70 Jahre Weltgebetstag Lernhaus der Frauen 5 Jahre Segelreisen 219a: Paragraf und Protest Der Gewalt begegnen - Tansania
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innovative innovative | Zeitschrift des Frauenwerks der Nordkirche | Nr. 34 2019 34 ● 70 Jahre Weltgebetstag ● Lernhaus der Frauen ● 5 Jahre Segelreisen ● 219a: Paragraf und Protest ● Der Gewalt begegnen – Tansania
Inhalt | Impressum innovative 34 | 2019 2 Inhalt Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Und außerdem Landesverdienstorden für Gudrun Riedel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Anstoß Jubiläum: 25 Jahre LuK Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Lust und Last der Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Kolumne: Meine Zeit mit Oprah Winfrey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Projekte/Aktionen Dialog erleben: Das „Transkulturelle und Nachrufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 interreligöse Lernhaus der Frauen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Über die Brücke gehen: Buch-Tipps Interview mit zwei Lernhaus-Teilnehmerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Vier fürs Klima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Ein Bonbon zum Geburtstag: Unerschrocken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 70 Jahre Weltgebetstag in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Nichts, was uns passiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Bewegung im Team von contra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Ich habe Licht gebracht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Resolution zur Abschaffung von Paragraf 219a . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Das geraubte Glück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 5 Jahre Segeln bei FrauenReisen Hin und weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Momente der Ergriffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Abschied von zwei engagierten Reiseleiterinnen . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Bildungsbüdel der Kampagne Saubere Kleidung . . . . . . . . . . . . . . . 11 Erfolgreiche Stifte-Sammelaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Das Blog zum Jahresthema 2018 - 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Projekt Myriam: Hilfe in der Heimatsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Um-Care zum Leben: Buch zum Thema Sorgearbeit . . . . . . . . . . . 13 Frauenwerk beim Tag der Organspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Neue Perspektive: Solidarität mit Frauen aus Tansania . . . . . . . . . 14 Gemeinsam unterwegs: Frauen aus der Nordkirche und der Jeypore-Kirche . . . . . . . . . . . . 16 Umbau des Mütter-Kurheims Gode Tied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Tipp Leicht & Sinn: Neues Magazin des Evangelischen Zentrums Frauen und Männer . . . . . . . . . . . . . . 17 Interview mit Daniela Konrädi, Pastorin und Afrodeutsche . . . . . 18 Aus den Frauenwerken Sichtbar sein! Workshop zu gerechter Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Glaubensatelier: Biblische Worte kreativ entdecken . . . . . . . . . . . 20 Gegen die Plastikflut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Impressum innovative 34 Zeitschrift des Frauenwerks der Nordkirche Titelfoto © Susanne Rickert November 2019 Druck www.druckzentrum-neumuenster.de Redaktion Inke Pohl, Fon 0431 55 779 105 Klimaneutral gedruckt – Mobil 0151 2007 2573, Inke.Pohl@Frauenwerk.nordkirche.de CO ² -Emissionen neutralisiert gem. Kyoto-Protokoll. Herausgeberin Frauenwerk der Nordkirche Auflage 13.000 Exemplare Gartenstraße 20, 24103 Kiel, Fon 0431 55 779 100 info@frauenwerk.nordkirche.de, www.frauenwerk.nordkirche.de Redaktionsschluss für die innovative 35 15. März 2020 Die Redaktion behält sich vor, Manuskripte redaktionell zu bearbeiten, evtl. zu kürzen. Nachdruck nur auf Anfrage mit Quellenangabe und Belegexemplar. Gestaltung und Illustrationen Susanne Adamek, Kommunikation & Design
3 innovative 34 | 2019 Editorial | Leser*innen-Forum Liebe Leser*innen, nach langer Zeit gibt es wieder eine Innovative. Es ist bereits die 34. Ausgabe! Annette von Stritzky hat 33 Ausgaben mit viel Leidenschaft betreut, 2018 durfte ich ihren tollen Job als Presse- und Öffentlichkeitsreferentin übernehmen. Aktuell informiert Gern wollen wir Sie auch mit unseren digita- Das Frauenwerk der Nordkirche hat sich auch an anderer Stelle len Angeboten erreichen. Bitte schreiben personell verändert. Anfang 2019 hat Susanne Sengstock die Sie uns unter info@frauenwerk.nordkirche.de, Leitung übernommen, als ihre Nachfolgerin auf der 2. Pfarrstelle wenn Sie per E-mail oder Newsletter von hat Katja Hose seit September nun ihr Büro in Kiel. Und nach uns hören wollen! langer Zeit haben wir Bärbel Rimbach – ebenfalls stets engagiert für die Inno tätig – in den Ruhestand verabschiedet. Im Sekretariat Das Jahresprogramm 2020 in Kiel erreichen Sie nun Monika Lorengel und Ruben Gamula. ist soeben erschienen! Wie immer finden Sie darin ausführliche Infos zu unseren Also – neue Zeiten! Das gilt auch für Seminaren, Veranstaltungen und Reise- die Öffentlichkeitsarbeit. Digitale angebote, die sofort Lust aufs Koffer- (oder Medien, social media und ein hoher Seesack) -Packen machen. Anspruch an Aktualität werden – nicht Foto: Eggers/Nordbild nur im Frauenwerk – immer wichtiger. Das Programm können Sie bei uns So erreichen wir schnell und nach- bekommen: Fon 0431 55 779 100, haltig viele, die an unserer Arbeit, der seminare@frauenwerk.nordkirche.de Vielfalt unserer Angebote oder an gesellschaftlichen Diskussionen rund um Frauenthemen interessiert sind. Die Inno wird daher künftig unregelmäßiger und nicht mehr zweimal im Jahr erscheinen. Unsere homepage www.frauenwerk.nordkirche.de wird Sie dafür noch abwechslungsreicher, aktueller und mit neuen Funktionen informieren – im Laufe des Jahres 2020 im frischen, runderneuer- ten Design. Darauf sind wir selbst schon sehr gespannt! Bis dahin viel Freude mit der Inno 34. Erfahren Sie, wie Frauen im Transkulturellen und interreligiösen Lernhaus gemeinsam arbeiten, wie es verbindet und Mut macht. Erleben Sie rückblickend die bunte Feier zu 70 Jahre Weltgebetstag und lassen Sie sich wie immer von sorgfältig ausgewählten Buchtipps inspirieren! Herzlichst Ihre Inke Pohl Unser Konto Frauenwerk der Nordkirche IBAN: DE16 5206 0410 0206 5650 00 BIC: GENODEF1EK1 Evangelische Bank eG, ‚innovative‘ Wir danken sehr für alle Spenden!
