3/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria

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3/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
UNIVERSITAS 3/20                                              Mitteilungsblatt
                                                              ISSN 1996-3505

     Mitglied der Fédération Internationale des Traducteurs
3/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
2   UNIVERSITAS           Mitteilungsblatt 3/20

      INHALT
      Agenda Translation                                                      5
      Dagmar Jenner

      Lehre in Zeiten von Corona – ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht8
      Silvia Glatzhofer

      COVID-19: Umfrage zu den wirtschaftlichen Auswirkungen und staatlichen
      Unterstützungsmaßnahmen für Dolmetscher*innen und Übersetzer*innen      11
      Bianca Schönhofer

      Dolmetschen im Asylwesen – Entwicklungen
      sowie qualitätssichernde Maßnahmen                                      19
      Annika Bergunde & Sonja Pöllabauer

      And the winner is ... networking!
      Tipps zur Kundenakquise                                                 24
      Silvia Glatzhofer

      Rezension:
      Besondere Berufsfelder für Dolmetscher*innen                            26
      Jennifer Zeller

      Mediensplitter28
      María Palma

      UNIVERSITAS-Terminkalender29
      UNIVERSITAS Austria

      Verbandsmitteilungen30
      UNIVERSITAS Austria

      Rätsel32
      Vera Ribarich
3/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
UNIVERSITAS       Mitteilungsblatt 3/20        3

EDITORIAL
Das Leben nach dem Lockdown

Liebe Leserinnen, liebe Leser,                      Auch im Asylkontext hat die Corona-Pandemie
                                                    zum verstärkten Einsatz des Videodolmetschens
neue Normalität, Post-Lockdown, die Ära der         geführt. Unter anderem wurden von UNHCR Ös-

                                                                                                                               ©  John Michael Oliver
Corona-Ampel – wie auch immer wir die Zeit,         terreich Empfehlungen für Einvernahmen und
die wir gerade durchleben, bezeichnen, eines        Verhandlungen in entsprechenden Settings
dürfte gewiss sein: Die Pandemie ist noch nicht     zusammengestellt, wie im Beitrag von Annika
ausgestanden und die Nachwirkungen der hei-         Bergunde und Sonja Pöllabauer nachzulesen
ßen Phase sind vielerorts auch nach Ende des        ist. Darüber hinaus liefern die Autorinnen ei-
Lockdowns noch empfindlich spürbar. Wenig           nen umfassenden Überblick über aktuelle Ent-      Bianca Schönhofer,
überraschend schlängelt sich das Thema COVID        wicklungen und Qualitätssicherungsprojekte im     Redakteurin
daher auch konsequent durch diese Ausgabe,          Bereich des Dolmetschens im Asylwesen.
sei es auf direkte oder indirekte Weise.
                                                    Ansonsten fand Ende Juni erstmals eine Men-
Um sich ein Bild von den wirtschaftlichen Aus-      toring-Veranstaltung in größerer Runde statt,
wirkungen der Coronakrise und den staatlichen       die – wie könnte es auch anders sein – eben-
Hilfsmaßnahmen zu machen, haben die in der          falls online via Zoom abgehalten wurde und den
Translationsplattform zusammengeschlossenen         Mentees Gelegenheit bot, sich mit erfahreneren
Berufsverbände Mitte Juni eine Online-Umfrage       Kolleg*innen über Tipps und Tricks zur Kun-
unter Dolmetscher*innen und Übersetzer*innen        denakquise auszutauschen. Welches Schlagwort
durchgeführt. Kurz gesagt: Die Ergebnisse be-       dabei am häufigsten fiel, verrät ihnen Silvia
stätigen die naheliegende Erwartung, ist doch       Glatzhofer im entsprechenden Bericht. In die-
die gesamte Branche stark von der Krise be-         sem Zusammenhang mag auch das von Jennifer
troffen. Weitere Einzelheiten und Analysen zur      Zeller rezensierte Werk „Besondere Berufsfelder
Umfrage finden Sie im Blattinneren.                 für Dolmetscher*innen“ so manchen als Inspi-
                                                    ration und Wegweiser dienen.
Abgesehen von den wirtschaftlichen Auswir-
kungen hat das Virus den Berufsalltag vieler        Abschließend bleibt mir noch, Ihnen einen
Kolleg*innen ganz schön auf den Kopf gestellt.      schönen, coronafreien Sommerausklang zu
So auch an den Universitäten, als sich Studieren-   wünschen. Kommen Sie gesund in den Herbst!
de wie Lehrende plötzlich mit der Umstellung von
Präsenzveranstaltungen auf Online-Unterricht        Viel Spaß beim Lesen!
konfrontiert sahen. Silvia Glatzhofer berichtet
aus Dozentensicht von den Strapazen und Her-
ausforderungen, aber auch Erfolgserlebnissen,
die die Distanzlehre bisher mit sich brachte.

                                                    Bianca Schönhofer
                                                    bianca.schoenhofer@universitas.org
3/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
4            UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 3/20

IMPRESSUM
Das Mitteilungsblatt von UNIVERSITAS Austria, Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen, dient dem
Informationsaustausch zwischen den Verbandsmitgliedern. ISSN 1996-3505

Herausgeber: UNIVERSITAS Austria, Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen
Gymnasiumstraße 50, 1190 Wien, Tel.: + 43 1 368 60 60, info@universitas.org

Redaktion: Bianca Schönhofer, bianca.schoenhofer@universitas.org, Tel.: + 43 664 466 37 44
Ständige Mitarbeit: María Palma, Katerina Sinclair, Vera Ribarich • Koordination Rezensionen: Julia Schöllauf •
Lektorat: Karina Ghilea-Trummer

Beiträge, Wünsche, Anregungen, Leserbriefe bitte an eine der oben stehenden E-Mail-Adressen senden – danke!
Das Mitteilungsblatt erscheint vierteljährlich. Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe: 15. Oktober 2020

Grafik und Layout: Sabina Kargl-Faustenhammer
Titelbild: “economy crisis with graph or chart decrease down because or corona covid-19 concept with modern flat style”
© ribkhan / Adobe Stock
3/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 3/20           5

                          AGENDA TRANSLATION
                          Dagmar Jenner

                                                                           im Rahmen von Empfängen und offiziellen Ver-
                                                                           anstaltungen im Einsatz gewesen und erwarb
                                                                           sich überdies im Zuge ihrer ehrenamtlichen Tä-
                                                                           tigkeit als Leiterin des Österreichischen Latein-
                                                                           amerika-Institutes große Verdienste. Herzliche
Illustration: © UNIVERSITAS Austria

                                                                           Gratulation zu dieser hohen Auszeichnung!

                                                                           Und hier ein kurzer Überblick über die Ereignis-
                                                                           se der vergangenen Monate im alphabetischen
                                                                           Word-Rap:

                                                                           Das Auftragsvolumen ist für viele von uns be-
                                                                           dauerlicherweise, aber keinesfalls überraschend
                                                                           deutlich gesunken, wie in der Umfrage in dieser     Dagmar Jenner ist Dolmet-
                                                                           Ausgabe nachzulesen.                                scherin und Übersetzerin
                                                                                                                               für Englisch, Spanisch und
                        Liebe Kolleginnen und Kollegen,                    Die Bremer Runde, ein informelles Treffen der       Französisch und Präsidentin
                                                                           Spitzen der deutschsprachigen Verbände, fand        von UNIVERSITAS Austria.
                        mit großer Trauer hat die Translations-Commu-      diesmal statt persönlich in Leipzig online via
                        nity vom Ableben des großen Gerhard Reinagel       Zoom statt. Besprochen wurde unter anderem
                        erfahren. Seine KollegInnen, Studierenden und      das vieldiskutierte Thema der Freischaltung von
                        WegbegleiterInnen schätzten unter anderem          eTranslation, des maschinellen Übersetzungs-
                        seine großartigen translatorischen Leistungen,     tools der Europäischen Kommission, für KMU in
                        seinen bestechenden Humor und seine Fähig-         ganz Europa.
                        keit, Menschen zu Höchstleistungen zu inspi-
                        rieren – und seine ausgeprägte Weltläufigkeit.     Wir alle haben in den letzten Monaten noch
                        Der Nachruf auf der Website des ITAT bringt es     viel mehr Zeit als sonst vor unseren Computern
                        schön auf den Punkt:                               verbracht. Eine gewisse Ermüdung in Sachen
                                                                           Online-Veranstaltungen macht sich nicht nur
                        „Er brachte in Prä-Internet-Zeiten einen Hauch     bei der Autorin dieser Zeilen breit.
                        weite Welt nach Graz: in Form von Originalreden
                        aus seiner Berufspraxis, die die Studierenden      Die Auftragslage fürs Dolmetschen ist einge-
                        ordentlich ins Schwitzen brachten; mit seinen      brochen, weshalb nichts anderes übrig bleibt,
                        Verdolmetschungen französischer Staatsober-        als die frei gewordene Zeit zur Fortbildung zu
                        häupter im ORF; oder in Form des ersten Apple      nutzen, etwa beim gut besuchten UNIVERSI-
                        Macintosh Computers, den er eigenhändig aus        TAS-/AIIC-Webinar zum Thema „Remote Simul-
                        den USA importiert hatte und der Studierende       taneous Interpreting“ mit Klaus Ziegler oder
                        wie Lehrerkollegium ob der völlig neuartigen       unserem Webinar zum Thema „Sounding natural
                        Benutzeroberfläche (die erste Maus!) unend-        in English“ mit Sophie Llewellyn Smith.
                        lich beeindruckte. Gerhard Reinagel wird uns in
                        Erinnerung bleiben als großer Dolmetscher, In-     Der Elefant in Babyformat hat in unserem Le-
                        tellektueller und Lehrer, der seine Studierenden   ben Einzug gehalten, theoretisch zumindest.
                        gefordert und gefördert hat – mit Wissen, Witz     Ich persönlich bevorzuge andere Tiere, etwa
                        und einer Prise wohlwollender Ironie.“             unseren „Hahnsi“ (siehe unten), zumal dieser
                                                                           auch bei uns heimisch ist.
                        Eine wiederum sehr erfreuliche Nachricht er-
                        reichte uns ebenfalls aus Graz: UNIVERSITAS-       FIT Europe hat eine tolle Marketingkampagne
                        Mitglied Eva Kauch erhielt das Goldene Ehren-      gestartet, die auch auf nationaler Ebene Ver-
                        zeichen des Landes Steiermark. Sie war bzw.        wendung finden kann und soll. Hier ein erster
                        ist über vier Jahrzehnte für fünf steirische       Einblick in das dazu gehörige grafische Materi-
                        Landeshauptleute als Englisch-Dolmetscherin        al. Insgesamt wird es 11 Sujets für unterschied-
3/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
6   UNIVERSITAS   Mitteilungsblatt 3/20

