6/2021 ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN - Online-Ärztetag 2021 Neurologische Manifestationen der COVID-19-Erkrankung 120. Geburtstag von Rudolf ...

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6/2021 ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN - Online-Ärztetag 2021 Neurologische Manifestationen der COVID-19-Erkrankung 120. Geburtstag von Rudolf ...
ÄRZTEBLATT
6/2021                                MECKLENBURG-VORPOMMERN

         Rapsfeld bei Panschenhagen                                              Foto: Dr. Th. Müller

                                                                        Online-Ärztetag 2021
                                      Neurologische Manifestationen der COVID-19-Erkrankung
                                                       120. Geburtstag von Rudolf Petershagen
6/2021 ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN - Online-Ärztetag 2021 Neurologische Manifestationen der COVID-19-Erkrankung 120. Geburtstag von Rudolf ...
Inhalt
Editorial                                                                  Veranstaltungen und Kongresse
   Bemerkenswert                                                    205      Impfkurse in Mecklenburg-Vorpommern           225

                                                                             Veranstaltungen der Ärztekammer M-V           225
124. Deutscher Ärztetag
                                                                             Veranstaltungen in unserem Kammerbereich      226
   Online: Ärztetag mal anders                                      206
                                                                             Veranstaltungen in anderen Kammerbereichen    227
   KBV 2025: Strukturen bedarfsgerecht anpassen                      212

                                                                           Recht
Leserbriefe
                                                                             Satzung der Schlichtungsstelle für Arzthaftplicht-
   Gegenwind                                                         214
                                                                             fragen der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern 228
  Verkrustete Weltsicht alter Männer                                 214
                                                                           In eigener Sache
Wissenschaft und Forschung
                                                                             Dr. Andreas Kauffold zurückgetreten           230
   Neurologische Manifestationen der
   COVID 19-Erkrankung                                               215   Junge Ärzte
                                                                             Zum Beispiel – Vorbilder                      231
Aktuelles
   COVID-19: Immunität bei Geimpften und                                   Personalien
   Genesenen                                                        220
                                                                             Nachruf für Dr. Maskow                        238
   Management des Long-COVID                                        222
                                                                           Kultur
   Qualitätssicherung bei der Behandlung von
   Kindern und Jugendlichen mit Zerebralparese                               Zwischen Wollen und Dürfen                    239
   in Sozialpädiatrischen Zentren                                   232
                                                                           Geschichte der Medizin
  Auf der Suche nach Neurochirurgen                                  237
                                                                             Erinnerung an einen mutigen Mann:
Fortbildung                                                                  120. Geburtstag von Rudolf Petershagen        240

  29. Interdisziplinäre Seminar- und
                                                                           Rezensionen
  Fortbildungs­woche der Ärztekammer
  Mecklenburg-Vorpommern                                            224      Für Sie gelesen                               242

                                                                           Geburtstage
                                                                             Wir beglückwünschen                           244
                                                                             Impressum                                     244

   Genderneutrale Sprache
   In der deutschen Sprache sind personenbezogene Pluralformen
   grundsätzlich geschlechtsneutral. Soweit singuläre Formen wie Arzt,
   Patient, Gast o.ä. aus Gründen der Flüssigkeit und besseren Lesbar-
   keit in den Texten des Ärzteblattes Mecklenburg Vorpommern ver-
   wendet werden, bezeichnen sie wie auch die Pluralformen in jedem
   Fall sowohl Personen des weiblichen wie des männlichen als auch
   eines möglichen dritten Geschlechts.
                                                         Die Redaktion

AUSGABE 6/2021 31. JAHRGANG                                                                                                 Seite 203
6/2021 ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN - Online-Ärztetag 2021 Neurologische Manifestationen der COVID-19-Erkrankung 120. Geburtstag von Rudolf ...
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6/2021 ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN - Online-Ärztetag 2021 Neurologische Manifestationen der COVID-19-Erkrankung 120. Geburtstag von Rudolf ...
EDITORIAL

Bemerkenswert
Am Rande des 124. Deutschen Ärztetages notiert

Ganz anders und doch irgendwie wie immer! Der Online-          Ablauf war ein moderiertes Ge-
Ärztetag im Pandemie-Jahr verlief viel besser als von den      spräch zwischen dem Bundes-
meisten erwartet. Nicht nur vom Präsidenten des 124. Deut-     gesundheitsminister und dem
schen Ärztetages Dr. Klaus Reinhardt, auch von einigen Ab-     Präsidenten des DÄT; war bisher
geordneten wurde des Öfteren bedauert, dass der Ärztetag       der Minister stets unmittelbar
nicht in Präsenz stattfinden kann, dass er nicht in Rostock    nach seiner Rede verschwun-
stattfindet und das vor allem eines fehlt: der unmittelbare,   den, hat er sich in diesem Jahr
kollegiale Austausch. Sogar Jens Spahn hat gesagt, dass er     den Fragen der Ärzteschaft gestellt. Kurz vor dem Ärztetag
nach Rostock zum nächsten Ärztetag kommen würde, in            war das Thema „Kilmaschutz ist Gesundheitsschutz“ auf ei-
welcher Funktion auch immer, und sei es als Privatmann –       nen geplanten Präsenz-Ärztetag im Herbst (Termin steht
warten wir´s ab!                                               noch nicht fest) verschoben worden, damit genügend Zeit
                                                               für die wichtigen Themen unter TOP I zur Verfügung stand.
Der Vorstand der Bundeärztekammer hatte sich im Estrel-        Das zweite große Thema dieses Ärztetages war die ärztliche
Hotel in Berlin versammelt. Die Abgeordneten haben ent-        Sterbebegleitung.
weder aus dem Homeoffice oder gemeinsam als Kammer
am Ärztetag teilgenommen. In Vorbereitung des Ärzteta-         Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hatte – wohl noch
ges gab es umfangreiche Informationen über die Modalitä-       als Referenz für den ursprünglichen Tagungsort Rostock –
ten im Abgeordnetenportal: Anträge einreichen und unter-       ein Grußwort zugesagt. In ihrer Videobotschaft hat sie den
stützen, Wortmeldungen, Reden, Abstimmen usw. In den           Einsatz des medizinischen Personals im Kampf gegen die
meisten Fällen hat dies sehr gut geklappt. Einige Male hat     Pandemie gewürdigt, die Notbremse als Beitrag bezeichnet,
es sehr lange gedauert, bis der oder die Rednerin auf dem      um dem Gesundheitswesen beizustehen, und sich zuver-
Bildschirm auftauchte; der Zeitgewinn durch Begrenzung         sichtlich gezeigt, dass die Pandemie letztendlich mit der
der Redezeit wurde dadurch konterkariert. Einige Abgeord-      Impfkampagne beherrscht werden kann. Während auf Prä-
nete hatten im Vorfeld gefordert, dass der Ärztetag auch       senzärztetagen zahlreiche in- und ausländische Gäste be-
als Online-Veranstaltung über vier Tage gehen solle. Gut,      grüßt werden, oft auch weitere Grußansprachen folgen,
dass es nicht so war! Am Dienstag (4. Mai) ging es über        kamen in diesem Jahr lediglich der Präsident des Weltärzte-
mehr als elf Stunden mit 45 Minuten Mittagspause, am           bundes Dr. David Barbe und Lucas Thieme als Vertreter der
nächsten Tag begann die Sitzung bereits um 8:30 Uhr, wie-      Medizinstudierenden in Videobotschaften zu Wort.
derum 45 Minuten Pause – und nahezu überraschend ging          Obwohl mit einer Satzungsänderung auf diesem Ärztetag
der Ärztetag pünktlich um 18 Uhr zu Ende. Zwei Tage vor        die Voraussetzungen geschaffen wurden, dass auch in Zu-
dem Bildschirm sind anstrengender als vier Tage in Präsenz.    kunft Veranstaltungen der Bundesärztekammer online oder
                                                               als Hybridsitzungen stattfinden können, besteht weitge-
Die Abgeordneten der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpom-           hende Einigkeit, Ärztetage grundsätzlich in Präsenz abhal-
mern haben gemeinsam im Radisson-Hotel in Rostock am           ten zu wollen. Die fehlende Kommunikation bei Anträgen
Ärztetag teilgenommen und hatten hier ausgezeichnete Ar-       und Abstimmungen, der direkte Meinungsaustausch auch
beitsbedingungen. Dafür sei an dieser Stelle den Mitarbei-     das Austragen von Kontroversen wird durch die elektroni-
tern der Geschäftsstelle herzlich gedankt, allen voran dem     sche Abstimmung in bisher nie dagewesener Geschwindig-
Geschäftsführer Frank Loebbert, seiner Mitarbeiterin Henri-    keit und Präzision nicht aufgewogen. Es ist sogar vorstell-
ette Öri und dem Leiter der IT-Abteilung Heiko Karsten.        bar, dass manch Abstimmungsverhalten durch die Anonymi-
                                                               tät begünstigt wird.
Die Dramaturgie deutscher Ärztetage folgt einem bewähr-
ten Schema: Begrüßung – Grußwort – Totenehrung – Verlei-       In den Publikumsmedien hat der Ärztetag kaum eine Rolle
hung der Paracelsus-Medaille – Referat des Präsidenten zum     gespielt. Was sich inhaltlich auf diesem Ärztetag getan hat,
TOP I – Ansprache des Bundesgesundheitsministers – Über-       können Sie den folgenden Seiten entnehmen.
gang zur Tagesordnung und Aussprache zum TOP I Gesund-
heits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik. Neu in diesem                                          Dr. Wilfried Schimanke