Anstoß innovative 34 | 2019 4 Lust und Last der Sprache Auszüge aus der Dialogpredigt von Susanne Sengstock, Leitung, und Inke Pohl, Öffentlichkeitsreferentin, zu ihrer Einführung am 3. Juni 2019 Inke Pohl: Susanne? In dem Bibelzitat für unsere Einladung heißt ich nenne mal NRW oder GroKo. Aber ein Sternchen und ein „in“ es: „Steh auf, für dich, meine Freundin!“ Warum eigentlich „für dich“ ist für viele undenkbar. in Kommata? Ich habe in der Bibel in gerechter Sprache nachge- sehen. Hier heißt es „Steh auf, meine Freundin, und geh! Steh auf, Susanne: Anstöße zur Veränderung zu geben, ist halt oft anstößig. für dich, meine Freundin klingt ja etwas sperrig. Aber du hast dir Aber genau diese Anstößigkeit gefällt mir im Frauenwerk. Wie ver- bei der Auswahl der Übersetzung sicher etwas gedacht? stehst du den Satz „Steh auf, für dich, meine Freundin“? Susanne Sengstock: Diese Übersetzung hat mir Nancy Rahn bei- Inke: „Steh auf“ meint, sich zu erheben, aber nicht sich ÜBER ande- gebracht, als wir mit ihr zum evangelischen Frauensonntag zum re zu erheben. Ich höre den Appell, sich aus der Trägheit aufzu- Hohenlied gearbeitet haben. Ich war total verzweifelt, weil ich machen, Veränderungen anzustoßen. Dafür steht das Frauenwerk die hebräischen Formen einfach nicht übersetzt bekam. Was soll der Nordkirche. Sprache und Worte zu finden in Bildungsangebo- so eine Verbindung von lamed und kaph nach dem Verb? Nancy ten. Räume zu öffnen. Impulse Kreise ziehen zu lassen – um zu Rahn meinte, das sei typisch im Hebräischen. Damit wird betont, zeigen, was das christliche Sein heute bedeutet. Auch abseits des dass etwas für sich selbst getan werden kann. Und dann habe ich Gewohnten, dort, wo es nötig ist: In Hinblick auf Ausbeutung, Ge- mich erinnert: Genau diese grammatikalische Verbindung gibt es walt oder Fluchterfahrungen – gemeinsam daran zu arbeiten, dass auch in Gen.12. Dort spricht Gott Abraham an: Lech – lecha! Geh das offensichtlich Ungerechte öffentlich wahrgenommen wird. los! ... Was ich sonst nur als Apell gehört habe … ist noch viel Einen kleinen Schritt zu gehen, aus dem vielleicht eine Kraft ent- mehr als das. Es geht nicht darum, dass Abraham losgeht, weil er steht, die andere weiterträgt. Letztlich ist dies nicht nur ein Einsatz Gott gehorcht. Gott wirbt um Abraham, Gott lockt. Genauso ist es für die von Unrecht Betroffenen, sondern für alle Menschen. auch im Hohenlied. Da wirbt der Freund um seine Freundin, dass sie zu ihm kommt. Es liegt an ihr, welche Schritte sie geht. Zwei Susanne: Damit bist du ganz nah beim biblischen Gerechtigkeits- Buchstaben – aber sie können sogar das Gottes- und Menschen- verständnis. Biblische Gerechtigkeit weiß: Wenn echte Teilhabe bild verändern. fehlt, dann schadet das allen. Fehlende Gerechtigkeit ist nicht nur das Problem von Armen oder Benachteiligten, sondern auch von Inke: Aber ungewohnt klingt es trotzdem. Das ist im Frauenwerk Reichen und allen, denen es gut geht. Unrecht beschädigt alle Mit- aber nichts Außergewöhnliches. Unser Anspruch auf geschlechter- glieder der Gemeinschaft. Im Hohelied der Liebe macht der Freund gerechte Sprache ist für viele anstrengend, mitunter gar lästig. seiner Freundin Mut ... Aber er macht sie nicht zum Objekt seiner Aber Sprache schafft Wirklichkeit! Eine gendergerechte Sprache Liebe, er sieht sie als Subjekt, das Befriedigung erlangt, wenn sie ist wichtig, damit Veränderungen wirklich geschehen können. Eine zusammen sind. Studie der TU Braunschweig hat ergeben, dass Texte in geschlech- terbewusster Sprache genauso verständlich seien wie die mit nur Für uns leite ich davon ab: Was können Frauen erreichen, wenn einer Geschlechtsform. Übrigens hat die kurze Unterbrechung, also sie aufstehen, nicht weil sie anderen gerecht werden oder alles ein „gendergap“ – wie vor Besucher*innen – in der Phonetik einen recht machen wollen, sondern weil sie es für sich selbst als richtig Namen: Es ist das stimmlose glottale Plosiv, auch Glottisschlag sehen. Und wenn Frauen zusammen aufstehen, was für eine Kraft genannt – und kommt auch in The*ater, Er*innern etc vor. Journa- kann dann entstehen: Heilige Kraft. list*innen sind so findig, sich kurz und prägnant auszudrücken – „Unser Anspruch auf geschlechtergerechte Sprache ist für viele anstrengend, mitunter gar lästig. Aber Sprache schafft Wirklichkeit!“ Inke Pohl
5 innovative 34 | 2019 Projekte | Aktionen Dialog erleben Das Transkulturelle und interreligiöse Lernhaus der Frauen Ein Abend im Gemeindehaus der Christianskirche in Hamburg- An diesem Abend ist das Thema Geschlechterrollen dran. In Klein- Ottensen. Langsam füllt sich der Saal mit Frauen. Sie begrüßen sich gruppen tauschen sich die Frauen zu ihren Erfahrungen mit ihrer auf arabisch, deutsch und englisch und stellen die mitgebrachten Rolle aus. Sie erzählen sich gegenseitig von Erwartungen, die ihnen Speisen auf den Tisch. Manche haben sichtbar einen Migrations- begegnet sind, von Grenzen, auf die sie gestoßen sind, und was hintergrund, manche tragen ein Kopftuch, manche sind hellhäutig. sich verändern soll. Von Mitte 20 bis Mitte 60 ist alles dabei. Einige der Frauen kommen aus Syrien und haben eine Fluchtgeschichte, unter ihnen gibt es In der anschließenden großen Runde wird deutlich, dass es diese Christinnen und Musliminnen. Andere Frauen haben Wurzeln in Erwartungen und Grenzen in Syrien ebenso gibt wie in Deutsch- Guinea oder im Iran, leben aber schon lange in Hamburg. land oder in Guinea. Überall sind Frauen in der Situation, dass sie die Hauptlast der Sorgearbeit in den Familien tragen und bis Sie alle sind hier, um miteinander und voneinander etwas über zur Erschöpfung arbeiten, vor allem, wenn sie auch berufstätig den Dialog zwischen unterschiedlichen Kulturen und Religio- sind. Eine syrische Teilnehmerin macht deutlich, wie wichtig eine nen zu lernen. Sie sind Teilnehmerinnen an einer Langzeitfort- gute Bildung und Ausbildung für Frauen ist, damit sie unabhängig bildung, dem Transkulturellen und interreligiösen Lernhaus der von Männern sein können. Es wird klar, dass das Kopftuch dafür Frauen – mit dem Ziel, Multiplikatorin für eine offene und tole- kein Hinderungsgrund ist. Jede der syrischen Frauen hat bereits im rante Gesellschaft zu werden. Ein Jahr lang treffen sie sich einmal Heimatland ein Studium absolviert oder studiert hier. Die Frauen im Monat, um gemeinsam einen Dialogprozess zu gestalten. Das lernen unterschiedliche, aktuelle Positionen aus dem feministi- Besondere am Lernhaus ist, dass es kein festes, vorgegebenes schen Diskurs kennen, von Alice Schwarzer bis Judith Butler und Lernprogramm gibt, sondern dass die Gruppe die Themen selbst der muslimischen Feministin Amina Wadud, und diskutieren sie bestimmt. engagiert. Sie lernen, dass es auch hier eine Vielfalt gibt und nicht „den Feminismus“. Am Beginn des Lernhauses steht – als methodische Grundlage – eine Einführung in Regeln für einen Dialog auf Augenhöhe und Es sind immer Themen, die für die Frauen existentiell sind und für die Arbeit mit den eigenen Biographien. Daran anschließend nicht in wenigen Stunden geklärt werden können. Dennoch gehen erarbeiten die Frauen einen Themenpool für die weiteren Treffen. alle, bereichert durch den Austausch, mit vielen guten Ideen und In diesem Kurs sind es u.a. Familie im Kontext von Migration und Impulsen nach Hause. Sie werden die Fragen weiter bewegen. Das Flucht, Erwerbs- und Sorgearbeit, Rassismus, Spiritualität, gesell- Lernhaus bringt Empowerment für die einzelne Frau und einen schaftliches Engagement und Integration. Die jeweiligen Themen- wichtigen Beitrag für das Zusammenleben, gerade in Zeiten, abende werden von dem Projektteam vorbereitet, doch auch die in denen die Spaltung der Gesellschaft zunimmt: In Teile, die Teilnehmerinnen bringen ihre Kompetenzen ein. Immer geht es gemeinsam Wege für ein gleichberechtigtes Zusammenleben gleichermaßen darum, Gemeinsamkeiten zu entdecken und ande- aller Kulturen suchen und in Teile, die dies ablehnen. re Perspektiven kennenzulernen. Auch darum, Unterschiede wahr- zunehmen und auszuhalten. Irene Pabst Das Transkulturelle und interreligiöse Lernhaus der Frauen startete 2005 als bundesweites Modellprojekt in Berlin, Köln und Frankfurt/Main. In Hamburg gab es seit 2011 fünf Durchgänge. 2019 haben weitere Lernhäuser begonnen oder sind in Planung. Die Lernhäuser finden in Kooperation des Frauenwerks der Nord- kirche, des Frauenwerks des Ev.-Luth. Kirchenkreises Hamburg- West/Südholstein, der Arbeitsstelle interkulturelle Kirche des Ev.-Luth. Kirchenkreises Hamburg-Ost, der Ökumenebeauftragten der Nordkirche und des Fachrats für Islamische Studien Hamburg e.V. statt. Für weitere Auskünfte steht Irene Pabst zur Verfügung: 040 – 306 20 1360, irene.pabst@frauenwerk.nordkirche.de.
