25 Jahre Zur Rose - Geschäftsbericht 2017 | Zur Rose Group AG

 
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25 Jahre
Zur Rose
25 Jahre Zur Rose - Geschäftsbericht 2017 | Zur Rose Group AG
Kurzbericht
   2017
25 Jahre Zur Rose - Geschäftsbericht 2017 | Zur Rose Group AG
BERICHT
                                                Highlights und Lowlights            8
                                                Profil                             10
                                                Kennzahlen                         12
                                                Brief an die Aktionäre             14
                                                Interview mit der Gruppenleitung   22
                                                Verwaltungsrat                     34
                                                Gruppenleitung                     38
Dieser Kurzbericht gibt einen Überblick über
den Geschäftsverlauf und die Kennzahlen des     25 JAHRE ZUR ROSE                  43
Geschäftsjahrs 2017. Im ausführlichen Online-   Editorial                          46
                                                Woher wir kommen                   51
Geschäftsbericht unter gb.zurrosegroup.com
                                                Wohin wir gehen                    93
finden Sie zusätzliche Themen rund um die
Zur Rose-Gruppe.                                Kontakt, Impressum                 124
25 Jahre Zur Rose - Geschäftsbericht 2017 | Zur Rose Group AG
BERICHT | HIGHLIGHTS UND LOWLIGHTS                                                      HIGHLIGHTS UND LOWLIGHTS | BERICHT

Eröffnung erste                                                Weiterer Ausbau der europäischen Marktführerschaft

Shop-in-Shop-Apotheke                                          Akquisitionen
in der Schweiz                                                 Eurapon und Vitalsana

                                                               215Mio.
Wachstumsstrategie
                                         Neuausrichtung        Erfolgreicher Börsengang mit netto

11.8%                                    Standort Halle
                                         mit Wermutstropfen:
                                         Wegfall von
Umsatzplus                               40 Arbeitsplätzen     Mittelzufluss

                                         38.7%                 Verbotsdis-
                                                                                                    6.5%
Ein Jahr nach EuGH-Urteil

Double
Digit Growth                                                   kussion um
Rx in                                    Umsatzwachstum        Rx-Versand                           Umsatzwachstum
                                                                                                    im Ärztegeschäft in
Deutschland                              OTC in Deutschland    geht weiter                          der Schweiz

    Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   8                                                     9
25 Jahre Zur Rose - Geschäftsbericht 2017 | Zur Rose Group AG
BERICHT | PROFIL                                                                       PROFIL | BERICHT

Profil                                               schäftigt an den verschiedenen Standorten über
                                                     1 000 Mitarbeitende und erwirtschaftete im Ge-
                                                     schäftsjahr 2017 einen Umsatz von CHF 983 Mio.
                                                     Franken. Die Aktien der Zur Rose Group AG
    Die Schweizer Zur Rose-Gruppe ist mit            sind an der SIX Swiss Exchange kotiert (Valor
ihren Marken Zur Rose und DocMorris Europas          4261528, ISIN CH0042615283, Ticker ROSE).
grösste Versandapotheke und eine der führen-
den Ärztegrossistinnen in der Schweiz. Mit ihrem
Geschäftsmodell trägt sie zu einer sicheren und
qualitativ hochwertigen pharmazeutischen Ver-
sorgung bei. Sie zeichnet sich zudem aus durch die
Entwicklung von innovativen Dienstleistungen im
Bereich Arzneimittelmanagement, um die Wirk-
samkeit des Medikationsprozesses zu erhöhen.
Dieses Schaffen von Mehrwerten, die ausgeprägte
Patientenorientierung sowie der Anspruch einer
kostengünstigen Medikamentenversorgung ma-
chen die Unternehmensgruppe zu einer wichtigen
strategischen Partnerin für Leistungserbringer,
Kostenträger und Industrie.

     Der operative Sitz der Zur Rose-Gruppe be-
findet sich in Frauenfeld, von wo aus auch der
Schweizer Markt bedient wird. Die Kunden in
Deutschland und Österreich werden hauptsäch-
lich von Heerlen (NL) aus beliefert. Im Weiteren
hält die Gruppe eine Mehrheitsbeteiligung an
BlueCare in Winterthur, dem marktführenden
Anbieter von vernetzenden Systemen im Schwei-
zer Gesundheitswesen. Die Zur Rose-Gruppe be-

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   10                                   11
25 Jahre Zur Rose - Geschäftsbericht 2017 | Zur Rose Group AG
BERICHT | KENNZAHLEN                                            KENNZAHLEN | BERICHT

KENNZAHLEN                                 2017            2016               2015
                                          Mio. CHF        Mio. CHF          Mio. CHF

Umsatz                                    982.9            879.5             834.4
Umsatzwachstum in % zum Vorjahr             11.8             5.4              − 8.9
Bruttomarge in % des Umsatzes               14.9            15.0               15.1
Betriebsergebnis vor Abschreibungen
und Amortisationen (EBITDA)
um Sonderkosten 2017 bereinigt             − 6.0              2.1              15.8
in % des Umsatzes                          − 0.6              0.2               1.9
EBITDA                                    − 21.2              2.1              15.8
Betriebsergebnis (EBIT)
um Sonderkosten 2017 bereinigt            − 18.1             − 7.1              8.4
in % des Umsatzes                           − 1.8           − 0.8               1.0
EBIT                                      − 38.3             − 7.1              8.4
Unternehmensergebnis
um Sonderkosten 2017 bereinigt            − 16.3           − 12.8               3.4
in % des Umsatzes                           − 1.7           − 1.5               0.4
Unternehmensergebnis                      − 36.3           − 12.8               3.4
Eigenkapital                              294.2            103.8              72.8
in % der Bilanzsumme                       64.4             39.7              31.2
Investitionen                               22.0            21.2               15.5
Personalbestand in Vollzeitstellen
per Jahresende                             1 106             752               716

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   12              13
25 Jahre Zur Rose - Geschäftsbericht 2017 | Zur Rose Group AG
BERICHT | BRIEF AN DIE AKTIONÄRE                                          BRIEF AN DIE AKTIONÄRE | BERICHT

Liebe Aktionärinnen,                                    Investitionen in den Markt zahlen sich
                                                   aus — Die für das forcierte Wachstum breit
liebe Aktionäre                                    angelegte Marketingkampagne in Deutschland
                                                   zur Gewinnung von Neukunden setzte die Zur
Die Ende 2016 eingeleitete Wachstumsstrate-        Rose-Gruppe 2017 erfolgreich fort. Der konsoli-
gie der Zur Rose-Gruppe trägt Früchte. Im          dierte Umsatz stieg gegenüber dem Vorjahr um
Geschäftsjahr 2017 erhöhten wir als führende       11.8 Prozent auf CHF 982.9 Mio. Die erzielte
Versandapotheke Europas den Umsatz zwei-           Wachstumsdynamik bestätigt die Wirksamkeit
stellig auf CHF 982.9 Mio. Das dynamische          des Marketingaufwands zulasten der kurzfristi-
Wachstum ist das Resultat der Marketingoffen-      gen Ergebnisentwicklung. Das Ergebnis wurde
sive in Deutschland und einer erfreulichen         durch weitere zukunftsgerichtete Aufwendungen
Geschäftsentwicklung in der Schweiz. Für 2018      und einmalige Kosten im Zusammenhang mit
erwarten wir ein weiter forciertes Wachstum        dem Börsengang plangemäss mit rund CHF 15
von über 20 Prozent in Lokalwährung.               Mio. belastet. Das ausgewiesene Betriebsergeb-
                                                   nis (EBITDA) liegt bei minus CHF 21.2 Mio. und
     Das Geschäftsjahr 2017 stellte für die Zur    das Unternehmensergebnis bei minus CHF 36.3
Rose-Gruppe einen Meilenstein in der 25-jähri-     Mio. Bereinigt um die vorgenannten Sonderauf-
gen Geschichte des Unternehmens dar. Mit der       wendungen würde sich das EBITDA auf minus
Mittelaufnahme im Rahmen des IPO und der           CHF 6 Mio. belaufen.
Kotierung an der SIX Swiss Exchange hat die
Gesellschaft die Kapitalbasis für die Umsetzung         Kooperationen und Innovationen beflü-
einer dynamischen Wachstumsstrategie geschaf-      geln Schweizer Geschäft — 2017 gelang es Zur
fen. Aus dem Erlös des IPO von netto CHF 215       Rose, ihre starke Marktposition durch die Wei-
Mio. konnten die definierten Wachstumsinitia-      terentwicklung von innovativen Dienstleistungen
tiven vorangetrieben und die Unternehmensan-       und Kooperationen mit Migros, Medbase und
leihe von CHF 50 Mio. zurückbezahlt werden. Mit    Krankenversicherern zu stärken. Mit einem Um-
einer Eigenkapitalquote von 64.4 Prozent ist die   satzplus von 6.3 Prozent auf CHF 500 Mio. wuchs
Gesellschaft solide finanziert und verfügt darü-   Zur Rose in der Schweiz deutlich über dem Markt-
ber hinaus über ein stabiles Ankeraktionariat.     durchschnitt. Durch die 2017 lancierte Koope-
                                                   ration mit Medbase, dem schweizweit grössten

