3/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
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UNIVERSITAS 3/20 Mitteilungsblatt ISSN 1996-3505 Mitglied der Fédération Internationale des Traducteurs
2 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 INHALT Agenda Translation 5 Dagmar Jenner Lehre in Zeiten von Corona – ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht8 Silvia Glatzhofer COVID-19: Umfrage zu den wirtschaftlichen Auswirkungen und staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für Dolmetscher*innen und Übersetzer*innen 11 Bianca Schönhofer Dolmetschen im Asylwesen – Entwicklungen sowie qualitätssichernde Maßnahmen 19 Annika Bergunde & Sonja Pöllabauer And the winner is ... networking! Tipps zur Kundenakquise 24 Silvia Glatzhofer Rezension: Besondere Berufsfelder für Dolmetscher*innen 26 Jennifer Zeller Mediensplitter28 María Palma UNIVERSITAS-Terminkalender29 UNIVERSITAS Austria Verbandsmitteilungen30 UNIVERSITAS Austria Rätsel32 Vera Ribarich
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 3 EDITORIAL Das Leben nach dem Lockdown Liebe Leserinnen, liebe Leser, Auch im Asylkontext hat die Corona-Pandemie zum verstärkten Einsatz des Videodolmetschens neue Normalität, Post-Lockdown, die Ära der geführt. Unter anderem wurden von UNHCR Ös- © John Michael Oliver Corona-Ampel – wie auch immer wir die Zeit, terreich Empfehlungen für Einvernahmen und die wir gerade durchleben, bezeichnen, eines Verhandlungen in entsprechenden Settings dürfte gewiss sein: Die Pandemie ist noch nicht zusammengestellt, wie im Beitrag von Annika ausgestanden und die Nachwirkungen der hei- Bergunde und Sonja Pöllabauer nachzulesen ßen Phase sind vielerorts auch nach Ende des ist. Darüber hinaus liefern die Autorinnen ei- Lockdowns noch empfindlich spürbar. Wenig nen umfassenden Überblick über aktuelle Ent- Bianca Schönhofer, überraschend schlängelt sich das Thema COVID wicklungen und Qualitätssicherungsprojekte im Redakteurin daher auch konsequent durch diese Ausgabe, Bereich des Dolmetschens im Asylwesen. sei es auf direkte oder indirekte Weise. Ansonsten fand Ende Juni erstmals eine Men- Um sich ein Bild von den wirtschaftlichen Aus- toring-Veranstaltung in größerer Runde statt, wirkungen der Coronakrise und den staatlichen die – wie könnte es auch anders sein – eben- Hilfsmaßnahmen zu machen, haben die in der falls online via Zoom abgehalten wurde und den Translationsplattform zusammengeschlossenen Mentees Gelegenheit bot, sich mit erfahreneren Berufsverbände Mitte Juni eine Online-Umfrage Kolleg*innen über Tipps und Tricks zur Kun- unter Dolmetscher*innen und Übersetzer*innen denakquise auszutauschen. Welches Schlagwort durchgeführt. Kurz gesagt: Die Ergebnisse be- dabei am häufigsten fiel, verrät ihnen Silvia stätigen die naheliegende Erwartung, ist doch Glatzhofer im entsprechenden Bericht. In die- die gesamte Branche stark von der Krise be- sem Zusammenhang mag auch das von Jennifer troffen. Weitere Einzelheiten und Analysen zur Zeller rezensierte Werk „Besondere Berufsfelder Umfrage finden Sie im Blattinneren. für Dolmetscher*innen“ so manchen als Inspi- ration und Wegweiser dienen. Abgesehen von den wirtschaftlichen Auswir- kungen hat das Virus den Berufsalltag vieler Abschließend bleibt mir noch, Ihnen einen Kolleg*innen ganz schön auf den Kopf gestellt. schönen, coronafreien Sommerausklang zu So auch an den Universitäten, als sich Studieren- wünschen. Kommen Sie gesund in den Herbst! de wie Lehrende plötzlich mit der Umstellung von Präsenzveranstaltungen auf Online-Unterricht Viel Spaß beim Lesen! konfrontiert sahen. Silvia Glatzhofer berichtet aus Dozentensicht von den Strapazen und Her- ausforderungen, aber auch Erfolgserlebnissen, die die Distanzlehre bisher mit sich brachte. Bianca Schönhofer bianca.schoenhofer@universitas.org
4 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 IMPRESSUM Das Mitteilungsblatt von UNIVERSITAS Austria, Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen, dient dem Informationsaustausch zwischen den Verbandsmitgliedern. ISSN 1996-3505 Herausgeber: UNIVERSITAS Austria, Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen Gymnasiumstraße 50, 1190 Wien, Tel.: + 43 1 368 60 60, info@universitas.org Redaktion: Bianca Schönhofer, bianca.schoenhofer@universitas.org, Tel.: + 43 664 466 37 44 Ständige Mitarbeit: María Palma, Katerina Sinclair, Vera Ribarich • Koordination Rezensionen: Julia Schöllauf • Lektorat: Karina Ghilea-Trummer Beiträge, Wünsche, Anregungen, Leserbriefe bitte an eine der oben stehenden E-Mail-Adressen senden – danke! Das Mitteilungsblatt erscheint vierteljährlich. Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe: 15. Oktober 2020 Grafik und Layout: Sabina Kargl-Faustenhammer Titelbild: “economy crisis with graph or chart decrease down because or corona covid-19 concept with modern flat style” © ribkhan / Adobe Stock
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 5 AGENDA TRANSLATION Dagmar Jenner im Rahmen von Empfängen und offiziellen Ver- anstaltungen im Einsatz gewesen und erwarb sich überdies im Zuge ihrer ehrenamtlichen Tä- tigkeit als Leiterin des Österreichischen Latein- amerika-Institutes große Verdienste. Herzliche Illustration: © UNIVERSITAS Austria Gratulation zu dieser hohen Auszeichnung! Und hier ein kurzer Überblick über die Ereignis- se der vergangenen Monate im alphabetischen Word-Rap: Das Auftragsvolumen ist für viele von uns be- dauerlicherweise, aber keinesfalls überraschend deutlich gesunken, wie in der Umfrage in dieser Dagmar Jenner ist Dolmet- Ausgabe nachzulesen. scherin und Übersetzerin für Englisch, Spanisch und Liebe Kolleginnen und Kollegen, Die Bremer Runde, ein informelles Treffen der Französisch und Präsidentin Spitzen der deutschsprachigen Verbände, fand von UNIVERSITAS Austria. mit großer Trauer hat die Translations-Commu- diesmal statt persönlich in Leipzig online via nity vom Ableben des großen Gerhard Reinagel Zoom statt. Besprochen wurde unter anderem erfahren. Seine KollegInnen, Studierenden und das vieldiskutierte Thema der Freischaltung von WegbegleiterInnen schätzten unter anderem eTranslation, des maschinellen Übersetzungs- seine großartigen translatorischen Leistungen, tools der Europäischen Kommission, für KMU in seinen bestechenden Humor und seine Fähig- ganz Europa. keit, Menschen zu Höchstleistungen zu inspi- rieren – und seine ausgeprägte Weltläufigkeit. Wir alle haben in den letzten Monaten noch Der Nachruf auf der Website des ITAT bringt es viel mehr Zeit als sonst vor