Projekte | Aktionen innovative 34 | 2019 6 Über die Brücke gehen liche und friedliche Atmosphäre war bemerkenswert, vor allem im gemeinsamen Beginn und Abschluss der Treffen. Inas Sharif ist seit 2017 in Hamburg. Sie kommt aus Syrien, hat dort als Lehrerin gearbeitet und möchte auch Was half dabei, diese besondere Atmosphäre zu schaffen? hier unterrichten. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn. Inas: Ich denke, das war die Aufrichtigkeit der Frauen. Keine hat ihre Friederike Brandtner kommt aus Süddeutschland, lebt Gefühle versteckt. Und die Frauen vom Vorbereitungsteam haben seit 1993 in Hamburg und hat zunächst ein Studium der es mit dem Herzen gemacht, das war zu spüren. Vertraulichkeit war Kunstgeschichte und evangelische Theologie begonnen. ganz wichtig, damit war das Lernhaus wie ein sicheres Zuhause für Heute studiert sie Religionswissenschaften und katholi- uns. Ich konnte einfach ich sein, wurde akzeptiert mit meinen Stärken sche Theologie. Irene Pabst hat die beiden Frauen gefragt, und Schwächen. Als Geflüchtete erleben wir viel Sympathie und wie das Lernhaus in ihnen nachwirkt. Mitleid, ich empfinde das so, dass mich das auch klein und schwach macht. Im Lernhaus war es anders, die Haltung war: Ich möchte Dir Was war Eure Motivation, am Lernhaus teilzunehmen? helfen, und wir gehen gemeinsam, Hand in Hand, um etwas zu errei- Inas: Ich wollte andere Frauen treffen und andere Denkweisen ken- chen. Deswegen bin ich immer wieder zu den Treffen gekommen, nenlernen. Ich bin eine offene Person und mochte das Konzept, auch bei Wind, Regen und Schnee. Ins Lernhaus zu kommen, war für Frauen aus anderen Kulturen und Hintergründen zu treffen. Ich mich wie ein offenes Fenster in meinem Leben, ich konnte frei atmen. war noch nicht so lange in Deutschland und wollte mehr darüber Friederike: Für mich war das Besondere, dass wir Zeit füreinan- wissen, wie die Deutschen denken und handeln, um Missverständ- der hatten und uns regelmäßig getroffen haben. Wir haben uns nisse zu vermeiden. gegenseitig gestärkt. Ich habe mich selbst auch noch einmal neu Friederike: Ich beschäftige mich in der Uni mit dem interreligiösen kennengelernt und Frauen aus Kontexten, die ich sonst nicht ken- Dialog und wollte, dass das nicht nur Theorie ist, sondern auch ge- nengelernt hätte. Ich habe Vielfalt erlebt und entdeckt, dass das lebte Praxis. Lernen miteinander viel Spaß macht. Welche Erfahrungen habt Ihr im Lernhaus gemacht? Wo könnt Ihr einsetzen, was Ihr im Lernhaus gelernt habt? Inas: Ich kam in Interaktion mit Frauen aus unterschiedlichen Län- Inas: Überall, wo ich mit Frauen aus anderen Kulturen zusammen- dern, Traditionen und Religionen, ich habe mit ihnen gesprochen, treffe. Ich kann meine Haltung zeigen und so dazu beitragen, dass wir teilten unsere Erfahrungen, Ideen und Sichtweisen. Ich habe so sie weniger Angst vor Begegnungen haben und andere leichter viel über ihre Kulturen und über Deutschland gelernt. Ich bin da- akzeptieren. Es hilft mir auch in meinem Alltag, weil auch bei mir durch noch weltoffener geworden. die Angst vor Anderen einfach wegschmilzt, kulturelle und sprach- Friederike: Bei mir hat das Persönliche anfangs nicht so sehr im Vor- liche Barrieren lassen sich überwinden. Diese Erfahrung möchte dergrund gestanden, aber mittlerweile würde ich sagen, dass es ich gerne auch anderen Geflüchteten weitergeben: Es ist möglich, von den Erfahrungen her im Verhältnis fünfzig fünfzig ist, ich habe über die Brücke zu gehen. Und ich hoffe, dass es mir auch zukünf- auch tolle persönliche Erfahrungen gemacht. Meine Erwartung hat tig bei meiner Arbeit als Lehrerin oder auch anderswo helfen wird. sich erfüllt. Und es sind Freundschaften entstanden. Friederike: Ich begleite Menschen im Kirchenasyl und kann das Foto: Irene Pabst Gelernte dort ganz konkret anwenden. Und ich möchte meine Er- Was ist das Besondere am Lernhaus für Euch? fahrungen in einer Hausarbeit an der Uni über den christlich-isla- Inas: Ich habe viel darüber nachgedacht und herausgefunden, mischen Dialog einbringen. Es hat auch privat Auswirkungen auf dass die Antwort Liebe ist. Es gibt viele Orte, wo wir etwas lernen mich, weil ich mich verändert habe. Ich habe mich gezeigt, wie ich können, aber das Besondere im Lernhaus war die Energie der das weder an der Uni noch im Kirchenasyl machen würde. Liebe, die von jeder ausging wie ein Fluss. Niemand war verpflich- tet zu kommen, und dennoch kamen fast immer alle. Die freund- Herzlichen Dank für dieses Interview! „Das Lernhaus war wie ein sicheres Zuhause für uns.“ Inas Sharif Friederike Brandtner (links) und Inas Sharif
7 innovative 34 | 2019 Projekte | Aktionen Ein Bonbon zum Geburtstag Die Nordkirche feiert: 70 Jahre Weltgebetstag in Deutschland Vor 70 Jahren wurde in Stein bei Nürnberg die erste deutsche Unser WGT-Bonbon war ein runder Tag, der vielen Frauen Spaß Weltgebetstagsliturgie erarbeitet. Eine der Wegbereiterinnen der gemacht und in ihrer ehrenamtlichen Arbeit bestärkt hat. Anläss- deutschen Weltgebetstagsbewegung ist Antonie Nopitsch vom lich des Jubiläums haben wir auf dem WGT-Bonbon auch eine Bayrischen Mütterdienst. Sie reiste 1948 in die USA und lernte dort Ausstellung zum Weltgebetstag eröffnet. Diese besteht aus acht die völkerverbindende Kraft des Weltgebetstags kennen. Von ihrer Schwarz-Weiß-Porträts von Frauen aus der WGT-Bewegung, die Erfahrung berichtete sie: „Geld und Gut hab ich nicht mitgebracht, über ihre Faszination von dieser spannenden ökumenischen Arbeit aber etwas anderes, das auf die Dauer unvergänglicher ist: Im berichten. Außerdem informieren Texttafeln über die Geschichte nächsten Frühjahr sind die deutschen Frauen zum ersten Mal her- des Weltgebetstags. eingenommen in den Weltgebetstag der Frauen. Am ersten Frei- Julia Lersch tag in der Passionszeit beten die Frauen in 135 Ländern der Erde, und wir beten nun mit. Es ist fast so, dass man mitten in der Nacht Die Ausstellung 70 Jahre Weltgebetstag davon wach wird, dass die Frauen im Fernen Osten schon beten.“ in Deutschland kann über das Frauenwerk (aus: „Ein Freitag im März“, hg. von Angelika Schmidt-Biesalski) der Nordkirche ausgeliehen werden. Kontakt: 0431 55 779 101. Der Geburtstag war für uns ein Grund zu feiern. So luden wir Multiplikatorinnen der WGT-Arbeit aus der Nordkirche zu einem „WGT-Bonbon“ ein. Vor und nach gutem Essen, vertrauten Lie- dern und einer Tombola hörten wir von ehemaligen Landesreferen- tinnen, wie sie ihre Zeit auf den WGT-Werkstätten erlebt haben. Sie erzählten auch, was sich seitdem in ihren Heimatländern Surinam, Bahamas und Philippinen verändert hat. Dr. Irene Tokarski von der Geschäftsstelle des Weltgebetstags erklärte uns, wie heute eine Weltgebetstagsordnung und Arbeitsmaterialien entstehen. Besonders begeistert hat uns der Vortrag von Dr. Kudzai Biri. Sie ist Dozentin für Christliche Theologie und theologische Lehre der Kirchen in Simbabwe an der University of Zimbabwe, Harare. Der- zeit arbeitet sie mit einem Alexander-von-Humboldt-Stipendium im Forschungsprojekt Bible in Africa Studies der Universität Bam- berg. Kudzai Biri schilderte, wie die Kirchen in Simbabwe Bibel- worte nutzen, um patriarchale und unterdrückende Strukturen zu rechtfertigen. Als Beispiel nannte sie den Brief des Paulus an die Galater, Kap. 5, und das Buch der Sprüche, 31. Biris Antwort da- Foto: Susanne Ricker t rauf: „Frauen müssen darin bestärkt werden, die Bibel selbst zu lesen und zu interpretieren – in Weisen, die ihnen Stärke, Mut und Weisheit geben, um den täglichen Herausforderungen zu begegnen. Weil das Lesen der Bibel entweder die Macht dazu gibt, zu unterdrücken oder zu bestärken.“ Judith Dors, Dr. Kudzai Biri, Madeline Carter-Lindemann und Dr. Irene Tokarski (v.l.)