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   14                                  15
25 Jahre Zur Rose - Geschäftsbericht 2017 | Zur Rose Group AG
BERICHT | BRIEF AN DIE AKTIONÄRE                                             BRIEF AN DIE AKTIONÄRE | BERICHT

Dienstleister in der ambulanten medizinischen       Umsatz des Segments Deutschland um 18.1 Pro-
Grundversorgung, beliefert Zur Rose sämtliche       zent auf CHF 483.2 Mio. Mit einem Umsatzplus
Medbase-Zentren exklusiv mit Arzneimitteln. Das     von 38.7 Prozent im Versand rezeptfreier Arznei-
Retailgeschäft ist erstmals nach dem Bundes-        mittel wuchs DocMorris in Lokalwährung erneut
gerichtsurteil von 2015 zur Einschränkung des       deutlich stärker als der Gesamtmarkt und gehört
Versands rezeptfreier Arzneimittel (OTC) wieder     damit auch im OTC-Bereich zu den führenden
gewachsen. Die Neuausrichtung des Specialty-        Versandapotheken Deutschlands. Das Geschäft
Care-Bereichs trug ebenso dazu bei wie die bei-     mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln (Rx) nahm
den neuen stationären Apotheken in Bern. Der        in Lokalwährung um 10.2 Prozent zu.
erfolgreiche Start des Shop-in-Shop-Konzepts im
Rahmen der Zusammenarbeit mit der Migros                 Synergieeffekte durch Bündelung der Ver-
veranlasst das Unternehmen, 2018 zwei weitere       sandaktivitäten — 2018 wird die Zur Rose-
In-Store-Apotheken in den Migros-Filialen im        Gruppe die Integration der Ende 2017 akquirierten
Claramarkt Basel und am Limmatplatz Zürich zu       Unternehmen Eurapon und Vitalsana vollziehen.
eröffnen. Zur Rose verbindet ihre stationäre Prä-   Der für die Gruppe nachhaltig relevante Umsatz
senz mit dem E-Commerce-Geschäft im Rahmen          der beiden Gesellschaften hätte 2017 EUR 85 Mio.
einer Omni-Channel-Strategie und ermöglicht         betragen. Mit den ab Mitte 2018 in Heerlen ab-
ihren Kunden damit den kanalübergreifenden          gewickelten Versandvolumen, die aus der Neuaus-
Bezug von Medikamenten vor allem in Kantonen        richtung des Standorts Halle hervorgehen, und
ohne ärztliche Selbstdispensation zu denselben      der Integration von Vitalsana werden nachhaltige
Vorzugskonditionen wie über den Versandkanal.       Synergieeffekte erzielt. Mittelfristig soll auch das
                                                    Versandgeschäft von Eurapon in Heerlen abgewi-
    Stärkung der Marktführerschaft in Deutsch-      ckelt werden.
land — Auch in Deutschland gelang es der Zur
Rose-Gruppe, ihre führende Marktstellung im              Nachwirkungen des EuGH-Urteils — Der
Jahr 2017 weiter auszubauen. Durch die verstärk-    Koalitionsvertrag zwischen den Parteien CDU /
ten Marketingaktivitäten von DocMorris, die sich    CSU und SPD beinhaltet eine Passage zur Umset-
sowohl an chronisch erkrankte Patienten mit         zung eines Verbots des Versandhandels mit ver-
einem regelmässigen Bedarf an Medikamenten als      schreibungspflichtigen Arzneimitteln. Dort heisst
auch an OTC-Kunden richten, erhöhte sich der        es: «Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   16                                     17
25 Jahre Zur Rose - Geschäftsbericht 2017 | Zur Rose Group AG
BERICHT | BRIEF AN DIE AKTIONÄRE                                                BRIEF AN DIE AKTIONÄRE | BERICHT

wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit        Konsolidierung des OTC-Versandmarktes über ge-
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein.»        eignete Akquisitionen. Gestützt auf ein weiterhin
Verbotsvorhaben wurden bereits 2008 und 2012         zweistelliges organisches Wachstum erwarten wir
aus verfassungsrechtlichen Gründen von der Poli-     für 2018 ein Umsatzwachstum von über 20 Prozent
tik abgelehnt. Die sowohl europa- als auch verfas-   in Lokalwährung und streben einen Break-even
sungsrechtlichen Argumente gegen ein Verbot          auf um Sonderkosten bereinigter EBITDA-Stufe
wurden durch das Urteil des Europäischen             an. Dabei wird die Wahrnehmung mittelfristig
Gerichtshofs 2016 deutlich gestärkt. Ein aktuelles   profitabler Wachstumschancen der kurzfristigen
Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums          Ergebnisverbesserung vorgezogen.
für Wirtschaft und Energie kam zudem zum
Schluss, dass ein Verbot des Versandhandels vor          Wir freuen uns, diese Herausforderungen
dem Hintergrund der flächendeckenden Versor-         mit der tatkräftigen Unterstützung unserer moti-
gung nicht zu rechtfertigen sei. Die Zur Rose-       vierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzu-
Gruppe beobachtet und analysiert daher alle          gehen, denen wir im Jahr 2017 aufgrund ihres
Entwicklungen und wird gegebenenfalls im Inte-       unermüdlichen Einsatzes und ihrer hohen Kom-
resse der Patientinnen und Patienten sowohl in       petenz viel zu verdanken haben. Ein besonderes
Deutschland als auch auf europäischer Ebene alle     Dankeschön gebührt auch unseren Kundinnen
notwendigen juristischen und operativen Schritte     und Kunden für ihr Vertrauen sowie Ihnen, liebe
gegen ein allfälliges Verbot unternehmen.            Aktionärinnen und Aktionäre, für Ihre Treue.

    Ausblick und Dank — Die Zur Rose-Gruppe
beabsichtigt, den eingeschlagenen Wachstums-
kurs fortzusetzen und die langfristigen Markt-
entwicklungen mit einer immer älter werdenden
Gesellschaft, dem stetig steigenden Kostendruck
im Gesundheitswesen und der im Vergleich zur
Konsumgüterindustrie zurückgebliebenen On-
                                                     Prof. Stefan Feuerstein        Walter Oberhänsli
line-Durchdringung auch in den kommenden             Präsident                      Delegierter
Jahren für ihr Geschäftsmodell konsequent zu         des Verwaltungsrats            des Verwaltungsrats
nutzen. Dazu gehört auch eine aktive Rolle in der                                   und CEO

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   18                                        19
25 Jahre Zur Rose - Geschäftsbericht 2017 | Zur Rose Group AG
BERICHT | HIGHLIGHTS UND LOWLIGHTS                                       BRIEF AN DIE AKTIONÄRE | BERICHT

                                          STEFAN FEUERSTEIN ( links )
                                          UND WALTER OBERHÄNSLI.

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   20                                 21
BERICHT | HIGHLIGHTS UND LOWLIGHTS                              INTERVIEW MIT DER GRUPPENLEITUNG | BERICHT

                                          Der Börsengang hat
                                          der Zur Rose-Gruppe
                                          bedeutende Mittel
                                          für weiteres Wachstum
                                          eingebracht. In Deutsch-
                                          land sind mit forcierten
                                          Marketingaktivitäten
                                          und Akquisitionen
                                          sogleich starke Zeichen
                                          gesetzt worden. In der
                                          Schweiz sorgt die Versand-
                                          apotheke mit Shops
                                          für besondere Aufmerk-
                                          samkeit.
                                          —
                                          Moderation: Medard Meier

                                          Die Gruppenleitung im Gespräch ( von links im Uhrzeigersinn ) :
                                          WALTER HESS (HEAD SWITZERLAND),
                                          WALTER OBERHÄNSLI (CHIEF EXECUTIVE OFFICER),
                                          MARCEL ZIWICA (CHIEF FINANCIAL OFFICER),
                                          OLAF HEINRICH (HEAD GERMANY).

