Ärzteblatt Baden-Württemberg - 08 | 2012 - Landesärztekammer Baden

 
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Ärzteblatt Baden-Württemberg - 08 | 2012 - Landesärztekammer Baden
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                                    Ä  r zteblatt
                                    Baden-Württemberg
                                    Amts- und Mitteilungsblatt der ärztlichen Körperschaften | ISSN 0720-3489 | E 1041 | 67. Jahrgang | Gentner Verlag   08 | 2012
Foto: © Milan Klima, Neu-Isenburg
Ärzteblatt Baden-Württemberg - 08 | 2012 - Landesärztekammer Baden
Faszination der Reise und das Reiserisiko.

                                                                                                                          B. Rieke – Th. Küpper – C. M. Muth (Hrsg.)

                                                                                                                          Moderne
                                                                                                                          Reisemedizin
                                                                                                                          ■ Handbuch für
                                                                                                                            Ärzte
  1. Auflage 2010                                                                                                            Apotheker
  Gentner Verlag, Stuttgart                                                                                                 Reisende
  ISBN 978-3-87247-708-8
  Gebunden, 544 Seiten, vierfarbig
  Ladenpreis: € 59,–; sFr 100,–

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  der Neuerscheinung B. Rieke et al. (Hrsg.),
  „Moderne Reisemedizin“                                                                                                  Firma/Institution
  (Best.-Nr. 70800), 1. Auflg. 2010, zum Preis von € 59,– zzgl.
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                                                                 B E STE LLE N:
  Gentner Verlag                                                                                                          Straße / Postfach                                         Nr.

  Buchservice Medizin                                                                                                               -
  Postfach 101742                                                                                                         Land          PLZ          Ort

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                     Tel. 0711/63672-857 • Fax 0711/63672-735
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                                                                Ä  r zteblatt
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                                                                Amts- und Mitteilungsblatt der ärztlichen Körperschaften                  08 | 2012

                                                                          Editorial                                 Rechtsfragen
                                                                328	
                                                                    Streikrecht für alle Ärztinnen     336	
                                                                                                           Ärzte und Geschenke
               Die BW-Bank präsentiert auf                                und Ärzte                                 der Pharmaindustrie?
          der Titelseite „Fantastische Anatomie“
             von Prof. Dr. med. Milan Klima:
                                                                          Kammern und KV                            Ethik
                         Wolkenkratzer                          329	
                                                                    Paradigmenwechsel                  337	
                                                                                                           Neues Transplantationsgesetz:
                                                                    im Notfalldienst                                Dienst oder Bärendienst?
          Das Hüftgelenk-Ende eines Oberschenkel-
          knochens spannt sich im weiten Bogen über
                                                                330	
                                                                    Die Alten gehen,
                                                                    die Jungen flüchten
          eine Stadtlandschaft. Die langen Röhren­                                                                  Wirtschaft
          knochen bestehen in der Mitte aus einem
          kompakten druckfesten Mantel, an ihren
                                                                                                       340	
                                                                                                           Neues aus der Finanzwelt
          Enden aus einem porösen Schwammwerk-
          knochen, der die Biegungskräfte abfängt.                                                                  Vermischtes
          Die anatomische Struktur zeigt in ihrer stren-
          gen Anordnung deutliche Parallelen zu den
                                                                                                       339	
                                                                                                           Weltweit größte
                                                                                                                    Transplantations-Studie
          mechanischen Konstruktionsprinzipien der
          Architektur, wie man sie beispielsweise in                                                   341	
                                                                                                           Erster Lehrstuhl
          Türmen, Brücken oder Gewölben verwirk-                                                                    für Gefäßchirurgie
          licht. Die Natur wie auch der Mensch bedie-           331	
                                                                    Vertreterversammlung
          nen sich der gleichen physikalischen Gesetze.                   der Landesärztekammer

          Baden-Württembergische Bank (BW-
                                                                332	
                                                                    LÄK-Tätigkeitsbericht erschienen
          Bank) ermöglicht auf der Titelseite des               332	
                                                                    Hohe Auszeichnung für Dr. Nick
          Ärzteblattes eine neue Sichtweise auf
          den menschlichen Körper. Alle Bilder                                                         341	
                                                                                                           Zwei runde Jubiläen:
          ­entstammen dem beruflichen Umfeld von                                                                    MB-BW und BWVA
           Ärztinnen und Ärzten. Die BW-Bank ver­
           deutlicht damit ihre enge Beziehung zur                                                     341	
                                                                                                           DFG-Vizepräsidentin
           Ärzteschaft in Baden-Württemberg, nicht                                                                  aus Freiburg
           zuletzt, weil ihre Beratungsspezialisten für                                                342	
                                                                                                           Pädiater produziert
           Heilberufe seit vielen Jahren kompetente                                                        Ärztliche Hörbücher
           Unterstützung und Beratung in allen wirt-            333	
                                                                    Clever rügt Beschneidungs-Urteil   342	
                                                                                                           Prof. Zips neuer
           schaftlichen Fragen von Medizinern bieten.                                                      Ärztlicher Direktor
           Die BW-Bank ist mit knapp 200 Filialen in
                                                                333	
                                                                    Warnung vor Ärzteverzeichnissen
                                                                334	
                                                                    Labormediziner und                 343	
                                                                                                           Förderprogramm für Landärzte
           allen Landesteilen vor Ort. Beispielsweise
           in Tübingen berät Sie Ihr Vermögens­                           Mikrobiologen gesucht        343	
                                                                                                           Zwangsmedikation
           Manager Heilberufe Thomas Schams                     334	
                                                                    Landesärztekammer empfiehlt        344	
                                                                                                           Neue Bücher
           (Tel. 0 70 71 / 1 58-2 00, Fax -1 11) kom­                     Notfall-Lineal               344	
                                                                                                           Die Herz-Docs
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          Mehr Informationen zum Angebot für Heil-                                                                  Veranstaltungsübersicht
          berufler oder zu Beratungsspezialisten in                                                    345
          Ihrer Nähe erhalten Sie im Internet unter
          www.bw-bank.de/heilberufe oder telefo-                                                                    Bekanntmachungen
          nisch unter 07 11 / 1 24-4 90 95.                                                            347
          Einem Teil dieser Ausgabe liegen Prospekte der        335	
                                                                    KVBW-Vorstand on Tour                           Impressum
          ­Privatärztlichen Verrechnungsstelle Baden-Württem-   335	
                                                                    Substitutionsausweis               364
           berg e. V., Stuttgart, bei.

                                                                                                             ÄBW 08 • 2012   327
Ärzteblatt Baden-Württemberg - 08 | 2012 - Landesärztekammer Baden
Editorial