unseren Computern schön auf den Punkt: verbracht. Eine gewisse Ermüdung in Sachen Online-Veranstaltungen macht sich nicht nur „Er brachte in Prä-Internet-Zeiten einen Hauch bei der Autorin dieser Zeilen breit. weite Welt nach Graz: in Form von Originalreden aus seiner Berufspraxis, die die Studierenden Die Auftragslage fürs Dolmetschen ist einge- ordentlich ins Schwitzen brachten; mit seinen brochen, weshalb nichts anderes übrig bleibt, Verdolmetschungen französischer Staatsober- als die frei gewordene Zeit zur Fortbildung zu häupter im ORF; oder in Form des ersten Apple nutzen, etwa beim gut besuchten UNIVERSI- Macintosh Computers, den er eigenhändig aus TAS-/AIIC-Webinar zum Thema „Remote Simul- den USA importiert hatte und der Studierende taneous Interpreting“ mit Klaus Ziegler oder wie Lehrerkollegium ob der völlig neuartigen unserem Webinar zum Thema „Sounding natural Benutzeroberfläche (die erste Maus!) unend- in English“ mit Sophie Llewellyn Smith. lich beeindruckte. Gerhard Reinagel wird uns in Erinnerung bleiben als großer Dolmetscher, In- Der Elefant in Babyformat hat in unserem Le- tellektueller und Lehrer, der seine Studierenden ben Einzug gehalten, theoretisch zumindest. gefordert und gefördert hat – mit Wissen, Witz Ich persönlich bevorzuge andere Tiere, etwa und einer Prise wohlwollender Ironie.“ unseren „Hahnsi“ (siehe unten), zumal dieser auch bei uns heimisch ist. Eine wiederum sehr erfreuliche Nachricht er- reichte uns ebenfalls aus Graz: UNIVERSITAS- FIT Europe hat eine tolle Marketingkampagne Mitglied Eva Kauch erhielt das Goldene Ehren- gestartet, die auch auf nationaler Ebene Ver- zeichen des Landes Steiermark. Sie war bzw. wendung finden kann und soll. Hier ein erster ist über vier Jahrzehnte für fünf steirische Einblick in das dazu gehörige grafische Materi- Landeshauptleute als Englisch-Dolmetscherin al. Insgesamt wird es 11 Sujets für unterschied-
6 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 liche Dolmetsch- und Übersetzungssituationen geben. Der Hashtag für die sozialen Medien lautet #GettingYouUnderstood. Nähere Infor- mation dazu finden Sie in unserem iBoard und die Dateien befinden sich auf unserer Website. Der Ausschuss für PR und Strategie hat in Erwägung gezogen, Google-Werbung zu schalten. Das Ziel war, dass eine Google- Suche nach Übersetzen bzw. Dolmet- schen auf unsere Mitglieder-Datenbank auf der Website verlinkt. Leider hat sich nach einer durch Büromitarbeiterin Daniela Kosic´ durchgeführten Analyse herausgestellt, dass diese Werbung unsere Budgetgrenzen überschreitet, da nur mit beträchtlichem fi- nanziellen Einsatz brauchbare Resultate er- wartbar wären. Vom Härtefall-Fonds der österreichischen Regierung haben etliche unserer Mitglieder profitiert, wie in der bereits erwähnten Um- frage nachzulesen. © FIT Europe Von unserem englischen Schwesterverband ITI und ihrem Vorsitzenden Paul Appleyard habe ich mir die Idee, diese Kolumne al- phabetisch zu gestalten, abgeschaut. Vielen Dank für die Inspiration! Unsere Jungmitglieder hatten es in den ver- gangenen Monaten nicht leicht, da sie, wie die Lehrenden natürlich auch, von einem Tag auf den anderen auf Online-Lehre umsteigen muss- ten. Da blieb nicht mehr viel Zeit für andere Ak- tivitäten – und auch diese fanden online statt. Auf Besserung im Herbst wird gehofft. Krankheitsfälle infolge von Corona gab es meines Wissens unter UNIVERSITAS-Mitgliedern bisher nicht. Der berühmte Lockdown hat uns alle kalt er- wischt. Wir können froh sein, diese besonders beklemmende Zeit nun hinter uns zu haben – und hoffen, dass dies bei einer einmaligen Er- fahrung bleibt. Unserem Maskottchen „Hahnsi“ geht es üb- © FIT Europe rigens prächtig – flanieren Sie doch einfach einmal in der U3-Station Herrengasse vorbei, um unser schönes Werbeschild zu bewundern. Erst kürzlich zeigte sich eine in Wien auf Urlaub weilende niederländische Kollegin sehr angetan
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 7 von unserer Kampagne. Alternativ freut sich dingt anmelden! Alle Infos dazu haben wir am natürlich auch unser Patentier im mittlerweile iBoard veröffentlicht. wieder geöffneten Tiergarten Schönbrunn über einen Besuch. Nachdem die Universitäten, allerdings ohne Lehrbetrieb, wieder aufgesperrt haben, ist auch Netflix erlebt derzeit seine Hoch-Zeit. Viel- unser Büro am Zentrum für Translationswissen- leicht bietet die derzeitige Situation eine gute schaft wieder geöffnet. Gelegenheit, Inhalte in potenziellen Arbeits- sprachen zu konsumieren, mit oder ohne einge- Unsere Vorstandssitzungen fanden seit Beginn schalteten Untertiteln? des Lockdowns virtuell via Zoom statt. Auch wenn Treffen von Angesicht zu Angesicht in Das Office wanderte auch bei Angestellten nach der Regel zu bevorzugen sind, werden wir die- Hause und wurde zum Home-Office, was techni- ses Format fortführen und voraussichtlich jede sche und organisatorische Schwierigkeiten mit zweite Vorstandssitzung virtuell stattfinden sich bringen kann. Selbstständige wie die meis- lassen. Das spart Zeit und Geld bei der Anrei- ten TranslatorInnen sind in der Regel besser auf- se derjenigen Vorstandsmitglieder, die nicht in gestellt und schon seit Jahren mit entsprechen- Wien zu Hause sind. der Infrastruktur in dieser Konstellation tätig. Nach all den Webinaren und anderen Web-Ver- Sehr produktiv ist die Verbandsarbeit auch in anstaltungen freue ich mich auf ein möglichst Krisenzeiten – sie hat sich lediglich in den digi- baldiges physisches Wiedersehen mit Ihnen talen Raum verlagert. Alle Vorstands- und Aus- – vielleicht bei einer der für Herbst geplanten schussmitglieder sind spätestens jetzt Profis im Fortbildungen, etwa „Dolmetschen im Rahmen Umgang mit Zoom und Co. länderübergreifender PatientInnenmobilität“ am 16. Oktober oder dem Seminar zum Thema Die oft irrtümlich als Quarantäne bezeichnete „International Financial Reporting Standards“ Selbstisolation hat wenig bis gar keinen Spaß am 6. November. gemacht und wieder einmal eindrucksvoll be- legt, dass auch angeblich introvertierte Über- XL soll diese Kolumne nicht werden, aber setzerInnen durchaus soziale Wesen sind. Üb- glücklicherweise bin ich nun fast am Ende des rigens musste eine geschätzte Kollegin nach Alphabets angelangt. einem Coronafall in ihrem Umfeld tatsächlich in Quarantäne – und die hat so überhaupt keinen In der Corona-Anfangszeit habe ich Yoga auf Spaß gemacht, wie sie berichtete. Glücklicher- YouTube für mich entdeckt – die vielen hoch- weise war ihr Testergebnis negativ. professionell gestalteten Kurse haben mir