                                                          liche Dolmetsch- und Übersetzungssituationen
                                                          geben. Der Hashtag für die sozialen Medien
                                                          lautet #GettingYouUnderstood. Nähere Infor-
                                                          mation dazu finden Sie in unserem iBoard und
                                                          die Dateien befinden sich auf unserer Website.

                                                          Der Ausschuss für PR und Strategie hat in
                                                          Erwägung gezogen, Google-Werbung zu
                                                          schalten. Das Ziel war, dass eine Google-
                                                          Suche nach Übersetzen bzw. Dolmet-
                                                          schen auf unsere Mitglieder-Datenbank
                                                          auf der Website verlinkt. Leider hat sich
                                                          nach einer durch Büromitarbeiterin Daniela
                                                          Kosic´ durchgeführten Analyse herausgestellt,
                                                          dass diese Werbung unsere Budgetgrenzen
                                                          überschreitet, da nur mit beträchtlichem fi-
                                                          nanziellen Einsatz brauchbare Resultate er-
                                                          wartbar wären.

                                                          Vom Härtefall-Fonds der österreichischen
                                                          Regierung haben etliche unserer Mitglieder
                                                          profitiert, wie in der bereits erwähnten Um-
                                                          frage nachzulesen.
©  FIT Europe

                                                          Von unserem englischen Schwesterverband
                                                          ITI und ihrem Vorsitzenden Paul Appleyard
                                                          habe ich mir die Idee, diese Kolumne al-
                                                          phabetisch zu gestalten, abgeschaut. Vielen
                                                          Dank für die Inspiration!

                                                          Unsere Jungmitglieder hatten es in den ver-
                                                          gangenen Monaten nicht leicht, da sie, wie die
                                                          Lehrenden natürlich auch, von einem Tag auf
                                                          den anderen auf Online-Lehre umsteigen muss-
                                                          ten. Da blieb nicht mehr viel Zeit für andere Ak-
                                                          tivitäten – und auch diese fanden online statt.
                                                          Auf Besserung im Herbst wird gehofft.

                                                          Krankheitsfälle infolge von Corona gab es
                                                          meines Wissens unter UNIVERSITAS-Mitgliedern
                                                          bisher nicht.

                                                          Der berühmte Lockdown hat uns alle kalt er-
                                                          wischt. Wir können froh sein, diese besonders
                                                          beklemmende Zeit nun hinter uns zu haben –
                                                          und hoffen, dass dies bei einer einmaligen Er-
                                                          fahrung bleibt.

                                                          Unserem Maskottchen „Hahnsi“ geht es üb-
©  FIT Europe

                                                          rigens prächtig – flanieren Sie doch einfach
                                                          einmal in der U3-Station Herrengasse vorbei,
                                                          um unser schönes Werbeschild zu bewundern.
                                                          Erst kürzlich zeigte sich eine in Wien auf Urlaub
                                                          weilende niederländische Kollegin sehr angetan
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UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 3/20   7

von unserer Kampagne. Alternativ freut sich          dingt anmelden! Alle Infos dazu haben wir am
natürlich auch unser Patentier im mittlerweile       iBoard veröffentlicht.
wieder geöffneten Tiergarten Schönbrunn über
einen Besuch.                                        Nachdem die Universitäten, allerdings ohne
                                                     Lehrbetrieb, wieder aufgesperrt haben, ist auch
Netflix erlebt derzeit seine Hoch-Zeit. Viel-        unser Büro am Zentrum für Translationswissen-
leicht bietet die derzeitige Situation eine gute     schaft wieder geöffnet.
Gelegenheit, Inhalte in potenziellen Arbeits-
sprachen zu konsumieren, mit oder ohne einge-        Unsere Vorstandssitzungen fanden seit Beginn
schalteten Untertiteln?                              des Lockdowns virtuell via Zoom statt. Auch
                                                     wenn Treffen von Angesicht zu Angesicht in
Das Office wanderte auch bei Angestellten nach       der Regel zu bevorzugen sind, werden wir die-
Hause und wurde zum Home-Office, was techni-         ses Format fortführen und voraussichtlich jede
sche und organisatorische Schwierigkeiten mit        zweite Vorstandssitzung virtuell stattfinden
sich bringen kann. Selbstständige wie die meis-      lassen. Das spart Zeit und Geld bei der Anrei-
ten TranslatorInnen sind in der Regel besser auf-    se derjenigen Vorstandsmitglieder, die nicht in
gestellt und schon seit Jahren mit entsprechen-      Wien zu Hause sind.
der Infrastruktur in dieser Konstellation tätig.
                                                     Nach all den Webinaren und anderen Web-Ver-
Sehr produktiv ist die Verbandsarbeit auch in        anstaltungen freue ich mich auf ein möglichst
Krisenzeiten – sie hat sich lediglich in den digi-   baldiges physisches Wiedersehen mit Ihnen
talen Raum verlagert. Alle Vorstands- und Aus-       – vielleicht bei einer der für Herbst geplanten
schussmitglieder sind spätestens jetzt Profis im     Fortbildungen, etwa „Dolmetschen im Rahmen
Umgang mit Zoom und Co.                              länderübergreifender PatientInnenmobilität“
                                                     am 16. Oktober oder dem Seminar zum Thema
Die oft irrtümlich als Quarantäne bezeichnete        „International Financial Reporting Standards“
Selbstisolation hat wenig bis gar keinen Spaß        am 6. November.
gemacht und wieder einmal eindrucksvoll be-
legt, dass auch angeblich introvertierte Über-       XL soll diese Kolumne nicht werden, aber
setzerInnen durchaus soziale Wesen sind. Üb-         glücklicherweise bin ich nun fast am Ende des
rigens musste eine geschätzte Kollegin nach          Alphabets angelangt.
einem Coronafall in ihrem Umfeld tatsächlich in
Quarantäne – und die hat so überhaupt keinen         In der Corona-Anfangszeit habe ich Yoga auf
Spaß gemacht, wie sie berichtete. Glücklicher-       YouTube für mich entdeckt – die vielen hoch-
weise war ihr Testergebnis negativ.                  professionell gestalteten Kurse haben mir sehr
                                                     geholfen, mit der bedrückenden Situation bes-
Rätsel gibt uns allen der weitere Verlauf der Co-    ser umzugehen. Besonders empfehlen kann ich
ronakrise auf. Kommt eine zweite Welle im Herbst     „Yoga with Kassandra“ und „Yoga with Adriene“.
oder bald eine Impfung? Hoffen wir das Beste!
                                                     Die Zertifizierung von UNIVERSITAS Austria
Die Subvention in der Höhe von EUR 3.700, die        gibt es schon lang – wenn Sie aber bisher im
UNIVERSITAS Austria jährlich vom Bundesminis-        Turbo-Alltag keine Gelegenheit gefunden ha-
terium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und    ben, Ihre Übersetzungs- und/oder Dolmetsch-
Sport, zweckgebunden für dieses Mitteilungs-         kenntnisse verbandsintern zertifizieren zu las-
blatt, erhält, ist auch dieses Jahr in unveränder-   sen und damit einen Wettbewerbsvorteil zu
ter Höhe eingegangen. Der bürokratische Auf-         erzielen, ist vielleicht gerade jetzt ein idealer
wand ist beträchtlich, aber zahlt sich aus!          Zeitpunkt dafür. Alle Infos dazu finden Sie auf
                                                     unserer Website.
Der internationale Tag des Übersetzens wird
diesmal von der IG Übersetzerinnen Übersetzer        Translatorischen Gruß
im Wiener Literaturhaus ausgerichtet und fin-
det am Mittwoch, 30. September statt. Diesmal        Dagmar Jenner
wird auch der Elisabeth-Markstein-Preis verlie-      dagmar.jenner@universitas.org
hen. Es gibt begrenzte Plätze, also bitte unbe-
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                        LEHRE IN ZEITEN VON CORONA –
                        EIN SEHR PERSÖNLICHER ERFAHRUNGSBERICHT
                        Silvia Glatzhofer