                              Europaweite Harmonisierung von Privilegien der Freien Berufe

                              Streikrecht für alle Ärztinnen und Ärzte

                              W
                                         ollen Ärzte streiken und         ren uns einig, dass der Kollektivvertrag        Ich bin der Überzeugung, dass das
                                         dürfen sie das überhaupt?        mittlerweile so durchlöchert ist, dass     nur mit einem Streikrecht geht, das
                                         Diese Frage ist für angestell-   wir deswegen nicht mehr auf ein            auch für Niedergelassene gilt. Dass
                              te Ärztinnen und Ärzte beantwortet:         Streikrecht verzichten müssen. Der         wir angeblich nicht streiken dürfen,
                              Sie dürfen und tun es mit Erfolg. An-       zweite Anlass, dieses Thema auf die        ist durch Juristen der politisch Verant-
                              ders sieht es für die Niedergelassenen      Tagesordnung von MEDI Baden-               wortlichen und der Körperschaften
                              aus, die das Streikrecht für den Sicher-    Württemberg und MEDI Deutschland           abgeleitet und sie alle werden hart
                              stellungsauftrag aufgegeben haben           zu nehmen, war einer Einladung der         gegen ein Streikrecht kämpfen. Den-
                              sollen. Wir haben einen Juristen nach       CDU-Fraktion nach Berlin geschuldet.       noch macht eine juristische Prüfung
    Dr. Werner Baumgärtner    Quellen dafür suchen lassen. Er hat         Dort wurde über die Stellung der           Sinn: Warum dürfen beispielsweise in
                              nichts gefunden.                            Freien Berufe in Deutschland und Eu-       Deutschland eine angestellte Ärztin
                                   Ich bin auf das Thema Streikrecht      ropa diskutiert. Angeblich gibt es Ak-     oder ein angestellter Arzt in der Klinik
                              von zwei Seiten gestoßen: zuerst in         tivitäten der Europäischen Kommis­         streiken, in der ambulanten Praxis
                              einem Gespräch mit dem früheren             sion die „Privilegien der Freien Berufe    oder dem Medizinischen Versor-
                              Vorsitzenden des Bayerischen Haus­          in Europa zu harmonisieren“.               gungszentren aber nicht?
                              ärzteverbands, Dr. Wolfgang Hoppen­              Als niedergelassener Arzt und              MEDI wird deshalb das Streikrecht
                              thaller, vor circa zwei Jahren. Wir wa-     deren gewählter Vertreter fragte ich       für Niedergelassene juristisch prüfen
   Anzeige                                                                mich ernsthaft, worin diese angeb-         lassen. Dazu werden wir in der zweiten
                                                                          lichen Privilegien bestehen sollen. In     Jahreshälfte den ersten offiziellen
                                                                          den Körperschaften? Die hängen am          Warnstreik in Baden-Württemberg
Veranstaltungshinweise                                                    Haken des Sozialgesetzbuches V,            organisieren. Unser Streikgrund wird
                                                                          dessen Regelungsdichte stetig zu-          der geplante Online-Datenabgleich in
Die Baden-Württembergische Bank (BW-Bank) veranstaltet                    nimmt. In der guten Bezahlung? Je-         den Praxen sein, der politische und
ein Fachseminar für niederlassungswillige Mediziner.                      der weiß, dass Ärzte in Ländern mit        bürokratische GAU für Praxen und
Seminartitel:                                                             staatlichen       Gesundheitssystemen      Patienten. Auf der Basis der Reaktion
Existenzgründer-Seminar für Heilberufler.                                 besser bezahlt werden. Dort würde          von Kassenärztlicher Vereinigung und
Seminarinhalte:                                                           kein Arzt für 50 Euro oder weniger         gegebenenfalls einzelner Krankenkas-
• Neugründung oder Übernahme                                             pro Stunde Nachtdienst leisten. Ganz       sen werden wir auf nationaler Ebene
• Kooperationsformen                                                     zu schweigen von rund 50 Euro              vor den Sozialgerichten klagen. Je
• Praxiswertermittlung                                                   floatende Regelleistungsvolumina,          nachdem, wie die Entscheidungen
• Investitions- und Kostenplanung
• Finanzierungsmöglichkeiten                                             die es im Kollektivvertrag im Quartal      ausfallen, werden wir das auch auf
• Öffentliche Fördermittel                                               gibt. In der Therapiefreiheit? Ange-       europäischer Ebene tun. Das Mandat
Termine und Veranstaltungsorte:                                           sichts von Richtgrößen für Arznei-         dazu haben wir in unserer MEDI
19. September 2012 (18.30 Uhr), Tübingen                                  und Heilmittel, deren Prüfung und          Deutschland-Umfrage erhalten, bei
10. Oktober 2012 (18.00 Uhr), Stuttgart                                   Regressierung, scheidet auch sie als       der sich 98 Prozent der Befragten für
Information und Anmeldung:                                                „Privileg“ aus.                            diesen Weg ausgesprochen haben.
BW Bank Tübingen, Melanie Spörl,                                               Deswegen lautet meine Position             Mit dem Streikrecht hätten wir
Telefon (0 70 71) 1 58-1 66, E-Mail: melanie.spoerl@bw-bank.de            zur geplanten „Harmonisierung der          endlich ein Instrument, um gegen
BW Bank Stuttgart, Oxana Melnikova,                                       Privilegien der Freien Berufe in Euro-     viele Fehlentwicklungen im ambu-
Telefon (07 11) 1 24-3 13 18, E-Mail: oxana.melnikova@bw-bank.de          pa“: Die Kommission soll die angeb-        lanten System vorzugehen. Ein Big
Teilnahmegebühr: kostenfrei                                               lichen Privilegien ruhig harmonisie-       Point wäre für mich endlich feste
Die Baden-Württembergische Bank (BW-Bank) in Ulm                          ren, der Staat dominiert sowieso in        Preise im Kollektivvertrag. Denn die
veranstaltet mit dem Referenten Hans Baumstark                            allen Ländern die Gesundheitssy-           floatenden Regelleistungsvolumina
(Vorsorgemanager, Franfurt School of Finance & Management)                steme, und im Gegenzug erhalten wir        und Fallzahlbegrenzungen sind ein
einen Informationsvortrag für niedergelassene Ärzte..                     in Deutschland Streikrecht wie bei-        Anachronismus und haben mit Frei-
Titel der Veranstaltung:                                                  spielsweise die niedergelassenen           beruflichkeit definitiv nichts zu tun!
Besonderheiten der Altersvorsorge von Heilberuflern                       Ärzte in Frankreich.                       Dabei hoffe ich auch auf breite Unter-
Vortragsinhalte:                                                               Für mich und viele aktive und         stützung seitens der Ärztekammern,
• Optimale Nutzung des 3-Schichten-Modells der Altersvorsorge            kritische Kolleginnen und Kollegen         in denen der Marburger Bund ja nicht
• Besonderheiten der Rentenbesteuerung                                   stellt sich seit den Reformen von Horst    nur in Baden-Württemberg federfüh-
• Vorteile der nachgelagerten Besteuerung
• Versorgungswerke und Demographie in Deutschland                        Seehofer die Frage, wie wir uns besser     rend ist. Er hat sich das Streikrecht
• Möglichkeiten zur individuellen Vorsorgeoptimierung                    und nachhaltig gegen die ganzen            erkämpft und wir haben ihn bei
Termin:                                                                   Fehlentwicklungen sogenannter Ge-          ­seinen Streikaktionen bisher immer
10. Oktober 2012 (19.00 Uhr)                                              sundheitsreformen wehren können,            tatkräftig unterstützt.
Veranstaltungsort:                                                        die heute noch allenfalls einen klei-
BW-Bank Ulm, Neue Straße 70, 89073 Ulm                                    nen Rest von Freiberuflichkeit übrig                         Dr. med. Werner Baumgärtner
Information und Anmeldung:                                                gelassen haben.                                Vorsitzender von MEDI Baden-Württemberg
BW-Bank Ulm, Kathrin Russ,
Telefon (07 31) 14 24-1 21, E-Mail: kathrin.russ@bw-bank.de
Teilnahmegebühr: kostenfrei
Ärzteblatt Baden-Württemberg - 08 | 2012 - Landesärztekammer Baden
Kammern und KV

Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg

Paradigmenwechsel im Notfalldienst

S
       chon seit längerer Zeit diskutiert   den Auftrag, bis Ende 2013 die Sicher-    „Vater“ der
       die Vertreterversammlung der         stellung des organisierten Notfall-       neuen Notfall­
       Kassenärztlichen Vereinigung         dienstes grundsätzlich durch (circa       dienst­ordnung:
Baden-Württemberg (KVBW) die                70) Notfallpraxen zu gewährleisten,       Dr. med.
Neuordnung des Ärztlichen Notfall-          die in der Regel als Eigeneinrich-        J. Fechner
dienstes. Ursprünglich ging es dabei        tungen der KVBW betrieben werden
um die Konzentration von rund 380           und nach Möglichkeit an Kranken-
auf 70 Bezirke, um den Dienst effizi-       hausambulanzen angebunden sein
enter zu machen und die Sicherstel-         sollen. In erster Linie wird es sich um
lung der Notfallversorgung auch in          einen allgemeinen ärztlichen Notfall-
Zeiten des Ärztemangels gewährlei-          dienst handeln, der allerdings – unter    durch eine bessere Verzahnung ge-
sten zu können. Der Zusammenle-             bestimmten Voraussetzungen –              zielter Informationen und einer gene-
gung von Notfalldienstbereichen so-         durch gebietsärztliche bzw. pädiat-       rellen Verbesserung der Informations-
wie der Etablierung zusätzlicher            rische Notfalldienste ergänzt werden      medien eine Steuerung des ärztlichen
Notfallpraxen hatte die Vertreterver-       kann. Für Besuchstätigkeiten sollen       Verordnungsverhaltens erzielt wer-
sammlung bereits zugestimmt (das            daneben Fahrdienste eingerichtet          den. Ziel sind die verbesserte Versor-
ÄBW berichtete).                            werden, die mehrere Notfalldienstbe-      gung der Versicherten und eine Ver-
     Doch neben zahlreichen Anre-           reiche umfassen können. Die grund-        minderung der Regressgefahr. Beim
gungen zur künftigen Ausgestaltung          sätzliche Verpflichtung zur Teilnahme     Erreichen vereinbarter Zielgrößen
des Bereitschaftsdienstes von Mitglie-      aller Ärztinnen und Ärzte am Notfall-     sollen den Ärztinnen und Ärzten Boni
dern der Vertreterversammlung mel-          dienst bleibt bestehen, wird jedoch       ausgezahlt werden.
deten sich auch die Notfalldienstkom-       organisatorisch faktisch ausgesetzt.           Ergänzt wurde die Vertreterver-
mission der KVBW sowie die vor Ort               Die Vergütung der Teilnahme am       sammlung durch einen Bericht von
den Notfalldienst Organisierenden und       Notfalldienst soll künftig einheitlich    Dr. Peter Schwoerer, Vorsitzender des
viele weitere Ärztinnen und Ärzte zu        geregelt werden und mindestens            Gemeinsamen Beschwerdeausschus-
Wort. Zudem kündigten die Kranken-          einem ärztlichen Honorar von 50,00        ses Baden-Württemberg, über die            Prüft die Arznei- und
kassenverbände an, sich an der Finan-       Euro pro Stunde entsprechen. Zur Fi-      Wirtschaftlichkeitsprüfung der Arz-        Heilmitteltherapie:
zierung eines organisierten Notfall-        nanzierung der Mehrkosten wird eine       nei- und Heilmitteltherapie. Er erläu-     Dr. med. P. Schwoerer
dienstes ausschließlich dann weiterhin      einheitliche Umlage erhoben. Zudem        terte, dass das Regress-Risiko nach
zu beteiligen, wenn klare Strukturen in     forderte die Vertreterversammlung,        Richtgrößenprüfung in Baden-Württ-
der Zukunft erkennbar seien. Darauf-        dass sich die Krankenkassen an der        emberg vergleichsweise klein ist:
hin sah sich der KVBW-Vorstand veran-       Finanzierung substanziell beteiligen.     Durch ein ausgefeiltes „Filter“-System
lasst, über eine umfangreichere Reform           Der Paradigmenwechsel im ärzt-       werden Praxen, die zunächst wegen
nachzudenken und mit den Mitglie-           lichen Bereitschaftsdienst in Baden-      einer Richtgrößen-Überschreitung
dern zu diskutieren.                        Württemberg ist damit eingeläutet. In     von mehr als 25 Prozent auffällig er-
     KVBW-Chef Dr. Norbert Metke            den kommenden Monaten wird das            scheinen, nach und nach über defi-
fasste vor der Vertreterversammlung         Modell des KVBW-Vorstands mit Le-         nierte Kriterien „aussortiert“, bevor es
Anfang Juli das Pro und Kontra einer        ben erfüllt werden müssen.                überhaupt zur Einleitung eines Re-
Reform des Ärztlichen Notfalldienstes            Weitere Beratungs- und Berichts-     gressverfahrens kommt. So waren
zusammen: „Falls die Kassenärztliche        punkte der Vertreterversammlung           beispielsweise im Hinblick auf Arz­
Vereinigung ihren Sicherstellungsauf-       waren unter anderem die aktuelle          neimittelregresse im Jahr 2009 von
trag nicht erfüllt, stirbt das Primat der   Standespolitik, die Sprechstundenbe-      11 894 verordnenden Praxen zunächst
Niedergelassenen in der ambulanten          darfs-Vereinbarung, die HVM-Ergeb-        1819 auffällig. Nach Filterung wurden
Versorgung.“ Die Freiberuflichkeit sei      nisse oder die Liberalisierung der        aber nur 349 Regressverfahren einge-
jedoch auch weiterhin ein unverzicht-       Assistenten- und Vertreterrichtlinien.    leitet, und am Ende blieben 139 Re-
barer Machtfaktor, so der Vorstandsvor-     Ferner stellte der Vorstand eine neue     gresse übrig. Mit diesem und anderen
sitzende. KVBW-Vize Dr. Johannes            Bonus-gestützte rationelle Pharma-        Beispielen gelang es Dr. Schwoerer
Fechner berichtete über eine umfas-         kotherapie vor, die unter dem Motto       eindrucksvoll, die Delegierten davon
sende Analyse des Status quo und kam        „K6“ im ersten Quartal 2013 starten       zu überzeugen, dass von seiner Prüf-
zu dem Schluss: „Der Notfalldienst ist      und sechs Komponenten beinhalten          stelle zwar einerseits die gesetzlichen
selbst ein Patient.“ Daher stellte der      wird: Mitgliederportal, Frühinformati-    Vorgaben des § 106 SGB V beachtet
Vorstand den Delegierten einen              on Arzneimittel, Verordnungsforum,        werden, andererseits aber auch der
10-Punkte-Plan vor, wie sich der Not-       ARV-Schnittstelle, Beratungsangebot       Versorgungswirklichkeit der Nieder-
falldienst komplett umkrempeln ließe.       und Qualitätszirkel. Mit diesen „Werk-    gelassenen in Baden-Württemberg
     Mit großer Mehrheit folgte die         zeugen“ sollen evidenzbasierte Effek-     Rechnung getragen wird.
Vertreterversammlung den Vorschlä-          tivität und Einsparpotenziale im Arz-
gen und erteilte dem KVBW-Vorstand          neimittelbereich realisiert sowie                                              OE