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   22                                      23
BERICHT | INTERVIEW MIT DER GRUPPENLEITUNG                            INTERVIEW MIT DER GRUPPENLEITUNG | BERICHT

Das Geschäftsjahr 2017 war für die Zur Rose-         E-Health. 50 Millionen dienten der Rückzahlung
Gruppe sehr ereignisreich. Was war für Sie           der Anleihe, womit wir uns gleichzeitig neues
das persönliche Highlight?                           Finanzierungspotenzial geschaffen haben. Erge-
                                                     ben sich Opportunitäten, können wir nun schnell
Walter Oberhänsli — Die Frage ist einfach zu         reagieren und Chancen sofort wahrnehmen.
beantworten: der Börsengang. Wir beschäftigten
uns schon längere Zeit damit. Nachdem sich der
Europäische Gerichtshof im Oktober 2016 gegen        «Wir sind erfreut, dass wir die hohen
eine Wettbewerbsbenachteiligung ausländischer        Ziele nicht nur erfüllen, sondern
Anbieter entschieden hatte, begannen wir mit         teilweise sogar übertreffen konnten.»
den Vorbereitungen. Das Zeitfenster an der Börse     – Walter Oberhänsli –
war günstig. Zur Freude aller ist der Börsengang
bestens gelungen.
                                                     Herr Heinrich, wie prägt das IPO das Deutsch-
Marcel Ziwica — Für den Finanzchef ist ein IPO       land-Geschäft?
etwas vom Grössten, das man in seiner Karriere
machen kann. Darum war der Börsengang ein            Olaf Heinrich — Das IPO ermöglicht uns, die
absolutes Highlight. Das Bilanzbild veränderte       Wachstumsstrategie umzusetzen, wie wir sie uns
sich auf einen Schlag positiv. Die Zur Rose-Gruppe   vorgenommen haben. Für mich war das High-
ist nun vollständig eigenfinanziert.                 light, zu sehen, dass wir ein Jahr nach dem Ur-
                                                     teil des Europäischen Gerichtshofs bei verschrei-
Wie viele Mittel standen Ihnen neu zur Ver-          bungspflichtigen Medikamenten wieder auf den
fügung?                                              Wachstumspfad zurückkehren konnten, den wir
                                                     vor der Regulierung, der das Urteil zugrunde lag,
Ziwica — Netto waren es 215 Millionen Franken,       beschritten hatten. Das zeigt, dass wir die über
die wir entsprechend unseren angekündigten           die Börse eingenommenen Mittel am Markt auch
Plänen im Rahmen der Wachstumsstrategie ein-         gut und richtig einsetzen.
setzen: für organisches Wachstum in Deutsch-
land, für Akquisitionen, wovon zwei inzwischen       Herr Hess, wie erlebten Sie als Segmentchef
getätigt sind, für Internationalisierung und für     Schweiz das ereignisreiche IPO-Jahr?

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   24                                         25
BERICHT | INTERVIEW MIT DER GRUPPENLEITUNG                        INTERVIEW MIT DER GRUPPENLEITUNG | BERICHT

Walter Hess — Das Geschäftsjahr war insbeson-        über 30 Prozent, bei den verschreibungspflichti-
dere durch den Aufbau von Kooperationen mit          gen Medikamenten immerhin im niedrigen zwei-
der Migros, Medbase und Krankenversicherern,         stelligen Bereich.
aber natürlich auch durch das IPO geprägt. Der
Börsengang hat uns zusätzliche Bekanntheit ge-       Das Ergebnis der Gruppe ist zwar wie ange-
bracht und unser Geschäft beflügelt.                 kündigt rot. Hätten Sie das Resultat näher bei
                                                     null erwartet?
Wie entwickelte sich das Geschäft?
                                                     Ziwica — Nein, wir haben absolut im Rahmen
Oberhänsli — Wir verfolgen seit 2016 eine ehr-       der Erwartungen abgeschlossen. Wir investierten
geizige Wachstumsstrategie und sind erfreut,         bewusst in die Märkte. Das schlägt sich im Mar-
dass wir die hohen Ziele nicht nur erfüllen, son-    ketingaufwand nieder und entsprechend im Er-
dern teilweise sogar übertreffen konnten. Das        gebnis. Die Investitionen in den Markt sind um-
schafft Zuversicht für das neue Geschäftsjahr,       sichtig gesteuert, um Neukunden zu akquirieren.
denn das Wachstum muss weitergehen.                  Wir erzielen daraus jedoch bereits Deckungsbei-
                                                     träge, die sich sehen lassen können.
Hess — Das Schweizer Segment entwickelte sich
sehr positiv. Im Ärztegeschäft verzeichneten wir     Wann werden Sie in die schwarzen Zahlen hin-
Wachstumsraten, die deutlich über dem Markt          einwachsen?
liegen. Auch mit dem Retailgeschäft sind wir
zufrieden. Die Kooperationen mit den Kran-           Ziwica — Die bestehenden Geschäftsfelder und
kenversicherern trugen ebenso dazu bei wie der       operativen Geschäfte werden auf Stufe EBITDA
Specialty-Care-Bereich mit den teuren Medika-        positive Ergebnisse abwerfen. Aus dem Wahr-
mentationen. Erfreulich sind auch die Beiträge aus   nehmen neuer Opportunitäten, der Integration
den neuen stationären Apotheken.                     der Akquisitionen und möglichen Schritten der
                                                     Internationalisierung kommen abermals Belas-
Heinrich — DocMorris ist so gewachsen, wie wir       tungen auf uns zu, die das Ergebnis auch 2018
uns das zum Ziel gesetzt hatten. Übers Jahr sind     unter null drücken werden.
wir organisch bei plus 19 Prozent gelandet. Beim
OTC-Geschäft liegt die Steigerung bei deutlich

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   26                                     27
BERICHT | INTERVIEW MIT DER GRUPPENLEITUNG                            INTERVIEW MIT DER GRUPPENLEITUNG | BERICHT

Oberhänsli — Unseren Ansatz, über ein verstärk-     Hess — Auf jeden Fall! Wir werden in diesem
tes Marketing zu wachsen, behalten wir weiterhin    Jahr mindestens zwei weitere Shop-in-Shop-Apo-
bei. Wir nehmen damit bewusst rote Zahlen in        theken eröffnen. Die Sichtbarkeit und die Bekannt-
Kauf. Ab einem gewissen Punkt der Marktdurch-       heit von Zur Rose werden dadurch weiter steigen.
dringung werden wir den Marketingaufwand            Letztlich zielen wir auf einen kanalübergreifen-
relativ zum Umsatz reduzieren können, was uns       den Einkauf und damit auf die Erhöhung der
dann in die schwarzen Zahlen führen wird.           Convenience für die Kunden ab. Omni-Channel
                                                    heisst das Schlüsselwort. Und die Erfahrung hat
Wie ist die zu erwartende Marktentwicklung          gezeigt: Es entspricht einem Bedürfnis.
unter dieser Prämisse zu sehen?

Hess — In der Schweiz wird das Wachstum in          «Im Ärztegeschäft verzeichneten
der Arzneimittelversorgung in den kommenden         wir Wachstumsraten, die deutlich
Jahren anhalten. Wir gehen davon aus, dass wir      über dem Markt liegen.»
stärker als der Markt wachsen werden. Im Ärzte-     – Walter Hess –
geschäft wird sich die Konsolidierung fortsetzen,
was uns zugutekommt. Die Bestrebungen des
Regulators, die Kosten im Gesundheitswesen zu       Oberhänsli — Wir leben in einem Markt, in dem
senken, sprechen ebenfalls für unsere Geschäfts-    kein Preiswettbewerb stattfindet, weil die Apo-
modelle. Das Versandgeschäft würde noch viel        thekenketten dem Grosshandel gehören. Einer
mehr Potenzial für Kosteneinsparungen bieten.       Kannibalisierung wirkt man entgegen, indem
Dies wird jedoch von der Politik immer noch stark   man das Niveau der Preise möglichst auf einem
unterschätzt und teilweise regulatorisch gar ver-   Höchststand hält. Unsere Initiative, über den
hindert, wie das OTC-Urteil zeigt.                  stationären Handel das Angebot für den Kon-
                                                    sumenten zu vergrössern, ist ein Erfolg verspre-
Wie entwickelt sich das stationäre Geschäft,        chender Weg, zumal wir mit relevanten Rabatten
in das Sie ebenfalls investieren? Zahlt es sich     operieren – faktisch als einzige in der Schweiz.
bereits aus?                                        Wir sehen in unserer Strategie viel disruptives
                                                    Potenzial, den Schweizer Markt zu verändern.