sehr geholfen, mit der bedrückenden Situation bes- Rätsel gibt uns allen der weitere Verlauf der Co- ser umzugehen. Besonders empfehlen kann ich ronakrise auf. Kommt eine zweite Welle im Herbst „Yoga with Kassandra“ und „Yoga with Adriene“. oder bald eine Impfung? Hoffen wir das Beste! Die Zertifizierung von UNIVERSITAS Austria Die Subvention in der Höhe von EUR 3.700, die gibt es schon lang – wenn Sie aber bisher im UNIVERSITAS Austria jährlich vom Bundesminis- Turbo-Alltag keine Gelegenheit gefunden ha- terium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und ben, Ihre Übersetzungs- und/oder Dolmetsch- Sport, zweckgebunden für dieses Mitteilungs- kenntnisse verbandsintern zertifizieren zu las- blatt, erhält, ist auch dieses Jahr in unveränder- sen und damit einen Wettbewerbsvorteil zu ter Höhe eingegangen. Der bürokratische Auf- erzielen, ist vielleicht gerade jetzt ein idealer wand ist beträchtlich, aber zahlt sich aus! Zeitpunkt dafür. Alle Infos dazu finden Sie auf unserer Website. Der internationale Tag des Übersetzens wird diesmal von der IG Übersetzerinnen Übersetzer Translatorischen Gruß im Wiener Literaturhaus ausgerichtet und fin- det am Mittwoch, 30. September statt. Diesmal Dagmar Jenner wird auch der Elisabeth-Markstein-Preis verlie- dagmar.jenner@universitas.org hen. Es gibt begrenzte Plätze, also bitte unbe-
8 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 LEHRE IN ZEITEN VON CORONA – EIN SEHR PERSÖNLICHER ERFAHRUNGSBERICHT Silvia Glatzhofer A m 10. März wurden die Lehrenden sumieren. Ein paar Reden hatte ich für das der Karl-Franzens-Universität von Sommersemester sowieso geplant; die Auswahl der Aussetzung der Präsenzlehre der zusätzlichen Vorträge, Reden und Podcasts informiert. Da war das Sommerse- erwies sich allerdings als ziemlich zeitintensiv. mester gerade mal etwas über eine Woche alt, Wobei … Zeit war das geringste meiner Pro- und ich hatte „meine“ Studierenden erst einmal bleme, weil leider bald alle Dolmetscheinsätze © John Michael Oliver gesehen. Ich unterrichtete in diesem Semester abgesagt wurden und anfangs auch die Über- im Modul Konferenzdolmetschen Englisch „Ana- setzungsaufträge ausblieben. lyse- und Dolmetschtechniken“, „Konsekutiv Advanced“ und „Konferenzdolmetschen: Begin- Austausch mit anderen im selben ners“ (Simultan und Konsekutiv). Von einem Boot Silvia Glatzhofer ist Moment auf den nächsten mussten wir also auf Konferenzdolmetscherin, Fernunterricht umstellen. Von einem gut vor- Mit dem Hintergedanken, dass man sich gleich Übersetzerin und Universi- bereiteten Semester zu …. nun ja …. wenig viel weniger einsam in seinen Bemühungen tätslektorin. Sie unterrichtet Ahnung von Distanzlehre. fühlt, wenn man sich mit anderen kurzschließt, am Institut für Theoretische die vor denselben Herausforderungen stehen, und Angewandte Translati- Zuerst dachte ich wie viele andere auch, dass verschickte ich bereits Mitte März unter dem onswissenschaft in Graz. der Spuk bald vorüber sei und wir spätestens Betreff „Anzapfen der Schwarmintelligenz“ ein nach Ostern wieder zum Regelunterricht zu- E-Mail an KollegInnen am ITAT und schlug ei- rückkehren würden. Wie sollte man denn auch nen Ideenaustausch vor. Diese Plattform wurde Simultandolmetschen online vermitteln kön- während des ganzen Semesters fleißig genutzt, nen? Wie sollte das funktionieren? Und erst vor allem um die verschiedenen Möglichkeiten recht all die Vorübungen für Simultan, die ich des Simultanunterrichts zu diskutieren. Kolle- für die dem eigentlichen Simultanunterricht gInnen teilten informative Links und berichte- vorgelagerte Lehrveranstaltung Analyse- und ten über Erfolgserlebnisse und Misserfolge im Dolmetschtechniken, kurz ADT, geplant hatte. Unterricht. Ich fand diesen Austausch nicht nur Wie die Kompetenzen vermitteln, die erforder- fachlich wertvoll, sondern auch motivierend. lich sind, um die Gleichzeitigkeit mehrerer ko- gnitiver Anstrengungen (Hören, Analyse, inter- Ich freundete mich mit Moodle an (okay, „an- lingualer Transfer, Sprechen und Koordination freunden“ ist vielleicht etwas übertrieben). Mei- dieser unterschiedlichen efforts) zu meistern? ne Familienmitglieder mussten herhalten, um Ich war davon überzeugt, dass all das nur im mit mir die verschiedenen Videokonferenzplatt- Präsenzunterricht möglich sei, und der Unter- formen wie Skype4Business, Jitsi, Zoom und Mi- richt nur mit einer Simultandolmetschanlage crosoft Teams auszuprobieren. Ich wollte mir ja funktioniert, bei der die beiden parallel gehör- vor den Studierenden keine Blöße geben (wobei ten Input-Kanäle (Original und DolmetscherIn) ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich das ge- getrennt steuerbar sind. Ich überlegte mir also schafft habe…). Ich begann die Info-Mails von Arbeitsaufträge für die Zeit bis Ostern und Rektorat, Dekanat, Fakultät und Institutsleitung konzentrierte mich dabei auf die Verbesserung aufmerksam zu lesen. Ich trat einer Facebook- der Sprachkompetenz und Basiskompetenzen. Gruppe von Dolmetschlehrenden weltweit bei Die Aufgaben umfassten daher Shadowing, die und klickte mich durch deren Anregungen. Der Analyse von Reden, das Verfassen von Konse- Fachbereich Englisch traf sich zu einer Bespre- kutivreden und die Erstellung von Glossaren chung auf Zoom, und es gab Infomeetings auf zu einem vorgegebenen Thema. Ich forderte Skype4Business mit dem Verantwortlichen für die Studierenden auf, ihre Zeitungslektüre zu die Lehre am Institut. Was das Administrative intensivieren, Podcasts zu hören und eng- und Organisatorische betraf, fühlte ich mich lischsprachige Serien auf Netflix u. ä. zu kon- sehr gut unterstützt. Was fehlte: der persönliche