AUSGABE 6/2021 31. JAHRGANG                                                                                            Seite 205
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124. DEUTSCHER ÄRZTETAG

    Online: Ärztetag mal anders
    Zuletzt hat mit Helmut Kohl ein Bundeskanzler im Jahr
    1991 an einem Deutschen Ärztetag teilgenommen; es war
    der erste gesamtdeutsche Ärztetag in Hamburg. Die beson-
    dere Ehre, die Dr. Angela Merkel dem 124. Deutschen
    Ärztetag mit ihrer Videobotschaft zuteil werden ließ, ist si-
    cher als Würdigung des von ihr als „aufopferungsvoll“ be-
    zeichneten Einsatzes der Ärzte und Pflegekräfte in der Co-
    ViD-19-Pandemie zu sehen. Die Zusage, auf diesem Ärztetag,
    der eigentlich in Rostock stattfinden sollte, zu sprechen, darf
    aber im letzten Jahr ihrer Kanzlerschaft auch als besondere
    Ehre für das Land ihrer politischen Heimat verstanden wer-
    den. Schade, dass wir die Kanzlerin nicht live in Rostock be-
    grüßen konnten.
    In der üblichen Totenehrung durch den Präsidenten des
                                                                      Angela Merkel würdigt die Leistungen aller Mitarbeiter im
    124. Deutschen Ärztetages (DÄT) wurde explizit der kürzlich       Gesundheitswesen
    mit 61 Jahren verstorbenen Vizepräsidentin der Bundesärz-
    tekammer (BÄK) Dr. Heidrun Gitter, Kammerpräsidentin in
    Bremen, und aller Kolleginnen und Kollegen gedacht, die in        anderswo gewürdigt, konnte jedoch feststellen, dass unser
    der Auseinandersetzung mit der Viruspandemie gestorben            Gesundheitssystem zu keinem Zeitpunkt überlastet war – im
    sind. Aus unserem Land befinden sich Prof. Dr. Otto-Andreas       Gegensatz zu vielen Regionen weltweit. Trotz der bisherigen
    Festge (Greifswald) und Dr. Hans-Georg Körber (Ludwigslust)       Erfolge habe die Pandemie auch die Defizite unseres Gesund-
    unter den seit dem letzten Ärztetag Verstorbenen, derer auf       heitswesens aufgedeckt: Ausstattung der Gesundheitsämter,
    einem Web-Portal1 der BÄK besonders gedacht wird.                 Meldesysteme, Digitalisierung, Arbeitsdruck in den Kranken-
    Die Verleihung der Paracelsus-Medaille erfolgte in der            häusern u.a.
    denkbar knappsten Form: Die Preisträger wurden auf einer          Eindrucksvoll hat Reinhardt das Versagen der Politik mit sei-
    Folie vorgestellt, ohne dass die Abgeordneten sie zu sehen        nen Ausführungen über eine Studie aus dem Jahr 2012 ange-
    bekommen haben. Geehrt wurden Prof. Dr. Michael von Cra-          prangert, mit der eine Pandemie durch ein fiktives Virus skiz-
    nach, Psychiater in Kaufbeuren, Prof. Dr. Christoph Fuchs,        ziert wurde. Diese Studie liest sich wie ein Drehbuch für die
    langjähriger Hauptgeschäftsführer der BÄK, Prof. Dr. Viola        gegenwärtige Pandemie. Mit der Drucksache 17/12051 wurde
    Hach-Wunderle, Angiologin in Frankfurt/M. und posthum Li          dem Bundestag Anfang 2013 ein Bericht zur Risikoanalyse
    Wenliang, Augenarzt in Wuhan (China), der frühzeitig vor          im Bevölkerungsschutz zugeleitet, aus dem offensichtlich
    CoViD-19 gewarnt hatte und selbst daran verstorben ist. Die       keinerlei Konsequenzen gezogen wurden. Reinhardt: „Wir
    Laudationes sind auf der Website der BÄK 2 zu finden und          können und wir sollten beim nächsten Mal besser vorbereitet
    werden im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.                    sein.“ Der Präsident ging sodann auf die Einzelheiten dieser
                                                                      Vorbereitung ein: Reserven an Medizinprodukten, Krisenstä-
    TOP I Gesundheits-, Sozial- und ärztliche
    Berufspolitik

    Der Präsident der BÄK
    Ausgehend von den bedrückenden Zahlen dieser Pandemie
    (> 3,4 Mio Infizierte in D, darunter mehr als 84.000 Beschäf-
    tigte im Gesundheitswesen; über 83.000 Todesfälle in Verbin-
    dung mit CoViD-19) hat auch der Präsident der BÄK und des
    DÄT Dr. Klaus Reinhardt den Einsatz in Intensivstationen,
    Praxen, Gesundheitsämtern, Forschungseinrichtungen und

    1
     		www.124daet.baek.de/Totenehrung
    2
       www.baek.de/ÄRZTETAG/124.DÄT

Seite 206                                                                                  ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN
6/2021 ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN - Online-Ärztetag 2021 Neurologische Manifestationen der COVID-19-Erkrankung 120. Geburtstag von Rudolf ...
be, Reform des Öffentlichen Gesund­heitsdienstes (ÖGD)           Konflikt zwischen kommerziellen Vorgaben und ärztlicher
und fordert eine bessere Koordination zwischen Gesund-           Ethik ein. Professionelle Autonomie bezeichnete er als
heitsämtern, Kliniken und Praxen sowie eine bessere Vergü-       Grundvoraussetzung für eine individuelle Arzt-Patienten-
tung der Ärzte im ÖGD.                                           Beziehung; sie sei damit im weitesten Sinne ein Patienten-
Auch über das Thema Krankenhaus müsse neu nachge­dacht           recht. Kliniken und Praxen sind Einrichtungen der Daseins-
werden. Die Forderungen nach kooperativen Versor­gungs­­         vorsorge; das Mantra von Markt und Wettbewerb sei kritisch
konzepten und sektorenübergreifender Versorgung ist nicht        zu hinterfragen. Im ambulanten Bereich müsse die Beteili-
neu. Die Pandemie habe gezeigt, dass wir vielmehr ein funk-      gung von Fremdinvestoren begrenzt werden; MVZ dürfen
tional und nach einheitlichen Kriterien abgestuftes, subsidiär   keine marktbeherrschende Stellung erlangen; Gewinnabfüh-
strukturiertes Netz einander ergänzender Kliniken – also spe-    rungs- und Beherrschungsverträge mit externen Kapitalge-
zialisierte größere Zentren in Ballungsräumen und eine gesi-     bern sollen unterbunden werden. Abschließend ging der
cherte Grundversorgung in der Fläche benötigen. Dabei müs-       Redner noch auf die „Kollateralschäden“ der Pandemie ein;
sen Synergien genutzt werden, um den Produktivitätsdruck         uns Ärzten würde es gut anstehen, den gesamten Bogen
auf das Personal abzubauen; Personalabbau dürfe es im Hin-       rund um das Pandemiegeschehen im Auge zu behalten.
blick auf steigenden Behandlungsbedarf und fehlender Re-         Spätesten an dieser Stelle hat sich ein wesentliches Defizit
servekapazitäten nicht geben. Die Probleme der Kranken-          des Ärztetages als Online-Veranstaltung gezeigt: Es fehlte
hausfinanzierung waren den Abgeordneten leider nicht neu:        der Beifall, den Klaus Reinhardt sicher auch an mancher Stel-
Investitionsstau und Krankenhausfinanzierung stehen seit 20      le während der Rede erhalten hätte. Auch dem Bundesge-
Jahren auf der Agenda jedes Ärztetages.                          sundheitsminister Jens Spahn wäre wohl Beifall sicher ge-
Sodann bedankte sich der Präsident bei Gesundheitsminister       wesen, als er erklärt hat, dass die Pandemie die Defizite des
Jens Spahn für den Schutzschirm, mit dem die wirtschaftli-       Gesundheitswesens „wie im Brennglas“ gezeigt habe. Sehr
chen Folgen der Pandemie durch rückläufige Fallzahlen in         wahrscheinlich hätte es aber auch Unmutsäußerungen gege-
den Praxen gemindert worden sind. Auch an den Minister           ben – zumindest, als er die Corona-WarnApp als Erfolgsge-
gewandt bezeichnete es Reinhardt als Skandal, dass der freie     schichte dargestellt hat.
Beruf Arzt nach 30 Jahren immer noch keine reformierte Ge-
bührenordnung habe. Dabei gab er eine Sachstandsbericht          Der Bundesgesundheitsminister
zum Thema GOÄ, aus dem hervorging, dass die konsentierte         Nachdem Spahn die Erfolge in der Bekämpfung der Pande-
Gebührenordnung noch in dieser Legislatur hätte verabschie-      mie auf die Säulen Kontaktbeschränkungen, Hygienemaß-
det werden können – hätte!                                       nahmen, Schnelltests und letztlich die Impfkampagne zu-
Die Pandemie habe auch Defizite des Informationsflusses in       rückgeführt hat, würdigte er das Engagement der Mitarbei-
den medizinischen Versorgungsprozessen aufgezeigt. Mit           ter des Gesundheitswesens. Die flächendeckende Versor-
den vorgesehenen Schritten der Digitalisierung (Notfallda-       gung, Wissenschaft, Forschung und Industrie am Standort
tensatz, e-Medikations-
plan) werde endlich ein
konkreter Nutzen der Te-
lematik erfahrbar. Gleich-
zeitig warnte Reinhardt
vor mangelnder Gründ-
lichkeit, Praxistauglich-
keit und zu engen Fristen
bei der Einführung neuer
Anwendungen. Die vor-
gesehenen Sanktionen
müssten angesichts ver-
späteter Verfügbarkeit
von      ePA-Konnektoren
und      Bearbeitungsstau
beim eHBA vollständig
gestrichen werden.
Im weiteren Verlauf sei-
ner Rede ging der Präsi-
dent der BÄK auf den