                                                          A
                                                                     m 10. März wurden die Lehrenden         sumieren. Ein paar Reden hatte ich für das
                                                                     der Karl-Franzens-Universität von       Sommersemester sowieso geplant; die Auswahl
                                                                     der Aussetzung der Präsenzlehre         der zusätzlichen Vorträge, Reden und Podcasts
                                                                     informiert. Da war das Sommerse-        erwies sich allerdings als ziemlich zeitintensiv.
                                                          mester gerade mal etwas über eine Woche alt,       Wobei … Zeit war das geringste meiner Pro-
                                                          und ich hatte „meine“ Studierenden erst einmal     bleme, weil leider bald alle Dolmetscheinsätze
© John Michael Oliver

                                                          gesehen. Ich unterrichtete in diesem Semester      abgesagt wurden und anfangs auch die Über-
                                                          im Modul Konferenzdolmetschen Englisch „Ana-       setzungsaufträge ausblieben.
                                                          lyse- und Dolmetschtechniken“, „Konsekutiv
                                                          Advanced“ und „Konferenzdolmetschen: Begin-        Austausch mit anderen im selben
                                                          ners“ (Simultan und Konsekutiv). Von einem         Boot
                         Silvia Glatzhofer ist            Moment auf den nächsten mussten wir also auf
                         Konferenzdolmetscherin,          Fernunterricht umstellen. Von einem gut vor-       Mit dem Hintergedanken, dass man sich gleich
                         Übersetzerin und Universi-       bereiteten Semester zu …. nun ja …. wenig          viel weniger einsam in seinen Bemühungen
                         tätslektorin. Sie unterrichtet   Ahnung von Distanzlehre.                           fühlt, wenn man sich mit anderen kurzschließt,
                         am Institut für Theoretische                                                        die vor denselben Herausforderungen stehen,
                         und Angewandte Translati-        Zuerst dachte ich wie viele andere auch, dass      verschickte ich bereits Mitte März unter dem
                         onswissenschaft in Graz.         der Spuk bald vorüber sei und wir spätestens       Betreff „Anzapfen der Schwarmintelligenz“ ein
                                                          nach Ostern wieder zum Regelunterricht zu-         E-Mail an KollegInnen am ITAT und schlug ei-
                                                          rückkehren würden. Wie sollte man denn auch        nen Ideenaustausch vor. Diese Plattform wurde
                                                          Simultandolmetschen online vermitteln kön-         während des ganzen Semesters fleißig genutzt,
                                                          nen? Wie sollte das funktionieren? Und erst        vor allem um die verschiedenen Möglichkeiten
                                                          recht all die Vorübungen für Simultan, die ich     des Simultanunterrichts zu diskutieren. Kolle-
                                                          für die dem eigentlichen Simultanunterricht        gInnen teilten informative Links und berichte-
                                                          vorgelagerte Lehrveranstaltung Analyse- und        ten über Erfolgserlebnisse und Misserfolge im
                                                          Dolmetschtechniken, kurz ADT, geplant hatte.       Unterricht. Ich fand diesen Austausch nicht nur
                                                          Wie die Kompetenzen vermitteln, die erforder-      fachlich wertvoll, sondern auch motivierend.
                                                          lich sind, um die Gleichzeitigkeit mehrerer ko-
                                                          gnitiver Anstrengungen (Hören, Analyse, inter-     Ich freundete mich mit Moodle an (okay, „an-
                                                          lingualer Transfer, Sprechen und Koordination      freunden“ ist vielleicht etwas übertrieben). Mei-
                                                          dieser unterschiedlichen efforts) zu meistern?     ne Familienmitglieder mussten herhalten, um
                                                          Ich war davon überzeugt, dass all das nur im       mit mir die verschiedenen Videokonferenzplatt-
                                                          Präsenzunterricht möglich sei, und der Unter-      formen wie Skype4Business, Jitsi, Zoom und Mi-
                                                          richt nur mit einer Simultandolmetschanlage        crosoft Teams auszuprobieren. Ich wollte mir ja
                                                          funktioniert, bei der die beiden parallel gehör-   vor den Studierenden keine Blöße geben (wobei
                                                          ten Input-Kanäle (Original und DolmetscherIn)      ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich das ge-
                                                          getrennt steuerbar sind. Ich überlegte mir also    schafft habe…). Ich begann die Info-Mails von
                                                          Arbeitsaufträge für die Zeit bis Ostern und        Rektorat, Dekanat, Fakultät und Institutsleitung
                                                          konzentrierte mich dabei auf die Verbesserung      aufmerksam zu lesen. Ich trat einer Facebook-
                                                          der Sprachkompetenz und Basiskompetenzen.          Gruppe von Dolmetschlehrenden weltweit bei
                                                          Die Aufgaben umfassten daher Shadowing, die        und klickte mich durch deren Anregungen. Der
                                                          Analyse von Reden, das Verfassen von Konse-        Fachbereich Englisch traf sich zu einer Bespre-
                                                          kutivreden und die Erstellung von Glossaren        chung auf Zoom, und es gab Infomeetings auf
                                                          zu einem vorgegebenen Thema. Ich forderte          Skype4Business mit dem Verantwortlichen für
                                                          die Studierenden auf, ihre Zeitungslektüre zu      die Lehre am Institut. Was das Administrative
                                                          intensivieren, Podcasts zu hören und eng-          und Organisatorische betraf, fühlte ich mich
                                                          lischsprachige Serien auf Netflix u. ä. zu kon-    sehr gut unterstützt. Was fehlte: der persönliche
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UNIVERSITAS         Mitteilungsblatt 3/20   9