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 9 Kontakt zu den KollegInnen, der informelle Aus- ein neues Videokonferenz-Tool als Alternative tausch in der Küche oder beim Kaffeeautomaten, zu Zoom zur Verfügung, das wir aufgrund der aber auch der Kontakt zu den Studierenden au- Datenschutzproblematik nicht verwenden soll- ßerhalb der Lehrveranstaltungen. ten. uniMEET basiert auf dem Open-Source- Webkonferenzsystem Big Blue Button, wird Und ich mache stümperhafte Anfängerfehler. lokal am Uni-Server gehostet, stellt somit da- Einmal höre ich mir zig aufgenommene Dolmet- tenschutztechnisch kein Problem dar und wurde schungen an und schicke jedem/jeder Studie- explizit für den Unterricht entwickelt. Wie bei renden auf Moodle einzeln ein ausführliches Zoom gibt es Breakout-Räume, die Möglichkeit, Feedback zu ihren Leistungen in den vorange- seinen Bildschirm zu teilen, Präsentationen zu gangenen drei Wochen. Dabei vergesse ich al- starten und zu chatten. ABER: Die simultan zu lerdings, die Beurteilungen bzw. das Feedback dolmetschenden Reden müssen nach wie vor in meinen eigenen Aufzeichnungen einzutragen von den Studierenden individuell auf ihren Ge- … Aber aus Fehlern lernt man ja bekanntlich. räten gestartet werden, da sie nur im Plenum, nicht aber in den Breakout-Räumen zu hören Gegen Ende des Semesters werde ich in einem sind. In der Praxis sieht das so aus: Die Studie- Mail erwähnen, dass es sich anfühlt, als ob das renden öffnen zwei Tabs (einen für das Plenum Semester 30 Wochen hätte. Worauf eine liebe und einen für den Breakout-Raum). Man kann Kollegin antworten wird, dass das nur verständ- den Input für alle zentral im Plenum starten lich sei, weil wir ja auch doppelt so viel gear- und die Studierenden müssen ggf. im Plenum beitet hätten. noch einmal das Audio freischalten. Dann kann im Breakout-Raum gedolmetscht werden. Da- Bald war klar, dass auch nach Ostern kein Prä- durch kann synchron gearbeitet werden, und senzunterricht stattfinden würde. Ich bereitete ich konnte mich – wie vor Ort am Institut – in mich also darauf vor, das ganze restliche Se- die Breakout-Räume zuschalten und die Dol- mester online zu unterrichten. Um die Lehr- metschung hören. Es wäre doch zu schön gewe- veranstaltungen interessanter zu gestalten, sen, wenn das Ding keinen Haken gehabt hätte. lud ich Kolleginnen als Gastrednerinnen ein. Das System erwies sich um einiges instabiler als Das hatte den unschätzbaren Vorteil, dass die Zoom, nicht alle URLs können als Input verwen- Studierenden auch von anderen Personen kons- det werden (KEIN SCIC-Speech Repository!) und truktives Feedback zu ihren Konsekutivleistun- es ist nicht möglich, selbst erstellte Audio- oder gen bekamen. Apropos Konsekutivunterricht … Videodateien als Präsentationen hochzuladen. der funktionierte eigentlich recht gut. Natürlich mussten auch hier Abstriche gemacht werden. Das Hauptproblem bei uniMEET, wie auch bei Blickkontakt, Körperhaltung, Dolmetschen in vielen anderen Videokonferenztools ist, dass großen Räumen ohne Mikrofon und Notieren im es in keiner Weise den für das Simultandolmet- Stehen … all das konnten wir aus offensichtli- schen definierten hohen Anforderungen an Ton- chen Gründen nicht wirklich üben. und Bildqualität entspricht (ISO 22259: 2019 Conference Systems — Equipment — Require- Beim Simultanunterricht sah die Sache schon ments). Was für reine ZuhörerInnen als Tonqua- ganz anders aus. Er erfolgte meist asynchron, lität durchaus akzeptabel ist, führt für Simul- sprich die Studierenden öffneten im Unterricht tandolmetscherInnen u. a. durch Maskierung zu den Link zu einer Rede auf einem Endgerät, einem kognitiven Overload, der eine Erbringung nahmen ihre Dolmetschung mit einem anderen der Dolmetschleistung unmöglich macht – und Gerät auf und mussten die Aufnahme dann in- viel mehr noch die Vermittlung dieser Kompe- nerhalb eines knappen Zeitfensters auf Moodle tenzen an Studierende. hochladen, damit ich sie mir anhören konnte. Das Zeitfenster war deshalb knapp gehalten, Diese Probleme wurden durch die mangelnde damit ich auch wirklich jeweils den ersten Ver- technische Ausstattung auf Studierendenseite such zu hören bekam. noch weiter potenziert. Die bei den Studie- renden ankommende Tonqualität war je nach Und dann kam uniMEET. verwendetem Endgerät für eine Dolmetschung nicht ausreichend. Bei einigen Studieren- Nach Ostern stellte die Universität mit uniMEET den war die Internetverbindung einfach zu
10 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 schwach, und sie konnten dem Unterricht via nicht immer gleichbleibend gut ist. Die Latenz uniMEET nur ohne Video bzw. in sehr wenigen der Übertragung erschwert die Kommunikation. Fällen gar nicht folgen. Die Arbeit an Timelag- Antworten kommen oft verzögert. Das führt zu Management, Outputkontrolle und Teamarbeit Nachfragen, Zwischenrufen und Unterbrechun- in der Kabine war unter den gegebenen Bedin- gen. Und: es besteht fast keine Möglichkeit, gungen nicht wirklich möglich. mentale Pausen einzulegen. Diese Erfahrung hat jeder im Home-Office gemacht. Die Teil- Trotz all dieser Widrigkeiten war ich von den nehmerInnen meiner Lehrveranstaltungen Leistungen und dem Einsatz der meisten Stu- mussten unter diesen Bedingungen aber auch dierenden beeindruckt. Nicht alle hatten eine noch dolmetschen, und im Falle von ADT noch ausreichend gute Internetverbindung, manche schlimmer: das Simultandolmetschen über- mussten sich wahrscheinlich damit abfinden, haupt erst erlernen. wieder daheim bei Mama und Papa zu wohnen, andere mit der Einsamkeit in der Einzimmer- Schlussfolgerungen wohnung fertig werden. Eine Studierende be- schrieb das sehr anschaulich: „Wenn ich in der Es ist äußerst hilfreich, den Tech Support im- Früh aufstehe, mache ich vom Bett ein paar mer auf Abruf vor Ort zu haben (mein Sohn, der Schritte zur Küchenzeile zum Frühstücken, während des Lockdowns wieder bei uns wohn- von dort sind es wieder ein paar Schritt zum te, bestand auf dieser ersten Schlussfolgerung Schreibtisch, und das Bett steht gleich neben- …). Aber im Ernst: Ich habe dank Corona den an. Essen, Schlafen, Arbeiten – alles findet seit Einsatz verschiedener Technologien gelernt, für Wochen im selben Raum statt.“ die ich mich sonst wahrscheinlich nie interes- siert hätte. Ich fand die Zusammenarbeit mit Während ich nur drei Lehrveranstaltungen on- den KollegInnen am ITAT sehr effizient und bin line hielt, verbrachten die Studierenden täglich für den fruchtbaren Austausch dankbar. Durch mehrere Stunden vor ihren Bildschirmen. Wir die Distanzlehre waren Flexibilität und Kreati- alle wissen mittlerweile, wie ermüdend Online- vität auf Seiten der Lehrenden und Studieren- konferenzen sein können. Je mehr Leute an ei- den gefordert, was auch zu neuen didaktischen ner Lehrveranstaltung teilnehmen, umso mehr Ansätzen geführt hat. Einiges davon werde ich Gesichter sieht man parallel. Das menschliche sicherlich beibehalten. Aber schlussendlich be- Auge erfasst jede Bewegung, das Gehirn ver- fürchte ich doch, dass die Lehrveranstaltungen sucht jede Information zu verarbeiten. Da wird aufgrund des Online-Formats weniger intuitiv man sehr schnell müde. Dazu kommt noch, dass und abwechslungsreich waren. Und ich finde: die Tonqualität schwanken kann, einzelne Wor- ein Semester Distanzlehre reicht vollkommen! te „verloren gehen“, und auch die Bildqualität Nächstes Semester hoffentlich wieder in 3D!