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124. DEUTSCHER ÄRZTETAG

    Optimale Arbeitsbedingungen für die Abgeordneten aus MV        Ärztetagspräsident Dr. Klaus Reinhardt

    Deutschland bezeichnete er als Stärken unseres Gesundheits-    ten, müsse die Krankenhausstruktur überdacht werden; nicht
    systems. Dabei räumte er ein, dass der ÖGD bisher ein Ni-      jeder müsse alles machen.
    schendasein geführt habe; übereinstimmend mit dem Präsi-
    denten erkannte er hier die Notwendigkeit der personellen      Moderierter Dialog
    und finanziellen Stärkung. SORMAS – das digitale System zur    Auf vergangenen Ärztetagen wurde der indirekt durch Re-
    Vernetzung der Gesundheitsämter – solle den Durchbruch in      den nacheinander geführte Dialog oft als Schlagabtausch
    der Effektivität des ÖGD bringen.                              zwischen Minister und BÄK-Präsident bezeichnet. Neu auf
    Zur Impfkampagne würdigte Spahn die Leistungen der             diesem Ärztetag und von den Abgeordneten (soweit in einer
    Impfzentren; gleichzeitig verteidigte er die späte Einbe­      Online-Sitzung beurteilbar) positiv aufgenommen wurde das
    ziehung der Arztpraxen. Dies sei früher wegen fehlenden        Gespräch, das der Bundesgesundheitsminister im Anschluss
    Impfstoffes nicht sinnvoll gewesen. Er äußerte sich für die    an seine Rede mit dem Präsidenten des Ärztetages live ge-
    kommenden Wochen sehr optimistisch, weil mehr und mehr         führt hat. Unter der Moderation von Jürgen Zurheide
    Impfstoff zur Verfügung stehe und auch Privat- und Be­trieb­   (Deutschlandfunk) glich dieser Dialog eher einem tänzeri-
    särzte in die Kampagne einbezogen werden.                      schen Gefecht mit Florett als einem Schlagabtausch mit
    Die Digitalisierung solle viele Dinge leichter machen, je-     schweren Waffen. Wo in den Reden bereits Konsens zu er-
    doch brauche man nach wie vor die Behandlung im Wortsin-       kennen war, wurde dieser bekräftigt. Der Dissens z.B. zum
    ne (dabei hat er den Wortteil Hand betont). Das DVPMG          Thema Digitalisierung – Tempo – Sanktionen und zur GOÄ
    solle am Donnerstag verabschiedet werden; damit werden         wurde eher verdeutlicht.
    viele digitalen Anwendungen wie die Videosprechstunde,
    die durch die Pandemie getriggert worden seien, noch aus-      Debatte und Beschlüsse
    geweitet. Nach 16 Jahren sei die elektronische Patientenakte   Der Vorstand der BÄK hatte zum TOP I einen Leitantrag zu
    (ePA) endlich gestartet; in diesem Zusammenhang kritisierte    den Lehren der CoViD-19-Pandemie vorgelegt. Nach brei-
    Spahn die unzureichende Einbindung in die Praxis-Informa-      ter Diskussion und mit nur zwei Ergänzungen zur Kranken-
    tionssysteme. Insgesamt zeigte sich Spahn bei diesem Thema     hausfinanzierung und zu Belegärzten wurde dieser Antrag
    geradezu euphorisch und versprach eine schnelle Auswei-        beschlossen. Unter dem Titel „Für ein zukunfts- und krisen-
    tung des Nutzens der Telematik.                                festes Gesundheitswesen“ werden auf 9 Seiten programma-
    Alle Systeme, die der Gesundheitsminister für Webkonferen-     tische Forderungen zum ÖGD, zur Krankenhausplanung und
    zen benutzt, kommen nicht aus Europa. Die Pandemie habe        -finanzierung, zur Krisenbewältigung in Arztpraxen, zur
    ihm gezeigt, dass Deutschland unabhängiger von China und       ärztlichen Nachwuchsförderung, zur interprofessionellen Zu-
    anderen Teilen der Welt werden müsse. Das Gesundheitswe-       sammenarbeit, zur Ökonomie und Ethik, zur Digitalisierung,
    sen ist ein sensibler Bereich; bestimmte Wirkstoffe und Pro-   zur Krankenversicherung, zu den Sektoren­grenzen und zum
    dukte müssten in Deutschland hergestellt werden. Auch das      Pandemiemanagement erhoben3.
    Problem der Fachkräfte hat der Minister angesprochen und
    dabei auf die vielfältigen Reformen der letzten Jahre hinge-
                                                                   		Der Beschluss wie alle weiteren Beschlüsse ist im Beschlussprotokoll auf der
                                                                   3

    wiesen. Auch wenn wir die Pandemie bisher gemeistert hät-        Website der BÄK www.baek.de unter dem Button Ärztetage zu finden.

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6/2021 ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN - Online-Ärztetag 2021 Neurologische Manifestationen der COVID-19-Erkrankung 120. Geburtstag von Rudolf ...
Gesundheitsminister Jens Spahn                                 Moderierter Dialog: Florett statt Säbel