Kontakt zu den KollegInnen, der informelle Aus-     ein neues Videokonferenz-Tool als Alternative
tausch in der Küche oder beim Kaffeeautomaten,      zu Zoom zur Verfügung, das wir aufgrund der
aber auch der Kontakt zu den Studierenden au-       Datenschutzproblematik nicht verwenden soll-
ßerhalb der Lehrveranstaltungen.                    ten. uniMEET basiert auf dem Open-Source-
                                                    Webkonferenzsystem Big Blue Button, wird
Und ich mache stümperhafte Anfängerfehler.          lokal am Uni-Server gehostet, stellt somit da-
Einmal höre ich mir zig aufgenommene Dolmet-        tenschutztechnisch kein Problem dar und wurde
schungen an und schicke jedem/jeder Studie-         explizit für den Unterricht entwickelt. Wie bei
renden auf Moodle einzeln ein ausführliches         Zoom gibt es Breakout-Räume, die Möglichkeit,
Feedback zu ihren Leistungen in den vorange-        seinen Bildschirm zu teilen, Präsentationen zu
gangenen drei Wochen. Dabei vergesse ich al-        starten und zu chatten. ABER: Die simultan zu
lerdings, die Beurteilungen bzw. das Feedback       dolmetschenden Reden müssen nach wie vor
in meinen eigenen Aufzeichnungen einzutragen        von den Studierenden individuell auf ihren Ge-
… Aber aus Fehlern lernt man ja bekanntlich.        räten gestartet werden, da sie nur im Plenum,
                                                    nicht aber in den Breakout-Räumen zu hören
Gegen Ende des Semesters werde ich in einem         sind. In der Praxis sieht das so aus: Die Studie-
Mail erwähnen, dass es sich anfühlt, als ob das     renden öffnen zwei Tabs (einen für das Plenum
Semester 30 Wochen hätte. Worauf eine liebe         und einen für den Breakout-Raum). Man kann
Kollegin antworten wird, dass das nur verständ-     den Input für alle zentral im Plenum starten
lich sei, weil wir ja auch doppelt so viel gear-    und die Studierenden müssen ggf. im Plenum
beitet hätten.                                      noch einmal das Audio freischalten. Dann kann
                                                    im Breakout-Raum gedolmetscht werden. Da-
Bald war klar, dass auch nach Ostern kein Prä-      durch kann synchron gearbeitet werden, und
senzunterricht stattfinden würde. Ich bereitete     ich konnte mich – wie vor Ort am Institut – in
mich also darauf vor, das ganze restliche Se-       die Breakout-Räume zuschalten und die Dol-
mester online zu unterrichten. Um die Lehr-         metschung hören. Es wäre doch zu schön gewe-
veranstaltungen interessanter zu gestalten,         sen, wenn das Ding keinen Haken gehabt hätte.
lud ich Kolleginnen als Gastrednerinnen ein.        Das System erwies sich um einiges instabiler als
Das hatte den unschätzbaren Vorteil, dass die       Zoom, nicht alle URLs können als Input verwen-
Studierenden auch von anderen Personen kons-        det werden (KEIN SCIC-Speech Repository!) und
truktives Feedback zu ihren Konsekutivleistun-      es ist nicht möglich, selbst erstellte Audio- oder
gen bekamen. Apropos Konsekutivunterricht …         Videodateien als Präsentationen hochzuladen.
der funktionierte eigentlich recht gut. Natürlich
mussten auch hier Abstriche gemacht werden.         Das Hauptproblem bei uniMEET, wie auch bei
Blickkontakt, Körperhaltung, Dolmetschen in         vielen anderen Videokonferenztools ist, dass
großen Räumen ohne Mikrofon und Notieren im         es in keiner Weise den für das Simultandolmet-
Stehen … all das konnten wir aus offensichtli-      schen definierten hohen Anforderungen an Ton-
chen Gründen nicht wirklich üben.                   und Bildqualität entspricht (ISO 22259: 2019
                                                    Conference Systems — Equipment — Require-
Beim Simultanunterricht sah die Sache schon         ments). Was für reine ZuhörerInnen als Tonqua-
ganz anders aus. Er erfolgte meist asynchron,       lität durchaus akzeptabel ist, führt für Simul-
sprich die Studierenden öffneten im Unterricht      tandolmetscherInnen u. a. durch Maskierung zu
den Link zu einer Rede auf einem Endgerät,          einem kognitiven Overload, der eine Erbringung
nahmen ihre Dolmetschung mit einem anderen          der Dolmetschleistung unmöglich macht – und
Gerät auf und mussten die Aufnahme dann in-         viel mehr noch die Vermittlung dieser Kompe-
nerhalb eines knappen Zeitfensters auf Moodle       tenzen an Studierende.
hochladen, damit ich sie mir anhören konnte.
Das Zeitfenster war deshalb knapp gehalten,         Diese Probleme wurden durch die mangelnde
damit ich auch wirklich jeweils den ersten Ver-     technische Ausstattung auf Studierendenseite
such zu hören bekam.                                noch weiter potenziert. Die bei den Studie-
                                                    renden ankommende Tonqualität war je nach
Und dann kam uniMEET.                               verwendetem Endgerät für eine Dolmetschung
                                                    nicht ausreichend. Bei einigen Studieren-
Nach Ostern stellte die Universität mit uniMEET     den war die Internetverbindung einfach zu
3/20 UNIVERSITAS - UNIVERSITAS Austria
10   UNIVERSITAS   Mitteilungsblatt 3/20

                   schwach, und sie konnten dem Unterricht via         nicht immer gleichbleibend gut ist. Die Latenz
                   uniMEET nur ohne Video bzw. in sehr wenigen         der Übertragung erschwert die Kommunikation.
                   Fällen gar nicht folgen. Die Arbeit an Timelag-     Antworten kommen oft verzögert. Das führt zu
                   Management, Outputkontrolle und Teamarbeit          Nachfragen, Zwischenrufen und Unterbrechun-
                   in der Kabine war unter den gegebenen Bedin-        gen. Und: es besteht fast keine Möglichkeit,
                   gungen nicht wirklich möglich.                      mentale Pausen einzulegen. Diese Erfahrung
                                                                       hat jeder im Home-Office gemacht. Die Teil-
                   Trotz all dieser Widrigkeiten war ich von den       nehmerInnen meiner Lehrveranstaltungen
                   Leistungen und dem Einsatz der meisten Stu-         mussten unter diesen Bedingungen aber auch
                   dierenden beeindruckt. Nicht alle hatten eine       noch dolmetschen, und im Falle von ADT noch
                   ausreichend gute Internetverbindung, manche         schlimmer: das Simultandolmetschen über-
                   mussten sich wahrscheinlich damit abfinden,         haupt erst erlernen.
                   wieder daheim bei Mama und Papa zu wohnen,
                   andere mit der Einsamkeit in der Einzimmer-         Schlussfolgerungen
                   wohnung fertig werden. Eine Studierende be-
                   schrieb das sehr anschaulich: „Wenn ich in der      Es ist äußerst hilfreich, den Tech Support im-
                   Früh aufstehe, mache ich vom Bett ein paar          mer auf Abruf vor Ort zu haben (mein Sohn, der
                   Schritte zur Küchenzeile zum Frühstücken,           während des Lockdowns wieder bei uns wohn-
                   von dort sind es wieder ein paar Schritt zum        te, bestand auf dieser ersten Schlussfolgerung
                   Schreibtisch, und das Bett steht gleich neben-      …). Aber im Ernst: Ich habe dank Corona den
                   an. Essen, Schlafen, Arbeiten – alles findet seit   Einsatz verschiedener Technologien gelernt, für
                   Wochen im selben Raum statt.“                       die ich mich sonst wahrscheinlich nie interes-
                                                                       siert hätte. Ich fand die Zusammenarbeit mit
                   Während ich nur drei Lehrveranstaltungen on-        den KollegInnen am ITAT sehr effizient und bin
                   line hielt, verbrachten die Studierenden täglich    für den fruchtbaren Austausch dankbar. Durch
                   mehrere Stunden vor ihren Bildschirmen. Wir         die Distanzlehre waren Flexibilität und Kreati-
                   alle wissen mittlerweile, wie ermüdend Online-      vität auf Seiten der Lehrenden und Studieren-
                   konferenzen sein können. Je mehr Leute an ei-       den gefordert, was auch zu neuen didaktischen
                   ner Lehrveranstaltung teilnehmen, umso mehr         Ansätzen geführt hat. Einiges davon werde ich
                   Gesichter sieht man parallel. Das menschliche       sicherlich beibehalten. Aber schlussendlich be-
                   Auge erfasst jede Bewegung, das Gehirn ver-         fürchte ich doch, dass die Lehrveranstaltungen
                   sucht jede Information zu verarbeiten. Da wird      aufgrund des Online-Formats weniger intuitiv
                   man sehr schnell müde. Dazu kommt noch, dass        und abwechslungsreich waren. Und ich finde:
                   die Tonqualität schwanken kann, einzelne Wor-       ein Semester Distanzlehre reicht vollkommen!
                   te „verloren gehen“, und auch die Bildqualität      Nächstes Semester hoffentlich wieder in 3D!
UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 3/20         11

COVID-19: UMFRAGE ZU DEN WIRTSCHAFTLICHEN
AUSWIRKUNGEN UND STAATLICHEN
UNTERSTÜTZUNGSMASSNAHMEN FÜR
DOLMETSCHER*INNEN UND ÜBERSETZER*INNEN
Bianca Schönhofer

Das Jahr 2020 erweist sich als wahre Zerreißprobe für Österreichs
Wirtschaftstreibende und stellt viele vor gewaltige – teils
existenzbedrohende – Herausforderungen. Obwohl die Maßnahmen
der österreichischen Regierung zur Eindämmung des Coronavirus
Wirkung gezeigt haben, hält die COVID-19-Pandemie die Welt nach
wie vor fest in Griff. Wie hat sich die Corona-Krise nun aber
konkret auf die wirtschaftliche Situation von Dolmetscher*innen

                                                                                                                                 © John Michael Oliver
und Übersetzer*innen in Österreich ausgewirkt? Sind die von der
Regierung geschnürten Hilfspakete und staatlichen Unterstützungs-
leistungen tatsächlich ausreichend, um die ökonomischen
Konsequenzen abzufedern? Diesen und weiteren Fragen sind die                                          Bianca Schönhofer ist
Mitglieder der Translationsplattform (AIIC Region Österreich, IG                                      Übersetzerin für Deutsch
                                                                                                      und Englisch in Wien und
Übersetzerinnen Übersetzer, ÖGSDV, ÖSDV, ÖVGD, UNIVERSITAS                                            Mitglied im Vorstand von
Austria) Mitte Juni im Rahmen einer Online-Erhebung auf den                                           UNIVERSITAS Austria.
Grund gegangen – insgesamt haben 174 Dolmetscher*innen und
Übersetzer*innen an dieser Umfrage teilgenommen, wofür ihnen
an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Nachstehend präsentieren wir
Ihnen die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.

Zusammenfassung der                                damit einhergehend ein Anhalten des Auftrags-
Translationsplattform                              rückgangs für die Translationsberufe befürchten.

