßnahmen kei-
ferenziert werden auch die Wachstums- bzw. Erho-           neswegs alle bereits im Jahr 2020 ausgelaufen, wie
lungsaussichten für das Jahr 2021 gesehen. Wird            das Beispiel der Erleichterungen beim Zugang zum
z.B. die Herbstprognose der EU-Kommission als              Kurzarbeitergeld zeigt.
Grundlage herangezogen, so reicht die Spannweite
von Finnland und Irland mit jeweils einem Plus von         Wie sehen die Prognosen die Wirtschaftsentwick-
2,9 % bis hin zu Frankreich (+5,9 %). Die beiden           lung Deutschlands, der größten Volkswirtschaft der
erstgenannten Staaten waren im Jahr 2020 aller-            Eurozone, für das Jahr 2021? Festzustellen ist, dass
dings weit unterdurchschnittlich von der Corona-           das Spektrum der für 2021 erstellten Prognosen be-
Pandemie betroffen.                                        achtlich groß ist, denn es geht von 2,8 % bis zu
                                                           5,0 %. Zum Vergleich: Ende 2018 reichte die Band-
Für Frankreich trifft dies nicht zu – alle Institutionen   breite der Prognosen für 2019 der gleichen Instituti-
zählen die nach Deutschland zweitgrößte Volkswirt-         onen nur von 1,5 % bis 1,9 %. Dies ist Ausdruck der
schaft der Eurozone zu den stark von der Pandemie          unsicheren Lage, die auch mehr „Spielraum“ für ab-
getroffenen Staaten. Für Frankreich wird nach dem          weichende Annahmen und Einschätzungen lässt.
langen und strikten Lockdown im Frühjahr für das
Jahr 2021 ein kräftiger, zusätzlich durch ein Kon-         Die niedrigste Prognose wurde von der OECD ab-
junkturpaket in Höhe von 100 Mrd. Euro stimulierter        gegeben, die für das Jahr 2021 für Deutschland ein
Aufholprozess prognostiziert. Die Wachstumsrate            Wirtschaftswachstum in Höhe von 2,8 % erwartet.
wird bei rund 7 % gesehen.                                 Diese skeptische Einschätzung der OECD ist aller-
                                                           dings im Kontext der ebenfalls recht pessimistischen
Die Nummer drei der Eurozone – nämlich Italien –           Prognose der OECD für die Weltwirtschaft zu se-
gehört zu den Staaten, in denen die Wirtschaft durch       hen. Auch die Prognose des Sachverständigenrats

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020                                                                9
SCHWERPUNKTTHEMEN

zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent-         tet ein Wirtschaftswachstum für Deutschland im Jahr
wicklung – „Es ist zu erwarten, dass sich die Erho-      2021 in Höhe von 4,0 %.
lung mit einem Wachstum von 3,7 % im kommen-
den Jahr verlangsamt fortsetzen wird.“ – fällt eher      Und wie sehen die Prognosen für Hessen aus?
zurückhaltend aus. Am optimistischsten blickt die
Helaba in die Zukunft. Die Helaba prognostiziert für     Aufgrund der intensiven nationalen wie internationa-
2021 ein Wachstum von 5,0 % und ist zuversichtlich,      len Verflechtungen der hessischen Wirtschaft ste-
dass das Niveau von vor der Krise bereits im nächs-      cken die vorgestellten Prognosen auch die grobe
ten Herbst wieder erreicht wird.                         Bandbreite für die Konjunkturerwartungen in Hes-
                                                         sen ab, obgleich es naturgemäß besondere Charak-
Sozusagen die „offizielle“ Prognose für Deutschland      teristika der hessischen Wirtschaft zu berücksichti-
stellt die Herbstprojektion der Bundesregierung dar.     gen gilt. In der aktuellen Lage ist hierbei vor allem
Die Bundesregierung geht nicht zuletzt mit Blick auf     an den Luftverkehr (Fluggesellschaften und Flugha-
die Entwicklung der Frühindikatoren davon aus,           fen Frankfurt) sozusagen auf der Sollseite und an
dass der Aufholprozess trotz des wieder verstärkten      die Chemische und Pharmazeutische Industrie auf
Infektionsgeschehens zwar anhalten, sich dessen          der Habenseite zu denken. Die letzte Angabe zum
Dynamik jedoch in engen Grenzen halten werde. Vor        Wirtschaftswachstum in Hessen bezieht sich auf
dem Hintergrund des insgesamt sehr volatilen Um-         das 1. Halbjahr 2020, für das ein Rückgang des BIP
felds rechnet die Bundesregierung für das Jahr 2021      um 6,1 % ausgewiesen wurde – etwas weniger als
mit einem Anstieg des BIP um 4,4 % gegenüber             für Deutschland (-6,6 %). Wenngleich es sich um
dem Vorjahr, betont jedoch, eine weitere Beschleu-       vorläufige Berechnungen handelt – für etliche Bran-
nigung beim Infektionsgeschehen wäre ein „ernst zu       chen liegen noch keine länderspezifischen Daten
nehmendes Risiko für den Erholungsprozess“. Eine         vor, sodass in diesen Fällen die Entwicklung der
Rückkehr zum Niveau vor der Corona-Krise wird von        Wertschöpfung auf der Basis der Deutschlanddaten
der Bundesregierung frühestens für den Jahres-           geschätzt werden muss – verdeutlichen diese Wer-
wechsel 2021 / 2022 gesehen.                             te das Ausmaß des Wirtschaftseinbruchs auch in
                                                         Hessen.
Die Prognose des Deutschen Industrie- und Han-
delskammertags (DIHK) unterscheidet sich insofern        Für Hessen insgesamt liegt nur eine Einschätzung
von den anderen in der Übersicht aufgeführten Pro-       zum Wirtschaftswachstum 2020 und 2021 vor – und
gnosen, als sie auf Ergebnissen der regelmäßig           zwar die der Helaba. Die Helaba sieht Hessen 2020
durchgeführten Konjunkturbefragung der Mitglieds-        von der Corona-Krise „besonders schwer getroffen“
unternehmen der Industrie- und Handelskammern            und verweist dabei u.a. auf den massiven Rück-
basiert. Hierbei werden u.a. die Geschäftslage und       gang des Passagieraufkommens am Frankfurter
die Geschäftserwartungen der Unternehmen erho-           Flughafen und das nahezu zum Erliegen gekomme-
ben. Zum Zeitpunkt der Befragung, d.h. noch vor          ne Messegeschäft. Summa summarum geht die
dem Teil-Lockdown, hatte sich die Situation bei vie-     Helaba von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung
len Unternehmen aufgehellt, wenngleich die Ein-          in Hessen 2020 von 6 % aus (Deutschland: -5 %).
schätzungen noch weit von denen zu Jahresbeginn          Entsprechend gilt: „Hessen startet geschwächt in
entfernt lagen. So gab nur rund ein Fünftel der Be-      2021“ – so die Überschrift des Passus zu Hessen im
fragten an, dass die Geschäftstätigkeit bereits wie-     Rahmen des Hauptszenarios der Helaba. Für die
der auf oder über dem Niveau vor der Krise sei. Die      Entwicklung in 2021 selbst ist die Helaba optimisti-
Geschäftserwartungen der Unternehmen bezeich-            scher, denn „der Aufschwung 2021 könnte sich mit
net der DIHK als „gedämpft“, 37 % der Betriebe er-       einem Wachstum von 5 % genauso dynamisch wie
warten frühestens ab dem 2. Halbjahr 2021 eine           in Deutschland zeigen.“
Rückkehr zur normalen Geschäftstätigkeit. Oder –
um es mit dem Titel der DIHK-Konjunkturumfrage           Pessimistischer fällt die Prognose der „Initiative
Herbst 2020 auszudrücken – „Langer Aufholpro-            PERFORM Zukunftsregion FrankfurtRheinMain“ vom
zess für die deutsche Wirtschaft“. Der DIHK erwar-       November aus. Die Gemeinschaftsinitiative der Wirt-