                                                                                                                ÄBW 08 • 2012    329
Ärzteblatt Baden-Württemberg - 08 | 2012 - Landesärztekammer Baden
Kammern und KV

                            Baden-Württembergischer Ärztetag diskutierte angeregt über den Mangel im Gesundheitswesen

                            Die Alten gehen, die Jungen flüchten

Prof. Dr. Thomas Zeltner

                           E
                                 nde Juli zog der baden-württ-      heitssysteme zu vergleichen. In           Bundesstaat sei – ärztlich gesehen –
                                 embergische Ärztetag über 200      Skandinavien sei die Wertschätzung        ein Immigrationsland; noch immer
                                 Interessierte aus Ärzteschaft,     für Ärzte deutlich ausgeprägter. Am       würden viel zu wenige Inländer zu
                           Politik, von Krankenkassen und wei-      hiesigen System störten ihn hinge-        Ärzten ausgebildet. Die Schweizer
                           teren Unternehmen und Organisati-        gen die ausgeprägten Hierarchien,         Sogwirkung sei nicht zuletzt der dor-
      Dr. Harald Kamps     onen im Gesundheitswesen nach            die Unvereinbarkeit von Familie und       tigen besonderen Wertschätzung für
                           Stuttgart. Kammerpräsident Dr. Ulrich    Beruf sowie die ausufernde Bürokra-       die Ärzteschaft geschuldet.
                           Clever hatte ein volles Haus zu begrü-   tie. Seine Therapieempfehlung: man              Das interdisziplinär besetzte Audi-
                           ßen, denn das Thema des Ärztetags        solle nicht etwa die Ärzteschaft nach     torium des Ärztetags diskutierte sehr
                           hatte genau ins Schwarze getroffen.      Norwegen locken, sondern man              engagiert mit dem Podium und iden-
                               Franz Knieps, Jurist und Kranken-    müsse versuchen, unser Gesund-
                                                                    ­                                         tifizierte neben der Wertschätzung für
                           versicherungsexperte,      moderierte    heitssystem ein wenig norwegischer        die Health Professionals zahlreiche
                           gekonnt und mit großem Sachver-          zu machen.                                weitere Faktoren, die unsere Ärzte
                           stand. Nach seiner Analyse nehme der          Prof. Dr. Thomas Zeltner, früherer   künftig dazu bringen könnten, nicht in
                           Mangel im Gesundheitswesen die           Leiter des Schweizerischen Bundes-        fremde Berufsfelder oder gar ins Aus-
                           humanen Ressourcen nicht aus. Die        amtes für Gesundheit und Honorar-         land abzuwandern: Darunter Verläss-
                           Leistungsempfänger müssten sich          professor in Harvard, wusste seine        lichkeit und Planbarkeit für Ärztinnen
                           folgerichtig damit abfinden, dass das    Zuhörer mit entwaffnender Ehrlich-        und Ärzte, Vertrauen und Kooperation
                           Gesundheitssystem künftig nicht          keit zu verblüffen: Deutschland löse      der Gesundheitsberufe untereinander,
                           mehr so leicht zugänglich sein werde     eines der Schweizer Probleme, indem       Respekt und Achtung aller Beteiligten.
                           wie bisher gewohnt.                      viele Mediziner dorthin auswan-           Derlei Soft Skills müssten das gemein-
    Dr. Martina Wenker         Drei ärztliche Referenten be-        derten. Denn der eidgenössische           same Ziel von Politik, Gesellschaft und
                           leuchteten aus ganz unterschied-                                                   Ärzteschaft sein, dann würde sich im
                           lichen Perspektiven den Ärztemangel:                                               System etwas bewegen, so der kleins-
                           Dr. Martina Wenker, Vizepräsidentin                                                te gemeinsame Nenner.
                           der Bundesärztekammer, verdeutlich-                                                      Kammerpräsident Dr. Clever
                           te anhand ihrer eigenen Biografie,                                                 brachte am Ende zum Ausdruck, was
                           dass sich insbesondere aus fehlender                                               die meisten im Saal dachten: Die Zeit
                           Wertschätzung für den Arztberuf                                                    des Jammerns über die vorherrschen-
                           Frustrationen entwickeln. Jeder Ein-                                               den Zustände ist vorbei. Die Ärzte
                           zelne sei aufgerufen, sein berufliches                                             müssen vielmehr ihre Forderungen
                           Umfeld mitzugestalten. Die ärztlichen                                              klar formulieren und dürfen nicht
                           Körperschaften müssten zudem die                                                   nachlassen, eigenen Gestaltungswil-
                           richtigen Rahmenbedingungen von                                                    len zu zeigen. Nicht das übereinander
                           Politik und Gesellschaft fordern.                                                  Sprechen, sondern der gemeinsame
                               Dr. Harald Kamps, Allgemeinarzt                                                Dialog sind dabei essenziell.
                           aus Berlin, war zuvor in Norwegen        Zahlreiche Diskussionsbeiträge
           Franz Knieps    tätig und wusste die beiden Gesund-      aus dem Auditorium                                                              OE

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Ärzteblatt Baden-Württemberg - 08 | 2012 - Landesärztekammer Baden
Kammern und KV