D
           ie Umfrage der Translationsplatt-       Wie lange diese Entwicklung andauern wird,
           form hat sehr deutlich gezeigt, dass    ist nicht absehbar, manche rechnen mit einem
           die gesamte Branche von der Krise       Aufschwung erst Ende 2021. Insofern werden
           hart getroffen wurde, mit erwart-       eine Verlängerung der Kompensationsmaßnah-
baren individuellen Unterschieden. Vor allem       men bzw. zusätzliche allgemeine oder geziel-
für Konferenz- und Gerichtsdolmetscher*innen       te Fördermaßnahmen (z. B. Steuersenkungen,
brachten die Absagen in Folge des Lockdowns        Grundeinkommen; branchenspezifische Anreiz-
massive Einschnitte. Das Auftragsvolumen ging      förderungen) vorgeschlagen. Die bisherigen
aber insgesamt für alle Übersetzer*innen und       staatlichen Soforthilfen (Härtefall-Fonds usw.)
Dolmetscher*innen spürbar zurück. Die weiter       werden weitgehend als positiv bewertet, al-
bestehenden Veranstaltungsbeschränkungen und       lerdings wird ihre Treffsicherheit als verbesse-
vor allem die generelle Planungsunsicherheit aus   rungsfähig empfunden.
Angst vor der zweiten Pandemie-Welle lassen
eine gebremste Wirtschaftsproduktivität und
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                                  Dieses Ergebnis deckt sich mit den Auswir-       stehenden berufsspezifischen Defizite gewirkt
                                  kungen der Krise auf die meisten Branchen.       und bietet insofern die Chance, diese verstärkt
                                  Insofern sind kaum branchenspezifische For-      auf verschiedenen Ebenen zu adressieren und
                                  derungen daraus abzuleiten. Allerdings hat die   die öffentliche Wahrnehmung für die Bedeu-
                                  Coronakrise auch wie ein Brennglas auf die be-   tung der Translationsberufe zu sensibilisieren.

                                  Demografische Daten                              noch nicht fest als Dolmetscher*innen oder
                                                                                   Übersetzer*innen am Markt etabliert haben.
                                  Ein Blick auf die demografischen Daten belegt
                                  einmal mehr, dass unser Berufsstand vorwie-      Die überwiegende Mehrheit der Befragten ist selb-
                                  gend weiblich dominiert ist – fast 90 % der      ständig tätig, während nur ein geringer Anteil in
                                  Befragten waren Frauen. Zum Vergleich: mit       einem Angestelltenverhältnis arbeitet oder ein
                                  Stand Ende 2019 wies UNIVERSITAS Austria ei-     Übersetzungsbüro betreibt. Etwa 30 % erzielen
                                  nen Männeranteil von 12 % auf. Das Alter der     zudem auch Einkünfte aus weiteren Erwerbsquel-
                                  Befragten liegt großteils zwischen 26 und 65     len, u. a. aus der Lehrtätigkeit an Universitäten,
                                  Jahren. Interessanterweise wurde die Umfrage     dem Kulturbereich, dem Bezug einer Pension
                                  von niemandem unter 25 Jahren beantwor-          und anderen sprachbezogenen Dienstleistungen
                                  tet, was mitunter daran liegen mag, dass viele   wie Lektorat/Korrektorat, Texten, Transkription,
                                  Kolleg*innen in dieser Altersgruppe erst ih-     Sprachtraining oder Untertitelung.
                                  ren Weg in den Beruf finden müssen und sich

Antwortoptionen
(Mehrfachauswahl möglich)

Übersetzerin (selbstständig)

Übersetzerin (angestellt)

LiterarischeR Übersetzerin

DolmetscherIn (selbstständig)

DolmetscherIn (angestellt)

GerichtsdolmetscherIn

GebärdensprachdolmetscherIn

KonferenzdolmetscherIn

SchriftdolmetscherIn

BetreiberIn eines
Übersetzungsbüros

Ich habe Einkünfte aus weiteren
Erwebsquellen

Weitere Tätigkeiten/
Erwerbsquellen
UNIVERSITAS       Mitteilungsblatt 3/20                    13

Welche Auswirkungen haben                        angegeben, dass in Aussicht stehende Aufträ-
die Corona-Maßnahmen auf Sie                     ge ausblieben (70 %) und Aufträge verschoben
                                                 (57 %) bzw. Veranstaltungen abgesagt (52 %)
persönlich?
                                                 wurden. Insgesamt lässt sich bei 77 % der Be-
                                                 fragten im Vergleich zum Vorkrisenniveau ein
Aus wirtschaftlicher Sicht haben die Corona-     deutlich reduziertes Auftragsvolumen feststel-
Maßnahmen bei einem Großteil der Befrag-         len. Knapp 9 % mussten ihre Arbeitszeit auf-
ten zur Stornierung bereits erteilter Aufträge   grund von Betreuungspflichten reduzieren,
geführt, wobei 64 % Stornierungen ohne Ab-       während etwa 11 % niedrigere Honorare ver-
standszahlung und 14 % Stornierungen mit         zeichnen und 22 % ihre Rechnungen erst mit
Abstandszahlung verzeichneten. Weiters wurde     Verzögerung bezahlt bekommen.

                                                                                                  Antwortoptionen
                                                                                                  (Mehrfachauswahl möglich)

                                                                                                  Aufträge wurden storniert –
                                                                                                  mit Abstandszahlung.

                                                                                                  Aufträge wurden storniert –
                                                                                                  ohne Abstandszahlung.

                                                                                                  In Aussicht stehende Aufträge sind
                                                                                                  nicht zustandegekommen.

                                                                                                  Aufträge wurden verschoben.

                                                                                                  Ich bekomme weniger Aufträge als vor
                                                                                                  der Krise.

                                                                                                  Ich habe Einkommensverluste durch
                                                                                                  Veranstaltungsabsage/n.

                                                                                                  Insolvenz/Geschäftsaufgabe von
                                                                                                  Auftraggebern

                                                                                                  Ich bin in Kurzarbeit.

                                                                                                  Mein Arbeitsverhältnis wurde beendet.

                                                                                                  Ich musste meine Arbeitszeit aufgrund
                                                                                                  von Betreuungspflichten reduzieren.

                                                                                                  Die Honorare sind niedriger geworden.

                                                                                                  Rechnungen werden mit Verzögerung
                                                                                                  bezahlt.

                                                                                                  Die Auftraggeber bitten um Stundung
                                                                                                  und/oder Kürzung der Rechnung.
14                  UNIVERSITAS   Mitteilungsblatt 3/20

                                  Wie haben sich Ihre Einnahmen                        deutendem Maße, während die Einnahmen bei
                                  im Vergleich Jänner–Mai 2019 mit                     etwa einem Zehntel unverändert blieben. Nur
                                                                                       knapp 6 % verzeichneten im betreffenden Zeit-
                                  Jänner–Mai 2020 entwickelt?
                                                                                       raum Umsatzzuwächse, was teils auf ein erhöh-
                                                                                       tes Übersetzungsvolumen zurückzuführen ist.
                                  Gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeit-          Dabei wurde jedoch mehrmals einschränkend
                                  raum hatten die meisten Dolmetscher*innen            angemerkt, dass sich die negativen Auswirkun-
                                  und Übersetzer*innen von Jänner bis Mai 2020         gen des Lockdowns aufgrund von Zahlungsein-
                                  wesentliche Umsatzeinbußen zu verzeichnen.           gängen aus den Vormonaten erst mit einiger
                                  So sind die Einnahmen bei über einem Drittel         Verzögerung zeigen werden. Das vollständige
                                  der Befragten um 40 % bis 79 % und bei einem         wirtschaftliche Ausmaß der Corona-Krise lässt
                                  Fünftel sogar um 80 % bis 100 % gesunken. Bei        sich zum jetzigen Zeitpunkt also noch nicht
                                  einem weiteren Viertel kam es zu Umsatzrück-         exakt abschätzen.
                                  gängen -80%  bis -100%
                                          in etwas           -60%aber
                                                     geringerem, bis -79%
                                                                       dennoch-40%
                                                                                be- bis -59%     -20% bis -39%    -1% bis -19%
                                         +/- 0%             +1% bis +19%      +20% bis +39%      +40% bis +49%    +90% bis +100%

Antwortoptionen                                                                       1%
                                                                            1%   1%

  -80 % bis -100 %                                                          3%
  -60 % bis -79 %                                                                                 20%
                                                                  11%
  -40 % bis -59 %

  -20 % bis -39 %

  -1 % bis -19 %                                           5%

  +/- 0 %

  +1 % bis +19 %

  +20 % bis +39 %                                                                                           16%