10                                                     HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020
SCHWERPUNKTTHEMEN

schaftskammern rechnet auf Basis der Befragung        Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
ihrer Mitgliedsunternehmen für das Jahr 2021 mit      (IAB) prognostiziert hingegen in seinen regionalen
einem BIP-Wachstum für FrankfurtRheinMain, einer      Arbeitsmarktprognosen vom September, dass 2021
der bedeutendsten Metropolregionen Deutschlands,      die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in
von nur 2,8 %. Dem steht ein erwarteter Rückgang      allen Bundesländern wieder zunehme, nachdem im
um 6,2 % in 2020 gegenüber. Dementsprechend           Jahr 2020 vor allem die Kurzarbeit einen Beschäfti-
fällt das Fazit von PERFORM aus: „Zwar wird sich      gungseinbruch infolge der Pandemie verhindert ha-
die regionale Wirtschaft etwas erholen, das Vorkri-   be. Für Hessen wird ein Beschäftigungsplus von
senniveau jedoch noch nicht wieder erreichen.“        0,8 %, im Bundesdurchschnitt ein Zuwachs um
                                                      0,9 % erwartet. Angesichts der hohen Unsicherheit
Die PERFORM-Initiative gibt nicht nur eine Kon-       bezüglich der weiteren Entwicklung der Pandemie
junkturprognose für die Metropolregion ab, sondern    und ihrer Folgen für den Arbeitsmarkt weist das IAB
auch eine Prognose hinsichtlich der Beschäftigten-    jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei den
entwicklung. Für das Jahr 2021 wird eine Abnahme      angegebenen Prognosen um die Mittelwerte von
der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung      Prognoseintervallen handele – im Falle Hessens
um 0,5 % bzw. um gut 12.000 Personen prognosti-       reicht dieses von -0,1 % bis 1,7 % –, bei denen auch
ziert, nachdem die Hochrechnung für 2020 unge-        die jeweiligen Untergrenzen nicht außer Acht gelas-
achtet der Auswirkungen der Corona-Pandemie           sen werden sollten.
noch ein Beschäftigungsplus in Höhe von 0,6 %
gegenüber dem Vorjahr ergibt. Insgesamt betrach-      Dr. Claus Bauer
tet – so PERFORM – „wird sich daher wenig an
dem insgesamt hohen Beschäftigungsniveau in der
Metropolregion FrankfurtRheinMain ändern.“ Positi-
ve Impulse auf die Beschäftigung gehen vor allem
vom Baugewerbe aus, das jedoch den erwarteten
Stellenabbau insbesondere in der hessischen Indus-
trie nicht vollständig zu kompensieren vermag.

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020                                                         11
SCHWERPUNKTTHEMEN