Projekte | Aktionen innovative 34 | 2019 8 Bewegung im Team von contra Jozefa Paulsen und Svenja Schindler auf neuen Wegen Bei contra ist im April 2019 eine Ära zu Ende gegangen: Nach Der Weggang von Jozefa ist für alle eine große Zäsur – auch bei 20 Jahren haben wir Jozefa Paulsen in den Ruhestand verab- cara*SH, der Fachberatungsstelle für Prostituierte in S-H. „Wir schiedet. Sie war seit der ersten Stunde Beraterin der Fachstelle hätten Jozefa am liebsten eingesperrt, damit sie bleibt und uns in gegen Frauenhandel in Schleswig-Holstein und auch davor schon der Beratung coachen kann“, hörten wir die Kolleginnen dort öfter gefragte Expertin für das Fachgebiet – seit 1996, beim ersten Run- seufzen. Über eines freuen wir uns: Dass in so vielen Bereichen den Tisch Frauenhandel, der auf Initiative des Nordelbischen Frau- unserer Arbeit Jozefas Handschrift bleiben wird! Als ihre Nach- enwerks entstanden war. Die Sozialpädagogin hatte für ihre Diplom- folgerin setzt Sozialarbeiterin Suzan Tepp nun die Arbeit fort. arbeit zum Thema im gesamten Bundesgebiet Fachberatungsstel- Ebenfalls neu im Team ist Magdalena Müller. Die Psychologin len gegen Frauenhandel befragt. Damit hat sie ein Konzept entwi- folgt auf Svenja Schindler, von der wir uns ebenfalls schweren Her- ckelt, wie ein Beratungsangebot organisiert sein muss. zens verabschieden mussten. Svenja begann vor drei Jahren bei contra: Seit 2013 war die Anzahl geflüchteter Frauen, die im Her- Jozefa Paulsen hat von 1999 bis 2019 geschätzt 1.000 Frauen aus kunftsland und auf den Fluchtwegen von Menschenhandel be- mehr als 30 Herkunftsländern beraten und begleitet. Sie war mo- troffen waren, gestiegen. Das Land Schleswig-Holstein reagierte bil und vielsprachig unterwegs, um Gespräche dort zu ermög- 2016 darauf und finanzierte eine weitere 50%-Stelle. Svenja kam lichen, wo sie gebraucht wurde und um die Klientinnen best- aus dem Studiengang Migration und Diversität und hat sich in kür- möglich zu unterstützen. Bis 2012 war sie die einzige Beratungs- zester Zeit – im Tandem mit Jozefa – in die Arbeit mit geflüchteten expertin für Betroffene von Frauenhandel in Schleswig-Holstein Frauen eingearbeitet. Aus privaten Gründen zieht es sie nun nach und hat mit ungefähr 500 Kooperationspartnern aus Politik und Süddeutschland. Gesellschaft im Land, dem Bundesgebiet und international zusam- mengearbeitet. Wir wünschen Jozefa und Svenja alles Gute und freuen uns über Magdalena und Suzan als neue Kolleginnen! Jozefa war das Herzstück von contra, sie hat Netzwerkarbeit ge- Claudia Rabe pflegt, Dolmetscherinnen fortgebildet, das Konzept stets weiter- entwickelt und auch das Projekt Myriam und cara*SH mit auf den Weg gebracht. Mit Hilfe neuer Fördermöglichkeiten und durch Veränderungen im Team konnte Jozefa Paulsen 2012 anfangen, Mitarbeiterinnen für die fachspezifische Beratung bei contra zu qualifizieren und Sozialpädagoginnen im Anerkennungsjahr aus- zubilden. MY RI A M my rights as a female migrant Die Mitarbeiterinnen von contra, cara*SH Foto: Inke Pohl und Myriam mit Jozefa Paulsen (Mitte) und Koordinatorin Claudia Rabe (2.v.r.).
9 innovative 34 | 2019 Projekte | Aktionen Frauenbild von vorgestern? Resolution fordert Abschaffung des § 219 a Das war abzusehen! Auslöser war die Verurteilung der Ärztin lästigung und Stigmatisierung von Betroffenen sowie Medizi- Kristina Hänel Ende 2017 durch das Amtsgericht Gießen. Hier- ner*innen zu unterbinden. durch wurde eine Diskussion über den Paragrafen in Gang ge- setzt. Radikale Abtreibungsgegner hatten die Gynäkologin ange- Die Frauendelegiertenkonferenz der Nordkirche stellt klar, dass zeigt, da sie im Internet auf ihrer Praxis-Seite über die Möglichkeit ein Schwangerschaftsabbruch für Betroffene das Ergebnis eines für einen Schwangerschaftsabbruch informierte. Eine Schwach- komplexen Entscheidungsprozesses ist. stelle des § 219a ist, dass nicht zwischen Werbung und Informati- Die Resolution wurde an Politiker*innen unterschiedlicher Frak- on unterschieden wird. Der Paragraf wurde im Rahmen einer na- tionen, Verbände und Netzwerke verschickt; wir erhielten unter- tionalsozialistischen Strafrechtsreform als Tatbestand eingeführt. schiedliche Rückmeldungen und stehen mit einigen weiterhin da- Zu lange hatten sich viele daran gewöhnt, dass es doch irgendwie rüber in Kontakt. funktioniert. Eine Reform: überfällig. Nach monatelanger Debatte hat die Große Koalition im Februar Damit stand das Thema im Raum. Die Politik musste sich nach 2019 das Gesetz des umstrittenen Paragrafen 219a im Strafge- jahrelangem Schweigen mit dem § 219a auseinandersetzen. Doch setzbuch verabschiedet. Durch die Reform des § 219a dürfen auch in der Gesellschaft war das Thema zurück und wurde heftig Ärzt*innen nun auf ihrer Homepage schreiben, dass sie Schwan- und kontrovers diskutiert. Schnell gab es deutliche Fronten zwi- gerschaftsabbrüche anbieten. Doch jede weitere Information an schen Abtreibungsgegner*innen und Befürworter*innen der Strei- dieser Stelle, zum Beispiel zu angewandten Methoden, kann wei- chung des § 219a. terhin zu einer Verurteilung führen. Es ist den Fachleuten lediglich erlaubt, auf Informationen staatlicher Stellen hinzuweisen. Was auf Wir Frauen vom Vorstand fanden, dass sich auch die Frauendele- den ersten Blick nach einer Verbesserung aussieht, zeigt auf den giertenkonferenz als eine wichtige kirchliche Stimme am Dis- zweiten Blick „das skandalöse Frauenbild“. kurs beteiligen sollte. Daher stellten wir die Auseinandersetzung mit § 219a in den thematischen Mittelpunkt unserer Konferenz Frauen muss es zuzutrauen sein, diese Entscheidung selbst zu im Oktober 2018. Umfassende Information stand dabei an erster treffen. Die Bundestagsdebatte ist an diesem Punkt an ein Ende Stelle. Als Referentinnen konnten wir die Berliner Journalistin Dina gekommen, aber – davon sind wir im Vorstand der FDK über- Riese von der Tageszeitung „taz“ und Susanne Baum, Beraterin der zeugt – es wird nur ein vorläufiges sein. Denn es scheint eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle der Diakonie in Husum, gesellschaftliche Mehrheit zu geben, die klar für die Streichung gewinnen. Darauf aufbauend wollten wir entscheiden, ob und ggf. des § 219a ist. wie wir uns als Frauendelegiertenkonferenz öffentlich zu diesem The- ma äußern. Am Ende der Tagung, nach einem lebhaften Entschei- Das Urteil gegen Dr. Kristina Hänel wurde inzwischen aufgehoben, dungsprozess, haben wir eine Resolution verabschiedet. Hierin das Landgericht Gießen muss den Fall aufgrund der veränderten sprachen wir uns klar für die Streichung des Paragrafen 219a aus. Rechtslage neu verhandeln. Es ist also abzusehen, dass uns das Thema weiter beschäftigen wird. Wir fordern einen niedrigschwelligen Zugang zu sachlichen In- Hilde Credo, Foto: Verena Balve Vorstand Frauendelegier tenkonferenz formationen über medizinische Möglichkeiten und Implikationen eines Schwangerschaftsabbruches. Zudem eine umfassende Verfügbarkeit von Beratungsstellen, Seelsorge, Ärzt*innen für Schwangere in Konfliktsituationen sowie Maßnahmen, um Be- FDK-Vorstandsvorsitzende Hilde Credo (l.) mit Dr. Kristina Hänel in Flensburg.