  +40 % bis +49 %                                           20%
  +90 % bis +100 %

                                                                                           22%
UNIVERSITAS       Mitteilungsblatt 3/20                       15

Haben Sie bereits staatliche                      (jeweils 24 %) wurden dabei am häufigsten Mit-
Hilfen und Unterstützungsmaß-                     tel aus dem Härtefall-Fonds bei der WKO (39 %)
                                                  beantragt. Kurzarbeit, Mittel aus dem Covid-
nahmen in Anspruch genommen
                                                  19-Fonds (KSVF), Unterstützungen von Verwer-
oder werden Sie dies in der                       tungsgesellschaften und Kreditgarantien aus
Zukunft tun?                                      dem Corona-Hilfs-Fonds spielen bei den befrag-
                                                  ten Dolmetscher*innen und Übersetzer*innen
Bei der Frage nach staatlichen Hilfen und Un-     lediglich eine untergeordnete Rolle. Etwa 5 %
terstützungsmaßnahmen gab jeweils etwa ein        haben bei anderen Stellen im In-/Ausland um
Viertel der Befragten an, derzeit keine Notwen-   Unterstützung angesucht. Genannt wurden in
digkeit dafür zu haben bzw. die Kriterien nicht   diesem Zusammenhang insbesondere Arbeits-
zu erfüllen. 4 % hatten grundsätzlich keinen      stipendien der Stadt Wien sowie der Famili-
Anspruch auf Unterstützungsleistungen vom         enhärtefonds. Zu beachten ist darüber hinaus,
österreichischen Staat. In vielen Fällen wur-     dass ein nicht unwesentlicher Anteil, nämlich
de jedoch bereits staatliche Hilfe in Anspruch    ein Viertel der Befragten, nach dem Lockdown
genommen. Neben Ansuchen um Stundung              noch Zahlungseingänge für Leistungen aus
von Finanzamtszahlungen und Stundung bzw.         Vormonaten verzeichnet und daher erst später
Reduktion von Sozialversicherungsbeiträgen        staatliche Unterstützung beantragen wird.

                                                                                                   Antwortoptionen
                                                                                                   (Mehrfachauswahl möglich)

                                                                                                   Nein, ich habe derzeit keine Notwen-
                                                                                                   digkeit.

                                                                                                   Nein, ich erfülle die Kriterien nicht.

                                                                                                   Ich habe Stundung von
                                                                                                   Finanzamtszahlungen beantragt.

                                                                                                   Ich habe Stundung/Reduktion von SV-
                                                                                                   Beiträgen beantragt.

                                                                                                   Ich wurde zur Kurzarbeit angemeldet.

                                                                                                   Ich habe meine MitarbeiterInnen zur
                                                                                                   Kurzarbeit angemeldet.

                                                                                                   Ich habe eine Unterstützung beim
                                                                                                   Härtefall-Fonds (WKO) beantragt.

                                                                                                   Ich habe eine Unterstützung beim
                                                                                                   Covid-19-Fonds (KSVF) beantragt.

                                                                                                   Ich habe eine Unterstützung bei einer
                                                                                                   Verwertungsgesellschaft beantragt.

                                                                                                   Ich habe eine Kreditgarantie beim
                                                                                                   Corona-Hilfs-Fonds beantragt.

                                                                                                   Ich erhalte nach dem Lockdown noch
                                                                                                   Eingänge für Leistungen aus Vormonaten
                                                                                                   und werde daher erst später Unterstüt-
                                                                                                   zungsleistungen beantragen (sofern noch
                                                                                                   möglich).

                                                                                                   Ich kann keine Unterstützungen vom
                                                                                                   österreichischen Staat beantragen.

                                                                                                   Ich habe bei anderen Stellen im In-/
                                                                                                   Ausland Unterstützung beantragt (bitte
                                                                                                   angeben):
16                 UNIVERSITAS           Mitteilungsblatt 3/20

                                         Hatten Sie Probleme bei der                      haben andere Gründe angegeben. Kritisiert
                                         Antragstellung?                                  wurden hier u. a. zu lange Wartezeiten bei
                                                                                          der Antragsentscheidung und Mittelauszah-
                                         Bei der Frage zum Prozess der Antragstellung     lung sowie anfangs unklare Kriterien für die
                                         ergibt sich ein gemischtes Bild. Bei knapp       Anspruchsberechtigung. Darüber hinaus wurde
                                         40 % der Befragten hat diese reibungslos funk-   als Kritikpunkt angemerkt, dass sich die für
                                         tioniert und umgehend zur Auszahlung der         eine erfolgreiche Antragstellung erforderlichen
                                         beantragten Unterstützungsleistung geführt.      Steuerberatungskosten und die erhaltenen Zu-
                                         Etwa 11 % empfanden die Antragstellung als       wendungen gegenseitig aufheben und dass ei-
                                         zu kompliziert, während der Antrag bei ca. 8 %   nige Kolleg*innen aufgrund ihrer individuellen
                                         mangels Erfüllung der entsprechenden Kriteri-    Situation keinerlei Anspruch auf Unterstützung
                                         en abgelehnt wurde. Die restlichen 40 % ha-      haben und somit komplett durch das staatliche
                                         ben entweder noch nicht um staatliche Hilfe      Auffangnetz fallen.
                                         angesucht, warten noch auf Entscheidung oder

Antwortoptionen

Nein, ich habe die Unterstützung umge-
hend bekommen.

Die Antragstellung ist zu kompliziert.

Mein Antrag wurde abgelehnt, weil ich
die Kriterien nicht erfülle.

Andere Gründe (bitte angeben):
UNIVERSITAS   Mitteilungsblatt 3/20                      17

Sind die aktuell im                      besserungsbedarf erkennen und stellt
Härtefall-Fonds, Covid-                  ein klares Signal an die politischen
                                         Entscheidungsträger dar. Etwa 19 % der
19-Fonds und von
                                         Befragten haben trotz Unterstützungs-
Verwertungsgesellschaften                leistung noch eine Finanzierungslücke
zur Verfügung gestellten                 und knapp 14 % empfinden eine Unter-
Mittel und Bezugszeiträume               stützung für maximal 6 Monate zwischen
                                         Mitte März und Mitte Dezember 2020 als
ausreichend, um Sie durch                zu kurz. Auffällig ist der Wunsch nach
die Krise zu bringen?                    bedingungslosen Hilfszahlungen: 45 %
                                         der Befragten wünschen sich einen mo-
Nur ein Viertel der Befragten bewertet   natlichen Fixbetrag zur Abdeckung des
den Umfang der derzeit verfügbaren Un-   Einkommensentfalls bis mindestens Jah-
terstützungsleistungen als ausreichend   resende 2020.
– dies lässt also durchaus noch Nach-

                                                                                           Antwortoptionen
                                                                                           (Mehrfachauswahl möglich)

                                                                                           Ja

                                                                                           Nein

                                                                                           Ich habe trotz Unterstützung eine
                                                                                           Finanzierungslücke.

                                                                                           Eine Unterstützung für maximal 6 Monate
                                                                                           zwischen Mitte März und Mitte Dezember
                                                                                           2020 ist für mich zu kurz.

                                                                                           Ich wünsche mir einen monatlichen
                                                                                           Fixbetrag zur Abdeckung des
                                                                                           Einkommensentfalls bis mindestens
                                                                                           Jahresende 2020.
18                UNIVERSITAS      Mitteilungsblatt 3/20

                                    Welche anderen Maßnahmen                                          Erweiterte staatliche Förderungen (z. B.
                                    könnten für unsere Berufsgruppe                                   durch Aufträge für literarische Überset-
                                                                                                      zungen vonseiten des Staates/der Bun-
                                    hilfreich sein?
                                                                                                      desländer, verstärkte Heranziehung von
                                                                                                      Dolmetscher*innen durch Behörden, Förde-
                                    Insgesamt 74 aller 174 Befragten haben hier In-                   rung des Kongresstourismus)
                                    put geliefert und eine breite Palette an Vorschlä-                Fonds zur Unterstützung von konkreten
                                    gen für weitere wünschenswerte Maßnahmen                          Übersetzungsprojekten nach Vorbild des
                                    unterbreitet. Nachstehend eine kleine Auswahl:                    COVID-Arbeitsstipendiums der Stadt Wien
                                                                                                      Längerfristig ansetzende Maßnahmen (z. B.
                                         Aufklärungsarbeit und Aufwertung des Be-                     Steuerbegünstigungen, Ankurbelung der
                                         rufsstandes nach außen                                       Nachfrage in den nächsten Jahren, Abgehen
                                         Stärkere Präsenz in der öffentlichen Bericht-                vom Billigstbieterprinzip bei öffentlichen
                                         erstattung                                                   Auftragsvergaben)
                                         Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen                     Maßnahmen zur Kompensierung des zeitlich
                                         (höhere Preise/Gebühren, Zahlungsmoral,                      verzögerten Einkommensverlusts
                                         Stornoregelungen), insbesondere gegenüber                    Mehr Remote-Einsätze und vermehrte Be-
                                         öffentlichen Auftraggeber*innen                              wusstseinsbildung in Bezug auf RSI
                                         Bedingungsloses Grundeinkommen (auf der                      Rasche Bezahlung offener Gebühren durch
                                         Grundlage eines gesetzlichen Mindestlohns)                   Gerichte und Polizei
                                         Einkommensabhängiges Ersatzeinkommen                         Orientierung der Unterstützungsleistungen
                                         (auf Grundlage des letzten Steuerbescheids                   am Zeitpunkt des Ausfalls, nicht an den
                                         oder Wirtschaftsjahres) für Einnahmen-Aus-                   Zahlungseingängen
                                         gaben-Rechner                                                Subvention für Übersetzungen für auftrag-
                                         Einmalzahlungen                                              gebende Unternehmen, um dem Einbrechen
                                         Hilfe für Soloselbstständige, die über die                   der Auftragslage entgegenzuwirken
                                         Höhe der Betriebskosten hinausgeht                           Verlängerung der Unterstützungsleistungen
                                         Erlass bzw. nachhaltige Senkung von Steu-                    bis Mitte 2021
                                         ern und Sozialversicherungsbeiträgen