Monitoring der Energiewende in Hessen

Vorbemerkung                                                                         Hessen Agentur hat den Bericht in enger Abstim-
                                                                                     mung mit dem Auftraggeber, dem Hessischen Minis-
Auch wenn aktuell der Fokus weltweit auf der mög-                                    terium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen,
lichst raschen Bewältigung der Corona-Pandemie                                       sowie dem Hessischen Statistischen Landesamt er-
und ihrer Folgen liegt, bleibt die Abmilderung des                                   stellt. Nachfolgend werden ausgewählte Ergebnisse
Klimawandels als die wahrscheinlich größte Heraus-                                   vorgestellt.
forderung der Menschheit unverändert bestehen.
Die von der Hessischen Landesregierung im Koali-                                     Endenergieverbrauch aus erneuerbaren Energien
tionsvertrag zur laufenden 20. Legislaturperiode ge-                                 höher als im Vorjahr
troffene Vereinbarung einer möglichst einhundert-
prozentigen Energieversorgung aus erneuerbaren                                       Nach Schätzungen des Leipziger Instituts für Ener-
Energien in den Bereichen Strom und Wärme bis                                        gie (IE-Leipzig) lag der Beitrag der erneuerbaren
zum Jahr 2050 hat demnach nichts an ihrer Bedeu-                                     Energien zum Endenergieverbrauch in Hessen im
tung verloren.                                                                       Jahr 2019 bei 22,3 Terawattstunden (TWh). Der
                                                                                     Anstieg gegenüber dem Vorjahr beläuft sich auf 1
Im nunmehr sechsten Monitoringbericht zur Ener-                                      TWh bzw. 4,7 %. Dieser Zuwachs verteilt sich zu
giewende in Hessen1 – vorgelegt Ende November –                                      etwa zwei Dritteln auf Strom (0,64 TWh) und zu ei-
wird auf Basis von Daten und Fakten der aktuelle                                     nem Drittel auf Wärme (0,36 TWh). Der Verbrauch
Stand der Umsetzung der Energiewende in Hessen                                       erneuerbarer Kraftstoffe blieb hingegen nahezu un-
aufgezeigt. Wie in den Vorjahresberichten werden                                     verändert auf dem Vorjahresniveau.
die Entwicklungen in allen wichtigen Handlungsfel-
dern – Energieverbrauch, Energieeffizienz, erneuer-                                  Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostrom-
bare Energien, Wärme und gebäuderelevanter Ener-                                     verbrauch zugenommen
gieverbrauch, Energieerzeugung, Netzausbau, Ver-
kehr und Elektromobilität, Treibhausgasemissionen,                                   Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostrom-
gesamtwirtschaftliche Effekte – dargestellt. Der Be-                                 verbrauch lag unter Berücksichtigung des zuge-
richtszeitraum umfasst bei Verfügbarkeit der ent-                                    schätzten Photovoltaik-Selbstverbrauchs bei 24,9 %.
sprechenden Daten den Zeitraum von 2000 bis                                          Damit konnte die im Koalitionsvertrag zur 19. Legis-
2019 und zum Teil bis zum 1. Halbjahr 2020. Die                                      laturperiode angestrebte Verdopplung des Anteils-

                   Entwicklung des Endenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien für Strom,
in TWh                       Wärme und Kraftstoffe 2003 bis 2019* (in Terawattstunden)
 25                                                                                                                                       21,3       22,3
                                                                                                                  18,4         19,3
 20                                                                                                  17,6                                  2,7        2,7
                                                                           16,5         16,0
                                    14,7         14,9         15,3                                                 2,6          2,6
                                                                                                      2,6
 15                                                                         2,7          2,6
                                     2,9          2,8          2,9                                                                        10,6       11,0
                        8,6                                                                                        9,6          9,4
 10        6,8                                                                                        8,9
                                                               8,1          9,0          8,1
                        1,8          8,6          8,3
           0,7
   5                    5,2                                                                                                                8,0        8,6
           5,0                                                                           5,3          6,1          6,3          7,3
                                     3,2          3,8          4,3          4,8
   0       1,1          1,5
          2003         2005         2010         2011         2012         2013         2014         2015         2016         2017      2018 (v)   2019 (p)
                                   Strom                                   Wärme                                     Kraftstoffe
* Die dargestellten Daten zu erneuerbaren Energien werden nach dem Energiestatistikgesetz   vollständig erst ab dem Jahr 2003 erhoben.
 Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, IE-Leipzig; (v) = vorläufig, 2019 (p) = Prognose

_____________________
1) Vgl. Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (Hrsg., 2020): Energiewende in Hessen – Monitoringbe-
richt 2020, Wiesbaden. Der Bericht steht als Download unter www.wirtschaft.hessen.de und www.hessen-agentur.de zur Verfügung.