Projekte | Aktionen innovative 34 | 2019 10 Auszeit unter Segeln – Mehr Meer geht nicht! FrauenReisen Hin und weg segelt bereits seit fünf Jahren Auszeit unter Segeln – Gönne dich dir selbst. Unter dieser Über- Skipper Onno gibt uns die Kommandos schrift sind wir 2015 mit den Segelreisen gestartet. In diesem Erklärt uns was Klüver und Fock Jahr können wir ein kleines Jubiläum feiern: 5 Jahre Segelreisen! Und Bäume am Schiff sind nicht grü-ün Das sind viele begeisterte Frauen zwischen 25 und 83 Jahren, die Wenn alle an einem Strang ziehn. das Segeln für sich ausprobiert haben und gern immer wieder an Bord gehen möchten. Daher konnten wir das Angebot immer mehr Gemeinsames Duschen ohne Wasser ausweiten. In diesem Jahr waren wir mit drei Törns unterwegs, – ohne Kronen, das war uns ein Spaß davon einer als anerkannter Bildungsurlaub KlimaSail. Wir waren nicht reinlich nur nasser Aber sagt mal, wen kümmert denn das? Segelreisen mit dem Frauenwerk der Nordkirche, das scheint nahe- liegend. Einmal eine Segelreise ausprobieren zu wollen, das war Am Ruder und auch bei der Takelung und ist der Wunsch vieler – es gemeinsam mit anderen Frauen zu Pauline als Käpt´n ist fit. tun, auch. Doch zunächst musste die zuständige Referentin über- Manchmal macht sie auch beides auf einmal zeugt werden. Denn ich gestehe, ich persönlich kann mich nicht Wir nähmen die gern wieder mit. dafür begeistern. Umso dankbarer bin ich der Kollegin aus dem Frauenwerk Schles- Refrain: Wie schö-ön, wie schö-ön wig-Flensburg, Claudia Niklas-Reeps, die mit ihrer Idee beharrlich War diese Zeit mit Euch, mit Euch: || geblieben ist. Sie schreibt: „Vor 5 Jahren nervte ich, eine segel- freizeitbegeisterte Frau, mit der Frage: Warum bietet ihr denn Das klingt lebensfroh. Munter mag es bei den Reisen zugehen. La- keine Segelreisen an? Und so wagten wir die erste Reise, die chen und Ernsthaftigkeit liegen nah beieinander. Das Element Was- sehr gut zeigte, dass diese Idee der kurzen Segelreise auf einem ser und der weite Horizont des Meeres erden, öffnen, beruhigen Schiff viele anspricht. Da es eine Herzensangelegenheit von mir und laden zu besonderen spirituellen Erfahrungen ein. Das Leben war, übertrug sich meine Begeisterung und fand schnell Begeis- auf einem Segelschiff stellt jede Einzelne gleichzeitig vor beson- terte, die nun auch im 5. Jahr erneut mitfahren – langweilig wird dere Herausforderungen, die zu kostbaren Erinnerungen werden es nie, da es immer anders ist.“ können: Die Mitarbeit auf dem Schiff, denn ein Segel kann nur mit Einige Frauen sind so gern dabei, dass sie die Rolle gewechselt vereinter Kraft gesetzt werden. Gemeinsames Kochen. Einfach nur haben und selbst Segelreisen für FrauenReisen leiten. einmal dasitzen und schauen. Toleranz für Mitseglerinnen, denn vor Konflikten lässt sich hier nicht weglaufen. Mehrere Generatio- Das Motto „Auszeit unter Segeln“ lädt ein, zur Ruhe zu kommen, nen von 25 bis 83 Jahren sind gemeinsam unterwegs, die Kabine Foto: Claudia Niklas-Reeps loszulassen, der Natur zu vertrauen. Dazu gehört es auch, die Ab- ist eng. Unterschiedlichkeit wahrnehmen und genießen können. hängigkeit von der Natur zu spüren, auf Wind warten zu müssen Sich verwöhnen lassen, Gemeinschaft erfahren ... oder vor Sturm im Hafen zu bleiben. In diesem Jahr verstärkten wir diesen Blick auf einem Törn, indem wir mit dem KlimaSail Pro- Anke Rohlf fasst ihre Erfahrungen zusammen, ihre Worte stehen jekt des Jugendpfarramtes kooperierten und damit Fragen von für viele: „Sonne, Wind, gute Gemeinschaft und Verpflegung, im Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung in den Blick nahmen. Klüvernetz sitzen und das Meer genießen: Mehr Meer geht nicht.“ Nach dem ersten Törn 2015 dichtete Tine Pralow einen Text, zu singen nach der Melodie von „My bonnie lies over the ocean“. Hier Dagmar Krok einige Auszüge: Auch 2020 wird es einige Segel- Reisen geben. Mehr dazu im Jahresprogramm 2020 und unter www.frauenreisenhinundweg.de
11 innovative 34 | 2019 Projekte | Aktionen Ehrenamtliche Reiseleiterinnen ✂ verabschiedet „Zeit vergeht nicht, sie entsteht. – Wie eine Blume, wie ein Baum. Zeit trägt den Keim der Ewigkeit in sich; sie wächst überall dort, wo man sie mit anderen teilt.“ (Angelika Brunner) Im Mai feierte FrauenReisen Hin und weg mit zwei Reiseleiterinnen einen besonderen Abschied. Wir haben Gisela Bald nach 27 Jah- ren und Frauke Daniel nach 8 Jahren aus der aktiven Zeit als ehren- amtliche Reiseleiterin ziehen lassen. Gisela Bald hat Meditative Wanderreisen, Klosterreisen und Single- reisen begleitet, in den letzten Jahren im Team mit Frauke Daniel. Mit viel Kompetenz und großem Erfahrungsschatz, neuen Ideen, einem weiten Herz, Organisationstalent, Offenheit für Unvorherge- sehenes und Fröhlichkeit haben beide das Angebot von Frauen- Reisen über viele Jahre bereichert. Wir sagen DANKE dafür! Gisela Bald schreibt über diese Zeit: „Die 31, 32 Klosterreisen, be- ginnend 1994 mit Hildegard von Bingen und endend 2018 mit Franz und Klara von Assisi, gehören zu den Höhepunkten in meinem Le- ben. Das Zusammensein mit so vielen verschiedenen, netten, suchenden Frauen, das gemeinsame Gestalten an den heiligen Orten: singen, beten, hören, reden, schweigen, lachen, weinen, wandern, staunen, nachdenken, essen, trinken, lernen, segnen ... in Nähe und Distanz, all das lebendige Teilen und Teilhaben, Teilhabenlassen ... hat mein Leben nachhaltig bereichert. Das alles bleibt mir in dankbarer Erinnerung.“ Viele von den Teilneh- merinnen werden das sicherlich teilen können. Gut, dass es Frau- enReisen gibt. Dagmar Krok Kirsten Larsen, Gisela Bald, Dagmar Krok und Frauke Daniel (v.l.) Foto: Privat