Im Rahmen des TOP I wurden auch viele Themen diskutiert,       stimmt. Es gibt zwar bestimmte Schnittmengen zwischen
die sonst unter den TOP Tätigkeitsbericht gefallen wären. 14   beiden Anträgen; die Stellungnahme zum Gesetz ist in unse-
Anträge waren dem Thema Pandemie zuzuordnen. Insge-            rem Antrag jedoch wesentlich kritischer. Nach erneuter Dis-
samt wurden 62 Anträge bearbeitet. Thematisiert wurden         kussion in zweiter Lesung und Änderung des Titels in „DV-
u.a. auch die ärztliche Ausbildung, der ÖGD, die Versorgung    PMG gestalten“ wurde auch unser Antrag mit breiter Mehr-
mit Arzneimitteln und die Klimakrise. Im Komplex eHealth       heit beschlossen.
haben sich Mitglieder des Telematik-Ausschusses an dem Ti-     Dem Zeitgeist geschuldet verwundert es kaum, dass auch das
tel „DVPMG stoppen“ des von unseren Abgeordneten einge-        „Gendern“ thematisiert wurde. Ein mit großer Mehrheit ge-
brachten Antrages gestört; zudem befand die Regie des DÄT,     fasster Beschluss fordert allgemein mehr Gendersensibilität
dass der zuvor beschlossene Antrag I-45 der weitergehende      und ist auf die wissenschaftlichen und medizinischen Aspekte
sei und damit unser Antrag entfallen würde. (Ein überra-       einer Gendermedizin gerichtet. Beschlossen wurde auch eine
schendes Novum, denn redundante Beschlüsse auf Ärzteta-        gendergerechte Repräsentation in den Gremien der ärztlichen
gen sind nicht selten). Dem I-45, der die digitalen Anwen-     Selbstverwaltung, allerdings verbunden mit einem Appell an
dungen unterstützt, wenn sie für Ärzte und Patienten einen     die Ärztinnen sich mehr zu engagieren. Der Antrag „Sprache
Nutzen bringen, haben auch unsere Abgeordneten zuge-           schafft Wahrnehmung“, mit dem die Verwendung gendersen-
                                                                                              sibler Sprache durch die BÄK
                                                                                              gefordert wird, war in erster
                                                                                              Lesung deutlich abgelehnt wor-
                                                                                              den. Dr. Schimanke hatte ge-
                                                                                              fragt, ob wir demnächst zwi-
                                                                                              schen Menschen und Menschin-
                                                                                              nen unterscheiden müssen. In
                                                                                              2. Lesung konnten die Antrag-
                                                                                              steller doch noch eine Überwei-
                                                                                              sung an den Vorstand errei-
                                                                                              chen. Die Ärztezeitung titelte
                                                                                              dazu: „Heißt es künftig Deut-
                                                                                              scher Ärzt*innen­tag?“ Wie gro-
                                                                                              tesk diese Sternchen-Gramma-
                                                                                              tik ist, hat die Ärztezeitung un-
                                                                                              gewollt gezeigt, als sie im Be-
                                                                                              richt über den neu eingeführ-
                                                                                              ten Facharzt für Infektiologie
                                                                                              von „Fach*ärztinnen“ spricht.
Zwar vor Ort, dennoch Video-Ärztetag: der Vorstand der BÄK                                    (Wer oder was ist ein „Ärzt“?)

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124. DEUTSCHER ÄRZTETAG

     Dr. Schimanke: Wäre die 3. Welle vermieden worden,         Dialog statt trockener Referate
     wenn die Studie von 2012 bereits auf dem DÄT 2020 the-
     matisiert worden wäre (und die Politik gehandelt hätte)?

     TOP III Ärztliche Weiterbildung                                        eine WB bei einem Befugten ersetzt werden. Wegen der Fi-
                                                                            nanzrelevanz wurde die ganz überwiegend befürwortete For-
     Tagesordnungspunkte werden üblicherweise mit mehr oder                 derung nach Evaluation der Weiterbildung an den Vorstand
     weniger trockenen Referaten zum Thema eingeleitet. Die-                überwiesen. Gleichzeitig werden die Landesärztekammern
     ser unter Online-Bedingungen verstärkt erwarteten Be-                  (LÄK) und die BÄK aufgefordert, sich über einheitliche Pro-
     fürchtung sind die Vorsitzenden der Weiterbildungsgremi-               gramme zur Qualitätssicherung der WB zu verständigen.
     en der BÄK Dr. Johannes A. Gehle (WL) und Prof. Dr.                    Zum eLogbuch konnten Gehle und Herrmann berichten, dass
     Hendrik Herrmann (SH) mit einem Video-Dialog vor der                   es von zehn Ärztekammern bereits eingeführt ist (darunter
     Projektionsleinwand erfolgreich begegnet. Nachdem zu-                  auch in MV). In den Ständigen Konferenzen (StäKo) Weiterbil-
     nächst die Umsetzung der M-WBO 2018 beleuchtet wurde                   dung, Geschäftsführungen der LÄK und der AG IT wird die
     – in 13 von 17 Ärztekammern ist die WBO inzwischen Lan-                Entwicklung jeweils thematisiert und mit einem Erfahrungs-
     desrecht – wurde berichtet, dass die Überarbeitung der                 austausch zwischen den LÄK und der BÄK begleitet. Auf der
     Muster-Kursbücher inzwischen abgeschlossen ist; insgesamt              Agenda stehen u. a. Plausibilitätsprüfungen, eine Verbesse­­-
     liegen 23 Kursbücher vor.                                              r­ung der Nutzerfreundlichkeit und die Einbindung von Apps.
     Fachlich empfohlene Weiterbildungspläne (FEWP) sind ein
     neues Element der Weiterbildung, die auch in MV mit der                TOP IV Konsequenzen des Urteils des BVerfG
     WBO 2020 eingeführt wurden. Diese werden sukzessive von                zum § 217 STGB
     der BÄK erarbeitet; bisher stehen etwa 20 FEWP zur Verfü-
     gung. Zur Anpassung der WB-Befugnisse an die neue WBO                  Mit dieser etwas sperrigen Formulierung stand die Ärztliche
     werden Befugniskriterien als optionale Orientierungshilfe              Sterbebegleitung und das Problem Beihilfe zum Suizid auf
     für die Kammern erarbeitet. Die Anpassung der M-WBO soll               der Tagesordnung. In das Thema eingeführt haben der Prä-
     künftig einmal im Jahr erfolgen. Bis dahin eingehende An-              sident des DÄT Klaus Reinhardt und der Vorsitzende des Be-
     träge werden in einem Themenspeicher gesammelt.                        rufsordnungsausschusses SR Dr. Josef Mischo (Saarland).
     Die Referenten erläuterten die dem Ärztetag vorliegenden               Wie Klaus Reinhardt lehnt auch eine überwältigende Mehr-
     Anträge u.a. den zur Einführung eines neuen Facharztes für             heit Suizidassistenz als ärztliche Aufgabe ab. Die Ärzteschaft
     Innere Medizin und Infektiologie, der nachfolgend durch-               müsse sich in das Gesetzgebungsverfahren zur Suizidbeihilfe
     aus kontrovers diskutiert, jedoch mit Mehrheit beschlossen             einbringen. Er könne sich vorstellen, dass es Einzelfälle gibt,
     wurde.                                                                 in denen ein Arzt leidenden Patienten helfen will und kann.
     Weiterhin beschlossen wurde, dass in den Zusatz-WB Aku-                Mit der beantragten Streichung des Satzes 3 aus § 16 M-BO,
     punktur, Flugmedizin, Ernährungsmedizin, Medizinische Infor-           der bisher auch in M-V die Hilfe zur Selbsttötung verbietet,
     matik, Naturheilverfahren, Palliativmedizin, Sexualmedizin             solle klargestellt werden, dass die Ärzteschaft die Gewissens-
     und Sportmedizin die alleinige Kursweiterbildung nicht mehr            entscheidung des Einzelnen akzeptiert. „Wir wollen sie nicht
     ausreicht; hier ist der Erwerb von WB-Inhalten unter Befugnis          mehr als Berufspflichtverletzung ahnden“, so Mischo.
     nachzuweisen. Demgegenüber ist in der Manuellen Medizin                In der umfassenden Debatte wurde vor „holländischen Ver-
     die Kursweiterbildung essentiell und kann nicht mehr durch             hältnissen“ gewarnt; gemeint ist die Tötung gesunder, aber

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6/2021 ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN - Online-Ärztetag 2021 Neurologische Manifestationen der COVID-19-Erkrankung 120. Geburtstag von Rudolf ...
Dr. Placke: Es gibt gute Gründe, dass DVPMG in dieser Form nicht   Bewerben sich um einen Sitz im Vorstand: Dr. Maitra (ob.),
zu verabschieden.                                                  Dr. Botzlar und Dr. Regine Held
                                                                                             Fotos/Screenshots: Dr. Schimanke, K. Sass