12                                                                                HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020
SCHWERPUNKTTHEMEN

                           Anteilsentwicklung erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch
                                                  2000 bis 2019* (in %)
30%
                                                                                                                                                        24,9%
25%                                                                                                                                        22,7%
                                                                                                                              19,5%
20%                                                                                                 16,4%        16,9%
                                                                                           14,2%
15%                                                                          12,5%
                                                               11,1%
                                                   9,8%
10%                                  7,9%
                        3,8%
 5%        2,2%
 0%
           2000         2005         2010          2011         2012         2013          2014      2015         2016         2017       2018 (v)     2019 (p)
* Seit 2018 wird der Wert einschließlich des zugeschätzten Photovoltaik-Selbstverbrauchs ausgewiesen. Ohne diese Zuschätzung liegt der Anteil 2018 bei 22,0% und
2019 bei 24,2%.
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, IE-Leipzig; (v) = vorläufig, (p) = Prognose.

wertes von 12,5 % im Jahr 2013 auf 25 % im Jahr                                        auf einen höheren Zubau im Jahr 2020 hin.
2019 erreicht werden.
                                                                                       Regionale Verteilung der erneuerbaren Energie-
Zubau erneuerbarer Energieanlagen zur Strom-                                           anlagen: Vogelsbergkreis vorn
erzeugung: Flaute bei Windenergie, Boom bei
Photovoltaik                                                                           Obwohl sich erneuerbare Energieanlagen dezentral
                                                                                       in ganz Hessen verteilen, sind dennoch regionale
Im Jahr 2019 überstieg die Stromerzeugung von er-                                      Schwerpunkte erkennbar. Dies veranschaulicht die
neuerbaren Energieanlagen erstmals die Stromer-                                        umseitige Karte der eingespeisten Strommenge von
zeugung von konventionellen Energieanlagen. Einen                                      EEG-geförderten Anlagen nach Landkreisen und
wesentlichen Beitrag dazu leisteten die hessischen                                     kreisfreien Städten in Hessen im Jahr 2019. Die
Windenergieanlagen, die mit 4.462 GWh deutlich                                         Schwerpunkte resultieren daraus, dass aufgrund un-
mehr Strom erzeugten als im Vorjahr (+628 GWh                                          terschiedlicher Windhöffigkeiten, Siedlungsstruktu-
bzw. +16,4 %). Ursächlich dafür war ein guter Wind-                                    ren und naturräumlicher Ausstattung nicht alle Teil-
ertrag im Jahr 2019 sowie der ganzjährige Betrieb                                      räume in gleicher Weise für den Ausbau der Wind-
der im Jahr 2018 zugebauten 76 Anlagen. Hinge-                                         energie geeignet sind.
gen war beim Zubau im Jahr 2019 ein regelrechter
Einbruch zu beobachten, lediglich vier Anlagen mit                                     Mit 1.092 GWh wurde knapp ein Siebtel des in Hes-
einer Leistung von 13,8 Megawatt (MW) gingen neu                                       sen durch erneuerbare Energieanlagen eingespeis-
in Betrieb. Zum Vergleich: Die Zubauraten der Vor-                                     ten Stroms im Vogelsbergkreis erzeugt, und zwar
jahre liegen zwischen 230 und 300 MW. Der Flaute                                       vor allem durch die dort verorteten 265 Windener-
bei der Windenergie steht ein regelrechter Boom                                        gieanlagen. Der Vogelsbergkreis erzeugt damit ein
bei Photovoltaikanlagen gegenüber. Mit einem Zu-                                       Vielfaches des eigenen Strombedarfs der privaten
bau von 147 MW wurden die entsprechenden Wer-                                          Haushalte. Zudem zeichnen sich folgende Land-
te der Vorjahre (2018: 114 MW, 2017: 74 MW) mit                                        kreise (LK) durch eine überdurchschnittlich hohe er-
Abstand übertroffen.                                                                   neuerbare Stromerzeugung aus: der Main-Kinzig-
                                                                                       Kreis mit 723 GWh, der LK Waldeck-Frankenberg
Insgesamt verzeichneten die erneuerbaren Energie-                                      mit 688 GWh, der LK Kassel mit 650 GWh, der LK
anlagen in Hessen im Jahr 2019 einen Leistungs-                                        Marburg-Biedenkopf mit 612 GWh, der Lahn-Dill-
zuwachs in Höhe von 172 MW. Dieser bleibt deut-                                        Kreis mit 429 GWh sowie der Schwalm-Eder-Kreis
lich hinter dem Leistungszuwachs des Vorjahres                                         mit 419 GWh.2
(+348 MW) zurück. Der für das 1. Halbjahr 2020 vor-
liegende Wert in Höhe von 168 MW deutet wieder
_____________________
2) Unter https://wirtschaft.hessen.de/energie/daten-fakten/energiemonitoring sind interaktive Karten abrufbar, in denen Informationen
auf Kreis- und Gemeindeebene zur installierten Leistung und erzeugten Strommenge – differenziert nach Energieträgern – benutzer-
freundlich aufbereitet zur Verfügung stehen.