                     Q2 2020   Q3 2020    Q4 2020     Q1 2021    Q2 2021       Q3 2021      Q4 2021   2022   später

Antwortoptionen
                                                                1%                                Bis wann wird es Ihrer Meinung
  Q2 2020                                             11%
                                                                     3%
                                                                          5%                      nach dauern, bis sich die
  Q3 2020                                                                                         Branche von der Krise erholt?
  Q4 2020                                  10%
                                                                                      19%
  Q1 2021
                                                                                                  Etwa 27 % der Befragten glauben an eine rela-
                                                                                                  tiv rasche Erholung der Branche bis Jahresende
  Q2 2021
                                                                                                  2020, während der Großteil (knapp 60 %) davon
                                         11%
  Q3 2021                                                                                         ausgeht, dass die Krise erst später, nämlich bis
  Q4 2021
                                                                                                  Ende 2021, überwunden sein wird. Ein kleine-
                                                                                                  rer Anteil der Befragten rechnet mit einem noch
  2022
                                                                                                  längeren Andauern der Auswirkungen bis ins Jahr
                                                                                23%
  später                                            17%                                           2022 (11 %) oder sogar bis ins Jahr 2025 (1 %).
                                                                                                  
UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 3/20            19

DOLMETSCHEN IM ASYLWESEN – ENTWICKLUNGEN
SOWIE QUALITÄTSSICHERNDE MASSNAHMEN
Annika Bergunde & Sonja Pöllabauer

Nachdem wir 2014 (04/2014), 2015 (01/2015) und 2018 (02/2018)
im Mitteilungsblatt von UNIVERSITAS Austria über Entwicklungen
im Zusammenhang mit dem Projekt QUADA („Qualitätsvolles
Dolmetschen im Asylverfahren“) und die damit verbundene und
über den Verband Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) bzw.
österreichische Volkshochschulen (VHS) angebotene
Qualifizierungsmaßnahme berichtet haben, nutzen wir diese
Gelegenheit, aktuelle Entwicklungen im Hinblick auf das
Dolmetschen im Asylwesen darzustellen.

Rückblick auf                                   system“ vereinbart, das eine Priorisierung der
Qualifizierungsmaßnahmen                        QUADA-Absolvent*innen innerhalb der verschie-      Annika Bergunde, UNHCR
                                                denen im Asylverfahren bestellten Gruppen von      Österreich, Koordinatorin für
Im Rahmen des 2013 ins Leben gerufenen          Dolmetscher*innen (Gerichtsdolmetscher*innen;      den Bereich Dolmetschen im
Projekts QUADA wurde unter der Koordinati-      diplomierte Dolmetscher*innen; „Sprachkun-         Bridge-Projekt, bergunde@
on von UNHCR Österreich und über Finanzie-      dige“ ohne formale Ausbildung im Dolmet-           unhcr.org
rung des Europäischen Flüchtlingsfonds (EFF)    schen) vorsieht (Bergunde/Chahrokh/Pöllabauer
sowie des Bundesministeriums für Inneres        2018:18). Aktuell wird der QUADA-Lehrgang von
(BMI) ein modular aufgebautes Trainingspro-     der Volkshochschule Wien-Alsergrund angeboten
gramm zur fachspezifischen Qualifizierung von   (VHS 2020).
Dolmetscher*innen im Asylverfahren für den
Bereich Fremdenwesen und Asyl entwickelt.       Nachfrage nach dem QUADA-
Entwickelt wurde diese Qualifizierungsmaß-      Trainingshandbuch
nahme auf der Basis begleitender wissen-
schaftlicher Vorerhebungen in Kooperation mit   Das im Rahmen von QUADA entstandene Trai-
Expert*innen (Bergunde/Pöllabauer 2014:12f.).   ningshandbuch (UNHCR 2015) erfreut sich
Nach einer Pilotphase im Jahr 2014 wurde das    reger – auch internationaler – Nachfrage. Die
Projekt ab 2015 in Kooperation mit dem VÖV      ursprüngliche deutsche PDF-Version (UNHCR
in einem Blended-Learning-Format (vorberei-     2014) wurde infolge der Nachfrage 2015 vom
tende Online-Einheiten, gefolgt von darauf      Verlag Trauner in Buchform herausgegeben.
aufbauenden mehrtägigen Präsenzeinheiten)       Eine „internationalisierte“ englische Ausga-       Sonja Pöllabauer, forscht
an österreichischen VHS in Wien (Alsergrund)    be, die in Kooperation mit dem Institut für        und lehrt am Zentrum für
und Salzburg angeboten. Das Curriculum die-     Translationswissenschaft der Universität Graz      Translationswissenschaft
ser Qualifizierungsmaßnahme basiert auf einem   entstand, erschien 2017 in PDF-Version (UNH-       der Universität Wien, sonja.
umfassenden Trainingshandbuch mit 12 asyl-      CR 2017) und 2018 in gedruckter Ausgabe bei        poellabauer@univie.ac.at
und fachspezifischen Lernmodulen (Bergunde/     Frank & Timme (Bergunde/Chahrokh/Pöllabauer
Pöllabauer 2015:22f.). 2017 wurde in Koopera-   2018:18). Seitdem wurden darüber hinaus eine
tion mit dem VÖV, den VHS und Vertreter*innen   französische sowie eine russische Version ver-
von Universitäten als Maßnahme zur Quali-       öffentlicht, eine spanische ist zurzeit über ein
tätssicherung eine Zertifikatsprüfung entwi-    Team der Universidad de Alcalá de Henares in
ckelt, die als formaler Abschluss des QUADA-    Bearbeitung. In alle fremdsprachigen Versionen
Lehrgangs gilt und seitdem von einem Team       waren zumindest die jeweiligen nationalen Bü-
aus Lehrenden und Fachexpert*innen bereits      ros von UNHCR eingebunden. Neu ist auch, dass
viermal abgehalten wurde. Mit den zuständi-     alle Handbücher im Sinne eines Open-Access-
gen Behörden wurde seitdem auch ein „Anreiz-    Zugangs in PDF-Format zum freien Download
20               UNIVERSITAS               Mitteilungsblatt 3/20

                                                                                                                          to-Face-Trainings, denen das verpflichtende
                                                                                                                          Online-Training vorangeht, wurden bereits
                                                                                                                          mehrmals in verschiedenen europäischen Län-
                                                                                                                          dern angeboten (z. B. EASO 2018). Geleitet
                                                                                                                          werden diese Schulungen nach Vorgaben von
                                                                                                                          EASO von Trainer*innen-Zweierteams, die je-
                                                                                                                          weils Expertise in den Bereichen Recht bzw.
                                                                                                                          Translation/Dolmetschen haben. Grundsätz-
                                                                                                                          lich wäre dieses Trainingsangebot für alle EU-
©  UNHCR