Projekte | Aktionen innovative 34 | 2019 12 Wie leere Kulis Und siehe: Bildung stiften Morgen war alles gut. Große Beteiligung an Das Blog zum Jahresthema Weltgebetstags-Sammelaktion Das Jahresthema begleitet uns in der Arbeit des Frauenwerks der Mehr als 32 Tonnen Stifte wurden eingesandt. „Das entspricht Nordkirche schon eine ganze Weile. Im Frühjahr 2018 ging es los. dem unglaublichen Gewicht von etwa 30 Kleinwagen“, berich- Auf der Frauendelegiertenkonferenz wurden Puzzleteile und Pla- tet Dr. Irene Tokarski stolz. „Wir danken allen, die diese Mit- kate ausprobiert, Ideen sprossen, die ersten Texte und Arbeits- mach-Aktion zu einem solchen Überraschungserfolg gemacht materialien zum Thema entstanden. Seitdem ist einiges passiert. haben!“, so die Geschäftsführerin des Deutschen Weltgebets- Was genau? Das steht zum Nachlesen auf unserem Blog: www. tagskomitees. Im Vorfeld des Weltgebetstags 2018 hatte das morgen-war-alles-gut.de. deutsche Komitee der ökumenischen Frauenbewegung die unge- wöhnliche Recycling-Aktion ins Leben gerufen. Vom Allgäu bis In einem Leporello, das sowohl im Blog zu finden als auch in ge- nach Helsinki sammelten seitdem Tausende Ehrenamtliche leere druckter Form zu erhalten ist, werden zu Beginn jeden Monats Plastikstifte. Für jeden Stift gab es einen Cent. Mit diesem Geld un- Texte veröffentlicht – geschrieben von Frauen, die sich in der Frau- terstützt der Weltgebetstag syrische Flüchtlingskinder im Libanon. enarbeit engagieren. Zu diesem Teil des Blogs gesellen sich ste- tig Einblicke, wie in den verschiedenen Ecken der Nordkirche Bundesweit und auch im Ausland haben sich über 2.500 Sammel- mit dem Jahresthema gearbeitet wird. Material, Anleitungen und stellen an der Aktion beteiligt, die zum 31. Januar 2019 erfolgreich Erfahrungsberichte laden ein zum Anschauen, Herunterladen und beendet wurde. Auch in der Nordkirche wurde über Monate fleißig Weiternutzen. Aber auch, wozu das Jahresthema Frauen inspiriert gesammelt. und welche Visionen eines guten Lebens entstehen, lässt sich auf dem Blog entdecken. Wir wollen unser Wissen und unsere Ideen teilen. Dabei beglei- tet uns auch immer wieder die Frage nach Datenschutz und Urhe- ber*innenrechten. Damit die Materialien und Inhalte zum Jahres- thema für viele eine Bereicherung sein können, ist es uns wichtig, dass sie frei zugänglich sind. Dafür haben wir sie unter einer Cre- ative Commons Lizenz lizensiert, das heißt: jede*r darf die Inhalte für ihre oder seine Arbeit frei nutzen, anpassen oder weiterent- wickeln. Voraussetzung: Es wird die Quelle genannt, und das Ma- terial wird zu gleichen Bedingungen weitergegeben – als offene Bildungsressource. Das Blog ist offen für alle und zeigt auch mal Perspektiven aus anderen Arbeitsbereichen. Kiloweise Stifte: Flora Mennicken Dagmar Krok, Julia Lersch, Monika Lorengel, Kirsten Voß und Susanne Sengstock Foto: Inke Pohl
13 innovative 34 | 2019 Projekte | Aktionen Hilfe in der Heimatsprache Sorgearbeit in der Krise Projekt Myriam unterstützt auch online Feministische Blicke auf das Thema Care Das Projekt Myriam ist eine mobile Beratungsstelle für geflüch- Die im Jahr 2015 verabschiedete Care-Resolution der damaligen tete Frauen in Kiel. Wir beraten Frauen, die von Gewalt bedroht Frauensynode der Nordkirche war Anlass für den Sammelband oder betroffen sind. Seit ungefähr einem Jahr ist auch unsere „Um-Care zum Leben“. Die Resolution entstand durch die Aus- Webseite www.myriam.sh online. So können sich Frauen und ihre einandersetzung der Schriften verschiedener Feminist*innen aus Unterstützer*innen im Internet über unsere Angebote informieren. Theologie, Soziologie und Wirtschaftswissenschaft mit der Care- Krise. Diese Krise drückt aus, dass das Sorgen – etwas zutiefst Das Wichtigste an der Webseite ist die Mehrsprachigkeit. Aus un- Menschliches – vernachlässigt wird. Sowohl Menschen als auch serem Beratungsalltag wissen wir, dass besonders die Kommu- Natur bleiben auf der Strecke. Dort, wo gegen Geld gesorgt wird, nikation in der Muttersprache entscheidend ist. Deshalb steht ist es schlecht bezahlt und geschieht im Effizienzmodus einer unsere Webseite auf derzeit sechs Sprachen zur Verfügung: Ara- Fabrik. bisch, Deutsch, Englisch, Kurdisch, Persisch und Tigrinisch. Wei- tere Sprachen werden hinzukommen. Die Auswahl des Spektrums feministischer Denkbewegungen Ein besonderes Kapitel ist die Rubrik „Frauen erzählen ihre Ge- rund um das Thema Care zeigen die vielen Facetten des Themas schichte“. In fünf anonymisierten Erzählungen berichten Frauen, auf. So erfahren die Leser*innen, wie die wohlfahrtsorientierte Sozi- wie sie in Deutschland angekommen sind und wie ihnen die Be- alpolitik Skandinaviens die Bürger*innen davor verschont, Angst ratung geholfen hat. Wir hoffen, dass diese Geschichten andere vor schlechter Versorgung im Alter zu haben, und wie Erwerbs- Frauen ermutigen. Außerdem beantworten wir auf der Webseite tätigkeit und Care durch eine staatliche Kinderbetreuung verein- „Oft gestellte Rechtsfragen“. Sie soll Frauen unterstützen, eigene bar sein können. Die wirtschaftswissenschaftliche Sicht einer Rechte zu kennen und einzufordern. Dabei beantwortet die Web- Ökonomin zeigt, dass Sorge die Voraussetzung allen Wirtschaf- seite nicht alle Fragen ausführlich, aber sie gibt grobe Antworten tens ist. Kritik an der neoliberalen Wirtschaftsweise äußert die Mit- und verweist auf die individuelle Beratung. Auch so werden Frauen begründerin der „Care-Revolution-Initiative“, Gabriele Winker. Ihr bestärkt, eine Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen. Care-Modell ist genossenschaftlich organisiert und frei von Profit- Interessen. Mit der evangelischen Theologin Christine Globig wird Mittlerweile wurde von 30 Ländern auf unsere Webseite zugegrif- die ethische Dimension von Sorgen deutlich. Sie zeigt, dass es den fen – überwiegend aus denen, deren Sprache dort vertreten ist. zutiefst menschlichen Charakter des Sorgens zu bewahren gilt. Auch erreichen uns viele Beratungsanfragen. Einige Frauen rufen uns aus anderen Bundesländern an, um rechtliche Fragen zu klä- Eine sorgende Haltung in Beziehung zur Natur braucht es für die ren. Wir sehen daher, dass der Beratungsbedarf trotz rückgängi- Soziologin Daniela Gottschlich, wenn wir die menschengemach- ger Asylbewerber*innenzahlen stetig wächst. ten Krisen von Pflanzen, Tieren und des Wetters abmildern wollen. Mit dem Buch möchten wir den Diskurs über die Gestaltung von Das Projekt Myriam wurde für drei Jahre von Mitteln der deutschen Sorge in der Gesellschaft anregen und die ethische Bedeutung Fernsehlotterie sowie von der Nordkirche getragen. Diese Finan- von Care aufzeigen. Es geht um die Bewahrung unserer Mitge- zierung lief im September 2019 aus. Für die Weiterführung in die- schöpfe und um das, was uns als Menschen ausmacht. sem Jahr konnten wir Landesmittel beantragen. Wir hoffen jedoch, dass es mit Myriam auch auf Dauer weitergeht. Waltraud Waidelich Ráhel Meisel MY RI A M my rights as a female migrant