lebensüberdrüssiger Menschen auf deren Verlangen. Der              Satzung § 4 Absatz 1 explizit, dass der DÄT grundsätzlich in
DÄT hat festgestellt, dass vertrauensvolles und wertschätzen-      Präsenz durchgeführt wird. Der Vorstand kann aber bei „Vor-
des Gespräch mit Menschen über deren Wunsch zu sterben             liegen besonderer Umstände“ die Teilnahme auch online er-
zum Kern ärztlicher Tätigkeit gehört. Eine ärztliche Beschei-      möglichen. Nicht nur von Reinhardt, auch von anderen Ab-
nigung als Voraussetzung für die Erfüllung des Sterbewun-          geordneten wurde der Grundsatz der Präsenz bekräftigt –
sches lehnt der Ärztetag ab. In diesem Zusammenhang wur-           und im Erlebnis dieses Ärztetages kann dies nur begrüßt
de von mehreren Rednern darauf verwiesen, dass der Sterbe-         werden.
wunsch auch Ausdruck einer psychischen Störung, einer Stim-
mung oder momentaner Umstände sein könne und sich                  TOP V Nachwahl eines sonstigen Arztes /
kurzfristig ändern kann. Der Ärztetag hat ebenso festge-           einer Ärztin in den Vorstand der BÄK
stellt, dass der Tod nie Ziel einer ärztlichen Heilbehandlung
war und ist; vielmehr muss präventiv beraten und gehandelt         Durch die Wahl von Dr. Peter Bobbert zum Präsidenten der
werden. Überraschenderweise gab es auch bei dem Be-                Ärztekammer Berlin ist dessen Sitz als „Sonstiger“ im Vor-
schluss, der den Ausbau der Suizidprävention in Deutschland        stand frei geworden. Um diesen Sitz bewerben sich Dr. Regi-
fordert, einzelne Gegenstimmen und Enthaltungen.                   ne Held (Berlin), Dr. Andreas Botzlar (Bayern) und Dr. Robin
Mit überwältigender Mehrheit, aber auch nicht einstimmig,          Maitra (Baden-Württemberg), die sich jeweils mit einem Vi-
wurden schließlich die Anträge beschlossen, die feststellen,       deo vorgestellt haben. Die eigentliche Wahl erfolgt in Form
dass Beihilfe zum Suizid keine ärztliche Aufgabe ist, dass vor     einer Briefwahl.
einer gesetzlichen Regelung ein breiter gesellschaftlicher         Der Präsident der ÄK Nordrhein Rudolf Henke hat die Einla-
Konsens erzielt werden muss und die Eckpunkte für eine ge-         dung zum Ärztetag 2023 nach Essen moderiert, die von
setzliche Regelung formuliert haben. Auch der Änderung der         dort tätigen Kolleginnen und Kollegen in einer Videobot-
Berufsordnung wie von Mischo vorgetragen haben die Ab-             schaft ausgesprochen wurde.
geordneten zugestimmt.                                             Noch steht nicht fest, ob der Ärztetag 2022 der 125. sein
                                                                   wird – im Herbst soll u.a. das Thema „Klimaschutz ist Ge-
TOP II Änderung der Satzung der BÄK                                sundheitsschutz“ auf einem Präsenzärztetag behandelt wer-
                                                                   den. Die Einladung nach Bremen für 2022, die normalerweise
Um diesen Ärztetag online überhaupt zu ermöglichen, hat-           bereits 2020 in Mainz erfolgt wäre, hat der Vizepräsident der
ten die Abgeordneten im Umlaufverfahren eine Änderung              ÄK Bremen Dr. Johannes Grundmann ausgesprochen.
der Geschäftsordnung beschlossen, die am 16.04.2021 im Dt.         Abschließend hat Dr. Klaus Reinhardt vielen Mitarbeitern der
Ärzteblatt veröffentlicht wurde und nur für diesen Ärztetag        BÄK und beteiligter Firmen, insbesondere aber der Ärztli-
galt. Mit der nunmehr vom Leiter des Dezernat Recht der            chen Geschäftsführerin Dr. Katrin Bräutigam, für die wirklich
BÄK Prof. Dr. Karsten Scholz vorgestellten Änderung der Sat-       bewundernswerte Organisation gedankt. In Präsenz wäre
zung werden die Voraussetzungen geschaffen, dass auch              anhaltender und verdienter Beifall sicher gewesen.
zukünftig die Teilnahme an Gremiensitzungen der BÄK on-
line möglich ist. Für den Ärztetag heißt es in der geänderten                                               Dr. Wilfried Schimanke

AUSGABE 6/2021 31. JAHRGANG                                                                                                       Seite 211
KBV-VERTRETERVERSAMMLUNG

     KBV 2025: Strukturen bedarfsgerecht anpassen
     Allmählich entwickelt sich eine gewisse Routine: Für die Kas-           te und ihrer Mitarbeiterinnen, die in den Wahlprogrammen
     senärztliche Bundesvereinigung (KBV) war es bereits die drit-           praktisch nicht vorkommen.
     te Vertreterversammlung (VV), die am 3. Mai im Vorfeld des              Die gemeinsame Selbstverwaltung leide unter Auflösungser-
     Ärztetages online stattfand. Bis auf kleinere technische                scheinungen; der GKV-Spitzenverband entziehe sich jedem
     Schwierigkeiten und Probleme einzelner Vertreter bei der                Dialog. „Umso wichtiger scheint es, dass wir als KBV und
     Abstimmung, die die Vorsitzende der VV Dr. Petra Reis-                  KVen unsere Ideen und Vorschläge für ein zukunftsfestes Ge-
     Berkowicz souverän gemeistert hat, lief alles wie am                    sundheitswesen in die Politik einbringen.“ Die KBV hat daher
     Schnürchen.                                                             ein Positionspapier vorgelegt, mit dem bedarfsgerechte
     Selbstverständlich stand ein Thema im Mittelpunkt: Co-                  Strukturen in der medizinischen Versorgung, die digitale
     ViD-19 und das Impfen. In seinem Bericht hat sich der KBV-              Weiterentwicklung des KV-Systems und die Zukunftsfähig-
     Vorsitzende Dr. Andreas Gassen zuversichtlich gezeigt,                  keit des Sicherstellungsauftrages gewährleistet werden soll.
     dass die VV bald wieder in Präsenz zusammentreten werde.                Abschließend hat Andreas Gassen die gesellschaftlichen Ver-
     „Die Corona-Schutzimpfungen finden endlich auch in den                  änderungen gegeißelt, die im Gefolge der Pandemie stattge-
     Praxen statt. … Das ist tatsächlich wahrscheinlich der ent-             funden haben und noch stattfinden: Vergiftung der Gesell-
     scheidende Meilenstein im Kampf gegen die Pandemie.“ Gas-               schaft, Hass und Pöbelei, Konfrontation statt Diskussion.
     sen setzte sich deutlich mit den widersprüchlichen politi-              „Ärzte und Psychotherapeuten werden in der nächsten Zeit
     schen Entscheidungen in der Bekämpfung der Pandemie                     viel damit zu tun haben, auch die seelischen Folgen von
     auseinander. „Zu offensichtlich ist der Versuch, das Narrativ           Corona zu behandeln, damit unsere Gesellschaft heilen
     des Lockdowns als einziges wirkungsvolles Mittel um jeden               kann.“
     Preis zu retten, um nicht die unangenehme Frage beantwor-               Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KBV Dr. Ste-
     ten zu müssen, warum Deutschland bisher so schleppend ge-               phan Hofmeister unterstrich die Leistungen der niederge-
     impft hat.“ Die 7-Tage-Inzidenzen bezeichnet er als „Glücks-            lassenen Ärzte mit Zahlen und warnte gleichzeitig vor politi-
     rad“, vermisst eine „echte Strategie zur Pandemiebekämp-                schen Kapriolen wie Herausschieben der Zweitimpfung,
     fung“ und hinterfragt, welche Impfquote denn genug sei für              Wechsel des Impfstoffes oder Stocken der Impfkampagne
     eine endgültige Normalisierung. Sodann fordert Gassen eine              durch fehlende Impfstoffe. Die Impfkampagne dürfe keine
     gerechtere Verteilung der Impfstoffe und eine Aufhebung                 Achterbahnfahrt sein.
     der Priorisierung. Kritische Worte fand der KBV-Vorsitzende             Es hat zunächst verwundert, dass in beiden Reden das Thema
     für die mangelnde Wertschätzung der niedergelassenen Ärz-               Digitalisierung nur am Rande behandelt wurde. Die Digitali-
                                                                                                        sierung war jedoch der wesentli-
                                                                                                        che Inhalt der Rede von Vor-
                                                                                                        standsmitglied Dr. Thomas Krie-
                                                                                                        del. Er forderte eine Analyse,
                                                                                                        „welche Versorgungsprobleme
                                                                                                        und Defizite am drängendsten
                                                                                                        sind, welche davon Verbesse-
                                                                                                        rungspotenzial durch Digitalisie-
                                                                                                        rung aufweisen und dann schau-
                                                                                                        en, welche technischen Lösungen
                                                                                                        wir dafür benötigen – und nicht
                                                                                                        umgekehrt“. Kriedel warnte aber
                                                                                                        auch vor Risiken der Digitalisie-
                                                                                                        rung: Millionen Menschen könn-
                                                                                                        ten den Anschluss an die Gesund-
                                                                                                        heitsversorgung verlieren. Die
                                                                                                        Vorstellungen der KBV zur Ent-
                                                                                                        wicklung der Medizin in einer di-
     Der Vorstand der KBV im Online-Portal (v.l.): Dr. Kriedel, Dr. Hofmeister, Dr. Gassen,             gitalen Gesellschaft werden in
     Dr. Petra Reis-Berkowicz                                                                           dem Positionspapier „KBV 2025:

Seite 212                                                                                     ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN
KBV-VERTRETERVERSAMMLUNG

Dr. Gassen erstattet Bericht                                    Pressekonferenz im Anschluss an die VV
                                                                                                Fotos/Screenshots: Dr. Schimanke

Strukturen bedarfsgerecht anpassen - Digitalisierung            peutische Ressourcen der Patientenversorgung belasten. Sie
sinnvoll nutzen“ dargelegt und wurden von der Vertreter-        beauftragt den Vorstand, sich bei der Politik für sachgerech-
versammlung einstimmig beschlossen.                             te Entscheidungen einzusetzen und nimmt dabei ausdrück-
Die Diskussion über das Impfen war durchaus widersprüch-        lich Bezug auf die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen.
lich: Einerseits wurde zu Recht als Erfolg gefeiert, dass die   Auch der Deutsche Ärztetag stand auf der Tagesordnung der
Impfkampagne erst mit Einbeziehung der Praxen an Fahrt          Vertreterversammlung. Es wurde die Forderung des SpiFa
aufgenommen habe, andererseits wurde wiederholt festge-         bekräftigt, endlich eine neue GOÄ vorzulegen; darüber hin-
stellt, dass damit eine erhebliche Belastung des Praxisperso-   aus gab es keine Wortmeldung, so dass dieser TOP in weni-
nals verbunden ist. Die Vertreterversammlung fordert die        ger als fünf Minuten abgehandelt war.
extrabudgetäre Vergütung von zusätzlichen Impftagen
(bspw. am Wochenende) und einen Bonus für die MFA als           Zum Schluss konnte Petra Reis-Berkowicz eine positive Bilanz
staatliche Anerkennung für deren außergewöhnliche Leis-         ziehen: Die Versammlung habe große Gemeinsamkeiten,
tungen.                                                         große Kraft, große Einigkeit gezeigt. Mit „Genug gelobt“
In einer Entschließung hat sich die VV entschieden gegen        ging die Versammlung nach knapp 2,5 Stunden zu ende.
Qualitätssicherungsmaßnahmen ausgesprochen, die mit ho-
hem bürokratischem Aufwand ärztliche und psychothera-                                                  Dr. Wilfried Schimanke

                                                                                                                        ANZEIGEN

AUSGABE 6/2021 31. JAHRGANG                                                                                                 Seite 213
LESERBRIEFE

     Gegenwind
     Leserbrief zur Glosse „Der Doktor, die Dokterschen und die kalte Barbara“,
     Ausgabe 5/2021, Seite 193

     Eigentlich hatte ich nach der Lektüre erwartet, eine Bemer-                 „Work-Life-Balance“ subsumieren lässt). Zudem wurde von
     kung zum Erstabdruck aus dem ÄB 5/1951 (*) zu lesen. Umso                   den drei „Dokterschen“ eine offensichtlich qualifizierte Mit-
     erstaunter war ich, dass im Jahr 2020/21 in der Corona-Krise                arbeiterin eingestellt, die es tatsächlich fertiggebracht hat,
     noch immer ein eigentlich bereits berenteter „Doktor“ mit                   das Patientenklientel in „krank und behandlungsbedürftig“
     hochgekrempelten Ärmeln und dank völlig unkomplizierter                     und „einfach nicht krank“ vorzusortieren bzw. dessen Selbst-
     Reaktivierung seiner Kassenzulassung (Öffnen der Schublade                  heilungskräfte zu aktivieren, in meinen Augen ein durchaus
     und Entnahme eines Stempels) einfach locker die Arbeit von                  positives Beispiel einer Triage, zudem ausreichend/wirtschaft-
     gleich drei „Dokterschen“, respektive Ärztinnen erledigen                   lich/zweckmäßig. Da es mit der Belastung durch Miasmen oder
     kann. Haben sich diese Drei geradezu erdreistet, das Dogma                  – ganz en vogue – Aerosolen im Jahr 1951 aber noch nicht so
     der ständigen Verfügbarkeit (auch der der unbenannten                       schlimm war, ist die Behandlung im heimischen Pensionärs-
     Ehefrau) nicht nur wegen des besseren Kontaktes zur eige-                   wohnzimmer auch akzeptabel, allemal gemütlicher als unter
     nen Familie in Frage zu stellen, sondern auch noch so neumo-                den entbehrlichen Hygieneregeln. Die sollten sich mal lieber
     dische Dinge wie Fitness des vormittags zu betreiben (was                   ausschließlich um Ihre Kinder kümmern, diese Rabenmütter-
     sich insgesamt unter den noch neumodischeren Begriff                        dokterschen, jedenfalls bis der richtige Doktor umfällt und kei-
                                                                                 neR mehr zum Führen der Landpraxis da ist wie vielerorts.

     		Anm. d. Red.: Den Bezug auf 1951 haben wir nicht verstanden – ansonsten
     *

       kann man eine Glosse auch so interpretieren!                                                              Barbara Lebert, Neuenkirchen

     Verkrustete Weltsicht alter Männer
     Leserbrief zur gleichen Glosse

     Die von Martin Tannenberg verfasste Glosse „Der Doktor, die                 In Mecklenburg hingegen meint die Ärztekammer, die knapp
     Dokterschen und die kalte Barbara“ in Ausgabe 5/2021 ist in                 47% tätigen Ärztinnen als unmotivierte Selbstverwirklicher
     Zeiten der Landflucht und des Ärztemangels ein Schlag ins                   darstellen zu müssen?
     Gesicht für moderne Ärztinnen, die Familie und Arbeit mit                   Ich bin entrüstet und beschämt, dass meine Kammer sich im
     Teilzeitstellen verknüpfen möchten.                                         Jahr 2021 hergibt, solch eine rückwärtsgewandte Meinungs-
     Eine ironisch-distanzierte Haltung zu den geschilderten                     mache kommentarlos zu veröffentlichen.
     Umständen als Merkmal der Glosse sucht man hier leider
     vergebens.                                                                                                   Dr. Christian Siebel, Schwerin
     Offensichtlich leidet der Autor vielmehr an Verkennung der
     ländlichen Realitäten. Statt von den Mitbürgern für die gesi-
     cherte Versorgung durch gleich drei(!) Ärztinnen eine Anpas-
     sung an die geänderten Sprechzeiten zu verlangen, wird in                     Eine Glosse ist eine Glosse, auch wenn der Leser die Iro-
     dumpfem Reaktionismus der Lebensentwurf von studierten                        nie darin nicht erkennt. Selbstverständlich gibt eine
     Müttern verächtlich gemacht.                                                  Glosse niemals die Meinung der Kammer wieder. Auch
     Und natürlich muss eine MFA, die das mitmacht, auch voll-                     für das Ärzteblatt gilt: Namentlich gekennzeichnete
     kommen kühl und menschenfeindlich sein.                                       Beiträge geben stets die Meinung des Autors wieder. Es
     Unter anderem ist es doch gerade die altbackene Forderung                     bleibt der Redaktion unverständlich, wie man darin
     nach Selbstaufgabe und unbegrenzter Erreichbarkeit, die                       eine „Meinungsmache“ erkennen kann. Wir freuen uns
     den Beruf so unattraktiv macht, dass tausende Ärztinnen ab-                   über jeden Leserbrief; damit haben wir das Ziel der Ver-
     wandern.                                                                      öffentlichung erreicht.
     In den skandinavischen Ländern ist es völlig selbstverständ-                                                                      W.S.
     lich, ein Leben neben dem Arztberuf zu haben.