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   28                                         29
BERICHT | INTERVIEW MIT DER GRUPPENLEITUNG                          INTERVIEW MIT DER GRUPPENLEITUNG | BERICHT

Wie rosig ist der Ausblick in Deutschland?            erstaunt, dass diese Beurteilungen offenbar nicht
                                                      ausreichend gewürdigt wurden und die Intention
Heinrich — Wir sehen nach wie vor ein beträcht-       eines Verbots in den Koalitionsvertrag aufgenom-
liches Wachstumspotenzial in Deutschland. Ein         men wurde. Wir werden daher im Interesse der
grosses Thema ist die absehbare Konsolidierung        Patientinnen und Patienten sowohl in Deutschland
im OTC-Markt, verursacht durch einen verschärf-       als auch auf europäischer Ebene alle notwendi-
ten Wettbewerb. Wir werden eine aktive Rolle          gen juristischen und operativen Schritte unter-
spielen. Bei den verschreibungspflichtigen Arz-       nehmen.
neimitteln gibt es weiterhin eine Diskussion über
ein Versandverbot. Ein aktuelles Gutachten des        Was bedeuten die beiden Akquisitionen Eura-
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie         pon und Vitalsana für Ihr Geschäft?
bestätigt allerdings zweifelsfrei, dass der Europä-
ische Gerichtshof mit seiner Einschätzung zum         Heinrich — Mit den Übernahmen stellten wir
deutschen Apothekenmarkt richtig lag und ein          unsere aktive Rolle in der Bereinigung des Mark-
Verbot des Versandhandels vor dem Hintergrund         tes des Versands rezeptfreier Arzneimittel unter
der flächendeckenden Versorgung nicht zu recht-       Beweis. Dieses Geschäft ist ein zentraler Pfeiler
fertigen ist.                                         unserer Wachstumsstrategie. Eurapon, die sehr un-
                                                      ternehmerisch geführt ist, gewinnt bereits Markt-
                                                      anteile. Auf dieser Strategie können wir aufbauen.
«Mit den Akquisitionen stellten wir                   Mit Vitalsana sicherten wir uns die letzte am Markt
unsere aktive Rolle in der Bereinigung                verfügbare, niederländische Versandapotheke mit
des Marktes unter Beweis.»                            einem relevanten Umsatz und erhöhten somit in
– Olaf Heinrich –                                     den Niederlanden die Markteintrittsbarriere. Die
                                                      Medienkooperation mit dem bisherigen Besitzer
                                                      Ströer, die wir gleichzeitig eingegangen sind, er-
Oberhänsli — Gestützt auf Rechtsgutachten und         möglicht uns eine deutschlandweite Sichtbarkeit
Aussagen mehrerer Bundesministerien und Par-          der Marke DocMorris. Die Entwicklung stimmt
teien bin ich überzeugt, dass ein Rx-Versandverbot    uns sehr zuversichtlich, die weitere Marktkonso-
verfassungswidrig und europarechtlich inkom-          lidierung erfolgreich zu nutzen.
patibel ist. Vor diesem Hintergrund sind wir sehr

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   30                                       31
BERICHT | INTERVIEW MIT DER GRUPPENLEITUNG                                 INTERVIEW MIT DER GRUPPENLEITUNG | BERICHT

Stichwort Wachstum: Welche Haupttrends trei-          spielen werden. DocMorris entwickelt sich daher
ben das Geschäft zudem vorwärts?                      Schritt für Schritt vom Arzneimittelhändler zum
                                                      digitalen Gesundheitsberater.
Oberhänsli — Eine immer älter werdende und
auf Arzneimittel angewiesene Gesellschaft, der        Welches sind die Ziele für 2018?
stetig steigende Kostendruck im Gesundheitswe-
sen sowie zunehmend informierte und sensibili-        Oberhänsli — Wachstum, Wachstum, Wachstum.
sierte Verbraucherinnen und Verbraucher werden
das Wachstumspotenzial unterstützen. Hinzu            Hess — Ausbau unserer profitablen Basis, des Ärz-
kommt, dass die Digitalisierung im Gesundheits-       tegeschäfts, und Wachstum im Retailgeschäft,
sektor signifikant hinter anderen Konsumgüter-        unter anderem durch den Ausbau der Kooperati-
industrien zurückgeblieben ist, was an der deutlich   onen mit den Versicherern, Medbase und Migros.
geringeren Online-Durchdringung des Gesund-
heitsmarktes zu sehen ist.                            Heinrich — Organisches Wachstum, aktive Teil-
                                                      nahme an der Marktbereinigung und Integration
Wie sehen Sie Ihre Chancen in Bezug auf die           der übernommenen Unternehmen.
Digitalisierung?
                                                      Ziwica — Digitalisierung, neue Markteintritte und
Hess — Mit dem weiteren Ausbau unseres digi-          Internationalisierung dürften für Tempo sorgen.
talen Serviceportfolios möchten wir Beiträge zur      Die Herausforderung wird sein, am Ball zu bleiben
Erhöhung der Therapietreue leisten, die Gesund-       und unsere Leaderposition zu behaupten.
heitsversorgung verbessern und die Kostenbe-
lastung für das Gesundheitssystem und die Ver-
sicherten verringern. Der Einsatz von Smart Data
ist dabei ein wichtiger Faktor.

Heinrich — Wir gehen davon aus, dass im deut-         Legende zu nächster Doppelseite Seite 34 – 35 :

schen Gesundheitssystem E-Health Anwendun-            VERWALTUNGSRAT ( von links) : DR. HEINZ O. BAUMGARTNER,
                                                      DR. LUKAS WAGNER, PROF. STEFAN FEUERSTEIN,
gen, Plattformlösungen sowie ein digitales Medi-      WALTER OBERHÄNSLI, VANESSA FREY, DR. THOMAS SCHNEIDER,
kationsmanagement künftig eine zentrale Rolle         PROF. DR. VOLKER AMELUNG.

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   32                                                  33
34   35
BERICHT | VERWALTUNGSRAT                                                                   VERWALTUNGSRAT | BERICHT

Verwaltungsrat                                             Seit 2001 Inhaber der Schwerpunktprofessur für inter-
                                                           nationale Gesundheitssystemforschung an der Medi-
     — Stefan Feuerstein (1955, Deutscher, Prof.),         zinischen Hochschule Hannover. Zuvor Stationen an der
Präsident des Verwaltungsrats                              Hochschule für Wirtschaft und Politik, Hamburg, und
Vorsitzender des Gesellschafterrats der UNIMO-             an der Columbia University, New York. Studium der
Gerstner-Gruppe, Zug /Xanten. Diverse Aufsichts- bzw.      Betriebswirtschaft an den Universitäten St. Gallen sowie
Verwaltungsratsmandate. Bis 2010 Delegierter des           Paris-Dauphine.
Verwaltungsrats der Markant AG, zuvor Mitglied des              — Heinz O. Baumgartner (1963, Schweizer,
Vorstands der METRO AG, zuständig für strategischen        Dr. oec. HSG)
Konzerneinkauf sowie Food und Einzelhandel. Studium        Seit 2008 CEO der Schweiter Technologies AG, Horgen.
der Betriebswirtschaft. Seit 2001 Honorarprofessor         Von 1996 bis 2013 CFO dieser Gesellschaft. Zuvor
der Hochschule Worms.                                      Controller bei Asea Brown Boveri Schweiz. Studium der
     — Walter Oberhänsli (1958, Schweizer, lic. iur.,      Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen.
Rechtsanwalt), Delegierter des Verwaltungsrats, CEO              — Vanessa Frey (1980, Schweizerin, Betriebs-
Von 1996 bis 2011 Präsident des Verwaltungsrats, seit      ökonomin, MSc in Finance)
2005 Delegierter des Verwaltungsrats und Vorsitzender      Seit 2007 CEO und Verwaltungsrätin der Corisol
der Gruppenleitung (CEO). Bis Ende 2004 selbststän-        Holding AG, Zug. Diverse Verwaltungsratsmandate.
diger Rechtsanwalt in Kreuzlingen (TG). Studium der        Von 2004 bis 2006 im Corporate Finance Team der
Rechtswissenschaften an der Universität Zürich.            Handelsbanken Capital Markets in Stockholm, danach
     — Thomas Schneider (1955, Schweizer, Dr. med.),       Asset Managerin in Hongkong. Grundstudium in
Vizepräsident des Verwaltungsrats                          Wirtschaftswissenschaften und Recht an der Univer-
Facharzt FMH für Allgemeinmedizin, seit 1989 tätig als     sität St. Gallen und Master of Science in International
Hausarzt und Allgemeinpraktiker in Praxisgemeinschaft      Economics and Business an der Stockholm School
in Tägerwilen (TG). 2009 Standesrat der Ärztegesell-       of Economics.
schaft Thurgau, zuvor diverse standespolitische Aufgaben        — Lukas Wagner (1951, Schweizer, Dr. med.)
auf nationaler und kantonaler Ebene. Medizinstudium        Facharzt FMH für Allgemeinmedizin, seit 1986
an der Universität Basel.                                  mit eigener Praxis in Birsfelden (BL). 2002 bis 2010
   — Volker Amelung (1965, deutsch-schweizerischer         Präsident der Ärztegesellschaft Baselland. Medizin-
Doppelbürger, Univ.-Prof. Dr. oec. HSG)                    studium an der Universität Basel.