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 11 COVID-19: UMFRAGE ZU DEN WIRTSCHAFTLICHEN AUSWIRKUNGEN UND STAATLICHEN UNTERSTÜTZUNGSMASSNAHMEN FÜR DOLMETSCHER*INNEN UND ÜBERSETZER*INNEN Bianca Schönhofer Das Jahr 2020 erweist sich als wahre Zerreißprobe für Österreichs Wirtschaftstreibende und stellt viele vor gewaltige – teils existenzbedrohende – Herausforderungen. Obwohl die Maßnahmen der österreichischen Regierung zur Eindämmung des Coronavirus Wirkung gezeigt haben, hält die COVID-19-Pandemie die Welt nach wie vor fest in Griff. Wie hat sich die Corona-Krise nun aber konkret auf die wirtschaftliche Situation von Dolmetscher*innen © John Michael Oliver und Übersetzer*innen in Österreich ausgewirkt? Sind die von der Regierung geschnürten Hilfspakete und staatlichen Unterstützungs- leistungen tatsächlich ausreichend, um die ökonomischen Konsequenzen abzufedern? Diesen und weiteren Fragen sind die Bianca Schönhofer ist Mitglieder der Translationsplattform (AIIC Region Österreich, IG Übersetzerin für Deutsch und Englisch in Wien und Übersetzerinnen Übersetzer, ÖGSDV, ÖSDV, ÖVGD, UNIVERSITAS Mitglied im Vorstand von Austria) Mitte Juni im Rahmen einer Online-Erhebung auf den UNIVERSITAS Austria. Grund gegangen – insgesamt haben 174 Dolmetscher*innen und Übersetzer*innen an dieser Umfrage teilgenommen, wofür ihnen an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Nachstehend präsentieren wir Ihnen die wichtigsten Ergebnisse im Überblick. Zusammenfassung der damit einhergehend ein Anhalten des Auftrags- Translationsplattform rückgangs für die Translationsberufe befürchten. D ie Umfrage der Translationsplatt- Wie lange diese Entwicklung andauern wird, form hat sehr deutlich gezeigt, dass ist nicht absehbar, manche rechnen mit einem die gesamte Branche von der Krise Aufschwung erst Ende 2021. Insofern werden hart getroffen wurde, mit erwart- eine Verlängerung der Kompensationsmaßnah- baren individuellen Unterschieden. Vor allem men bzw. zusätzliche allgemeine oder geziel- für Konferenz- und Gerichtsdolmetscher*innen te Fördermaßnahmen (z. B. Steuersenkungen, brachten die Absagen in Folge des Lockdowns Grundeinkommen; branchenspezifische Anreiz- massive Einschnitte. Das Auftragsvolumen ging förderungen) vorgeschlagen. Die bisherigen aber insgesamt für alle Übersetzer*innen und staatlichen Soforthilfen (Härtefall-Fonds usw.) Dolmetscher*innen spürbar zurück. Die weiter werden weitgehend als positiv bewertet, al- bestehenden Veranstaltungsbeschränkungen und lerdings wird ihre Treffsicherheit als verbesse- vor allem die generelle Planungsunsicherheit aus rungsfähig empfunden. Angst vor der zweiten Pandemie-Welle lassen eine gebremste Wirtschaftsproduktivität und
12 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 Dieses Ergebnis deckt sich mit den Auswir- stehenden berufsspezifischen Defizite gewirkt kungen der Krise auf die meisten Branchen. und bietet insofern die Chance, diese verstärkt Insofern sind kaum branchenspezifische For- auf verschiedenen Ebenen zu adressieren und derungen daraus abzuleiten. Allerdings hat die die öffentliche Wahrnehmung für die Bedeu- Coronakrise auch wie ein Brennglas auf die be- tung der Translationsberufe zu sensibilisieren. Demografische Daten noch nicht fest als Dolmetscher*innen oder Übersetzer*innen am Markt etabliert haben. Ein Blick auf die demografischen Daten belegt einmal mehr, dass unser Berufsstand vorwie- Die überwiegende Mehrheit der Befragten ist selb- gend weiblich dominiert ist – fast 90 % der ständig tätig, während nur ein geringer Anteil in Befragten waren Frauen. Zum Vergleich: mit einem Angestelltenverhältnis arbeitet oder ein Stand Ende 2019 wies UNIVERSITAS Austria ei- Übersetzungsbüro betreibt. Etwa 30 % erzielen nen Männeranteil von 12 % auf. Das Alter der zudem auch Einkünfte aus weiteren Erwerbsquel- Befragten liegt großteils zwischen 26 und 65 len, u. a. aus der Lehrtätigkeit an Universitäten, Jahren. Interessanterweise wurde die Umfrage dem Kulturbereich, dem Bezug einer Pension von niemandem unter 25 Jahren beantwor- und anderen sprachbezogenen Dienstleistungen tet, was mitunter daran liegen mag, dass viele wie Lektorat/Korrektorat, Texten, Transkription, Kolleg*innen in dieser Altersgruppe erst ih- Sprachtraining oder Untertitelung. ren Weg in den Beruf finden müssen und sich Antwortoptionen (Mehrfachauswahl möglich) Übersetzerin (selbstständig) Übersetzerin (angestellt) LiterarischeR Übersetzerin DolmetscherIn (selbstständig) DolmetscherIn (angestellt) GerichtsdolmetscherIn GebärdensprachdolmetscherIn KonferenzdolmetscherIn SchriftdolmetscherIn BetreiberIn eines Übersetzungsbüros Ich habe Einkünfte aus weiteren Erwebsquellen Weitere Tätigkeiten/ Erwerbsquellen
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 13 Welche Auswirkungen haben angegeben, dass in Aussicht stehende Aufträ- die Corona-Maßnahmen auf Sie ge ausblieben (70 %) und Aufträge verschoben (57 %) bzw. Veranstaltungen abgesagt (52 %) persönlich? wurden. Insgesamt lässt sich bei 77 % der Be- fragten im Vergleich zum Vorkrisenniveau ein Aus wirtschaftlicher Sicht haben die Corona- deutlich reduziertes Auftragsvolumen feststel- Maßnahmen bei einem Großteil der Befrag- len. Knapp 9 % mussten ihre Arbeitszeit auf- ten zur Stornierung bereits erteilter Aufträge grund von Betreuungspflichten reduzieren, geführt, wobei 64 % Stornierungen ohne Ab- während etwa 11 % niedrigere Honorare ver- standszahlung und 14 % Stornierungen mit zeichnen und 22 % ihre Rechnungen erst mit Abstandszahlung verzeichneten. Weiters wurde Verzögerung bezahlt bekommen. Antwortoptionen (Mehrfachauswahl möglich) Aufträge wurden storniert – mit Abstandszahlung. Aufträge wurden storniert – ohne Abstandszahlung. In Aussicht stehende Aufträge sind nicht zustandegekommen. Aufträge wurden verschoben. Ich bekomme weniger Aufträge als vor der Krise. Ich habe Einkommensverluste durch Veranstaltungsabsage/n. Insolvenz/Geschäftsaufgabe von Auftraggebern Ich bin in Kurzarbeit. Mein Arbeitsverhältnis wurde beendet. Ich musste meine Arbeitszeit aufgrund von Betreuungspflichten reduzieren. Die Honorare sind niedriger geworden. Rechnungen werden mit Verzögerung bezahlt. Die Auftraggeber bitten um Stundung und/oder Kürzung der Rechnung.