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WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG

Neurologische Manifestationen der
COVID 19-Erkrankung
Matthias Wittstock, Annette Grossmann*, Jan Klinke, Martin Gloger**, Uwe Walter,
Johann Christian Virchow**, Marc-André Weber*, Alexander Storch

Abstract                                                         Einleitung

Neurologische Symptome und Erkrankungen in Assoziation           Im Dezember 2019 wurde in Wuhan, China, erstmals eine Se-
mit einer COVID-19-Erkrankung sind häufig. Ursachen neuro-       rie von neuartigen viralen Pneumonien mit zum Teil sehr
logischer Manifestationen sind möglicherweise die Aktivie-       schweren Verläufen registriert, welche durch einen neuarti-
rung von ACE2-Rezeptoren sowie ein Zytokinsturm. Häufig          ges Corona-Virus (SARS-CoV-2) verursacht wurden: coronavi-
kommt es zu Geruchs-und Geschmackssinnstörungen. Kopf-           rus disease 2019 (COVID-19) [1, 2]. Bis heute sind in Deutsch-
schmerzen und quantitative Bewusstseinsstörungen bis hin         land mehr als 2,9 Millionen Menschen infiziert, und mehr als
zum Koma wurden beschrieben. Neuromuskuläre Probleme             77103 Menschen sind im Zusammenhang mit COVID-19 ge-
können auftreten. Weiterhin kommt es zu einer erhöhten           storben. Die klinisch im Vordergrund stehenden Leitsympto-
Rate von Schlaganfällen, deren Ursache in der mit COVID in-      me der Erkrankung stellen Dyspnoe, Husten, Fatigue, Durch-
duzierten Koagulopathie liegt. Die neuroradiologische Eva-       fall und Fieber dar. In schwerwiegenden Fällen führt die Er-
luation ist ein wichtiger Baustein in der Diagnostik. Der Ver-   krankung zu einer Intensivbehandlungs- und Beatmungsnot-
lauf kann akut oder chronisch sein und bedarf einer individu-    wendigkeit, welche mit einer hohen Mortalität verbunden
ellen und adäquaten Therapie. Besonderes Augenmerk muss          ist. Zur Sicherung der Diagnose führen charakteristische
auf kritisch kranken COVID19-Patienten liegen, da eine neu-      Lungenveränderungen in der radiologischen Bildgebung wie
rologische Mitbeteiligung hier im Rahmen der intensivmedi-       hauptsächlich die Peripherie und die basalen Lungenab-
zinischen Behandlung leicht übersehen werden kann, ob-           schnitte betreffende Konsolidierungen, Milchglastrübungen
wohl gegebenenfalls Behandlungsmöglichkeiten bestehen.           und knotige Verschattungen (LIT) sowie Laboruntersuchun-
Eine prolongierte Rekonvaleszenz ist häufig. Bezüglich mög-      gen mittels PCR.
licher Langzeitschäden liegen noch keine abschließenden
Daten vor.                                                       Mehr als 35% der COVID-19-Patienten entwickeln neurologi-
                                                                 sche Symptome. Einige COVID-19-Patienten können neurolo-
Klinik und Poliklinik für Neurologie
*
 		Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie,   gische Symptome als Erstmanifestation der Erkrankung auf-
   Kinder- und Neuroradiologie                                   weisen [3]. Die Prävalenz neurologischer Zeichen und Symp-
**
   Abteilung für Pneumologie und Intensivmedizin
   Universitätsmedizin Rostock                                   tome ist bei Patienten mit schwerer COVID-19-Infektion hö-

                                                                                                                       ANZEIGEN

AUSGABE 6/2021 31. JAHRGANG                                                                                                Seite 215
WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG

                                                                      – ein sogenanntes olfactory bulb sign – nachgewiesen werden
                                                                      [8, 9]. Bei der Mehrzahl der Patienten sind die Geruchs- und
                                                                      Geschmackssinnstörungen innerhalb einer Woche rückläufig,
                                                                      können jedoch bei ca. 17 % der Patienten über 4 Wochen per-
                                                                      sistieren [10] und in Einzelfällen dauerhaft anhalten.

                                                                      Kopfschmerzen

                                                                      Kopfschmerzen und Benommenheit sind die beiden häufigs-
                                                                      ten Symptome einer COVID-19-Erkrankung [6] Die Kopf-
                                                                      schmerzcharakteristik wird ähnlich einem Spannungskopf-
                                                                      schmerz beschrieben und ist von leichter bis mittelgradiger
                                                                      Intensität. Die Mechanismen der Kopfschmerzsymptomatik
                                                                      sind nicht abschließend geklärt. Als mögliche Mechanismen
                                                                      werden zum einen eine direkte Invasion von SARS-CoV-2 in
                                                                      die trigeminalen Nervenendigungen im Nasenraum oder
                                                                      eine perivaskuläre Affektion über ACE2-Rezeptoren der pe-
                                                                      rineuralen Gefäße sowie zirkulierende pro-inflammatorische
                                                                      Zytokine und eine Hypoxie diskutiert [11].

                                                                      Enzephalopathie
     Abbildung 1: Schematische Darstellung möglicher neurologischer
     Manifestationen im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung (PRES =      Unter dem eher unspezifischen Begriff Enzephalopathie ver-
     Posteriores reversibles Vasokonstriktionssyndrom, ADEM = Akute
                                                                      steht man diffuse Hirnfunktionsstörungen, welche durch
     demyelinisierende Enzephalomyelitis).
                                                                      quantitative und qualitative Bewusstseinsstörungen bis hin
                                                                      zum Delir gekennzeichnet sind. Enzephalopathien entwickeln
     her, die auf eine zerebrale Hypoxie aufgrund eines Atemver-      sich in der Regel über Stunden bis Tage. Bei der COVID-19-Er-
     sagens zurückzuführen sein kann [4]. COVID-19 ist mit einer
     Vielzahl neurologischer Erkrankungen assoziiert. Neben eher
     unspezifischen Symptomen wie Kopfschmerzen, kann es zur
                                                                      Tabelle 1: Häufigkeiten neurologischer Komplikationen im Rahmen
     Entwicklung von Riech- und Geschmacksstörungen und zu En-        einer COVID-19-Erkrankung.
     zephalopathien unterschiedlicher Ausprägung kommen. Fälle
     mit einer posterioren reversiblen Enzephalopathie sind beob-      Krankheitsbild/              Häufigkeit (%)
     achtet worden. Weiterhin können eine akute disseminierte          Syndrom/Symptom
     Enzephalomyelitis, eine Meningoenzephalitis, ischämische und      Anosmie                      86 [33]
     hämorrhagische Schlaganfälle sowie epileptische Anfälle auf-      Dysgeusie                    82 [33]
     treten. Im Bereich des peripheren Nervensystems sind bei-
                                                                       Kopfschmerz                  6-10 [11]
     spielsweise Fälle eines Guillain-Barré-Syndrom (GBS) beschrie-
     ben (Abbildung 1). Häufigkeiten neurologischer Komplikatio-       Fatigue                      [31]
     nen im Rahmen einer COVID-Erkrankung zeigt Tabelle 1.             Enzephalitis                 6 [25]
                                                                       Vaskulitis                   < 1 [21, 23, 34]
     Geruchs- und Geschmackssinn
                                                                       ADEM                         Kasuistisch, z. B. [35]
     Der Verlust des Geruchssinns ist wohl eines der prominentes-      Ischämischer Schlaganfall    4,6-46 [1, 36]
     ten (und charakteristischsten) neurologischen Symptome im         Intrazerebrale Blutung       0,25-7,9 [37, 38]
     Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion [5, 6]. Bis zu 85 % der
                                                                       Sinusvenenthrombosen         Kasuistisch, Fallserien, z. B. [20]
     Patienten klagen über eine Geruchssinnstörung geringen bis
     mittelgradigen Ausmaßes [7]. Meist tritt die Geruchssinnstö-      Enzephalopathien             7,0-13
     rung in Kombination mit meiner Beeinträchtigung des Ge-           PRES                         Kasuistisch, z. B. [14]
     schmackssinns einher. Dabei geht die Riechstörung in mehr als     Guillain-Barré-Syndrom       Kasuistisch, N > 15, z. B. [27]
     10 % der Patienten weiteren Symptomen voraus [8]. Im krani-
                                                                       Hyper-CKämie                 11 [6]
     alen MRT können Signalveränderungen im Bulbus olfactorius

Seite 216                                                                                 ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN
WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG

Abbildung 2: 39-jährige Patientin mit schwerer COVID-19-Pneumo-     Abbildung 3: 74-jähriger Patient mit COVID-19-Pneumonie und
nie, ARDS und assoziiertem PRES. Klinisch-neurologisch zeigte die   lakunärem Hirninfarkt im Stromgebiet der A. cerebri media links
Patientin ein enzephalopathisches Bild und einen non-konvulsiven    (kraniale MRT, A ausgeprägte ältere mikroangiopathische Markla-
Status epilepticus (kraniale MRT, A Tag 26. B Tag 33).              gerveränderungen in der FLAIR-Sequenz, B akuter lakunärer In-
                                                                    farkt in der Diffusionswichtung (Pfeil)).