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   36                                              37
BERICHT | GRUPPENLEITUNG                                                                  GRUPPENLEITUNG | BERICHT

Gruppenleitung                                             männische Ausbildung und Studium der Betriebswirt-
                                                           schaft an der Fachhochschule St. Gallen.
     — Walter Oberhänsli (1958, Schweizer, lic. iur.,           — Olaf Heinrich (1970, Deutscher, Wirtschafts-
Rechtsanwalt), Delegierter des Verwaltungsrats, CEO        ingenieur), Head Germany
Von 1996 bis 2011 Präsident des Verwaltungsrats, seit      Seit 2008 im Vorstand, seit 2009 CEO von DocMorris.
2005 Delegierter des Verwaltungsrats und Vorsitzender      Seit 2017 zudem Head Germany innerhalb der
der Gruppenleitung (CEO). Bis Ende 2004 selbststän-        Zur Rose-Gruppe. Vor seiner Tätigkeit für DocMorris
diger Rechtsanwalt in Kreuzlingen (TG). Studium der        Geschäftsführer von Joint Ventures aus den Bereichen
Rechtswissenschaften an der Universität Zürich.            Retail (KarstadtQuelle/Redcats) und Pharma (Medco
     — Marcel Ziwica (1975, Schweizer, lic. oec. HSG),     Celesio). Weitere internationale Senior-Management-
Chief Financial Officer                                    Positionen bei führenden Unternehmen aus den Be-
Von 2001 bis 2014 in verschiedenen leitenden Funk-         reichen Retail und Pharma. Studium des Wirtschafts-
tionen bei der Zur Rose-Gruppe tätig, zuletzt als Leiter   ingenieurwesens in Berlin und London.
Finanzen und Controlling Gruppe sowie Mitglied der
Geschäftsleitung Schweiz. Seit November 2014 CFO.
Vor seiner Tätigkeit für die Zur Rose-Gruppe Consul-
tant bei der Spider Innoventure AG in Tägerwilen (TG).
Studium der Betriebswirtschaft an der Universität
St. Gallen.
      — Walter Hess (1965, Schweizer, Betriebsökonom),
Head Switzerland
Seit 2015 Geschäftsführer Zur Rose, seit 2017 zudem
Head Switzerland innerhalb der Zur Rose-Gruppe.
Vor seiner Tätigkeit für die Gruppe externer Berater,
u. a. für diverse Projekte von Zur Rose, zuletzt als
Standortleiter der Zur Rose Pharma GmbH, Halle
(Saale). Bis 2013 Geschäftsführer der Praevmedic AG,
Zürich. Zuvor in verschiedenen leitenden Funktionen
in internationalen Industrieunternehmen. Kauf-

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   38                                            39
BERICHT | GRUPPENLEITUNG                                                GRUPPENLEITUNG | BERICHT

                                           GRUPPENLEITUNG
                                           1.  WALTER OBERHÄNSLI
                                           2.  MARCEL ZIWICA
                                           3.	WALTER HESS
                                           4.  OLAF HEINRICH

1.                                    2.

3.                                    4.

Zur Rose-Gruppe | Kurzbericht 2017   40                            41
25 Jahre
Zur Rose
Editorial            46
                        Woher wir kommen     51
                        Wohin wir gehen      93

– 25 Jahre Zur Rose –   Kontakt, Impressum   124
Editorial

46      47
«And no, we don’t know where it will             wickelten Apps für die Erhöhung der Therapie-
 lead. We just know there’s something             treue, engagierten uns in der Telepharmazie
   much bigger than any of us here.»              und konnten schliesslich mit BlueCare einen
               — Steve Jobs —                     führenden Anbieter von vernetzenden Syste-
                                                  men im Schweizer Gesundheitswesen erwer-
                                                  ben. Als grösste Versandapotheke Europas ist
                                                  die Zur Rose-Gruppe in der Lage, ihre lang-
Unser Alltag wird immer digitaler – und das       jährige Erfahrung zum Nutzen ihrer Kundin-
Digitale damit alltäglicher. Menschen und         nen und Kunden einzusetzen. Ich bin über-
Unternehmen sind zunehmend vernetzt; die          zeugt davon, dass die digitale Vernetzung für
Welt ist dabei, ein datenbasierter Organismus     alle grossen Mehrwert schaffen wird.
zu werden, mit Auswirkungen in allen Lebens-      		 Ganz herzlich bedanke ich mich bei allen
bereichen – besonders auch im Gesundheits-        Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihren
wesen. Die «Akademien der Wissenschaften          Einsatz. Ich freue mich, zusammen mit ihnen
Schweiz» kamen 2015 in einem Whitepaper           noch viele weitere Kapitel der Zur Rose-
zur Überzeugung, dass die bessere Nutzung         Geschichte zu schreiben.
von Daten im Gesundheitswesen mehr als nur
eine Option sei. Sie sei unerlässlich.
		 Dem kann ich nur zustimmen. In unserer
25-jährigen Geschichte setzten wir schon früh-    Walter Oberhänsli
zeitig und erfolgreich auf digitale Prozesse.
Mit dem elektronischen Rezept gelang es uns,
die Patientensicherheit zu verbessern. Wir ent-

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Woher wir kommen

       51
Zur Rose                    Es war einmal eine fixe Idee — Die Geschich-
                                          te von Zur Rose beginnt im Zentrum von
     EIN WAHRES MÄRCHEN                   Steckborn. Für ein frisch erworbenes barockes
                                          Fachwerkhaus mit dem Namen Zur Rose sucht
                                          Walter Oberhänsli am Ende der 1980er-Jahre
                                          einen Mieter, und er hat sich in den Kopf ge-
                                          setzt, dass es eine Apotheke sein soll. So will er
                                          dem Haus einen neuen Sinn geben und seinem
Von der Selbsthilfeorganisation für       Wohnort wieder zu einer eigenen Offizin ver-
selbstdispensierende Ärzte bis hin zur    helfen. Doch beim Apothekergrossisten Gale-
kotierten Aktiengesellschaft war Wachs-   nica holt er sich eine Abfuhr: Steckborn sei viel
tum in den vergangenen 25 Jahren ein      zu klein und liege zudem in einem Selbstdis-
prägendes Thema, jedoch nie Selbst-       pensationsgebiet.
zweck. Die damit erzielte Grösse ver-
schaffte Zur Rose Marktmacht und be-      Die Idee beginnt zu gären — In Gesprächen
wirkte umfängliche Kostenvorteile, von    mit seinem damaligen Hausarzt entsteht die
denen unsere Kundinnen und Kunden,        zündende Idee: Bei der Ärzteschaft der Region
das Gesundheitssystem und die Gesell-     hatte sich schon länger Unmut über das Kartell
schaft profitieren.                       der Branche breitgemacht, die Medikamente
                                          über den Grosshandel ausschliesslich zu Fest-
                                          preisen anbietet, aber unter dem Tisch Rück-
                                          erstattungen nach freiem Ermessen tätigt.
          – Woher wir kommen –            Der Rechtsanwalt Walter Oberhänsli gibt den

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entschei­denden Impuls: In der Rechtsform          einem Rechtsgutachten und dem Entwurf
einer Aktiengesellschaft könnte eine Liefer-       einer Klageschrift die Hersteller zwingt, Zur
apotheke das Rabattverbot des Kartells durch       Rose zu beliefern. Faktisch bedeutet das den
Gewinnausschüttungen an Kundenaktionäre            Gnadenstoss für das bis dahin herrschende
kompensieren.                                      Medikamentenkartell. Im März 1993 wird
                                                   Zur Rose gegründet, drei Monate später erfol-
Gründung der Zur Rose — 21 Ärzte können            gen die ersten Ärztebelieferungen.
für die standeseigene Selbsthilfeorganisation
gewonnen werden, jeder Gründungsaktionär                 «Ich verfüge über Sportsgeist.
zeichnet 10 000 Franken der neuen Gesell-                      Jedoch, was wir tun,
schaft. Doch fast drei Jahre lang suchen                   ist im Sinne des Patienten
Walter Oberhänsli und sein Hausarzt Alfred                     und stets rechtens.»
Muggli nach einem Schweizer Apotheker.                  Walter Oberhänsli, CEO und Mitgründer Zur Rose