Projekte | Aktionen innovative 34 | 2019 14 Entscheidung über das Leben hinaus Frauenwerk und EFiD beim Tag der Organspende Der Papst ist jetzt Organspender – und Sie? Jede*r ist mögliche*r In der aktuellen Diskussion um eine Neuregelung der Organ- Spender*in und Empfänger*in eines lebenswichtigen Organs. spende spricht sich das Frauenwerk der Nordkirche deutlich Je mehr Menschen einer Organspende zustimmen, desto mehr gegen eine so genannte Widerspruchslösung aus. Eine entspre- Leben können gerettet werden. Einfache Entscheidung also? Die chende Gesetzesänderung, wie sie Bundesgesundheitsminister Erfahrungen zeigen, dass es nicht so ist. Das Thema bewegt sich an Jens Spahn (CDU) vorschlägt, sei ethisch nicht der richtige Weg, der Schwelle zwischen Leben und Tod und kann aus vier Per- meint Susanne Sengstock vom Frauenwerk der Nordkirche. „Es spektiven von Betroffenheit betrachtet werden: Der oder die ist vielmehr geboten, umfangreicher ergebnisoffen zu informie- Spender*in, die Pflegenden und Ärzt*innen, die Angehörigen ren und Menschen zu ermutigen, eine bewusste Entscheidung für und der oder die Empfänger*in. Schwer zu ertragende wider- oder gegen eine Organspende zu treffen“, so die Theologin. Eine sprüchliche Vorstellungen und Gefühle und auch schmerzhafte Organspende müsse freiwillig bleiben. Auseinandersetzungen sind Teil des Diskurses. Deshalb braucht es viele Informationen, um vertrauensvoll miteinander ins Nach- Was aber ist anders am anderen Organspendeausweis? Die zentra- denken und Reden zu kommen. le Frage, die auch die Menschen am 1. Juni in Kiel beschäftigte, ist die des Hirntods. Dessen Definition ist auch im deutschen Ethikrat Die Evangelischen Frauen in Deutschland e.V. (EFiD) haben sich umstritten. Der Hirntod ist keine natürliche Grenze zwischen des Themas angenommen und einen alternativen Organspende- Leben und Tod, sondern eine juristische und medizinische Ausweis, den „anderen Ausweis“ entwickelt. Rund 40.000 Exem- Setzung, die für die Organentnahme wichtig ist. Für die einen ist plare sind bereits abgerufen. Mit der Kampagne „Organspende. der Hirntod, mit dem irreversiblen Ausfall aller Gehirnfunktionen, entscheide.ich“ mischen sich EFiD und deren Mitgliedsverbände, mit dem Tod gleichzusetzen. Wir definieren den Hirntod als einen wie auch das Frauenwerk der Nordkirche, in den gesellschaft- unumkehrbaren Sterbeprozess. EFiD unterscheidet deutlich zwi- lichen Diskurs ein. Wichtig ist uns nicht, ob Sie sich für oder ge- schen Hirntod (als Voraussetzung der Organspende) und Tod (als gen Organspende entscheiden. Beides darf sein. Sondern, dass Voraussetzung der Gewebespende). Der Ausweis enthält Auswahl- alle Menschen die notwendigen Informationen als Grundlage für möglichkeiten, wie mit der Organ- bzw. Gewebeentnahme zu ver- ihre Entscheidung erhalten. fahren ist. Zum Beispiel gehört die Wahl einer Vollnarkose dazu. Darum waren wir auch am 1. Juni 2019 beim bundesweiten Tag Neugierig geworden? Dann informieren Sie sich unter www. der Organspende in Kiel dabei. Im Zelt „Ethik und Religion“ war organspende.entscheide.ich.de, reden Sie mit Ihren Angehörigen viel los: viele interessierte Besucher*innen, viele Fragen und über Ihre Entscheidung zur Organspende und dokumentieren Sie viele Informationen. Zusammen mit Eske Wollrad (Evangelisches diese in einem Ausweis. Oder beteiligen Sie sich an der aktuellen Zentrum Frauen und Männer Hannover) und Ricarda Heymann Debatte auf Facebook und Instagram. (Evangelische Frauen in Hessen und Nassau) stellten wir zu dritt Dagmar Krok die Kampagne vor. Vor allem Fragen rund um den Hirntod beschäf- tigten die Menschen, die teils gezielt, teils zufällig am Info-Stand vorbeikamen. Viele nahmen ein oder mehrere Exemplare vom „an- deren Ausweis“ mit. V.l: Eske Wollrad (Ev. Zentrum Frauen und Männer, Hannover), Dagmar Krok (Frauenwerk der Nordkirche) und Ricarda Heymann (Ev. Frauen in Hessen und Nassau) beim Tag der Organspende in Kiel Foto: Mar tin Krok
15 innovative 34 | 2019 Projekte | Aktionen Neue Perspektiven Solidarität mit Frauen aus Tansania Kirchliche Frauenarbeit setzt sich weltweit dafür ein, dass Frau- keit, wirtschaftlich unabhängig zu werden. Die Evangelistin Stel- en ihre Stimme erheben. Ermutigt durch ihre Frauengruppen- und la Shoo erklärt: „Auch diejenigen von uns, die versucht haben, zu Partnerschaftsarbeit in Tansania erhob 2015 Beatrice Mlaki ihre Hause um Unterstützung zu bitten, wurden entmutigt. Es herrscht Stimme. Sie fragte Birgitta Heinrich, Leiterin der Heikendorfer Tan- die destruktive Ansicht, dass Frauen schwach seien. Geld für sie saniagruppe, ob eine Begegnung von deutschen und tansani- auszugeben bedeutet darum genauso viel, wie es gleich wegzu- schen Frauen zu einem frauenrelevanten Thema möglich wäre. Es werfen. Denn sie würden doch sowieso nicht oben ankommen ... In sei doch ärgerlich, dass bei Partnerschaftsbegegnungen Frauen- unserer Kultur werden Männer grundsätzlich als Helden angese- themen kaum eine Rolle spielen würden und dazu eine geschlech- hen. Darum konnten sie ihre Verwandtschaft in Anspruch nehmen. tergerechte Zusammensetzung immer noch keine Selbstverständ- Aber viele von ihnen haben auch die Möglichkeit, wirtschaftlich un- lichkeit sei. abhängig zu sein. Darum war es für sie nicht so schwer wie für die Frauen, Geld für den Aufstieg zu bekommen.“ Birgitta griff zum Telefon und rief sowohl mich im Frauenwerk der Nordkirche an als auch Silke Leng, zuständig für die Partnerschafts- Unsere Kollekte ermöglichte 12 Frauen den Aufstieg! Stella Shoo arbeit im Kirchenkreis Altholstein. Wir alle fanden: Ja, eine Frauen- schreibt in ihrem Erfahrungsbericht: „Es war eine segensreiche begegnung zu einem Thema, das sowohl Frauen aus Deutsch- Reise für uns und wir haben sehr viel gelernt: Eine Frau ist eine land als auch Frauen aus Tansania betrifft, ist wichtig, richtig und Heldin. Sie kann Großes leisten und sie kann große Veränderung einfach „dran“. Gemeinsam mit Beatrice und ihrer Frauengruppe bewirken, die niemand auf der Welt erwartet hat. Dies (wurde) klar, am Fuß des Kilimanjaros fanden wir schnell ein Thema: Wege zur nachdem Frauen in der Lage waren, den Gipfel zu besteigen, wo- Überwindung von Gewalt an Frauen, denn frauenspezifische Ge- bei sogar andere Männer daran gescheitert sind. Wir haben gelernt, walt ist in beiden Ländern ein großes Problem. Sehr erfolgreich dass es sehr wichtig ist, sich gegenseitig zu mögen und unterein- haben dazu zwei Lernhäuser mit unterschiedlichen Fachfrauen ander solidarisch zu sein. Sich auf sich selbst zu verlassen und stattgefunden: 2016 in Deutschland, 2018 in Tansania. Viel haben dafür zu kämpfen, stellt sicher, dass Du Dein Ziel erreichst. Auch wir voneinander und miteinander gelernt. Projekte, wie z. B. eine das ist ganz wichtig.