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 3. QUARTAL • 2020                                                                                                                     13
SCHWERPUNKTTHEMEN

Erzeugte und eingespeiste Strommenge von nach EEG geförderten erneuerbaren Energieanlagen in
den hessischen Landkreisen und kreisfreien Städten im Jahr 2019 nach Energieträgern (in GWh)

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SCHWERPUNKTTHEMEN

Endenergieproduktivität weiter zugenommen                             brauchs) wurden im Jahr 2019 fast 13 PJ bzw. 4,6 %
                                                                      mehr für Wärme verbraucht als im milderen Vorjahr.
Das IE-Leipzig schätzt für Hessen für 2019 einen                      Speziell der gebäuderelevante Endenergiever-
Endenergieverbrauch in Höhe von 805,9 Petajoule                       brauch, auf den im Jahr 2019 insgesamt 244 PJ
(PJ). Das sind 11,7 PJ bzw. 1,5 % mehr als im Vor-                    entfielen, ist noch stärker – nämlich um 5,5 % – ge-
jahr. Als treibende Faktoren sind die im Vergleich                    genüber dem Vorjahr gestiegen. Der größte Teil
zum Vorjahr kühlere Witterung, ein leichter Anstieg                   (188 PJ) des gebäuderelevanten Endenergiever-
der Bevölkerung in Hessen um 21.200 Einwohner                         brauchs wird für die Bereitstellung von Raumwärme
sowie ein Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts                    eingesetzt. Der Energieverbrauch privater Haushal-
um 1,1 % zu nennen.                                                   te für die Warmwasserbereitung liegt bei knapp 29
                                                                      PJ. Insgesamt betrachtet entfallen 65 % des ge-
Mit Ausnahme des Industriesektors hat der End-                        samten gebäuderelevanten Energieverbrauchs auf
energieverbrauch im Jahr 2019 in allen anderen                        private Haushalte, 31 % auf den Sektor „Gewerbe,
Verbrauchssektoren zugenommen. Der rückläufige                        Handel, Dienstleistungen und übrige Verbraucher“
Energieverbrauch in der Industrie (-2,1 %) geht ein-                  sowie 4 % auf den Industriesektor.
her mit dem konjunkturell bedingten Rückgang der
Bruttowertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes                       Verkehrssektor: Endenergieverbrauch gestiegen,
von real 2,7 %. Ursächlich für den höheren Energie-                   Zunahme bei Elektro-PKW ausgesprochen dy-
verbrauch der privaten Haushalte (+4,9 %) und des                     namisch
Sektors „Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und üb-
rige Verbraucher“ (+3,9 %) ist die im Vergleich zum                   Der Endenergieverbrauch des Verkehrssektors be-
Vorjahr kühlere Witterung und ein damit einherge-                     ziffert sich für das Jahr 2019 auf 396,4 PJ und er-
hender höherer Heizbedarf.                                            höhte sich im Vergleich zum Vorjahr um 1,2 PJ bzw.
                                                                      0,3 %. Fast die Hälfte (49,2 %) des gesamten End-