Vergeblich, die einheimischen Pharmazeuten
sagen alle ab. Erst mit einer Ausnahmebe-          Ungebremstes Wachstum — Immer mehr
willigung der Kantonsregierung findet sich         Ärzte, mittlerweile aus der ganzen Deutsch-
schliesslich ein deutscher Apotheker.              schweiz, und sogar die Ärzteföderation FMH
		 Das juristische Geschick und die Durch-         werden zu Aktionären von Zur Rose. Der
haltekraft von Walter Oberhänsli werden ein        Umsatz von 2.5 Millionen Franken im ersten
weiteres Mal gefordert, als er erwirkt, dass dem   Jahr steigt bis 1998 auf knapp 60 Millionen,
deutschen Apotheker die Mitgliedschaft im          die Zahl der Aktionäre von 21 auf mehr als
Schweizerischen Apothekerverein nicht ver-         400. Die Anzahl der Mitarbeitenden nimmt
wehrt wird. Und ebenso, als er später mit          ständig zu, man mietet Räume in der ortsan-

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sässigen Nähmaschinenfabrik, doch die Enge         in der Gesundheitsversorgung. Im selben Jahr
bleibt ein ständiger Begleiter. «Wie weiter?»,     gründet Zur Rose zusammen mit der Polymed
fragt sich Walter Oberhänsli, der gegen Ende       Medical Center AG die auf Lieferservice spe-
der 1990er-Jahre merkt, dass das bisherige         zialisierte PolyRose AG als gemeinsames Toch-
Geschäftsmodell an seine Grenzen stösst.           terunternehmen.

          «Irgendwie sind wir                      Zur Rose geht online — Im Jahr 2001 zählt
         wie eine grosse Familie.                  die Schweiz zu den Ländern mit der grössten
         Schon ein gutes Gefühl,                   Computerdichte; auf jeden zweiten Einwoh-
            wenn man weiss,                        ner kommt ein PC. Die Zeit ist reif für den
          wofür man arbeitet.»                     Medikamentenversand an Patienten über eine
              Márcìa Teixeira Lourenço,
      Automatenkommissionierung, Zur Rose Suisse
                                                   Versandapotheke. Während der Betrieb einer
                                                   Versandapotheke im Kanton Thurgau bewil-
Umzug nach Frauenfeld — Der Sprung zum             ligt wird, ergiesst sich aus anderen Kantonen
Grossisten erfordert den Wegzug vom ver-           eine Flut von Anzeigen gegen das noch junge
kehrstechnisch ungünstigen Steckborn. 1999         Unternehmen. Trotz einer Vielzahl von ju-
bezieht Zur Rose im zentral gelegenen Frauen-      ristischen Auseinandersetzungen gelingt es
feld das neue Logistikzentrum. Dieses umfasst      den Anzeigern nicht, den Versandhandel von
4 500 Quadratmeter und ist mit einer moder-        Zur Rose zu verbieten. Auch dürfen Ärzte wei-
nen Kommissionierungsanlage ausgerüstet.           terhin Rezepte im Auftrag des Patienten an
70 Mitarbeitende, darunter viele Frauen, die       Zur Rose elektronisch übermitteln und Aktien
sich für den Wiedereinstieg ins Berufsleben        von ihr besitzen.
entschieden haben, verstehen sich als Pioniere

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Die Gewinner der juristischen Auseinander-
setzungen sind die Patienten, die fortan selber
entscheiden können, wie sie ihre Medikamente
erwerben, die Ärzte, die trotz Selbstdispensa-
tionsverbot mit Zur Rose zusammenarbeiten
dürfen, und schliesslich das ganze Gesund-
heitswesen, welches dank der tieferen Preise
relevante Einsparungen erzielt. Die ersten
Krankenversicherer beginnen in der Folge, die
Zur Rose Versandapotheke zu empfehlen.

Auf Einkaufstour — Zur Rose ist Nummer
zwei im Grosshandel mit Medikamenten und
medizinischen Bedarfsartikeln – und sie ist auf
Expansionskurs. Im Jahr 2001 übernimmt sie
die Ogera AG und die Neue Kloster Apotheke
AG, die Nummer drei im Schweizer Markt.
Durch diese Übernahmen wächst der Markt-
anteil im Geschäftsfeld der Belieferung von
selbstdispensierenden Ärztinnen und Ärzten
auf rund 30 Prozent. Zur Rose ist nun Markt-
leader.

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Ausgezeichnet — 2001 wird Zur Rose für neue
     und innovative Lösungen aus dem Bereich Lo-
     gistikdienstleistung ausgezeichnet und erhält
     den Innovationspreis «Logistics Fulfillment»
     der Schweizerischen Gesellschaft für Logistik.
     2002 folgt die nächste Auszeichnung: Zur Rose
     wird der Motivationspreis der Thurgauer Wirt-
     schaft, der «Thurgauer Apfel», verliehen.

     Schritt über den Bodensee — 2004, ein Jahr
     nach dem zehnjährigen Jubiläum von Zur
     Rose, beginnt die Geschäftstätigkeit ausser-
     halb der Schweiz mit der Gründung der Zur
     Rose Pharma GmbH im ostdeutschen Halle.
     Zwei Jahre später folgt die Übernahme der
     VfG Versandapotheke in Tschechien, die eben-
     falls den deutschen Markt bedient. Wie in der
     Schweiz muss sich Zur Rose dort heftiger An-
     griffe erwehren. Doch Walter Oberhänsli und
     seine Mitstreitenden sind überzeugt, dass sie
     mit ihrer Strategie Megatrends folgen, die sich
     in allen westlichen Ländern immer deutlicher
     manifestieren.

78                        79
«Wir haben uns früh entschieden,                          		 2009 verkauft Zur Rose, mittlerweile allei-
        eine extreme Lautstärke                              nige Besitzerin von Helvepharm, das Generika-
 zu schaffen — mit leuchtenden Farben                        Unternehmen zu 100 Prozent an sanofi-aventis.
      und markanter Typografie.»                             Die Schatulle von Zur Rose ist prall gefüllt für
    Andy Schneiter, Creative Director von schneiterpartner   zukünftige Investitionen.

Alles andere als generisch: Helvepharm —                     Ein Stern zum Greifen nah: DocMorris —
Bereits im Jahr 2000 beteiligt sich Zur Rose                 Die Versandapotheke DocMorris – damals noch
im Rahmen eines Joint Venture mit dem dritt-                 Konkurrentin – behauptet sich am besten im
grössten deutschen Generikahersteller Stada                  wachsenden Kampf um Europas grössten Ge-
Arzneimittel AG an der Helvepharm AG.                        sundheitsmarkt Deutschland. Über die Jahre
		 Vier Jahre später folgt die Einführung des                erarbeitet sich DocMorris eine hohe Bekannt-
neuen Markenauftritts und der neuen Ver-                     heit.
packungsgestaltung. Gemeinsam mit Ärzten,                    		 2012 lässt der Vorstand der DocMorris-
Apothekern und Patienten hatte Zur Rose                      Besitzerin Celesio im Markt verlauten, dass
mit der Branding-Agentur schneiterpartner                    er DocMorris bis Ende Jahr verkaufen wolle.
eine unverwechselbare Systematik für die                     Das Versandgeschäft, so denkt er, passe nicht
Generika-Verpackungen entwickelt mit dem                     mehr in den strategischen Kontext. Nachdem
Ziel, die Medikation sicherer zu machen. Der                 die Verhandlungen mit einer Investorengrup-
Mehrwert für die Patienten schlägt im Markt                  pe schon weit vorangeschritten sind, stösst
durch. In nur vier Jahren schnellt der Umsatz                Zur Rose als letzte Interessentin hinzu und
von 3.5 Millionen Franken auf 21.4 Millionen.                bekommt überraschend den Zuschlag für die
		                                                           grösste Versandapotheke Europas. Die Mitar-

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beitenden von DocMorris begrüssen diesen                 «Mit Zur Rose erhielten wir
Entscheid, denn mit Zur Rose finden sie eine                    eine Besitzerin,
Besitzerin, die wie sie bereit ist, die Apotheke         die bereit war, die Apotheke
neu zu erfinden und den Gegnern die Stirn zu           neu zu erfinden und den Gegnern
bieten.                                                      die Stirn zu bieten.»
                                                               Michael Veigel, CFO, DocMorris