“ Daher an dieser Stelle ein herzliches Danke- neue Frauenberatungsstelle oder eine Wanderausstellung wurden schön an alle, die die Frauen bei ihrer Bergtour unterstützt haben. angestoßen und umgesetzt. „Speak out“ war 2018 ein Ruf, der uns alle ermutigte. Berichte wie diese machen Mut. Sie machen Mut, einfach mal zu fragen – so wie es Beatrice Mlaki und Gabriele Mayer taten. Kurz vor meiner Einführung erreichte mich dann eine E-mail vom Sie machen mir Mut, dass sich etwas ändern kann. Die Erfah- Fuße des Kilimanjaros: Sie kam von Gabriele Mayer, die an der dor- rungen von Solidarität, gegenseitiger Ermutigung und Ermächti- tigen Bibelschule angehende Pastor*innen und Evangelist*innen gung sind prägend. Ich bin überzeugt, dass die Pastorinnen und ausbildet. Sie fragte, ob wir ihre Studentinnen unterstützen könn- Evangelistinnen diese Erfahrungen an anderer Stelle weitergeben ten, den Kilimanjaro zu besteigen. Kurzerhand haben Inke Pohl werden. Ebenso wird die neue Frauenberatungsstelle am Fuß des und ich entschieden, dass die Kollekte aus unserem Einführungs- Kilimanjaros die Situation von einigen Frauen verbessern und das gottesdienst diesen Frauen den Aufstieg ermöglichen möge. Thema geschlechtsspezifische Gewalt als gesamtkirchliches The- ma setzen. Speak out! Viele tansanische Frauen haben keine Gelegenheit, touristische Susanne Sengstock und eindrucksvolle Erfahrungen wie diese zu machen. Etliche der Studentinnen von Gabriele Mayer haben einfach keine Möglich- Fotos: Susanne Sengstock (links), Birgitta Henrich (rechts)
Projekte | Aktionen innovative 34 | 2019 16 Gemeinsam unterwegs Gut vernetzt: Frauen aus der Nordkirche und der Jeypore-Kirche Im September 2018 hatte Julia Lersch vom Frauenwerk indischen Frauen. Das Lied „I have decided to follow Jesus“ ist für der Nordkirche Frauen in der indischen Jeypore-Kirche sie ein Beispiel, wie es gelang, die Perspektiven zu wechseln und besucht – darüber berichteten wir in der innovative 33. sich in die Sichtweisen der Anderen hineinzuversetzen – eine wich- Zwischenzeitlich ist ein intensiver Kontakt entstanden, tige Voraussetzung, um Verständnis und Respekt füreinander zu auch in der direkten Begegnung: Im September 2017 war entwickeln. Dieses Lied sei ihr anfangs befremdlich vorgekommen, eine sechsköpfige Delegation von Frauen aus der Jeypore- weil es für sie eine sehr konservative Form von Glauben auszudrü- Kirche zu Besuch in Norddeutschland. cken schien. Durch den Erfahrungsaustausch mit den indischen Frauen veränderte sich ihr Zugang dazu. Sie verstand, dass Je- Zum Abschluss des Besuchs fand in Hamburg ein Partnerschafts- sus zu folgen bedeutet, sich für die Gleichheit und die Rechte tag mit Frauenmahl im Zentrum für Mission und Ökumene – Nord- von Frauen einzusetzen. kirche weltweit statt. Zwischen den einzelnen Gängen gab es en- gagierte Tischreden von indischen und deutschen Frauen zu ih- Vor dem Frauenmahl hatten die sechs Inderinnen zwei Wochen ren Erfahrungen und Visionen von Frauenarbeit hier und in Indien. lang Gelegenheit, verschiedene Orte und Institutionen der Nord- Pastorin Kuntala Naik machte deutlich, mit welchen Schwierigkeiten kirche kennenzulernen. So trafen sie Bischöfin Kirsten Fehrs in und Herausforderungen die Frauen in Indien zu kämpfen haben. Hamburg und kamen mit Maria Jepsen zusammen, der ersten lu- Die Kirche sei sehr männerdominiert, und viele könnten sich therischen Bischöfin weltweit, besuchten das Genderzentrum der nicht vorstellen, eine Frau auf der Kanzel zu sehen. Gleichzeitig Hansestadt, waren Gäste im Schwesternheimathaus in Stralsund, seien es hauptsächlich Frauen, die das Gemeindeleben an der in Rendsburg, Kiel und Breklum. Hier ging es mit der Methode des Basis aktiv gestalteten, sagte sie. Sie wünscht sich mehr Frauen Transkulturellen Lernhauses der Frauen darum, gemeinsam ver- in Leitungspositionen auf allen Ebenen der Kirche, damit Kirche schiedene Themen zu erarbeiten. Sehr persönlich erzählten bei- von Männern und Frauen gemeinsam und gleichberechtigt gestal- spielsweise die Pastorinnen Kuntala Naik und Nevedita Gorda tet werden kann. Pastorin Nevedita Gorda ergänzte, dass die Frau- von ihrer Arbeit. Sie berichteten aus ihrem Land, in dem Gewalt enarbeit in der Jeypore-Kirche sich dafür einsetze, dass Frauen gegen Frauen allgegenwärtig ist, ihren Erfahrungen aus den Ge- Zugang zu theologischer und allgemeiner Bildung bekämen und meinden, in denen „Lady Pastors“ tätig sind, von Rückschlägen in dass sie ermutigt würden, ihre Stimme zu erheben und sich für ihre Fragen der Geschlechtergerechtigkeit. Dazu gehörten aber auch Anliegen einzusetzen. Entwicklungen, die Mut und Hoffnung machen. Und der Austausch geht weiter: 2020 werden Mitarbeiterinnen des Frauenwerks der Eine weitere Perspektive trug Joy Hoppe bei, die aus Indien Nordkirche nach Indien reisen, und auch darüber hinaus soll das stammt und inzwischen Pastorin der Nordkirche in Hamburg ist. Netzwerk der Frauenarbeit weiter gestärkt werden. Sie berichtete von ihrer Erfahrung mit Integration in die deutsche Gesellschaft. Immer noch sei die Haltung vorherrschend, dass die Women on the move, Frauen in Bewegung, hier und dort. Frauen von außen Kommenden sich ändern und anpassen müssten und bewegen und verändern Kirche, damit eines Tages die Vision aus nicht die Residenzgesellschaft. Wünschenswert und für alle ein Gal 3,28 Wirklichkeit werden möge (Bibel in gerechter Sprache): Gewinn wäre es, wenn beide Seiten sich bewegen und voneinan- „Da ist nicht jüdisch noch griechisch, da ist nicht versklavt noch der lernen würden. frei, da ist nicht männlich und weiblich: denn alle seid ihr einzig- einig im Messias Jesus.“ Pastorin Jutta Jessen-Thiesen, die den Besuch der indischen Frau- Irene Pabst en begleitet hat, erzählte von ihrer Lernerfahrung im Dialog mit den „In Indien können sich viele nicht vorstellen, eine Frau auf der Kanzel zu sehen.“ Pastorin Kuntala Naik Foto: Ciprian Matefy
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