krankung findet sich das gesamte Spektrum enzephalopathi-           [1, 6]. Die Häufigkeit wird in bisher publizierten Kohorten
scher Symptome, die mit 25-69% eine häufige Problematik             zwischen 2 und 6 % der COVID-Patienten angegeben [1, 16].
bei COVID-Patienten darstellen [6, 12]. Hypoxisch / metaboli-       Die exakte Inzidenz und die pathophysiologischen Mechanis-
sche Veränderungen durch eine intensive Entzündungsreak-            men sind nicht abschließend geklärt. Eine gepoolte Untersu-
tion gegen das Virus lösen einen Zytokinsturm aus und kön-          chung fand eine 2,5-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit einen
nen anschließend ein ARDS mit Organversagen und konseku-            Schlaganfall im Rahmen einer COVID-Erkrankung zu erleiden
tiver Enzephalopathie verursachen. Das Auftreten ist häufig         [17]. Die Schlaganfallätiologie war hier heterogen.
bei älteren und schwerkranken Patienten auf der Intensivsta-        Schwere COVID-19-Erkrankungen können mit einer Sepsis-
tion. Das Vorhandensein von Komorbiditäten prädisponiert            induzierten Koagulopathie (SIC) mit hohen D-Dimer-Spiegeln
für diese Veränderungen. Kortikale und subkortikale T2 /            und erhöhtem Fibrinogen einhergehen. Aus dieser SIC kann
FLAIR (fluid attenuated inversion recovery)-Signaländerun-          sich eine disseminierte intravasale Koagulopathie (DIC) ent-
gen sind häufige Befunde in der zerebralen Bildgebung.              wickeln, welche mit einer systemischen inflammatorischen
                                                                    Antwort mit konsekutiver endothelialer Dysfunktion und
Sonderform posteriores reversibles Enzephalopathie-                 Mikrothrombosen einhergeht. Darüber hinaus kann CO-
Syndrom                                                             VID-19 zum Auftreten von erhöhten Antiphospholipid-Anti-
Eine Sonderform der Enzephalopathien ist das Posteriore re-         körpern (aPL-Ak) führen, welche in einer kleineren Fallserie
versible Enzephalopathie-Syndrom (PRES). Klinisch ist das           mit ischämischen Schlaganfällen assoziiert waren [18].
PRES durch eine quantitative Bewusstseinsstörung, das Auf-
treten von epileptischen Anfällen bis hin zum Status epilep-
                                                                                                                             ANZEIGE
ticus und charakteristische Veränderungen parieto-okzipital
durch ein kortikal/subkortikales vasogenes Ödem in der Bild-
gebung gekennzeichnet (Abbildung 2). In der Literatur fin-
den sich eine Reihe von Fallberichten eines PRES im Zusam-
menhang mit einer COVID-19-Erkrankung [13, 14]. Bei den in
der Literatur berichteten Fällen sowie dem hier berichteten
Kasus einer schweren COVID-19-Erkrankung mit PRES ist eine
endotheliale Dysfunktion in Kombination mit hämodynami-
schem Stress und einer immunologischen Aktivierung mit Frei-
setzung von TNF-α, INF-γ und IL-1 mit konsekutiver erhöhter
vaskulärer Permeabilität ursächlich zu diskutieren [14, 15].

Schlaganfall

Ischämische und hämorrhagische Schlaganfälle (Abbildung 3
und 4) können mit einer COVID-19-Erkrankung assoziiert sein

AUSGABE 6/2021 31. JAHRGANG                                                                                                     Seite 217
WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG

                                                                     der untersuchten Patienten mit SARS-CoV2-Infektion eine
                                                                     Gefäßwandverdickung mit konzentrischem und homogenem
                                                                     Enhancement gezeigt werden, welche gut mit dem Auftre-
                                                                     ten einer Endothelitis bzw. Vaskulitis im Rahmen einer CO-
                                                                     VID-Erkrankung vereinbar ist. Eine neuropathologische Be-
                                                                     stätigung erfolgte in dieser Studie jedoch nicht.

                                                                     Meningitis und Enzephalitis

                                                                     Entzündungen der Hirnhaut und/oder des Hirngewebes wer-
                                                                     den in der Regel durch Infektionen oder Autoimmunreakti-
                                                                     onen verursacht. Bisher sind nur einzelne Fallberichte von
                                                                     COVID-assoziierten Meningitiden bzw. der Nachweis von
     Abbildung 4: 87-jähriger multimorbider Patienten mit COVID-     SARS-CoV-2-RNA im Liquor in der PCR berichtet [24, 25]. Ein
     19-Pneumonie und Stammganglienblutung (A kraniale CT,           Fall einer hämorrhagischen, nekrotisierenden Enzephalopa-
     B kraniale MRT, T2*-gewichtete Sequenz).
                                                                     thie im Rahmen einer COVID-19-Infektion wurde in den USA
                                                                     dokumentiert [26].
     Bezüglich der Therapie zerebrovaskulärer Ereignisse kommt
     neben dem Akutmanagement unter Infektionsschutzbedin-           Eine meningoenzephalitische CoV-2-Infektion scheint somit
     gungen der Sekundärprophylaxe mit einer raschen Antiko-         eine Rarität und Ihre Bedeutung unklar zu sein. Wesentliches
     agulation eine besondere Wichtigkeit zu, um thrombotische       Augenmerk sollte hier auf Sekundärinfektionen gerichtet
     Ereignisse zu verhindern [19].                                  sein, welche nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft
     Intrazerebrale Blutungen (Abbildung 4) treten mit einer Häu-    für Neurologie und des Paul-Ehrlich-Institutes behandelt
     figkeit von über 7 % auf und sind mit einer hohen Mortalität    werden sollten.
     und Morbidität assoziiert. Als Mechanismen für die Entwick-
     lung eines hämorrhagischen Schlaganfalls im Rahmen einer        Neuromuskuläre Manifestationen
     COVID-Erkrankung werden die Depletion von angiotensin
     converting enzyme 2 (ACE2) Rezeptoren und eine überaktive       Im Rahmen von COVID-19-Infektionen kann es auch zu Neu-
     Immunantwort diskutiert.                                        ritiden und Polyradikulitiden kommen. In der Literatur sind
     Aufgrund der Überlappung der Altersstruktur für den Alters-     mehr als 30 Fälle eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) im Zu-
     gipfel zerebrovaskulärer Erkrankungen und der Risikopopu-       sammenhang mit COVID beschrieben worden [27]. Die neu-
     lation für eine COVID-19-Erkrankung ist die Assoziation und     rologischen Symptome eines GBS wie Parästhesien und mus-
     gegebenenfalls Koinzidenz von erheblicher klinischer und        kuläre Schwäche treten im Durchschnitt 12 ± 6 Tage nach der
     logistischer Bedeutung.                                         COVID-Infektion auf [27]. Einzelfälle eines Miller-Fisher-Syn-
     Sinusvenenthrombose und zerebrale Vaskulitis sind insge-        droms und ein Fall einer Polyneuritis cranialis wurden berich-
     samt seltene Schlaganfallursachen.                              tet [28]. Bei allen Patienten war die SARS-CoV-2 PCR aus dem
     Sinusvenenthrombosen im Rahmen von einer COVID-Erkran-          Liquor negativ. Passagere Muskelschmerzen, Abgeschlagen-
     kung wurden in Fallserien beschrieben [20]. Es wird in die-     heit und Hyper-CK-ämien wurden bei 40-70 % der COVID-
     sem Kontext diskutiert, dass entweder der durch die Virusin-    Patienten beschrieben [6]. Bei schweren COVID-Verläufen ist
     fektion induzierte Zytokinsturm oder die durch die Virusbin-    nach einer Behandlung auf der Intensivstation mit dem Auf-
     dung an den ACE-2-Rezeptor verursachte Endothelschädi-          treten einer Critical-illness-Polyneuropathie oder –Myopathie
     gung eine Kaskade aktivieren kann, die zu einer Hyperko-        zu rechnen [29].
     agulabilität führt.
                                                                     Post-COVID-Syndrom
     Das Auftreten einer zerebralen Vaskulitis in Assoziation mit
     einer COVID-Erkrankung wurde kasuistisch beschrieben [21,       Auch 8 Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus
     22]. Eine aktuelle kernspintomographische Untersuchung mit      leiden noch über 65 % der Patienten unter Fatigue und mehr
     mehr als 60 COVID-Patienten zeigte Befunde im Bereich der       als 50 % unter Atemnot. Ein Drittel der Patienten klagt über
     mittleren Gefäße, welche mit einer zerebralen Vaskulitis ver-   Husten und knapp 15 % litten unter depressiven Symptomen
     einbar waren und als möglicher Mechanismus einer ischämi-       [30]. Patienten klagen weiterhin über kognitive Störungen,
     schen Hirnschädigung interpretiert wurden [23]. Über ein        über „Nebel im Kopf“ und Muskelschwäche. Über 90 % der
     Vessel-wall-Imaging konnte kernspintomographisch bei 16 %       Patienten hatten wiederkehrende Kopfschmerzen. Circa 2 %

Seite 218                                                                                ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN
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