Services machen den Unterschied — Von
2006 bis 2012 differenziert sich Zur Rose mit      Zankapfel rezeptfreie Arzneimittel (OTC) —
innovativen Serviceleistungen von den immer        Im Jahr 2011 erweitert Zur Rose das Angebot
zahlreicheren Konkurrenten.                        im Schweizer Versandgeschäft um rezeptfreie
		Dailymed: Patienten, die mehrere Medi-           Arzneimittel (OTC). Die Kunden füllen bei der
kamente kombiniert einnehmen müssen, kön-          Bestellung einen Fragebogen zu Alter, Gewicht,
nen diese mit Dailymed individuell auf den         Grösse, Gesundheitszustand und Medikamen-
jeweiligen Einnahmezeitpunkt portionieren.         tenkonsum aus. Diese Angaben lässt die Ver-
		 iPhone-App MediMemory Connect: Erin-            sandapotheke durch externe Ärzte überprü-
nert chronisch Kranke zum richtigen Zeit-          fen. Sobald diese ein elektronisches Rezept
punkt an die Einnahme und genaue Dosie-            ausstellen, erfolgt der Postversand des Medi-
rung der Medikamente und unterstützt die           kaments. Damit erfüllt Zur Rose weit höhere
Vorratshaltung.                                    Anforderungen als Passanten-Apotheken, die
		HomeCare: Pflegefachfrauen von Zur Rose          beispielsweise Produkte wie Kamillosan-Spray,
unterstützen Patienten zu Hause bei der Ein-       Dulix und Voltaren-Salbe ohne weitere Dia­
nahme, Infusion oder Injektion von Medika-         gnose an ihre Kunden abgeben.
menten.

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Umso unverständlicher ist der Bundesge-            Arztpraxen und Versicherer zu den Innova-
richtsentscheid von 2015, der es Zur Rose          tionstreibern im digitalen Gesundheitswesen
verbietet, rezeptfreie Medikamente zu vertrei-     zählt. Die Vision ist ein Healthcare-Hub, der
ben, wenn kein ärztliches Rezept auf Basis         allen Beteiligten im Gesundheitswesen eine
eines persönlichen Kontakts zwischen Arzt          offene Plattform bietet.
und Patient vorliegt.
                                                   Zur Rose Group — Zur Rose AG wird 2015
Megatrend E-Health — Digitale Technologien         in Zur Rose Group AG umfirmiert. Der neue
spielen bei der Gesundheitsversorgung eine         Name vermittelt den Gesellschaftszweck als
immer wichtigere Rolle. Bereits mit der Ein-       Dachorganisation.
führung des elektronischen Rezepts im Jahr
2001 leistet Zur Rose einen bedeutenden Bei-       DocMorris zieht um — 2015 bezieht Doc-
trag zur Patientensicherheit. Die fatalen Folgen   Morris das neu erstellte Verwaltungs- und
von unleserlich geschriebenen Rezepten gehö-       Logistikgebäude im Businesspark Aventis.
ren der Vergangenheit an.                          30 000 m2 Gesamtfläche, wovon 5 500 m2 für
		 2014 lanciert DocMorris mit der Deutschen       die Verwaltung und 10 000 m2 für die Logis-
Telekom eine Telepharmazie-Anwendung. Pa-          tik, sowie Landreserven in angrenzender Nähe
tienten können sich bei einem DocMorris-Apo-       erhöhen die Flexibilität im Hinblick auf neue
theker audiovisuell über Medikamente und           Märkte und Wachstum.
ihre Wirkung informieren und beraten lassen.
		 Mit der BlueCare AG übernimmt Zur Rose          Zurück zu den Wurzeln — Zur Rose eröffnet
im Jahr 2015 ein Unternehmen, das mit sei-         2016 ihren ersten Flagshipstore in der Welle 7
nen Kommunikationslösungen für Ärztenetze,         in Bern. Mit der Filiale verknüpft Zur Rose das

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Versand- und das stationäre Geschäft im Rah-        		 Unmittelbar nach der Entscheidung for-
men einer Omni-Channel-Strategie. Die Kun-          dert die Bundesvereinigung Deutscher Apo-
den von Zur Rose profitieren im Flagshipstore       thekerverbände (ABDA) ein Verbot des Ver-
von den gleichen Konditionen wie in der Ver-        sandhandels mit verschreibungspflichtigen
sandapotheke, wo rezeptpflichtige Medikamen-        Arzneimitteln (Rx); der deutsche Gesundheits-
te durchschnittlich 12 Prozent und rezeptfreie      minister Hermann Gröhe legt im Dezember
Arzneimittel 10 bis 35 Prozent günstiger sind       2016 einen Referentenentwurf für ein Gesetz
als in herkömmlichen Apotheken.                     zum Verbot des Rx-Versandhandels vor. Das
                                                    Gesetzesvorhaben konnte allerdings nicht ver-
EuGH erlaubt «Boni auf Rezept» — Der Euro-          abschiedet werden. Es sollte sich zeigen, dass
päische Gerichtshof in Luxemburg bestätigt          die Verbotsthematik auch ein Jahr später noch
im Oktober 2016 mit seinem Urteil, dass Boni        präsent ist.
auf Rezept für EU-ausländische Versand­
apotheken zulässig sind. Die Ausweitung der         Erfolgreicher Börsengang — Am 6. Juli 2017
Festpreisbindung für rezeptpflichtige Medika-       wird die Zur Rose Group AG an der SIX
mente in Deutschland auf EU-ausländische            Swiss Exchange kotiert. Die Versandapothe-
Versand­apotheken aus dem Jahr 2012 verstösst       ke nimmt mit ihrem Börsengang die maximal
gegen europäisches Recht. Das Gericht stellt        angestrebte Summe von 233 Millionen Fran-
fest, dass ein einheitlicher Abgabepreis für ver-   ken ein. Die der Zur Rose-Gruppe zufliessen-
schreibungspflichtige Arzneimittel in Deutsch-      den Mittel sollen vor allem für den Ausbau der
land eine nicht gerechtfertigte Beschränkung        Marktführerschaft in Deutschland und die
des freien Warenverkehrs darstellt. Das Urteil      internationale Expansion in neue Märkte ge-
ist für DocMorris wegweisend.                       nutzt werden.

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Zur Rose in der Migros — Zur Rose verstärkt
ihre stationäre Präsenz und eröffnet kurz nach
dem Börsengang in der Migros an der Berner
Marktgasse die erste Shop-in-Shop-Apotheke
in der Schweiz. Das Konzept ist erfolgreich,
und die Möglichkeit des kanalübergreifenden
Einkaufens erfreut sich grosser Beliebtheit.
2018 werden zusätzliche Shop-in-Shop-Apo-
theken in weiteren Migros-Filialen folgen.

Auf Expansionskurs — Die Zur Rose-Gruppe
beschleunigt ihren Expansionskurs und über-
nimmt im Dezember 2017 die Eurapon Phar-
mahandel GmbH. Eurapon erzielt im Jahr
zuvor mit ihrem auf rezeptfreie Medikamente
ausgerichteten Versandgeschäft einen Umsatz
von 52 Millionen Euro.
		 Ebenfalls im Dezember wird die Versand-
apotheke Vitalsana mit einem Gesamtumsatz
im Jahr 2016 von 30 Millionen Euro über-
nommen. Die Zur Rose-Gruppe baut mit die-
sen Schritten ihre europäische Marktführer-
schaft weiter aus.

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59             60   61             74           75                    76 — 77

62 — 63             64        65   78                 89

                                        59, 60        Apotheke Zur Rose – Steckborn
                                        61            «Thurgauer Apfel»
                                        62 — 63       Bodensee – Steckborn
66 — 67             68 — 69
                                        64            Zur Rose Pharma – Halle
                                        65, 66 — 67   Zur Rose-Flagshipstore – Bern
                                        68 — 69       Zur Rose – Frauenfeld
                                        70            DocMorris – Heerlen
                                        71            Zur Rose Pharma – Halle
                                        72 — 73       DocMorris – Heerlen
                                        74, 75        Zur Rose – Frauenfeld
                                        76 — 77       DocMorris – Heerlen
                                        78            Helvepharm Packaging
                                        89            Bodensee – Steckborn
70        71        72 — 73
Wohin wir gehen

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Roundtable                   WAS IST DIGITALISIERUNG?