Novellierte Berufsordnung und eingehende Diskussion über ärztliche Weiterbildung

Vertreterversammlung der Landesärztekammer

I
   m Vorfeld des Baden-Württember-
   gischen Ärztetags traf sich die Ver-
   treterversammlung (VV) der Lan­
desärztekammer Baden-Württemberg
zur Arbeitssitzung. Präsident Dr. Clever
ging in seinem Bericht unter anderem
auf die aktuelle gesundheitspolitische
Großwetterlage ein, auch im Hinblick
auf das Landeskrebsregistergesetz,
das Krankenhaussterben im Südwe-
sten oder die Bonus-Anreize in Chef-
arztverträgen. Anhand dieser Beispiele
stellte Dr. Clever unmissverständlich
klar, dass Ärztinnen und Ärzte - nach
den Patienten - die wichtigsten Per-
sonen im Gesundheitswesen sind,
wofür ihm die Vertreterversammlung
einhelligen Beifall zollte.
     Die Delegierten verabschiedeten
mehrere gesundheits- und berufspoli-       Dabei wurden nahezu alle Vorgaben aus
tische Entschließungen (siehe Kasten).     der MBO unverändert übernommen            Entschließungen
Dabei forderten sie unter anderem eine         Die wichtigsten Abweichungen:
ausreichende Finanzierung des Ge-          Bei § 16 „Beistand für Sterbende“         Finanzierung: Der GKV-Spitzenverband wird aufgefordert, sich
sundheitswesens und sie missbilligten,     übernimmt die Landesärztekammer           mit einer ausreichenden Finanzierung des Gesundheitswesens
dass Tarifabschlüsse auf dem Kranken-      nur den ersten Satz, nämlich die Rege-    zu beschäftigen, statt unbewiesene Behauptungen (wie im Mai
haussektor zum Anlass für Kündi-           lung, dass Ärztinnen und Ärzte Ster-      zur Mengenausweitung von Operationen) zu verlautbaren.
gungen und Abteilungsschließungen          benden unter Wahrung ihrer Würde          Tarifabschlüsse: Es wird missbilligt, dass Tarifabschlüsse auf
genommen werden. Alle Entschlie-           und Achtung ihres Willens beizustehen     dem Krankenhaussektor seitens der kommunalen Krankenhaus-
ßungen im Volltext sind auf der Web-       haben. Die Sätze 2 und 3 der Muster-      träger zum Anlass für Kündigungen und Abteilungsschlie-
site der Landesärztekammer (www.           fassung, nämlich dass es verboten ist,    ßungen genommen werden. Die Gestaltung der Krankenhaus-
aerztekammer-bw.de) zu finden.             Patientinnen und Patienten auf deren      struktur sollte sich ausschließlich am medizinischen Bedarf
                                           Verlangen zu töten und Ärzte keine        ­orientieren.
Berufsordnungs-Novelle                     Hilfe zur Selbsttötung leisten dürfen,     Gesundheitsfonds: Der Gesetzgeber soll ausreichend finanzi-
                                           wurden nicht übernommen. Durch die         elle Mittel für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung
    Nachdem der Deutsche Ärztetag in       Streichung des Verbots einer ärzt-         zur Verfügung zu stellen.
Kiel vor einem Jahr zahlreiche Ände-       lichen Beihilfe zur Selbsttötung soll      Notarztvergütung: Die Kostenträger des Rettungsdienstes
rungen in der Muster-Berufsordnung         eine Verschärfung durch das Berufs-        werden aufgefordert, den Notarztdienst auf eine solide finan­
(MBO) beschlossen hatte, war es jetzt      recht über die strafrechtliche Regelung    zielle Basis zu stellen.
Aufgabe der Delegierten, die Beschluss­    hinaus vermieden werden.                   Elektronische Gesundheitskarte: Die Beschlüsse des 115.
empfehlungen des Ärztetages in ver-                                                   Deutschen Ärztetags zur eGK müssen konsequent umgesetzt
bindliches Satzungsrecht umzusetzen.                    Fortsetzung auf Seite 332     werden.
                                                                                      Gläserner Krebspatient: Die im Nationalen Krebsplan vorge­
                                                                                      sehene Schaffung des „Gläsernen Krebspatienten“ wird ab­
                                                                                      gelehnt.
                                                                                      Deutschkenntnisse: Ausländische Ärzte sollen ausreichende
                                                                                      Deutschkenntnisse durch eine persönliche Vorsprache bzw.
                                                                                      durch einen Sprachtest „Patientenkommunikation“ nach-
                                                                                      weisen.
                                                                                      Datenaustausch: Mit der dringend notwendigen Novellierung
                                                                                      des Heilberufe-Kammergesetzes soll u.a. auch der Datenaus-
                                                                                      tausch zwischen den ärztlichen Körperschaften ermöglicht
                                                                                      werden.
                                                                                      Alle Entschließungen einschließlich Begründungen sind auf
                                                                                      im Internetauftritt der Landesärztekammer Baden-Württem-
                                                                                      berg verfügbar:
                                                                                                            www.aerztekammer-bw.de           C

                                                                                                           ÄBW 08 • 2012    331
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                                                                                                                                                                                                                  regelt bis auf Weiteres die Notfall-
                                                                                                                                                                                                                  dienstverpflichtung aller Kammermit-
                                                                                                                                                                                                                  glieder (privatärztlich tätige Ärzte und
                                                                                                                                                                                                                  Vertragsärzte) und harmonisiert die
                                                                                                                                                                                                                  Befreiungsgründe der Notfalldienst-
                                                                                                                                                                                                                  ordnungen der Bezirksärztekammern.

                                                                                                                                                                                                                  Weiterbildung

                                                                                                                                                                                                                       Mit zwei Runden der Evaluation der
                                                                                                                                                                                                                  Weiterbildung hatten die Ärztekam-
                                                                                                                                                                                                                  mern Impulse erhalten, um Strukturen
                                                                                                                                                                                                                  und Prozesse in der Weiterbildung zu
                                                                                                                                                                                                                  überdenken und zu optimieren. Vor
                                                                                                                                                                                                                  diesem Hintergrund diskutierte die VV
                                                                                                                                                                                                                  über die Schaffung eines Weiterbil-
                                                                                                                                                                                                                  dungskatasters, die Befristung bzw.
                                                                                  Aufgrund gesetzlicher Vorgabe im                                                                                                Regelüberprüfung von Weiterbildungs-       die Einführung einer Zusatzweiterbil-
                                                                             Heilberufekammergesetz ist es erfor-                                                                                                 befugnissen, die Flexibilisierung der      dung „Kardio-MRT“ beinhaltet, deren
                                                                             derlich, in der Berufsordnung selbst                                                                                                 Weiterbildung in Teilzeit sowie die        Mindesweiterbildungszeit zwölf Mo-
                                                                             die wesentlichen Grundpflichten für                                                                                                  Frage einer Pflicht-Weiterbildung im       nate beträgt.
                                                                             den ärztlichen Notfalldienst zu regeln.                                                                                              ambulanten Bereich. Der Kammervor-
                                                                             Die jetzt verabschiedete Fassung des                                                                                                 stand wurde beauftragt, ein Konzept        Inkrafttreten
                                                                             § 26 Berufsordnung ist eng an die                                                                                                    zur Verbesserung der Strukturqualität
                                                                             geltende Notfalldienstordnung der                                                                                                    der ärztlichen Weiterbildung zu erar-          Die novellierte Berufsordnung
                                                                             Kassenärztlichen Vereinigung Baden-                                                                                                  beiten, über das sich die VV eine Mei-     wird – nach aufsichtsrechtlicher Ge-
                                                                             Württemberg angelehnt. Zur näheren                                                                                                   nung bilden will. Im Hinblick auf eine     nehmigung – voraussichtlich im
                                                                             Ausgestaltung der Bestimmungen                                                                                                       Überprüfung der Weiterbildungsbefug-       Herbst im ÄBW veröffentlicht und tritt
                                                                             über den ärztlichen Notfalldienst exi-                                                                                               nis sollen andere Lösungen als die         danach in Kraft.
                                                                             stieren darüber hinaus auf Bezirksebe-                                                                                               zeitliche Befristung gefunden werden.
                                                                             ne noch spezielle Notfalldienstord-                                                                                                       Ferner verabschiedeten die Dele-                                           OE
                                                                             nungen. Die jetzt von der Landesärz-                                                                                                 gierten eine Änderungssatzung, die

                                                                                                                                                                                                                  Ehrenzeichen der Deutschen Ärzteschaft für Stuttgarter Jurist
Landesärztekammer Baden-Württemberg
­informiert über ihre Arbeit                                                                                                                                                                                      Hohe Auszeichnung für Dr. Nick
LÄK-Tätigkeitsbericht
                                                                                                                                                                                                                  I
                                                                                                                                                                                                                     m Auftrag des Präsidenten der Bundesärztekammer verliehen Präsident
                                                                                                                                                                                                                     und Vizepräsident das Ehrenzeichen der Deutschen Ärzteschaft an Dr. jur.

­erschienen                                                                                                                                                                               16. Tätigkeitsbericht
                                                                                                                                                                                                    2011 - 2012
                                                                                                                                                                                                                     Karl-Eberhard Nick aus Stuttgart, ehemals Vorsitzender Richter eines Zivilse-
                                                                                                                                                                                                                  nats am Oberlandesgericht in Stuttgart. Dr. Nick ist seit über 25 Jahren Vorsit-
                                                                                                                                                                                                                  zender der „Gutachterkommission für Fragen ärztlicher Haftpflicht“ bei der
                                                                                      Landesärztekammer Baden-Württemberg ● 16. Tätigkeitsbericht 2011-2012

D
        er neue Tätigkeits-                                                                                                                                                                                       Bezirksärztekammer Nordwürttemberg. Bewundernswert und ganz entschei-
        bericht der Landes­                                                                                                                                                                                       dend für seine nicht hoch genug einzuschätzende Arbeit war, so die Laudatoren,
        ärztekammer Ba-                                                                                                                                                                                           wie weit und differenziert Dr. Nick in die nicht immer einfache Materie der
den-Württemberg ist er-                                                                                                                                                                                           Verfahren vor der Gutachterkommission eingedrungen sei. Bei all seiner juri-
schienen. Auf 192 Seiten                                                                                                                                                                                          stisch klaren Linie habe er es nie versäumt, die ärztliche Sicht über die vermeint-
  Vorstand der Landesärztekammer Baden-Württemberg