14 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 Wie haben sich Ihre Einnahmen deutendem Maße, während die Einnahmen bei im Vergleich Jänner–Mai 2019 mit etwa einem Zehntel unverändert blieben. Nur knapp 6 % verzeichneten im betreffenden Zeit- Jänner–Mai 2020 entwickelt? raum Umsatzzuwächse, was teils auf ein erhöh- tes Übersetzungsvolumen zurückzuführen ist. Gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeit- Dabei wurde jedoch mehrmals einschränkend raum hatten die meisten Dolmetscher*innen angemerkt, dass sich die negativen Auswirkun- und Übersetzer*innen von Jänner bis Mai 2020 gen des Lockdowns aufgrund von Zahlungsein- wesentliche Umsatzeinbußen zu verzeichnen. gängen aus den Vormonaten erst mit einiger So sind die Einnahmen bei über einem Drittel Verzögerung zeigen werden. Das vollständige der Befragten um 40 % bis 79 % und bei einem wirtschaftliche Ausmaß der Corona-Krise lässt Fünftel sogar um 80 % bis 100 % gesunken. Bei sich zum jetzigen Zeitpunkt also noch nicht einem weiteren Viertel kam es zu Umsatzrück- exakt abschätzen. gängen -80% bis -100% in etwas -60%aber geringerem, bis -79% dennoch-40% be- bis -59% -20% bis -39% -1% bis -19% +/- 0% +1% bis +19% +20% bis +39% +40% bis +49% +90% bis +100% Antwortoptionen 1% 1% 1% -80 % bis -100 % 3% -60 % bis -79 % 20% 11% -40 % bis -59 % -20 % bis -39 % -1 % bis -19 % 5% +/- 0 % +1 % bis +19 % +20 % bis +39 % 16% +40 % bis +49 % 20% +90 % bis +100 % 22%
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 15 Haben Sie bereits staatliche (jeweils 24 %) wurden dabei am häufigsten Mit- Hilfen und Unterstützungsmaß- tel aus dem Härtefall-Fonds bei der WKO (39 %) beantragt. Kurzarbeit, Mittel aus dem Covid- nahmen in Anspruch genommen 19-Fonds (KSVF), Unterstützungen von Verwer- oder werden Sie dies in der tungsgesellschaften und Kreditgarantien aus Zukunft tun? dem Corona-Hilfs-Fonds spielen bei den befrag- ten Dolmetscher*innen und Übersetzer*innen Bei der Frage nach staatlichen Hilfen und Un- lediglich eine untergeordnete Rolle. Etwa 5 % terstützungsmaßnahmen gab jeweils etwa ein haben bei anderen Stellen im In-/Ausland um Viertel der Befragten an, derzeit keine Notwen- Unterstützung angesucht. Genannt wurden in digkeit dafür zu haben bzw. die Kriterien nicht diesem Zusammenhang insbesondere Arbeits- zu erfüllen. 4 % hatten grundsätzlich keinen stipendien der Stadt Wien sowie der Famili- Anspruch auf Unterstützungsleistungen vom enhärtefonds. Zu beachten ist darüber hinaus, österreichischen Staat. In vielen Fällen wur- dass ein nicht unwesentlicher Anteil, nämlich de jedoch bereits staatliche Hilfe in Anspruch ein Viertel der Befragten, nach dem Lockdown genommen. Neben Ansuchen um Stundung noch Zahlungseingänge für Leistungen aus von Finanzamtszahlungen und Stundung bzw. Vormonaten verzeichnet und daher erst später Reduktion von Sozialversicherungsbeiträgen staatliche Unterstützung beantragen wird. Antwortoptionen (Mehrfachauswahl möglich) Nein, ich habe derzeit keine Notwen- digkeit. Nein, ich erfülle die Kriterien nicht. Ich habe Stundung von Finanzamtszahlungen beantragt. Ich habe Stundung/Reduktion von SV- Beiträgen beantragt. Ich wurde zur Kurzarbeit angemeldet. Ich habe meine MitarbeiterInnen zur Kurzarbeit angemeldet. Ich habe eine Unterstützung beim Härtefall-Fonds (WKO) beantragt. Ich habe eine Unterstützung beim Covid-19-Fonds (KSVF) beantragt. Ich habe eine Unterstützung bei einer Verwertungsgesellschaft beantragt. Ich habe eine Kreditgarantie beim Corona-Hilfs-Fonds beantragt. Ich erhalte nach dem Lockdown noch Eingänge für Leistungen aus Vormonaten und werde daher erst später Unterstüt- zungsleistungen beantragen (sofern noch möglich). Ich kann keine Unterstützungen vom österreichischen Staat beantragen. Ich habe bei anderen Stellen im In-/ Ausland Unterstützung beantragt (bitte angeben):
16 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 Hatten Sie Probleme bei der haben andere Gründe angegeben. Kritisiert Antragstellung? wurden hier u. a. zu lange Wartezeiten bei der Antragsentscheidung und Mittelauszah- Bei der Frage zum Prozess der Antragstellung lung sowie anfangs unklare Kriterien für die ergibt sich ein gemischtes Bild. Bei knapp Anspruchsberechtigung. Darüber hinaus wurde 40 % der Befragten hat diese reibungslos funk- als Kritikpunkt angemerkt, dass sich die für tioniert und umgehend zur Auszahlung der eine erfolgreiche Antragstellung erforderlichen beantragten Unterstützungsleistung geführt. Steuerberatungskosten und die erhaltenen Zu- Etwa 11 % empfanden die Antragstellung als wendungen gegenseitig aufheben und dass ei- zu kompliziert, während der Antrag bei ca. 8 % nige Kolleg*innen aufgrund ihrer individuellen mangels Erfüllung der entsprechenden Kriteri- Situation keinerlei Anspruch auf Unterstützung en abgelehnt wurde. Die restlichen 40 % ha- haben und somit komplett durch das staatliche ben entweder noch nicht um staatliche Hilfe Auffangnetz fallen. angesucht, warten noch auf Entscheidung oder Antwortoptionen Nein, ich habe die Unterstützung umge- hend bekommen. Die Antragstellung ist zu kompliziert. Mein Antrag wurde abgelehnt, weil ich die Kriterien nicht erfülle. Andere Gründe (bitte angeben):
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 17 Sind die aktuell im besserungsbedarf erkennen und stellt Härtefall-Fonds, Covid- ein klares Signal an die politischen Entscheidungsträger dar. Etwa 19 % der 19-Fonds und von Befragten haben trotz Unterstützungs- Verwertungsgesellschaften leistung noch eine Finanzierungslücke zur Verfügung gestellten und knapp 14 % empfinden eine Unter- Mittel und Bezugszeiträume stützung für maximal 6 Monate zwischen Mitte März und Mitte Dezember 2020 als ausreichend, um Sie durch zu kurz. Auffällig ist der Wunsch nach die Krise zu bringen? bedingungslosen Hilfszahlungen: 45 % der Befragten wünschen sich einen mo- Nur ein Viertel der Befragten bewertet natlichen Fixbetrag zur Abdeckung des den Umfang der derzeit verfügbaren Un- Einkommensentfalls bis mindestens Jah- terstützungsleistungen als ausreichend resende 2020. – dies lässt also durchaus noch Nach- Antwortoptionen (Mehrfachauswahl möglich) Ja Nein Ich habe trotz Unterstützung eine Finanzierungslücke. Eine Unterstützung für maximal 6 Monate zwischen Mitte März und Mitte Dezember 2020 ist für mich zu kurz. Ich wünsche mir einen monatlichen Fixbetrag zur Abdeckung des Einkommensentfalls bis mindestens Jahresende 2020.