      BLICK IN DIE ZUKUNFT                   Joël Luc Cachelin – Es gibt wohl so viele
                                           Verständnisse von Digitalisierung wie Leute,
                                           die darüber reden. Für mich sind drei Prozesse
                                           entscheidend: erstens Vernetzung, zweitens
Digitalisierung ist in aller Munde, und    eine gestiegene Transparenz und drittens
kein Tag vergeht, ohne dass darüber in     Selbstorganisation. Aber natürlich sehen
den Medien Deutungsversuche zu lesen,      wir in allen drei Entwicklungen auch einen
zu hören und zu sehen sind. Die Politik-   Gegentrend.
philosophin, Publizistin und Beraterin
Dr. Katja Gentinetta, der langjährige        Georg Kohler – Digitalisierung bedeutet
Ordinarius für Philosophie an der Uni-     also auf alle Fälle Komplexitätszunahme;
versität Zürich Dr. Georg Kohler sowie     Transparenz könnte auch zu viel Sonne zu-
der Hochschuldozent und Geschäftsfüh-      lassen, man würde geblendet – ein Beispiel
rer der «Wissensfabrik» Dr. Joël Luc       für «die Dialektik der Digitalisierung». Oder
Cachelin versuchen in einem Gespräch,      Selbstorganisation, das ist ja für Liberale und
die Auswirkungen der scheinbar allmäch-    Libertäre eine besonders schöne Vorstellung;
tigen Algorithmen auf Gesellschaft und     was wäre ihr Nachteil?
Politik zu ergründen.
                                             Cachelin – Wir sehen gegenwärtig zwei
                                           Muster der Komplexitätsreduktion. Gleichzei-
            – Wohin wir gehen –            tig zur Selbstorganisation ist es das Erstarken

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von hierarchischen Strukturen und traditi-      verändert sich, sie wandert von der Spitze der
onellen Geschlechterbildern, die Rückkehr       Pyramide weg zu den Knoten der Netzwerke,
autoritärer Religionen und Staatsführer. Hier   die die Kontrolle über die Daten und die in
wird die Verantwortung für die Reduktion        Zukunft immer wichtiger werdenden Metada-
von Komplexität nicht ans «Selbst», sondern     ten haben.
nach oben delegiert.
                                                  Gentinetta – Das mag sein, doch die Netz-
   Katja Gentinetta – Ich gehe weiter und       knoten bleiben zu einem guten Teil das Ei-
befürchte ein «Ende des Selbst». Das, was       gentum der Datengiganten. Damit wird die
wir Selbstbestimmung und Selbstbewusst-         Macht der Datenbesitzer nicht gebrochen.
sein nennen, wird durch die Digitalisierung
völlig untergraben. Die Digitalisierung ist       Cachelin – Richtig. Durch Daten und Me-
allgegenwärtig, in den Unternehmen, in der      tadaten entstehen neue Informationsasym-
Wirtschaft, in meinem Tun und auch in mei-      metrien und mit ihnen möglicherweise ein
nem Denken. Damit tritt an die Stelle meiner    neuer Feudalismus. In den Megakonzernen
Selbstbestimmung die von mir nicht kontrol-     konzentriert sich nicht nur viel Geld, sondern
lierbare Macht derer, die über meine Daten,     auch Wissen und Macht. Trotzdem stärkt die
die sie aufschlüsselnden Algorithmen und        Digitalisierung natürlich potenziell auch die
damit über die daraus ersichtlichen subtils-    Dezentralisierung – etwa in Form der Sharing
ten Informationen verfügen.                     Economy oder der Blockchain-Technologie.

  Cachelin – Sicher, das Netz ist nicht frei     Kohler – Wo sitzt die Macht? Bei GAFA
von Macht und Hierarchie. Aber die Macht        natürlich, Google, Amazon, Facebook und

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Apple. Aber was erlaubt Digitalisierung ganz
     generell gedacht? Simpel formuliert: Zu-
     nächst einmal, dass man alle Informationen
     zu sammeln in der Lage ist (und zwar uner-
     hört rasch!), die einen interessieren. Die Folge
     ist, dass wir für alle denkbaren Entscheidun-
     gen erstens mehr wissen, und zweitens sehr
     viel schneller zu Schlüssen kommen.

       Gentinetta – Digitalisierung beschleunigt
     Entscheidung nicht nur, durch sie erhalten
     Entscheidungen eine völlig andere Qualität.
     Wo nicht mehr der Mensch der kontrollierende
     Faktor ist, sondern die künstliche Intelligenz,
     bleiben Begründung und Argumentation auf
     der Strecke, es herrschen allein Korrelationen
     und Wahrscheinlichkeiten.

     Im Gespräch (von links): Prof. Dr. Georg Kohler,
     Dr. Katja Gentinetta, Dr. Joël Luc Cachelin.

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Kohler – Somit wären wir schon weit über        man dieses soziale Grossproblem? Mit einem
«1984» hinaus, vermutlich bei «HAL», dem          bedingungslosen Grundeinkommen?
gottgleichen Computer in Stanley Kubricks
«Space Odyssey». Der Ersatz früherer Infor-         Gentinetta – Der Ansatz der Bedingungs-
mationstechniken und die daraus resultie-         losigkeit ist falsch. In einer sozialen Gemein-
renden Vorteile wirken sich nicht nur in der      schaft müssen wir immer noch davon ausgehen,
ökonomischen Organisationswelt aus. In der        dass Solidarität eine wechselseitige Verpflich-
politischen Welt schaffen sie die berüchtig-      tung ist und sein muss. Schüttet ein Staat ein
te «Digital Divide», die Unterscheidung der       bedingungsloses Grundeinkommen aus, hat
Menschen in jene, die mitkommen, und in           er keine Möglichkeit mehr, vom Einzelnen Ge-
jene, die nicht mitkommen.                        genleistungen oder irgendwelche Pflichten
                                                  einzufordern. Das bedingungslose Grundein-
WER SIND DIE GEWINNER UND DIE                     kommen ist keine Lösung. Dass sie auch von
VERLIERER DER DIGITALISIERUNG?                    den GAFAs propagiert wird, erstaunt nicht:
                                                  Sie wären nicht nur von sozialen Folgeleistun-
  Kohler – Es ist klar: Nicht alle werden in      gen befreit, sondern hätten überdies brave, ja
der Lage sein, an den Vorteilen der neuen         willenlose Datenlieferanten, für die gesorgt ist.
Techniken und Technologien teilzuhaben.
Und so werden wir nicht mehr nur 10 Prozent         Kohler – Die politische Seite der Digitali-
Arme haben, sondern vielleicht 20 oder 25         sierung ist nur das eine, das andere sind ihre
Prozent der Bevölkerung, die quasi sitzen blei-   Folgen in der individualisierten Teil-Lebens-
ben – und jetzt spreche ich nur von der westli-   welt. Bösartig formuliert, kann man sagen,
chen beziehungsweise der OECD-Welt. Wie löst      dass Digitalisierung zur «Oblomovisierung»

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führt, dass die Leute immer fauler werden;        so geht vergessen, dass das Internet das Leben
der schlaue Roboter und das Internet der Din-     einfacher, intensiver, friedlicher und ökolo­
ge haben alles schon geleistet, wofür wir uns     gischer machen kann.
früher mit Hirn, Herz und Hand anstrengen
mussten.                                            Gentinetta – Kann, muss aber nicht! Ich
  Das Problem, das bis jetzt überhaupt noch       sehe ebenfalls Gegentrends, nur vermute ich,
nicht thematisiert worden ist, ist die erhöhte,   dass diejenigen, die über die wirkliche Kom-
enorme Verletzbarkeit unserer digitaltechnisch    petenz im digitalen System verfügen, bereits
gesteuerten Welt. Denn diese Steuerungen          einen riesigen Vorsprung haben, dem auch das
beruhen ja nicht bloss auf «Wolken», sie sind     Regelsystem nur hinterherhinken kann.
massiv abhängig von zerstörbarer Hardware.
                                                    Cachelin – Vielleicht haben Sie ja recht,
  Cachelin – Es ist nicht gesetzt, dass die       dennoch wäre einfach zu resignieren das Aller-
Digitalisierung nur zur Zentralisierung führt.    schlimmste. Wir sollten mitdiskutieren und
Wenn wir auf Smartgrids, Blockchain, digi-        mitsteuern.
tale Währungen, die Sharing Economy und
Communities setzen, stärkt die Technologie          Kohler – Die Frage ist, wer dieses «Wir»
das Prinzip der Dezentralisierung. Damit wird     ist. Die EU versucht mit ihrer Gesetzgebung,
das System auch weniger verwundbar. Im            Erinnerung und Besitz im Netz zu regeln. In
Moment dominieren negative Visionen der           welchem Masse sich solche Regelungen tat-
Zukunft, und zweifellos sind die Ängste vor       sächlich durchsetzen lassen, wissen wir noch
digitalen Regimes und Monopolen nicht aus         nicht. Einfach werden sie jedenfalls nicht zu
der Luft gegriffen. Das finde ich schade, denn    handhaben sein.

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