Der temperaturbereinigte, d.h. der um Witterungsef-                   energieverbrauchs in Hessen entfällt auf den Ver-
fekte bereinigte Endenergieverbrauch blieb hinge-                     kehrssektor. Diese im Vergleich zu Deutschland (An-
gen nahezu unverändert (-0,1 %) auf Vorjahresni-                      teil rund 30 %) weit überdurchschnittlich hohe Be-
veau, was sich positiv auf die Entwicklung der ge-                    deutung des Verkehrs ist auf den Flugkraftstoffver-
samtwirtschaftlichen Endenergieproduktivität3 aus-                    brauch des Flughafens Frankfurt am Main zurück-
wirkte. Diese wird als Quotient aus realem Brutto-                    zuführen.4 Wie bereits im Vorjahr wurden in Hessen
inlandsprodukt und temperaturbereinigtem End-                         im Jahr 2019 insgesamt 200 PJ an Endenergie für
energieverbrauch gebildet. Seit dem Jahr 2000 hat                     den Luftverkehr verbraucht. Dies entspricht rund ei-
sich die Endenergieproduktivität um 23 % erhöht.                      nem Viertel des gesamten hessischen EEV. Auf den
Über den Gesamtzeitraum von 2000 bis 2019 ergibt                      Straßenverkehr entfallen weitere 190 PJ.
sich daraus eine durchschnittliche jährliche Wachs-
tumsrate der Endenergieproduktivität in Höhe von                      Apropos Straßenverkehr: Der Bestand an reinen
1,1 %. Somit fiel der Anstieg der Endenergieproduk-                   Elektro-PKW lag zum Jahresbeginn 2020 bei 10.670
tivität im Jahr 2019 mit 1,4 % höher als im langfris-                 und an Hybridfahrzeugen bei 48.245. Damit hat sich
tigen Mittel aus.                                                     bei beiden Antriebsarten die bereits im Vorjahr zu
                                                                      beobachtende hohe Wachstumsdynamik weiter be-
Endenergieverbrauch für Wärme höher als im                            schleunigt. Bei reinen Elektro-PKW nahm der Be-
Vorjahr                                                               stand um 4.052 Fahrzeuge bzw. um 61,2 % zu, die
                                                                      Zahl der Hybrid-PKW stieg um 18.899 bzw. 64,4 %.
Mit einem Endenergieverbrauch für Wärme in Höhe                       Ebenfalls deutlich erhöht hat sich die Zahl der öffent-
von 293 PJ (36,4 % des gesamten Endenergiever-                        lich zugänglichen Ladepunkte für Elektrofahrzeuge
_____________________
3) Die Temperaturbereinigung dient der Eliminierung von Witterungseinflüssen, da ansonsten z.B. in einem besonders milden Winter
ausschließlich witterungsbedingte rückläufige Energieverbräuche als Effizienzsteigerungen interpretiert werden könnten und umgekehrt
bei kälterer Witterung Effizienzverluste konstatiert werden müssten.
4) In den Energiebilanzen der Länder wird der am jeweiligen Flughafen getankte Flugturbinenkraftstoff erfasst (Standortprinzip). Im Un-
terschied zum Territorialprinzip, das Flugverkehrsleistungen nur bis zur Landesgrenze berücksichtigt, wird beim Standortprinzip der
Energieverbrauch bis zum ersten Zielflughafen dem Startflughafen im Inland zugeordnet.

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