  Dr. Matthias Fabian, Dr. Norbert Fischer, Dr. Michael Schulze,
  Dr. Stefan Bilger, Präsident Dr. Ulrich Clever, Dr. Christoph von Ascheraden,

informiert er ausführlich
  Dr. Ingrid Rothe-Kirchberger, Vizepräsident Dr. Josef Ungemach,
  Dr. Klaus Baier, PD Dr. Christian Benninger, Dr. Michael Deeg (v.l.n.r.)                                                                                                                                        lichen Behandlungsfehler
über die Arbeit der Kam-                                                                                                                                                                                          in seine Beurteilung des
mer und ihrer Gremien.                                                                                                                                                                                            Sachverhalts einzubezie-            Dr. Clever, Dr. Nick und Dr. Ungemach
Der Band kann kostenlos             Landesärztekammer
                                                                                                                                                                                                                  hen und für die Entschei-
bei der Ärztlichen Presse-          Baden-Württemberg

                           www.aerztekammer-bw.de
                                                                                                                                                              Körperschaft des öffentlichen Rechts                dung zu berücksichtigen.
stelle bezogen werden:                                                                                                                                                                                            Mit seinem weder Zeit
Telefon (07 11) 7 69 89 99,                                                                                                                                                                                       noch Arbeit scheuenden
Telefax (0711) 76 45 23, E-Mail presse@aerztekammer-bw.de.                                                                                                                                                        Wirken habe sich Dr. Nick
Außerdem kann der Tätigkeitsbericht auch im Internet-                                                                                                                                                             besondere Verdienste um
auftritt der Kammer eingesehen beziehungsweise herunter­                                                                                                                                                          den ärztlichen Berufs-
geladen werden.                                                                                                                                                                                                   stand und die Ärzteschaft
                                                                                  Weitere Infos:                                                                                                                  in Baden-Württemberg
                                                                                  www.aerztekammer-bw.de                                                                                                    C    erworben, betonte das
                                                                                                                                                                                                                  Präsidium.

                                                     332                     ÄBW 08 • 2012
Ärzteblatt Baden-Württemberg - 08 | 2012 - Landesärztekammer Baden
Kammern und KV         Anzeige

                                                                                                     DE G
Fehlende Kultursensibilität bei Gericht

Clever rügt Beschneidungs-Urteil                                                                                                          DEGERLOCHER

                                                                                                     MED
                                                                                                                                          AKADEMIE
                                                                                                                                          MEDIZIN FÜR
                                                                                                                                          DIE ZUKUNFT

A
       nfang Juli hatte das Kölner Land-   ­ lrich Clever, Ärztinnen und Ärzte seien
                                           U
       gericht erstmals in Deutschland     gut beraten, wenn sie die rituelle Be-
       die Beschneidung eines vier Jahre   schneidung von Jungen künftig mög-                                HERZLICH WILLKOMMEN
alten Jungen aus religiösen Gründen        lichst hinauszögerten, bis diese in                               zur nächsten DEGMED 2012
als Körper­verletzung gewertet und für     einem entscheidungsfähigen Alter seien.                           am 14. und 15. September
strafbar erklärt. Das Recht auf kör­       Darüber hinaus bestehe aktuell die
perliche Unversehrtheit wurde dem-         Gefahr, dass derartige Eingriffe künftig
nach höher als die Religionsfreiheit       von Laien vorgenommen würden. We-                                 Freitag, 14. September 2012
der Eltern gewertet. Der Bundesverband     gen der unter solchen Umständen oft
                                                                                                             __09:30 bis 17:30 Uhr
der niedergelassenen Kinderchirurgen       unzureichenden hygienischen Umstän-                               Die wirksame Kunst des Führens
Deutschlands empfahl daraufhin seinen      de sei mit erheblichen Komplikationen                             Für Ärzte in Praxis und Krankenhaus,
Mitgliedern, von rituellen Beschnei-       zu rechnen. Das Urteil selbst lehnte Dr.                          Netzwerken und Gesundheitsindustrie
dungen ab­zusehen.                         Clever entschieden ab und beklagte                                Prof. Dr. Dr. Manfred Zehender, Freiburg
    Für die Landesärztekammer Baden-       eine fehlende Kultursensibilität beim                             Jürgen Kraak, Praxis für Beratung und
Württemberg erklärte Präsident Dr.         Gericht.                                                          Supervision, Stuttgart

                                                                                                             __14:00 bis 17:30 Uhr
                                                                                                             Der unklare Tod und seine Aufklärung
                                                                                                             durch Arzt, Polizei, und Gerichtsmedizin
Scheinbar offizielle und seriöse Angebote häufig dubios                                                      Michael Gerg, Kriminaloberrat, Esslingen
                                                                                                             Dr. Frank J. Reuther, Gerichtsarzt, Ulm

Warnung vor Ärzteverzeichnissen                                                                              __14:00 bis 17:30 Uhr
                                                                                                             Der febrile Patient
                                                                                                             Dr. Andrej Zeyfang, Stuttgart
                                                                                                             Dr. Barbara Kraft, Stuttgart

I
                                                                                                             Dr. Ingomar Lorenz, Stuttgart
   mmer wieder wenden sich Firmen mit      senen Eintragung um eine amtliche                                 Dr. Christoph Manegold, Stuttgart
   Angeboten zur Aufnahme in Verzeich-     Eintragung handeln“, als Täuschung kri-                           Dr. Johannes Müller, Stuttgart
   nisse an Ärztinnen und Ärzte. Neben     tisiert (AG Düsseldorf vom 21. 11. 2011
dem Angebot eines kostenpflichtigen        – 42 C 11568/11).
Eintrags wird bisweilen auch zur Korrek-        Obwohl die auf Basis der entspre-                            Samstag, 15. September 2012
tur und/oder Ergänzung der – vorgeblich    chenden Anschreiben abgeschlossenen
                                                                                                             __09:30 bis 13:00 Uhr
– kostenfrei veröffentlichten „Grund-      Verträge meist ungültig sind – insbeson-
                                                                                                             Würden Sie diesen Patienten
daten“ aufgefordert. Zumeist ist mit der   dere, weil die Vertragsbedingungen                                Auto fahren lassen?
Rücksendung des irreführend gestalteten    häufig so gestaltet sind, dass bewusst                            Prof. Dr. Udo Sechtem, Stuttgart
Korrekturformulars ebenfalls ein kosten-   versucht wird, Ärztinnen und Ärzte durch                          Prof. Dr. Hansjörg Bäzner, Stuttgart
pflichtiger Vertragsabschluss verbunden.   irreführende Angaben zum Vertragsab-
Begleiterscheinungen wie „Aktenzei-        schluss zu verleiten –, sollten derartige                         Weitere Informationen unter:
chen“, eine entsprechende Formularge-      Offerten von vornherein ignoriert wer-                            www.degmed .de
staltung oder die Verwendung einschlä-     den. Im Falle eines versehentlichen, un-
giger Symbole sollen dabei zusätzlich      beabsichtigten Abschlusses, auf den
einen offiziellen und seriösen Eindruck    häufig drastisch formulierte Mahnungen                    Veranstalter
vermitteln.                                und Zahlungsaufforderungen folgen,
     Hinter solchen Angeboten stehen       empfiehlt sich die schriftliche Anfech-                           BEZIRKS ÄRZTEKAMMER
                                                                                                                          N O R DW Ü R T T E M B E R G
zumeist dubiose, häufig im Ausland an-     tung des Vertrages wegen arglistiger
sässige Unternehmen. Gerade dies er-       Täuschung. Falls die Firma einen gericht-
schwert die Rechtsverfolgung sehr.         lichen Mahnbescheid erlässt oder Zah-                     in Kooperation mit
Gleichwohl hat etwa das Oberlandesge-      lungsklage erhebt, sollte mit anwaltlicher                                           MEDICA
richt Frankfurt am Main in einem Urteil    Hilfe gerichtlich gegen die Firma vorge-                              Deutsche Gesellschaft für
                                                                                                             Interdisziplinäre Medizin e. V.
vom 26.03.2009 (Az. 6 U 242/08) in         gangen werden.
einem solchen Fall, in dem scheinbar zur        Weitere Informationen zum Thema
„Datenkorrektur“ aufgefordert, tatsäch-    bietet beispielsweise der Deutsche                        Veranstaltungsort
lich aber ein kostenpflichtiger Vertrag    Schutzverband gegen Wirtschaftskrimi-                             Bezirksärztekammer Nordwürttemberg
                                                                                                             Jahnstraße 5 | 70597 Stuttgart
geschlossen wurde, ein irreführendes       nalität auf seiner Internetseite unter
und wettbewerbswidriges Verhalten er-      dem Stichwort „Adressbuchschwindel“
kannt. Auch das AG Düsseldorf hat sol-     (www.dsw-schutzverband.de).                               Organisation und Information
cherart Offerten, die „den Anschein er-                                                                      MedCongress GmbH
weckten, es würde sich bei der angeprie-               Bezirksärztekammer Südwürttemberg                     Tel. +49 711 72 07 12-0
                                                                                                             info@medcongress.de

                                                                          ÄBW 08 • 2012
Ärzteblatt Baden-Württemberg - 08 | 2012 - Landesärztekammer Baden
management akademie

Veranstaltungshinweis                der Kassenärztlichen Vereinigung
                                                 Baden-Württemberg

Die Management Akademie der Kassenärztlichen Vereinigung
Baden-Württemberg (MAK) lädt gemeinsam mit der Deutschen
                                                                         KVBW akkreditiert Netzwerkkonferenzen