18 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 Welche anderen Maßnahmen Erweiterte staatliche Förderungen (z. B. könnten für unsere Berufsgruppe durch Aufträge für literarische Überset- zungen vonseiten des Staates/der Bun- hilfreich sein? desländer, verstärkte Heranziehung von Dolmetscher*innen durch Behörden, Förde- Insgesamt 74 aller 174 Befragten haben hier In- rung des Kongresstourismus) put geliefert und eine breite Palette an Vorschlä- Fonds zur Unterstützung von konkreten gen für weitere wünschenswerte Maßnahmen Übersetzungsprojekten nach Vorbild des unterbreitet. Nachstehend eine kleine Auswahl: COVID-Arbeitsstipendiums der Stadt Wien Längerfristig ansetzende Maßnahmen (z. B. Aufklärungsarbeit und Aufwertung des Be- Steuerbegünstigungen, Ankurbelung der rufsstandes nach außen Nachfrage in den nächsten Jahren, Abgehen Stärkere Präsenz in der öffentlichen Bericht- vom Billigstbieterprinzip bei öffentlichen erstattung Auftragsvergaben) Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen Maßnahmen zur Kompensierung des zeitlich (höhere Preise/Gebühren, Zahlungsmoral, verzögerten Einkommensverlusts Stornoregelungen), insbesondere gegenüber Mehr Remote-Einsätze und vermehrte Be- öffentlichen Auftraggeber*innen wusstseinsbildung in Bezug auf RSI Bedingungsloses Grundeinkommen (auf der Rasche Bezahlung offener Gebühren durch Grundlage eines gesetzlichen Mindestlohns) Gerichte und Polizei Einkommensabhängiges Ersatzeinkommen Orientierung der Unterstützungsleistungen (auf Grundlage des letzten Steuerbescheids am Zeitpunkt des Ausfalls, nicht an den oder Wirtschaftsjahres) für Einnahmen-Aus- Zahlungseingängen gaben-Rechner Subvention für Übersetzungen für auftrag- Einmalzahlungen gebende Unternehmen, um dem Einbrechen Hilfe für Soloselbstständige, die über die der Auftragslage entgegenzuwirken Höhe der Betriebskosten hinausgeht Verlängerung der Unterstützungsleistungen Erlass bzw. nachhaltige Senkung von Steu- bis Mitte 2021 ern und Sozialversicherungsbeiträgen Q2 2020 Q3 2020 Q4 2020 Q1 2021 Q2 2021 Q3 2021 Q4 2021 2022 später Antwortoptionen 1% Bis wann wird es Ihrer Meinung Q2 2020 11% 3% 5% nach dauern, bis sich die Q3 2020 Branche von der Krise erholt? Q4 2020 10% 19% Q1 2021 Etwa 27 % der Befragten glauben an eine rela- tiv rasche Erholung der Branche bis Jahresende Q2 2021 2020, während der Großteil (knapp 60 %) davon 11% Q3 2021 ausgeht, dass die Krise erst später, nämlich bis Q4 2021 Ende 2021, überwunden sein wird. Ein kleine- rer Anteil der Befragten rechnet mit einem noch 2022 längeren Andauern der Auswirkungen bis ins Jahr 23% später 17% 2022 (11 %) oder sogar bis ins Jahr 2025 (1 %).
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 19 DOLMETSCHEN IM ASYLWESEN – ENTWICKLUNGEN SOWIE QUALITÄTSSICHERNDE MASSNAHMEN Annika Bergunde & Sonja Pöllabauer Nachdem wir 2014 (04/2014), 2015 (01/2015) und 2018 (02/2018) im Mitteilungsblatt von UNIVERSITAS Austria über Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Projekt QUADA („Qualitätsvolles Dolmetschen im Asylverfahren“) und die damit verbundene und über den Verband Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) bzw. österreichische Volkshochschulen (VHS) angebotene Qualifizierungsmaßnahme berichtet haben, nutzen wir diese Gelegenheit, aktuelle Entwicklungen im Hinblick auf das Dolmetschen im Asylwesen darzustellen. Rückblick auf system“ vereinbart, das eine Priorisierung der Qualifizierungsmaßnahmen QUADA-Absolvent*innen innerhalb der verschie- Annika Bergunde, UNHCR denen im Asylverfahren bestellten Gruppen von Österreich, Koordinatorin für Im Rahmen des 2013 ins Leben gerufenen Dolmetscher*innen (Gerichtsdolmetscher*innen; den Bereich Dolmetschen im Projekts QUADA wurde unter der Koordinati- diplomierte Dolmetscher*innen; „Sprachkun- Bridge-Projekt, bergunde@ on von UNHCR Österreich und über Finanzie- dige“ ohne formale Ausbildung im Dolmet- unhcr.org rung des Europäischen Flüchtlingsfonds (EFF) schen) vorsieht (Bergunde/Chahrokh/Pöllabauer sowie des Bundesministeriums für Inneres 2018:18). Aktuell wird der QUADA-Lehrgang von (BMI) ein modular aufgebautes Trainingspro- der Volkshochschule Wien-Alsergrund angeboten gramm zur fachspezifischen Qualifizierung von (VHS 2020). Dolmetscher*innen im Asylverfahren für den Bereich Fremdenwesen und Asyl entwickelt. Nachfrage nach dem QUADA- Entwickelt wurde diese Qualifizierungsmaß- Trainingshandbuch nahme auf der Basis begleitender wissen- schaftlicher Vorerhebungen in Kooperation mit Das im Rahmen von QUADA entstandene Trai- Expert*innen (Bergunde/Pöllabauer 2014:12f.). ningshandbuch (UNHCR 2015) erfreut sich Nach einer Pilotphase im Jahr 2014 wurde das reger – auch internationaler – Nachfrage. Die Projekt ab 2015 in Kooperation mit dem VÖV ursprüngliche deutsche PDF-Version (UNHCR in einem Blended-Learning-Format (vorberei- 2014) wurde infolge der Nachfrage 2015 vom tende Online-Einheiten, gefolgt von darauf Verlag Trauner in Buchform herausgegeben. aufbauenden mehrtägigen Präsenzeinheiten) Eine „internationalisierte“ englische Ausga- Sonja Pöllabauer, forscht an österreichischen VHS in Wien (Alsergrund) be, die in Kooperation mit dem Institut für und lehrt am Zentrum für und Salzburg angeboten. Das Curriculum die- Translationswissenschaft der Universität Graz Translationswissenschaft ser Qualifizierungsmaßnahme basiert auf einem entstand, erschien 2017 in PDF-Version (UNH- der Universität Wien, sonja. umfassenden Trainingshandbuch mit 12 asyl- CR 2017) und 2018 in gedruckter Ausgabe bei poellabauer@univie.ac.at und fachspezifischen Lernmodulen (Bergunde/ Frank & Timme (Bergunde/Chahrokh/Pöllabauer Pöllabauer 2015:22f.). 2017 wurde in Koopera- 2018:18). Seitdem wurden darüber hinaus eine tion mit dem VÖV, den VHS und Vertreter*innen französische sowie eine russische Version ver- von Universitäten als Maßnahme zur Quali- öffentlicht, eine spanische ist zurzeit über ein tätssicherung eine Zertifikatsprüfung entwi- Team der Universidad de Alcalá de Henares in ckelt, die als formaler Abschluss des QUADA- Bearbeitung. In alle fremdsprachigen Versionen Lehrgangs gilt und seitdem von einem Team waren zumindest die jeweiligen nationalen Bü- aus Lehrenden und Fachexpert*innen bereits ros von UNHCR eingebunden. Neu ist auch, dass viermal abgehalten wurde. Mit den zuständi- alle Handbücher im Sinne eines Open-Access- gen Behörden wurde seitdem auch ein „Anreiz- Zugangs in PDF-Format zum freien Download