                                                                                                                          Mitgliedstaaten frei zugänglich (EASO 2020),
                                                                                                                          wobei das Trainingsmaterial für den deutschen
                          QUADA auf Refworld                                                                              Raum auch in deutscher Übersetzung verfüg-
                                                                                                                          bar ist (EASO o.J.). Im DACH-Raum wurde die-
                                                                                                                          se Möglichkeit 2019 allerdings bislang nur in
                                                                                                                          Berlin für Dolmetscher*innen des Qualitätssi-
                                                                     über Refworld1, die weltweit frei abrufbare Infor-   cherungsteams des Referats 31E Sprachdienste
                                                                     mationsdatenbank von UNHCR, zugänglich sind2.        des deutschen Bundesamtes für Migration und
                                                                                                                          Flüchtlinge (BAMF 2020) angeboten.
                                                                     Für eine umfassende Darstellung des Projekts
                                                                     QUADA und der damit verbundenen nationalen           Vor dem Hintergrund dieses Trainings und über
                                                                     wie internationalen Initiativen s. Bergunde/         Kontakte von UNHCR Österreich zu den UNHCR-
                                                                     Pöllabauer (2019).                                   Büros bzw. Asylbehörden in Deutschland und
                                                                                                                          der Schweiz entstand auch ein weiterer Versuch
                                                                     Internationale Kooperation                           der stärkeren internationalen Vernetzung im
                                                                                                                          Hinblick auf eine Qualitätssicherung im Asyl-
                                                                     2018 haben wir bereits auf ein Projekt der           verfahren, die u. a. auch das Dolmetschwesen
                                                                     Europäischen Asylagentur EASO (European              umfasst. So wurde ein Austauschtreffen zwi-
                                                                     Asylum Support Office) hingewiesen (Bergun-          schen Vertreter*innen der deutschen, schwei-
                                                                     de/Chahrokh/Pöllabauer 2018:19), in dessen           zerischen und österreichischen Asylbehörden,
                                                                     Rahmen unter Mitwirkung von Expert*innen             UNHCR und mit dem Dolmetschen befassten
                                                                     aus den Bereichen Asyl, Dolmetschen und Di-          Expert*innen initiiert, das – für Juni 2020 ge-
                                                                     daktik ein umfassendes Online-Trainingspro-          plant – pandemiebedingt im Herbst 2020 statt-
                      1
                          Link Refworld: https://www.refworld.org.   gramm und damit verbundenes Lehrmaterial             finden soll. Im Rahmen dieser DACH-Gruppe
                      2
                          Link Download Handbücher:                  (Handbücher für Trainer*innen, Handreichun-          soll in Zukunft der Austausch im Hinblick auf
                      https://www.refworld.org/cgi-bin/texis/        gen für Trainees) für darauf basierende Face-        – auch sprachliche und translatorische – Qua-
                      vtx/rwmain?docid=59c8b3be4.
                                                                     to-Face-Trainings entwickelt wurde. Die Face-        litätssicherungsmaßnahmen (z. B. der Einsatz
                                                                                                                          von angestellten Qualitätsdolmetscher*innen
                                                                                                                          beim BAMF; Zugangsvoraussetzungen für Akkre-
                                                                                                                          ditierungen) im Asylwesen intensiviert werden.

                                                                                                                          Nationale Kooperation(en)
                                                                                                                          Austausch und Kooperation über die ver-
                                                                                                                          schiedensten Institutionen steht auch auf
                                                                                                                          nationaler Ebene im Vordergrund. Bereits seit
                                                                                                                          2008 realisiert UNHCR Österreich spezielle
                                                                                                                          Qualitätssicherungsprojekte, um die Asylver-
©  Sonja Pöllabauer

                                                                                                                          waltung im Bereich der Qualitätssicherung
                                                                                                                          bundesweit zu unterstützen. In diesem Zu-
                                                                                                                          sammenhang wurden stets auch dolmetsch-
                                                                                                                          relevante Themen aufgegriffen – so etwa
                                                                                                                          im aktuell durchgeführten Qualitätsprojekt
                          EASO-Training in Berlin                                                                         „Bridge – Kooperation im Asylbereich3“, wel-
                                                                                                                          ches durch den Asyl-, Migrations- und Integ-
UNIVERSITAS        Mitteilungsblatt 3/20                      21

rationsfonds (AMIF) der EU und das BMI ko-        In Bezug auf die behördeninterne Organisation
finanziert wird.                                  des Dolmetschwesens im Bereich Asyl-, frem-
                                                  denrechtliche und polizeiliche Verfahren und da-
Bereits 2019 wurde UNHCR etwa eingeladen im       mit verbundene Abläufe wurden im letzten Jahr
Rahmen des BMI-internen Schulungsprogramms        Neuerungen ins Leben gerufen. So wurde durch
für BFA-Referent*innen zum Thema Einvernah-       die zuständige Abteilung V/11 (Ressourcen) des
metechnik einen mehrstündigen inhaltlichen        BMI ein zentrales Dolmetschregister geschaffen
Themenblock zu Spezifika des Dolmetschens         und werden weitere Qualitätsmaßnahmen wie
sowie eine für alle Parteien gewinnbringende      etwa standardisierte Kompetenzüberprüfungen
Einbindung von Dolmetscher*innen zu gestal-       von Dolmetscher*innen umgesetzt.
ten. Als dafür beauftragtes Trainerinnen-Team
fungierten die Autorinnen dieses Beitrags. Eine   Das Bridge-Projekt wird aktuell laufend ange-
ähnliche Train-the-User-Schulung war in glei-     passt, um den Auswirkungen der Maßnahmen
cher Besetzung 2018 auch bereits für das Bun-     zur Eindämmung von COVID-19 auf die Asylver-
desverwaltungsgericht (BVwG) als zweite Ins-      waltung Rechnung zu tragen. So werden Schu-
tanz im Asylverfahren angeboten worden.           lungs- und Austauschformate nach Möglichkeit
                                                  virtuell angeboten und Tools für die Bewälti-
Förderlich für einen intensivierten Austausch     gung der neuen Herausforderungen im Asylver-
zur Qualitätssicherung im Hinblick auf trans-     fahren entwickelt. Vor diesem Hintergrund wur-
latorische Dienstleistungen ist, dass das         de etwa ein Selbstcheck für Einvernahmen und
Thema Dolmetschen auch im aktuellen Re-           Verhandlungen unter Verwendung technischer
gierungsübereinkommen        (Regierungsüber-     Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung
einkommen 2020) mehrfach aufgegriffen             im Asylverfahren erarbeitet.
wurde. So wird beispielsweise im Kapitel
„Europa, Integration, Migration & Sicher-         Videodolmetschen im Asylkontext
heit“ mit Bezug auf das Thema Asyl und die
Notwendigkeit von „[s]chnellen, faire[n] und      Wie dem letzten Mitteilungsblatt und dem da-
qualitätsvolle[n] Asylverfahren“ (S. 197)         rin enthaltenen Bericht der Taskforce Remote
auch auf die „Verbesserung der Qualität“ von      Simultaneous Interpreting (RSI) zu entnehmen
Dolmetschleistungen, „Ausbildung und Wei-         war (02/2020), beschäftigt das Thema Video-
terbildung, Monitoring und Feedback“ (S.          dolmetschen – zwar nicht erst seit der Covid-
198) hingewiesen sowie ein „[a]usreichendes       19-Pandemie, aber doch in plötzlich steigendem
Kontingent an qualifizierten Dolmetscherin-       Maß – auch Verbände, Praktiker*innen und die
nen und Dolmetschern“ gefordert.                  Wissenschaft. Das Remote Interpreting im Asyl-
                                                  kontext – für diesen Beitrag wird im Folgenden
Im März 2020 folgte auf Einladung von UNHCR       der Terminus Videokonferenzdolmetschen oder
etwa eine Austauschveranstaltung zum Dolmet-      videokonferenzgestütztes Dolmetschen (zur
schen in Asyl-, fremdenrechtlichen und polizei-   Terminologie s. Taskforce RSI 2020) verwen-
lichen Verfahren mit Vertreter*innen der Behör-   det – ist wissenschaftlich wenig erforscht (Ellis
den und Universitäten. Eine Fortsetzung dieses    2004; Federman 2006; Licoppe et al. 2018).
Forums ist ebenfalls für Herbst 2020 geplant.     In der Praxis kam diese Dolmetschform zwar
                                                  auch vor der Covid-19-Pandemie vereinzelt im
Seit 2020 zählt zudem die neu errichtete Bun-     Asylkontext zum Einsatz, etwa für Einvernah-
desagentur für Betreuungs- und Unterstüt-         men in Räumlichkeiten von Justizanstalten,
zungsleistungen (BBU) zur Zielgruppe des          statistische Aufzeichnungen zum Einsatz von
Bridge-Projekts. Diese soll bei der Aus- und      per Videokonferenz geführten Einvernahmen/
Fortbildung ihrer Mitarbeiter*innen und im        Verhandlungen sind allerdings nicht öffentlich
Bereich des Qualitätsmanagements unterstützt      verfügbar. Seit Ausbruch der Pandemie und den
werden. Auch Dolmetschen wird als ein Auf-        damit verbundenen Zugangsbeschränkungen zu
gabengebiet der BBU festgelegt – wenngleich       behördlichen Einrichtungen sowie angewandten
genaue Zuständigkeiten noch festzulegen sind.     Sicherheits- und Schutzmaßnahmen ist jedoch
Vertreter*innen der BBU nahmen ebenfalls am       eine Zunahme derartiger Einvernahme- und Ver-       3
                                                                                                          Link Bridge-Projekt:
oben erwähnten Austauschtreffen teil.             handlungssituationen zu verzeichnen. Das nach       https://www.unhcr.org/dach/at/was-wir-
                                                  derzeitigen Informationen übliche Szenario ist,     tun/asyl-in-oesterreich/projekt-bridge.
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