                                                                         Labormediziner und
Apotheker- und Ärztebank zu einer Fortbildungsveranstaltung
für Mediziner ein.
Veranstaltungstitel:
Der Weg in die eigene Praxis –
Ihr Zukunftsplan für mehr Freude im Beruf                                Mikrobiologen gesucht
Ziele:
Bei der Gründung einer eigenen Praxis ist neben der medizi-

                                                                         I
nischen Qualifikation auch unternehmerisches Know-how ge-                   n Baden-Württemberg sind in den
fragt. Durch die neue Gesetzgebung hat sich der Gestaltungs-                letzten Jahren sehr viele MRE-
spielraum für junge Unternehmer enorm erweitert. In diesem Se-              Netzwerke gegründet worden. Die
minar zeigen wir, worin die Chancen einer Praxisgründung be-             freiwilligen Zusammenschlüsse von
stehen. Dabei gehen wir hauptsächlich auf die verschiedenen
                                                                         Vertretern des Gesundheitsdienstes,
Möglichkeiten der ärztlichen Zusammenarbeit ein und erläutern
                                                                         von Krankenhäusern, Pflegeeinrich-
die rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Veranstaltung bildet
den Auftakt zu unserem mehrteiligen „Arbeitskreis Praxisgrün-            tungen und niedergelassenen Ärz-
dung/Praxisführung“. In insgesamt fünf Modulen erhalten Sie              tinnen und Ärzten sind in der Regel bei
hier weitergehende Informationen zu allen wichtigen Fragen der           den Gesundheitsämtern angesiedelt.
Neuniederlassung – angefangen bei der Finanzierung bis hin zur                Die Netzwerke erhalten durch die     mäßige Teilnahme von Laborärzten
Abrechnung.                                                              Einführung von Abrechnungsziffern         oder Mikrobiologen. Es konnten je-
Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie                       für Diagnostik und Therapie multire-      doch bislang in Baden-Württemberg
im Internet unter www.mak-bw.de.                                         sistenter Erreger in den Einheitlichen    nur sieben Netzwerkkonferenzen ak-
                                                                         Bewertungsmaßstab (EBM) weiteren          kreditiert werden. Bei den anderen
Referent:                                                                Auftrieb. Es wurde speziell eine Abre-    besteht laut Auskunft des Sozialmini-
• Theo Sander, Rechtsanwalt, Diplom-Betriebswirt, Fachanwalt
                                                                         chungsposition für die Teilnahme an       steriums das Problem, dass es dort an
   für Steuerrecht, Tätigkeitsschwerpunkt Arzt- und Zahnarztrecht
                                                                         einer MRSA-Fall- und/oder regionalen      der Mitwirkung eines Laborarztes
Termin und Veranstaltungsort:                                            Netzwerkkonferenz eingeführt, da          oder Mikrobiologen fehlt.
• 22. September 2012 (10.00 Uhr bis ca. 14.00 Uhr)                      eine weitere Ausbreitung der Infekti-         Es werden daher Laborärzte oder
• KVBW Freiburg, Sundgauallee 27, 79114 Freiburg                        onen nur durch vernetztes Handeln         Mikrobiologen gesucht, die bereit
Information und Anmeldung:                                               verhindert werden kann.                   sind, in diesen Netzwerken mitzuar-
• Management Akademie der KV Baden-Württemberg,                              Die Regelungen des EBM sehen         beiten. Eine Kassenzulassung ist
   Telefon (07 11) 78 75-35 35, Fax (07 11) 78 75-48-38 88,              eine Akkreditierung der Netzwerk-         hierfür nicht erforderlich. Weitere In-
   E-Mail: info@mak-bw.de                                                konferenzen durch die Kassenärzt-         formationen sind bei der KVBW, Frau
• oder Online-Anmeldung unter www.mak-bw.de                             liche Vereinigung Baden-Württem-          Jasmin Niebergall, Telefon (0 71 21)
Teilnahmegebühr:                                                         berg (KVBW) vor. Voraussetzung            9 17-23 80, E-Mail jasmin.niebergall@
Die Teilnahme ist kostenlos, setzt jedoch eine Anmeldung voraus.         hierfür ist unter anderem die regel-      kvbawue.de, erhältlich.

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                               Landesärztekammer empfiehlt
                               Hilfsmittel für Kindernotfälle

                               Notfall-Lineal

                               R
                                      und 12 000 Kinder müssen pro
                                      Jahr in Baden-Württemberg von
                                      Notärzten und Rettungsas-
                               sistenten medizinisch versorgt wer-
                               den. In rund der Hälfte der Einsätze
                               muss der Notarzt den Kindern Medi-
                               kamente verabreichen. In Baden-
                               Württemberg ist das rund 16 Mal pro       ative gestartet, um die Notfallversor-        Die Landesärztekammer Baden-
                               Tag der Fall. Insgesamt sind aber nur     gung der Kinder in Baden-Württemberg      Württemberg begrüßt, dass alle
                               bei etwa fünf Prozent der Einsätze        sicherer zu machen. Alle rund 600 Ein-    notarztbesetzten Rettungsmittel in
                               Kinder betroffen. Deshalb haben die       satzfahrzeuge im Land und Hubschrau-      Baden-Württemberg mit Notfall-
                               Notärzte und Rettungsassistenten          ber werden mit einem Notfall-Lineal für   Linealen ausgestattet werden und
                               weniger Erfahrungen mit Kindern, die      Kinder ausgerüstet. Dieses Lineal wird    empfiehlt den Ärztinnen und Ärzten,
                               Medikamente benötigen.                    an das Kind angelegt, um die Größe zu     dieses Lineal bei allen Einsätzen mit
                                    Die Notärzte im Südwesten, die       ermitteln. Zu der jeweiligen Größe ste-   Kindern zu nutzen.
                               Techniker Krankenkasse sowie die Hilfs­   hen auf dem Lineal die Dosierungsemp-
                               organisationen DRK, Johanniter, ASB       fehlungen für die am häufigsten bei        Weitere Infos:
                               und Malteser haben deshalb eine Initi-    Notfällen eingesetzten Medikamente.        www.notfalllineal.de           C

                       334     ÄBW 08 • 2012
Kammern und KV

Stimmungsbarometer und Impulsgeber für die KVBW

Vorstand on Tour

M
         it strittigen Themen in der          Durchweg herrschte eine positive
         Tasche suchten die Vorsitzen-   Grundstimmung vor. Das war vor dem
         den der Kassenärztlichen Ver-   Hintergrund der jüngsten bahnbre-
einigung Baden-Württemberg (KVBW),       chenden Änderungen der Honorarver-
Dr. Norbert Metke und Dr. Johannes       teilung und des Notfalldienstes bei
Fechner, als „Vorstand on Tour“ auch     Weitem keine Selbstverständlichkeit.
2012 die Mitgliedernähe. Das Tourmot-    Einer brachte das Erfolgsrezept auf den
to „Raus aus dem Hamsterrad“ war eng     Punkt: Immer wieder verstehe es der                                                                                                                                 Blick in die Veranstal-
verknüpft mit dem neuen Honorarver-      Vorstand meisterhaft, trotz eigener Li-                       Verständnis für die Notwendigkeit der                                                                 tung in Schwäbisch Hall
teilungsmaßstab und der Reform des       nie, alle Beteiligten mitzunehmen.                            Reform als Maßnahme gegen den
Notfalldienstes. Die Veranstaltungen          Viel spontanen Applaus gab es für                        Ärztemangel zu werben.
waren gut besucht.                       die geplante bundesweite Image-                                   Vorstand on Tour wurde 2011
     Ausnahmezustand herrschte in        kampagne der Kassenärztlichen Bun-                            als Instrument der Mitgliederkom-
Schwäbisch Hall: Hier kamen so viele     desvereinigung. Sie soll dem Arztbe-                          munikation eingeführt. Für 2013
Kurzentschlossene, dass nicht alle       ruf auch vor dem Hintergrund des                              schmiedet der Vorstand schon wieder
Gäste im Saal Platz fanden. Unter den    Nachwuchsmangels neuen Glanz                                  Fortsetzungspläne. Auf den Veran-
Gästen waren auch die regionalen         verleihen, schwindende Reputation                             staltungen gewinnen Dr. Metke und
Repräsentanten aus den Bezirksbeirä-     und Attraktivität zurückgeben.                                Dr. Fechner ein Meinungsbild, wo-
ten und der Vertreterversammlung              Während der Tour hatte sich die                          ran sie die Wertschätzung ihrer
zahlreich vertreten. Der jeweilige Be-   Reform des Notfalldienstes revolutio-                         Arbeit messen können. Die Ge-
zirksbeirat führte durch den Abend       när weiterentwickelt und gab überall                          spräche am Rande liefern wichtige
und moderierte die abschließende         Anlass zu kritischer Diskussion. Dr.                          Impulse für die Weiterentwicklung
Frage- und Diskussionsrunde.             Fechner gelang es, überzeugend um                             der KVBW.