20 UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 to-Face-Trainings, denen das verpflichtende Online-Training vorangeht, wurden bereits mehrmals in verschiedenen europäischen Län- dern angeboten (z. B. EASO 2018). Geleitet werden diese Schulungen nach Vorgaben von EASO von Trainer*innen-Zweierteams, die je- weils Expertise in den Bereichen Recht bzw. Translation/Dolmetschen haben. Grundsätz- lich wäre dieses Trainingsangebot für alle EU- © UNHCR Mitgliedstaaten frei zugänglich (EASO 2020), wobei das Trainingsmaterial für den deutschen QUADA auf Refworld Raum auch in deutscher Übersetzung verfüg- bar ist (EASO o.J.). Im DACH-Raum wurde die- se Möglichkeit 2019 allerdings bislang nur in Berlin für Dolmetscher*innen des Qualitätssi- über Refworld1, die weltweit frei abrufbare Infor- cherungsteams des Referats 31E Sprachdienste mationsdatenbank von UNHCR, zugänglich sind2. des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF 2020) angeboten. Für eine umfassende Darstellung des Projekts QUADA und der damit verbundenen nationalen Vor dem Hintergrund dieses Trainings und über wie internationalen Initiativen s. Bergunde/ Kontakte von UNHCR Österreich zu den UNHCR- Pöllabauer (2019). Büros bzw. Asylbehörden in Deutschland und der Schweiz entstand auch ein weiterer Versuch Internationale Kooperation der stärkeren internationalen Vernetzung im Hinblick auf eine Qualitätssicherung im Asyl- 2018 haben wir bereits auf ein Projekt der verfahren, die u. a. auch das Dolmetschwesen Europäischen Asylagentur EASO (European umfasst. So wurde ein Austauschtreffen zwi- Asylum Support Office) hingewiesen (Bergun- schen Vertreter*innen der deutschen, schwei- de/Chahrokh/Pöllabauer 2018:19), in dessen zerischen und österreichischen Asylbehörden, Rahmen unter Mitwirkung von Expert*innen UNHCR und mit dem Dolmetschen befassten aus den Bereichen Asyl, Dolmetschen und Di- Expert*innen initiiert, das – für Juni 2020 ge- daktik ein umfassendes Online-Trainingspro- plant – pandemiebedingt im Herbst 2020 statt- 1 Link Refworld: https://www.refworld.org. gramm und damit verbundenes Lehrmaterial finden soll. Im Rahmen dieser DACH-Gruppe 2 Link Download Handbücher: (Handbücher für Trainer*innen, Handreichun- soll in Zukunft der Austausch im Hinblick auf https://www.refworld.org/cgi-bin/texis/ gen für Trainees) für darauf basierende Face- – auch sprachliche und translatorische – Qua- vtx/rwmain?docid=59c8b3be4. to-Face-Trainings entwickelt wurde. Die Face- litätssicherungsmaßnahmen (z. B. der Einsatz von angestellten Qualitätsdolmetscher*innen beim BAMF; Zugangsvoraussetzungen für Akkre- ditierungen) im Asylwesen intensiviert werden. Nationale Kooperation(en) Austausch und Kooperation über die ver- schiedensten Institutionen steht auch auf nationaler Ebene im Vordergrund. Bereits seit 2008 realisiert UNHCR Österreich spezielle Qualitätssicherungsprojekte, um die Asylver- © Sonja Pöllabauer waltung im Bereich der Qualitätssicherung bundesweit zu unterstützen. In diesem Zu- sammenhang wurden stets auch dolmetsch- relevante Themen aufgegriffen – so etwa im aktuell durchgeführten Qualitätsprojekt EASO-Training in Berlin „Bridge – Kooperation im Asylbereich3“, wel- ches durch den Asyl-, Migrations- und Integ-
UNIVERSITAS Mitteilungsblatt 3/20 21 rationsfonds (AMIF) der EU und das BMI ko- In Bezug auf die behördeninterne Organisation finanziert wird. des Dolmetschwesens im Bereich Asyl-, frem- denrechtliche und polizeiliche Verfahren und da- Bereits 2019 wurde UNHCR etwa eingeladen im mit verbundene Abläufe wurden im letzten Jahr Rahmen des BMI-internen Schulungsprogramms Neuerungen ins Leben gerufen. So wurde durch für BFA-Referent*innen zum Thema Einvernah- die zuständige Abteilung V/11 (Ressourcen) des metechnik einen mehrstündigen inhaltlichen BMI ein zentrales Dolmetschregister geschaffen Themenblock zu Spezifika des Dolmetschens und werden weitere Qualitätsmaßnahmen wie sowie eine für alle Parteien gewinnbringende etwa standardisierte Kompetenzüberprüfungen Einbindung von Dolmetscher*innen zu gestal- von Dolmetscher*innen umgesetzt. ten. Als dafür beauftragtes Trainerinnen-Team fungierten die Autorinnen dieses Beitrags. Eine Das Bridge-Projekt wird aktuell laufend ange- ähnliche Train-the-User-Schulung war in glei- passt, um den Auswirkungen der Maßnahmen cher Besetzung 2018 auch bereits für das Bun- zur Eindämmung von COVID-19 auf die Asylver- desverwaltungsgericht (BVwG) als zweite Ins- waltung Rechnung zu tragen. So werden Schu- tanz im Asylverfahren angeboten worden. lungs- und Austauschformate nach Möglichkeit virtuell angeboten und Tools für die Bewälti- Förderlich für einen intensivierten Austausch gung der neuen Herausforderungen im Asylver- zur Qualitätssicherung im Hinblick auf trans- fahren entwickelt. Vor diesem Hintergrund wur- latorische Dienstleistungen ist, dass das de etwa ein Selbstcheck für Einvernahmen und Thema Dolmetschen auch im aktuellen Re- Verhandlungen unter Verwendung technischer gierungsübereinkommen (Regierungsüber- Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung einkommen 2020) mehrfach aufgegriffen im Asylverfahren erarbeitet. wurde. So wird beispielsweise im Kapitel „Europa, Integration, Migration & Sicher- Videodolmetschen im Asylkontext heit“ mit Bezug auf das Thema Asyl und die Notwendigkeit von „[s]chnellen, faire[n] und Wie dem letzten Mitteilungsblatt und dem da- qualitätsvolle[n] Asylverfahren“ (S. 197) rin enthaltenen Bericht der Taskforce Remote auch auf die „Verbesserung der Qualität“ von Simultaneous Interpreting (RSI) zu entnehmen Dolmetschleistungen, „Ausbildung und Wei- war (02/2020), beschäftigt das Thema Video- terbildung, Monitoring und Feedback“ (S. dolmetschen – zwar nicht erst seit der Covid- 198) hingewiesen sowie ein „[a]usreichendes 19-Pandemie, aber doch in plötzlich steigendem Kontingent an qualifizierten Dolmetscherin- Maß – auch Verbände, Praktiker*innen und die nen und Dolmetschern“ gefordert. Wissenschaft. Das Remote Interpreting im Asyl- kontext – für diesen Beitrag wird im Folgenden Im März 2020 folgte auf Einladung von UNHCR der Terminus Videokonferenzdolmetschen oder etwa eine Austauschveranstaltung zum Dolmet- videokonferenzgestütztes Dolmetschen (zur schen in Asyl-, fremdenrechtlichen und polizei- Terminologie s. Taskforce RSI 2020) verwen- lichen Verfahren mit Vertreter*innen der Behör- det – ist wissenschaftlich wenig erforscht (Ellis den und Universitäten. Eine Fortsetzung dieses 2004; Federman 2006; Licoppe et al. 2018). Forums ist ebenfalls für Herbst 2020 geplant. In der Praxis kam diese Dolmetschform zwar auch vor der Covid-19-Pandemie vereinzelt im Seit 2020 zählt zudem die neu errichtete Bun- Asylkontext zum Einsatz, etwa für Einvernah- desagentur für Betreuungs- und Unterstüt- men in Räumlichkeiten von Justizanstalten, zungsleistungen (BBU) zur Zielgruppe des statistische Aufzeichnungen zum Einsatz von Bridge-Projekts. Diese soll bei der Aus- und per Videokonferenz geführten Einvernahmen/ Fortbildung ihrer Mitarbeiter*innen und im Verhandlungen sind allerdings nicht öffentlich Bereich des Qualitätsmanagements unterstützt verfügbar. Seit Ausbruch der Pandemie und den werden. Auch Dolmetschen wird als ein Auf- damit verbundenen Zugangsbeschränkungen zu gabengebiet der BBU festgelegt – wenngleich behördlichen Einrichtungen sowie angewandten genaue Zuständigkeiten noch festzulegen sind. Sicherheits- und Schutzmaßnahmen ist jedoch Vertreter*innen der BBU nahmen ebenfalls am eine Zunahme derartiger Einvernahme- und Ver- 3 Link Bridge-Projekt: oben erwähnten Austauschtreffen teil. handlungssituationen zu verzeichnen. Das nach https://www.unhcr.org/dach/at/was-wir- derzeitigen Informationen übliche Szenario ist, tun/asyl-in-oesterreich/projekt-bridge.
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