Einheitliches Dokument schützt Patientinnen und Patienten in Notfällen

Substitutionsausweis                                       Substitutionsmittel / Erstausgabe
                                                           Vorsicht! Substitutionsmittel äußerst vorsichtig aufbewahren!
                                                           Nicht-Opiatabhängige unbedingt vor der Einnahme schützen! Lebensgefahr!
                                                                                                                                                       Substitutionsausweis
                                                                                                                                                                     Die Vorlage dieses Ausweises berechtigt nicht zur Abgabe von Substitutionsmitteln

                                                           Tagesdosis             Tagesdosis
                                                           mg      Datum           mg     Datum            Wichtige Hinweise / Begleitmedikation                                       Name

                                                                                 M U S T E R
D
                                                                                                                                                                                                                                                         FOTO

       as Sozialministerium, die Kas-                                                                                                                                                  Vorname

       senärztliche Vereinigung und                                                                                                                BADEN–                              geboren am

       die Landesärztekammer ge-                                                                                                                   WÜRTTEMBERG                         Straße

ben seit Juli erstmals einen landes-                                                                                                                 Mit Unterstützung der
                                                                                                                                                                                       PLZ             Ort

weit einheitlichen Substitutionsaus-
                                                                                                                                                     Kassenärztlichen Vereinigung
                                                                                                                                                     (KVBW), der Landesärzte-
                                                                                                                                                     kammer und dem Ministerium
                                                                                                                                                     für Arbeit und Sozialordnung,

weis für Baden-Württemberg heraus.
                                                                                                                                                     Familie, Frauen und Senioren.

Damit soll der Schutz von substituier-
ten Patientinnen und Patienten deut-     zeilichen Kontrollen. Sie können sich                         tekammer und Sozialministerium ist
lich verbessert werden. In dem Aus-      mit dem Ausweis als Substitutions­                            der erstmals einheitliche Substituti-
weis wird dokumentiert, dass sich die    patient ausweisen und belegen, dass                           onsausweis für Baden-Württemberg
Patientin/der Patient in einer Substi-   sie ihr Substitutionsmittel legal mit                         ein entscheidender Schritt zu mehr
tutionsbehandlung befindet, mit wel-     sich führen.                                                  Transparenz in der Substitutionsbe-
chem Präparat und bei welchem Arzt            Bei einem akuten Krankenhaus-                            handlung und damit auch zur Sicher-
die Behandlung durchgeführt wird         aufenthalt kann der Ausweis überle-                           heit und Akzeptanz dieser Therapie.
und wer die psychosoziale Begleitung     benswichtig sein, um die Therapie                                  In Baden-Württemberg werden
übernimmt. Der Ausweis löst die bis-     lückenlos fortzuführen und zu verhin-                         derzeit rund 10 000 Opiatabhängige
herigen regional unterschiedlichen       dern, dass eine unter Umständen                               mit Drogenersatzstoffen wie Metha-
Modelle ab und steht den Arztpraxen      bedrohliche      Entzugssymptomatik                           don bzw. Subutex ärztlich behandelt.
ab sofort zur Verfügung.                 auftritt. Der Ausweis dokumentiert                            Im Rahmen eines durchgängigen
    Der Ausweis schützt die Substitu-    auch die Verschreibungspraxis des                             Therapiekonzepts soll den Abhängigen
tionspatienten, die im Rahmen eines      Arztes und ist so auch für den Arzt                           mit der Substitutionsbehandlung die
umfassenden Therapiekonzepts mit         ein wichtiger Nachweis.                                       Perspektive auf Suchtmittelfreiheit und
Drogenersatzstoffen ärztlich behan-           Nach Überzeugung von Kas-                                damit auch auf soziale und berufliche
delt werden, beispielsweise bei poli-    senärztlicher Vereinigung, Landesärz-                         Teilhabe vermittelt werden.

                                                                                                                                                              ÄBW 08 • 2012                                  335
Rechtsfragen

                                Keine Strafbarkeit von Vertragsärzten wegen Bestechlichkeit

                                Ärzte und Geschenke von Pharmafirmen?

                                S
                                       eit Jahren ist es rechtlich umstrit-   wegen Bestechung im geschäftlichen           tungsausübung. Dies entspricht auch
                                       ten, ob der Bestechungsparagraf        Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt       der zivilrechtlichen Betrachtungsweise.
                                       des Strafgesetzbuchs auf Ärzte         worden. Der Übergabe des Schecks                  Dem Kassenarzt fehlt es bei der
                                anwendbar ist. Bestochen werden kann          hatte ein als „Verordnungsmanage-            Verordnung eines Arzneimittels auch an
                                demnach nur ein „Angestellter oder            ment“ bezeichnetes Prämiensystem             der Beauftragteneigenschaft im Sinne
                                Beauftragter eines geschäftlichen Be-         des Pharmaunternehmens zugrunde              von § 299 Abs. 1 StGB. Gemäß § 72 Abs.
                                triebes“. Und Angestellte sind freiberuf-     gelegen. Dieses sah vor, dass Ärzte als      1 Satz 1 SGB V wirken die Leistungser-
                                liche Vertragsärzte nun mal nicht.            Prämie für die Verordnung von Arznei-        bringer, also auch die Kassenärzte, mit
                                     Dennoch kam eine Anzahl Ge-              mitteln des betreffenden Unterneh-           den gesetzlichen Krankenkassen zur
           Rechtsanwalt und     richte, allen voran das Oberlandesge-         mens 5 Prozent des Herstellerabgabe-         Sicherstellung der kassenärztlichen
                  Fachanwalt    richt (OLG) Braunschweig, wiederholt          preises erhalten sollten.                    Versorgung zusammen, begegnen sich
             für Medizinrecht   zu dem Schluss, dass Ärzte, zumindest              Die Entscheidung des Großen Se-         nach der darin zum Ausdruck kommen-
         Dr. Thomas K. Heinz    wenn sie Arzneimittel verordnen, als          nats beruht im Wesentlichen auf fol-         den gesetzgeberischen Wertung also
        Cronstettenstraße 66    „Beauftragte“ der Krankenkassen tätig         genden Erwägungen: Die gesetzlichen          auf einer Ebene der Gleichordnung.
              60322 Frankfurt   werden. Diesen Auftrag begründeten            Krankenkassen sind zwar Stellen öffent-           Von wenigen Ausnahmen abgese-
          www.mmw-law.de        die Richter mit dem sogenannten Sach-         licher Verwaltung im Sinne der Amtsträ-      hen sind unmittelbare Rechtsbezie-
                                leistungsanspruch der gesetzlich Versi-       gerdefinition in § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst.   hungen zwischen den Kassenärzten
                                cherten gegenüber der Krankenkasse.           c StGB. Auch erfüllt das System der          und den Krankenkassen gesetzlich
                                Um diesen Anspruch durchzusetzen,             gesetzlichen Krankenversicherung als         ausgeschlossen. Dem Begriff des Beauf-
§ 11 Abs. 1 Nr. 1               brauchen die Patienten aber eine ärzt-        Ganzes eine aus dem Sozialstaatsgrund-       tragten ist aber schon vom Wortsinn
Buchst. c StGB lautet:          liche Verordnung. Mit dem Rezept-             satz folgende, in hohem Maße der All-        her die Übernahme einer Aufgabe im
(1) Im Sinne des Gesetzes       block, so folgerte das OLG, löse der Arzt     gemeinheit dienende Aufgabe. Die             Interesse des Auftraggebers immanent,
ist                             daher einen Kaufvertrag zwischen              Kassenärzte sind aber nicht dazu be-         der sich den Beauftragten frei auswählt
                                Kasse und Apotheke aus. Der Große             stellt, Aufgaben der öffentlichen Ver-       und ihn bei der Ausübung seiner Tätig-
1. …
                                Senat für Strafsachen des Bundesge-           waltung wahrzunehmen. Der freiberuf-         keit anleitet. Es kommt hinzu, dass die
2. Amtsträger:                  richtshofs hat mit Beschluss vom 29.          lich tätige Kassenarzt ist weder Ange-       Krankenkasse den vom Versicherten
wer nach deutschem              März 2012 – GSSt 2/11 – nun klarge-           stellter noch Funktionsträger einer öf-      frei gewählten Arzt akzeptieren muss.
Recht                           stellt, dass er das anders sieht.             fentlichen Behörde. Er wird aufgrund         Dieser wird vom Versicherten als „sein“
– b) …                               Kassenärzte, die von einem Phar-         der individuellen, freien Auswahl des        Arzt wahrgenommen, den er beauf-
c) sonst dazu bestellt ist,     ma-Unternehmen Vorteile als Gegenlei-         gesetzlich Versicherten tätig. Sein Ver-     tragt hat und dem er sein Vertrauen
bei einer Behörde oder          stung für die Verordnung von Arznei-          hältnis zu dem Versicherten, der ihn         schenkt. Eine sachgerechte Bewertung
bei einer sonstigen Stelle      mitteln dieses Unternehmens entge-            regelmäßig individuell auswählt, wird        der ärztlichen Verordnung vor dem
oder in deren Auftrag           gennehmen, machen sich nicht wegen            – ungeachtet der mit der Zulassung           Hintergrund des sozialrechtlichen Re-
Aufgaben der öffentli-          Bestechlichkeit nach § 332 StGB straf-        verbundenen Verpflichtung zur Teil­          gelungsgefüges führt ebenfalls zu dem
chen Verwaltung unbe-           bar. Auch eine Strafbarkeit wegen Be-         nahme an der vertragsärztlichen Ver­         Ergebnis, dass der Kassenarzt kein Be-
schadet der zur Aufga-          stechlichkeit im geschäftlichen Verkehr       sorgung – wesentlich von persönlichem        auftragter der Krankenkassen ist. Dass
benerfüllung gewählten          nach § 299 Abs. 1 StGB scheidet aus.          Vertrauen und einer Gestaltungsfreiheit      die Verordnung von Medikamenten
Organisationsform wahr-         Entsprechend sind auch Mitarbeiter von        gekennzeichnet, die der Bestimmung           (und Hilfsmitteln) dabei auch Relevanz
zunehmen,                       Pharmaunternehmen, die Ärzten solche          durch die gesetzlichen Krankenkassen         für die Krankenkasse hat, rechtfertigt
§ 299 Abs. 1 StGB lautet:       Vorteile zuwenden, nicht wegen Beste-         weitgehend entzogen ist.                     keine andere Beurteilung.
(1) Wer als Angestellter        chung (§ 334 StGB) oder Bestechung im              Innerhalb des Behandlungsverhält-            Der Senat hatte nur zu entschei-
oder Beauftragter eines         geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2          nisses konkretisiert die Verordnung          den, ob korruptives Verhalten von
geschäftlichen Betriebes        StGB) strafbar. Der niedergelassene, für      eines Arzneimittels zwar den gesetz-         Kassenärzten und Mitarbeitern von
im geschäftlichen Verkehr       die vertragsärztliche Versorgung zuge­        lichen Leistungsanspruch des Versicher-      Pharmaunternehmen nach dem gel-
einen Vorteil für sich oder     lassene Arzt handelt nämlich bei der          ten auf Sachleistungen; sie ist aber un-     tenden Strafrecht strafbar ist. Das war
einen Dritten als Gegen-        Wahrnehmung der ihm gemäß § 73                trennbarer Bestandteil der ärztlichen        zu verneinen. Zu bedenken ist aber,
leistung dafür fordert,         Abs. 2 SGB V übertragenen Aufgaben,           Behandlung und vollzieht sich inner-         dass für das Handeln eines Arztes
sich versprechen lässt          insbesondere bei der Verordnung von           halb des personal geprägten Vertrau-         schließlich nicht nur das Strafrecht,
oder annimmt, dass er           Arzneimitteln, weder als Amtsträger im        ensverhältnisses zwischen dem Versi-         sondern auch Berufsrecht gilt: Die
einen anderen bei dem           Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB noch         cherten und seinem Arzt, der die Ver-        Annahme von Geschenken und ande-
Bezug von Waren oder            als Beauftragter der gesetzlichen Kran-       ordnung nach seiner aus § 1 BÄO fol-         ren Zuwendungen ist Ärzten bereits
gewerblichen Leistungen         kenkassen im Sinne des § 299 StGB.            genden Verpflichtung auszurichten hat.       per Berufsrecht verboten. Ebenso
im Wettbewerb in unlau-              In dem der Entscheidung zugrun-          Die Einbindung des Vertragsarztes in         verbietet das Sozialrecht die unzuläs-
terer Weise bevorzuge,          de liegenden Ausgangsverfahren war            das System öffentlich gelenkter Da-          sige Zusammenarbeit von Ärzten mit
wird mit Freiheitsstrafe        eine Pharmareferentin, die Kassenärz-         seinsfürsorge verleiht der vertragsärzt-     anderen Leistungserbringern.
bis zu drei Jahren oder         ten Schecks über einen Gesamtbetrag           lichen Tätigkeit danach nicht den Cha-
mit Geldstrafe bestraft.
                                von etwa 18 000 Euro übergeben hatte,         rakter hoheitlich gesteuerter Verwal-                              Dr. Thomas K. Heinz

                         336    ÄBW 08 • 2012
Ethik

Wird das neue Transplantationsgesetz dem Anliegen der Transplantationsmedizin wirklich gerecht?
                                                                                                                              113
Dienst oder Bärendienst?

N
        aturwissenschaften befassen sich bekanntlich mit       bei äußere Umstände, vor allem soziale Kontexte spielen.
        dem, was ist. Das Geschäft der Ethik handelt dem-      Tatsächlich wird unser Zentralorgan bei seinen ethischen
        gegenüber von dem, was sein sollte. Zwei fein          Einschätzungen von vielen Faktoren beeinflusst und geht
säuberlich zu trennende Welten sollte man denken. Doch         keineswegs nach einem a priori festgelegten moralischen
die Grenzlinie begann unscharf zu werden, seit Neurowis-       Kodex vor. Dies zeigen zwei Experimente, die zugleich
senschaftler und Philosophen vor einem Jahrzehnt ein           helfen können, auch ein zentrales Dilemma der Transplan-
noch junges, als „Neuroethik“ bezeichnetes Forschungsge-       tationsmedizin zu verstehen. Beide Experimente, „Trolley
biet entstehen ließen. Ihre Protagonisten sehen die Fähig-     Dilemma“ (Waggon-Dilemma) und „Footbridge-Dilemma“
keit des Menschen zur Moral als Teil seiner natürlichen, von   (Fußgängerbrücken-Dilemma) genannt, sind „Klassiker“
der Evolution mitgegebenen Ausstattung. „Naturwissen-          der neuroethischen Forschung.                                  Prof. Dr. med.
schaft und das Feld der Ethik“, so der Neurowissenschaftler        Im Waggon-Dilemma („Trolley Dilemma“) wird die             Joachim Bauer
und Philosoph Joshua Green von der Princeton University,       Testperson mit folgender Situation konfrontiert: Sie steht
„bilden heute ein Kontinuum. Was wir heute Ethik nennen“,      zufällig an einer Weiche, an der sich ein abschüssig verlau-
so Greene, „wird in nicht allzu ferner Zeit eine Art Natur-    fendes Bahngleis verzweigt. Die Weiche ist auf das rechte
wissenschaft unseres sozialen Verhaltens sein“. Doch was       der beiden sich verzweigenden Gleise gestellt. Da rollt
hat das alles mit den Dilemmasituationen zu tun, vor die       plötzlich ein führerloser, leerer Waggon heran, der sich
uns derzeit die moderne Transplantationsmedizin stellt         irgendwo gelöst haben muss und bereits kräftig Fahrt
und von denen nachfolgend die Rede sein soll?                  aufgenommen hat. Weiter abwärts auf dem rechten Gleis,
     Die Analyse moralischer Dilemmasituationen bildet         also dort, wohin der Waggon aufgrund der Weichenstel-
einen der Forschungsschwerpunkte der „Neuroethik“. In          lung hinfahren wird, sind fünf Gleisarbeiter beschäftigt.
trickreich arrangierten experimentellen Situationen wer-       Auf dem linken Gleis arbeitet nur ein Gleisarbeiter. Die
den Testpersonen mit der Notwendigkeit konfrontiert,           Testperson wird darauf hingewiesen, dass die Situation,
ethische Entscheidungen zu treffen. Bei vielen dieser Ex-      wenn sie nicht eingreift, den fünf Arbeitern das Leben
perimente befinden sich die Akteure im Scanner. So lässt       kosten wird. Wegen des Lärms einer angrenzenden Fabrik
sich, mit oder ohne begleitende Analyse der Hirnaktivi-        können die Arbeiter nicht gewarnt werden. Alles, was
täten, untersuchen, warum Menschen sich in moralischen         die Testperson tun kann, ist die Weiche umzustellen, um
Entscheidungssituationen wie entscheiden. Neuroethiker         so – anstatt der fünf – „nur“ einen Menschen zu opfern.
wollen nicht nur wissen, wie unser Gehirn mit ethischen        Sie wird aufgefordert, sich zügig zu entscheiden.
Fragestellungen umgeht, sondern auch, welche Rolle da-             Eine im Endergebnis identische Dilemmasituation,
                                                               nämlich ein Menschenleben zugunsten von fünf Geret-
                                                               teten zu opfern, begegnet uns auch im sogenannten
                                                               Fußgängerbrücken-Dilemma           („Footbridge-Dilemma“).
                                                               Doch befindet sich die Testperson, die auch hier eine
                                                               Entscheidung fällen muss, in einer anderen Situation. Der
                                                               führerlose Waggon rollt heran, ungebremst wird auch er
                                                               fünf weiter abwärts tätige Gleisarbeiter töten. Doch eine
                                                               Weiche gibt es nicht. Die Testperson steht stattdessen auf
                                                               einer die Gleise überquerenden Fußgänger-Überführung.
                                                               Neben ihr steht ein enorm übergewichtiger Mann. Selbst
                                                               herabzuspringen würde den Waggon nicht aufhalten, da
                                                               sie selbst, so wird der Testperson mitgeteilt, zu wenig
                                                               Körpergewicht auf die Waage bringe. Die einzige Möglich-
                                                               keit, die fünf Menschen zu retten, bestehe darin, den
                                                               übergewichtigen Fremden auf die Gleise, vor den heran-
                                                               nahenden Waggon hinabzustoßen. Waggon-Dilemma und
                                                               Fußgängerbrücken-Dilemma haben das gleiche „Kosten-
                                                               Nutzen-Verhältnis“: Fünf werden gerettet, einer geopfert.
                                                               Der Unterschied besteht allein darin, dass die ethische
                                                               Entscheidung im einen Fall (Waggon-Dilemma) aus einer
                                                               gewissen Entfernung, im anderen Fall aber in nächster
                                                               Nähe zu jenem Menschen entschieden werden muss, der
                                                               sein Leben lassen soll. Genau auf diesen Unterschied
                                                               scheint es unserem Gehirn – und unserer ethischen Ein-
                                                               schätzung – aber anzukommen. Denn über 90 Prozent
                                                               aller Menschen entscheiden sich zwar für das Umstellen
                                                               der Weiche, aber gegen das Herabstoßen des neben ihnen
                                                               stehenden Schwergewichts.

                                                                                                             ÄBW 08 • 2012    337
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